Coaching bei Gegenwind - Coaching-Magazin
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WISSENSCHAFT<br />
Selbstreflexionsprozesses besser zu<br />
verstehen und daraus Möglichkeiten<br />
zur gezielten Förderung abzuleiten. Die<br />
These lautet nämlich: Selbstaufmerksamkeit<br />
und Selbstreflexion sind Voraussetzungen<br />
zur Förderung bewusst<br />
gesteuerter Veränderungen des eigenen<br />
Handelns.<br />
Selbstreflexion kann überflüssig<br />
oder gar hinderlich<br />
sein<br />
Bei allem Interesse an Selbstreflexionsprozessen<br />
soll nicht verschwiegen werden,<br />
dass diese im Leben der meisten<br />
Menschen über weite Strecken eher<br />
überflüssig, wenn nicht sogar hinderlich<br />
sein können. Warum? Weil wir meist<br />
mehr oder weniger gut mit einem relativ<br />
begrenzten Set an Handlungsmustern<br />
auskommen. Die können wir problemlos<br />
abrufen. Wir haben sie lange genug<br />
und oft genug angewandt. Sie sind uns<br />
also in Fleisch und Blut übergegangen.<br />
Das macht uns handlungsfähig. Und<br />
darauf kommt es ja gerade im Berufsleben<br />
an. Die Gehirnforschung weiß<br />
heute: Wer seinen eingeschliffenen<br />
Denk- und Verhaltensgewohnheiten<br />
treu bleibt, wird vom neuronalen Belohnungssystems<br />
mit dem Gefühl von<br />
Sicherheit und Geborgenheit belohnt.<br />
Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth<br />
betont, dass sich viele Verhaltensweisen<br />
somit verselbstständigen und der<br />
bewussten Steuerung entziehen.<br />
Manchmal brauchen wir Selbstreflexion<br />
jedoch umso notwendiger. Das sind<br />
dann oft Situationen, in denen uns das<br />
Wasser bis zum Hals steht und dringend<br />
neue Handlungsmuster her müssen,<br />
weil die alten, vertrauten versagt haben.<br />
Was dann? Ein Teufelskreis droht, denn<br />
dann sind wir in der Regel gestresst!<br />
Stress und (lösungsorientierte!) Selbstreflexion<br />
vertragen sich aber leider<br />
überhaupt nicht. Ohne Selbstreflexion<br />
gibt es jedoch kaum ein Entkommen<br />
aus den unbrauchbaren Mustern.<br />
Man sitzt somit in der Zwickmühle!<br />
Selbstwertschutzmechanismen<br />
Ein erster wesentlicher Grund für die<br />
Vermeidung von Selbstreflexion ist,<br />
46 1/2009<br />
dass wir Schutzmechanismen haben,<br />
die dafür sorgen sollen, die Bedrohung<br />
des Selbstwertgefühls zu verhindern.<br />
Dem russischen Schriftsteller Fjodor<br />
M. Dostojewski (1821–1881) wird<br />
folgender Satz zugeschrieben: „Sehnsüchtig<br />
grüßt der, der ich bin, den, der<br />
ich sein könnte.“<br />
Selbstreflexion bedeutet in der Regel,<br />
auch Bekanntschaft mit den eigenen<br />
Schwächen zu machen. Da<strong>bei</strong><br />
kommen wir – gemessen an unserem<br />
idealen Selbstkonzept – oft ziemlich<br />
schlecht weg. Unser Selbstwertgefühl<br />
ist bedroht und wehrt sich. Die Folge:<br />
Es wird verdrängt, was „das Zeug hält“,<br />
einfach um die innere Balance aufrecht<br />
zu erhalten. Die Gründe für Versagen<br />
oder Konflikte aller Art werden<br />
„den anderen“ Personen oder eben<br />
„äußeren, unglücklichen Umständen“<br />
in die Schuhe geschoben. Das schützt<br />
uns. Wir können wie in der Werbung<br />
sagen: „Ich will so bleiben wie ich bin“.<br />
– Aber das verhindert gleichzeitig,<br />
dass wir einer Lösung näher kommen,<br />
für die wir alte Muster über Bord werfen<br />
müssten.<br />
Die Rolle von <strong>Coaching</strong> <strong>bei</strong><br />
der Selbstreflexion<br />
Selbstreflexionsprozesse sind also alles<br />
andere als trivial. Sie sind im höchsten<br />
Maße störanfällig. Dies hat Ursachen,<br />
