NeueSzene 2021-06 E-Paper
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D
aniel, du bist in der Hauptstadt geboren. Da liegt die erste
Frage auf der Hand, wie hat es dich als Berliner Junge nach
Augsburg verschlagen?
Ich war fünf Jahre alt, als wir nach Bayern gezogen sind. Ich bin in
Freising aufgewachsen und mit 14 ging es weiter Richtung Aichach. Mit 18
wollte ich unbedingt in einer größeren Stadt leben und so kam Augsburg
ins Spiel, wo ich eine Ausbildung als Friseur begonnen habe.
In einem Interview hast du mal gesagt: “Ich habe die ganze Welt gesehen,
aber in Augsburg bin ich hängen geblieben”.
Das stimmt. Was ich an Augsburg sehr schätze, man hat alles direkt vor
seiner Haustüre, egal ob urbanes Leben oder Natur. Zudem sind die Wege
kurz und vor allem liebe ich diesen familiären Spirit und die Unaufgeregtheit,
die diese Stadt vermittelt. Und die Augsburger sind sehr open minded,
mehr als sie denken! Vielleicht zieht es mich eines Tages mal in eine andere
Ecke der Welt, aber derzeit fühle ich mich hier zuhause.
Was waren denn deine ersten Schritte als DJ?
Los ging´s mit 14 in Freising, dann folgte München, später u.a. in der
Roten Sonne. In Augsburg waren meine ersten Stationen das Blue Sky am
Predigerberg, die “Lässig Lounge” im Kerosin und der Liquid Club. Ein echter
Stepp war 2006 meine Veranstaltungsreihe “Forza Electronica” im Schwarzen
Schaf, die heute noch im City Club existiert.
Ich habe dein “Städtetrip-Interview” im Faze Magazin gelesen. Es
kommt sympathisch rüber und dokumentiert, dass du nicht nur in
sondern auch mit der Stadt lebst.
Ja total, Augsburg ist mein Anker, ich war jahrelang an den Wochenenden
unterwegs. Da habe ich es dann immer sehr genossen, hier unter der
Woche in Cafes, Bars und Restaurants zu sitzen. Augsburg hat mich in den
ganzen Jahren sehr inspiriert und hier konnte ich meine Selbständigkeit als
DJ aufbauen. Ich weiß nicht, ob das in einer Großstadt auch so geklappt
hätte. Man sagt ja, “was in Augsburg funktioniert, funktioniert auch auf der
ganzen Welt” (lacht).
“
Was in Augsburg funktioniert,
funktioniert auch auf der ganzen Welt.
Du hast 70.000 Follower auf Facebook, dein Track “The Misery” wurde
über 2,5 Mio. Mal bei Spotify angeklickt. Das hat schon eine Aussagekraft.
Fakt ist, es gibt in Augsburg keinen DJ, der weltweit so viel unterwegs
war wie du. Wie schafft man es, dass man rund um den Globus
gebucht wird?
Ich produziere schon seit Jahren eigene Tracks und konnte damit einige
Clubhits landen, die auf allen relevanten Festivals gespielt wurden. Dadurch
poppt dein Name in der Szene auf und es hat nicht lange gedauert, bis ich
bei der renommierten Booking Agentur Four Artists gelandet bin. 2009 hatte
ich meine erste Show in Barcelona und dann folgte ein Ding nach dem anderen.
2011 ging es dann so richtig los und 2013 hatte ich schon 130 Bookings
auf der ganzen Welt. Inzwischen war ich so ziemlich in ganz Europa
unterwegs, mehrmals in den USA und Südamerika, in Afrika, Australien, in
Japan, Singapur oder auch in China.
Was ist das für ein Leben, wenn man jahrelang um den Globus jettet
und wie ein Nomade lebt?
Es ist schön, aufregend, aber auch extrem. Es ist ein komischer Mix, denn
einerseits genießt man eine große Aufmerksamkeit, steht sehr im Mittelpunkt,
isst in den besten Restaurants, wohnt in den besten Hotels, performt
vor Tausenden von Menschen und wird überall super behandelt. Man muss
zwischendurch aber schon auch aufpassen, dass man nicht abhebt. Andererseits
ist es ein einsames Leben, denn man reist alleine von Stadt zu Stadt.
