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Baden vokal Nr. 6 2021

Was stellen die Chöre vor Ort auf die Beine, was läuft in der Chorszene auf regionaler und nationaler Ebene? Infos dazu finden Sie in Ihrem Badischer Chorverband-Magazin, in Baden vokal. Die Zeitschrift wirft elfmal im Jahr auch Blicke über den Tellerrand, berichtet aus dem Landesmusikverband und anderen Amateurmusikverbänden, spielt Mäuschen, was Aktivitäten anderer Landes-Chorverbände betrifft, informiert über Trends und neue Noten, gibt Vorständen Tipps für die Vereinsarbeit und lässt Experten zur Wort kommen – das alles in einer ansprechenden, unterhaltsamen Aufmachung.

Was stellen die Chöre vor Ort auf die Beine, was läuft in der Chorszene auf regionaler und nationaler Ebene?
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nachrichten für baden | news<br />

Ein Gastbeitrag von Wolfgang Mettler<br />

„SYSTEMRELEVANZ“ –<br />

Was soll denn das?<br />

Seit Beginn der Coronakrise geistert<br />

der Begriff „Systemrelevanz“ wie ein<br />

Fanal durch die mediale Welt: Er soll<br />

angeblich Berufe, Tätigkeiten, auch<br />

nebenamtliche Aktivitäten definieren,<br />

die für die Existenz der Spezies „Homo<br />

sapiens“ unerlässlich und deshalb jetzt<br />

kräftig zu stützen sind. Unter diesen<br />

Aspekt fallen natürlich Berufe zum<br />

Beispiel im Bereich der Nahrungsmittelsicherung,<br />

der Medizin und Pflege,<br />

der staatlichen Fürsorge und Verwaltung,<br />

grundsätzlich aber auch Engagements<br />

im Bereich des Handwerks und<br />

der Industrie, bei denen man auch den<br />

Verzicht des Tragens von Schutzmasken<br />

und der Einhaltung von Sicherheitsabständen<br />

gerne gestattet – falls<br />

sich dies als arbeitstechnisch nützlich<br />

und renditeträchtig auswirkt. Sogar<br />

der Sport scheint jetzt systemrelevant:<br />

Warum sonst ist das emsige Balltreten<br />

von Millionären bei Zugeständnissen<br />

von Test-Sonderregelungen erlaubt?<br />

„Systemrelevanz“ wurde bis jetzt nie<br />

präzise definiert, „Relevanz“ zwar<br />

schon im Sinne von „bedeutend,<br />

wichtig“ – so zumindest im Duden,<br />

aber auch dort nicht als „unverzichtbar“.<br />

Aber welches und für welches<br />

System eigentlich? Wohl das für<br />

die Erhaltung der menschlichen<br />

Existenz? Erhaltung welchen Wohlstandes?<br />

Und auf welchem Niveau<br />

soll sich dieser erhalten? Ginge es<br />

ausschließlich um die Erhaltung der<br />

Existenz, so ließe sich das Niveau –<br />

Gott bewahre! – absenken bis auf die<br />

Befriedigung der Urtriebe Selbsterhaltung<br />

und Fortpflanzung; das Weitere<br />

regelte dann – wie in der Steinzeit<br />

– das Recht des Stärkeren! Der<br />

Homo sapiens besteht jedoch nicht<br />

nur aus Fleisch, Blut und rationalem<br />

Denkvermögen. Er pflegt vielmehr<br />

auch Phantasie, Kreativität, Emotion,<br />

Traum, Sensibilität. Dieser Bereich<br />

ist eben auch unabdingbarer Bestandteil<br />

seines Wesens, er ist wesentlich,<br />

scheint aber nicht systemrelevant zu<br />

sein: Man nennt ihn übrigens Kultur.<br />

Genau daran entzündet sich der Ärger<br />

vieler Kulturschaffender, besonders<br />

natürlich derer, die durch das Sieb<br />

von Rettungsschirmen fallen: die Freischaffenden<br />

zum Beispiel, aber auch<br />

die Amateurchöre und -orchester. In<br />

Krisenzeiten wie den unseren werden<br />

solche Personen und Institutionen als<br />

verzichtbarer Luxus und deshalb als „system-ir-relevant“<br />

gewertet, und dies trotz<br />

häufiger, mit Vernunft und Effizienz<br />

entwickelter Hygienekonzepte! Es entwickelt<br />

sich die sinnkritische Scham, als<br />

Mitglied des Systems dieser Gesellschaft<br />

nicht relevant zu sein… Man bedenke<br />

aber: In Deutschland sind über eine Million<br />

Menschen im Deutschen Chorverband<br />

organisiert; nimmt man die Chöre<br />

der kirchlichen Einrichtungen dazu, landet<br />

man bei einer Zahl weit über dem<br />

Doppelten! Die Amateurorchester steigern<br />

diese Zahl weiter.<br />

Politik- und Finanzstrategen sollten<br />

irgendwann einmal erkennen und<br />

akzeptieren, dass das menschliche<br />

„System“ deutlich mehr „wesentliche“<br />

Aspekte aufweist als die der rein<br />

biologischen und wirtschaftlichen<br />

Existenzsicherung. Bei all den gebetsmühlenhaft<br />

vorgebrachten<br />

Politikermeinungen und Sonntagsreden<br />

zum Wert der Künste<br />

ist bis jetzt leider wenig an konsequenter<br />

Reaktion zu spüren. Ein<br />

kleiner Erfolg: Die Pandemie hat<br />

das Kulturproblem wieder einmal<br />

in den Vordergrund von Polit- und<br />

Pressekommentaren gespült – wie<br />

auch das der Aufwertung von Pflegeberufen.<br />

Jeder darf jetzt für sich<br />

raten, was davon nach der Pandemie<br />

übrig bleibt: Diese Aktion wäre<br />

dann aber tatsächlich nicht systemrelevant<br />

…!<br />

Wolfgang Mettler wurde in<br />

Konstanz geboren und studierte<br />

Schulmusik und Musikwissenschaft<br />

in Stuttgart und Tübingen.<br />

Nach dem Studium unterrichtete<br />

er von 1978 bis 2014 als Studiendirektor<br />

an der Geschwister-<br />

Scholl-Schule Konstanz. Er leitete<br />

verschiedene Chöre und Orchester.<br />

Von 1992-2004 war Wolfgang<br />

Mettler Musikalischer Direktor<br />

des Badischen Chorverbandes.<br />

BAV 6 · <strong>2021</strong><br />

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