Ressortverteilung der GmbH-Geschäftsführung
Mit Ausnahme der klassischen Ein-Personen-Gesellschaften verfügen sehr viele GmbH's über mehr als einen Gesellschafter. In diesem Beitrag soll verdeutlicht werden, was bei Vorhandensein von zwei und mehr Geschäftsführer*innen in einer Ressortverantwortlichkeit vereinbart werden sollte.
Mit Ausnahme der klassischen Ein-Personen-Gesellschaften verfügen sehr viele GmbH's über mehr als einen Gesellschafter.
In diesem Beitrag soll verdeutlicht werden, was bei Vorhandensein von zwei und mehr Geschäftsführer*innen in einer Ressortverantwortlichkeit vereinbart werden sollte.
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RECHT<br />
Die Ressortaufteilung <strong>der</strong><br />
<strong>GmbH</strong>-<strong>Geschäftsführung</strong><br />
Wie auf einfache Weise haftungsprophylaktische Maßnahmen gesetzt werden<br />
Prof. Prof. (FH) Mag. Dr.<br />
Christian Fritz LL.M. LL.M.<br />
MBA<br />
ist geschäftsführen<strong>der</strong><br />
Gesellschafter <strong>der</strong> Kanzlei<br />
Fritz sowie <strong>der</strong> Siess Fritz &<br />
Partner Steuerberatung in<br />
Innsbruck. Christian Fritz ist<br />
allgemein beeideter und gerichtlich<br />
zertifizierter Sachverständiger,<br />
Wirtschaftsmediator<br />
und Verfasser von<br />
über 60 Fachbüchern zum<br />
Gesellschafts- und Unternehmensrecht.<br />
Er ist an<br />
mehreren Fachhochschulen<br />
sowie <strong>der</strong> Universität Innsbruck<br />
als Lehrbeauftragter<br />
tätig.<br />
www.kanzleifritz.at<br />
Mit Ausnahme <strong>der</strong> klassischen Ein-Personen-Gesellschaften verfügen sehr viele<br />
<strong>GmbH</strong>s über mehr als einen Geschäftsführer. Dies aus guten Gründen: Einerseits<br />
lassen sich oftmals <strong>der</strong> Umfang und die Komplexität des Geschäftsbetriebs durch<br />
ein einzelnes Vertretungsorgan schlichtweg nicht mehr bewältigen; an<strong>der</strong>erseits<br />
wollen die Gesellschafter personalistisch strukturierter <strong>GmbH</strong>s häufig – auch im<br />
Hinblick auf einen gewissen Gleichheitsgedanken – im gesetzlich vorgesehenen<br />
Geschäftsleitungsorgan repräsentiert sein. Mit dem heutigen Beitrag soll verdeutlicht<br />
werden, was bei Vorhandensein von zwei und mehr Geschäftsführern<br />
in einer Ressortverantwortlichkeit vereinbart werden sollte.<br />
Ausgangssituation<br />
Unbeschadet <strong>der</strong> Tatsache, dass für die Geschäftsführer<br />
– auch im Hinblick auf die von ihnen geschuldete<br />
Sorgfalt (§ 25 Abs. 1 <strong>GmbH</strong>G) – <strong>der</strong><br />
Grundsatz <strong>der</strong> Gesamtverantwortung besteht,<br />
ist eine Aufteilung <strong>der</strong> Verantwortungsbereiche<br />
mehrerer Geschäftsführer unerlässlich. Die Ressortaufteilung<br />
bezweckt, dass zwei o<strong>der</strong> mehrere<br />
Mitglie<strong>der</strong> des Vertretungsorgans nicht das Gleiche<br />
machen bzw das Gleiche nicht machen. Die<br />
unterschiedlichen Aufgabenbereiche sollen auch<br />
die fachlichen Präferenzen und persönlichen Stärken<br />
<strong>der</strong> Geschäftsführer wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />
In <strong>der</strong> Praxis gibt es sehr viele – durchaus brauchbare<br />
– Ressortaufteilungen (Geschäftsordnungen,<br />
<strong>Ressortverteilung</strong>en), die jedoch die bestehenden<br />
Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf wirksame<br />
haftungsprophylaktische Maßnahmen nicht<br />
(gänzlich) ausschöpfen. Hierzu zwei Beispiele:<br />
ÐÐ<br />
Wenn die Verantwortlichkeit für die Entrichtung<br />
von Steuern, (Selbstbemessungs-)Abgaben,<br />
Sozialversicherungsbeiträgen etc nicht eindeutig<br />
