24.12.2012 Aufrufe

Forum-Technische Mitteilungen - ThyssenKrupp AG

Forum-Technische Mitteilungen - ThyssenKrupp AG

Forum-Technische Mitteilungen - ThyssenKrupp AG

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

forum<br />

<strong>Technische</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>ThyssenKrupp</strong> Juli 2000<br />

TK


02<br />

Impressum<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> <strong>AG</strong><br />

Zentralbereich<br />

<strong>Technische</strong> Entwicklungen<br />

August-Thyssen-Straße 1<br />

40211 Düsseldorf<br />

Postfach 10 10 10<br />

40001 Düsseldorf<br />

Telefon 02 11/8 24-3 62 91<br />

Telefax 02 11/8 24-3 62 85<br />

Erscheinungsweise<br />

„forum – <strong>Technische</strong> <strong>Mitteilungen</strong><br />

<strong>ThyssenKrupp</strong>“ erscheint<br />

ein- bis zweimal jährlich<br />

in deutscher und<br />

englischer Sprache.<br />

Nachdruck nur mit<br />

Genehmigung des<br />

Herausgebers.<br />

Fotomechanische<br />

Vervielfältigung<br />

einzelner Aufsätze<br />

ist erlaubt.<br />

Der Versand des<br />

„forum – <strong>Technische</strong> <strong>Mitteilungen</strong><br />

<strong>ThyssenKrupp</strong>“<br />

erfolgt über eine<br />

Adressdatei, die mit<br />

Hilfe der automatisierten<br />

Datenverarbeitung<br />

geführt wird.<br />

ISSN 1438-5635<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Titelbild<br />

Krupp VDM hat eine führende Position bei<br />

der Entwicklung und Herstellung von Hochleistungswerkstoffen.<br />

Hierzu gehören auch<br />

Trägerfolien für die im Titelbild dargestellten<br />

Metallkatalysatoren. Die Entwicklung<br />

eines Folienwerkstoffes mit erhöhtem<br />

Aluminiumgehalt für Katalysatoren, die<br />

heute schon zukünftige Abgasnormen<br />

erfüllen können, ist ein Beweis dafür, wie<br />

die Innovationskraft eines Unternehmens<br />

und die Kreativität seiner Mitarbeiter in<br />

zukunftsträchtige Produkte umgesetzt<br />

werden können.<br />

„Innovationen im <strong>ThyssenKrupp</strong> Konzern“<br />

ist das Leitthema dieser Ausgabe von<br />

forum – <strong>Technische</strong> <strong>Mitteilungen</strong><br />

<strong>ThyssenKrupp</strong>. Beispielhaft hierfür werden<br />

alle für den <strong>ThyssenKrupp</strong> Innovationswettbewerb<br />

2000 eingereichten Vorschläge<br />

vorgestellt.<br />

Als besonders anerkennenswerte Leistung<br />

wurden folgende Vorschläge ausgezeichnet:<br />

● Luftfeder-Dämpfermodule für die S-Klasse<br />

von DaimlerChrysler mit dem 1. Preis,<br />

● Blechradträger aus NIROSTA ® H400<br />

und Pkw-Seitenaufprallträger aus Mehrphasenstählen<br />

jeweils mit dem 2. Preis,<br />

● Die Smartstep-Stufe mit dem 3. Preis.<br />

Einzelheiten hierzu und zu den anderen<br />

Vorschlägen können Sie den Beiträgen<br />

dieses Heftes entnehmen.


03<br />

Vorwort<br />

Prof. Dr.-Ing. Ekkehard Schulz, Vorsitzender des Vorstands der <strong>ThyssenKrupp</strong> <strong>AG</strong><br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser,<br />

Innovationen sind Motor für Wachstum und<br />

Wettbewerbsfähigkeit. Sie setzen Kreati-<br />

vität, Inspiration und geistige Leistung<br />

jedes einzelnen Mitarbeiters voraus. Nur in<br />

einem innovationsfreundlichen Klima eines<br />

Unternehmens lassen sich Neuerungen mit<br />

Erfolg im Markt umsetzen.<br />

Die Innovationsdynamik in vielen Branchen<br />

führt dazu, dass Innovationszyklen in der<br />

Vermarktung von Neuentwicklungen zuneh-<br />

mend kürzer werden. Ein Technologie-<br />

konzern wie <strong>ThyssenKrupp</strong> ist daher neben<br />

anderen Ressourcen vor allem auf die<br />

Kreativität seiner Mitarbeiter angewiesen,<br />

um in der technischen Entwicklung ganz<br />

vorne mitzuspielen. Insofern ist Innovation<br />

stärker denn je ein strategisches Instru-<br />

ment für den Erfolg unseres Unterneh-<br />

mens.<br />

Die Stärkung der Innovationskraft wird<br />

zukünftig eine bestimmendere Größe im<br />

Wettbewerb ausmachen. Die zunehmende<br />

Integration von Lieferanten und Kunden als<br />

Systempartner im Innovationsprozess setzt<br />

eine Konzentrierung auf eigene Kernkom-<br />

petenzen voraus. Ressourcen müssen auf<br />

diese Innovationsfelder gebündelt werden.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> stellt sich dieser Herausfor-<br />

derung.<br />

Der Konzern hat für das Jahr 2000 erst-<br />

mals einen Innovationswettbewerb aus-<br />

geschrieben, dessen Ergebnisse im vor-<br />

liegenden Themenheft aufgeführt sind. Ziel<br />

dieses Wettbewerbs war die Anerkennung<br />

kreativer Leistungen bei der Entwicklung<br />

neuer Werkstoffe, bei der Anwendung<br />

aktueller Fertigungstechnologien und bei<br />

der Weiterentwicklung von Produkten und<br />

Verfahren. Die Themenschwerpunkte<br />

zeigen neue Werkstoffentwicklungen und<br />

deren Umsetzung in neue Produkte auf, die<br />

die Kriterien Leichtbau, Reduzierung von<br />

Arbeitsschritten und damit auch Kosten-<br />

einsparungen erfüllen. Zusätzlich werden<br />

neue Lösungen in der Verfahrensent-<br />

wicklung und im Dienstleistungsbereich<br />

durch elektronisch gestützte Systeme im<br />

e-Business herausgestellt.<br />

Ekkehard Schulz<br />

Prof. Dr.-Ing.<br />

Ekkehard Schulz,<br />

Vorsitzender des<br />

Vorstands der<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> <strong>AG</strong>


04<br />

Inhalt<br />

Dr.-Ing. Bernhard Engl, HBL Werkstoffentwicklung,<br />

Dipl.-Ing. Jürgen Esdohr, BL Produktbetreuung WB,<br />

Dr.-Ing. Thomas Heller, BL Werkstoffentwicklung WB,<br />

Dipl.-Ing. Klaus Köhler, HBL Qualitätsstelle WB,<br />

Dipl.-Ing. Günter Stich, BL Produktentwicklung WB,<br />

Thyssen Krupp Stahl <strong>AG</strong>, Duisburg<br />

Dr.-Ing. Jens-Arend Feindt,<br />

Leiter F&E, Vertrieb, Planung - Geschäftsfeld<br />

Karosserie,<br />

Thyssen Umformtechnik + Guss GmbH, Bielefeld<br />

Seite 9<br />

Pkw-Seitenaufprallträger aus<br />

Mehrphasenstählen<br />

Die guten Herstellungsbedingungen und<br />

Eigenschaften herkömmlicher höherfester<br />

Stähle haben bereits zu weit reichenden<br />

Anwendungen zur Erzielung von Leichtbau<br />

geführt. In den letzten Jahren wurden die<br />

so genannten Mehrphasenstähle mit Festigkeiten<br />

>700 MPa zur Serienreife entwickelt.<br />

Die besonderen Eigenschaften dieser<br />

Stähle resultieren aus der Kombination<br />

harter und weicher Phasen in der Mikrostruktur.<br />

Dualphasen (DP)-, Restaustenitphasen<br />

(RA)-, Complexphasen (CP)- und<br />

Martensitphasen (MS)-Stähle gehören zu<br />

dieser neuen Gruppe von Mehrphasen-<br />

Stählen. Sie können als warm- oder kaltgewalzte<br />

Bänder mit unterschiedlichen<br />

Oberflächenveredelungen erzeugt werden.<br />

Ihr gutes Kaltumform- und Verfestigungsvermögen<br />

prädestinieren diese Stähle für<br />

das wirtschaftliche Kaltformgebungsverfahren.<br />

Die im Bauteil erzielbaren hohen<br />

Festigkeitskennwerte unter statischer und<br />

dynamischer Beanspruchung erlauben<br />

einen technisch und wirtschaftlich günstigen<br />

Einsatz dieser Stähle für crashrelevante<br />

Teile. Besonders Seitenaufprallträger sind<br />

geradezu ideale Anwendungen für diese<br />

hochfesten Stähle, da es hierbei auf eine<br />

hohe Energieaufnahme bei geringen<br />

Deformationen ankommt.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Dr.-Ing. Jochen Krautschick,<br />

Leiter Werkstoff- und Anwendungstechnik,<br />

Krupp Thyssen Nirosta GmbH, Düsseldorf<br />

Dipl.-Ing. Peter Harbig,<br />

Leiter Entwicklung und Vertrieb - Geschäftsfeld<br />

Fahrwerk,<br />

Thyssen Umformtechnik + Guss GmbH,<br />

Bielefeld<br />

Seite 13<br />

Blechradträger aus NIROSTA ®<br />

H400<br />

Der Ersatz herkömmlicher Radträger von<br />

Einzelradaufhängungen, die aus einer<br />

Stahlgusskonstruktion mit angeschraubtem<br />

Längslenker bestehen, durch eine<br />

Blech-Schweiß-Konstruktion vereinfacht<br />

die Herstellung und kann zu einem Gewinn<br />

an Sturz- und Spursteifigkeit führen.<br />

Um das Gewicht weiter zu optimieren,<br />

wurde ein Blechradträger aus NIROSTA ®<br />

H400 entwickelt. Durch Blechdickenreduzierung<br />

– wobei der Steifigkeitsverlust<br />

durch konstruktive Maßnahmen kompensiert<br />

werden konnte – war es möglich,<br />

nahezu das Gewicht eines Aluminium-Teils<br />

zu erreichen. Ein weiterer Vorteil von Edelstahl<br />

ist seine Korrosionsbeständigkeit.<br />

Kosten und Gewicht von Bauteilen aus<br />

NIROSTA ® H400 liegen zwischen den Vergleichswerten<br />

von Stahl und Aluminium,<br />

sodass sich bei Leichtbau-Lösungen mit<br />

diesem Werkstoff eine interessante Alternative<br />

anbietet, verbunden mit den Vorteilen<br />

des Einsatzes der bei Stahl eingeführten<br />

Fertigungstechnologien.<br />

Dr.-Ing. Harald Espenhahn,<br />

Leiter Geschäftsbereich Bänder,<br />

Krupp VDM GmbH, Werdohl<br />

Seite 16<br />

Aluchrom 7Al YHf – Neuer Katalysatorträger-Werkstoff<br />

von<br />

Krupp VDM<br />

Um die künftigen Abgasnormen einhalten<br />

zu können, ist die Entwicklung neuartiger<br />

Katalysatorkonzepte erforderlich. Als<br />

Katalysatorträger setzen sich dabei zunehmend<br />

gewickelte Metallfolien durch. Sie<br />

heizen sich schnell auf und bieten die<br />

Möglichkeit des elektrischen Vorheizens.<br />

Angestrebt wird eine weitere Verringerung<br />

der Foliendicke, um die Betriebstemperatur<br />

des Katalysators noch schneller zu<br />

erreichen.<br />

Um die Lebensdauer dieser dünneren<br />

Folie nicht zu beeinträchtigen, müssen die<br />

Trägerfolien eine hohe Oxidationsbeständigkeit<br />

aufweisen. Durch eine Erhöhung<br />

des Aluminiumgehaltes kann die Oxidationsbeständigkeit<br />

deutlich gesteigert werden.<br />

Die wirtschaftliche Herstellung derartiger<br />

Folien erfordert jedoch ein gegenüber<br />

Folien aus konventionellen Legierungen<br />

angepasstes Fertigungsverfahren.<br />

Im Rahmen eines vom Bundesminister<br />

für Bildung und Forschung geförderten<br />

Forschungsprojektes hat Krupp VDM<br />

GmbH, Werdohl, mit Aluchrom 7Al YHf<br />

einen geeigneten Werkstoff entwickelt, der<br />

bei nur 25 µm Foliendicke alle Anforderungen<br />

hinsichtlich Oxidationsbeständigkeit<br />

und Umformbarkeit erfüllt.


