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Eifach Sempathisch – Das Magazin der Region Sempachersee

Ausgabe Herbst_Winter_2019_2020

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AM MARTINSTAG<br />

GEHT’S DER GANS AN<br />

DEN KRAGEN<br />

JEDES JAHR FINDEN SICH BIS 4 000 ZUSCHAUENDE AM MARTINSTAG IN DER SURSEER ALTSTADT EIN,<br />

UM DER GANSABHAUET BEIZUWOHNEN. IM ZENTRUM STEHT, GENAUER GESAGT HÄNGT DIE GANS, DIE<br />

MIT SÄBEL UND VERBUNDENEN AUGEN VOM HALS GESCHLAGEN WERDEN MUSS. DER BRAUCH IST FEST<br />

VERANKERT, WEIL ER VON DEN MENSCHEN GELEBT WIRD. ER SORGT ABER AUCH IMMER WIEDER FÜR<br />

KRITIK. ÜBER SEINE GENAUEN WURZELN GIBT ES EINE SPANNENDE THESE.<br />

von Marco Peter<br />

Von Trommelspiel begleitet, wird eine in einem roten<br />

Mantel gekleidete Gestalt auf die Bühne vor dem Rathaus<br />

geführt. In <strong>der</strong> Hand ein Dragonersäbel. Rund<br />

3 000 Schaulustige füllen die Altstadt von Sursee. Die<br />

Person sieht nichts; sie trägt eine goldene Sonnenmaske.<br />

Nach zwei, drei Drehungen um die eigene Achse<br />

ertastet sie unbeholfen die über <strong>der</strong> Bühnenmitte<br />

aufgehängte tote Gans. Sie tastet den Hals des Tieres<br />

ab, holt weit aus und setzt einen kräftigen Hieb an.<br />

Der Schläger hat nur einen einzigen Versuch. Bleibt<br />

die Gans hängen, ist <strong>der</strong> nächste Schläger an <strong>der</strong> Reihe.<br />

Fällt sie, wird dem Gewinner die Sonnenmaske<br />

abgenommen und er reckt die Arme unter Jubel und<br />

Applaus siegreich empor: die Gans in <strong>der</strong> einen, <strong>der</strong><br />

Säbel in <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Hand. Am Abend wird er o<strong>der</strong> sie<br />

die Gans von einem ansässigen Gastwirt zubereiten<br />

lassen und im Kreise von Freunden verspeisen.<br />

13<br />

Der Dank gebührt den gütigen Herren<br />

Jedes Jahr lassen sich rund 100 Männer und Frauen<br />

als Schläger und Schlägerinnen aufstellen. Über die<br />

Reihenfolge entscheidet das Los. Die ältesten Quellen<br />

belegen, dass die Gansabhauet bereits anfangs des<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>ts praktiziert wurde. Michael Blatter,<br />

Surseer Stadtarchivar und Präsident <strong>der</strong> Kommission<br />

Gansabhauet, ist sich jedoch sicher, dass <strong>der</strong> Brauch<br />

älter ist: «Bräuche und Spiele mit Gänsen waren schon<br />

vorher in ganz Europa weit verbreitet».<br />

Woher <strong>der</strong> Brauch, <strong>der</strong> alljährlich ein grosses Medienecho<br />

auslöst, genau kommt, ist nicht bekannt. Vermutlich<br />

haben Zinsherren und Kreditgeber an Martini, einem<br />

weitverbreiteten Zehnten- und Zinstag, als «Zückerchen<br />

fürs Volk» die eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Gans springen<br />

lassen.<br />

Während die Schläger auf <strong>der</strong> Bühne nach <strong>der</strong> Gans<br />

trachten, reissen die Kin<strong>der</strong> nebenan beim «Chäszänne»<br />

Grimassen um die Wette und erklimmen beim<br />

«Stangechläd<strong>der</strong>e» wagemutig den nackt geschälten<br />

Stamm eines auf dem Rathausplatz aufgestellten<br />

Baumes.<br />

Die Frage nach dem Umgang mit dem Tier<br />

<strong>Das</strong>s <strong>der</strong> Anlass brachial anmuten und den Eindruck<br />

von Respektlosigkeit erwecken kann, ist verständlich.<br />

So sieht sich die Gansabhauet immer wie<strong>der</strong> Kritik<br />

ausgesetzt. Im Zentrum steht schliesslich die grundlegende<br />

Frage nach dem Umgang des Menschen mit<br />

dem Tier. Es eröffnet sich einem nicht sofort, aber «die<br />

Gans war in <strong>der</strong> Vormo<strong>der</strong>ne ein äusserst wertvolles<br />