einem Geschäftsführer zugewiesen ist, kann<br />
die Finanzverwaltung die kraft §§ 9, 80 BAO<br />
bestehende verschuldensabhängige subsidiäre<br />
Ausfallshaftung gegenüber sämtlichen Geschäftsführern<br />
geltend machen (Die gleichen<br />
Grundsätze gelten im Hinblick auf § 67 Abs. 10<br />
ÐÐ<br />
ASVG, § 25a Abs. 7 BUAG, § 6 KommStG sowie<br />
die verschiedenen Haftungsbestimmungen<br />
<strong>der</strong> Landesabgabenordnungen.)<br />
Wenn irgendein Mitarbeiter <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
irgendwo (etwa in einer Betriebsstätte) eine<br />
Verwaltungsübertretung zu verantworten hat,<br />
gilt diese als von <strong>der</strong> <strong>GmbH</strong> begangen. So nicht<br />
bereits ein verantwortlicher Beauftragter (§ 9<br />
Abs. 2 VStG) bestellt wurde, wird aufgrund des<br />
Kumulationsprinzips eine Verwaltungsstrafe<br />
gegen sämtliche Geschäftsführer verhängt.<br />
Die angeführten (unerwünschten) Haftungsfolgen<br />
können jedoch im Zuge einer Ressortaufteilung<br />
durch einfach zu realisierende organisatorische<br />
Maßnahmen vermieden werden.<br />
Grenzen einer wirksamen<br />
<strong>Ressortverteilung</strong><br />
Damit eine Ressortaufteilung in haftungsprophylaktischer<br />
Hinsicht auch wirklich „funktioniert“,<br />
sollten sich <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführer und<br />
die mit ihrer fachlichen Begleitung befassten Berater(kollegen)<br />
bewusst sein, dass für die Erfüllung<br />
von Kardinalpflichten immer sämtliche Mitglie<strong>der</strong><br />
des Vertretungsorgans verantwortlich sind; aus<br />
diesem Grund ist insoweit eine wirksame Ressortaufteilung<br />
nicht möglich.<br />
46 BÖB Journal 87 | 21
Zu diesen Kardinalpflichten gehören<br />
im Wesentlichen die<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
Festlegung <strong>der</strong> Unternehmenspolitik;<br />
Aufstellung des Jahresabschlusses;<br />
Pflicht zur Insolvenzanmeldung;<br />
Erstattung von Beschlussvorschlägen<br />
an die Generalversammlung;<br />
ÐÐ<br />
Vorlage genehmigungspflichtiger<br />
Geschäfte an den Aufsichtsrat<br />
(§ 30j Abs. 5 <strong>GmbH</strong>G);<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
Einholung <strong>der</strong> Zustimmung zu<br />
In-Sich-Geschäften;<br />
Anzeige des Verlustes <strong>der</strong> Hälfte<br />
des Stammkapitals sowie bei Erreichen<br />
<strong>der</strong> URG-Kennzahlen;<br />
Berichts-, Auskunfts- und Informationspflichten<br />
gegenüber an<strong>der</strong>en<br />
Gesellschaftsorganen;<br />
Beachtung von Verboten (z.B. Vornahme<br />
unzulässiger Zahlungen<br />
nach Eintritt <strong>der</strong> Insolvenzreife<br />
[§ 25 Abs. 3 Z 2 <strong>GmbH</strong>G]);<br />
Maßnahmen, bei denen eine Gesamtvertretung<br />
sämtlicher Geschäftsführer<br />
obligatorisch ist:<br />
Zu diesen Kapital- und Strukturmaßnahmen<br />
gehören <strong>der</strong> Antrag auf<br />
Eintragung einer <strong>GmbH</strong> (§ 9 Abs 1<br />
<strong>GmbH</strong>G), die Erklärung über die<br />
freie Verfügung <strong>der</strong> Stammeinlagen<br />
(§ 10 Abs. 3), die formwechselnde<br />
Umwandlung in eine Aktiengesellschaft<br />
(§ 51 iVm § 248 AktG), Än<strong>der</strong>ungen<br />
des Gesellschaftsvertrags<br />
(§ 51 <strong>GmbH</strong>G), sämtliche Kapitalmaßnahmen,<br />
die Einfor<strong>der</strong>ung<br />
weiterer Einzahlungen auf nicht zur<br />
Gänze einbezahlte Stammeinlagen<br />
(§ 64 Abs. 1 <strong>GmbH</strong>G), die Fortsetzung<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft nach Auflösung<br />
sowie sämtliche Umgründungsmaßnahmen.<br />
Etablierung eines wirksamen Kontrollsystems<br />
