HOMO Littera: Das Magazin, Ausgabe 5/2021
Vierteljährlich erscheinende Broschüre über Publikationen und Autoreninterviews aus dem Hause HOMO Littera
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~ INHALT ~
S e i t e | 1
03 Inhalt, Impressum
04 Editorial
06 Unsere Titelstory
Bücher tragen zur seelischen Gesundheit bei –
denn in der Fantasie sind alle frei: Im Gespräch:
Romy Gorischek über 10 Jahre HOMO Littera
18 Autoreninterview
Das Leben ist nicht immer lustig, aber es ist
auch nicht immer traurig: Hans Christian Baum
über das Landleben, seinen heimatlichen Roman
„Noch einmal schlafen, dann ist … Schöne Bescherung“
und weihnachtliche Traditionen
24 Autoreninterview
Wien um 1900 war eine völlig andere Kultur –
es war eine Zeit der Gegensätze: R. A. Sky über
„Wiener Klänge“ und das Wien um 1900
30 Autoreninterview
Das Weltall ist so unfassbar groß, dort muss es
noch mehr Leben als das auf der Erde geben:
Diare Cornley über Aliens, das Weltall und das
Schreiben im Allgemeinen
34 Autoreninterview
Die hilflose Prinzessin, die sich retten lassen
muss, langweilt mich: Reg Benedikt über die
„Magische Grenze“, Fantasybücher und Heldinnen
in Romanen
40 News I
Autorenservice Gorischek, Wissenswertes
41 News II
Spruch der Woche
IMPRESSUM
Herausgeber: HOMO Littera Romy Leyendecker e.U., Am Rinnergrund
14/5, A – 8101 Gratkorn; E-Mail: office@HOMOLittera.com
Die Offenlegung gemäß § 25 Mediengesetz ist unter
https://www.homolittera.com/deutsch/Impressum.php jederzeit
aufrufbar.
Redaktion: Romy Gorischek, Tanja T.
Grafik und Design: Rofl Schek
Bildnachweis:
Advent © DarkmoonArt_de – Pixabay.com, Titelseite
Birthday Cake © jfunk – stock.adobe.com, Titelseite
Mountain © Vicki Hamilton – Pixabay.com, Seite 3
New-year © Alexey Hulsov – Pixabay.com, Seite 3
Christmas-banner © Harshahars – Pixabay.com, Seite 4
Santa Claus © Maciej326 – Pixabay.com, Seite 4
Vintage © Darkmoon_Art – Pixabay.com, Seite 5
Snow © Gerd Altmann – Pixabay.com, Seite 20
Christmas-decorations © Free-Photos – Pixabay.com, Seite 22
Vienna © Julius_Silver – Pixabay.com, Seite 26
Vienna © Simon Berger – Pixabay.com, Seite 27
Vienna © Leonhard Niederwimmer – Pixabay.com, Seite 27
Fountain © toxi85 – Pixabay.com, Seite 28
Door © David Mark – Pixabay.com, Seite 28
Vienna © Marcel Rusu – Pixabay.com, Seite 29
Galaxy © Lumina Obscura – Pixabay.com, Seite 31
Photoshop © Michael Ilchov – Pixabay.com, Seite 32
Universe © Comfreak – Pixabay.com, Seite 32
Universe © beate bachmann/spirit111 – Pixabay, Seite 33
Gate © MatteoSunbreeze – Pixabay.com, Seite 35
Desert © Marisa04 – Pixabay.com, Seite 36
Closeup girl © akvafoto2012 – stock.adobe.com, Seite 36
Die nächste Ausgabe erscheint im Frühjahr 2022.
~ EDITORIAL ~
„Besonders in schlechten Zeiten
hat Literatur die Macht unsere
Seele zu heilen.“
Romy Gorischek
„D
er Winter naht“, wusste schon George R. R. Martin in seinem Roman „Das Lied von Eis und Feuer“
zu schreiben. So stellte sich ein unbedeutender Bastard namens Jon Schnee gegen das mächtige
Heer des Nachtkönigs. Seit zwei Jahren kämpfen auch wir gegen ein Virus, das uns in die Knie
zwingen will – und fast ist es, als würde nicht nur Väterchen Frost den Winter ankündigen, sondern sich
eine generelle Kältefront über das Land legen. Der Nachtkönig scheint an seinem Ziel angekommen zu sein,
denn Unwille, Frustration und Resignation spalten die Gesellschaft. Wie Jon Schnee treffend formulierte:
„… wenn genug Menschen falsche Versprechungen machen, verliert unser Wort seinen Wert. Dann gibt es
keine Antworten mehr. Nur bessere und bessere Lügen – und Lügen bringen uns in diesem Kampf nicht
weiter.“
Im Moment scheint es, als dürfte man nur noch schwarz oder weiß denken – gut oder böse – geimpft oder
ungeimpft. Keine Graustufen mehr, keine Farbtupfer. Aber ist das unser Ziel? Nach einem missglückten
Experiment formulierte der Gymnasiallehrer Rainer Wenger aus „Die Welle“ treffend: „Wir alle haben uns
für was Besseres gehalten. Besser als alle anderen, und was noch viel schlimmer ist: Wir haben alle, die nicht
unserer Meinung waren, aus unserer Gemeinschaft verstoßen, wir haben sie verletzt – und ich will nicht wissen,
wozu wir noch fähig gewesen wären. […] Wir sind zu weit gegangen.“
Lasst nicht zu, dass wir zu weit gehen! Lasst uns stattdessen einen gemeinsamen Weg raus aus der Misere
finden, anstatt eine riesige Welle auszulösen, die wir womöglich nicht mehr aufhalten können. Lasst den
Nachtkönig nicht gewinnen.
In den letzten Wochen und Monaten haben wir uns als Verlag Gedanken darüber gemacht, was wir ändern
können. Ist es angebracht, über ruhige besinnliche Weihnachten zu schreiben? Können wir ein Jubiläum
feiern, während auf der Welt eine Pandemie herrscht?
Wir denken, nichts auf der Welt hat mehr Macht als das geschriebene Wort: Lasst uns deshalb – wenn auch
nur kurz und vorübergehend – eintauchen in die Welt der Bücher. Besonders in schlechten Zeiten hat Literatur
die Macht unsere Seele zu heilen, denn in der Fantasie sind wir alle frei. Außerdem wusste schon Tyrion
Lannister zu sagen: „Ein Verstand braucht Bücher wie ein Schwert den Schleifstein.“
Wir freuen uns deshalb, euch auch in dieser Ausgabe von „HOMO Littera
– das Magazin“ wieder unsere Novitäten präsentieren zu dürfen.
Des Weiteren feiert der Verlag sein 10-jähriges Jubiläum, und wir stellen
euch einige Neuigkeiten diesbezüglich vor. Zahlreiche Überraschungen
und Verlosungen warten in den nächsten Monaten auf
euch.
So widmet sich unsere Titelstory dieses Mal unserem 10. Geburtstag.
Dazu gibt es ein Interview meinerseits und einen kleinen
Rückblick auf 10 wunderbare Jahre (Seite 6).
Eine besondere Weihnachtsgeschichte kommt auch dieses Jahr
von Hans Christian Baum. In einem Interview erzählt er uns über
seine österreichische Landgeschichte „Noch einmal schlafen, dann
ist … Schöne Bescherung“ (Seite 18).
S e i t e | 4
Besonders stolz sind wir auf unseren österreichischen Roman „Wiener
Klänge“. Im Interview dazu: R. A. Sky (Seite 24).
Conny Reinhard
ÜBER LESBEN, LEBKUCHEN
UND LEIDENSCHAFT
Bis ins Weltall entführt uns Diare Cornley mit „Geküsst von einem
Alien“ (Seite 30).
Für Freunde der Fantasy gibt uns Reg Benedikt zu „Wächterin der Dunkelheit“
aus der Reihe der „Magischen Grenze“ ein Interview (Seite 34).
So bleibt mir nun nur noch das Schlusswort: Für die letzten Tage des Jahres
2021 wünschen wir euch das Allerbeste. Bitte vergesst nicht: „Es ist
leicht zu verwechseln, was ist und was sein sollte, vor allem, wenn das, was
ist, zu eurem Vorteil ist“, um es mit Worten von Tyrion Lannister zu sagen.
Denkt daran, dass nur Zusammenhalt, Solidarität, Rücksicht aufeinander
und Nächstenliebe uns durch diese schwierige Zeit bringen.
In diesem Sinne wünschen wir euch ein ruhiges, besinnliches Weihnachtsfest,
einen guten Rutsch ins neue Jahr und – unser wertvollstes Gut – Gesundheit.
Haltet Abstand, nehmt Rücksicht aufeinander und helft euch gegenseitig
– um es auf Österreichisch zu sagen: „Passts aufeinanda auf.“
Herzlichst
Romy Gorischek
Verleger und Geschäftsführer HOMO Littera
6 erotische Weihnachtsgeschichten,
die unter die Haut gehen …
172 Seiten, Anthologie
ISBN 978-3-902885-70-8
€ 11,21 (A)
EINFACH WEG –
Nahrung für dein Fernweh
5 Kurzgeschichten über die Liebe
und das Reisen rund um die Welt.
S e i t e | 5
292 Seiten, Anthologie,
978-3-903238-26-8, € 13,00(A)
~ UNSERE TITELSTORY ~
Bücher tragen zur seelischen
Gesundheit bei – denn in der
Fantasie sind alle frei
VERLEGERIN ROMY GORISCHEK BLICKT AUF
10 JAHRE VERLAGSGESCHICHTE ZURÜCK UND
SPRICHT ÜBER POSITIVES UND NEGATIVES IN
DER BUCHBRANCHE
S e i t e | 6
R
omy Gorischek wuchs
im grünen Herzen Österreichs
auf. Nach der Matura
studierte sie Geschichte
und Psychologie an der
Universität Wien. Ihre Begeisterung
fürs Schreiben und Bücher
im Allgemeinen veranlasste sie
2011 dazu, Österreichs ersten
Verlag für ausschließlich homosexuelle
Literatur zu gründen.
Beruflich wie privat setzt sie sich
für Diversität und Gleichberechtigung
ein.
10 Jahre HOMO Littera – wie
fühlt sich das an?
Romy – Wunderbar, großartig natürlich,
aber irgendwie auch unvorstellbar.
Die Zeit verging
wahnsinnig schnell – ich kann
mich noch gut an die Anfangszeiten
erinnern. Als sich die ersten
Autor*innen bei uns meldeten, als
wir die ersten Verträge abschlossen
und logischerweise die erste
Veröffentlichung im Verlag. Da
ist man nicht nur euphorisch,
sondern regelrecht in einem
Rausch. Man sieht ständig auf die
Verkaufsstatistiken, versucht Rezensionen
und Kritiken im Auge
zu behalten und freut sich wie ein
kleines Kind mit dem Autor über
eine positive Rückmeldung. Man
hat so viele Ideen im Kopf, die
man am liebsten sofort alle umsetzen
möchte.
Wenn du die Jahre rückblickend
betrachtest, wie würdest du diese
Zeit beschreiben?
Romy – Ich sehe es als gelungene,
kreative Zeit, als Schaffungs-,
aber auch manches Mal Lernphase.
Als Verlag darfst du nie stillstehen,
du musst immer sehen,
wie es weitergeht, was die aktuellen
Neuerungen in der Buch- und
Literaturbranche sind. Natürlich
war die Zeit manches Mal auch
chaotisch, stressig und kräfteraubend,
aber im Großen und Ganzen
war es eine sehr schöne und
gelungene Zeit. Wir haben so
viele fabelhafte Autor*innen kennengelernt,
die wunderbare, abenteuerliche
und außergewöhnliche
Geschichten geschrieben haben.
Alleine wenn ich da an die spannenden
Thriller von Reg Benedikt
denke oder die humorvollen, österreichischen
Landgeschichten
von Hans Christian Baum – bis
hin zu den sinnlichen Romance-
Büchern des Autorenduos Diare
Cornley und Vanessa M., den
Fantasybüchern von Lena Seidel
oder den mitten aus dem Leben
gegriffenen Geschichten von Paul
Senftenberg –, dann freue ich
mich auf die nächsten 10 Jahre.
All unsere Autor*innen sind eine
Bereicherung für den Buchhandel
sowie die Literatur.
Wahrscheinlich wurde dir die
Frage schon x-mal gestellt: Aber
wie kommt man überhaupt auf
die Idee, einen Verlag zu gründen,
vor allem, einen Nischenverlag?
Romy – Die Frage wurde mir
tatsächlich mehrmals gestellt –
und wie immer kann ich sie nicht
zu 100% beantworten. Die Zeit
damals war für mich einfach reif,
würde ich sagen. Wer frühmorgens
als Erstes an Bücher denkt,
und beim Zubettgehen seine Gedanken
ebenfalls Büchern widmet,
der sollte auf jeden Fall etwas
in diese Richtung machen –
und ich war ja kein unbeschriebenes
Blatt, als ich den Schritt wagte,
einen Verlag zu gründen. Ich
war bereits Jahre zuvor in der
Branche tätig, war selbst Schriftstellerin
und kam auch im Zuge
meines Geschichtsstudiums immer
wieder in Kontakt mit dem
Verlagswesen. Natürlich kam die
Idee einen Verlag zu gründen
nicht von heute auf morgen, niemand
wird morgens wach und
sagt: „Jetzt werde ich Verleger“.
