Foto: © flucas - Fotolia.com Foto: Martina Berg sPoTlighT Krisenkompetenz in unternehmen: mit <strong>Coaching</strong> durch schwierige zeiten Von Dr. Peter Höher und Friederike Höher Plötzlich ändern sich die <strong>Coaching</strong>-Themen unserer Klienten von einer Stun- de auf die andere: So geschehen nach dem Crash des Investmenthauses Leh- man Brothers und der ausgelösten internationalen Finanzmarktkrise. Zahlreiche Bankberater hatten wochenlang schwierige Kundengespräche durchzustehen. Diese Aussprachen gingen vielen von ihnen selbst an die psychische und physische Substanz, bis hin zu Zusammenbrüchen. 32 1/2009
Nach dem Finanzcrash kam es für Kundenberater und -beraterinnen bald zu ersten physischen Bedrohungen, im Einzelfall sogar zu Morddrohungen. Es gab Demonstrationen in einzelnen Filialen und öffentliche Anfeindungen. So diffamierten einige Kunden lauthals Bankberater in Bus und Bahn mit unvermittelten Ausrufen wie: „Da sitzt der Berater, der mein Geld vernichtet hat!“ Einige Kunden drohten mit Suizid – wie in der Folge auch einige Bankmitar<strong>bei</strong>ter. Daraufhin handelte der Vorstand und berief unverzüglich seinen Krisenstab ein, um die Vertriebsmitar<strong>bei</strong>tenden zu schützen. Wir gehören als langjährige externe <strong>Coaching</strong>-Partner zu diesem Krisenstab von internen und externen Spezialisten (Coachs, Ärzten, Therapeuten usw.), die für Notfallsituationen und Akuthilfe bereit standen. Wir stellten kleine Gruppen von maximal acht Teilnehmenden zusammen, wo<strong>bei</strong> wir den „Lead“, also die Verantwortung für die Durchführung und die Prozessgestaltung, hatten. Es waren Settings, in denen Führungskräfte ihre Themen untereinander diskutieren konnten, Berater unter sich sowie funktional gemischt in Workshops. Wir haben die Settings derart gestaltet, dass wir stets einen bis zwei interne Ansprechpartner, meist Personalentwickler, an unserer Seite hatten, um schnell individuelle Hilfe und Unterstützung gewährleisten zu können. Das waren in dem einen Fall Einzel-<strong>Coaching</strong>s zur Resilienz, also zur Stärkung der Robustheit, in anderen Fällen therapeutische oder medizinische Hilfen. Hier war das Human Resource Management mit einem Stab interner und externer Spezialisten vorbildlich aufgestellt. Wir haben so in den letzten Wochen allein in einer deutschen Bank 13 Kurzworkshops unter dem Motto „Handlungsempfehlungen für schwierige Gespräche, Empfehlungen zum Emotionsmanagement sowie zur Entwicklung persönlicher Robustheit“ für rund 100 Personen durchgeführt. Die Zielgruppe bestand aus Center- und Filialleitern, Beratern von Vermögens- und Privatkunden mit problematischen Bankprodukten in deren Depots. Nach diesen drei- bis vierstündigen „Gruppen-<strong>Coaching</strong>s“ mit maximal acht Teilnehmenden folgten Einzel-<strong>Coaching</strong>s und Team-<strong>Coaching</strong>s zur weiteren Stabilisierung, zum Aufbau innerer Stärke und individueller Robustheit für belastende Situationen. Resilienz-<strong>Coaching</strong> zur Bewältigung von Risikosituationen Wir definieren Resilienz – in Anschluss an Jack Block, Emmy E. Werner, Glen Elder und andere – als die psychische Widerstandsfähigkeit von Menschen gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Risiken. Resilienz zielt insofern auf psychische Stabilität und Gesundheit trotz Risikobelastungen ab, also auf eine Bewältigungskompetenz. Unter Resilienz werden drei Merkmale summiert: 1. die positive, gesunde, situative Lebensbewältigung trotz hohem Risikostatus, 2. die beständige Kompetenz, unter extremen Stressbedingungen handlungsfähig zu bleiben, Merkmale resilienter Menschen 3. die positive und schnelle Erholung von traumatischen Erlebnissen wie <strong>bei</strong>spielsweise Bedrohungen durch Kunden. Resilienz bezeichnet in der aktuellen Diskussion kein angeborenes Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine Ressource, die im individuellen Entwicklungsverlauf im Kontext der Individuum-Umwelt-Interaktion aufgebaut wird. Die Wurzeln für die Entwicklung von Resilienz liegen da<strong>bei</strong> in besonders Risiko lindernden Faktoren, die sowohl in der Person als auch außerhalb als <strong>bei</strong>spielweise soziale Ressourcen in der Lebensumwelt verankert sein können. Aufgrund dieser konstitutionellen, erlernten oder sozialen Ressourcen unterscheiden sich die Menschen in ihrer Kompetenz zur Belastungsregulation. Das Konzept der Resilienz legt den Fokus auf die Bewältigung von Risikosituationen. Schwerwiegende Lebensbedingungen können neben den jeweils aktuellen Anforderungen an Anpassung und Bewältigung der Situation auch Chancen für eine persönliche Weiterentwicklung <strong>bei</strong>nhalten. Die Resilienzforschung zielt in diesem Zusam- Menschen, die belastende Erfahrungen besser verar<strong>bei</strong>ten und Krisen positiver bewältigen als andere, zeichnen sich durch folgende Fähigkeiten aus: • • • • • • • individuelle Problemlösekompetenzen, eine hohe soziale Interaktionskompetenz (Empathiefähigkeit, Kontaktfähigkeit, soziale Perspektivenübernahme), die Fähigkeit zur Selbstregulation (Selbstmanagement), ein aktives und dynamisches Bewältigungsverhalten (z.B. die Fähigkeit, zu zeigen, dass sie Hilfe brauchen und auch annehmen können, oder sich von einer dysfunktionalen Beratungssituation in einem Kundengespräch innerlich zu distanzieren und damit eine professionelle Distanz aufbauen zu können), eine optimistische, bejahende Lebenseinstellung, ein hohes Selbstwertgefühl sowie Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, was eine sehr gute Reflexionsfähigkeit voraussetzt und Selbstwirksamkeitsgewissheit – und nicht -zufälligkeit. 1/2009 33