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Fahrtenbuch - 1%-Regelung; eine unendliche Geschichte

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<strong>Fahrtenbuch</strong> - <strong>1%</strong>-<strong>Regelung</strong>; <strong>eine</strong> <strong>unendliche</strong> <strong>Geschichte</strong><br />

Für die private Nutzung <strong>eine</strong>s betrieblichen Pkw galt bis 2005 ein Wahlrecht zwischen der<br />

<strong>Fahrtenbuch</strong>methode und der <strong>1%</strong>-<strong>Regelung</strong>.<br />

Seit dem 1.1.2006 kann die <strong>1%</strong>-<strong>Regelung</strong> nur noch bei Fahrzeugen angewendet werden, die<br />

zu mehr als 50% betrieblich genutzt werden. Wird für ein Fahrzeug, das zu mehr als 50%<br />

betrieblich genutzt wird, ein ordnungsgemäßes <strong>Fahrtenbuch</strong> geführt, wird der Entnahmewert<br />

nach dem Umfang der tatsächlichen privaten Nutzung berechnet. Liegt kein <strong>Fahrtenbuch</strong><br />

vor, ist die Berechnung zwingend pauschal mit monatlich <strong>1%</strong> des Brutto-Listenpreises der<br />

Fahrzeuganschaffungskosten vorzunehmen.<br />

Wird das Fahrzeug zu weniger als 50% betrieblich genutzt, muss der Entnahmewert zwingend<br />

nach dem Umfang der privaten Nutzung berechnet werden. Liegt kein ordnungsgemäßes<br />

<strong>Fahrtenbuch</strong> vor, ist der private Nutzungsanteil im Wege der Schätzung zu ermitteln.<br />

Im aktuellen Editorial möchte ich die neueste Entwicklung dieses Themas bei Vorhandensein<br />

mehrerer PKWs im Betriebsvermögen anhand dazu ergangener Rechtsprechung darstellen<br />

Pauschale Nutzungswertermittlung bei mehreren Pkw im Betriebsvermögen,<br />

<strong>eine</strong> für Steuerpflichtige negative Entscheidung des BFH (Urt. vom 9. 3. 2010 - VIII R 24/08)<br />

Sachverhalt:<br />

Der Ehemann des im Streitfall gemeinsam klagenden Paares erzielte als Unternehmensberater<br />

Einkünfte aus selbständiger Arbeit und hielt in den Streitjahren 2002 und 2003 stets<br />

mindestens zwei, in <strong>eine</strong>m Monat sogar drei Kraftfahrzeuge im Betriebsvermögen, die auch<br />

privat genutzt werden konnten. Fahrtenbücher wurden nicht geführt.<br />

In s<strong>eine</strong> Einkommensteuererklärungen nahm das zusammen veranlagte Ehepaar jeweils nur<br />

den pauschalen Nutzungswert für ein Fahrzeug auf. Dies wurde in der Betriebsprüfung aufgegriffen.<br />

Das Finanzamt brachte die 1-%-<strong>Regelung</strong> für alle Fahrzeuge einzeln zur Anwendung.<br />

Hiergegen legten die kinderlosen Eheleute Einspruch ein. Die Einspruchsbegründungen<br />

sind im Sachverhalt des Urteils der Vorinstanz ( FG Münster, Urteil v. 29. 4. 2008) ausführlich<br />

wiedergegeben. Insbesondere wurde geltend gemacht, dass die im Streit stehenden<br />

Kraftfahrzeuge nur durch den Kläger selbst und nicht etwa auch durch s<strong>eine</strong> Frau privat genutzt<br />

wurden. Dieser stand in den Streitjahren mit <strong>eine</strong>m Mini Cooper stets ein eigenes im<br />

Privatvermögen gehaltenes Fahrzeug zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Dass sie die<br />

anderen Wagen nicht nutze, sei – so die Klägerin – dadurch begründet, dass ihr die fraglichen<br />