Es bedarf einer Menge an Recherche-
und Vorbereitungsarbeit,
ich habe sogar Schulungen und
Kurse zur „richtigen Unternehmensführung
im Verlagswesen“
absolviert, weil ich nicht einfach
ins kalte Wasser springen wollte.
Ich weiß nicht, was geschehen
wäre, wenn mein Leben anders
verlaufen wäre, wenn ich aufgrund
von privaten Schicksalsschlägen
mein Studium auf normalem
Weg hätte beenden können
… andererseits ist passiert,
was passiert ist – und ich bereue
keine Minute HOMO Littera gegründet
zu haben.
An sich kann ich sagen, dass
HOMO Littera sicherlich ein
persönlicher Traum war – und
wie heißt es in „The Rocky Horror
Picture Show“ treffend: Don´t
dream it, be it!
S e i t e | 7
HOMO Littera ist Österreichs
erster Verlag für ausschließlich
homosexuelle Literatur. Ist es
schwieriger einen LGBTI + -Verlag
zu führen als einen Hetero-
Verlag?
Romy – Na ja, die Arbeit an sich
ist sicherlich nicht schwieriger.
Es ist im Grunde ja egal, welche
Sexualität der Protagonist im
Buch hat – die Arbeit am und um
das Manuskript bis hin zur Veröffentlichung
bleibt dieselbe. Erst
danach gibt es Unterschiede. Die
Pressearbeit ist zum Beispiel
schwierig, weil viele Medien
nicht bereit sind, auf dieselbe
Weise über Publikationen zu berichten
wie im Heterobereich.
Auch Buchhandlungen wollen
nicht immer Bücher mit homosexuellem
Inhalt öffentlich oder
gut sichtbar präsentieren. Es ist
im Laufe der Zeit zwar besser
geworden, keine Frage, aber
manches Mal ist es tatsächlich
schwieriger, einen LGBTI + -Verlag
zu führen – man muss um
jede Präsentation, Vorstellung
und auch Anerkennung viel mehr
kämpfen.
Worauf kommt es dir bei dem
Programm von HOMO Littera
an?
Romy – Mir ist es wichtig, Diver-
sität zu zeigen; dass homosexuelle
Literatur genauso wichtig und
sichtbar ist, wie alle anderen Bücher
der Branche. Die „Kulturnation
Österreich“ hat so viel zu
bieten, da gehört Literatur aus
dem LGBTI + -Bereich eindeutig
dazu. Wir sollten uns von dem
Nischendenken verabschieden
und einen Riesenschritt Richtung
Gleichstellung, Akzeptanz und
Vielfältigkeit machen. Nur so
können wir zeigen, wie experimentierfreudig,
großzügig und
weltoffen die österreichische Literatur
ist.
Gab bzw. gibt es neben den
schönen Dingen des Verlags
auch Schattenzeiten?
Romy – Natürlich gibt es die.
Nicht immer ist alles wunderbar
oder das Gelbe vom Ei. Vor allem
als Nischenverlag, der sich auf
LGBTI + -Literatur konzentriert,
war und ist es oft schwierig. Zu
Beginn kamen auch viele Anfeindungen
– von den unterschiedlichsten
Seiten. Da gab es anonyme
Nachrichten mit Bibelzitaten,
in denen ich persönlich bis
hin zu allen Mitwirkenden des
Verlags in die Hölle verbannt
wurde. Es gab Negativkritik,
schlechte, bewusst geschriebene
Rezensionen, öffentliche Bloßstellungen
im Internet bis hin zu
Aussagen wie „Würde Hitler
noch leben …“ In den seltensten
Fällen hat es mich wirklich betroffen
gemacht, über die erwähnten
Bibelzitate, die mir jemand
über Facebook gesendet hat,
musste ich sogar lachen, weil sich
der anonyme Verfasser immer
herrlich aufregte, wenn ich mit
einem Gegenzitat aus der Bibel
antwortete. Der anonyme Schreiber
hatte sich wohl nicht genug
mit meiner Person beschäftigt,
sonst hätte er gewusst, dass ich
bibelbewandert bin, schließlich
habe ich Geschichte studiert –
und kein Geschichtestudent
kommt an der Bibel vorbei. Der
Nachrichtenwechsel endete
schließlich, in dem der anonyme
Verfasser mich in die Hölle verbannte
und ich ihm darauf antwortete:
„Macht nix, im Himmel
kenne ich ohnehin niemanden.“
Damit war das Gespräch für ihn
beendet.
Aber es gab leider auch Anfeindungen,
die mich wirklich trafen.
Dazu sollte ich erwähnen, dass
ich aus einem kleinen Dorf aus
Bezirk Liezen in der Steiermark
komme. Als die ersten Bücher im
Verlag erschienen, wurde meine
Familie deshalb mehrmals belästigt.
Ihnen wurde vorgehalten,
dass ich „Schweinekram“ verlegen
würde, bis hin zu der stummsinnigen
Unterstellung, ich würde
Pädophile unterstützen, weil
Schwule ja auf kleine Jungs stünden.
Der Höhepunkt dieser Anfeindungen
war, als Einheimische
meinem Großvater einen Sitzplatz
auf einer Holzbank verweigerten,
weil ich als seine Enkeltochter
„perverse Bücher“ verlegen würde.
Es war nicht der Kommentar
an sich, der mich traf, sondern
dass mein Großvater sich nicht
für einen Plausch zu ihnen gesellen
durfte – mich ärgerte der Ausschluss
aus der Gemeinschaft.
Mein Großvater nahm es relativ
gelassen, und dafür bewunderte
ich ihn wirklich.
S e i t e | 8
Schattenzeiten gab es aber auch
im Bereich der Medien. Es war
oftmals schwierig, Presseartikel
bei Zeitungen und Magazinen
einzureichen. Zunächst gab es
meist großes Interesse bezüglich
der Veröffentlichungen, aber
sobald wir klarstellten, dass die
Protagonisten unser Publikationen
aus dem LGBTI + -Bereich kommen,
machte man einen Rückzieher.
„Dafür haben wir keinen
Platz“ oder „Da trauen wir uns
nicht drüber“ waren oft die Antworten
auf unsere Anfragen. Als
Österreichs erster Verlag für ausschließlich
homosexuelle Literatur
schafften wir es auch, als eines
der wenigen Unternehmen,
bei der Vorstellung aller Unternehmen
der Gegend nicht vorgestellt
oder genannt zu werden.
Das war wirklich eine Leistung.
In der Buchbranche selbst gab es
vor allem zu Anfangszeiten des
Verlags Probleme, weil viele
Händler dachten, sie könnten
unsere Bücher nur „unter“ dem
Ladentisch verkaufen. Kaum eine
Buchhandlung wagte es, Bücher
mit homosexuellem Inhalt offen
in das Regal zu stellen. Onlinebestellungen
waren natürlich möglich,
dort sah ja keiner, was verkauft
wurde.
Aber ich will gar nicht zu viele
negative Beispiel anführen, denn
– und das muss ich wirklich betonen
– es ist in all den Jahren besser
geworden. Es gibt viele Kollegen,
aber auch Personen aus
dem Privatbereich, die mittlerweile
ihre Meinung geändert haben
und dem Thema offen gegenüberstehen.
„Diversity“ heißt das neue
Motto und ist hoffentlich auch die
Zukunft.
Hättest du dir dennoch manches
Mal mehr Unterstützung gewünscht?
Romy – Natürlich, es wäre ein
Lüge, wenn ich behaupten würde,
die offene Ablehnung wäre spurlos
an mir vorübergegangen. Aber
im Laufe der Zeit lässt man bestimmte
Dinge einfach nicht mehr
zu nahe an sich ran. Ich hoffe
natürlich, dass die Zeit bei unserem
10-jährigen Jubiläum reifer
ist und wir nun von den Medien
tatkräftig unterstützt werden.
Gerade in Pandemie-Zeiten warten
Leser auf Neuigkeiten.
Würdest du diesen Weg noch
einmal gehen – oder würdest du
etwas ändern, wenn du könntest?
Romy – Ich würde den Weg noch
einmal gehen, definitiv ja. Ich
würde im Großen und Ganzen
auch nichts ändern. Wenn ich an
all die großartigen Autor*innen
denke, die wir unter Vertrag haben,
dann bereue ich keine Sekunde.
Ich denke hier nur an die
wunderbaren Bücher von Conny
Reinhard, die die lesbische Literatur
sehr geprägt hat, oder Stephan
Klemanns „Lavat“, der die
Umstände von Homosexuellen im
Iran aufzeigte. Jedes der veröffentlichten
Bücher hat uns letztendlich
zu dem gemacht, was wir
heute sind.
Du würdest also nichts anders
machen?
Romy – Na ja, das Einzige, das
S e i t e | 9
ich vielleicht ändern würde, ist
eine Kleinigkeit an mir selbst. Zu
denken, dass Literatur im homosexuellen
Bereich auf dieselbe
Ebene als heterosexuelle Literatur
gestellt wird, war mehr als naiv
von mir. Wie bereits erwähnt,
muss man hier oftmals um seine
Anerkennung kämpfen.
Wirst du deiner Arbeit jemals
müde werden?
Romy – Nein, ich denke nicht.
Sicher fragt man sich, was später
einmal ist, wenn man reif für die
Pension ist, aber dann werde ich
einen geeigneten Nachfolger suchen,
mich entspannt zurücklehnen
und Bücher lesen – ach ja,
und ich werde endlich die Zeit
finden, meine Diplomarbeit fertig
zu schreiben.
Wie kommt HOMO Littera
durch die Pandemie? Gab oder
gibt es gravierende Veränderungen?
Romy – Es gab und gibt gute und
schlechte Zeiten.
Nachdem bei uns immer die
Möglichkeit für Home Office
bestand, benötigten wir keine
großen Umstellungs- oder Einschulungsphasen.
In diesem Zusammenhang
hatten wir wirklich
Glück. Aber natürlich gab es da
noch die Familie, womit es vor
allem mit dem Zeitpunkt der
Schulschließungen schwieriger
wurde. Von zu Hause aus zu arbeiten
und gleichzeitig Kinder zu
beschäftigen beziehungsweise mit
ihnen zu lernen, brachte auch uns
an unsere Grenzen. Die Arbeit
wurde schwieriger und vor allem
kräfteraubender. Verzögerungen
waren deshalb irgendwann zu
erwarten und auch nachvollziehbar.
Eine riesige Lawine rollte bezüglich
Manuskripteinsendungen auf
uns zu. Viele Autor*innen verwendeten
die neu gewonnene
Freizeit im Lockdown für ihre
Ideen und überhäuften uns regelrecht
mit Manuskriptanfragen.
Natürlich freut man sich über das
rege Interesse, andererseits war
man auch gezwungen, gute Manuskripte
abzulehnen, weil es
keine Möglichkeit gab, noch
mehr Ressourcen freizuschaufeln
– vor allem, weil auch die Autor*innen,
die bereits unter Vertrag
bei uns sind, sehr fleißig und
kreativ waren.
Gravierende Einbrüche beziehungsweise
Veränderungen bemerkten
wir vor allem bei externen
Dienstleistern, von denen
man abhängig ist. Auch dort gab
es Home Office, Einschränkungen,
schulpflichtige Kinder, die
gleichzeitig zu Hause betreut
werden mussten, bis hin zu neuen
Arbeitsbedingungen aufgrund von
Sicherheitsmaßnahmen und/oder
Einschränkungen vor Ort. Die
Verzögerungen dort brachten uns
unter Zeitdruck, denn wenn Novitäten
nicht pünktlich ausgeliefert
werden können oder bei Druckereien
die Kapazitäten überlastet
sind, weil Mitarbeiter vor Ort
fehlen, hat das natürlich auch auf
uns als Verlag Auswirkungen.
Wir haben zum Großteil mehrere
Monate auf einen Probedruck
gewartet, unser Weihnachtsbuch
„Noch einmal schlafen, dann ist
… Schöne Bescherung“ zum
S e i t e | 10
Beispiel hätte eigentlich schon
2020 erscheinen sollen, aber eine
Publikation unter gegebenen Umständen
war einfach nicht möglich.
Man kann schließlich kein
Weihnachtsbuch zu Ostern veröffentlichen.
Als Verleger bist du
dann natürlich froh, wenn der
Autor die Lage versteht und eine
Verschiebung auf 2021 einfach
hinnimmt.
An sich gab es während der Pandemie
natürlich auch einige Umsatzeinbrüche.
Amazon bestellte
zu Beginn der Pandemie kaum
noch Bücher von Verlagen, da der
Verkauf von Klopapier an vorderste
Stelle rückte. Erst als massenweise
(bei manchen eine ganze
Garage voll) Klopapier gehortet
war, stieg auch wieder die
Nachfrage an Büchern, womit der
Buchhandel Einbußen verzeichnete.
