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Rahlstedter Leben April 2021

Das Stadtteilmagazin in Hamburg Rahlstedt

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Erziehung ist super!<br />

Ist das ‘ne sinnvolle Regel<br />

oder kann die weg?<br />

Regeln und Grenzen sind sinnvoll, damit wir Menschen friedlich und möglichst<br />

gefahrlos durchs <strong>Leben</strong> gehen können. Von Kindern wird erwartet, dass sie sich<br />

nicht nur zu Hause, sondern auch in Kita oder Schule, im Straßenverkehr, im<br />

Spiel mit Freund*innen, bei den Großeltern, im Sportverein an die geltenden<br />

Regeln halten. Selbstbestimmung kommt oft zu kurz. Text: Jessica Rother<br />

K<br />

ein Wunder, dass in der Familie<br />

Regeln verhandelt, ausgedehnt<br />

und diskutiert werden. Schnell entsteht<br />

ein unschöner Machtkampf. Ich halte<br />

viel davon, zu Hause ein paar Regeln zu<br />

lockern oder ganz zu streichen. Denn das<br />

kann unser Zusammenleben entspannen.<br />

Wie reduzieren wir Regeln?<br />

Erstens wir Eltern könnten darüber<br />

nachdenken, welche Regeln wirklich<br />

wichtig und sinnvoll für uns sind. Das<br />

finden wir heraus, wenn wir unsere familiären<br />

Anforderungen gut begründen<br />

können. Ist dies nicht der Fall, könnte es<br />

sich um eine Regel handeln, die sich aus<br />

dem Umfeld oder aus der Kindheit „eingeschlichen“<br />

hat, die quasi unreflektiert<br />

übernommen wurde. Wenn wir eine Regel<br />

nicht gut begründen können, wird es<br />

schwerfallen, sie durchzusetzen. Das mer-<br />

Fragen wir<br />

uns einmal ehrlich:<br />

Halten wir uns<br />

selbst immer<br />

an unsere Regeln?<br />

Schlippes<br />

Momente<br />

Illustrator,<br />

Kartonkünstler<br />

und Cartoonist<br />

www.b-vonschlippe.de<br />

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ken Kinder. Sobald sie Spielraum wittern,<br />