05<br />

Inhalt<br />

Dr. Ken Rusch,<br />

Technical Programs Manager,<br />

Budd Plastics Division, Troy, Michigan, USA<br />

Seite 20<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen<br />

für neue SUV- und<br />

Pickup-Modelle<br />

Seit der Einführung von SMC-Verbundwerkstoffen<br />

im Automobilbau Anfang der<br />

70er-Jahre hat ihr Einsatz ständig zugenommen.<br />

Eine neue Großanwendung von SMC<br />

sind Ladekästen (Cargo-Box) für Pickups<br />

und SUV-Fahrzeuge. Der Ford Explorer<br />

Sport Trac des Modelljahres 2001 ist das<br />

erste Serienfahrzeug mit einer SMC-Cargo-<br />

Box. Sie wird im Budd-Werk North Baltimore<br />

gefertigt. Das Innere dieser Box ist<br />

ein ca. 31 kg schweres einteiliges SMC-<br />

Formteil, das zur Erhöhung der Strukturfestigkeit<br />

mit integrierten Versteifungsrippen<br />

versehen ist. Auch die äußeren<br />

Seitenverkleidungen der Box bestehen aus<br />

SMC.<br />

In umfangreichen Tests konnte nachgewiesen<br />

werden, dass die Cargo-Box aus<br />

SMC einem konventionellen Ladebereich<br />

aus Stahl überlegen ist: Sie ist unempfindlich<br />

gegen schonungslose Behandlung,<br />

kann nicht verbeulen und ist korrosionsbeständig.<br />

Auf Grund geringerer Werkzeugkosten<br />

sind die Herstellkosten im Allgemeinen<br />

geringer als bei einer mehrteiligen Stahlkonstruktion.<br />

Dies ist bei geringen Stückzahlen<br />

(Sonderausführungen) von besonderem<br />

Vorteil.<br />

Die Reduzierung des Systemgewichts<br />

gegenüber einer Stahlausführung um bis<br />

zu 30 % senkt den Kraftstoffverbrauch,<br />

verbessert das Fahrverhalten und ermöglicht<br />

den Einbau weiterer Zusatzausstattung<br />

in das Fahrzeug, ohne die Gewichtsklasse<br />

zu überschreiten.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Dipl.-Ing. ETH Daniel Brunnschweiler,<br />

Entwicklungsleiter, EPAS,<br />

Krupp Presta <strong>AG</strong>, Eschen, Liechtenstein<br />

Seite 27<br />

TubPAS – die elektromechanische<br />

Lenkhilfe von Krupp Presta<br />

TubPAS ist eine neuartige von Krupp<br />

Presta entwickelte elektrische Lenkhilfe als<br />

Alternative zur konventionellen hydraulischen<br />

Lenkunterstützung.<br />

TubPAS erfüllt die Anforderungen des<br />

Verbrauchers bezüglich Komfort, Funktionalität<br />

und Preis ebenso wie die Forderung<br />

des Gesetzgebers nach Verbrauchsminderung.<br />

Dem Fahrzeughersteller bietet die<br />

kompakte Bauweise von TubPAS – röhrenförmige,<br />

konzentrisch um die Zahnstange<br />

angeordnete Lenkhilfe mit bürstenlosem<br />

Seltenerden-Motor – die Möglichkeit des<br />

Einbaus in den Bauraum, der heute für<br />

hydraulische Lenkhilfen zur Verfügung<br />

steht. Die ganze Lenkhilfe besteht aus nur<br />

7 bis 8 Einzelteilen und kann wirtschaftlich<br />

auf automatisierten Anlagen für sehr hohe<br />

Stückzahlen gebaut werden.<br />

TubPAS verbindet minimale Reibung,<br />

und damit gutes Lenkgefühl für den Fahrer,<br />

mit optimalem Wirkungsgrad, sodass<br />

sich die erforderliche Unterstützungsleistung<br />

mit den heutigen Bordnetzen darstellen<br />

lässt.<br />

Dipl. Verw.-Wiss. Michael Sailer,<br />

Marketing,<br />

Thyssen Umformtechnik + Guss GmbH,<br />

Bielefeld<br />

Seite 32<br />

Stahl-Leichtbau-Verbundlenkerachse<br />

für Pkw von<br />

Thyssen Umformtechnik + Guss<br />

Die Thyssen Umformtechnik + Guss<br />

GmbH, Werk Brackwede, hat ein neues<br />

Konzept für die Konstruktion von Verbundlenkerachsen<br />

entwickelt.<br />

Die wesentlichste Innovation dieser Konstruktion<br />

ist ein neuartiges Torsionsprofil,<br />

das eine deutlich geringere Wanddicke<br />

besitzt als vergleichbare herkömmliche<br />

Bauteile. Dies wird neben dem Einsatz<br />

eines höherfesten Dualphasenstahls durch<br />

eine neuartige Profilgestaltung in Form<br />

eines walzprofilierten doppelten U-Querschnitts<br />

mit einem Hohlraum zwischen<br />

innerer und äußerer Schale ermöglicht.<br />

Hierdurch ergibt sich ein Torsionsträgheitsmoment,<br />

das über dem konventionell<br />

geformter Torsionsprofile liegen kann. Die<br />

Konstruktion des Bauteils ermöglicht überdies<br />

den Verzicht auf den ansonsten üblichen<br />

Stabilisator.<br />

Eine weitere Neuerung besteht im Einsatz<br />

von Längslenkern aus flanschlos<br />

geschweißten Halbschalen.<br />

Das neue Konzept bietet größere Gestaltungsfreiheit<br />

und spart bis zu 25 % Kosten<br />

und bis zu 30 % Gewicht.


06<br />

Inhalt<br />

Dipl.-Ing. Klaus Schmidt,<br />

Entwicklung Stoßdämpfer,<br />

Krupp Bilstein GmbH, Ennepetal<br />

Seite 34<br />

Innovative Luftfeder-Dämpfermodule<br />

für die S-Klasse von<br />

DaimlerChrysler<br />

Die Krupp Bilstein GmbH ist als kompetenter<br />

Entwicklungspartner und Serienlieferant<br />

der internationalen Automobilindustrie<br />

anerkannt. Hohe Flexibilität und Innovationsfreudigkeit<br />

zeichnen das Unternehmen<br />

aus.<br />

In Zusammenarbeit mit DaimlerChrysler<br />

galt es für die S-Klasse ein neuartiges<br />

Luftfeder-Dämpfermodul zu entwickeln,<br />

das die Qualitäten konventioneller Komponenten<br />

hinsichtlich Fahrkomfort und Fahrdynamik<br />

deutlich übertrifft und dadurch<br />

einen spürbaren Kundenvorteil erzielt.<br />

Für die Zielerreichung bedurfte es einer<br />

völligen Neuentwicklung der Luftfeder und<br />

des vierstufig verstellbaren Dämpfers. Bisher<br />

bekannte Technologien, besonders die<br />

der Luftfederfertigung, konnten nicht<br />

genutzt werden, weil der bekannte Stand<br />

der Technik den Anforderungen an das<br />

Produkt nicht mehr gerecht wurde.<br />

Unter Berücksichtigung des Kostenziels<br />

und der hoch angesetzten Qualitätsanforderungen<br />

mussten für die Fertigung der<br />

Luftfeder-Dämpfermodule automatische<br />

Fertigungseinrichtungen prozesstechnisch<br />

entwickelt und installiert werden.<br />

Die positiven Bewertungen des Systems<br />

vom Endkunden rechtfertigen den für die<br />

Realisierung notwendigen hohen technischen<br />

Aufwand. Die Luftfederung mit verstellbaren<br />

Dämpfern ist als Wegweiser in<br />

eine neue Technologie zu verstehen, an<br />

der auch die Krupp Bilstein GmbH zukünftig<br />

intensiv arbeiten wird.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Dr. Wolfgang Stein,<br />

Geschäftsführer / Leiter Technik,<br />

Dipl.-Ing. Hartmuth Willnauer,<br />

Leiter Entwicklung,<br />

Thyssen Fahrtreppen GmbH, Hamburg<br />

Seite 40<br />

Die Smartstep-Stufe – Innovation<br />

im Fahrtreppenbau<br />

Mit der „Smartstep“ hat Thyssen Fahrtreppen<br />

die erste Kunststoffstufe der Welt<br />

auf den Markt gebracht.<br />

Die Smartstep wird im Spritzgießverfahren<br />

aus einem von der Bayer <strong>AG</strong> eigens<br />

hierfür entwickelten glasfaserverstärkten<br />

Polyester-Material hergestellt. Durch beigefügte<br />

Farbpigmente ist der Stufenkörper<br />

in verschiedenen Farben durchgefärbt,<br />

sodass spätere Abnutzungsspuren farblich<br />

nicht auffallen. Für die Steifheit der Stufe<br />

sorgt eine präzise berechnete Verrippung<br />

auf der Innenseite und ein Stahlrohr an der<br />

Stufenhinterkante.<br />

Anders als bei bekannten Aluminiumstufen<br />

hat die Smartstep eine porenfreie<br />

Oberfläche. Daher ist die Smartstep sauberer,<br />

Schmutz haftet schlechter und die<br />

Reinigung wird erleichtert. Zudem ist das<br />

neue Material rutschfester und dämpft<br />

Geräusche besser.<br />

Im Material eingeschlossene Brandschutzmittel<br />

wirken nach Flammeinwirkung<br />

selbstverlöschend. Das Material ist dennoch<br />

schwer entflammbar und erfüllt somit<br />

internationale Brandschutznormen.<br />

Auch für den Produktionsprozess ergeben<br />

sich Vorteile. Die Spritzgussform wird<br />

weniger stark beansprucht als die Druckgussform<br />

bei Aluminiumstufen und hat<br />

demzufolge eine längere Standzeit.<br />

Die Smartstep ist leichter als eine Aluminium-Stufe,<br />

ein Vorteil beim Einbau und<br />

bei späteren Service-Arbeiten.<br />

Dr. rer. pol. Claus Algenstaedt,<br />

Abteilungsdirektor Zentrales Marketing,<br />

Thyssen Schulte GmbH, Düsseldorf<br />

Seite 44<br />

„TS Online“ – die Plattform für<br />

den elektronischen Geschäftsverkehr<br />

von Thyssen Schulte<br />

Für Thyssen Schulte bedeutet „TS Online“<br />

eine zeitgemäße Optimierung des<br />

Geschäftsmodells und kundenorientierte<br />

Weiterentwicklung. „TS Online“ ist als<br />

neuer elektronisch gesteuerter Informations-,<br />

Verkaufs- und Transaktionskanal<br />

gedacht. Das Konzept ist auf Integration<br />

der gesamten Geschäftsabwicklung ausgerichtet.<br />

Dieser „Business to Business“-<br />

Ansatz wird seit Frühjahr 1999 konsequent<br />

verfolgt.<br />

Als Komplettanbieter von über 120.000<br />

Artikeln aus dem Werkstoffprogramm ist<br />

die Geschäftsstrategie von Thyssen Schulte<br />

auf die direkte Bearbeitung von Verarbeitern<br />

in Industrie, Handwerk und Bauwirtschaft<br />

ausgerichtet.<br />

Durch Zugangscode gesichert, können<br />

sich die Kunden bei „TS Online“ über die<br />

aktuelle Verfügbarkeit der Artikel informieren.<br />

Auf dieser Basis besteht die Möglichkeit<br />

– abweichend vom klassischen Muster<br />

der Auftragserteilung –, Aufträge elektronisch<br />

über „TS Online“ zu platzieren.<br />

Thyssen Schulte ist also 24 Stunden geöffnet.<br />

Auch im Online-Zeitalter bleibt allerdings<br />

der größte Erfolgsfaktor für ein Unternehmen<br />

die leistungsfähige Logistik, damit der<br />

Zeitgewinn aus elektronischen Geschäftsprozessen<br />

nicht bei der Lieferung verloren<br />

geht.


07<br />

Inhalt<br />

Peter Buderath,<br />

Leiter Abteilung ORG/DV,<br />

Thyssen Krupp Stahlunion GmbH, Düsseldorf<br />

Seite 50<br />

Online-Dokumenten-Management-System<br />

für Abnahmeprüfzeugnisse<br />

von <strong>ThyssenKrupp</strong><br />

Stahlunion<br />

Der Prozess der Herstellung, Distribution<br />

und Verarbeitung von Stahl oder Metallen<br />

unterliegt der Qualitätssicherung und wird<br />

von laufenden Kontrollen begleitet. Von<br />

besonderer Bedeutung für die Rückverfolgbarkeit<br />

des Materials ist dabei das Abnahmeprüfzeugnis<br />

(Werkszeugnis). Es begleitet<br />

den jeweiligen Werkstoff vom Hersteller<br />

bis hin zum Verarbeitungsbetrieb des Kunden<br />

irgendwo in der Welt.<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion (TKSU) mit<br />

einem weltumspannenden Verkaufsnetz<br />

benötigt jährlich Zehntausende von Werkszeugnissen.<br />

Zur Optimierung der Geschäftsprozesse<br />

bei Archivierung, Suche und Verteilung<br />

von Werkszeugnissen in der in- und<br />

ausländischen Organisation einerseits und<br />

zur Pflege von Kundenverbindungen andererseits<br />

hat TKSU in Düsseldorf ein neues<br />

Dokumenten-Archivierungs-Management-<br />

System auf Basis der Internet-Technologie<br />

entwickelt und eingeführt.<br />

Ziel des globalen Systems ist es, Werkszeugnisse<br />

für alle TKSU-Gesellschaften im<br />

In- und Ausland rund um die Uhr online<br />

verfügbar zu haben. Das „World-Wide-<br />

Web“ bietet dafür eine hervorragende<br />

Technologieplattform. Auf einem zentralen,<br />

weltweit zugänglichen Internet-Server<br />

neuester Technologie sind inzwischen die<br />

Abnahmeprüfzeugnisse von nahezu allen<br />

TKSU-Landesgesellschaften mit den erforderlichen<br />

Suchkriterien in einer Datenbank<br />

hinterlegt. Kostenfreie Standard-Tools<br />

ermöglichen die komfortable Bedienung<br />

und Navigation. Das Projekt ist mit nennenswerten<br />

Einsparungen verbunden und<br />

soll erweitert werden.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Dr.-Ing. Holger Lieberwirth,<br />