Folglich gab es einen allgemeinen
Boom im Onlinehandel,
wodurch mehr Verpackung benötigt
wurde. Damit explodierte
aber der Preis für Zellstoff – und
aus Zellstoff wird, wie wir aus
der Schule noch wissen, Papier
hergestellt. Seit Sommer gibt es
eine Papierkrise, und für einen
kleinen, unabhängigen Nischenverlag
kann es große Auswirkungen
haben, wenn in Zeiten von
Corona, wo ohnehin schon alles
langsamer vonstattengeht und
man Einbüßen verzeichnet, auch
noch die Druckereien die Preise
erhöhen. Wenn dann zusätzlich
Novitäten nicht rechtzeitig fertig
werden, weil es kein Papier gibt,
verschärft sich die Situation. Es
ist ein ständiger Kreislauf, man ist
von so vielen Faktoren abhängig,
die man zuvor als selbstverständlich
gehalten hat.
Aber wir dürfen uns nicht beklagen,
es hätte uns noch viel
schlimmer treffen können. Vielen
Kolleg*innen erging es noch
schlechter. Ich sollte die Zeit also
eher dafür nutzen, mich bei allen
Leser*innen, Kolleg*innen,
Buchhändler*innen und Autor*innen
zu bedanken, die uns
während der Coronakrise treu
geblieben sind – und es noch
immer sind.
Hat es durch Corona einen Digitalisierungsschub
gegeben?
Romy – Schon vor Corona waren
wir an sich digital gut eingerichtet,
wir hatten also nicht wirklich
einen dementsprechenden Aufholbedarf.
Andererseits muss man
natürlich berücksichtigen, dass
durch Corona die Welt „digitaler“
geworden ist – alleine wenn wir
daran denken, wie wir zurzeit
miteinander kommunizieren. Videochats
oder digitale Team-
Meetings sind Alltag geworden.
Vor Kurzem erzählte mir eine
Kollegin aus der Branche, dass
sie sogar eine gemeinsame digitale
Kaffeepause machen – dann
werden fleißig Kaffee- und Teetassen
gepostet und Smileys verschickt.
Auch viele Veranstaltungen
und Messen finden mittlerweile
digital statt. „Not macht
erfinderisch“ heißt es ja, und vieles,
was aufgrund von Sicherheitseinschränkungen
entstanden
ist, stellte sich als gut heraus,
denken wir nur an digitale Lesungen,
durch die man viel mehr
Zuhörer gewinnen kann.
An sich hat sich laut Buchbranche
durch Corona der E-Book-
Verkauf nicht gesteigert. Wir
S e i t e | 11
persönlich können jedoch einen
vermehrten E-Book-Kauf beobachten.
E-Books ermöglichen
einen kontaktlosen Einkauf – man
braucht nicht einmal dem Postboten
öffnen, wie es bei physischen
Bestellungen nötig ist. Außerdem
kann man E-Books innerhalb
weniger Augenblicke nach dem
Kauf lesen – und vor allem zu
Lockdown-Zeiten gab und gibt es
nichts Besseres, als zu lesen. Bücher,
egal ob physisch oder digital,
tragen schließlich zur seelischen
Gesundheit bei, denn in der
Fantasie sind alle frei – und in
schlechten Zeiten braucht man ein
Stück Freiheit, in das man sich
flüchten kann oder einem vor der
Einsamkeit schützt.
Wird das E-Book die physische
Ausgabe verdrängen?
Romy – Nein, ich denke nicht,
dass das gedruckte Buch so
schnell verdrängt wird. Laut Statistiken
der Buchbranche verkaufen
sich Bücher noch immer besser
wie die digitale Alternative.
Natürlich befinden wir uns in
einer Zeit des Umbruchs, und wer
umweltbewusst und nachhaltig
denkt, sollte sich Gedanken über
die Herstellung von gedruckten
Büchern machen. Andererseits
benötigt man für ein E-Book einen
Reader – und die Produktion
davon ist ebenso problematisch.
Was ist besser? Buch oder E-
Book?
S e i t e | 12
Romy – Umwelttechnisch gesehen
ist beides problematisch.
Für die Herstellung von Büchern
benötigt man Papier. In der heutigen
Zeit sollte man sich aber Gedanken
über Nachhaltigkeit machen.
Es ist wichtig, sich zu erkundigen,
woher das Papier
kommt, wie es hergestellt wird,
wie Bücher letztendlich verpackt
werden etc. Unsere Bücher sind
in keine Folie mehr eingeschweißt,
womit wir Kunststoff
einsparen. Der Nachteil ist natürlich,
dass unverpackte Bücher
beim Transport schneller zu
Schaden kommen. Die Alternative,
sie in Papier einzuschlagen,
würde den Papierverbrauch jedoch
noch mehr erhöhen – und,
wie bereits erwähnt, gibt es seit
Sommer ohnehin eine Papierknappheit.
Umgekehrt ist natürlich auch die
Herstellung von E-Books nicht
unproblematisch. Natürlich stirbt
kein Baum dafür, aber für die
Produktion wird Energie benötigt.
Der Reader selbst ist aus Kunststoff
und trägt eine Lithiumbatterie
in sich – und unter welchen
Umständen Lithium gewonnen
wird, darüber brauchen wir nicht
zu diskutieren. Auch nicht darüber,
wie problematisch die Entsorgung
ist. Leider gibt es dazu
noch keine brauchbare Alternative.
Ich würde sie mir sehr wünschen.
Laut einer Studie ist die Anschaffung
eines E-Book-Readers, auf
dem man pro Jahr mindestens 10
Bücher liest, jedoch umweltfreundlicher
als die physische
Alternative. Deshalb werden auch
wir in Zukunft ein wenig umdenken
müssen. Unsere neue Edition
sowie unser Imprint werden zum
Großteil nur mehr digital hergestellt
werden – aber dazu später
mehr. Ich möchte hier nicht vorgreifen,
außerdem komme ich
vom Thema ab …
Allgemein betrachtet, ist es also
schwierig zu beantworten, was
tatsächlich besser ist, die physische
oder digitale Ausgabe. An
sich hat beides seine Vor- und
Nachteile. Das gedruckte Buch
hat natürlich sein eigenes Flair,
nicht umsonst ziehen uns Bibliotheken
magisch an und verströmen
so etwas wie Ruhe, Stille
und Entspannung – von dem Wissen,
das darin steckt, nicht zu
sprechen. Das E-Book hat im
Gegensatz dazu den Vorteil, dass
es weder Gewicht auf Reisen hat,
noch Platz wegnimmt. Ein eindeutiger
Pluspunkt ist auch die
Schlagwortsuchfunktion, die sich
vor allem für Schüler, Studenten
und Wissenschaft bewährt hat.
Die digitale Bibliothek ist für den
Lern- und Forschungsbereich
heute nicht mehr wegzudenken.
Wenn ich da an meine eigene
Studienzeit denke, dann war das
immer ein enormer Aufwand, die
Bibliothek zu besuchen; vor allem,
wenn man nicht vor Ort ist
und extra wegen eines Buches auf
die Uni fahren muss. Heute geht
man online, sucht sich das Buch
aus der digitalen Bibliothek und
kann innerhalb weniger Minuten
loslegen. Für einen Besuch in
einer physischen Bibliothek benötigt
man dafür eindeutig mehr
Zeit.
Aus medizinischer Sicht gewinnt
das gedruckte Buch gegenüber
des digitalen. Vor allem bei unseren
Kleinsten hat die Verwendung
des E-Books den Nachteil, dass
sie ihre motorischen Fähigkeiten
nicht mehr auszureichend einsetzen.
Auch neurologisch betrachtet,
hat das Auswirkungen. Aber
auch dieses Thema würde den
Umfang dieses Interviews sprengen
– und es sollte ja eigentlich
ein kurzes Interview werden.
Persönlich ziehe ich das gedruckte
Buch dem E-Book vor, aufgrund
des Flairs, des typischen
Papiergeruchs, des „Anfassenkönnens.“
E-Books lese ich meist
nur, wenn es sie als gedruckte
Version nicht gibt oder ich unterwegs
bin und keinen Platz
mehr für die physische Ausgabe
habe.
Welchen Stellenwert haben Bücher
für dich oder generell in
deinem Leben?
Romy – Einen sehr sehr großen.
Mein Leben ist geprägt von Büchern
– ohne könnte ich es mir
nicht vorstellen. Ich habe schon
als Kind sehr viel gelesen, was
meine Mutter sowie mein Großvater
tatkräftig unterstützt haben,
und ich habe unter anderem Geschichte
studiert, wenn mir auch
noch immer die Diplomarbeit
fehlt – und für Historiker ist das
geschriebene Wort wie der Heilige
Gral für die katholische Kirche.
Meine private Bibliothek umfasst
mehrere tausend Bücher – und es
kommen immer wieder neue hinzu.
Ich könnte es mir gar nicht
vorstellen, für einen Tag kein
Buch in meinen Händen zu halten.
Müsste ich mich mit einem
Satz vorstellen, würde ich vermutlich
sagen: „Hallo, mein Name
ist Romy und ich bin buchsüchtig.“
*lach* Immerhin habe
ich die Ausrede, dass ich Verleger
bin.
Dann erübrigt sich wohl die
Frage: Liest du privat noch Bücher?
Romy – Schon. Obwohl ich gestehen
muss, dass ich oftmals viel
zu wenig Zeit für private Bücher
habe.
E-Books kaufen oder streamen?
Romy – Kaufen, keine Frage.
Vielen Lesern ist nicht bewusst,
was „streamen“ wirklich für die
Autor*innen bedeutet. Von dem
monatlichen Beitrag, den Leser*innen
an den Händler bezahlen,
erhalten Autor*innen beziehungsweise
der Verlag nur einen
Bruchteil. Oftmals sind das nur
ein paar Cent pro Buch. Der große
Gewinner ist hier der Anbieter.
Ich weiß, dass viele oft sagen:
„Ach, komm, Autor*innen verdienen
doch ohnehin genug, auf
die paar Euro können sie doch
verzichten.“ Ich antworte dann
S e i t e | 13
immer gerne mit einer Gegenfrage:
„Würdest du kostenlos für
deinen Arbeitgeber arbeiten und
zwischenzeitlich auf deinen Lohn
oder Gehalt verzichten? Dein
Arbeitgeber bezahlt dich monatlich,
was macht es da, wenn er
dich einmal nicht richtig bezahlt?“
Nein, ein Manuskript zu schreiben,
bedeutet viel Arbeit, oft monate-
bis jahrelange Recherche,
viel Herz-Schmerz und manchmal
auch blutige Finger. Jede*r Autor*in
sollte für seine Arbeit auch
dementsprechend honoriert werden.
Kann man HOMO Litteras Veröffentlichungen
streamen?
Romy – Ja, kann man, auch wenn
ich damit nicht immer glücklich
bin, aber bei ausgewählten Händlern
können unsere E-Books auch
„gestreamt“ werden. Oftmals ist
das die einzige Alternative, um
den Raubkopien entgegenzusetzen.
Ich würde mir aber wünschen,
dass Tantiemen besser
verteilt werden.
Gibt es Bücher, die dich geprägt
haben?
Romy – Als Kind haben mich
Astrid Lindgrens Bücher sehr
beschäftigt. Als ich noch nicht
lesen konnte, haben mir meine
Mutter oder mein Großvater daraus
vorgelesen, später habe ich
Lindgrens Bücher selbst verschlungen.
Ich erinnere mich
auch, dass mir mein Großvater
erklärte, was ein Schriftsteller ist.
Astrid Lindgren wurde mit ihren
Geschichten also schon in Kindesalter
mein großes Vorbild – da
gab es in einem fernen Land eine
Frau, die wunderbare Geschichten
erzählte und Bücher daraus machte.
Das wollte ich auch einmal
machen … Es war eine kindliche
Vorstellung, zugegeben, aber aus
heutiger Sicht betrachtet, hat
wohl Astrid Lindgren ein wenig
zu meinem Werdegang beigetragen.
Was hältst du von der Berufswahl
„Autor“?
Romy – Wunderbar! Herzlichen
Glückwunsch, es ist ein toller
Beruf!
Natürlich ist es ein toller Beruf,
ich spreche auch immer jedem
Mut zu, wenn er die Wahl trifft,
aber – und leider gibt es ein Aber
– ist der Berufswunsch auch in
der Kunstbranche angesiedelt –
und als Künstler*in Fuß zu fassen,
ist leider schwierig. Gerade
zu Beginn sollte man einen Plan
B haben, der das notwendige
Geld zum (Über-)Leben einbringt.
Andererseits sagte einmal
eine Künstlerin: „Ich hatte nie
einen Plan B, also musste Plan A
funktionieren.“
Jeder, der denkt, er würde sofort
einen Bestseller schreiben, dem
muss ich dennoch leider sagen:
So läuft es meist nicht in der Realität.
