Baden vokal Nr. 6 2021

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Warum Olaf Fütterer von
der Singakademie Ortenau
juristische Schritte
gegen Regierung erwägt
„Die seelische Gesundheit wird
nicht genügend beachtet“
Olaf Fütterer, Künstlerischer Leiter der Singakademie Ortenau
in Achern, hat zwei Mal beim Ordnungsamt Achern
beantragt, die Probenarbeit mit seinem Chor wieder aufnehmen
zu dürfen. Wie zu erwarten, wurden beide Anträge
abgelehnt. Ihm wurde sogar ein Ordnungsgeld in
vierstelliger Höhe angedroht, sollte er sich an das Verbot
nicht halten. Die Redaktion fragte Olaf Fütterer per E-Mail
nach seinen Beweggründen zu dieser Vorgehensweise.
Warum haben Sie zwei Mal beim Ordnungsamt
beantragt, mit Ihrem Chor
wieder proben zu dürfen? Das Verbot
ist doch eindeutig.
Beim ersten Mal konnte das Ordnungsamt
keine Entscheidung herbeiführen,
da die rechtlichen Grundlagen
zeitlich befristet, der Gegenstand
des Antrages aber nach Fristende lag.
Wir wurden aufgefordert, den Antrag
dann nochmal zu stellen. Ein scheinbar
eindeutiges Verbot muss per se ja
nicht richtig sein. Wir haben nach wie
vor berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Verbotes.
Würden die Sängerinnen und Sänger
derzeit an Proben teilnehmen, wenn
diese erlaubt wären?
Absolut, wir haben derzeit drei Gruppen:
Die Unerschrockenen und Mutigen
wollen singen und sich treffen,
das ist die Mehrheit. Die Vorsichtigen
die noch abwarten wollen. Und diejenigen,
die noch nicht so genau wissen,
zu welcher Gruppe sie sich zugehörig
fühlen sollen, das ist die Minderheit.
Wie schätzen Sie die Stimmung unter
den Sängerinnen und Sängern Ihres
Chors ein?
Es gibt nicht nur eine Stimmung, sondern
äußerst vielfältige Stimmungen
nebeneinander. Wenn es aber eine gibt,
die am häufigsten zu hören und zu spüren
ist, dann diese: Die Bundes- und
Landesregierung hat bei der Bewältigung
dieser Situation krachend versagt.
Die Menschen werden wie unmündige
Kinder behandelt, die Maßnahmen mit
ihren massiven Grundrechtseingriffen
sind nicht angemessen und hinterlassen
mentale Verwüstungen und gerade
im Chorwesen irreparable Schäden. Die
seelische Gesundheit der Menschen
wird und wurde nicht genügend beachtet.
Die Skandale in der Politik tun
ein Übriges, die Medien verhalten sich
nicht objektiv und kritisch genug. Vertrauensverlust
ist spürbar. Das finde ich
sehr besorgniserregend.
Mit welchen durch den Lockdown
verursachten Folgen rechnen Sie für
Ihren Chor?
Die Singakademie bei ihrem Konzert von Rossinis „Stabat Mater“ und Puccinis „Messa di
Gloria“ im Kloster Erlenbad im Jahr 2019.
Foto: AP
Ein Chor ist nicht nur ein vokaler
Klangkörper sondern auch ein soziales
Gebilde, welches musikalisch und
menschlich vom direkten Miteinander
und Austausch lebt und daraus seine
Qualität saugt. Wenn es vor Corona
100 Prozent waren, muss ich jetzt wieder
bei 25 bis 30 Prozent anfangen und
werde wieder Jahre brauchen. Sollten
sich weitere Lockdowns in dieser Massivität
und Planlosigkeit wiederholen,
kann ich den Laden dichtmachen.
Was erwarten Sie von Seiten der Politik
für die Laienmusik?
Wenn ich das aufschreibe, reicht dieser
Platz leider hier nicht aus.
Planen Sie, mit juristischen Schritten
gegen das Verbot vorzugehen?
Ja absolut, nach dem Lockdown ist vor
dem Lockdown. Wir sammeln jetzt
Erfahrungen, die wir später gezielter
nutzen wollen.
Wie gehen Sie als Chorleiter generell
mit der derzeitigen Situation um?
Ich kann ein sturer norddeutscher
Dickschädel sein und verfolge sehr penetrant
und beharrlich Ziele. Ich werde
die derzeitige bedrohliche Situation
für das Chorwesen nicht akzeptieren
und werde mich mit meiner ganzen
Kraft für die Belange meiner Chöre
einsetzen.
Zur Person
Olaf Fütterer stammt aus Hannover. Er
studierte an der Hochschule der Künste in
Bremen die Fächer Orgel, Chor- und Orchesterleitung
mit dem Abschluss eines
Kapellmeisters. Anschließend erwarb er
an der Universität Hamburg den Titel
eines Diplom-Musiktheaterregisseurs. Er
arbeitete mehrere Jahre lang als Kulturmanager.
Er war Orchesterdirektor eines
Rundfunkorchesters in Leipzig sowie
Intendant und Regisseur eines Open-Air-
Festivals in Sachsen. In Baden-Baden war
er als Gesamtkoordinator des Festspielhauses
Baden-Baden tätig. Fütterer arbeitet
bundesweit als freischaffender Chorleiter
und Dirigent sowie als Berater in der
Kulturwirtschaft.
mb
BAV 6 · 2021
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