Fahrzeuge – BMW 750i, Porsche 911 Carrera und Porsche Cayenne S – zum <strong>eine</strong>n zu<br />

groß seien und sie als Linkshänderin mit diesen Automatikfahrzeugen „überhaupt nicht zurechtkomme”.<br />

Bei Fahrversuchen in früheren Jahren mit Automatikwagen habe sie sich<br />

„mehrfach mit dem Bremsen und dem Gasgeben vertan”. Darüber, dass k<strong>eine</strong> Privatnutzung<br />

der Wagen durch sie erfolgt sei, legte die Klägerin im Zuge des finanzgerichtlichen Verfahrens<br />

später <strong>eine</strong> notariell beglaubigte eidesstattliche Versicherung ab.<br />

Die Kläger vertraten die Ansicht, das Finanzamt müsse die Privatnutzung der betrieblichen<br />

Wagen gem. Tz. 9 des BMF-Schreibens v. 21. 1. 2002 nur unter Ansatz der 1-%-<strong>Regelung</strong><br />

für ein Fahrzeug – und zwar jenes mit dem höchsten inländischen Bruttolistenpreis – bewerten,<br />

da sie glaubhaft gemacht hätten, dass nur der Ehemann selbst und niemand sonst aus<br />

s<strong>eine</strong>r privaten Sphäre die Kraftfahrzeuge außerbetrieblich genutzt habe. Die nach erfolglosem<br />

Einspruchsverfahren erhobene Klage vor dem Finanzgericht sowie die zugelassene<br />

Revision beim BFH wurden jeweils als unbegründet abgewiesen.<br />

© Steuerkanzlei Weichselbaum � Oktober 2010 SEITE 1 / 4


Aus den Entscheidungsgründen:<br />

1. Private Mitbenutzung<br />

Es mag letztlich dahinstehen, ob es gerechtfertigt ist, die oben dargelegten Einlassungen der<br />

Klägerin als „kurios” zu bezeichnen und <strong>eine</strong>n entsprechenden „Erfindungsreichtum” dahinter<br />

zu vermuten (so Hoffmann, EFG 2008 S. 1277), oder ob die Ansicht des 6. Senats des FG<br />

Münster zutreffend ist, dass jemand, der im Besitz <strong>eine</strong>r amtlichen Fahrerlaubnis ist, der allgem<strong>eine</strong>n<br />

Lebenserfahrung nach sowohl Wagen mit Schaltgetriebe als auch mit Automatikgetriebe<br />

führen kann. Denn nur im Einspruchsverfahren hat sich das Finanzamt noch ausführlich<br />

mit der Frage beschäftigt, ob die Privatnutzung lediglich durch den Kläger und nicht<br />

auch durch andere s<strong>eine</strong>r Privatsphäre zuzuordnende Personen als nachgewiesen anzusehen<br />

sei. Die Betriebsprüfung hatte den Fall wegen ihrer Ansicht nach fehlender Glaubhaftmachung<br />

aufgegriffen und forderte zur Erschütterung des Anscheinsbeweises der privaten<br />

Mitbenutzung durch die Ehefrau ein ordnungsgemäßes <strong>Fahrtenbuch</strong>.<br />

2. 1-%-<strong>Regelung</strong> für jedes Fahrzeug<br />

Die Gerichte jedoch wandten sich fast ausschließlich der Rechtsfrage zu, ob bei der Bewertung<br />

nach der 1-%-<strong>Regelung</strong> überhaupt der Ansatz nur <strong>eine</strong>s Wagens möglich ist, oder ob<br />

dies nicht vielmehr im Falle <strong>eine</strong>r strikt fahrzeugbezogenen Konzeption der Norm als unzulässig<br />

angesehen werden muss. Letztlich kommen Finanzgericht und BFH zu dem Schluss,<br />

dass die 1-%-<strong>Regelung</strong> des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG grds. auf jedes betriebliche Fahrzeug<br />

einzeln anzuwenden ist, so dass es vorliegend auf die Verhältnisse bei der Ehefrau gar<br />

nicht ankommt, sondern allein entscheidend ist, ob der Kläger selbst die Fahrzeuge privat<br />

nutzen konnte.<br />

3. Begründung<br />

Die BFH-Entscheidung begründet dies unter Würdigung der folgenden Gesichtspunkte:<br />