(VwGH 29. 1. 2018,<br />
Ra 2017/04/0144; 15. 11. 2017, Ra<br />
2017/17/0021).<br />
Ungeachtet <strong>der</strong> vorangeführten<br />
„Nichtdelegierbarkeit“ bleibt immer<br />
noch genügend Raum für eine zweckmäßige<br />
Aufteilung <strong>der</strong> Pflichten einer<br />
mehrköpfigen <strong>Geschäftsführung</strong>.<br />
Voraussetzung ist, dass jede einzelne<br />
Aufgabe in den Zuständigkeitsbereich<br />
mindestens eines Geschäftsführers zugewiesen<br />
wird; bei ungeregelten Angelegenheiten<br />
bleibt es zwangsläufig bei<br />
einer Gesamtverantwortung sämtlicher<br />
Geschäftsführer.<br />
Abgaben- und<br />
sozialversicherungsrechtliche<br />
Verantwortlichkeit<br />
Ungeachtet <strong>der</strong> Tatsache, dass die<br />
Rechtsprechung (z.B. VwGH 6. 7.<br />
2006, 2006/15/0032) im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Geschäftsführerhaftung<br />
für Abgabenverbindlichkeiten<br />
<strong>der</strong> <strong>GmbH</strong> (§§ 9, 80 BAO) keine<br />
Schriftlichkeit einer Ressortaufteilung<br />
verlangen, sollte die Zuweisung <strong>der</strong><br />
abgabenrechtlichen Pflichten in einer<br />
Geschäftsverteilung sinngemäß wie<br />
folgt vereinbart werden:<br />
Beispiel:<br />
„Der Geschäftsführer [Finanzen,<br />
CFO] ist u.a. verantwortlich für die<br />
Führung des laufenden Rechnungswesens<br />
sowie die Erfüllung sämtlicher<br />
abgabenrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher<br />
Pflichten. Hierzu<br />
gehören insbeson<strong>der</strong>e die<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
Erstattung <strong>der</strong> gesetzlich vorgesehenen<br />
Meldungen;<br />
Ermittlung von Selbstbemessungsabgaben<br />
und Sozialversicherungsbeiträgen;<br />
ÐÐ<br />
Erfüllung sämtlicher Zahlungspflichten<br />
gegenüber <strong>der</strong> Finanzbehörde,<br />
Sozialversicherungsträgern<br />
ÐÐ<br />
und weiteren Empfängern von<br />
lohn- und gehaltsabhängigen Abgaben,<br />
Steuern sowie Beiträgen.“<br />
Angesichts <strong>der</strong> angeführten Regelung<br />
ist die Zuständigkeit klar definiert. Sie<br />
führt dazu, dass primär das ressortzuständige<br />
Mitglied des Vertretungsorgans<br />
zur Haftung heranzuziehen ist<br />
(VwGH 20.1.2010, 2005/13/0086).<br />
Der von den finanziellen, insbeson<strong>der</strong>e<br />
steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene<br />
Geschäftsführer ist im Regelfall<br />
nicht in Anspruch zu nehmen<br />
(VwGH 1.2.2021, Ra 2020/13/0087).<br />
Das bedeutet jedoch keineswegs, dass<br />
sich die übrigen Geschäftsführer um<br />
diesen Verantwortungsbereich überhaupt<br />
nicht kümmern müssen. Vielmehr<br />
besteht für sie die Verpflichtung,<br />
sich durch geeignete Überwachungsmaßnahmen<br />
eine elementare Kenntnis<br />
über die Tätigkeit ihres ressortzuständigen<br />
Kollegen zu verschaffen; nur<br />
in diesem Fall wirkt die Ressortunzuständigkeit<br />
in haftungsrechtlicher<br />
Hinsicht exkulpierend.<br />
Der notwendige Umfang <strong>der</strong> Überwachungs-<br />
und Kontrollpflicht hängt<br />
naturgemäß vom Einzelfall ab; zusammengefasst<br />
gelten für die Praxis nachfolgende<br />
Grundsätze:<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
Ein nicht ressortverantwortlicher<br />
Geschäftsführer haftet jedoch<br />
selbst, wenn er eigene (Überwachungs-)Pflichten<br />
dadurch grob<br />
verletzt, indem er es unterlässt, Abhilfe<br />
gegen Unregelmäßigkeiten des<br />
zur Erfüllung <strong>der</strong> abgabenrechtlichen<br />
Angelegenheiten bestellten<br />
Kollegen zu schaffen.<br />
Eine Pflichtverletzung des nicht<br />
mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten<br />
befassten ist allerdings<br />
erst dann anzunehmen, wenn für<br />
diesen ein Anlass vorliegt, an <strong>der</strong><br />
Ordnungsmäßigkeit <strong>der</strong> Pflichterfüllung<br />
des ressortverantwortlichen<br />
Geschäftsführers zu zweifeln und<br />
er dennoch nichts unternimmt, um<br />
Abhilfe zu schaffen.<br />
Die Geschäftsführer können (und<br />
sollen) sich untereinan<strong>der</strong> wechselseitig<br />
ein gewisses Grundvertrauen<br />
entgegenbringen. Im Normalfall – es<br />
besteht kein Anlass an <strong>der</strong> Ordnungsmäßigkeit<br />
zu zweifeln – genügt es,<br />
wenn anlässlich <strong>der</strong> regelmäßigen <strong>Geschäftsführung</strong>smeetings<br />
nachgefragt<br />
wird, ob vom verantwortlichen Kollegen<br />
die abgabenrechtlichen Pflichten<br />
erfüllt werden. Ein Mehr an Überwachungsmaßnahmen<br />
ist – wohlgemerkt<br />
im Normalfall – fernab jeglicher Praxis<br />
und wäre vermutlich auch einer gedeihlichen<br />
Zusammenarbeit innerhalb<br />
des Geschäftsleitungsorgans nicht för<strong>der</strong>lich.<br />
Dieses bloße Nachfragen genügt jedoch<br />
dann nicht mehr, wenn den ressortunzuständigen<br />
Geschäftsführern<br />
Säumnisse ihres Kollegen bekannt<br />
werden. Maßgeblich für eine allfällige<br />
Haftung <strong>der</strong> nicht mit abgabenrecht-<br />
87 | 21 BÖB Journal 47
RECHT<br />
lichen Pflichten betrauten Geschäftsführer<br />
ist, ob für sie ein Anlass besteht,<br />
an <strong>der</strong> ordnungsmäßigen Pflichterfüllung<br />
ihres ressortzuständigen Kollegen<br />
zu zweifeln. Bestehen solche substanzielle<br />
Zweifel, so liegt ein schuldhaftes<br />
Verhalten darin, dass die übrigen Geschäftsführer<br />
nicht gegen die Pflichtverletzungen<br />
ihres ressortverantwortlichen<br />
Kollegen unternommen haben<br />
(vgl stellvertretend für mehrere VwGH<br />
1.2.2021, Ra 2020/13/0087). Im Ergebnis<br />
beginnt die abgabenrechtliche<br />
Verantwortlichkeit <strong>der</strong> (an sich) nicht<br />
ressortzuständigen Geschäftsführer<br />
bereits dann, wenn die Säumnisse ihres<br />
Kollegen ihnen schuldhaft – etwa<br />
durch ein bewusstes Wegschauen –<br />
nicht bekannt werden.<br />
Verfügt die Gesellschaft über nicht<br />
ausreichende liquide Mittel, so erstreckt<br />
sich die Überwachungspflicht<br />
auch darauf, ob vom verantwortlichen<br />
Geschäftsführer das Gleichbehandlungsgebot<br />
beachtet wurde und sowohl<br />
die Abgabenbehörde als auch <strong>der</strong> Sozialversicherungsträger<br />
nicht schlechter<br />
behandelt werden als an<strong>der</strong>e Gläubiger.<br />
Angesichts <strong>der</strong> großen praktischen<br />
Bedeutung <strong>der</strong> subsidiären Haftung<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des gesetzlichen Vertretungsorgans<br />
empfiehlt sich bei den<br />
übrigen Geschäftsführern eine Negativabgrenzung<br />
von Verantwortungsbereichen:<br />
Beispiel:<br />
„Dem Geschäftsführer [Marketing<br />
und Vertrieb] obliegen nachfolgende<br />
Aufgaben […]. Er ist nicht verantwortlich<br />
für das laufende Rechnungswesen<br />
sowie die Ermittlung von Steuern,<br />
Selbstbemessungsabgaben und<br />
Sozialversicherungsbeiträgen sowie<br />
die damit verbundenen Zahlungspflichten.<br />
Der Geschäftsführer [Marketing<br />
und Vertrieb] schuldet jedoch<br />
eine Überwachung <strong>der</strong> Tätigkeit seines/seiner<br />
jeweils ressortzuständigen<br />
Kollegen.“<br />
Verwaltungsstrafrechtliche<br />
Verantwortlichkeit<br />
Für die Einhaltung <strong>der</strong> Verwaltungsvorschriften<br />
durch juristische<br />
