Festschrift zur Einweihung der neuen Kuhn-Orgel im Chorraum des Ulmer Münsters 2021
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Von <strong>der</strong> Chororgel 1960<br />
<strong>zur</strong> Chororgel <strong>2021</strong><br />
KMD Thomas Haller<br />
<strong>Orgel</strong>sachverständiger <strong>der</strong> Lan<strong>des</strong>kirche<br />
Ein <strong>Orgel</strong>neubau, und dazu an so prominenter Stelle, ist ja ein Grund zu großer Freude. Allerdings<br />
hat die Erneuerung eines Instrumentes auch eine an<strong>der</strong>e Seite: Den Verlust bestehen<strong>der</strong>, älterer<br />
Substanz. Fast jede <strong>Orgel</strong> ist ein Kulturgut, ein geistiges Kind ihrer Entstehungszeit. Je<strong>des</strong> Vorgängerinstrument<br />
war seinerzeit eine hohe Investition, und damit kein Objekt, <strong>des</strong>sen man sich<br />
leichtfertig entledigt, sobald es den aktuellen o<strong>der</strong> persönlichen Vorstellungen in technischer o<strong>der</strong><br />
klanglicher Hinsicht nicht mehr entspricht.<br />
Eine Empfehlung zum Neubau spricht man daher nur mit Zurückhaltung und nach gründlicher Abwägung<br />
aus. Gerade an diesem Ort, wo mit einer ideologisch begründeten Konsequenz <strong>im</strong> Jahr<br />
1969 die weltberühmte Hauptorgel aus dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t durch einen Neubau ersetzt wurde,<br />
ein Vorgang, <strong>der</strong> in dieser Weise gut 60 Jahre später undenkbar ist.<br />
Gleichwohl sprach hier die Sachlage eindeutig für einen Austausch <strong>des</strong> Instruments <strong>im</strong> Chor <strong>des</strong><br />
wohl prominentesten Sakralraumes <strong>der</strong> Evangelischen Lan<strong>des</strong>kirche in Württemberg.<br />
Die Chororgel von 1960<br />
Der Zustand <strong>der</strong> Chororgel <strong>im</strong> <strong>Ulmer</strong> Münster erfor<strong>der</strong>te 2018 das Hinzuziehen <strong>des</strong> <strong>im</strong> Dekanat Ulm<br />
zuständigen Sachverständigen. Seit Jahren waren technische und klangliche Störungen wahrnehmbar.<br />
Verschleiß und erhebliche Schmutz- und Staubablagerung legten eine überfällige Instandsetzung<br />
und Hauptausreinigung nahe.<br />
Die Chororgel wurde 1960 von Helmut Bornefeld konzipiert und durch die Firma Rieger ausgeführt.<br />
Den Gehäuseentwurf lieferte Jakob Schmidt. Dies ist ein bemerkenswerter Sachverhalt. Das Äußere<br />
<strong>der</strong> <strong>Orgel</strong> hat Bornefeld bei seinen <strong>Orgel</strong>aufträgen in <strong>der</strong> Regel selbst gestaltet. Der Kirchenmusiker,<br />
Komponist und <strong>Orgel</strong>sachverständige Bornefeld agierte als <strong>Orgel</strong>architekt: die Klanggestalt<br />
von <strong>der</strong> Pfeifengeometrie bis <strong>zur</strong> Intonation, die Spieltischgestaltung, die Prospektgestaltung und<br />
technische Ausstattung legte er fest.<br />
Eine Generation später zeigten sich an <strong>der</strong> hiesigen Chororgel Defizite in <strong>der</strong> klanglichen Präsenz<br />
und in <strong>der</strong> Stabilität <strong>der</strong> Intonation. In stufenweisen Umbaumaßnahmen in den Jahren 1989, 1994<br />
und 1995 wurden bereits die Pfeifen von fünf Registern ausgetauscht.<br />
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