Künstler-Magazin 02-2021
Fachmagazin für die Show- und Eventbranche
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Showszene aktuell<br />
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Kollateralschaden<br />
Kulturtod ohne Trauernde<br />
Chronik einer Krankheit<br />
Corona macht krank,<br />
Corona kann töten.<br />
Corona ist schlimm, verändert die<br />
Gesellschaft und das Leben. Darüber<br />
berichten wir. Geschichten,<br />
die es nicht in die Medien schaffen.<br />
Wir geben Zahlen einen Namen<br />
und eine Seele. Die Serie<br />
„Kollateralschaden“ basiert auf<br />
Berichten Betroffener der Coronapolitik.<br />
Damit keiner sagen kann:<br />
„Das haben wir nicht gewusst!“<br />
Kulturtod ohne Trauernde<br />
Von Johanna und Frank Wahlig<br />
Die Beerdigung findet digital statt.<br />
Diese Oper ist ein Hit und Hits<br />
gehören auf die große Bühne.<br />
Mozarts Le Nozze di Figaro an<br />
der Berliner Staatsoper gibt es im<br />
Coronajahr nur für die Fernsehkameras,<br />
für die Beleuchter vielleicht<br />
auch noch. Publikum gibt es<br />
keines. Hochkultur vor leeren Reihen.<br />
Figaro im Internet. Ein Singstück<br />
unter vielen. Das ist Marionettentheater<br />
– allenfalls. Eine<br />
Farce, ganz sicher.<br />
Hochkultur der Corona-Gegenwart.<br />
Ist das noch Kunst oder<br />
schlicht Feigheit oder kann das<br />
weg? Es kann weg. Diese Aufführung<br />
ist Beschäftigungstherapie<br />
für Sänger und Musiker – damit<br />
es scheint, als hätten sie zu<br />
tun. Einzig die Kulturpolitiker applaudieren<br />
– virtuell. „Seht her,<br />
hört zu: Wir sind für die Kultur!“<br />
Der Finanzminister wirft mit<br />
Konfettigeld<br />
Der Finanzminister verspricht Milliarden<br />
für eine Kultur, die es nicht<br />
mehr gibt. Bevor die sensiblen<br />
<strong>Künstler</strong> dem Murren verfallen,<br />
werden sie mit Konfettigeld beworfen.<br />
„Wir wollen kleinere Kulturveranstaltungen<br />
finanziell fördern,<br />
die aufgrund der Hygienevorgaben<br />
mit deutlich weniger<br />
Publikum stattfinden müssen“,<br />
so Finanzminister Olaf Scholz.<br />
Es finden überhaupt keine Kulturveranstaltungen<br />
statt, Herr Minister.<br />
Die Symphonie der Großstadt<br />
besteht aus Vogelgezwitscher<br />
und dem Heulen der Sirenen<br />
und den atonal quietschenden<br />
Straßenbahnen.<br />
Die <strong>Künstler</strong> halten weitgehend<br />
still und hoffen auf Staatsknete.<br />
Lebenslange Ausbildung<br />
und arbeitslos<br />
Marta Murvai ist eine international<br />
bekannte Geigerin. Eine Ausnahmekünstlerin.<br />
Sie lebt in Berlin,<br />
hat nichts zu tun und übt, damit<br />
sie so brillant bleibt, wie sie es vor<br />
Corona einmal war. Seit November<br />
keine Auftritte, auch keine<br />
Aussicht auf Konzerte in der Zukunft.<br />
„Meine Ausbildung dauerte<br />
15 Jahre – und ich darf nicht arbeiten.<br />
Ich habe seit meinem<br />
sechsten Lebensjahr täglich mehrere<br />
Stunden geübt… und mein<br />
Beruf wird als nicht notwendige<br />
Tätigkeit eingestuft“, sagt Marta.<br />
Für Marta Murvai ist Kunst, Leben<br />
und Spielen eins. Musik ist Berufung<br />
und Lebenshaltung.<br />
„Ein <strong>Künstler</strong>, der nur vor dem<br />
Spiegel spielt, wird schlecht. Wir<br />
brauchen Publikum“, sagt Marta<br />
Murvai.<br />
Im Lockdown hat Marta Stücke<br />
eingeübt, Konzerte erarbeitet in<br />
der Hoffnung, dass die Zeiten sich<br />
ändern. Vergeblich. „Die Kulturpolitiker<br />
halten uns wie der Katze ein<br />
Spielzeug vor die Nase und es<br />