Leiter Engineering*),<br />

Krupp Fördertechnik GmbH, Essen<br />

*) bis 31. 03. 2000<br />

Seite 56<br />

Innovative Lösungen für den<br />

Abraumtransport in einem<br />

Kupfer- und Goldtagebau<br />

Im Tagebau Grasberg in Indonesien wird<br />

eines der reichsten Gold- und Kupfervorkommen<br />

der Welt abgebaut. Die erheblichen<br />

Abraummengen machen einen diskontinuierlichen<br />

Abraumtransport zunehmend<br />

unwirtschaftlich. So entschied man<br />

sich für die Installation eines kontinuierlichen<br />

Fördersystems, bestehend aus<br />

Brechanlage, Bandanlagen und einem<br />

semimobilen Absetzer mit Transportraupe.<br />

Der Oberbau des Absetzers mit einer<br />

Gesamtlänge von 160 m stützt sich auf ein<br />

Portal ab, unter das die Transportraupe<br />

fahren kann, um den Absetzer zu bewegen.<br />

Die Tragkonstruktion des Abwurfauslegers<br />

wurde als leichte Rohrkonstruktion<br />

mit horizontaler und vertikaler Seilverspannung<br />

gestaltet. Hierdurch konnte eine<br />

Gewichtseinsparung um 50 % gegenüber<br />

einem vergleichbaren Absetzer mit Fahrund<br />

Schwenkwerk erzielt werden. Außerdem<br />

sind durch das neue Konzept die<br />

Betriebskosten deutlich geringer.<br />

Die Außenkonturen der zum Bewegen<br />

des Absetzers und zum Versetzen der<br />

Brechanlagen notwendigen Transportraupe<br />

musste an die freien Querschnitte der<br />

vorhandenen Systeme angepasst werden.<br />

So entstand eine sehr kompakte Transportraupe<br />

mit extremer Tragfähigkeit und Leistung.<br />

Linda Frederick, B. Comm,<br />

Marketing und Kommunikation,<br />

Krupp Canada, Inc., Calgary, Kanada<br />

Seite 60<br />

Öko-Schiffsbelader von Krupp<br />

Canada<br />

Kupferkonzentrat stellt für die Meeresflora<br />

und -fauna eine potenzielle Gefährdung<br />

dar. Für eine Hafenanlage in Chile, in<br />

der bis zu 1 Mio t Kupferkonzentrat pro<br />

Jahr verladen werden, wurde Krupp Canada<br />

mit der Entwicklung und dem Bau eines<br />

Schiffsbeladers beauftragt, bei dem das<br />

Verschütten von Kupferkonzentrat vollständig<br />

vermieden werden sollte.<br />

Kritisches Element eines Schiffsbeladers<br />

ist der Ausleger, der bis zu den Luken des<br />

Schiffes reichen muss. Um einerseits den<br />

statischen Anforderungen zu genügen und<br />

andererseits das Gewicht des Auslegers<br />

möglichst gering zu halten, wird üblicherweise<br />

der Ausleger als leichte Fachwerkkonstruktion<br />

ausgebildet. Da mit dieser<br />

traditionellen Bauweise ein Verschütten<br />

des Transportgutes nicht auszuschließen<br />

ist, entschied sich Krupp Canada für ein<br />

völlig geschlossenes, staubdichtes System<br />

mit einem Ausleger in Röhrenform. Die<br />

Röhre erfüllt dabei alle mechanischen Auslegerfunktionen<br />

und fungiert zugleich als<br />

tragendes Bauteil.<br />

Der Ausleger wurde zur Sicherstellung<br />

der Umweltaspekte mit einer Staubsaugvorrichtung<br />

ausgestattet, mit der während<br />

der Wartungsperioden das Innere des Auslegers<br />

gereinigt werden kann.


08<br />

Inhalt<br />

Dr.-Ing. Holger Thielert,<br />

Stellv. Hauptabteilungsleiter Gastreatment<br />

Plants,<br />

Thyssen Krupp Encoke GmbH, Bochum<br />

Seite 63<br />

Automatisierung und Optimierung<br />

von Gasreinigungsanlagen<br />

mit GasControl<br />

Gasreinigungsanlagen als Bestandteil<br />

von Kokereien werden heute noch weitgehend<br />

manuell gefahren, das Betriebsergebnis<br />

ist somit in hohem Maße abhängig<br />

von der Motivation, Qualifikation und<br />

Erfahrung des Bedienpersonals.<br />

Mit GasControl wurde erstmalig ein<br />

System für den automatisierten und optimierten<br />

Betrieb von Gasreinigungsanlagen<br />

entwickelt. Das System besteht im Wesentlichen<br />

aus einem Datenserver, einem<br />

Modellrechner und einer Auswerte-/<br />

Bedienstation. Der Datenserver beinhaltet<br />

eine Echtzeitdatenbank, die kontinuierlich<br />

mit Prozessdaten versorgt wird. Diese<br />

Daten werden im Modellrechner als<br />

Eingangsgrößen in einem dynamischen<br />

Simulationsmodell verarbeitet und hieraus<br />

Sollwerte für die Prozessregelung berechnet,<br />

die nachfolgend an das Leitsystem<br />

übertragen werden. Das Gesamtsystem ist<br />

flexibel aufgebaut, sodass es sich automatisch<br />

auf unterschiedliche Standardbetriebsweisen<br />

einstellen kann.<br />

GasControl wurde bereits auf zwei<br />

Anlagen installiert. Die Betriebserfahrungen<br />

zeigen, dass es mit GasControl<br />

möglich ist, Gasreinigungsanlagen immer<br />

am optimalen Betriebspunkt zu betreiben.<br />

Der modulare Aufbau und die Verwendung<br />

kommerzieller Standardsoftware<br />

machen die Übertragung auf Chemie-/<br />

Petrochemieanlagen aller Art möglich.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Dr.-Ing. Lutz Palm,<br />

Geschäftsführer,<br />

JAFO Technologie, Hamburg<br />

Dipl.-Ing. Norbert Platz,<br />

Leiter Fertigung,<br />

Blohm+Voss Repair GmbH, Hamburg<br />

Seite 69<br />

Innovative Technologien zur Entlackung<br />

und Farbbeschichtung<br />

von Schiffen im Dock<br />

Die Reinigung und Farbbeschichtung der<br />

Schiffsaußenhaut sind arbeitsintensive<br />

und umweltsensitive Prozesse, die zudem<br />

meist in kurzen Dockliegezeiten durchgeführt<br />

werden müssen.<br />

Die Blohm+Voss Repair GmbH hat hierfür<br />

innovative Technologien mit den<br />

Zielsetzungen: Reduzierung der Umweltbelastungen,<br />

Schonung von Materialressourcen,<br />

Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

sowie Erhöhung der<br />

Produktivität entwickelt.<br />

Zur Reinigung findet das Waterblasting<br />

in Form von Hochdruckwasserstrahlen mit<br />

integrierter Prozess- und Abwasserbehandlung<br />

Anwendung. Gegenüber dem<br />

konventionellen Gritblasting kann die<br />

Menge anfallender und zu entsorgender<br />

Reststoffe deutlich reduziert werden.<br />

Außerdem erhöht Waterblasting die<br />

Qualität der gereinigten bzw. entlackten<br />

Schiffsaußenhaut.<br />

Mit dem PAINTMASTER wurde eine automatisierte<br />

mobile Beschichtungsanlage<br />

entwickelt, deren wesentliches Element ein<br />

mehrdüsiger Spritzkopf mit Oversprayabsaugung<br />

ist. Die Strahlführung im gekapselten<br />

Beschichtungskopf verbessert die<br />

Homogenität und Reproduzierbarkeit des<br />

Farbauftrags, und durch Oversprayminimierung<br />

kann der Farbverlust drastisch<br />

reduziert werden. Infolge der realisierten<br />

Teilautomatisierung werden der Personalbedarf<br />

verringert und verbesserte Arbeitsbedingungen<br />

geschaffen.


9<br />

Dr.-Ing. Bernhard Engl,<br />

Dipl.-Ing. Jürgen Esdohr,<br />

Dr.-Ing. Jens-Arend Feindt,<br />

Pkw-Seitenaufprallträger aus Mehrphasenstählen<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Dr.-Ing. Thomas Heller,<br />

Dipl.-Ing. Klaus Köhler,<br />

Dipl.-Ing. Günter Stich<br />

Seitenaufprallträger aus CP-Stahl werden bereits in<br />

der Großserie, wie z. B. beim VW Golf IV, eingesetzt<br />

(Bild 1). Quelle: Financial Times, Juni 1999


10<br />

1 Einleitung<br />

Pkw-Seitenaufprallträger aus Mehrphasenstählen<br />

Leichtbau verbindet man häufig zu<br />

Unrecht mit Werkstoffen wie Magnesium,<br />

Aluminium oder Kohlefasern. Die Anwendungsforschung<br />

konzentriert sich in vielen<br />

Fällen viel zu einseitig auf die Verwendung<br />

und Verarbeitung dieser „modernen“ Werkstoffe.<br />

In letzter Zeit wird zunehmend<br />

erkannt, dass auch bei dem vermeintlich<br />

bekannten Werkstoff Stahl noch längst<br />

nicht alle Potenziale ausgeschöpft sind. Es<br />

gibt absolut keinen Zweifel daran, dass vor<br />

allem Stahl zu den modernen und höchst<br />

attraktiven Leichtbauwerkstoffen gehört.<br />

Die Entwicklungsarbeiten der Stahlindustrie<br />

haben sich in den letzten Jahren darauf<br />

konzentriert, die Umform-, Festigkeits- und<br />

die Verarbeitungseigenschaften von Stahl<br />

zu verbessern (Bild 2). Dies fängt bei den<br />

weichen Stählen an und geht bis zu<br />

höchstfesten Martensitphasenstählen mit<br />

Festigkeiten von mehr als 1.200 MPa.<br />

Dabei ist es beispielsweise gelungen, den<br />

verfügbaren Festigkeitsbereich für Warmband<br />

um bis zu 50 % zu erweitern. Darüber<br />

hinaus konnten die Umformeigenschaften<br />

über einen weiten Festigkeitsbereich deut-<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

lich verbessert werden.<br />

Mit den Mehrphasenstählen wurde eine<br />

neue Stahlfamilie geschaffen. Neben den<br />

bekannten Verfestigungsmechanismen, wie<br />

Kornfeinung, Ausscheidungshärtung und<br />

Mischkristallverfestigung, nutzt man hier im<br />

Wesentlichen die Gefügehärtung. Die spezifischen<br />

Eigenschaften dieser Stähle resultieren<br />

aus der Kombination unterschiedlich<br />

harter Gefügebestandteile (Bild 3). Damit<br />

ist es möglich, einen Festigkeitsbereich von<br />

500 bis 1.200 MPa abzudecken. Die spezifischen<br />

Eigenschaften der Stähle resultieren<br />

aus der maßgeschneiderten Kombination<br />

von harten und weichen Gefügebestandteilen.<br />

Für die sehr hohen Festigkeiten<br />

der Complexphasenstähle (CP) sind die<br />

extrem feinkörnige, bainitische Grundstruktur<br />

mit eingelagerten Ferrit- und Martensitinseln<br />

und eine Ausscheidungshärtung verantwortlich.<br />

Die höchsten Festigkeiten<br />

erreicht man schließlich durch die im<br />

Wesentlichen martensitische Gefügestruktur<br />

der Martensitphasenstähle (MS).<br />

Da der Korrosionsschutz eine immer<br />

wichtigere Rolle im Automobilbau spielt,<br />

bietet <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahl alle Mehrphasenstähle<br />

auch oberflächenveredelt an.<br />

2 Festigkeits- und Crasheigenschaften<br />

Entwicklung höherfester Stähle (Bild 2) Gefügehärtung bei Mehrphasenstählen (Bild 3)<br />

Typisch für die Familie der Mehrphasenstähle<br />

ist ihr hohes Verfestigungsvermögen<br />

(work-hardening). Die Stähle verfestigen<br />

besonders bei geringen Verformungen sehr<br />

stark und zeigen darüber hinaus einen<br />

Bake-Hardening-Effekt, der im Gegensatz<br />

zu den bekannten BH-Stählen mit zunehmender<br />

Verformung ansteigt. Die bereits<br />

außerordentlich hohen Ausgangsfestigkeiten<br />

bei diesen Stählen führen zusammen<br />

mit hohem Work- und Bake-Hardening zu<br />

hohen Bauteilfestigkeiten.<br />

Im Hinblick auf das Crashverhalten sind<br />

die dynamischen Kennwerte der neuen<br />

Stähle von besonderem Interesse. Mit<br />

zunehmender Dehngeschwindigkeit nimmt<br />

die Fließspannung zu. Der Festigkeitsanstieg<br />

durch Vorverformung und anschließendes<br />

Bake-Hardening (20 Min./<br />

170 °C/Luft) bleibt auch bei hohen Dehngeschwindigkeiten<br />

erhalten. Damit sind<br />

wichtige Voraussetzungen für den Einsatz<br />

dieser Stähle für crashrelevante Bauteile<br />

erfüllt.<br />

In Versuchen unter einem Crash-Ham-


11<br />

Pkw-Seitenaufprallträger aus Mehrphasenstählen<br />

Seitenaufprallträger aus MS-W 1200 nach Crashversuch bei Raumtemperatur und bei -40 °C (Bild 4)<br />

mer, bei dem ein Fallgewicht mit einer definierten<br />

Geschwindigkeit einen bauteilähnlichen<br />

Standard-Crashkörper verformt,<br />

konnte die Auswirkung der erhöhten Werkstofffestigkeit<br />

nachgewiesen werden. Complexphasen-<br />

und Martensitphasenstähle<br />

zeichnen sich durch große Energieaufnahme<br />

sowie hohe Resthöhen nach der Crashverformung<br />

auch bei niedrigen Temperaturen<br />

aus.<br />

Auch Seitenaufprallträger aus höchstfestem<br />

Martensitphasenstahl, die an Stelle<br />

einer Stauchverformung mit einer Biegebeanspruchung<br />

geprüft wurden, zeigen bis zu<br />

-40 °C duktiles Verhalten im Crash-Fall<br />

(Bild 4).<br />

3 Der Anwendungsfall Seitenaufprallträger<br />

Eine nahezu ideale Anwendung für die<br />

hochfesten warmgewalzten CP- und MS-<br />

Stähle sind Seitenaufprallträger (Bild 5), die<br />

im Innenbereich von Pkw-Türen im unteren<br />

Drittel der Türrahmen befestigt werden und<br />

bei einem auftretenden Seitencrash den<br />

Überlebensraum bewahren sollen. Hier<br />

kommt es auf ein hohes Energieaufnahmevermögen<br />

im elastischen und gering plastischen<br />

Bereich an. Mit der Produktinnovation<br />

sind mehrere, sonst konkurrierende<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Ziele gleichzeitig erreicht worden: Gewichtsreduzierung,<br />

