StartUp-Impuls - Institut für Journalistik und ...
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travestie<br />
war: „Ich habe die Wechseljahre schon<br />
hinter mir <strong>und</strong> die weibliche Pubertät sogar<br />
zweimal erlebt.“ Und selbst das hält<br />
sie nicht davon ab, eine Frau zu werden.<br />
Als wir los wollen, stehe ich vor dem<br />
ersten Problem. Wohin mit Portemonnaie,<br />
Handy, Notizblock, Stift <strong>und</strong> Schlüssel,<br />
wenn nicht in die Handtasche?<br />
Kurzerhand wandert alles in die Hosentaschen,<br />
die sich weit nach außen beulen,<br />
sodass ich nun auch noch pummelig<br />
wirke. Der Inhalt drückt <strong>und</strong> piekt unangenehm<br />
in meine oberschenkel. Spüren<br />
10<br />
Männer das nicht? oder gewöhnt man<br />
sich mit der zeit daran? Julia ist mit dem<br />
Auto da, wir finden ein paar Straßen von<br />
der oper entfernt einen Parkplatz. „Jetzt<br />
kommt der Spießrutenlauf“, meint Julia.<br />
Und tatsächlich sehen alle Passanten,<br />
die uns entgegenkommen, zweimal hin.<br />
Der erste Blick fällt meistens auf Julias<br />
lange Beine, danach schauen die Menschen<br />
in ihr Gesicht. Ihre Mienen ändern<br />
sich dabei von angetan zu überrascht/<br />
irritiert <strong>und</strong> peinlich berührt. Einem Mann<br />
fällt vor Schreck glatt sein Handy aus der<br />
Hand. Auf mich achtet kaum einer.<br />
Peters Herzinfarkt hatte jedoch auch<br />
etwas Gutes: Die Nahtoderfahrung gab<br />
ihm den Mut, sich öffentlich als Frau zu<br />
outen. An seinem 44. Geburtstag lud er<br />
seine Gäste zu der Abschlussshow eines<br />
Burlesque-Kurses ein, an dem er teilnahm.<br />
Dort präsentierte sie sich allen<br />
als Frau – eine große überraschung, vor<br />
allem <strong>für</strong> seine Eltern, die bis zu diesem<br />
zeitpunkt ahnungslos waren. „Ich dachte,<br />
mein Vater rennt auf die Bühne <strong>und</strong> zerrt<br />
mich runter“, erzählt Julia. Doch es war<br />
seine Mutter, die nach der Show ganze<br />
fünf Wochen nicht mit ihm redete. Bis<br />
heute wird Peters Transsexualität in der<br />
Familie totgeschwiegen.<br />
Vor der oper bin ich gespannt. Ich habe<br />
ein ermäßigtes Ticket <strong>und</strong> muss daher<br />
gemeinsam mit meiner Karte meinen<br />
Studentenausweis vorzeigen. Und auf<br />
dem bin ich als Frau abgelichtet. Doch<br />
die Dame am Einlass ist ganz Profi <strong>und</strong><br />
nimmt mein Ticket kommentarlos entgegen.<br />
Das Gleiche an der Garderobe. Ich<br />
bin enttäuscht. zumindest ernten wir viele<br />
Blicke von anderen operngästen. Vor<br />
allem als wir uns zu unseren Plätzen begeben<br />
– die ich extra mitten in der Reihe<br />
gebucht habe, sodass wir uns an den bereits<br />
sitzenden Gästen vorbeiquetschen<br />
müssen. Aber auch sie sagen nichts.<br />
Seit gut zehn Jahren nennt sich Peter<br />
privat Julia Angelina. „Der Name Julia hat<br />
mir schon immer gefallen, die Ergänzung<br />
Angelina ist etwas verruchter. Die perfekte<br />
Mischung!“ Peter hat sogar einen „Ergänzungsausweis“<br />
mit ihrer weiblichen<br />
Identität. Diesen kann man beantragen,<br />
wenn man über eine ärztliche Bescheinigung<br />
verfügt, die bestätigt, dass ein<br />
„transsexuelles Syndrom“ vorliegt.<br />
Das orchester setzt mit der ouvertüre<br />
ein. Wir sehen Gounods „Faust“ in konzertanter<br />
Aufführung. Und welche überraschung:<br />
Ich bin nicht die einzige Frau im<br />
Anzug an diesem Abend. Die Rolle des Siébel<br />
wird von Monika Walerowicz gesungen.<br />
Die weibliche Besetzung soll andeuten,<br />
dass es sich bei der Figur um einen<br />
sehr jungen Mann handelt. Genau wie ich<br />
ja auch eher aussehe wie ein Jüngling.