Doch irgendwann ist jede Party zu Ende und dann sitzt man alleine im
Hotel, bevor man am nächsten Tag weiterzieht.
Wenn man jahrelang aus dem Koffer lebt, leidet da nicht das soziale Leben?
Voll! Man lebt, verglichen mit seinen Freunden und Bekannten, antizyklisch,
man verpasst Hochzeiten oder Geburtstage. Während ich unter der
Woche in Augsburg quasi Freizeit hatte, mussten die anderen arbeiten. Aber
ich bin ein echter Workoholic und wenn man mal im Flow ist, kann man
nicht so einfach auf Stopp drücken. Aber generell bin ich ein Mensch, der
schnell Anschluss findet und es sind auch Freundschaften auf der ganzen
Welt entstanden, die heute noch bestehen.
Man erlebt auf Reisen sicher auch die skurrilsten Dinge.
Ich habe immer wieder völlig fremde Menschen getroffen, bei denen
ich das Gefühl hatte, sie schon ein Leben lang zu kennen. Das sind Situationen,
wo man sich denkt: “Hey, genau den Typen kenne ich in Augsburg
auch.” Man muss sich gar nicht erklären, es matched sofort untereinander.
Das hat mir immer ein gutes Lebensgefühl gegeben und macht die Welt irgendwie
auch sehr klein.
Wie unterschiedlich tickt das Partyvolk auf dem Globus?
Klar, es gibt viele kulturelle Unterschiede. Sehr musikalisch und begeisterungsfähig
sind die Südamerikaner, elektronische Musik hat da einen sehr
großen Stellenwert und wenn ich beispielsweise in Brasilien auflege, kommen
zwischen 4.000 und 8.000 Leute. In Japan muss man als DJ schon ein
Big Player sein. Sehr schwer ist es auch in China, weil es da keine sozialen
Netzwerke gibt und man dadurch schwer an die Leute rankommt. Die Griechen
wollen bei den Sets etwas mehr zum Mitsingen haben, die New Yorker
haben es gerne technoid, dunkel, hart …
Das heißt aber auch, dass du als DJ sehr flexibel agieren musst.
Ich bin generell jemand, der sich viel im Vorfeld informiert und so wenig
wie möglich dem Zufall überlässt. Ich muss wissen, wie die Leute ticken,
was sie mögen, welche DJs ankommen. Ich habe da schon einen hohen Anspruch.
Es muss abgehen, denn ich habe keinen Bock, dass das Publikum
nach einer Show unzufrieden nach Hause geht. Ich habe in meinen Anfangsjahren
freitags immer im Pow Wow vor Kaffeepublikum aufgelegt, da lernt
man, das Publikum zu lesen, man bekommt ein Gefühl, was ankommt und
was nicht. Und ich habe keine Scheuklappen, ich mag viele Musikrichtungen
und bin da sehr offen, ich lege schon gerne neben House auch mal HipHop
oder auch 80s-Zeug auf.
Natürlich hat auch dich die Pandemie ausgebremst. Wie sehr vermisst
du Clubs und deine Reisen? Oder hast du die Zeit auch genossen und
mal die Seele baumeln lassen?
2019 habe ich viel Zeit mit Produktion verbracht, ich habe eigene Stücke
gemacht, aber auch mit anderen Künstlern wie dem Augsburger Hip Hopper
Errdeka gearbeitet. Das war der Matchplan. Danach wollte ich wieder
ausgiebig touren, kurz vor Corona war ich noch in Indien auf Tour. Aber
seitdem ist natürlich Funkstille. Ich habe mich lange damit schwer getan
und hatte eine Zeit lang gar keine Inspiration oder Motivation mehr. Ich
brauche eben soziale Kontakte, um zu funktionieren. Ich hoffe, dass dieser
Spuk bald zu Ende ist und kann es gar nicht erwarten, endlich wieder unterwegs
zu sein und meinen Job machen zu dürfen. Aber am allermeisten
freue ich mich auf ein exzessives Heimspiel bei “Forza Electronica” im City
Club, wo am Ende alle mit einem fetten Grinsen im Gesicht dastehen. (ws)