Kostenreduzierung und Prozessvereinfachung.<br />

Während Seitenaufprallträger<br />

aus konventionellen Stahlwerkstoffen<br />

nach oder während der Fertigung<br />

zusätzlich wärmebehandelt werden müssen,<br />

lassen sich die Träger aus den neuen<br />

Warmband-Stählen lediglich durch Stanzen<br />

und Kaltverformen herstellen, was erheblich<br />

Kosten einspart.<br />

Seitenaufprallträger aus elektrolytisch<br />

verzinktem CP-Stahl werden bereits heute<br />

in der Großserie, wie z.B. beim VW Golf IV,<br />

eingesetzt (Bild 1). Durch die Kombination<br />

von verzinktem Warmband mit hoher Festigkeit<br />

und guten Umformeigenschaften ist<br />

es gelungen, bei einem Automobilhersteller<br />

das aufwendigere Verfahren der Herstellung<br />

warmgepresster Teile mit anschließender<br />

Direkthärtung zu verdrängen.<br />

Neben der Reduzierung der Blechdicke<br />

von 1,9 auf 1,65 mm mit einer Gewichtsreduzierung<br />

von 13 % ergeben sich in der<br />

Herstellung beim Kunden beachtliche<br />

Kostenvorteile durch die bei der Kaltumformung<br />

erzielbare Reduzierung von Arbeitsgängen<br />

im Vergleich zur Warmumformung<br />

mit integrierter Härtung (Bild 6).<br />

Die noch höheren Festigkeiten des Martensitphasen-Stahles<br />

und die bei diesen<br />

Stählen einstellbaren geringen Walzdicken<br />

hat Thyssen Umformtechnik + Guss genutzt<br />

und einen gewichtsoptimierten Seitenaufprallträger<br />

auf Basis des warmgewalzten<br />

MS-Stahls zur Serienreife entwickelt.<br />

Dadurch lassen sich Bauteilfestigkeiten von<br />

bis zu 1.450 MPa realisieren, womit eine<br />

weitere Gewichtsreduzierung der Träger<br />

erreicht werden konnte. Das Bauteil ist<br />

damit nur wenige Gramm schwerer als ein<br />

bisher eingesetzter Seitenaufprallträger aus<br />

Aluminium, dafür aber bei verbesserten<br />

Eigenschaften um annähernd 50 % kostengünstiger<br />

(Bild 7). Zwei Automobilhersteller<br />

stellten die Produktion in der laufenden<br />

Serie auf das MS-W-1.200-Konzept um<br />

und haben damit Seitenaufprallträger aus<br />

Aluminium-Strangpressprofilen bzw. Rohren<br />

substituiert.<br />

Pkw-Seitenaufprallträger aus hochfesten Complex- und Martensitphasenstählen (Bild 5)


12<br />

Pkw-Seitenaufprallträger aus Mehrphasenstählen<br />

Einsparungen durch den Einsatz kaltumgeformter Seitenaufprallträger<br />

(Beispiel: Golf IV, Material: CP-W 1000) (Bild 6)<br />

Zerteilen<br />

4 Herstellungs- und Verarbeitungsentwicklungen<br />

Es ist damit zu rechnen, dass sich die<br />

neue Fertigungstechnologie der Herstellung<br />

kaltgeformter Seitenaufprallträger aus<br />

hochfesten Mehrphasenstählen bei weiteren<br />

Neufahrzeugen und Fahrzeugherstellern<br />

aufgrund der großen wirtschaftlichen<br />

Vorteile durchsetzt. Die vollständige Nutzung<br />

der in den hochfesten Mehrphasenstählen<br />

enthaltenen Potenziale beschränkt<br />

sich nicht auf die Herstellung von Seitenaufprallträgern.<br />

Simulationsrechnungen<br />

haben aufgezeigt, dass bei optimaler Werkzeugauslegung<br />

auch Stoßfänger und<br />

B-Säulenverstärkungen daraus herstellbar<br />

sind. Versuchs- und Serienfertigungen<br />

haben dies mittlerweile bestätigt.<br />

Voraussetzungen sind jeweils auf den<br />

Werkstoff abgestimmte Verarbeitungsprozesse,<br />

wobei die Werkstoff- und die Verfahrensentwicklung<br />

in enger Beziehung zur<br />

verfügbaren Anlagentechnik stehen. Dies<br />

gilt sowohl für den Hersteller des Werkstoffes<br />

als auch für den Anwender. In der Herstellung<br />

von Warmband kommt dem Verfahren<br />

des endabmessungsnahen Gießens<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

eine zunehmende Bedeutung zu. Die im<br />

letzten Jahr in Betrieb genommene<br />

Gießwalzanlage der Thyssen Krupp Stahl<br />

<strong>AG</strong> ist ein Beispiel dafür, wie innovative<br />

Werkstoff- und Anlagenentwicklung ineinander<br />

greifen und voneinander profitieren:<br />

Hier gibt es nunmehr beste Voraussetzungen<br />

zur Darstellung neuester hochfester<br />

Kaltumformstähle für Warm- und Kaltbandprodukte<br />

in noch geringeren Dicken bei<br />

geringeren Streuungen der Werkstoff- und<br />

Geometrieeigenschaften im Vergleich zur<br />

konventionellen Erzeugung.<br />

Konzeptvergleich Seitenaufprallträger (Bild 7)<br />

In der Verarbeitung, wie z.B. beim Stanzen<br />

und Kaltumformen, müssen natürlich<br />

die Verarbeitungsmaschinen den deutlich<br />

gestiegenen Festigkeiten der hochfesten<br />

Mehrphasenstähle gerecht werden. Bei<br />

einem der Kaltformung vorgeschalteten<br />

Schneidprozess sollte in der Schnittkante<br />

der Verfestigungsbetrag minimiert werden,<br />

um ggf. Anrisse bei der Umformung zu vermeiden.<br />

Weiterhin sollte die Werkzeugoberfläche<br />

den erhöhten Anforderungen durch<br />

die hohe Werkstoffhärte entsprechen, um<br />

Standzeiten zu optimieren.<br />

Diese beispielhaften, im Vergleich zu<br />

konventionellen Kaltumformstählen gestiegenen<br />

Anforderungen in den Verarbeitungsbedingungen<br />

zeigen, dass zur vollständigen<br />

Nutzung der Werkstoffpotenziale<br />

auch Entwicklungen in der Verarbeitung<br />

erforderlich sind.<br />

Die zuvor vorgestellten Resultate beweisen,<br />

dass Stahl ein leistungsfähiger Werkstoff<br />

ist, da sich mit ihm Begriffe wie Festigkeit,<br />

Sicherheit und gute Verarbeitbarkeit<br />

verbinden.


13<br />

Dr.-Ing. Jochen Krautschick,<br />

Dipl.-Ing. Peter Harbig<br />

Blechradträger aus NIROSTA ® H400<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Radträger aus NIROSTA ® H400 (Bild 1)


14<br />

Blechradträger aus NIROSTA ® H400<br />

1 Ausgangssituation<br />

Herkömmliche Radträger von Einzelradaufhängungen<br />

bestehen in der Regel<br />

aus einer Stahlgusskonstruktion mit einem<br />

angeschraubten Längslenker (Schwert).<br />

Diese Konstruktion hat den Nachteil, dass<br />

das Bauteil zum einen relativ schwer und<br />

zum anderen, bedingt durch die mechanische<br />

Bearbeitung, relativ teuer ist.<br />

2 Neuer Lösungsansatz<br />

Bei der vorgestellten Lösung wurde das<br />

Gussteil durch eine Blech-Schweiß-Konstruktion<br />

ersetzt. Außerdem wurde das<br />

Schwert integriert, sodass während der<br />

Montage das Anschrauben des Schwertes<br />

als Arbeitsgang entfällt. Bedingt durch die<br />

doppelseitige Aufnahme der Lenkerarme –<br />

bei der Gussteilkonstruktion werden die<br />

Lenkerarme einseitig verschraubt – gewinnt<br />

die Blechkonstruktion zusätzlich an Sturzund<br />

Spursteifigkeit. Das Gehäuse zur<br />

Aufnahme des Gummi-Metall-Lagers wird<br />

direkt aus dem Blech des Längslenkers<br />

durch Ziehen hergestellt und so ausgebildet,<br />

dass die Krafteinleitung mittig am freien<br />

Ende des Längslenkers erfolgt. Auch<br />

hierdurch wurde ein zusätzlicher Arbeitsgang<br />

(Einschweißen eines Rohrabschnittes)<br />

vermieden.<br />

3 Bauteiloptimierung<br />

In dem Bestreben, das Gewicht des Bauteiles<br />

weiter zu optimieren und selbst einen<br />

möglichen Gewichtsnachteil zu einer Aluminium-Guss-Ausführung<br />

zu minimieren,<br />

wurde das Bauteil aus NIROSTA ® H400<br />

weiterentwickelt. Durch Blechdickenreduzierungen<br />

war es möglich, nahezu das<br />

Gewicht des Aluminium-Teiles zu erreichen.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Herkömmliche Konstruktion eines Radträgers, bestehend aus einem Guss-Radträger<br />

mit angeschraubtem Biegelenker (Bild 2)<br />

Der Verlust an Steifigkeit, bedingt durch die<br />

Blechdickenreduzierung, konnte durch konstruktive<br />

Änderungen kompensiert werden.<br />

Die bereits angeführten Vorteile bezüglich<br />

des Herstellungsprozesses einer Stahl-<br />

Schweiß-Konstruktion bleiben erhalten.<br />

Ein weiterer Vorteil des Edelstahles ist die<br />

Korrosionsbeständigkeit. Gerade im<br />

Bereich des Fahrwerkes, das Steinschlägen<br />

und ständigen Umwelteinflüssen ausge-<br />

setzt ist, kann dieser Vorteil des Edelstahles<br />

genutzt werden, um bisher nie erreichte<br />

Blechstärken zu realisieren.<br />

4 Neuer Werkstoff<br />

NIROSTA ® H400<br />

NIROSTA ® H400 ist ein neuer nichtrostender<br />

Stahl, der speziell für konstruktive<br />

Anwendungen im Automobil im Wettbe-<br />

Blechpressteil-Lösung eines Radträgers, bestehend aus zwei Blechschalen mit integriertem Biegelenker<br />

(Bild 3)


15<br />

Blechradträger aus NIROSTA ® H400<br />

Hinterachse mit eingebauten Radträgern (gelb) als Blech-Schweiß-Konstruktion<br />

(Bild 4)<br />

werb mit Aluminium entwickelt wurde. Die<br />

Entwicklung folgte dabei konsequent den<br />

Anforderungen, wie sie in der ULSAB-Studie<br />

(Ultra-Light-Steel-Automotive-Body) der<br />

internationalen Stahlindustrie formuliert<br />

wurden. Dort werden für den Leichtbau mit<br />

Stahl Werkstoffe mit hohen Streckgrenzen<br />

und Festigkeiten bei sehr gutem Umformvermögen<br />

gefordert. Zusätzlich sind hohe<br />

Schwingfestigkeit und Energieaufnahme im<br />

Crash von herausragender Bedeutung.<br />

NIROSTA ® H400 weist Streckgrenzen von<br />

min. 400 N/mm2 auf. Auf Grund der besonderen<br />

Verfestigungsmechanismen der austenitischen<br />

Gitterstruktur hat man auch bei<br />

diesen Festigkeiten noch ein ausgezeichnetes<br />

Umformvermögen, das sich in einer<br />

Bruchdehnung von ca. 50 % widerspiegelt.<br />

Die Vorteile in der Schwingfestigkeit und in<br />

der Crashenergieaufnahme sind auch im<br />

Vergleich zu hochfestem Feinblech erheblich.<br />

Die Eigenschaften ermöglichen bei den<br />

potenziellen Anwendungen deutliche<br />

Blechdickenreduzierungen im Vergleich zu<br />

ferritischem Stahl. Bei flächigen Bauteilen,<br />

wie der Außenhaut, ist das Leichtbaupotenzial<br />

gering, denn die elastischen Eigen-<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

schaften und die Dichte sind vergleichbar<br />

dem ferritischen Stahl.<br />

Die Korrosionsbeständigkeit entspricht<br />

den bekannten Edelstählen wie 1.4301.<br />

Probleme bei der Lackierbarkeit, die den<br />

Einsatz im Automobil beeinträchtigen<br />

könnten, sind nicht bekannt.<br />

5 Ausblick<br />

Mechanische Eigenschaften der NIROSTA ® H-Stähle im Vergleich (Bild 5)<br />

Generell zeichnet sich ab, dass Kosten<br />

und Gewicht von Bauteilen aus NIROSTA ®<br />

H400 zwischen den Vergleichswerten von<br />

Stahl und Aluminium liegen. Der Fahrzeugentwickler<br />

muss also bei Zwang zum<br />

Leichtbau nicht mehr sofort den Sprung<br />

zum Aluminium wagen, sondern hat erstmals<br />

als Alternative eine Zwischenlösung,<br />

verbunden mit der eingeführten Fertigungstechnologie<br />

von Stahl.<br />

NIROSTA ® H400 wird daher genau dort<br />

zum Zuge kommen, wo bereits Aluminium-<br />

Lösungen eingesetzt werden oder wo man<br />

über solche Lösungen nachdenkt. Der<br />

erwartete Zuwachs für NIROSTA ® H400<br />

wird daher im Wesentlichen auf Kosten des<br />

Wachstums von Aluminium erfolgen.<br />

Die strategische Bedeutung einer Ausweitung<br />

der Anwendungsgebiete für den<br />

Edelstahl im Automobil ist hoch: Eine Steigerung<br />

des durchschnittlichen Einsatzes<br />

um 10 kg bei den in Europa gefertigten<br />

Fahrzeugen wird den europäischen<br />

Gesamt-Edelstahlverbrauch um ca.<br />

7 % p.a. anheben.