Der Wunsch, Bücher zu
schreiben, ist wunderbar, keine
Frage – ich kenne das selbst von
mir, wenn du Hunderte von Geschichten
im Kopf hast und alle
auf Papier bringen möchtest –,
aber der Weg zum Erfolg ist dennoch
steinig und schwer. Alleine,
einen Verlag zu finden, stellt sich
oft als schwierig heraus. Es gibt
kaum eine*n Autor*in, der nicht
mindestens ein Mal in seinem
Leben mit einem Manuskript
abgelehnt wurde – und ich spreche
jetzt nicht von Dienstleistern,
die als Verlag geführt werden. Ich
muss das leider klarstellen, weil
ich oftmals darauf angesprochen
werde, warum bei uns Manuskripte
abgelehnt werden oder es
so schwierig ist, eine Zusage zu
S e i t e | 14
erhalten. Vor allem die Aussage:
„Ich wurde dort sofort genommen
und war wenige Stunden später
bereits veröffentlicht.“ Wenn das
der Fall ist, dann handelt es sich
nicht um einen „echten“ Verlag,
sondern um einen Dienstleister,
der Autor*innen die Möglichkeit
bietet, im Eigenverlag zu publizieren.
Morawa, Amazon, Tolino
etc. bieten diesen Dienst zum
Beispiel an – aber das ist kein
Verlag im herkömmlichen Sinn.
Ein Verlag ist ein Unternehmen,
das entweder von einer Agentur
Autor*innen vermittelt bekommt
oder Autor*innen direkt nach
einer Bewerbung aufnimmt. Manuskripte
erscheinen in einem
Verlag nicht innerhalb weniger
Stunden oder Wochen, sondern
meist gibt es lange Wartezeiten.
Wir geben zum Beispiel bereits
Verträge für 2023 aus, weil wir
früher keine Plätze mehr frei haben.
Ein klassischer Verlag
kümmert sich auch um Lektorat,
Coverdesign, Buchsatz, Vermarktung
etc., OHNE dafür Geld zu
verlangen. Verrechnet ein Verlag
Geld, handelt es sich um einen
Druckkostenzuschussverlag. In
Letzterem werden Autor*innen
gegen Bezahlung aufgenommen
und rasch publiziert, meistens
werden Autor*innen auch dazu
verpflichtet, selbst eine bestimmte
Menge an Büchern abzunehmen.
Wenn ich also von einem Verlag
spreche, dann rede ich von einem
Unternehmen, das Bücher im
klassischen Sinn verlegt. Wenn
man ein solches gefunden hat,
dann kann man nur noch sagen:
Herzlichen Glückwunsch!
Natürlich ist man mit einer Publikation
nicht sofort Bestsellerautor*in,
das passiert nur in den
wenigsten Fällen. Aber jede Veröffentlichung
mehr öffnet einem
Tür und Angel in einen anderen,
größeren Verlag, und vielleicht
hat man ja irgendwann das Glück
und schreibt einen Bestseller. Ich
wünsche jedem/r Schriftsteller*in
auf jeden Fall viel Glück und
Durchhaltevermögen. Macht etwas
aus euren Träumen – irgendwann
werdet ihr belohnt.
Was sagst du zu den Worten:
Schreiben kann jeder!
Romy – Dass es eine falsche Behauptung
ist und von jemandem
ausgesprochen wurde, der von
dem Handwerk leider nichts versteht.
Es kann ja auch nicht jeder
von sich behaupten, backen zu
können. Wenn das so wäre,
bräuchten wir keine Bäckerei
mehr, keine Konditorei etc. Natürlich
kann man etwas erlernen,
es gibt nichts, was man nicht lernen
kann, aber wie jedes andere
Handwerk muss auch das Schreiben
erlernt sein. Niemand steht
morgens auf, setzt sich an den
Schreibtisch und hat abends ein
Manuskript fertig. Die meisten
Autor*innen kommen auch nicht
an einem guten Schreibratgeber
vorbei – es gibt Naturtalente,
keine Frage, aber die Allgemeinheit
bildet sich doch weiter. Ein
Autor, der bereits fast 40 Jahre
Bücher publiziert, meinte einmal
zu mir, er würde mit jedem Manuskript
etwas Neues lernen. Genau
so sollte es auch sein: Man
lernt nie aus, egal, in welchem
Beruf man tätig ist – und so ist es
auch als Schriftsteller, man lernt
immer dazu und verbessert sich.
Wenn also jemand sagt: „Schreiben
kann jeder“, dann hat er leider
keine Ahnung, wovon er
spricht.
Was rätst du also Autor*innen,
die noch nicht publiziert haben,
aber erfolgreich veröffentlichen
möchten? Was sind typische
„Anfängerfehler“?
Zunächst einmal natürlich: Niemals
aufgeben! Wenn es dein
Traum ist, Schriftsteller*in zu
werden, dann mach es! Bleib am
Ball und gib nicht auf, auch wenn
du mehrmals von einem Verlag
abgelehnt wirst. Schon andere
S e i t e | 15
große Künstler*innen wurden
abgelehnt. Ich glaube, Dieter
Bohlen wurde sogar gebeten,
keine weiteren Demobänder einzusenden.
Ansonsten: Wenn man sich bei
einem Verlag bewirbt, dann sollte
man sich erstens erkundigen, wie
so etwas funktioniert und welche
Anforderungen der Verlag stellt,
und zweitens sollte man höflich
sein. Jede*r Autor*in, der von
einem Verlag einen Vertrag erwartet,
sollte sich an seine Schulzeit
erinnern, wie man ein professionelles
Bewerbungsschreiben
aufsetzt. Anfragen mit „Hey du“
oder „Hi“ haben damit nichts zu
tun – oder noch schlimmer: gar
kein Anschreiben, sondern nur im
Anhang die Rohfassung des Manuskriptes.
Solche Anfragen werden
meist nicht einmal beantwortet.
Natürlich kann eine Anfrage
humorvoll gestaltet sein, aber ein
Mindestmaß an Höflichkeit sollte
doch vorhanden sein.
Bei der Manuskripteinsendung
selbst empfehle ich: Einmal mehr
lesen und überarbeiten, ist besser,
als einmal zu wenig. Es kommt
leider sehr oft vor, dass wir Manuskripte
angeboten bekommen,
die noch in der Rohfassung sind.
Natürlich gibt es ein Lektorat,
aber das bedeutet nicht, dass man
unbearbeitete Manuskripte einsenden
soll. Jede*r Autor*in sollte
auf Orthografie und Grammatik
achten.
Typische „Fehler“ aufzuzählen,
würde den Umfang des Interviews
sprengen. Aber um ein paar
Dinge zu erwähnen, auf die man
achten sollte, hier wenige Beispiele:
unnötige Perspektivenwechsel,
den richtigen Tempus
bei Rückblenden verwenden,
keine Stilblüten oder unnötige
Füllwörter einbauen; nicht bei
jeder direkten Rede den Namen
des Gesprächspartners nennen,
ständige Wortwiederholungen …
Oft heißt es, Künstler*innen sind
schwierig? Stimmst du dieser
Aussage zu?
Romy – „Schwierig“ ist das falsche
Wort. Künstler legen Wert
auf ihre Arbeit, sie möchten deshalb
nicht, dass jemand daran
„herumpfuscht“. Das verstehe ich
durchaus, aber leider muss man
als Künstler*in, vor allem als
Schriftsteller*in, oftmals Kompromisse
eingehen. Gerade im
Bereich der Schriftstellerei muss
man im Zuge eines Lektorats oft
Änderungen vornehmen. Natürlich
ist das manchmal schwierig,
weil den meisten Autor*innen das
Herz blutet, sobald etwas geändert
wird, nur leider geht es nicht
anders. Autor*innen sollten sich
deshalb immer vor Augen führen,
dass a) Lektoren meistens recht
haben und b) eine gute Veröffentlichung
nur dann funktioniert,
wenn eine konstruktive Zusammenarbeit
besteht. Jeder Einwurf
eines Lektors ist letztendlich ein
Hinweis darauf, dass bei der markierten
Textpassage etwas nicht
stimmt – und wenn das der Fall
ist, dann ist Handlungsbedarf
vonnöten, Herzblut hin oder her.
Das mag hart klingen, aber letztendlich
wollen Verlag als auch
Autor*in das Beste für das Manuskript.
Ein Autor meinte einmal bei einer
Veranstaltung, Verlage würden
automatisch damit rechnen, dass
Künstler*innen schwierig wären,
deshalb würde er aus Prinzip die
Diva mimen und überall dagegen
stimmen. Ich kann dieser Aussage
leider nicht zustimmen, auch
wenn ich damals lachen musste.
Uns ist jede*r umgängliche Autor*in,
der/die sich Mühe macht
und versucht, so gut wie möglich
mit uns zusammenzuarbeiten,
lieber. Natürlich sind auch Lektor*innen
nicht unfehlbar und
können sich irren, aber auch hier
gilt: Es kann Konflikte geben,
man kann auch anderer Meinung
sein, aber letztendlich muss man
auf einen grünen Nenner kommen
und einen Mittelweg finden, mit
dem sowohl Lektor*in als auch
Autor*in zufrieden sind.
Sätze wie „Ich wollte beim Lektorat
die Grenzen austesten“ bis
hin zu „Das ist kein Fehler, sondern
mein persönlicher Schreibstil“
sind natürlich auch uns nicht
unbekannt. Lektor*in und Verleger*in
gegeneinander auszuspielen,
ist auch nicht gerade vorteilhaft,
man spricht schließlich miteinander.
Aber im Großen und
S e i t e | 16
Ganzen kann ich sagen, dass unsere
Autor*innen sehr arbeitsfreudig,
einsichtig und kompromissbereit
sind. Ich bin ohnehin
der Meinung, dass viele Probleme
aus der Welt geschaffen werden
können, solange man bereit ist,
miteinander zu sprechen und an
dem Problem zu arbeiten. Probleme
sind schließlich dazu da,
um gelöst zu werden.
Neben 10 Jahr HOMO Littera
gibt es auch Autorenservice Gorischek
seit einem Jahr …
Romy – Ja, das ist richtig. Autorenservice
Gorischek feiert sogar
am selben Tag Geburtstag wie
HOMO Littera – einziger Unterschied:
Autorenservice Gorischek
ist etwas jünger. Das Serviceangebot
entstand vor allem aufgrund
vermehrter Anfragen bezüglich
der Nachfrage eines Impressumsdienstes
und Hilfestellungen für
die Produktion von E-Books und
Buchsatzentwürfen. Viele klagten
über die hohen Preise, oder, wenn
es günstig war, dann fehlte es an
Qualität. Mit Autorenservice Gorischek
versuchten wir einen Service
zu schaffen, der vor allem
Selfpublishing-Autor*innen unterstützen
soll. Wir bieten Qualität
und versuchen die Kosten
dafür so gering wie möglich zu
halten. An diesem Punkt muss ich
leider erwähnen, dass die Herstellung
von Publikationen oftmals
unterschätzt wird. Die Kosten für
einen Buchsatz verlaufen sich im
4-stelligen Bereich. Verlagsautor*innen
bekommen diese Ausgaben
nicht mit, da die Kosten
der Verlag trägt; anders sieht es
da natürlich bei Selfpublishern
aus. Wer sich ein wenig mit dem
Thema auseinandersetzt, der wird
rasch feststellen, dass ein Buch
nicht in wenigen Stunden gesetzt
ist. Professionelle Buchsetzer
arbeiten oftmals Stunden an einer
Seite. Es geht hier nicht nur darum,
einen Text in eine Vorlage
zu kopieren und dann seiner Kreativität
freien Lauf zu lassen,
nein, hier ist echtes Handwerk
gefragt. Wir, zum Beispiel, setzen
jede Silbentrennung händisch –
und bei einem 300-seitigen Roman
sind das eine Menge. Es
muss auch auf die richtige Verwendung
von Gedanken- und
bindestrichen, Anführungszeichen
und unnötigen Leerzeichen geachtet
werden, auf Witwen, Waisen,
Kerning und und und …
Was ich eigentlich sagen wollte:
Leider wird es oftmals unterschätzt,
welche Arbeit hinter einem
Buch oder E-Book steckt.
Wir versuchen die Kosten so
niedrig wie möglich zu halten,
aber wir können natürlich auch
keinen Buchsatz, an dem 8 Stunden
pro Tag, und das 2 Wochen
lang, gearbeitet wurde, um 400 €
verkaufen. Das ist leider nicht
möglich, selbst wenn wir uns
noch so bemühen.
Um aber zu Autorenservice Gorischek
zurückzukommen: Wir
haben das Unternehmen in Pandemiezeiten
eröffnet und sind
damit eigentlich ein Risiko eingegangen.
Dennoch bereuen wir den
Schritt nicht. Wir werden zukünftig
auch unser Angebot weiter
ausbauen. Demnächst bieten wir
zum Beispiel auch Covererstellungen
an.
Gibt es auch bei HOMO Littera
Neuerungen?
Ja, die gibt es tatsächlich, ich
habe vorhin bereits darauf angespielt.
HOMO Littera wird einen
Imprint erhalten. Zusätzlich arbeiten
wir an einer neuen Edition.
Ich möchte hier noch nicht zu
sehr vorgreifen, denn es soll auch
noch ein paar Überraschungen
geben, aber alle Leser dürfen
gespannt sein. Selbstverständlich
setzen wir wie immer auf Gleichstellung,
Akzeptanz und Diversität.
Wann erfahren wir mehr darüben?