• Da in der Vorschrift ausdrücklich auf die Nutzung „<strong>eine</strong>s” Kraftfahrzeugs respektive<br />

auf die für „das” Fahrzeug entstehenden Aufwendungen verwiesen wird, sei erkennbar,<br />

dass ihr <strong>eine</strong> fahrzeugbezogene Wertung zugrunde liege, die grds. <strong>eine</strong> gesonderte<br />

Bewertung für jedes auch privat genutzte Auto gebiete.<br />

• Der VIII. Senat urteilt ferner, die Begründung zum 1995 vom Bundesrat eingebrachten<br />

<strong>Regelung</strong>svorschlag (vgl. BT-Drucks. 13/1686 S. 8) stelle ersichtlich nur auf den<br />

Grundfall <strong>eine</strong>s einzelnen im Betriebsvermögen gehaltenen Wagens ab. Dass bei<br />

mehreren Fahrzeugen etwas Abweichendes gelten solle, lasse sich nicht erkennen.<br />

• Die Bewertungsvorschrift in § 6 EStG setzt <strong>eine</strong> Entnahme – hier in Form der Nutzung<br />

<strong>eine</strong>s betrieblichen Wagens für private Zwecke – voraus. Dabei wäre eigentlich<br />

jede einzelne Privatfahrt gesondert zu betrachten und zu bewerten; <strong>eine</strong> Betrachtung<br />

der „zusammenfassenden Entnahme der Privatnutzung <strong>eine</strong>s unbestimmten Fahrzeugs”<br />

sei zunächst nicht möglich. Erst durch die pauschale Nutzungswertermittlung<br />

wird <strong>eine</strong> solche vereinfachende Zusammenfassung – dann jedoch fahrzeugbezogen<br />

– überhaupt geschaffen. Dass der Entnahmebegriff Aussagen über die Reichweite<br />

des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift mache, sei nicht zu erkennen.<br />

• Der durch die pauschale Wertermittlung angestrebte Vereinfachungszweck werde<br />

durch <strong>eine</strong> Einzelanwendung auf jedes Fahrzeug nicht verfehlt. Im Gegenteil führe<br />

eher jede andere Auslegung zu <strong>eine</strong>r Gefährdung des Sinns, da sich dadurch unvermeidliche,<br />

beispielsweise administrative Probleme ergeben würden.<br />

Der Steuerpflichtige hat jederzeit die – nach Meinung des VIII. Senats zumutbare – Möglichkeit,<br />

der vom tatsächlichen Nutzungsumfang absehenden Typisierungsvorschrift durch Führung<br />

<strong>eine</strong>s ordnungsgemäßen <strong>Fahrtenbuch</strong>s zu entgehen; dies gilt – was nach Ansicht des<br />

BFH die fahrzeugbezogene Konzeption der Norm unterstreicht – gesondert für jedes Fahrzeug<br />

(vgl. BFH, Urteil v. 3. 8. 2000 - III R 2/00, BStBl 2001 II S. 332). Insbesondere aufgrund<br />

dieser Ausweichmöglichkeit gebiete auch die Verfassung k<strong>eine</strong> andere als die von den Gerichten<br />

gezogene Auslegung; vermeidbare Härten für die Steuerpflichtigen ergäben sich dadurch<br />

nicht.<br />

© Steuerkanzlei Weichselbaum � Oktober 2010 SEITE 2 / 4


Hinweis:<br />

Da der VIII. Senat auch in den besonderen Umständen des Streitfalls k<strong>eine</strong>n Anlass sieht,<br />

etwas Abweichendes zu vertreten, gibt er die Anwendung der 1-%-<strong>Regelung</strong> für jeden Wagen<br />

gesondert vor.<br />

Der VIII. Senat legt ausführlich dar, weshalb s<strong>eine</strong>s Erachtens die Anwendung der 1-%-<br />