Personen o<strong>der</strong> eingetragene Personengesellschaften<br />
ist – soweit die Verwaltungsvorschriften<br />
nichts an<strong>der</strong>es<br />
bestimmen und soweit nicht verantwortliche<br />
Beauftragte bestellt sind –<br />
strafrechtlich verantwortlich, wer zur<br />
Vertretung nach außen berufen ist (§ 9<br />
Abs. 1 VStG). Die verwaltungsstrafrechtliche<br />
Verantwortlichkeit wird<br />
sohin auf sämtliche Geschäftsführer<br />
umgelegt; es wird von einem „Wechsel<br />
des Adressatenkreises“ gesprochen.<br />
Eine Erfolgshaftung von Geschäftsführern<br />
wird durch § 9 VStG nicht<br />
begründet.<br />
Die Geschäftsführer haben aufgrund<br />
ihrer organschaftlichen Leitungsbefugnisse<br />
die Möglichkeit, die Aufbau-<br />
und Ablauforganisation innerhalb<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft so zu gestalten,<br />
dass es zu keinen Straftaten kommt.<br />
Treffen demnach die Geschäftsführer<br />
konkrete Vorkehrungen (etwa durch<br />
ein geeignetes Kontrollsystem), damit<br />
Verwaltungsübertretungen (durch<br />
Mitarbeiter) verhin<strong>der</strong>t werden, haben<br />
sie für eine Tatbestandsverwirklichung<br />
nicht einzustehen.<br />
Besteht die <strong>Geschäftsführung</strong> aus<br />
mehreren Mitglie<strong>der</strong>n, hat dies eine<br />
kumulative Verantwortung zur Folge<br />
(vgl hierzu stellvertretend für viele<br />
VwGH 17.12.2013, 2012/09/0085).<br />
Dieser Rechtsfolge kann jedoch praxistauglich<br />
wirksam entgegengetreten<br />
werden: Geschäftsführer haften nicht<br />
für die Verletzung von Verwaltungsvorschriften,<br />
wenn ein verantwortlicher<br />
Beauftragter wirksam bestellt<br />
wurde.<br />
Die Geschäftsführer sind gemäß § 9<br />
Abs. 2 VStG berechtigt, verantwortliche<br />
Beauftragte zu bestellen, denen die<br />
Verantwortung für die Einhaltung <strong>der</strong><br />
Verwaltungsvorschriften obliegt, und<br />
zwar für<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
das ganze Unternehmen aus ihrem<br />
Kreis; o<strong>der</strong><br />
bestimmte räumlich o<strong>der</strong> sachlich<br />
abgegrenzte Bereiche des Unternehmens<br />
aus ihrem Kreis o<strong>der</strong><br />
Dritte.<br />
Die <strong>GmbH</strong>-Geschäftsführer trifft im<br />
Rahmen des Gebots einer sorgfältigen<br />
<strong>Geschäftsführung</strong> (§ 25 Abs. 1<br />
<strong>GmbH</strong>G) die Kardinalpflicht, für<br />
ein ausreichend dichtes und hinlänglich<br />
organisiertes Netz von ihrerseits<br />
wie<strong>der</strong> überwachten Aufsichtsorganen<br />
zu sorgen. Die vorangeführte<br />
Kardinalpflicht besteht insbeson<strong>der</strong>e<br />
dann, wenn sie aufgrund <strong>der</strong> ihnen<br />
unterstellten Bereichsgröße „nicht in<br />
<strong>der</strong> Lage sind, persönlich sämtlichen<br />
Überwachungsaufgaben nachzukommen“.<br />
Diese Überwachungspflichten bestehen<br />
auch innerhalb des Leitungsorgans;<br />
dies erfor<strong>der</strong>t im Falle einer kollektiven<br />
Vertretung die Kontrolle <strong>der</strong><br />
übrigen Geschäftsführer. Beson<strong>der</strong>s<br />
unangenehm ist auch <strong>der</strong> Umstand,<br />
dass selbst eine an sich wirksame innerbetriebliche<br />
<strong>Ressortverteilung</strong><br />
nicht die Verantwortlichkeit jedes<br />
einzelnen Geschäftsführers bei verwaltungsstrafrechtlich<br />
sanktionierten<br />
Pflichten <strong>der</strong> Gesellschaft beseitigt.<br />
Wenn die <strong>GmbH</strong>-<strong>Geschäftsführung</strong><br />
aus ihrer Mitte einen verantwortlichen<br />
Beauftragten für das gesamte Unternehmen<br />
bestellt hat, dann hat er für<br />
ein wirksames Kontrollsystem in allen<br />