Romy – In den nächsten Wochen,
Monaten … Unser 10. Geburtstag
soll nicht gleich an einem Tag
vorbei sein, nein, wir werden
deshalb alle Überraschungen,
Verlosungen etc. bruchstückhaft
bekanntgeben.
Dann bleibt mir nur noch zu
fragen: Was wünscht du dir für
die Zukunft?
Zehn weitere, kreative und erfolgreiche
Jahre, ein wenig mehr Zusammenhalt
innerhalb der Branche
und natürlich mehr Akzeptanz
in der Öffentlichkeit.
In Hinsicht auf Covid wünsche
ich selbstverständlich allen Gesundheit
und ein friedvolles Zusammenleben.
Diese Pandemie
können wir nur besiegen, indem
wir einen gemeinsamen Weg aus
der Misere finden. Ich erinnere
mich in diesem Zusammenhang
gerne an ein vor Jahren besuchtes
Konzert der „Schürzenjäger“ in
Finkenberg. Peter Steinlechner
sagte bei jedem Konzert am Ende:
„Passts aufeinanda auf und
helft eich gegenseitig – das is’ die
Schürzenjäger-Philosophie.“ Und
tatsächlich haben sich Fans, die
sich nicht kannten, gegenseitig
unterstützt. Da waren wildfremde
Menschen, die dich an der Hand
nahmen und dir beim Nachhauseweg
vom Berg ins Tal halfen –
es gab ein wirkliches Miteinander,
ohne Fragen, ohne Kompromisse,
ohne Gegenleistung zu
erwarten.
In den letzten Wochen und Monaten
habe ich mir oft gedacht, so
sollte es eigentlich laufen – miteinander
und nicht gegeneinander.
Deshalb: Gebt acht aufeinanda,
miteinand’ können wir alles
schaffen.
S e i t e | 17
~ AUTORENINTERVIEW ~
S e i t e | 18
Das Leben ist nicht immer lustig,
aber es ist auch nicht immer traurig
HANS CHRISTIAN BAUM ÜBER DAS LANDLEBEN;
SEINE HEIMATLICHEN ROMANE UND WEIH-
NACHTLICHE TRADITIONEN
H
ans Christian Baum lebt
im grünen Herzen Österreichs
und schreibt
mit Vorliebe humorvolle Landromane.
Mit seiner Veröffentlichung
„Holy Night“ im Jahr 2018
schrieb er sich in zahlreiche Leserherzen.
Auch mit seinem aktuellen
Roman „Noch einmal schlafen,
dann ist … Schöne Bescherung“
landete er in den Top 10
der schwulen Literatur.
Dein Weihnachtsroman „Noch
einmal schlafen, dann ist …
Schöne Bescherung“ ist im November
erschienen. Um was geht
es in dem Buch?
Hans Christian – Es ist wieder so
einen Landgeschichte, wo jeder
jeden kennt und auch alles (besser)
weiß. Sebastian erhofft sich
nach dem Ende seiner Beziehung
erholsame Feiertage im trauten
Familienheim. Doch leider gibt es
einen Rohrbruch in der Villa eines
gewissen Herrn Maximilian
von Birkheim. Den kennt er zwar
nur flüchtig, aber sie können sich
dennoch nicht ausstehen. Der
gehasste Bekannte wird dummerweise
von seinen Eltern zu
den Feiertagen eingeladen – es ist
schließlich Weihnachten und da
lässt man niemanden mit einem
Rohrbruch alleine zu Hause sitzen.
Folglich kommt es im Dorf
zu Gerüchten, und Sebastians
Vater zieht die Notbremse und
entpuppt sich als schwulenfeindlich.
Einen Tag vor Heiligabend
laden sich auch noch die versnobten
Eltern seiner Mutter ein, sein
Bruder will sich scheiden lassen
und Tanta Frieda trinkt zu viel
Eierlikör. Das größte Problem
dabei: Alle schlafen unter einem
Dach, weshalb die Betten im
Haus knapp werden. Deshalb
wird Maximilian kurzerhand zu
Sebastian ins Schlafzimmer gesteckt
…
Na ja, den Rest muss man selbst
lesen, um zu wissen, warum es
„Schöne Bescherung!“ heißt.
Ein turbulenter Roman, aber
auch mit einer Spur Ernsthaftigkeit.
Wie in deinen anderen
Veröffentlichungen lässt du deine
Leser lachen und weinen.
Warum diese Kontraste?
Hans Christian – Weil auch das
Leben so ist. Das Leben ist nicht
immer lustig, aber es ist auch
nicht immer traurig. Eine gute
Mischung macht es aus. Ich
schreibe gerne diese Art von
Weihnachtsroman, weil das vertrautes
Terrain ist. Ich übertreibe
nicht einmal dabei, auch wenn
viele Leser das oft glauben. Ich
kenne solche turbulenten Weihnachtsfeste,
bei uns zu Hause ist
das jedes Jahr so. Ich muss gestehen,
dass es früher noch turbulenter
war. Heute leben die Großeltern
nicht mehr, und wir Kinder
sind längst erwachsen geworden.
S e i t e | 19
Selbst die Kinder von meinem
Bruder sind mittlerweile schon
fast erwachsen – naja, fast halt –,
trotzdem herrscht bei uns immer
ein wenig Stress. Keine Ahnung,
woran das liegt, vielleicht ist das
in einer großen Familie so, wenn
alle zusammenkommen … vielleicht
liegt es auch ein wenig am
Land, weil am Land zu leben
schon etwas Besonderes ist.
Aber um auf die Frage zurückzukommen:
Ich denke, das Leben
hat genau diese Kontraste; hast du
eben noch gelacht, kann es sein,
dass du in den nächsten Minuten
weinst, weil irgendetwas in deinem
Leben schiefgeht.
Deine Publikationen spielen
meist am Land – so beschreibst
du auch dieses Mal ein kleines
Dorf, in dem die Einheimischen
gerne ein wenig das Unkraut in
Nachbars Garten jäten. Wie entstand
diese Idee? Hast du in
diesem Bereich selbst Erfahrungen
gesammelt? Gibt es wahre
Hintergründe?
Hans Christian – In meinen Romanen
bei HOMO Littera ist immer
eine Spur Wahrheit enthalten
– meistens sogar mehr, als man
vermutet. Ich komme vom Land,
wer meine anderen Bücher gelesen
hat und auch die Interviews
dazu, der weiß schon ein bisserl
was, über die Entstehung von
meinen Geschichten. Ich entschuldige
mich auch gleich bei
allen Lesern, wenn ich mich wiederhole,
aber ja, ich schöpfe aus
dem Vollen. Ich komme aus einem
kleinen Dorf, wo jeder jeden
kennt – und auch jeder alles über
den anderen weiß, auch Dinge,
die man selbst noch gar nicht
gewusst hat. Wenn du in so einem
Dorf aufwächst, dann hast du so
viel Stoff für Manuskripte, da
brauchst du nicht einmal mehr
nach einer neuen Idee suchen.
Wenn ich zum Beispiel zu Weihnachten
nach Hause komme, dann
sind wir noch nicht einmal richtig
im Haus, aber die Nachbarin ruft
schon bei uns an und erkundigt
sich, ob ich schon wieder ein
neues Auto hätte (hab’ ich nicht,
aber sie denkt halt, es wäre so) –
und ob ich noch immer denselben
Mann hab’ und keine Frau – vor
allem KEINE Frau! Sie weiß die
Antwort natürlich, weil sie direkt
hinter der Gardine bei ihr im
Haus steht und zu uns rüberschaut,
aber sie hat immer die
Hoffnung, dass sie von der Mama
noch zusätzliche Antworten erfährt.
Was ist also wahr an „Noch einmal
schlafen, dann ist … Schöne
Bescherung“? Hm, also eigentlich
ist so ziemlich alles sehr nah an
der Realität. Natürlich hat es im
echten Leben nie einen Rohrbruch
gegeben, auch die Familie
Lindner aus dem Roman ist erfunden,
aber dass es am Land
Vetternwirtschaft gibt, das ist
leider bittere Realität. Dir kann
das Wasser bis zu den Knien stehen;
wenn du nicht mindestens
der Volkschuldirektor, der Pfarrer,
der Bürgermeister oder der
Großbauer vom Ort bist, kannst
du dir sicher sein, dass der Installateur
nicht kommt, zumindest
nicht vor nächster Woche.
Auch sonst ist das Dorfleben so,
wie ich es in meinem Roman
beschrieben hab’. Es gibt immer
eine Frau Bürgermeister, die alle
Rechte hat und alles weiß – die
auch ganz vorne dabei ist, wenn
es darum geht, über andere Gerüchte
zu streuen. Die Bürgermeistergattin
hat auch immer eine
beste Freundin, die keine eigene
Meinung hat, aber trotzdem ganz
wichtig ist. Über den Kirchenchor
und die Sonntagsmette verbreiten
sich alle Neuigkeiten aus einer
Gemeinde – da wird geschwatzt,
was das Zeug hält. In jedem Dorf
gibt es mit Sicherheit auch jemanden,
der ein Fernglas nimmt
und schaut, was beim Nachbarn
so los ist …
Im Prinzip entstehen meine Romane,
indem ich einfach einzelne
Geschichten aus meinem Leben
erzähle und zu einem Ganzen
zusammenfüge. Natürlich baue
ich die Geschichten aus – ich
hatte also noch nie Sex an der
Balkontür, dafür aber im
Schwimmbad –, aber ich weiß,
dass es in meiner Heimatgemeinde
jemanden gibt, der meine
Schlafzimmerfenster nicht aus
den Augen lässt, wenn ich und
mein Mann nach Hause kommen.
Wenn ich also einzelne Szenen
schreibe, dann habe ich meistens
Personen vor meinem geistigen
Auge, die ich kenne und die auch
meist genau so reagieren oder
handeln, wie ich sie darstelle. Die
Tratscherei nach der Kirche am
Pfarrplatz zum Beispiel. Es ist
egal, um was es geht, aber nach
der Messe wird getratscht, die
S e i t e | 20
Damenrunde des Kirchenchors
ganz vorne dabei. Da wird gelästert
und erzählt, wer was anhatte,
wer da war (und wer nicht) und
was man über die Person weiß –
oder auch nicht weiß. Am nächsten
Tag hat die Kunde die ganze
Gemeinde erreicht …
Auch Teile aus dem familiären
Umfeld sind nicht rein erfunden
oder gar übertrieben. Nein, bei
uns zu Hause wurde jedes Jahr
darüber gestritten, wer kocht –
und was! Es gibt, seit ich denken
kann, dasselbe zu essen am Heiligabend
– Schweinsbrat’l mit
Semmelknödeln und Erdäpfel –,
aber darüber wurde jedes Jahr
diskutiert. Die Oma und die Mama
waren sich nie darüber einig,
wie man ein gutes Brat’l macht –
harte Kruste, weiche Kruste, mit
Schweinsfett oder mit Öl, mit
Fettrand und Schwarte oder nur
mageres Fleisch … Das war jedes
Jahr ein Kampf. Heute ist es etwas
ruhiger, weil die Mama das
alleinige Kochrecht in der Küche
hat – das Brat’l wird jetzt nach
ihren Vorstellungen gemacht –,
aber seit meine zwei Neffen in
der Pubertät sind und auf Nachhaltigkeit
und vegane Küche setzen,
hat die Mama eine neue Herausforderung.
Ich glaube, die
braucht sie auch.
Auch der schwarze Humor von
den Großeltern ist nicht ganz
erfunden, mein Opa war wirklich
so. Er hat alles trocken herausgesagt
und sich mit der Oma mindestens
fünfmal am Tag gestritten
– auf einem absolut tiefen Niveau.
All die Leser, die meine Danksagungen
am Ende jedes Romans
lesen, wissen, dass ich so manche
kleinere Geschichte auch der
Verlegerin von HOMO Littera
verdanke. So ist zum Beispiel die
Sache mit dem Friedenslicht versus
Hoflampe tatsächlich so passiert
– leider nicht mir, aber der
Verlegerin mit ihrer Großmutter.
An dieser Stelle noch einmal:
Danke für die Geschichte. Jedes
Mal, wenn ich die Passage beim
Korrigieren gelesen habe, habe
ich aufs Neue gelacht.
Ich könnte jetzt noch so viele
Kleinigkeiten aufzählen, die auf
wahre Begebenheiten beruhen,
aber das wurde den Umfang des
Interviews sprengen – und ich
finde so schon immer so schwer
den Punkt.
Liest du selbst Bücher mit ländlichem
Inhalt? Gibt es Bücher,
die dich geprägt haben?
Hans Christian – Hm, lese ich
Bücher mit ländlichem Inhalt …
gute Frage … Also, außer Rita
Falks Provinzkrimis fallen mir
auf die Schnelle keine anderen
ein. Aber Falks Bücher sind herrlich
– köstlicher Humor; kann ich
nur empfehlen. Als Österreicher
liest sich bayrisch nämlich wunderbar.
Geprägt haben mich sicher die
Erzählungen des „Waldbauernbuams“
von Peter Rosegger, die
mir die Großeltern immer vorgelesen
haben. Ihm ist es sicherlich
zum Teil zu verdanken, dass ich
zu schreiben begonnen habe.
