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Leseprobe "Alles, was du für mich bist"

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Blancos gekommen ist. Sie sind seit fast vierzig Jahren verheiratet,<br />

und wenn ihre Ehe auch nicht so leidenschaftlich ist wie<br />

die in lateinamerikanischen Seifenopern, so habe ich doch nie<br />

an ihrer Verbundenheit gezweifelt. So ein Leben haben meine<br />

Eltern sich auch <strong>für</strong> <strong>mich</strong> gewünscht, und zu wissen, dass ich<br />

sie in dieser Hinsicht enttäuscht habe, tut mir im Herzen weh.<br />

»Die Mandelbäume hinterm Haus verlieren langsam ihre<br />

Blüten«, sage ich, um <strong>mich</strong> von den Gedanken an Ramón abzulenken.<br />

Mamá hebt die Schultern und gießt sich selbst einen Kaffee<br />

ein. Mit der Hüfte an die Tischplatte gelehnt streicht sie mir<br />

den Pony aus dem Gesicht. »Als Kind wolltest <strong>du</strong> immer mit<br />

den Mandelblüten tanzen. Du hast dich gedreht und gedreht,<br />

bis dir ganz schwindlig wurde und <strong>du</strong> lachend auf den Boden<br />

geplumpst bist. Ich bin ein Glücksbärchi, hast <strong>du</strong> dann gesagt.<br />

Ich schwebe auf einer rosa Wolke.«<br />

Hat Mamá <strong>mich</strong> vorhin <strong>du</strong>rchs Fenster beobachtet? Das<br />

habe ich nun von der peinlichen Aktion. »Ich wollte ein<br />

Glücksbärchi sein, weil ich dann allen Kindern auf der Welt<br />

ihre Wünsche erfüllen könnte.«<br />

»Und genau das bist <strong>du</strong> geworden.« Sie stupst mir mit der<br />

Zeigefingerspitze auf die Nase. »Ein Glücksbärchi <strong>für</strong> deine Patienten.«<br />

Von einem Glücksbärchi bin ich ungefähr so weit entfernt<br />

wie eine Kreuzspinne von einem Pummeleinhorn. Erstens kann<br />

ich keine Wünsche wahr werden lassen – auch wenn Mamá das<br />

gerne anders sieht. <strong>Alles</strong>, <strong>was</strong> ich vermag, ist, meine Patienten<br />

auf ihrer Reise zu begleiten. Und zweitens ist nichts an mir<br />

weich und flauschig und niedlich.<br />

Aber ich komme nicht mehr dazu, Mamá zu widersprechen.<br />

In der Tür steht nämlich plötzlich der Mann, auf den ich insgeheim<br />

gewartet, dessen Anwesenheit ich aber genauso ge<strong>für</strong>chtet<br />

habe.<br />

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