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Ratgeber November

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SEHEN & ERLEBEN<br />

Giebelzierden an Bauernhäusern<br />

45<br />

Gekreuzte Pferdeköpfe als Giebelzierden<br />

auf Häusern ländlicher<br />

Bauweise haben sich in vielen<br />

Dörfern Mecklenburgs bis heute<br />

erhalten. Meist wurden sie aus<br />

Tannenholz geschnitten und kaum<br />

imprägniert. Daher widerstanden<br />

sie Wind und Wetter nur wenige<br />

Jahre. Musste das Dach neu gedeckt<br />

werden, wurden aber auch<br />

neue Windbretter angebracht. Das<br />

Modell lag beim Dorfstellmacher.<br />

Von Generation zu Generation<br />

haben sich so lokal begrenzte Gestaltungselemente<br />

an den Pferdeköpfen<br />

erhalten.<br />

Zunächst waren die Giebelzierden<br />

bautechnisch bedeutsam.<br />

Dem Rohrdachdecker dienten sie<br />

als Windbretter, die den oberen<br />

Abschluss des Daches bildeten und<br />

den Wind abhielten, von vorne das<br />

Rohrdach zu zerfasern. Rohrdächer<br />

wurden erst üblich, als wegen des<br />

Maschinendrusches kein Deckstroh<br />

mehr abfiel.<br />

Beide Giebel des Stroh- oder<br />

Rohrdaches waren besonders gefährdet,<br />

weil sie an den alten<br />

niederdeutschen Häusern zu ihren<br />

Firsten hin immer offen waren.<br />

Auf Abbildungen erkennen wir<br />

im Giebel unter den gekreuzten<br />

Pferdeköpfen ein offenes Dreieck.<br />

Diese Öffnung nannte man Rooklock<br />

oder Uhlenlock. Ursprünglich<br />

hatten derartige Häuser keinen<br />

Schornstein. Der Herdrauch zog<br />

durch die Löcher im Giebel ins<br />

Freie. Das Rooklock durfte nie<br />

geschlossen oder mit Stroh zugestopft<br />

werden.<br />

Für unsere Vorfahren war das Haus<br />

nicht nur Schutz vor Regen, Kälte<br />

und Wind. Es gewährte auch Geborgenheit<br />

vor Unheil und galt<br />

als Zufluchtsstätte vor Geistern<br />

und Spuk. Das Unheil - glaubten<br />

die Menschen - versuchte immer<br />

wieder durch Türen, Fenster und<br />

andere Öffnungen in das Haus zu<br />

gelangen.<br />

Dagegen musste etwas unternommen<br />

werden! Der Abwehr von Unheil<br />

dienten die Giebel-, Schwellen-<br />

oder Pfostenzeichen. Diesem<br />

Zweck dienten die zu gekreuzten<br />

Pferdeköpfen gestalteten Giebelzierden.<br />

Was aber haben Pferdeköpfe<br />

mit Geisterabwehr zu tun?<br />

Im Niederdeutschen werden die<br />

gekreuzten Pferdeköpfe als Mulapen<br />

bezeichnet - Maulaffen also.<br />

Die ursprüngliche Bedeutung aber<br />

ist: Das Maul offen. Und das hat<br />

seinen Sinn!<br />

Seit der Altsteinzeit gab es den<br />

Brauch, den Kopf vom Rumpf zu<br />

trennen und ihn allein zu bestatten.<br />

Dieser Brauch ist bis heute<br />

bei Naturvölkern als Bestattungsritus<br />

üblich geblieben.

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