Auf was dürfen sich deine Leser
zukünftig freuen? Bleibst du
deiner bisherigen Linie treu?
Hans Christian – Es gibt sicher
wieder eine Landgeschichte – mir
gefällt das Land, es gibt so viel zu
erzählen. Außerdem warten da
einige Leser schon auf etwas
Neues – es gibt ja nix Besseres
für einen Autor, als wenn dir Leser
sagen, dass sie sich in der
Geschichte wiedergefunden haben.
Wenn sie lachen und weinen,
wenn sie mitfühlen, dann weiß
ich, ich hab’ alles richtig gemacht.
Ich arbeite zurzeit aber auch an
etwas ganz anderem. Was genau,
möchte ich noch nicht verraten,
aber es wird heiß! Ja, und ich
schreibe auch an einem Dorfkrimi,
mal schauen, was da rauskommt
…
S e i t e | 21
Teil 1:Mein Leben ist ein
Kitschroman:
384 Seiten, ISBN: 978-3-903238-
38-1, 14,90 € (A)
Hans Christian Baum
MEINE FAMILIE, ICH UND AN-
DERE KATASTROPHEN
Mathias hat sein Outing genau
durchdacht – sich um die Familienprobleme
zu kümmern und weiterhin
den Heteromacker zu spielen,
gehörte allerdings nicht zu
seinem Plan …
Teil 2: Vom Kitschroman zur
Freakshow:
444 Seiten, ISBN: 978-3-903238-
42-8, 16,90 € (A)
Aufgrund der Corona-Pandemie
nutzen viele Schriftsteller*innen
die Zeit zum Schreiben. Ergeht
es dir ähnlich?
Hans Christian – Ich bin hauptberuflich
als Schriftsteller tätig, für
mich hat sich also im Alltag nicht
viel geändert – außer, dass mein
Mann jetzt Home Office hat und
ich damit nicht mehr so viel Zeit
zum Schreiben finde. Das liegt
vermehrt daran, dass meine bessere
Hälfte es gewohnt ist, im
Büro von seiner Sekretärin ständig
Kaffee zu bekommen. Zu
Hause hat er die Dame nicht,
deshalb schreibt er mir – per
Skype! – eine Nachricht ins anliegende
Zimmer oder in den 1.
Stock, ob ich nicht denk’, dass es
wieder Zeit für einen Kaffee wäre!
Anfangs war das witzig, das läuft
unter „kleine Macken im Home
Office“, aber nach 2 Jahren wird
es langsam zum Tatmotiv! Habe
ich erwähnt, dass ich gerade einen
Landkrimi schreib’?
Wie feierst du Weihnachten?
Gibt es typische Traditionen?
Hans Christian – Ja, wir sind sehr
traditions- und brauchtumsbehaftet.
Wir haben nicht nur dasselbe
Essen jedes Jahr und haufenweise
Kekse – mein Gott, mir ist jetzt
schon schlecht, wenn ich nur an
das viele Essen denk’ –, sondern
wir setzen auch auf Brauchtum.
Bei uns wird zum Bespiel
„g’racht“ – das ist ein Brauchtum
in den Raunächten, eine Art Ritual
zur Reinigung von Haus, Tier
und Mensch, und wir treffen uns
auch immer alle zusammen am
24. Dezember bei meinen Eltern.
Das ist natürlich immer sehr laut,
vor allem, als die zwei Buben von
meinem Bruder noch klein waren.
Aber es ist auch schön. Es gibt
viel zu erzählen, zum Lachen,
aber auch zum Ausreden. Meistens
unterhalten wir uns dann zur
späten Stunde auch über die
Großeltern, wie es war, als sie
noch gelebt haben – was auch
immer sehr lustig ist, aber halt
auch immer eine Spur traurig. Der
Kommentar vom Opa „Heuer ist
es aber besonders schön!“ geht
uns allen ab, das muss ich zugeben.
Ansonsten nehme ich an, es ist
wie bei vielen anderen Familien.
Man freut sich auf die gemeinsame
Zeit, wird zu etwaigen Weihnachtsliedern
gezwungen, wenns
ganz blöd zugeht, auch zur
Christmette, und generell gibt es
viel zu viel zu essen und zu viele
Kekse. Weil ein „Kekserl“ geht
immer noch …“
Was möchtest du deinen Lesern
noch sagen?
Hans Christian – Danke, dass ihr
meine Bücher lest, danke für die
vielen positiven Rückmeldungen,
danke, dass ihr mir treu bleibt.
Das größte Geschenk für einen
Schriftsteller ist, wenn seine Bücher
gelesen werden und sie auch
gefallen. Vergelts Gott dafür! Ich
wünsche allen ein schönes Weihnachtsfest
und alles Gute für
2022!
Hans Christian Baum ist ein österreichischer Schriftsteller. Er schreibt unter einem anderen Pseudonym seit
Jahren erfolgreich Horror- und Fantasygeschichten. „Survival Camp – Wild Adventure (2018)“ war seine
erste Kurzgeschichte im schwulen Bereich. Hans Christian lebt mit zwei Hunden und seinem Mann in der
Untersteiermark.
S e i t e | 22
~ AUTORENINTERVIEW ~
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~ AUTORENINTERVIEW ~
S e i t e | 24
~ AUTORENINTERVIEW ~
Wien um 1900 war eine völlig
andere Kultur – es war eine
Zeit der Gegensätze
ÜBER WIEN UM 1900, SCHWULE BEZIEHUNGEN
IM HABSBURGERREICH UND DEN ERHALT DER
BLUTLINIE – IM GESPRÄCH R. A. SKY UND IHR
ROMAN „WIENER KLÄNGE“
R.
A. Sky stammt aus
Österreich und ist
bekennender Mangaund
Artbooks-Fan. Sie studierte
Geschichte in Wien und schreibt
unter mehreren Pseudonymen
queere Literatur. Neben Japanbesuchen
liebt sie Tiere, Familie
und Freunde. „Wiener Klänge“
erschien im Sommer 2021.
Vor Kurzem erschien dein historischer
Roman „Wiener Klänge“.
Worum geht es im Buch?
R. A. – Es ist die Liebesgeschichte
zweier völlig unterschiedlicher
Männer um 1900. Christian Lewe
ist ein hart arbeitender Preuße,
der sehr bieder ist und von sich
selbst die besten Leistungen erwartet.
Johann Sebastian von
Lahrenburg hingegen ist ein junger
Adeliger aus Wien, der in
seinem Leben nie arbeiten musste
und der als Partylöwe bekannt ist.
Wenn man das so hört, hat man
sofort eine Vorstellung von den
beiden und denkt, man weiß, wer
zu beneiden ist. Aber nach und
nach erfahren wir durch Christians
Erlebnisse mehr über den
österreichischen Adeligen und im
Laufe des Buches ändert man
schließlich seine Meinung. Das
fand ich sehr interessant zu
schreiben. Natürlich ist es aber
auch eine große Liebesgeschichte
mit viel Drama. Das passte einfach
wunderbar in die Zeit!
Vielen Dank nochmals, dass ihr
das Buch mit mir rausgebracht
habt!
„Wiener Klänge“ spielt um 1900.
Wie darf man sich Wien um
diese Zeit vorstellen?
R. A. – Das Wien des Fin de
Siècle kann man sich vor allem
als einen Ort der Gegensätze vorstellen:
verschwenderischer
Reichtum versus größte Armut;
einerseits kaisertreu und tief religiös,
andererseits radikal bis
anarchistisch; Toleranz und Rassismus;
Fortschrittsgeist und Nostalgie;
… Man muss sich ja nur
vor Augen führen, welche Unterschiede
sogar innerhalb der Kaiserfamilie
geherrscht haben.
Du hast selbst Geschichte studiert.
Wann erwachte dein Interesse
dafür, insbesondere für die
k.u.k.-Zeit?
R. A. – Sehr früh. Meine Eltern
und Großeltern haben mir Geschichtsbücher
für Kinder geschenkt
und auch Sagenbücher
und Märchensammlungen. Das
alte Ägypten und die Habsburger
fand ich von Anfang an faszinierend.
Oh! Und damals fand ich
natürlich auch Dinosaurier super.
Die meisten dieser Ausgaben
habe ich heute noch. Bücher hatten
einfach einen besonderen
Stellenwert in meiner Familie.
Dafür bin ich dankbar.
Hättest du zu Beginn deines Studiums
jemals daran gedacht,
einen Roman über Wien um
1900 zu schreiben?
R. A. – Ehrlich gesagt … nein.
Ich bin davon ausgegangen, dass
ich, wenn ich denn je einen Historienroman
schreiben sollte, diesen
viel früher ansetzen würde. Das
antike Rom, das Makedonien
Alexanders des Großen, das alte
Ägypten oder Tokio, als es noch
Edo war … Zu Beginn meines
Studiums dachte ich, dass ich
vielleicht irgendwann einen solchen
Roman schreiben würde.
Heute weiß ich auch: Von der
Recherchearbeit her wäre es nicht
viel anders!
Was fasziniert dich an dieser
Zeit am meisten?
S e i t e | 25
~ AUTORENINTERVIEW ~
R. A. – Dass es eine Zeit des
Umbruchs war. Die moderne
Welt stand vor der Tür und doch
lebte man noch in der altbekannten
Welt oder hielt eisern daran
fest. Ein amüsantes Beispiel: Das
Auto wurde in Österreich entwickelt,
aber Kaiser Franz Joseph
fand diese Erfindung furchtbar.
Auch Kämpferinnen für Frauenrechte
und -bildung wie Marianne
Hainisch, Adelheid Popp oder
Bertha von Suttner lebten und
wirkten zu dieser Zeit. Und was
ich als Autorin besonders reizvoll
finde, ist die kurze Zeitspanne bis
zum ersten Weltkrieg und dem
damit einhergehenden Untergang
der beiden Kaiserreiche Mitteleuropas.
Ich sage jetzt explizit „Mitteleuropa“
dazu, weil zum Beispiel
Japan auch heute noch einen
Kaiser hat und ich nicht den Fehler
machen will, die ganze nichteuropäische
Welt auszuklammern.
Aber was ich erklären wollte,
ist, dass eine gewisse bittersüße
Romantik in dem Wissen liegt,
dass die Welt dieser Charaktere
bald zerbrechen wird. Christians
Unternehmen wächst und gewinnt
an Einfluss, aber wird es den ersten
Weltkrieg überstehen? Welche
Bedeutung hat der Fortbestand
der Adelsfamilie von
Lahrenburg, nachdem im Österreich
von heute kein Adel mehr
existiert? Ich empfinde dabei
dieselbe Aufregung, wie beim
Lesen eines Romans, der im
Pompeji kurz vor dem Ausbruch
des Vesuvs spielt. Man weiß, was
unumstößlich passieren wird, und
fiebert doch bei den kleinen Siegen
und Niederlagen der Charaktere
mit, über denen all die Zeit
schon das Damoklesschwert
schwebt.
Wie viel konntest du von deinem
Studium mitbringen? Wie viel
Recherche war zusätzlich notwendig?
R. A. – Nichts gegen meine Alma
Mater! Ich hatte unter anderen ein
paar fantastische ProfessorInnen
und bin sehr dankbar dafür, wie
sehr mein Verstand und mein
wissenschaftliches Verständnis
durch ihre Kurse geschärft wurden
… aber für meinen Roman
S e i t e | 26
war vor allem die Alltagsgeschichte
einer sehr kurzen Zeitspanne
österreichischer Geschichte
von Bedeutung, und derartige
Lehrveranstaltungen habe ich
nicht besucht. Ich würde also
sagen, dass ich mehr oder weniger
alles recherchieren musste.
Ich wollte einfach nicht riskieren,
dass sich Fehler häufen. Irgendwie
habe ich es dann übertrieben
und die meisten Informationen
konnte ich gar nicht verwenden.
Aber dafür ist das Buch historisch
ziemlich genau, was Orte, Dinge
und so weiter betrifft. Wer sich
also fragt: Gab es tatsächlich
schon derart ausgefeilte Spieluhren?
Ja, gab es! Und Füller mit
goldener Feder? Auch die! Ich
weiß sogar den Namen eines Herstellers
aus genau dieser Zeit. Es
gibt nur vier Dinge, bei denen ich
bis heute nicht sicher bin, ob sie
nun stimmen oder nicht. Ich sage
immer, man kann sich einen Spaß
draus machen, herauszufinden,
welche diese vier Dinge sind!
Also, wenn ich mit Freunden
rede, sie sich auch für Geschichte
interessieren.
~ AUTORENINTERVIEW ~
Die Protagonisten deines Romans
sind queer. Wie kann man
sich das Leben der Community
im Wien um 1900 vorstellen?
R. A. – Schwierig. Man muss sich
bewusst machen, dass es eine
völlig andere Kultur war und
welche Bedeutung der Erhalt der
Blutlinie im Speziellen für Adelige
hatte. Selbst heute werden
Menschen angefeindet, wenn sie
sich dazu entschließen, keine
Kinder in die Welt zu setzen. Und
jetzt stelle man sich das vor über
hundert Jahren vor! Noch wichtiger
ist meines Erachtens aber die
Religion gewesen. Damit meine
ich die Gefühle der queeren
Gläubigen. In „An dich gebunden“
(eine Zusammenarbeit mit
der japanischen Mangaka Higuri
You, erschienen 2019 beim Dead
Soft Verlag) gehe ich unter anderem
auf die Zerrissenheit zwischen
Gefühlen und Glauben ein.