Bereichen des Unternehmens zu sorgen.<br />
Werden an<strong>der</strong>e Personen zu verantwortlichen<br />
Beauftragten bestellt, so<br />
ist von ihnen ein wirksames Kontrollsystem<br />
in jenen räumlichen und/o<strong>der</strong><br />
sachlichen Bereichen einzurichten, für<br />
die ihnen die verwaltungsstrafrechtliche<br />
Verantwortlichkeit übertragen<br />
wurde. Die Fragen des Vorhandenseins<br />
und <strong>der</strong> Wirksamkeit eines internen<br />
Kontrollsystems sind im Falle <strong>der</strong><br />
Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens<br />
von wesentlicher Bedeutung.<br />
Lediglich neu bestellten Geschäftsführern<br />
wird eine gewisse Vorlaufzeit<br />
zugestanden, innerhalb <strong>der</strong>er die<br />
Etablierung eines entsprechenden<br />
Kontrollsystems möglich sein muss<br />
(VwGH 28.5.2008, 2008/09/0117).<br />
Das Kontrollsystem muss so gestaltet<br />
sein, dass<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
es unter den vorhersehbaren Verhältnissen<br />
die Einhaltung <strong>der</strong><br />
gesetzlichen Vorschriften mit<br />
gutem Grund erwarten lassen<br />
muss (VwGH 5.9.2016, Ra<br />
2016/04/0080);<br />
die Möglichkeit des nicht gesetzeskonformen<br />
Verhaltens von<br />
Mitarbeitern (auch trotz allfälliger<br />
Weisungen) als durchaus wahrscheinlich<br />
anzunehmen ist;<br />
48 BÖB Journal 87 | 21
ÐÐ<br />
es für Mitarbeiter keine Anreize zur<br />
Begehung von Verwaltungsübertretungen<br />
schafft; und<br />
ÐÐ<br />
entsprechende Sanktionsmechanismen<br />
für den Fall festgestellter<br />
Verstöße vorgesehen sind (VwGH<br />
20.3.2018, Ra 2017/03/0092).<br />
Aus Sicht <strong>der</strong> Geschäftsführer ist<br />
es zweckmäßig, für möglichst viele<br />
sachlich und (vor allem) räumlich<br />
abgegrenzte Bereiche Mitarbeiter zu<br />
verantwortlichen Beauftragten zu bestellen.<br />
Dieses organisatorische und<br />
haftungsrechtliche Optimum lässt sich<br />
in vielen Gesellschaften (noch) nicht<br />
erreichen. Aus diesem Grund ist es bei<br />
einer Mehrzahl an Geschäftsführern<br />
unerlässlich, dass einer von ihnen zum<br />
verantwortlichen Beauftragten bestellt<br />
wird. Die diesbezügliche Regelung in<br />
<strong>der</strong> <strong>Ressortverteilung</strong> wird üblicherweise<br />
wie folgt lauten:<br />
„Der Geschäftsführer [Organisation]<br />
ist verantwortlich für die Einhaltung<br />
sämtlicher Verwaltungsvorschriften im<br />
Sinne des § 9 Abs. 2 Fall 1 VStG.“<br />
Die vorangeführte Zuweisung konkreter<br />
– verwaltungsstrafrechtlich sanktionierter<br />
– Pflichten in einer Ressortaufteilung<br />
ist jedoch noch keine<br />
Bestellung eines Geschäftsführers zum<br />
verantwortlichen Beauftragten aus ihrem<br />
Kreis. Insoweit empfiehlt sich folgen<strong>der</strong><br />
Bestellungsbeschluss:<br />
„Wir, sämtliche Geschäftsführer <strong>der</strong><br />
XY-<strong>GmbH</strong>, beschließen einstimmig, dass<br />
aus unserem Kreis [Anton Alber] zum<br />
verantwortlichen Beauftragten für den<br />
gesamten Geschäftsbetrieb im Sinne des<br />
§ 9 Abs. 2 Fall 1 VStG bestellt wird. Wir<br />
erteilen ihm eine Anordnungsbefugnis.<br />
[Ort, Datum, Unterschriften sämtlicher<br />
Geschäftsführer]<br />
Ich, Anton Alber, erkläre, die Bestellung<br />
zum verantwortlichen Beauftragten für<br />
den gesamten Geschäftsbetrieb anzunehmen;<br />
mir wurde eine Anordnungsbefugnis<br />
erteilt.<br />
[Ort, Datum, Unterschrift von Anton<br />
Alber]“<br />
Im Gegensatz zur Bestellung von<br />
Mitarbeitern zu verantwortlichen<br />
Beauftragten ist die Übermittlung<br />