wird immer wieder weggezogen.“<br />
Die Politik spielt Friseure und<br />
<strong>Künstler</strong> gegeneinander aus. Die<br />
einen dürfen aufmachen, die anderen<br />
bleiben arbeitslos. Im Februar<br />
ist Marta Murvai nach Bukarest<br />
geflogen und hat ein Konzert<br />
gegeben. Vor Publikum. Applaus.<br />
Die Menschen waren dankbar, ein<br />
Konzert miteinander erleben zu<br />
können. In Bukarest, nicht in<br />
Deutschland, dem Land mit dem<br />
meisten Opern- und Konzerthäusern<br />
weltweit. Musik ist hörbare<br />
Bildung, Kultur der Jahrhunderte.<br />
<strong>Künstler</strong> verklagen die<br />
Regierung<br />
„Aufstehen für die Kunst“ heißt die<br />
Initiative prominenter Musiker im<br />
Rechtsstreit mit der bayerischen<br />
Regierung. „Wir wurden unserer<br />
Berufe beraubt“, so die Begründung<br />
von Stargeigerin Anne-Sophie<br />
Mutter. Die Musikerin ist<br />
Mitinitiatorin der Klage beim<br />
bayerischen Verfassungsgerichtshof.<br />
Eine Popularklage für die<br />
Kunstfreiheit. Grundlage sei Artikel<br />
5 des Grundgesetzes für<br />
die Kunstfreiheit. Anne-Sophie<br />
Mutter und 23 weitere prominente<br />
<strong>Künstler</strong> klagen auf Öffnung der<br />
Konzerthäuser.<br />
Freie Musiker sitzen an der Supermarktkasse,<br />
weiß Marta Murvai:<br />
“Psychisch sind viele Kollegen<br />
am Ende.“ Wer dann kritisiert,<br />
wird diffamiert. Der bekannte Pianist<br />
und Wagner-Erklärer Stefan<br />
Mickisch starb im Februar 2<strong>02</strong>1<br />
aus ungeklärter Ursache. Mit den<br />
Nerven am Ende. Er hatte die Regierungspolitik<br />
als „Coronafaschismus“<br />
bezeichnet. Der öffentlich-rechtliche<br />
Rundfunk bezeichnete<br />
den 58-Jährigen daraufhin<br />
als „Verschwörungstheoretiker“.<br />
Der Chef der „Villa Wahnfried“ in<br />
Bayreuth erteilt ihm Hausverbot,<br />
kündigt die Freundschaft öffentlich<br />
auf Facebook und legt in der<br />
Lokalpresse nach.<br />
Beerdigung der Hochkultur<br />
Eine breite „Wir-machen-auf-Bewegung“<br />
gibt es nicht. Die Kulturpolitik<br />
vergisst die Kultur. „Mund-<br />
Nasenschutz und eine Belüftungsanlage<br />
und schon ist eine<br />
Infektion so gut wie ausgeschlossen.“<br />
So eine Untersuchung des<br />
Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts<br />
in Zusammenarbeit mit dem<br />
Umweltbundesamt. Ziel der Studie<br />
war, wissenschaftlich fundierte<br />
Entscheidungsgrundlagen zu<br />
schaffen, denn die benötigt die<br />
Politik dringend, um über Maßnahmen<br />
beim Infektionsschutz in<br />
Kulturstätten zu entscheiden,<br />
kommentiert der Intendant des<br />
Konzerthauses in Dortmund, Raphael<br />
von Hoensbroech, die Studie.<br />
Eine ähnliche Untersuchung<br />
haben die Bamberger Symphoniker<br />
durchgeführt. Doch die Bühnen<br />
bleiben so leer wie die Orchestergräben,<br />
wie die Ränge.<br />
Eine Kultur stirbt, wenn sie nicht<br />
mehr gespielt und nicht mehr gekannt<br />
wird. Die Politik steuert das<br />
Geld für die Beerdigung bei.<br />
Einen Auftritt allerdings hatte Marta<br />
in Berlin. Sie spielte in der Kita<br />
ihrer Tochter – coronasicher versteht<br />
sich. Auf höchstem Niveau.<br />
Wer aus seinem beruflichen oder<br />
privaten Leben einen „Kollateralschaden“<br />
melden möchte: Vertraulich<br />
und persönlich, per E-Mail<br />
an wahlig@reitschuster.de<br />
Kritischer Journalismus. Ohne<br />
"Haltung". Ohne Belehrung. Ohne<br />
Ideologie. https://reitschuster.de<br />
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