Nachlese Die Justiz ermittelt
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Von Polemik und Gehässigkeit<br />
Hass war in der Gesellschaft selbstverständlich schon immer präsent. Er ist keine Erfindung der digitalen Welt oder der<br />
heutigen Zeit. Allerdings machen soziale Netzwerke Hass sehr viel schneller und auch sichtbar, sie fungieren als<br />
Multiplikatoren. Hass wird beschleunigt, gestreut, verstärkt. Wagt man einen Blick in die Kulturgeschichte, zeigt sich,<br />
dass die Gehässigkeit ein altes Element der Politik war und ist. Manche Autoren vertreten sogar die Meinung, die<br />
Gehässigkeit mache mit ihrer Polemik und Schärfe einen politischen Diskurs überhaupt erst spannend. <strong>Die</strong> Grenze<br />
zwischen dem, was gerade noch tolerabel ist und politische Debatten nicht zuletzt für die Wählerinnen und Wähler<br />
interessant macht, und Beleidigung sowie Rufmord scheint manchmal schmal und schwer zu ziehen. Manchmal ist sie<br />
aber auch ganz klar. Jedenfalls dürfte die Grenze, wo die Gehässigkeit als klassisches Element der Politik nichts mehr<br />
verloren hat, spätestens dann erreicht sein, wenn die involvierten Personen materiellen oder immateriellen Schaden<br />
nehmen.<br />
Dirty Campaigning als Gruppenverhalten<br />
Wenden wir uns aber noch einmal den Täterinnen und Tätern zu. Auch wenn sie im Internet als Einzelpersonen in<br />
Erscheinung treten, sollte man nicht vergessen, dass es sich bei Dirty Campaigning um ein dynamisches<br />
Gruppenverhalten handelt. Dem kann ein aggressives Verhalten in der analogen Welt zugrunde liegen oder es kann<br />
einem solchen Vorschub leisten. Denn durch Dirty Campaigning – egal ob konventionell über Printmedien oder im<br />
Internet ausgetragen – wird der Gegner letztlich dehumanisiert. Und Dehumanisierung ihrerseits bereitet die<br />
Anwendung von realer Gewalt vor.<br />
Außerdem führt Dirty Campaigning dazu, dass von einem Moment zum anderen eine Minderheit den Diskurs diktiert,<br />
indem sie alle Aufmerksamkeit auf ihr Thema bündelt, das heißt, es gibt in diesem Augenblick kein anderes Thema<br />
mehr als den vermeintlichen Fehltritt des betroffenen Politikers. Außerdem wird Angst verbreitet – Angst, sich mit der<br />
angegriffenen Person zu solidarisieren, weil sich dann der Hass möglicherweise gegen einen selbst richten könnte.<br />
Das alles hat mittelfristig zur Folge, dass die gemäßigte Mehrheit aus Furcht darauf verzichtet, sich zu äußern – eine Art<br />
Selbstzensur tritt ein. Menschen entscheiden sich für das Schweigen und ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück.<br />
Damit werden ihre Meinungen nicht mehr gehört. Im Internet wird dieser Effekt dadurch verstärkt, dass man nur<br />
schwer abschätzen kann, wie groß die Gruppe ist, die hinter bestimmten Narrativen und Behauptungen steht. Sehr<br />
häufig tritt diese Gruppe, obwohl sie zahlenmäßig eher eine Minderheit darstellt, sehr dominant auf und wirkt dadurch<br />
umso mächtiger bzw. bedrohlicher.<br />
Gegenrede und digitale Zivilcourage gefragt<br />
Was kann die Gesellschaft, was kann der Einzelne gegen Dirty Campaigning tun? Zunächst ist es wichtig, sich – sofern<br />
man den Druck psychisch aushalten kann – nicht zurückzuziehen. Sonst überließe man das Feld den Aggressoren.<br />
Auch ist das Ignorieren von Dirty Campaigning keine gute Lösung, weil es eher verstärkende Wirkung hat und als stille<br />
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