<strong>der</strong> Bestellungsurkunde an das Arbeitsinspektorat,<br />
die Österreichische<br />
Gesundheitskasse o<strong>der</strong> die Zentrale<br />
Koordinationsstelle keine Wirksamkeitsvoraussetzung;<br />
eine rechtzeitige<br />
interne Bestellung in <strong>der</strong> in diesem<br />
Beitrag empfohlenen Form ist sohin<br />
ausreichend, damit es im Fall von <strong>der</strong><br />
<strong>GmbH</strong> zurechenbaren Verwaltungsübertretungen<br />
nicht zu einer Mehrfachbestrafung<br />
<strong>der</strong> Geschäftsführer<br />
kommt.<br />
Mit <strong>der</strong> angeführten Bestellung eines<br />
von mehreren Geschäftsführern<br />
zum verantwortlichen Beauftragten<br />
ist allerdings keinesfalls sichergestellt,<br />
dass das interne Kontrollsystem tatsächlich<br />
wirksam „anschlägt“; bei verwaltungsstrafrechtlich<br />
pönalisierten<br />
Tatbestandsverwirklichungen besteht<br />
lediglich nicht mehr eine kumulative<br />
Verantwortlichkeit sämtlicher Mitglie<strong>der</strong><br />
des <strong>GmbH</strong>-Vertretungsorgans.<br />
Genehmigung <strong>der</strong><br />
Ressortaufteilung<br />
Grundsätzlich obliegt die Genehmigung<br />
einer (zweckmäßigerweise) von<br />
den Geschäftsführern ausgearbeiteten<br />
<strong>Ressortverteilung</strong> <strong>der</strong> Generalversammlung.<br />
Beispiel<br />
„Gesellschafterbeschluss<br />
Wir, sämtliche Gesellschafter <strong>der</strong><br />
XY-<strong>GmbH</strong>, fassen am heutigen Tage<br />
folgenden einstimmigen Gesellschafterbeschluss:<br />
Der von den Geschäftsführern ausgearbeiteten<br />
und als Anlage ./.1 beigeschlossenen<br />
Ressortaufteilung für die<br />
<strong>Geschäftsführung</strong> wird bis auf Wi<strong>der</strong>ruf<br />
die Zustimmung erteilt.<br />
[Ort, Datum, Unterschriften sämtlicher<br />
an <strong>der</strong> Beschlussfassung teilnehmen<strong>der</strong><br />
Gesellschafter]“<br />
Die Genehmigung <strong>der</strong> Ressortaufteilung<br />
durch einen Aufsichtsrat (Beirat)<br />
ist in jenen Fällen denkbar, in denen<br />
diesem (fakultativen) Gesellschaftsorgan<br />
die Besorgung dienstrechtlicher<br />
Angelegenheiten <strong>der</strong> <strong>GmbH</strong>-<strong>Geschäftsführung</strong><br />
übertragen wurde.<br />
Erweist sich die Befassung <strong>der</strong> Generalversammlung<br />
mit Fragen <strong>der</strong> Ressortaufteilung<br />
als nicht zweckmäßig<br />
(z.B. bei einem größeren Gesellschafterkreis)<br />
und wurde die Zuständigkeit<br />
für die Behandlung von <strong>Geschäftsführung</strong>sangelegenheiten<br />
nicht einem<br />
an<strong>der</strong>en Gesellschaftsorgan übertragen,<br />
so ist eine Ressortaufteilung auch<br />
dann wirksam, wenn sie zwischen<br />
sämtlichen Geschäftsführern einstimmig<br />
vereinbart wurde. Die Bestellung<br />
eines verantwortlichen Beauftragten<br />
iSd § 9 Abs. 2 VStG ist eine Angelegenheit<br />
<strong>der</strong> <strong>Geschäftsführung</strong>. Eine<br />
Einmischung <strong>der</strong> Gesellschafter ist<br />
aufgrund <strong>der</strong> Weisungsbindung <strong>der</strong><br />
Geschäftsführer zwar denkbar, in <strong>der</strong><br />
Praxis jedoch – richtigerweise – nicht<br />
anzutreffen. Aus Sicht eines Gesellschafters<br />
ist es im Regelfall völlig unerheblich,<br />
wie sich die Geschäftsführer<br />
im Hinblick auf die Bewältigung <strong>der</strong><br />
verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit<br />
im Detail organisieren.<br />
Zusammenfassung<br />
Quasi als Argumentationsgrundlage<br />
für Beratungsempfehlungen gegenüber<br />
Mandanten lassen sich folgende<br />
Schlussfolgerungen ziehen:<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