16<br />

Dr.-Ing. Harald Espenhahn<br />

Aluchrom 7Al YHf – Neuer Katalysatorträger-Werkstoff von Krupp VDM<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Schnitt durch einen metallischen Abgaskatalysator mit Blick auf die<br />

Trägerfolie (Bild 1)


17<br />

1 Einleitung<br />

Aluchrom 7Al YHf – Neuer Katalysatorträger-Werkstoff von Krupp VDM<br />

In heutigen Automobilabgaskatalysatoren<br />

werden 95–99 % der bei der Verbrennung<br />

anfallenden Kohlenwasserstoffe<br />

umgewandelt. Dieser hohe Prozentsatz ist<br />

jedoch immer noch nicht ausreichend für<br />

die kommenden Abgasbestimmungen, d.h.<br />

für die ab dem Jahre 2005 geltende<br />

europäische Vorschrift EURO LEVEL IV und<br />

für die aktuelle kalifornische ULEV (Ultra<br />

Low Emission Vehicle) oder die SULEV<br />

(Super Ultra Low Emission Vehicle), die im<br />

Jahre 2003 in Kalifornien in Kraft tritt und<br />

möglicherweise in den gesamten USA gelten<br />

soll.<br />

Um die künftigen Abgasnormen einhalten<br />

zu können, ist die Entwicklung neuartiger<br />

Katalysatorkonzepte erforderlich. Da<br />

etwa 70 % der emittierten Schadstoffe<br />

während der Startphase anfallen, müssen<br />

Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen<br />

auf ein schnelleres Erreichen<br />

der Betriebstemperatur des Katalysators<br />

abzielen. Dies wird möglich durch elektrisches<br />

Vorheizen, näheres Heranrücken<br />

des Katalysators an den Motor und vor<br />

allem durch die Reduzierung der Dicke der<br />

Trägerfolien.<br />

2 Neue metallische Katalysatorträger<br />

Neue Katalysatorkonzepte erfordern neue<br />

Werkstoffe. Der wabenförmige Trägerkörper,<br />

auf den der eigentliche Katalysator,<br />

das Edelmetall Platin oder Rhodium, aufgebracht<br />

wird, bestand in der Vergangenheit<br />

überwiegend aus Keramik. Zunehmend<br />

setzen sich jedoch Katalysatorträger aus<br />

gewickelten Metallfolien durch (Bild 1).<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

2.1 Eigenschaften metallischer<br />

Katalysatorträger<br />

Metallische Katalysatorträger heizen sich<br />

schneller auf und bieten darüber hinaus<br />

noch die Möglichkeit des elektrischen Vorheizens.<br />

Zudem zeigen sie eine gute Temperaturschockbeständigkeit,<br />

eine große<br />

spezifische Oberfläche und stellen damit<br />

geringere Anforderungen an die Bauraumgröße<br />

gegenüber keramischen Systemen.<br />

Ein entsprechend geringerer Rückstaudruck<br />

ermöglicht darüber hinaus einen bei wirtschaftlicher<br />

Fahrweise geringeren Kraftstoffverbrauch.<br />

Die übliche Dicke der Metallfolien beträgt<br />

zurzeit 50 µm. Um die erforderliche<br />

Betriebstemperatur des Katalysators noch<br />

schneller zu erreichen, sollen künftig Trägerfolien<br />

mit einer Dicke von nur 30 µm<br />

oder weniger zum Einsatz kommen.<br />

Kumulierte Kohlenwasserstoff-Emissionen [g]<br />

2.2 Oxidationsbeständigkeit und<br />

Lebensdauer<br />

Die Anforderungen an die Hitzebeständigkeit<br />

der metallischen Katalysatorträger<br />

bei Abgastemperaturen bis zu 1.100 °C<br />

sind bereits jetzt so hoch, dass die Reduzierung<br />

der Foliendicke auf 30 µm mit konventionellem<br />

Material und ein dichteres<br />

Heranrücken des Katalysators an den<br />

Motor nicht möglich sind, ohne damit ein<br />

Durchkorrodieren der Folie in Kauf zu nehmen.<br />

Mit abnehmender Foliendicke wird die<br />

Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der<br />

„Breakaway Corrosion“ immer größer<br />

(Bild 2).<br />

Trägerfolien für Katalysatoren in SULEV-<br />

Fahrzeugen müssen demnach eine hohe<br />

Oxidationsbeständigkeit aufweisen, damit<br />

bei einer Reduzierung der Foliendicke von<br />

50 µm auf 30 µm keine Reduzierung der<br />

Lebensdauer auftritt. So wird ein neuer<br />

Werkstoff benötigt, der sich unter den<br />

Erfüllung zukünftiger Abgasgrenzwerte mit neuen metallischen Katalysatorträgern (Bild 2)<br />

Quelle: Emitec, Lohmar


18<br />

Aluchrom 7Al YHf – Neuer Katalysatorträger-Werkstoff von Krupp VDM<br />

Einfluss der Foliendicke auf die Lebensdauer dünner Folien aus einer Fe-Cr-Al-Legierung (Bild 3)<br />

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500<br />

Oxidationszeit in h<br />

genannten Bedingungen für die Verwendung<br />

als Folie in Dicken von weniger als<br />

30 µm eignet.<br />

Als Trägermaterialien für metallische<br />

Automobilabgaskatalysatoren finden zurzeit<br />

Metallfolien mit einer Dicke von 50 µm aus<br />

Fe-20Cr-5Al-Legierungen mit Zusätzen der<br />

reaktiven Elemente Cer, Lanthan oder Yttrium<br />

Verwendung. Ihre hohe Oxidationsbeständigkeit<br />

bei Temperaturen bis zu<br />

1.100 °C erhalten diese Werkstoffe durch<br />

eine schützende, langsam wachsende<br />

Schicht aus Aluminiumoxid (α-Al2O3),<br />

deren Haftung durch die reaktiven Elemente<br />

verbessert wird. Da während des Betriebes<br />

jedoch laufend Aluminium für das<br />

Wachstum der Aluminiumoxidschicht verbraucht<br />

wird, kann es nach langen<br />

Betriebszeiten zu einer Aluminiumverarmung<br />

mit anschließender Zerstörung der<br />

Trägerfolie durch die Bildung nichtschützender<br />

Oxide, der so genannten „Breakaway<br />

Corrosion“, kommen.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

2.3 Einfluss von Aluminium auf<br />

die Oxidationsbeständigkeit<br />

Die alleinige Anhebung des Aluminiumgehaltes<br />

von 5 % auf 7 % wirkt sich nur<br />

geringfügig auf das Oxidationsverhalten<br />

der Fe-Cr-Al-Legierungen aus. Eine niedrige<br />

Oxidationsgeschwindigkeit setzt eine<br />

genaue Abstimmung der reaktiven Elemente<br />

Yttrium, Titan, Zirkonium und Hafnium<br />

voraus. Bei zu geringen Gehalten an reaktiven<br />

Elementen kommt es zum Abplatzen<br />

schützender Oxidschichten. Eine zu hohe<br />

Konzentration an reaktiven Elementen führt<br />

zu hohen Oxidationsraten und innerer Oxidation.<br />

Durch eine geeignete Kombination<br />

aus abgestimmten Gehalten an reaktiven<br />

Elementen und Aluminium lässt sich die<br />

Oxidationsbeständigkeit deutlich verbessern<br />

und der spezifische elektrische Widerstand<br />

auf ein für elektrische Vorheizungen<br />

günstiges Niveau anheben.<br />

Es ist deutlich zu sehen, dass sich<br />

bereits ohne signifikante Anhebung des<br />

Aluminiumgehaltes allein durch Abstim-<br />

mung der reaktiven Elemente die Foliendicke<br />

bei gleicher Lebensdauer von 50 µm<br />

auf etwa 40 µm reduzieren lässt. Wird der<br />

Aluminiumgehalt auf 7 % erhöht, so ist eine<br />

Reduzierung der Foliendicke auf weniger<br />

als 30 µm ohne Lebensdauereinbuße möglich<br />

(Bild 3). Aus den Basisdaten des Entwicklungsprogramms<br />

lässt sich die<br />

Lebensdauer als Funktion der Foliendicke<br />

berechnen.<br />

Der spezifische elektrische Widerstand in<br />

Fe-20Cr-Legierungen steigt mit der Höhe<br />

des Aluminium- und Siliziumgehaltes und<br />

erreicht bei der Kombination aus Legierungsgehalten<br />

von rund 7 % Aluminium<br />

und 0,3 % Silizium einen Wert von zirka<br />

1,6 Ωmm2 /m gegenüber 1,4 Ωmm2 /m bei<br />

den üblichen, niedriger legierten<br />

Fe-20Cr-5Al-Werkstoffen (Bild 4).<br />

2.4 Herstellung von Katalysatorband<br />

mit höherem Aluminiumgehalt<br />

Konventionell werden Fe-20Cr-5Al-Legierungen<br />

über die Erschmelzung von Blöcken<br />

mit anschließender Warm- und Kaltumformung<br />

hergestellt. Dieser Weg stößt jedoch<br />

bei Aluminiumgehalten von mehr als 6 %<br />

auf Grund von Versprödungserscheinungen<br />

an seine Grenzen. So steigt bei angegebenem<br />

Aluminiumgehalt die Kerbschlagübergangstemperatur<br />

auf Werte weit oberhalb<br />

von 100 °C an, was zu entsprechenden<br />

Schwierigkeiten sowohl im Bereich der<br />

Warm- als auch in der anschließenden<br />

Kaltformgebung führt. Die Verarbeitung ist<br />

deutlich einfacher und das Ausbringen<br />

höher, wenn der Aluminiumgehalt unter<br />

6 % liegt.<br />

Um den gewünschten, höheren Aluminiumgehalt<br />

einzustellen, wird ein konventionell<br />

hergestelltes Fe-Cr-Band, welches


19<br />

Aluchrom 7Al YHf – Neuer Katalysatorträger-Werkstoff von Krupp VDM<br />

Lebensdauer von dünnen Fe-Cr-Al-Folien als Funktion der Foliendicke (Bild 4)<br />

schon die notwendigen reaktiven Elemente<br />

wie Yttrium und Hafnium enthält, an Zwischendicken<br />

mit Aluminium beschichtet<br />

und dann als Werkstoffverbund an Endabmessung<br />

gewalzt. Das Beschichten kann<br />

durch Plattieren oder Schmelztauchaluminieren<br />

erfolgen. Die eigentliche Fe-20Cr-<br />

7Al-Legierung bildet sich nach einer geeigneten<br />

Diffusionsgleichung, die sowohl an<br />

Zwischenabmessungen als auch am fertigen<br />

Bauteil durchgeführt werden kann.<br />

Über die Parameter der Diffusionsglühung<br />

wird die Aluminiumverteilung über<br />

die Bauteildicke gezielt eingestellt und die<br />

Oxidationsbeständigkeit günstig beeinflusst.<br />

Damit kann ein neuer Werkstoff zur<br />

Verfügung gestellt werden, der die Anfor-<br />

Oxidationsbeständige Fe-Cr-Al-Legierungen für Katalysatorfolien (Bild 5)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

derungen im Hinblick auf Oxidationsbeständigkeit<br />

und Umformbarkeit in gleichem<br />

Maße erfüllt.<br />

3 Neuer Katalysatorträger-<br />

Werkstoff von Krupp VDM<br />

Unter Federführung der Krupp VDM<br />

GmbH wurde ein völlig neuer Stahl mit<br />

20 % Chrom, 7 % Aluminium und genau<br />

festgelegten Gehalten an den so genannten<br />

„reaktiven Elementen“ Yttrium und Hafnium<br />

entwickelt. Diese neue Stahllegierung<br />

(Aluchrom 7Al YHf) kann in Foliendicken<br />

von nur 25 µm eingesetzt werden, ohne<br />

Einbußen bei der Lebensdauer des Katalysators.<br />

Darüber hinaus weist sie mit<br />

1,6 Ωmm2 /m einen spezifisch elektrischen<br />

Widerstand auf, der ein Vorheizen des<br />

Katalysators erlaubt. Parallel zur Werkstoffentwicklung<br />

erfolgte die Entwicklung eines<br />

Fertigungsverfahrens zur wirtschaftlichen<br />

Herstellung von dünnen Stahlfolien mit<br />

einem Aluminiumgehalt von 7 %.<br />

Mit dem Einsatz des neu entwickelten<br />

Stahls wird die Einhaltung der für die Jahre<br />

2003 und 2005 geltenden SULEV- und<br />

EURO-LEVEL IV-Normen schon jetzt<br />

erreicht und die rasante Marktdurchdringung<br />

des metallischen Katalysators über<br />

die Bereitstellung einer maßgeschneiderten<br />

Legierung in entsprechender Weise unterstützt<br />

(Bild 5).<br />

Das Forschungsprojekt wurde mit Mitteln<br />

des Bundesministeriums für Bildung und<br />

Forschung gefördert.<br />

Projektpartner: Emitec GmbH, Lohmar,<br />

Fraunhofer-Institut für Angewandte Materialforschung,<br />

Bremen und Universität/GH,<br />

Wuppertal.