Tier und ein unvorstellbar attraktiver Preis», hält Blatter<br />

fest. <strong>Das</strong> Wissen, woher Fleisch und Nahrungsmittel<br />

generell kommen, verwässere in unserer mo<strong>der</strong>nen<br />

Gesellschaft zunehmend. «Darum ist es gut, dass kritischen<br />

Stimmen erhoben und die Diskussion geführt<br />

wird», so Stadtarchivar Blatter.<br />

Ein Brauch existiert nur dann, wenn er gelebt wird. Die<br />

Kommission steuert den Anlass denn auch kaum; es<br />

sind die Bürgerinnen und Bürger, die sich als Schläger<br />

aufstellen lassen und als Publikum vor Ort eintreffen<br />

und so den Brauch weiterexistieren lassen.<br />

Datum: Jährlich am 11. November, ab 15.00 Uhr<br />

Ort: Altstadt Sursee<br />

Mehr Infos: www.sursee.ch/de/kultur/gansabhauet/<br />

↑ Die Honiggans <strong>–</strong> die süsse Spezialität zur Feier.<br />

→ Beim Chäszänne schneiden die Kin<strong>der</strong> Grimassen um die Wette.<br />

↘ Nur für die Mutigsten: das Stangechläd<strong>der</strong>e.<br />

↓ <strong>Das</strong> Trommelspiel zieht durch die Unterstadt.<br />

© Bruno Meier Sursee<br />

© Bruno Meier Sursee<br />

© Bruno Meier Sursee<br />

© Bruno Meier Sursee<br />

© Bruno Meier Sursee<br />

Der Schläger mit rotem Mantel und Sonnenmaske versucht sein Glück.<br />

WINTERBRÄUCHE IN DER REGION<br />

Samichlauseinzug<br />

Begleitet von Trychlern, Räbeliechtli, Fackeln und<br />

Geisselchlöpfern zieht <strong>der</strong> Samichlaus und sein<br />

Gefolge alljährlich zu Beginn <strong>der</strong> Adventszeit in den<br />

Altstädten von Sempach und Sursee ein.<br />

Nicht nur am <strong>Sempachersee</strong>, son<strong>der</strong>n in <strong>der</strong> ganzen<br />

Zentralschweiz ist die Brauchtumsfigur des Samichlaus<br />

in <strong>der</strong> kalten Jahreszeit omnipräsent. Zu diesem<br />

Anlass sind die Strassenrän<strong>der</strong> jeweils von zahlreichen<br />

Besucherinnen und Besuchern gesäumt und<br />

die heimeligen Einzüge sind vor allem bei Familien<br />

beliebt.<br />

Datum: Jährlich am 6. Dezember<br />

Ort: In vielen Gemeinden <strong>der</strong> <strong>Region</strong><br />

www.sempachersee-tourismus.ch/advent<br />

Fasnacht<br />

Alljährlich werden die Wintergeister mit grossem<br />

Getöse, schaurigen Masken und Kostümen vertrieben.<br />

Der ursprünglich keltische Brauch hat im Kanton<br />

Luzern eine lange Tradition und geniesst noch heute<br />

grosse Beliebtheit. In <strong>der</strong> <strong>Region</strong> wird vor allem in<br />

Sursee und Beromünster ausgiebig gefeiert.<br />

Die wichtigste Daten <strong>der</strong> kommenden Fasnacht:<br />

Fasnachtseröffnung 11. November 2019<br />

SchmuDo 20. Februar 2020<br />

Güdismäntig 24. Februar 2020<br />

Aschermittwoch 26. Februar 2020<br />

Mehr Infos finden Sie im<br />

Veranstaltungskalen<strong>der</strong> unter<br />

www.sempachersee-tourismus.ch/fasnacht<br />

Gregorifüür<br />

Über 1 000 Jahre alt soll das Gregorifest sein. Man<br />

geht davon aus, dass es sich früher dabei um einen<br />

heidnischen Brauch handelte. Später wurde das Fest<br />

vom Christentum übernommen. Im Mittelalter wurde<br />

Gregori am Todestag von Papst Gregor, am 12. März,<br />

gefeiert. Papst Gregor ging als «Gregor <strong>der</strong> Grosse»<br />

in die Geschichte ein. Seine beson<strong>der</strong>s soziale und<br />

humanitäre Fürsorge gegenüber Hungernden und<br />

von <strong>der</strong> Pest bedrohten Menschen war weitum<br />

bekannt.<br />

Heutzutage wird das Fest in Beromünster auf <strong>der</strong><br />

Schanz mit einem Höhenfeuer gefeiert.<br />

12. März, 20.00 Uhr<br />

www.beromuenster.ch<br />

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