ÐÐ<br />
Bei mehr als einem Geschäftsführer<br />
ist eine Ressortaufteilung unerlässlich.<br />
Eine wirksame Zuweisung von<br />
Kardinalpflichten an einzelne Mitglie<strong>der</strong><br />
des Vertretungsorgans ist<br />
nicht möglich; insoweit besteht eine<br />
Gesamtverantwortung sämtlicher<br />
Geschäftsführer.<br />
Wiewohl die (abgabenrechtliche)<br />
Rechtsprechung auch eine mündliche<br />
– und beweisbare (!) – Aufgabenverteilung<br />
zwischen den<br />
Geschäftsführern als ausreichend<br />
erachtet, gibt es für eine schriftliche<br />
Ressortaufteilung de facto keine<br />
vernünftige Alternative.<br />
Ð Ð Unter haftungsprophylaktischen<br />
Gesichtspunkten sollte festgelegt<br />
werden, wer von den Geschäftsführern<br />
für die Erfüllung <strong>der</strong> abgabenund<br />
sozialversicherungsrechtlichen<br />
Pflichten verantwortlich ist und<br />
wer (sofern nicht Mitarbeitern <strong>der</strong><br />
Gesellschaft für räumlich und/o<strong>der</strong><br />
sachlich abgrenzbare Bereiche eine<br />
entsprechende Verantwortlichkeit<br />
87 | 21 BÖB Journal 49
RECHT<br />
übertragen wurde) zum verantwortlichen<br />
Beauftragten gemäß § 9<br />
Abs 2 Fall 1 VStG bestellt wird.<br />
ÐÐ<br />
Eine unter den Geschäftsführern<br />
vorgenommene Ressortaufteilung<br />
bedarf eines einstimmigen Beschlusses.<br />
ÐÐ<br />
Geschäftsführer dürfen grundsätzlich<br />
auf die fachliche Kompetenz<br />
ihrer Kollegen vertrauen.<br />
Nichtsdestoweniger hat sich je<strong>der</strong><br />
Geschäftsführer von fremden Zuständigkeiten<br />
ein eigenes Bild zu<br />
machen; dies gilt insbeson<strong>der</strong>e im<br />
Hinblick auf die Überwachung<br />
des mit <strong>der</strong> Erledigung abgabenund<br />
sozialversicherungsrechtlicher<br />
Pflichten betrauten Mitglieds des<br />
Vertretungsorgans.<br />
Buchempfehlungen<br />
ISBN: 9783707341850<br />
ISBN: 9783707341027<br />
Zur Test- bzw. Impfpflicht<br />
im Zusammenhang mit<br />
SARS-Cov-2<br />
Arbeitsrechtliche Konsequenzen<br />
Mag. Christian Marchhart<br />
Arbeitsrecht, Handelsvertretungsrecht,<br />
Vertriebsrecht,<br />
Schadenersatz- und<br />
Gewährleistungsrecht,<br />
Versicherungsrecht<br />
office.st.poelten@ulsr.at<br />
http://www.ulsr.at<br />
Das OLG Linz wurde in seiner Entscheidung vom 26.4.2021, 11 Ra 23/21p<br />
(ARD6749/6/2021) mit einem Fall konfrontiert, wonach dem Betreiber eines<br />
Alten- und Pflegeheims durch Verordnung des Gesundheitsministeriums vorgeschrieben<br />
wurde, dass er nur solchen AN Zutritt zum Betrieb gewähren darf,<br />
bei denen in regelmäßigen Abständen ein Antigen-Test auf SARS-Cov-2 o<strong>der</strong> ein<br />
molekularbiologischer Test auf SARS-Cov-2 durchgeführt wird.<br />
Ein AN dieses Pflegeheims weigerte sich ohne<br />
triftigen Grund, sich einem Covid-19-Test zu unterziehen.<br />
Da er ansonsten seine arbeitsvertraglich<br />
geschuldete Tätigkeit nicht erfüllen konnte, sprach<br />
<strong>der</strong> AG die Kündigung aus. Diese wurde vom AN<br />
mit dem Begehren angefochten, die Kündigung<br />
für rechtsunwirksam zu erklären, da sie gem. § 105<br />
Abs. 3 Z 1 lit. i ArbVG motivwidrig sei.<br />
Nachdem das Erstgericht die Klage abwies, bestätigte<br />
das OLG Linz als Berufungsgericht nun<br />
diese Rechtsansicht, ließ aber gleichzeitig die ordentliche<br />
Revision an den OGH zu, weil <strong>der</strong> Berechtigung<br />
zur Verweigerung von Antigen- und<br />
molekularbiologischen Tests auf SARS-Cov-2<br />
durch einen AN über den Einzelfall hinaus beson<strong>der</strong>e<br />
Bedeutung zukommt.<br />
50 BÖB Journal 87 | 21