20<br />

Dr. Ken Rusch<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen für neue SUV- und Pickup-Modelle<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

SMC-Ladekasten (Cargo-Box) des Ford Explorer Sport Trac,<br />

hergestellt von Budd im Werk North Baltimore, Ohio (Bild 1)


21<br />

1 Einführung<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen für neue SUV- und Pickup-Modelle<br />

SMC-Verbundwerkstoffe (Sheet molding<br />

composite) wurden erstmals Anfang der<br />

70er Jahre im Außenbereich von Kraftfahrzeugkarosserien<br />

eingesetzt. Zu den ersten<br />

Anwendungen gehörten Kühlergrillöffnungen,<br />

Heckspoiler und verschiedene Komponenten<br />

der Chevrolet Corvette. Im Laufe<br />

der Zeit fand SMC im Automobilbereich<br />

immer mehr Anwendungen, und die Prognosen<br />

für den nordamerikanischen Markt<br />

belaufen sich für das Modelljahr 2000 auf<br />

110.000 t. Die Plastics Division der Budd<br />

Company deckt etwa 1 /3 dieses Marktes für<br />

Verbundwerkstoffe ab.<br />

Jetzt – 30 Jahre nach den ersten erfolgreichen<br />

Anwendungen von SMC – wird den<br />

Verbundwerkstoffen im Automobilbereich<br />

ein noch schnelleres Wachstum und durch<br />

Großanwendungen weiterer Auftrieb prognostiziert,<br />

wie z.B. durch die SMC-Cargo-<br />

Box (Ladekasten) des Ford Explorer Sport<br />

Trac, die im Budd-Werk North Baltimore,<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Ohio, gefertigt wird (Bild 1). Die Automotive<br />

Composites Alliance (ACA), ein industrieller<br />

Verband von Formereien und Rohstofflieferanten,<br />

sagt eine 44 %ige Zunahme der<br />

Produktion von Verbundwerkstoffen in den<br />

nächsten fünf Jahren vorher. Lkw-Ladekästen<br />

haben einen erheblichen Anteil an<br />

diesem Wachstum.<br />

In Nordamerika wurden im Jahr 1999<br />

etwa 17 Millionen Fahrzeuge verkauft, von<br />

denen 49 % als Lkw eingestuft wurden. Die<br />

sogenannten SUV-Fahrzeuge (Sport Utility<br />

Vehicles) mit 2,8 Millionen Stück und die<br />

Pickups mit 2,9 Millionen Stück machen<br />

etwa 1 /3 aller verkauften Fahrzeuge aus.<br />

Der neue Ford Explorer Sport Trac mit einer<br />

Cargo-Box aus Verbundwerkstoff charakterisiert<br />

eine neue Fahrzeugkategorie und<br />

kommt den Wünschen sowohl von Pickupals<br />

auch von SUV-Käufern entgegen<br />

(Bild 2).<br />

Kaufinteressenten begutachten die SMC-Cargo-Box des Ford Explorer Sport Trac (Bild 2)<br />

2 Verbundwerkstoffe<br />

SMC ist ein warmhärtender Verbundwerkstoff,<br />

der aus Polyesterharz,<br />

Glasstapelfaser, Füllstoff und Additiven zur<br />

Erzielung guter Oberflächenqualität<br />

besteht. Andere Zusätze regeln die Härtegeschwindigkeit,<br />

die Formtrennung, Farbund<br />

Verarbeitungseigenschaften. Die Budd<br />

Plastics Division produziert für ihre drei Formereien<br />

SMC in einer einzigen Kompoundieranlage<br />

in Van Wert, Ohio. Die von Budd<br />

entwickelten Rezepturen ergeben Verbundwerkstoffe<br />

mit ausgewogenen Eigenschaften<br />

hinsichtlich der Oberflächenqualität,<br />

Wärmebeständigkeit für Lacktrockenöfen,<br />

Strukturfestigkeit und Zähigkeit für die verschiedensten<br />

Autokarossie-Anwendungen.<br />

Außerdem zeichnen sich Verbundwerkstoffe<br />

im Vergleich zu konventionellen Stahlblechkonstruktionen<br />

durch niedrigere Kosten,<br />

geringeres Gewicht, hohe Bauteilfestigkeit,<br />

Beulfestigkeit und Korrosionsschutz aus.<br />

RRIM (Reinforced Reaction Injection<br />

Molding) ist ein weiterer von der Budd Plastics<br />

Division eingesetzter Formgebungsprozess.<br />

RRIM ist ein Reaktions-Spritzgieß-<br />

Verfahren für warmhärtendes Zweikomponenten-Polyurethan-<br />

oder Polykarbamidmaterial,<br />

dem Füllstoffe zugesetzt werden,<br />

um die Festigkeit, Steifheit sowie die erforderliche<br />

Wärmebeständigkeit für den<br />

Lackierungsprozess zu erreichen. Vom<br />

Budd-Werk in North Baltimore, Ohio, werden<br />

derzeit RRIM-Heckseitenteile für<br />

Pickups (Ladekasten-Außenelemente) eingeführt,<br />

und zwar für die GM-Modelle Fleetside<br />

und Dually. Zur Verstärkung dient entweder<br />

Mica- oder Wollastonit-Mineralfüllstoff.<br />

SRIM (Structural Reaction Injection<br />

Molding) ist ein Formgebungsverfahren für<br />

Verbundwerkstoffe, bei dem die Glasfaser-


22<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen für neue SUV- und Pickup-Modelle<br />

Einzelteile der SMC-Cargo-Box (Bild 3)<br />

SMC-Laderaumabdeckung äußere Befestigungsleiste<br />

SMC-Cargo-Box<br />

äußere Befestigungsleiste<br />

hinteres Radhaus<br />

SMC-Seitenverkleidung<br />

verstärkung in einen Vorformling integriert<br />

wird, den man in die Form legt, bevor das<br />

warmhärtende Polyurethan- oder Polykarbamidharz<br />

eingespritzt wird. GM hat<br />

angekündigt, dass das Innere der Cargo-<br />

Box des 2001er Modells des Chevrolet<br />

Silverado Pickups der 1500er Serie aus<br />

SRIM-Verbundwerkstoff bestehen wird.<br />

Das Budd Technical Center hat für die<br />

Glasfaserverstärkung ein Saugling-<br />

Vorformungsverfahren (Slurry Preforming<br />

Process) entwickelt, um die Kosten des<br />

SRIM-Prozesses zu senken (siehe „forum –<br />

<strong>Technische</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>ThyssenKrupp</strong>“,<br />

April 1999).<br />

3 Ford Explorer Sport Trac<br />

Der Sport Trac des Baujahres 2001, der<br />

zurzeit in den Ausstellungsräumen der<br />

Händler besichtigt werden kann, ist das<br />

erste Fahrzeug mit einer SMC-Cargo-Box<br />

(Bild 1). Dieser Truck wird als Sport-Utility-<br />

Vehicle beworben, kombiniert jedoch die<br />

Attribute eines Pickups mit denen eines<br />

SUV-Fahrzeugs. Mit seinen vier Türen,<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

hinteres Radhaus<br />

Stahlverstärkung<br />

SMC-Seitenverkleidung<br />

einem 1,2 m langen Ladekasten und der<br />

SMC-Laderaumabdeckung bietet der Sport<br />

Trac die Geräumigkeit eines SUV und<br />

zusätzlich einen verriegelbaren Laderaum,<br />

den SUV normalerweise nicht bieten. Durch<br />

das Entfernen der Abdeckung erhält man<br />

einen offenen Laderaum, der kratz-, stoßund<br />

korrosionsfest ist. Ford rechnet mit<br />

Verkaufszahlen von ca. 100.000 Stück pro<br />

Jahr.<br />

Im SMC-Ladebereich befindet sich ein<br />

12-Volt-Anschluss, an den ein Wandler für<br />

den Betrieb von elektrischen Werkzeugen<br />

oder Außenanlagen angeschlossen werden<br />

kann – eine Branchenpremiere im offenen<br />

Ladebereich. An der SMC-Box sind 10<br />

Befestigungsmöglichkeiten für das Ladegut<br />

angebracht – sechs an der oberen Schiene<br />

und vier im Inneren des Ladebereichs.<br />

Jeder Befestigungspunkt hat eine Belastbarkeit<br />

von 3.200 N. Mit einem separat<br />

erhältlichen Kunststoffteiler kann der<br />

Ladebereich in zwei separate Stauzonen<br />

unterteilt werden.<br />

Eine SMC-Laderaumabdeckung verleiht<br />

dem Sport Trac ein elegantes Aussehen<br />

und deckt den Ladebereich vollständig ab.<br />

Sie besteht aus zwei Teilen und wird in der<br />

Mitte aufgehängt, so dass der Fahrer sie<br />

von vorn oder hinten zusammenklappen<br />

kann; außerdem kann sie mit demselben<br />

Schlüssel wie die Fahrzeugtüren verriegelt<br />

werden. Jeder Abschnitt der Laderaumabdeckung<br />

besteht aus einem verklebten<br />

SMC-Verbund. Die Ford-Ingenieure entschieden<br />

sich für die Entwicklung einer<br />

eigenen SMC-Abdeckung, nachdem sie<br />

eine Reihe von verschiedenen Produkten<br />

auf dem Zubehörmarkt getestet hatten,<br />

und dabei feststellten, dass davon keines<br />

sämtliche Leistungskriterien von Ford<br />

erfüllt. Dies ist die erste Laderaumabdeckung,<br />

die als Originalausstattung von<br />

Ford angeboten wird (Bild 3).<br />

„Wenn die Leute den neuen Explorer<br />

Sport Trac sehen, dann bleiben sie stehen,<br />

um sich das Fahrzeug genauer anzusehen.<br />

Wenn sie die Möglichkeit haben, ihn zu<br />

erproben, dann finden sie, dass das Fahrzeug<br />

durch den offenen Ladebereich eine<br />

nie dagewesene Vielseitigkeit bietet. Es eignet<br />

sich gut zum Transport von Gegenständen<br />

wie langen Holzteilen, Gartengeräten<br />

oder Angelausrüstungen. Es bietet viele<br />

Befestigungsmöglichkeiten und eine wetterfeste<br />

Außensteckdose. Wenn man die<br />

verriegelbare harte Laderaumabdeckung<br />

aufsetzt, wird daraus ein riesengroßer Kofferraum“,<br />

sagte Steve Ross, der leitende<br />

Ingenieur des Ford-Sport-Trac-Programms.


23<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen für neue SUV- und Pickup-Modelle<br />

Ausstoßen der SMC-Cargo-Box aus dem Formwerkzeug (Bild 4)<br />

4 Der Beitrag von SMC bei der<br />

Konstruktion des Sport Trac<br />

Die einzigartigen Möglichkeiten des Sport<br />

Trac sind eine Folge der von Ford getroffenen<br />

Entscheidung, SMC-Material zu verwenden.<br />

Neben dem aus einem Stück<br />

bestehenden Ladekasten-Inneren bestehen<br />

die äußeren Seitenverkleidungen der Box<br />

und die zweiteiligen verklebten Laderaumabdeckungen<br />

aus SMC. Alle Teile werden<br />

im Budd-Werk in North Baltimore hergestellt<br />

(Bild 4). Im Carey-Werk von Budd<br />

werden die Kühlergrillöffnung (Grille<br />

Opening Panel – GOP) für den Sport Trac<br />

und ähnliche GOP-Elemente für die Ford-<br />

Modelle Explorer, Mountaineer und Ranger<br />

hergestellt.<br />

Als „Full Service Supplier“ für Ford hat<br />

die Budd Plastics Division bei der Konstruktion<br />

der Komponenten, beim Prototyping<br />

und bei der Erprobung eng mit den<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Ford-Ingenieuren zusammengearbeitet.<br />

Dadurch konnten alle SMC-Teile unter Ausnutzung<br />

der Vorzüge des SMC-Materials<br />

und einer optimierten Auswahl des Ver-<br />

Entnahme der SMC-Cargo-Box aus der Presse (Bild 5)<br />

bundwerkstoffs hergestellt werden. Die<br />

Komponentenerprobung wurde teilweise im<br />

Budd Technical Center durchgeführt.<br />

Das Innere der SMC-Cargo-Box ist ein<br />

einteiliges Formteil mit einem Gewicht von<br />

ca. 31 kg, das zur Erhöhung der Strukturfestigkeit<br />

mit integrierten Versteifungsrippen<br />

versehen ist (Bild 5). Es ist schwarz<br />

pigmentiert und wird bei Budd außerdem<br />

mit einem kratzfesten wetterbeständigen<br />

schwarzen Überzug versehen (Bild 6).<br />

Das Gleiche gilt für die Laderaumabdeckung.<br />

Im Ford-Montagewerk erfolgt<br />

keine weitere Lackierung des Ladebereichs.<br />

Im Gegensatz zu den weichen Laderaumabdeckungen,<br />

die auf dem Zubehörmarkt<br />

erhältlich sind, kann die Abdeckung des<br />

SMC Sport Trac nicht mit einem Messer aufgeschlitzt<br />

werden. Die verriegelbare Laderaumabdeckung<br />

wiegt ca. 32 kg und erfüllt<br />

die Anforderungen von Ford’s 150.000<br />

Meilen-Härtetest. Die SMC-Rezeptur besteht<br />

aus Polyesterharz mit 28 % Glasstapelfaser<br />

und ähnelt derjenigen, die für andere<br />

Karosserieaußenelemente verwendet wird.