<strong>Regelung</strong> für jeden Wagen einzeln aus der Norm heraus geboten ist.<br />

Eine Anwendbarkeit des vom Kläger ins Feld geführten BMF-Schreibens aus dem Jahr 2002<br />

(Anwendung der 1-%-<strong>Regelung</strong> nur für den PKW mit dem höchsten Bruttolistenpreis) wird<br />

verworfen. Da bereits das Finanzgericht ausführte, an die Verwaltungsvorschrift nicht gebunden<br />

zu sein, wenn dieser lediglich ein norminterpretierender Charakter zukomme, ist die<br />

Voraussetzungen der Verwaltungsanweisung – insbesondere die Glaubhaftmachung der<br />

Privatnutzung der Autos lediglich durch den Kläger nicht zu prüfen, da sie den gesetzlichen<br />

Rahmen überschreite.<br />

Beraterhinweis:<br />

Ein neues BMF-Schreibens v. 18. 11. 2009 verhindert seit 31.12.2009 die Möglichkeit der<br />

Besteuerung lediglich <strong>eine</strong>s PKWs (höchster Bruttolistenpreis) wie oben beschrieben.<br />

Bisherige Richtermeinung:<br />

Die bekannten Finanzrichter Urban und Hoffmann hatten die entsprechende Verwaltungsäußerung<br />

des BMF in der Vergangenheit bereits deutlich kritisiert, da sie ihres Erachtens nicht<br />

mit der Gesetzesregelung in Einklang stand. Die Kritiker führen u. a. an, dass bereits in der<br />

Bereitstellung unterschiedlicher Fahrzeuge – insbesondere, wenn diese verschiedenen Einsatzzwecken<br />

dienen können (Beispiel: Stadtwagen, Kombi und Cabriolet) – ein geldwerter<br />

Vorteil liegen kann. Ferner würdige der Einwand, dass gleichzeitiges Fahren mehrerer Wagen<br />

bei Nutzung durch nur <strong>eine</strong> Person nicht möglich sei, nicht, dass die Autos gleichwohl<br />

alle durch ihre Fixkosten den Unternehmensgewinn mindern.<br />

Das Finanzgericht griff diese Argumentation im vorliegenden Fall auf und strengte den Vergleich<br />

mit <strong>eine</strong>m Privatmann an. Auch dieser kann zu ein und derselben Zeit selbst jeweils<br />

nur <strong>eine</strong>n Wagen fahren – Steuern, Versicherung, Wertverlust etc. belasten s<strong>eine</strong>n Haushalt<br />

dennoch für jedes Fahrzeug einzeln.<br />

M<strong>eine</strong> Meinung:<br />

Obwohl dies einleuchtend ist und ferner die pauschale Nutzungswertermittlung unstreitig von<br />

der tatsächlichen Nutzung unabhängig ist, beachtet diese Argumentation m. E. nicht hinreichend,<br />

dass bei Betrieb mehrerer Kraftfahrzeuge durch nur <strong>eine</strong> Person die variablen Aufwendungen<br />

für die Nutzung selbstverständlich nur einmal – für den gerade gefahrenen Wagen<br />

– anfallen. Zudem hat sich der VI. Senat des BFH bei <strong>eine</strong>r anderen pauschalen Wertbestimmung<br />

– hier dem Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte<br />

nach der 0,03-%-<strong>Regelung</strong> – wiederholt für <strong>eine</strong> Berücksichtigung tatsächlicher Nutzungsverhältnisse<br />

ausgesprochen (vgl. BFH, Urteil v. 4. 4. 2008 - VI R 85/04).<br />

© Steuerkanzlei Weichselbaum � Oktober 2010 SEITE 3 / 4


Sollten Sie zu diesen Ausführungen Fragen haben, so freut sich Ihr Team der Steuerkanzlei<br />

Weichselbaum, wenn Sie Kontakt aufnehmen.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Gerhard Weichselbaum<br />

vereidigter Buchprüfer, Steuerberater<br />

©<br />

© Steuerkanzlei Weichselbaum � Oktober 2010 SEITE 4 / 4

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