die hier als „innerpsychisch“<br />
bezeichnet werden sollen. Damit<br />
Selbstreflexion gelingen kann, müssen<br />
die Vorstellungen zum eigenen Selbstkonzept<br />
zunächst bewusst gemacht<br />
werden. Dann kann darüber auf einer<br />
Art Metaebene reflektiert werden.<br />
Aufgabe eines Coachs ist es, durch<br />
unterstützende Begleitung diesen<br />
schwierigen und unangenehmen Prozess<br />
zu erleichtern bzw. überhaupt<br />
erst zu ermöglichen. Zunächst sollte<br />
<strong>Coaching</strong> einen „geschützten Raum“<br />
bieten, in dem Selbstreflexion möglich<br />
wird. Diese höchst störanfälligen Prozesse<br />
benötigen Zeit und Ruhe.<br />
Eine vertrauensvolle Beziehung zwischen<br />
Coach und Klient ist eine weitere<br />
wichtige Grundvoraussetzung. Wenn<br />
das Selbstwertgefühl des Klienten<br />
bedroht ist, weil die Diskrepanzen zwischen<br />
dem idealen und dem realen<br />
Selbstkonzept bewusst werden, ist der<br />
Coach gefragt, emotionalen Support<br />
zu geben. Das setzt neben Vertrauen<br />
des Klienten auch seine Akzeptanz voraus.<br />
Und doch: Für Außenstehende muss<br />
<strong>Coaching</strong> als etwas Mysteriöses erscheinen<br />
– jemand geht ins <strong>Coaching</strong><br />
und verändert sich auf gewisse Art<br />
und Weise aufgrund von Selbstreflexion.<br />
Was genau spielt sich denn „im“<br />
Klienten während des Selbstreflexionsprozesses<br />
ab? Erfahrene Coachs<br />
wissen sicher aus eigener Erfahrung,<br />
dass in einem erfolgreichen Beratungsprozess<br />
etwas mit dem Klienten passiert.<br />
Dieses „Etwas“ auch erklären<br />
zu können, ist eine andere Sache. Die<br />
<strong>Coaching</strong>-Literatur gibt hierauf leider<br />
keine konkreten Antworten. Aus dieser<br />
„Not“ heraus entstand die Idee, genau<br />
diese Frage zum Gegenstand meiner<br />
wissenschaftlichen Ar<strong>bei</strong>t zu machen:<br />
Wie wirken Selbstreflexionsprozesse<br />
im <strong>Coaching</strong> auf die Klienten?<br />
Und welche Konsequenzen haben sie?<br />
<strong>Coaching</strong> findet nie im luftleeren Raum<br />
statt, sondern in einem sozialen Umfeld<br />
– dem beruflichen und privaten<br />
Umfeld. Von dort sind nicht nur positive,<br />
sondern auch negative Reaktionen<br />
denk- und erwartbar. Und was<br />
bewirkt dieses Feedback des Umfelds<br />
wiederum <strong>bei</strong>m <strong>Coaching</strong>-Klienten?<br />
Das wissenschaftliche Vorgehen<br />
Die Planung der wissenschaftlichen<br />
Untersuchung beginnt mit der Frage:<br />
Wen werde ich interviewen und warum?<br />
Die Wahl fällt auf eine Mischung aus<br />
Gesprächen mit Coachs und Gecoachten.<br />
Diese Doppelperspektive – je zwei<br />
Berater und Klienten – verspricht aussichtsreiche<br />
Ergebnisse. Zugegeben,<br />
eine relativ kleine Stichprobe. Dennoch<br />
kann der Erkenntniswert aus den<br />
Interviews als umfassend eingestuft<br />
werden. Das Vorgehen genügt strengen<br />
wissenschaftlichen Kriterien und<br />
kann von Interessierten und Skeptikern<br />
jederzeit nachvollzogen werden.<br />
Die ganze Planung eines Vierteljahres<br />
wäre ins Leere gelaufen, hätte ich<br />
keine Interviewpartner gefunden. Die<br />
„Achillesferse“ der gesamten Untersuchung<br />
ist da<strong>bei</strong> die Frage: Werde ich<br />
geeignete Klienten finden, die bereit<br />
sind, umfassend über ihre <strong>Coaching</strong>-<br />
Erfahrungen zu berichten? Mir, einer<br />
fremden Person, die diese Gespräche<br />
zudem auf ein Diktiergerät aufzeichnet?<br />
Für mich ist das spannender als jeder<br />
Krimi! Man muss bedenken, ein Scheitern<br />
an dieser Stelle würde mich um