werden sie die Grenzen austesten oder<br />

mit uns diskutieren. Schließlich möchten<br />

Kinder einbezogen werden und mitbestimmen.<br />

Haben wir dazu gerade keine Nerven,<br />

kommt es schnell zum Streit.<br />

Zweitens könnten wir uns fragen: Was<br />

möchte ich damit erreichen? Welche Befürchtung<br />

steckt hinter der Regel? Und ist<br />

diese wirklich realistisch?<br />

Ein Beispiel: Wenn ein dreijähriges<br />

Kind am Tisch ruhig sitzen bleiben soll, bis<br />

alle fertig gegessen haben, was möchten<br />

wir erreichen? Soll das Kind gesellschaftliche<br />

Normen einhalten lernen? Möchten<br />

wir ihm stilles Sitzen mit Blick auf die<br />

Schule frühzeitig beibringen? Befürchten<br />

wir, ein „Zappelkind“ heranzuziehen, das<br />

mit seiner wilden Art überall anecken<br />

wird?<br />

Haben wir Ziele und Befürchtungen aufgedeckt,<br />

können wir uns fragen, wie realistisch<br />

sie sind. Gesellschaftliche Normen<br />

kann ein dreijähriges Kind rein kognitiv<br />

noch nicht nachvollziehen. Stillsitzen und<br />

Konzentrieren lernen Kinder in der (Vor-)<br />

Schule auch. So könnten wir entscheiden,<br />

dass das noch früh genug ist.<br />

Stellen wir fest, dass wir diese Vorgabe<br />

aus dem Elternhaus übernommen haben,<br />

könnten wir uns drittens fragen, wie<br />

wir es selbst fanden, sich daran halten zu<br />

müssen? Was haben wir daraus gelernt?<br />

Machen wir das heute noch so? Fühlen<br />

wir uns dabei wohl? War es sinnvoll, dass<br />

wir so früh dazu „erzogen“ wurden oder<br />

hätten wir es später auch selbst gelernt?<br />

Bemerken wir, dass eine Regel tatsächlich<br />

aus unbegründeten Befürchtungen<br />

oder aus der Kindheit stammt, könnten<br />

wir uns entschließen, sie zu lockern<br />

oder ganz aufzugeben. Es könnte zunächst<br />

auch testweise ausprobiert werden, wie<br />

es der Familie ohne die Regel geht. Vielleicht<br />

macht das Abendessen plötzlich<br />

mehr Spaß? Unsere Kinder müssen sich<br />

in ihrem Alltag an so viele Regeln halten,<br />

da kann es für alle entspannend sein, ein<br />

paar Grenzen fallen zu lassen. Kinder<br />

brauchen es, auch einmal nur „sein“ zu<br />

dürfen, ohne dass wir ständig an ihnen<br />

herummäkeln. Ganz bestimmt werden<br />

sie dadurch nicht gleich zu gesellschaftlichen<br />

Außenseiter*innen oder tanzen uns<br />

dann nur noch auf der Nase herum.<br />

Können wir eine Regel jedoch gut begründen<br />

(Zähne putzen ist wichtig, weil<br />

wir Karies verhindern wollen), ist sie für<br />

uns sinnvoll und kann aufrecht erhalten<br />

bleiben. Auch wenn das „Einfordern“<br />

manchmal schwierig ist, werden wir hier<br />

vermutlich konsequent bleiben, was Kindern<br />

Klarheit bietet.<br />

Sich viertens an die eigene Nase fassen:<br />

Fragen wir uns einmal ehrlich:<br />

Halten wir uns selbst immer an unsere<br />

Regeln? Wenn wir selbst Sachen herumliegen<br />

lassen oder zum Trödeln neigen,<br />

können wir dann von unseren Kindern<br />

Ordnung verlangen und dass sie morgens<br />

pünktlich angezogen sind? Für geltende<br />

Regeln sollten Eltern ein möglichst gutes<br />

Vorbild sein, denn Kinder achten mehr<br />

auf das, was wir tun, als auf das, was wir<br />

sagen. Fällt es uns selbst schwer, uns nach<br />

einer Regel zu richten, warum lassen wir<br />

sie nicht weg? Soll sie bestehen bleiben,<br />

tragen wir die gleichen Konsequenzen<br />

wie die Kinder. Vergessen wir die Hände<br />

vor dem Essen zu waschen, müssen wir<br />

genauso noch einmal aufstehen und es<br />

nachholen. Das ist fair. Mein Sohn hatte<br />

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neulich die Idee, ein Bild zu malen, dass<br />

uns ans Hände waschen erinnert. Seit das<br />

Bild hängt, passt er von sich aus auf, dass<br />

diese Regel eingehalten wird, denn Kinder<br />

lieben es, wenn sie einbezogen werden<br />

und ihre Ideen Gehör finden.<br />

Fünftens, Verständnis für unkooperatives<br />

Verhalten aufbringen. Leider sehen<br />

wir Eltern oft eher die Situationen, in<br />

denen Kinder Regeln nicht einhalten. Dadurch<br />

übersehen wir tolle Momente, in denen<br />

Kinder kooperieren. Anziehen, Zähne<br />

putzen, abwarten, bis die kleine Schwester<br />

angezogen ist. Auch sehr kleine Kinder<br />

kooperieren, wenn sie uns die Arme beim<br />

Jacke Anziehen entgegenstrecken, uns die<br />

Schuhe holen oder selbständig frühstücken.<br />

Nachdem Kinder in Schule oder Kita<br />

den ganzen Tag ihr Möglichstes getan haben,<br />

um sich an die geltenden Regeln zu<br />

halten, haben sie zu Hause das Bedürfnis,<br />

sich selbst nicht mehr so stark regulieren<br />

zu müssen. Oft bekommen sie dann Ärger,<br />

weil sie „herumflippen“, turnen, laut werden,<br />

nicht mehr mitmachen wollen. Dabei<br />

geht es uns Erwachsenen manchmal ähnlich.<br />

Wir kooperieren während der Arbeit<br />

den ganzen Tag, schlucken vielleicht Dinge<br />

herunter, mit denen wir nicht einverstanden<br />

sind. Auch wir wollen zu Hause<br />

gerne einmal Fünfe gerade sein lassen.<br />

Den Blick auf die positiven Situationen<br />

richten und die Perspektive wechseln<br />

kann helfen, mehr Verständnis für Kinder<br />

aufzubringen, wenn sie gerade nicht so<br />

„funktionieren“, wie wir es gerne hätten.<br />

Nicht zuletzt gibt es auch viele schöne<br />

Regeln, nämlich unsere familiären<br />

Rituale. Das gemeinsame Essen, Vorlesen<br />

oder das Kuscheln am Abend. Von<br />

solchen Regeln dürfen wir ruhig viele<br />

aufstellen und sie gemeinsam in vollen<br />

Zügen genießen. n<br />

14 <strong>Rahlstedter</strong> <strong>Leben</strong> 02/<strong>2021</strong><br />

15

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