In „Wiener Klänge“ habe ich das
aber nicht bearbeitet. Hatte ich ja
schon! Hier war mir das Thema
Familie wichtiger, wobei es in
Christians Fall von besonderer
Bedeutung ist, dass der Druck
nicht von außen kommt, sondern
er selbst an seinem Verantwortungsgefühl
verzweifelt. Ich wollte
das mit Sebastians Widerwillen,
sich den Erwartungen seines
Vaters zu beugen, in Kontrast
setzen.
Es gibt eine Szene im Buch, in
der Christian seinem Gegenüber
an den Kopf wirft, dass er im
Gegensatz zu Sebastian seinen
Vater liebt und deswegen nicht
einfach tun kann, was er will. Das
war eine der für mich wichtigsten
und auch befriedigendsten Szenen
im ganzen Text.
Oftmals liest man von den geheimen
homosexuellen Neigungen
vieler Habsburger. Was
steckt deiner Meinung nach dahinter?
R. A. – Ich würde nicht sagen,
dass das wirklich ein Geheimnis
ist. Vom Luziwuzi, also Erzherzog
Ludwig Viktor, und seiner
S e i t e | 27
~ AUTORENINTERVIEW ~
sexuellen Orientierung hört man
sogar schon in Dokumentationen,
die ganz unzensiert im Fernsehen
laufen. Wenn man den Historiker*innen
glaubt, war das auch zu
Zeiten Franz Josephs recht bekannt.
Der Tod ist mit Wien stark verbunden.
Selbst der Kronprinz des
österreich-ungarischen Kaiserund
Königshauses liebäugelte
mit ihm – mit Erfolg. Woran
liegt das wohl?
R. A. – Da müsste man einen
oder eine waschechte Wiener*in
fragen! Es gibt aber die Theorie,
dass es mit der Pestzeit zusammenhängt.
Es macht auch irgendwie
Sinn. In früheren Zeiten
war die Lebenserwartung der
Menschen weit geringer und die
Kindersterblichkeit dafür viel
höher. Der Tod war durch Hungersnöte,
Krieg und Krankheiten
allgegenwärtig. Sich da mit dem
Gevatter Tod mehr oder weniger
zu verbrüdern, ist vielleicht ein
hilfreicher Bewältigungsmechanismus.
Erst letztens habe ich in
Wien eine Werbefigur entdeckt,
die den Tod darstellt und kleine
Witzchen reißt. Leider ist mir der
Name entfallen. Auf jeden Fall ist
sie lustig!
Deinen Protagonisten in „Wiener
Klänge“ zieht es ebenfalls
zum Tod?
R. A. – Christian geht davon aus,
auch wenn Sebastian es vehement
abstreitet. *lach* Nein, da ist
schon was dran. Das hat sich sehr
früh herauskristallisiert. Ich denke,
die Geschichte wäre eine ganz
andere geworden, wenn ich das
gestrichen hätte. Und wie du
schon meintest: Die Beziehung
zum Tod ist in Wien eine ganz
eigene. Oder zumindest war sie es
einmal. Ich fand, dass das unbedingt
ins Buch muss.
Liest du selbst historische Bücher?
R. A. – Sehr gerne sogar! Die
einzige Zeit, über die ich in belletristischen
Werken kaum lese,
ist die Gegenwart. Die Vergangenheit
und diverse Zukunftsvisionen
hingegen liebe ich!
Was waren die wichtigen Bücher
in deinem Leben?
R. A. – Ich glaube, die bedeutendsten
Werke, die immer noch
großen Einfluss auf meine Texte
haben, sind „Interview mit einem
Vampir“ von Anne Rice und
S e i t e | 28
„Seimaden“ von Higuri You,
wobei letzteres natürlich ein
Manga ist. Wenn man „Wiener
Klänge“ liest, klingen die beiden
sehr stark mit. Das erste Werk hat
eine ganz neue Welt der Literatur
für mich eröffnet. Plötzlich war es
möglich, dass eine populäre Geschichte
düster ist und ein offenes,
eher trauriges Ende hat. Ich
war beinahe überfahren von all
dem, das mit einem Schlag möglich
erschien. Dazu gehört auch
die Liebesgeschichte, die sich
zwischen den beiden Hauptpersonen
entwickelt und die lange Zeit
von Wut, der Unfähigkeit sich
mitzuteilen und Misstrauen geprägt
ist. Dabei wusste ich nicht
einmal, dass es sich um eine gan-
ze Buchreihe handelt! Ich könnte
so viel mehr dazu sagen, möchte
aber nicht spoilern. Also schnell
zum zweiten Werk! „Seimaden“
ist noch düsterer und herzzerreißender.
Es ist die Liebesgeschichte
gleich mehrerer Charaktere und
eine davon überdauert sogar den
Tod, wirft die Hauptcharaktere
aber gerade dadurch ins Chaos
und eine bestimmte Person in
tiefste Zweifel. Higuri You beherrscht
die Balance zwischen
Grusel und Romantik und sie ist
unnachahmlich darin. Derart Atmosphäre
erschaffen … das werde
ich nie zustande bringen. Ich
verneige mich vor so viel Talent.
Es kommt nicht von irgendwoher,
dass ich ihr „Wiener Klänge“
gewidmet habe. Ohne Higuri You
gäbe es das Buch nicht. Vielleicht
gäbe es dann aber mehr fröhliche
Texte von mir? Oder auch nicht!
*lach*
Wann hast du mit dem Schreiben
begonnen?
R. A. – Geschichten ausgedacht
habe ich mir schon immer oder
zumindest seit ich mich erinnern
kann. Mit dem Schreiben angefangen,
habe ich dann, sobald ich
es konnte. Ich fand es toll, endlich
etwas zum Lesen zu haben, das
mir zu hundert Prozent gefällt.
Und die Geschichten nicht mehr
zu vergessen, die ich mir ausgedacht
hatte, fand ich so richtig
toll. Ich glaube, meine ältere
~ AUTORENINTERVIEW ~
Schwester hat sogar noch ein paar
Gedichte aus der Zeit.
Woran arbeitest du gerade?
R. A. – Ich schreibe an einer
Kurzgeschichte zu „Wiener
Klänge“ und … man soll es nicht
glauben … sie ist eher leicht und
fröhlich! Zumindest noch. Schauen
wir mal, wie es weitergeht! Ich
mag die Charaktere einfach so
sehr, dass ich mir diese kleine
Freude mache. Und eines Tages
gibt es vielleicht auch einen zweiten
Band. Im Kopf habe ich die
Geschichte schon lange fertig.
Nebenbei arbeite ich mich in ein
neues Thema ein. Ach, und ich
überarbeite derzeit auch einen
alten Text. Das wird einiges an
Arbeit in Anspruch nehmen, denn
als ich das Manuskript begonnen
habe, war ich noch im Mehrere-
POVs-pro-Kapitel-Modus. Der
gefällt mir selbst sehr, aber es ist
im Moment nicht modern und ich
würde die Geschichte gerne veröffentlichen.
Vielen Dank für das Interview!
Ich freue mich schon auf die neue
Ausgabe!
R. A. Sky stammt aus Österreich und liest leidenschaftlich gern. Die Bibliothek im Hause Sky platzt deswegen
regelrecht vor Büchern, Manga und Artbooks. Nach jedem Japanbesuch wird diese auch umgehend um
neue Werke erweitert. Besonders am Herzen liegen R. A. Sky seit dem Studium historische Publikationen,
wobei das Setting der jeweiligen Geschichten keine Rolle spielt – Hauptsache, die Welt vergangener Zeiten
wird richtig in Szene gesetzt.
R. A. Sky liebt Familie, Freunde und Tiere – und genießt ausgiebiges Joggen ebenso wie gemütliche TV-
Abende.
S e i t e | 29
~ AUTORENINTERVIEW ~
S e i t e | 30
~ AUTORENINTERVIEW ~
Das Weltall ist so unfassbar groß,
dort muss es noch mehr Leben
als das auf der Erde geben.
ÜBER ALIENS, DAS WELTALL UND DAS SCHREI-
BEN IM ALLGEMEINEN – DIARE CORNLEY IM
INTERVIEW
D
iare Cornley stammt aus
Deutschland und kam
mit 18 durch einen Zufall
zum Schreiben. Seit dem sind
zahlreiche Bücher aus ihrer Feder
entstanden.
„Geküsst von einem Alien“ ist
ein Gay-Romance-Roman mit
Science-Fiction-Elementen. Worum
geht es genau?
Diare – Ich will nicht spoilern,
aber ... Karetos, das Alien, wird
von seinem Planeten verbannt
und landet auf der Erde. Christian
erwischt ihn in seinem Haus und
gibt ihm nach einem merkwürdigen
Kennenlernen die Chance auf
ein neues Leben. Er lehrt ihm ein
Mensch zu sein. Dabei verlieben
die beiden sich und werden kurz
darauf von einer Organisation
getrennt, die auffällige Aliens aus
dem Verkehr zieht. Aber natürlich
gibt es ein Happy End ;)
Die Vorstellung, dass Außerirdische
unbemerkt unter uns leben,
ist einerseits faszinierend, anderseits
aber auch beängstigend.
Was fesselt dich an diesem Gedanken?
Diare – Tatsächlich war ich nie
Fan von Sci-Fi, speziell Aliens.
Aber mir kam die Grundidee eines
Tages in den Kopf, und ich
wollte sie irgendwann mal schreiben.
Tatsächlich geschah das erst
Jahre später. Ich hätte nie gedacht,
dass es mir so viel Spaß
macht, Sci-Fi zu schreiben.
So lange sie friedlich sind, finde
ich den Gedanken an Aliens unter
uns gar nicht so befremdlich. Im
Grunde ist es ja egal, ob etwas
von der Erde oder einem anderen
Planeten kommt, wenn kein böser
Gedanke dahintersteckt. Menschen
und die meisten Tiere unterscheiden
sich ja auch sehr. Fast
wie Aliens, in den unzähligen
Vorstellungen die wir von ihnen
haben.
Die Begeisterung, dass der
Mensch nicht alleine im Weltall
S e i t e | 31
ist, beschäftigt auch viele renommierte
Wissenschaftler.
Denkst du, dass wir irgendwann
womöglich Besuch bekommen
oder schon besucht wurden?
Glaubst du an Außerirdische?
Diare – Ich fände es eher merkwürdig,
wenn es nicht so wäre.
Das Weltall ist so unfassbar groß,
dort muss es noch mehr Leben als
das auf der Erde geben.
Wäre deiner Meinung nach ein
friedliches Zusammenleben
möglich?
Diare – Es kommt immer auf die
Intentionen an. Auf der Seite der
~ AUTORENINTERVIEW ~
Aliens kann ich es natürlich nicht
sagen. Auf Seite der Menschen ...
wenn Profitgier und Egoismus
mal hinten angestellt werden
könnten und die Aliens friedlich
sind, bestimmt.
Um die amerikanische Luftwaffenbasis
„Area 51“ ranken sich
eine Menge Gerüchte. Wie stehst
du zu dem Thema?
Diare – Zu Area 51 kann ich nicht
viel sagen, aber ich könnte mir
schon ähnliche Szenarien und
Konstellationen wie in meinem
Buch tatsächlich vorstellen. Es
sind schon so viele verdeckte
Dinge ans Tageslicht gekommen
– warum auch nicht das Wissen,
dass Aliens existieren? Aber ich
könnte tatsächlich auch verstehen
warum. Viele würden sicher in
Panik ausbrechen, wenn die Existenz
offen bestätigt werden würde.
Wer weiß, was dann hier los
wäre.
Wie stellst du dir das Leben auf
anderen Planeten vor? Wie außerirdische
Lebensformen?
Diare – Ich denke, das kann man
in meinem Buch gut nachlesen.
Natürlich könnten auch ganz andere
Formen existieren, auf ganz
anderen Arten von Planeten. So
unendlich wie das Universum ist,
so unendlich sind am Ende auch
die Möglichkeiten. Sicher auch
jenseits unserer Vorstellungskraft.
Du beschreibst eine interessante
Technologie in deinem Roman,
in dem Außerirdische ihr Raumschiff
auf ein Minimum
schrumpfen lassen und so unbemerkt
bleiben können. Glaubst
du, dass in naher oder ferner
Zukunft so etwas möglich ist?
Diare – Vielleicht in ferner Zukunft,
aber so bald wohl nicht. Da
sind wir in der Technik weit von
entfernt – wenn es denn überhaupt
machbar ist.
Wie und wann entstand die Idee
zu deinen außerirdischen Raumschiffen?
Diare – Vor vielen Jahren kam
mir mal die Szene in den Kopf,
dass ein geschrumpftes Raumschiff
durch das Fenster in ein
Schlafzimmer stürzt. Tatsächlich
habe ich um diese Szene drum
herum den ganzen Rest aufgebaut.