24<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen für neue SUV- und Pickup-Modelle<br />

Anhängen der SMC-Cargo-Box an die Fördereinrichtung<br />

zur Lackiererei (Bild 6)<br />

Die äußeren Seitenteile der Karosserie<br />

werden von Budd mit einer halbleitenden<br />

Grundierung versehen. Um die richtige<br />

Farbgebung zu gewährleisten, werden diese<br />

Elemente dann im Ford-Montagewerk im<br />

Farbton der Karosserie lackiert und durchlaufen<br />

dabei zusammen mit dem Fahrzeug<br />

alle Lackierstufen. SMC ist durch seine<br />

Wärme- und Formbeständigkeit mit den<br />

Lackierstationen des Automobilwerks,<br />

einschließlich der Elcolackierungsöfen, die<br />

mit einer Temperatur von 200 °C arbeiten,<br />

kompatibel. Nach dem Lackieren werden<br />

die Außenteile mit dem inneren Ladekasten<br />

verbunden und dann am Fahrzeug<br />

montiert.<br />

5 Harte Erprobung des<br />

Verbundwerkstoff-Ladebereichs<br />

Der gesamte Ladebereich des Sport Trac<br />

besteht aus Verbundkunststoff, mit Ausnahme<br />

der D-Säulen-Einheit aus Stahl und<br />

der hinteren Ladeklappe (derselben wie<br />

beim Ford F-150 Flareside Pickup). Das<br />

aus einem Stück bestehende Innenelement<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

des Ladebereichs stellte die größte Herausforderung<br />

für die Ingenieure von Budd dar.<br />

Die Ziele des Ford-Programms bestanden<br />

darin, den SMC-Ladebereich robuster und<br />

widerstandsfähiger zu machen als eine<br />

traditionelle Ladefläche aus Stahl. Zu den<br />

Tests gehörten auch Fallversuche mit<br />

einem wassergefüllten 200-l-Fass aus<br />

einer Höhe von mehreren Zoll; dabei<br />

durften in der SMC-Ladeoberfläche keine<br />

sichtbaren Risse entstehen.<br />

Das Ford-Team verlangte umfassende<br />

Tests, um zu beweisen, dass das SMC-<br />

Material die hohen Ansprüche erfüllt, die<br />

von den Kunden gestellt werden. Da zum<br />

ersten Mal Verbundwerkstoffe im offenen<br />

Ladebereich eines Trucks eingesetzt wurden,<br />

war die Überprüfung der Konstruktion<br />

von entscheidender Bedeutung. Die Versuche<br />

stellten sicher, dass es keine Schwachpunkte<br />

hinsichtlich der Zähigkeit und<br />

Endkontrolle des Zusammenbaus (Bild 7)<br />

Widerstandsfähigkeit gab, die von dem<br />

SMC-Material erwartet wurden (Bild 7).<br />

Ford verlangte viele Tests, denen ein<br />

Modell aus lackiertem Stahl nie ausgesetzt<br />

würde. Bei dem Testprogramm wurden<br />

z.B. Schlackensteine über den Kastenboden<br />

gezogen, oder man ließ große Rohre<br />

auf den Boden fallen und warf 16 kg<br />

schwere Eckbeschläge in die Ladezone.<br />

Man führte Hammerfallversuche durch,<br />

kratzte mit einem Rechen über das Material,<br />

schaufelte Grubenkies hinein, ließ Steine<br />

herabfallen und setzte das Testobjekt<br />

verschiedenen schonungslosen Behandlungen<br />

aus. Insgesamt setzten die Ford-<br />

Ingenieure den Verbundwerkstoff-Ladebereich<br />

einer Belastung aus, die der<br />

Beanspruchung über eine Fahrstrecke von<br />

450.000 Meilen entspricht.<br />

Solche Tests sind nicht normal für den<br />

Ladebereich eines Pickups oder SUV. Aber


25<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen für neue SUV- und Pickup-Modelle<br />

Vorteile des Einsatzes von Verbundmaterialien bei Cargo-Boxen (Bild 8)<br />

• Niedrigere Kosten für das gesamte Programm<br />

• Gewichtsverringerung gegenüber Stahlblech<br />

• Größere Flexibilität bei der Konstruktion<br />

• Reduzierung der Teileanzahl gegenüber Stahlblech<br />

• Kompatibel mit Auto-Lackierungsöfen<br />

• Zähigkeit und Integrität der Struktur<br />

• Lineare Wärmeausdehnung ähnlich wie bei Stahl<br />

• Korrosionsbeständigkeit<br />

• Beul- und Kratzfestigkeit<br />

• Recyclingfähigkeit<br />

das Ford-Team wollte unbedingt demonstrieren,<br />

dass diese einzigartige Verbundwerkstoff-Konstruktion<br />

einem konventionellen<br />

offenen Ladebereich weit überlegen<br />

ist. „Es entstanden zwar ein paar Kratzer.<br />

Da die Innenfläche des Ladebereichs jedoch<br />

aus schwarzem Material mit genarbter<br />

Oberfläche besteht, fügten sich diese<br />

Kratzer perfekt in das Finish ein“, sagte<br />

Mike Musleh, der Leiter des Ford-Markteinführungsteams<br />

für den Sport Trac.<br />

Die Schlussfolgerung lautet: SMC übertraf<br />

jeden stählernen Laderaum, der dieser<br />

Art von Kundenbeanspruchung ausgesetzt<br />

wird. „Es ist nicht nur so, dass der Innenbereich<br />

widerstandsfähiger (als Stahl) ist,<br />

sondern seine Innen- und Außenelemente<br />

können auch nicht verbeulen oder rosten.<br />

Wenn man sein Fahrrad in den Laderaum<br />

hievt, dann wird dieser dadurch innen nicht<br />

beschädigt, wie es bei einem lackierten<br />

Stahlkasten der Fall wäre“, sagte David<br />

Paul, Ford-Systemingenieur für das Sport<br />

Trac-Programm.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

6 Entwicklungsprogramm für<br />

SMC-Material erforderlich<br />

Die hohen Ansprüche, die an die Leistungscharakteristika<br />

gestellt wurden, erforderten,<br />

dass Budd eine spezielle SMC-<br />

Rezeptur für die Cargo-Box entwickelte. Die<br />

Eigenschaften des Materials in Bezug auf<br />

Widerstandsfähigkeit und Festigkeit waren<br />

von entscheidender Bedeutung. Aber die<br />

Größe und die tief gerippte Geometrie, die<br />

sich aus der einteiligen Konstruktion ergeben,<br />

erforderten ein SMC-Material mit ausgezeichnetem<br />

Fließverhalten und einer ausreichenden<br />

Oberflächenqualität. Konkurrenzfähige<br />

Kosten stellten ebenfalls ein<br />

wichtiges Kriterium dar. Nach einem umfassenden<br />

Testprogramm erreichte Budd<br />

diese Ziele schließlich durch Verwendung<br />

eines modifizierten Vinylesterharzes mit<br />

47 % Glasstapelfaser (25 mm Länge). Das<br />

SMC-Material wird im Budd-Werk Van Wert<br />

in Ohio hergestellt.<br />

Es wurden zahlreiche Materialtests,<br />

Formversuche und Komponententests<br />

durchgeführt, um die Wahl der Rezeptur zu<br />

überprüfen. Dazu gehörten auch Versuche<br />

zur Simulation aller Wetterbedingungen –<br />

von minus 40 °C bis plus 65 °C. Eine<br />

Strukturmodellierung unter Anwendung der<br />

Finite-Elemente-Analyse (FEA) und Cad-<br />

Press-Formfließanalyse kamen ebenfalls<br />

zum Einsatz.<br />

Die SMC-Cargo-Box ist der Höhepunkt<br />

einer 15-jährigen Entwicklungsarbeit bei<br />

Ford. Es wurden auch andere Materialien<br />

getestet, wie z. B. RRIM und SRIM, die für<br />

den Ladebereich des Chevrolet Silverado<br />

geplant sind. Auf Grund der Zusammenarbeit<br />

mit Budd entschied Ford, dass SMC<br />

das optimale Material für die Konstruktion<br />

des Sport Trac darstellt. Durch die integrale<br />

Rippenstruktur der SMC-Konstruktion entfällt<br />

die Notwendigkeit von Versteifungsträgern<br />

aus Stahl, abgesehen von der Ladeklappenöffnung.<br />

Dies führt zu Kosteneinsparungen<br />

gegenüber einer SRIM-Konstruktion,<br />

die aus einer geformten Schale<br />

mit Stütz- und Versteifungsträgern aus<br />

Metall besteht. Außerdem hat SMC denselben<br />

linearen Ausdehnungskoeffizienten<br />

wie Stahl, wodurch Spannungsgradienten<br />

durch Temperaturveränderungen vermieden<br />

werden.<br />

7 Die Zukunft von Verbundwerkstoff-Ladebereichen<br />

Da die Kunden nach robusteren Fahrzeugen<br />

verlangen, die speziell auf ihre<br />

Bedürfnisse zugeschnitten sind, dürfte es<br />

immer weitere Anwendungsmöglichkeiten<br />

von SMC im Ladebereich geben. Die Einführung<br />

des Sport Trac wird den Konsumenten<br />

die Robustheit und Unempfindlichkeit<br />

gegen schonungslose Behandlung von<br />

Verbundwerkstoffen vor Augen führen.<br />

Separate Ladeflächenauskleidungen aus<br />

Kunststoff, ein beliebtes Accessoire des


26<br />

Ladekästen aus Verbundwerkstoffen für neue SUV- und Pickup-Modelle<br />

Zubehörmarkts, werden nicht mehr benötigt,<br />

da jetzt die Technologie zur Verfügung<br />

steht, um große strukturierte Ladekästen<br />

aus einem Stück zu formen (Bild 8). Die<br />

Möglichkeit, bei der Formung zusätzliche<br />

Merkmale zu integrieren, wie z.B. separate<br />

Stau- und Ablagebereiche, wird die Wertschätzung<br />

bei den Kunden noch weiter<br />

erhöhen.<br />

Die gesamten Herstellkosten für eine<br />

Cargo-Box aus Verbundwerkstoff sind im<br />

Allgemeinen geringer als bei einer konventionellen<br />

mehrteiligen Stahlkonstruktion.<br />

Die Haupteinsparungen ergeben sich bei<br />

den Werkzeuginvestitionen, die um bis zu<br />

25 Millionen Dollar geringer ausfallen können.<br />

Da Stahl-Ladekästen meistens im<br />

Montagewerk geschweißt und montiert<br />

werden, sind zusätzliche Einsparungen<br />

durch eine Reduzierung innerbetrieblicher<br />

Abläufe möglich, die sich aus zahlreichen<br />

Ladekastengrößen ergeben, die in das Fertigungsprogramm<br />

aufgenommen werden,<br />

Recycling von Bauteilen aus Verbundmaterialien (Bild 9)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

um die Nachfrage nach mehr Kundenoptionen<br />

zu erfüllen. SMC-Formteile bieten auch<br />

die Möglichkeit, einzigartige Produktmerkmale<br />

zu niedrigeren Werkzeuginvestitionskosten<br />

anbieten zu können – besonders bei<br />

Optionen mit geringen Stückzahlen.<br />

Das Systemgewicht kann durch die Verwendung<br />

von Verbundwerkstoffen anstelle<br />

von Stahl um bis zu 30 % verringert werden.<br />

Dies senkt den Kraftstoffverbrauch,<br />

verringert die Emissionen und verbessert<br />

die Straßenlage. Durch die Gewichtseinsparungen<br />

beim Fahrzeug hat der Hersteller<br />

außerdem die Möglichkeit, weitere<br />

Ausstattungselemente in das Fahrzeug zu<br />

integrieren, ohne die Gewichtsklasse zu<br />

überschreiten.<br />

Verbundwerkstoffe sind umweltfreundlich.<br />

Bei der Herstellung und Verarbeitung<br />

von Verbundwerkstoffen wird im Vergleich<br />

zu den meisten Metallen weniger Energie<br />

verbraucht, und die Emissionen sind geringer.<br />

Verbundwerkstoffe können Anteile von<br />

recycelten Materialien enthalten und am<br />

Ende ihres Lebenszyklus wieder recycelt<br />

werden (Bild 9). Zurzeit besteht der beste<br />

Recycling-Ansatz für SMC darin, die<br />

Schrottteile zu einem feinen Füllstoff zu<br />

zermahlen, der bei der Herstellung von<br />

neuem SMC verwendet werden kann. Die<br />

Machbarkeit der Technologie für das<br />

Recycling von Verbundwerkstoffen wurde<br />

bereits nachgewiesen, aber die Infrastruktur<br />

zur Sammlung des Schrottmaterials<br />

muss erst noch entwickelt werden.<br />

Die vielen Vorteile, die SMC für Anwendungen<br />

im Ladebereich bietet, dürften zu<br />

einigen Veränderungen bei der Materialauswahl<br />

für zukünftige Lkw-Konstruktionen<br />

führen. Die Budd Plastics Division beabsichtigt,<br />

bei der Konstruktion und der Fertigung<br />

von Verbundwerkstoff-Ladekästen die<br />

Führung zu übernehmen.