Die meisten Ideen entstanden
erst während des Schreibens.
Die Protagonisten deines Romans
sind schwul. Wie bedeutsam
sind homosexuelle Helden
in der Literatur, um mehr
„Diversity“ zu schaffen?
Diare – In unserer modernen Welt
finde ich, gibt es kaum noch einen
Unterschied, ob hetero, bi
oder homo. Es wird mittlerweile
doch offen damit umgegangen.
Zum großen Teil. Letztens, als
ich im Supermarkt war, trafen
zwei Jugendgruppen aufeinander.
Das Mädchen der einen Gruppe
S e i t e | 32
grüßte ein Mädchen der anderen
Jugendgruppe und wollte zu ihr
hingehen. Da rief plötzlich ein
Junge aus der ersten Gruppe „Iih,
das ist doch die Lesbe!“ Ich war
tatsächlich verwirrt, weil es das
erste Mal seit Jahren war, dass ich
so etwas bei Jugendlichen gehört
habe. Ich kannte das sonst höchstens
von älteren Leuten, die anders
aufgewachsen sind. Es
braucht also scheinbar wirklich
überall noch ein bisschen mehr
„Diversity“. Mehr solche Bücher
zeigen vielleicht auch solchen
Menschen, dass kein Platz für
Diskriminierung ist.
Sex in Büchern: Ist es schwierig,
Erotisches auf Papier zu bringen?
Diare – Nein, im Gegenteil. Mir
fällt es einfach, solche Szenen zu
schreiben – es darf nur nicht zu
viel sein, sonst langweilt es mich
tatsächlich. Bei „Geküsst von
einem Alien“ hat es mir tatsächlich
besonders Spaß gemacht, da
es auch für den Protagonisten
komplett neu war. Ich konnte
mich quasi richtig austoben.
Deine Bücher haben immer ein
Happy End. Liest du selbst Bücher,
die einen glücklichen Ausgang
haben? Ist dir das wichtig?
Diare – Irgendwie schon. Im Leben
passiert manchmal schon
genug Schlimmes und Trauriges.
Ich möchte, dass der Leser im
Buch mitfiebert und sich am Ende
freut.
Welche Bücher haben dich geprägt?
Diare – Gar keins, ich war eigentlich
nie der große Leser. Überhaupt
das Interesse am Schreiben
~ AUTORENINTERVIEW ~
gebracht hat mir aber das Buch
„Die Herrin der Raben“. Ich
musste es aufgrund einer Buchvorstellung
lesen und hatte einfach
irgendein Buch dafür gekauft.
Nachdem ich mich durch
die erstens 30 Seiten gequält hatte,
verschlang ich den Rest förmlich.
Wie wichtig ist für dich das
Schreiben?
Diare – Schon sehr. Mittlerweile
aber weniger Bücher, sondern
viel mehr Fachtexte und Blogs.
Welchen Stellenwert haben für
dich Rezensionen?
Diare – Egal ob positiv oder negativ
– ich finde Rezensionen
schon sehr wichtig, weil viele
potentielle Leser so leichter feststellen
können, ob ein Buch für
sie geeignet ist oder nicht. Rezensionen
sind dennoch eine schwierige
Sache. Natürlich tut Negatives
immer etwas weh. Aber so
lange es nett geschrieben und die
Kritik begründet wird, mag ich
negativ ausfallendes Feedback
fast genauso sehr wie positives,
denn mir ist durchaus bewusst,
dass ich nicht perfekt bin und es
auch verschiedene Ansichten und
Meinungen gibt.
Woran schreibst du gerade?
Diare – Im Moment nicht an einem
Roman, aber an ein paar
Fachtexten, die ich als Ghostwriterin
schreiben darf.
Diare Cornley wurde im April 1990 nahe Dresden geboren. Bereits in ihrer frühen Jugend schrieb sie gern
Geschichten und kam mit 18 Jahren durch einen Zufall dazu, ihr Hobby zum Beruf zu machen.
S e i t e | 33
~ AUTORENINTERVIEW ~
S e i t e | 34
~ AUTORENINTERVIEW ~
Die hilflose Prinzessin, die sich retten
lassen muss, langweilt mich
ÜBER DIE „MAGISCHE GRENZE“, FANTASYBÜ-
CHER UND HELDINNEN IN ROMANEN – IM IN-
TERVIEW REG BENEDIKT
R
eg Benedikt lebt in Berlin.
Das Schreiben ist ein
unverzichtbarer Bestandteil
ihres Lebens. Neben spannenden
Abenteuern verbirgt sich
in ihren Büchern auch immer eine
Liebensgeschichte.
„Wächterin der Dunkelheit“ aus
der der Reihe der „Magischen
Grenze“ ist ihr viertes Buch, das
bei HOMO Littera erschien.
Dein neuer Fantasyroman
„Wächterin der Dunkelheit“ aus
der Reihe „Die Magische Grenze“
ist …
Reg – … keine reine Fortsetzung
zum ersten Teil „Jägerin der
Schatten“, sondern kann eigenständig
für sich bestehen. Die
Protagonistinnen sind zwei Frauen,
wie sie unterschiedlicher nicht
sein könnten. Ihr Weg führt sie
über die magische Grenze hinweg
zusammen und jeweils in die
Welt der anderen. Das stellt sowohl
für Riven als auch für Mack
eine Herausforderung dar. Während
sich Riven in der Schattenwelt,
mit der dort alles beherrschenden
Technik, zurechtfinden
muss, hat Mack als Ermittlerin
bei der Polizei erhebliche Mühe
zu akzeptieren, dass es durchaus
Zwerge gibt und Orks und dass
dauernd jemand versucht, mit
einer Streitaxt auf sie loszugehen.
Du schreibst über Parallelwelten,
die durch die „Magische
Grenze“ getrennt sind. Kannst
du dir vorstellen, dass es so etwas
in Wirklichkeit gibt? Wie
würdest du dir das ausmalen?
Reg – Lest einfach meine Bücher.
Genau so und nicht anders. In
meinen Romanen haben die meisten
Menschen keine Ahnung, dass
es das Alte Reich überhaupt gibt.
Also hey, warum nicht? Wäre
doch eine interessante Vorstellung,
dass noch so viel mehr existiert,
als das, was wir glauben zu
wissen.
Kommen in „Wächterin der
Dunkelheit“ auch alte Charakter
des Vorgängerbandes „Jägerin
der Finsternis Schatten“ vor?
S e i t e | 35
Reg – Ja. Ich mag es, wenn rund
um die „Magischen Grenze“ die
Charaktere immer wieder auftauchen.
So passiert es durchaus,
dass eine Hauptfigur aus dem
einen Buch eine Nebenrolle in
einem anderen übernimmt. Man
trifft sozusagen alte Bekannte. Ich
finde es schön, das einzubauen,
und hoffe, dass die Leser*in damit
genauso viel Freude hat. Indirekt
erlebt man dann die Entwicklung
der anderen Charaktere mit,
auch wenn sie keine Hauptrolle
mehr einnehmen.
Hilflose Prinzessinnen in Burgen
haben in deinen Büchern
keine Bedeutung. Du spielst
stattdessen gerne mit Rollenstereotypen.
Warum?
~ AUTORENINTERVIEW ~
Reg – Die hilflose Prinzessin, die
sich retten lassen muss, langweilt
mich. Filme, die versuchen eine
Heldin zu entwickeln, fesseln
mich meist nur so lange, bis die
anfangs kämpferische und selbständige
Protagonistin sich am
Ende dann doch plötzlich wieder
retten lassen muss. Das ist auch
sehr typisch. Ich finde es schön,
wenn die Heldinnen bis zum Ende
ihres Abenteuers ihre Stärke
behalten. Deshalb müssen sie
nicht zur männermordenden und
grundlos aggressiven Killerin
werden. Es genügt doch schon,
wenn sie auch auf der letzten
Seite noch ihren eigenen Willen
haben und ihre Kämpfe selbst
bestreiten.
Wohin geht die Reise im nächsten
Band der „Magischen Grenze“?
Reg – Der nächste Teil der magischen
Grenze wird die Geschichte
von Ran erzählen. Sie wird eine
Protagonistin an ihre Seite gestellt
bekommen, die noch weniger
menschlich ist als die Magierin
vom Verlorenen Volk – und auch
um einiges gefährlicher. Sie war
mir gleich sympathisch, weil sie
so wenig gesellschaftsfähig ist. Es
ist sehr spannend, sie kennenzulernen.
S e i t e | 36
Gab es in deiner Kindheit Lieblingsbücher?
Reg – Angefangen habe ich mit
Tiergeschichten, die meine Mutter
mir geduldig mitgebracht hat,
weil ich gar nicht so gerne gelesen
habe. Pferde hatten es mir
irgendwann besonders angetan.
Aber ich bin dann ziemlich
schnell im Bereich Fantasy und
Science-Fiction gelandet. Ich war
in sämtlichen Bibliotheken stets
auf der Suche nach Büchern mit
weiblichen Heldinnen. Schwer zu
finden.
Welche Bedeutung haben für
dich Rückmeldungen von Lesern?
Interessieren dich Rezensionen?
Reg – Natürlich interessieren
mich Rückmeldungen. Ich kenne
die Menschen nicht, die sich entschlossen
haben, meine Bücher
zu lesen und dafür Geld auszugeben.
Sie schenken mir ja auf eine
Art ihr Vertrauen, dass ich sie
nicht enttäusche, mit dem Abenteuer,
das ich für sie schreibe. Es
ist etwas ganz Besonderes, wenn
die Leser*innen sich dann auch
noch die Zeit nehmen und eine
Rezension verfassen. Im besten
Fall, weil ihnen das Buch so gut
gefallen hat, dass sie das auch
anderen und mir mitteilen wollen.
Ich lese die Rezensionen und
freue mich darüber sehr. Es ist
unglaublich motivierend.
War es immer dein Traumberuf
Schriftstellerin zu werden?
Reg – Es ist eine Passion, würde
ich sagen. Ich kann davon nicht
~ AUTORENINTERVIEW ~
leben und möchte den Druck gar
nicht aushalten müssen, so viel zu
schreiben, dass ich meinen
Brotjob aufgeben kann. Ich glaube,
dann würde es mir auch keinen
Spaß mehr machen. Es ist
wundervoll, ein Buch fertig zu
schreiben und zu sehen, dass die
Leser*innen sich davon unterhalten
lassen.
Woran schreibst du gerade?
Reg – An mehreren Sachen. Einer
Fortsetzung von Sasha Barnett
und der Magischen Grenze. Außerdem
schreibe ich auch noch an
einem ganz eigenständigen Buch,
das sich eher in die ungefähre
Richtung der Mafia bewegt.
Könnte ein bisschen blutig werden.
Reg Benedikt ist eine deutsche Schriftstellerin und lebt in der Nähe von Berlin. Das Schreiben begleitet sie
schon sehr lange und ist inzwischen ein unverzichtbarer Bestandteil ihres Lebens.
Neben spannenden Abenteuern verbirgt sich in ihren Büchern auch jedes Mal eine Liebesgeschichte, die man
nicht unbedingt auf den ersten Blick erkennt, denn sie ist sorgfältig verpackt in düstere Intrigen und mystische
Geheimnisse – und es gibt immer ein bisschen Drama. Mit Humor und Leidenschaft lässt sie ihre Protagonistinnen
am Ende siegen – vermutlich ...
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~ NEWS I ~
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~ AUTORENINTERVIEW ~
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~ AUTORENINTERVIEW ~
Autorenservice Gorischek
Wir bieten selbstständigen Autoren, Unternehmern
und Verlagen einen kompetenten Service zur
Herstellung von Büchern und E-Books. Wir beraten
Sie gerne von der Aufbereitung Ihres Manuskriptes
über die Erstellung eines Buches und E-Books bis
hin zur Gestaltung Ihres Webauftrittes. Dabei legen
wir größten Wert auf Qualität, Professionalität und
technische Kompetenz. Autoren, die Ihr Werk im
Eigenverlag publizieren, aber unter einem Pseudonym
schreiben oder Ihre Privatadresse schützen
wollen, bieten wir einen Impressumsdienst zu einem
fairen Preis an.
www.autorenservice.at
Wissenswertes
Wort der Saison
Ha|der|lump: Substantiv, maskulin; österreichisch, abwertend; Herumtreiber, Taugenichts, ein schlampiger,
unordentlicher Mensch
Bedeutung von „Novelle“: (Substantiv, feminin) ist eine Textsorte, die sich auf einen zentralen Konflikt
konzentriert. Sie muss nicht chronologisch aufgebaut sein und kann aus mehreren Perspektiven verfasst werden.
Charakteristisch sind vor allem der Wendepunkt der Handlung beziehungsweise im Leben des Protagonisten,
das Hervorheben des Höhepunktes sowie die Folgen des Wandels.
Eine Novelle umfasst meist um die 50 – 150 Normseiten.
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Lesen
stärkt die
Seele.
Voltaire
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Ich finde, und habe
immer gefunden, dass
sich ein Buch gerade
vorzugsweise zu einem
freundschaftlichen
Geschenk eignet.
Wilhelm von Humboldt
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S e i t e | 45
~ NEWS II ~
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