27<br />

Dipl.-Ing. ETH Daniel Brunnschweiler<br />

TubPAS – die elektromechanische Lenkhilfe von Krupp Presta<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Innovatives Lenkungskonzept: TubPAS von Krupp Presta (Bild 1)


28<br />

1 Einführung<br />

TubPAS – die elektromechanische Lenkhilfe von Krupp Presta<br />

Der Name TubPAS besteht aus 2 Teilen:<br />

Tub kommt aus dem Englischen und<br />

steht für „tube“, das heißt Rohr. Damit ist<br />

die Bauform gemeint: rohrförmig. Krupp<br />

Presta (KPR) kennt die Wichtigkeit des Bauraums<br />

aus der Beschäftigung mit Lenksäulen<br />

sehr gut. Die Bauform ist entscheidend<br />

für den benötigten Bauraum.<br />

PAS steht für Power Assisted Steering:<br />

Power heißt Leistung. Konkret benötigt<br />

TubPAS 1.000 W elektrischer Leistung.<br />

Assisted heißt unterstützt. Mit einem<br />

Servoregelkreis wird der Fahrer unterstützt<br />

und damit seine Muskelkraft verstärkt. Ein<br />

Steuergerät muss dazu die 1.000 W möglichst<br />

feinfühlig ansteuern.<br />

Steering heißt Lenkung. Die Lenkung ist<br />

ein aktives Element, weil sie mit Kräften auf<br />

das Fahrzeug einwirkt. Sie ist ganz wesentlich<br />

verantwortlich für das Fahrgefühl und<br />

den Fahrspaß. Das Lenkrad gibt dem Fahrer<br />

die wichtigste sensorische Rückmeldung<br />

über den Fahrzustand.<br />

TubPAS ist somit eine röhrenförmige<br />

elektrische Lenkhilfe.<br />

Ausgehend von den Anforderungen des<br />

Kunden werden im Folgenden die technischen<br />

Randbedingungen und die Lösung<br />

von KPR vorgestellt.<br />

2 Marktanforderungen<br />

Der Markt verlangt die Ablösung der<br />

konventionellen, hydraulischen Lenkunterstützung<br />

durch eine neue Technologie:<br />

elektromechanische Lenkunterstützung.<br />

Anlass dazu sind die Anforderungen,<br />

denen moderne Fahrzeuge gerecht werden<br />

müssen.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Es gibt drei Quellen von Anforderungen:<br />

● Verbraucher<br />

● Gesetzgeber<br />

● Fahrzeughersteller<br />

Deren Anforderungen werden im Folgenden<br />

kurz erläutert.<br />

2.1 Anforderungen des<br />

Verbrauchers<br />

Der Kaufentscheid für ein Fahrzeug ist<br />

das Ergebnis eines Abgleichs zwischen<br />

Komfort, Funktionalität und Preis. Ganz<br />

wesentlich, aber für unsere Thematik nicht<br />

relevant, ist natürlich auch das Design des<br />

Fahrzeugs.<br />

Komfort<br />

Das Fahrzeug soll sich unter allen Bedingungen<br />

mit geringem Kraftaufwand lenken<br />

lassen. Dabei soll der Fahrer den Bewegungszustand<br />

spüren. Dazu muss die Lenkung<br />

feinfühlig sein. Das Fahrzeug soll<br />

sicher lenkbar sein, auch an der Grenze der<br />

Fahrstabilität.<br />

Funktionalität<br />

Sicherheit, Kommunikation und Navigation<br />

sind nur einige Stichworte, die die Funktionen<br />

der Fahrzeuge rasch wachsen lassen.<br />

Dadurch steigen Gewicht und Verbrauch.<br />

Die unterschiedlichen Ausstattungsgrade<br />

steigern die Variantenvielfalt<br />

und damit die Komplexität in Fertigung und<br />

Logistik.<br />

Preis<br />

Der Wettbewerb unter den Automarken<br />

ist sehr intensiv. Oft erlauben zusätzliche<br />

Funktionen keine Aufpreise mehr, sondern<br />

machen ein Fahrzeug erst verkaufsfähig.<br />

Dabei ist die elektromechanische Lenkhilfe<br />

nicht einmal eine zusätzliche Funktion.<br />

Damit ist dieser Technologie der klassische<br />

Weg zur Markteinführung verwehrt: Ersteinsatz<br />

bei Fahrzeugen der Oberklasse mit<br />

schrittweiser Erschließung der unteren<br />

Segmente.<br />

Neben technischen Gründen ist dies der<br />

Hauptgrund, weshalb die elektromechanische<br />

Lenkhilfe vom Start weg in den unter<br />

extremem Kostendruck stehenden Segmenten<br />

der Kleinwagen zum Einsatz<br />

kommt.<br />

2.2 Anforderungen des<br />

Gesetzgebers<br />

Von dieser Seite stehen die Fahrzeughersteller<br />

unter hohem Druck zur Reduktion<br />

des Kraftstoffverbrauchs ihrer Flotten. Eine<br />

hydraulische Lenkhilfe mit direkt am Fahrmotor<br />

angeflanschter Pumpe nimmt immer<br />

Leistung auf. Dies führt vor allem auf Autobahnen<br />

zu einer Energieverschwendung,<br />

weil hier sehr wenig Lenkunterstützung<br />

benötigt wird. Mit einer Lenkung, die nur<br />

Leistung aufnimmt, wenn Unterstützung<br />

nötig ist, können ungefähr 5 % Kraftstoff<br />

eingespart werden.<br />

Dies ist der Hauptgrund zur Einführung<br />

dieser neuen Technologie.<br />

2.3 Anforderungen des Fahrzeugherstellers<br />

Bauraum und Lenkgefühl sind die wichtigsten<br />

Anforderungen des Herstellers.<br />

Nicht zuletzt die zurzeit starken Motorisierungen<br />

führen zu sehr beengten Platzverhältnissen<br />

im Motorraum. Die beste Lenkung<br />

nützt nichts, wenn sie keinen Platz<br />

hat.<br />

Das Lenkgefühl hat wesentlichen Anteil


29<br />

TubPAS – die elektromechanische Lenkhilfe von Krupp Presta<br />

Systemarchitektur mit Lenksäule, TubPAS Lenkgetriebe mit Drehmomentsensor und Steuergerät (Bild 2)<br />

am subjektiven Eindruck, den der Käufer<br />

vom Fahrzeug erhält. Daher wird es auch<br />

sorgfältig gepflegt und zur Markenidentifikation<br />

genutzt. Bei der Ablösung der<br />

hydraulischen Lenkhilfe soll der Fahrer mit<br />

der elektromechanischen Lenkhilfe das<br />

gleiche Gefühl haben.<br />

3 <strong>Technische</strong> Umsetzung der<br />

Anforderungen<br />

All diese Anforderungen gilt es mit einer<br />

elektromechanischen Lenkhilfe darzustellen.<br />

Die Zusammenhänge werden am<br />

besten in einem Funktionsdiagramm<br />

(Bild 2) sichtbar.<br />

3.1 Verbrauchsminderung<br />

Um die 5 % Kraftstoff einzusparen, darf<br />

die Lenkhilfe nur Leistung aufnehmen,<br />

wenn der Fahrer Unterstützung braucht.<br />

Dies ist dann der Fall, wenn der Fahrer am<br />

Lenkrad ein Drehmoment aufbringt. Der<br />

Sensor misst dieses Moment und sendet<br />

ein entsprechendes Signal zum Steuer-<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

gerät. Auf Grund der Algorithmen der Software<br />

wird der Elektromotor der Lenkunterstützung<br />

bestromt und erzeugt so die Hilfskraft.<br />

Der Motor nimmt also nur im<br />

Bedarfsfall Leistung auf. Darin liegt der<br />

große Vorteil eines elektromechanischen<br />

Systems.<br />

3.2 Lenkunterstützung<br />

Der Fahrer will die Räder mit einer<br />

Geschwindigkeit bewegen, die dem beabsichtigten<br />

Lenkmanöver entspricht. Das<br />

heißt, er braucht eine gewisse Zahnstangenkraft<br />

bei einer gewissen Geschwindigkeit<br />

des Lenkrades und damit der Zahnstange.<br />

Maximaler Wert für die Auslegung<br />

sind 8.000 N bei einer Umdrehung des<br />

Lenkrades pro Sekunde. Unter Berücksichtigung<br />

der Untersetzung des Lenkgetriebes<br />

entspricht dies 440 W. Die Lenkunterstützung<br />

muss also zugleich eine bestimmte<br />

Kraft und eine bestimmte Leistung erzeugen.<br />

In den heutigen Bordnetzen stehen maximal<br />

80 A bei 13 V und somit rund 1.000 W<br />

zur Verfügung. Um damit die geforderten<br />

440 W zu erzeugen, muss der gesamte<br />

Wirkungsgrad mindestens 44 % betragen.<br />

Dies ist möglich, wenn man gewisse Technologien<br />

für die Elektromechanik einsetzt:<br />

● Seltenerden-Magnete für die Motoren<br />

● optimale Auslegung der Motoren<br />

● optimierte und auf die Motorauslegung<br />

abgestimmte Endstufen der Leistungselektronik<br />

In jedem Fall wird der Motor ein gewisses<br />

Bauvolumen erfordern. Dieses ist größer<br />

als bei einem entsprechenden Hydraulikantrieb.<br />

Dies ist ein wesentlicher Nachteil der<br />

elektromechanischen Systeme.<br />

3.3 Lenkgefühl<br />

Vier Konstruktionseigenschaften sind für<br />

das Lenkgefühl bestimmend: Trägheit, Reibung,<br />

Ripple, Stabilität des Regelkreises.<br />

Trägheit<br />

Im Vergleich zur hydraulischen Lenkhilfe<br />

hat die elektrische einen Motor mit drehenden<br />

Teilen und ein Getriebe zur Kraftübersetzung.<br />

Diese Trägheit ist spürbar, wenn<br />

nicht entsprechende Abhilfemaßnahmen<br />

getroffen werden:<br />

● Massenträgheitsmoment des Rotors<br />

minimieren<br />

● Übersetzung möglichst niedrig. Verlangt<br />

einen starken Motor mit entsprechend<br />

mehr Magneten (➟ Kosten)<br />

● Kompensation der Trägheit mit Hilfe der<br />

Software


30<br />

TubPAS – die elektromechanische Lenkhilfe von Krupp Presta<br />

Reibung<br />

Der größte Teil der Reibung ist Trockenreibung.<br />

Fahrbahnrückmeldungen, die<br />

unterhalb dieser Reibung liegen, spürt der<br />

Fahrer nicht. Das heißt, die Reibung ist entscheidend<br />

für die Feinfühligkeit der Lenkung<br />

und damit für den Fahrspaß. Sie<br />

muss so klein wie möglich sein.<br />

Die Lagerung des Motors und das Getriebe<br />

sind die Quellen für die Reibung. Die<br />

Lagerreibung geht mit dem Verhältnis der<br />

Übersetzung ein. Die Reibung wird minimal,<br />

wenn<br />

● die Konstruktion nur Rollreibung hat,<br />

● die Übersetzung minimal ist,<br />

● möglichst wenig Lager eingesetzt werden,<br />

● die Konstruktion statisch nicht überbestimmt<br />

ist.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Ripple<br />

Dies ist die Welligkeit bürstenloser<br />

Gleichstrommotoren mit klassischer Blockkommutierung,<br />

wie sie hier eingesetzt werden.<br />

Diesen Ripple spürt man am Lenkrad.<br />

Mit aufwändiger Ansteuerlogik lässt sich<br />

der Ripple eliminieren. Dies erfordert aber<br />

mehr Rechnerkapazität mit entsprechenden<br />

Folgekosten.<br />

Stabilität des Regelkreises<br />

Das Lenkgefühl hängt ganz wesentlich<br />

vom Anstieg des Lenkmomentes am Lenkrad<br />

ab. Bei Geradeausfahrt, um den Nullpunkt<br />

der Lenkung, möchte man keine<br />

Lenkunterstützung, um einen exakten,<br />

unverwaschenen Centerpoint zu erzeugen.<br />

Die Kinematik der Vorderachse erzeugt<br />

Kräfte, die die Vorderräder in die Nulllage<br />

zurückstellen wollen. Dies entspricht einem<br />

stabilen Fahrzustand. Der Fahrer möchte<br />

dies möglichst unverfälscht spüren, um ein<br />

Mit QFD werden Kundenanforderungen systematisch mit Produktmerkmalen verknüpft (Bild 3)<br />

sicheres Fahrgefühl zu haben.<br />

Das heißt, um Null soll der Gradient der<br />

Lenkunterstützung sehr klein sein. Um bei<br />

höheren Fahrermomenten genügend<br />

Unterstützung zu haben, muss der Gradient<br />

da entsprechend hoch sein. Dieser Gradient<br />

ist aber einer der Faktoren, die in die<br />

Kreisverstärkung des Regelsystems eingehen.<br />

Das heißt, er kann nicht beliebig hoch<br />

sein, ohne dass das System instabil wird.<br />

Damit der Spielraum für die Fahrzeugabstimmung<br />

genügend groß ist, muss die<br />

Stabilität des Lenkungssystems hoch sein.<br />

Neben einer steifen und spielfreien Mechanik<br />

ist dafür vor allem die Struktur des<br />

Reglers wichtig.<br />

4 Innovative Lösung von KPR<br />

Die Lösung von KPR entstand in engem<br />

Kontakt mit dem Markt und unter Verwendung<br />

von Hilfsmitteln für die systematische<br />

Produktentwicklung. Dabei war vor allem<br />

das Quality Function Deployment (QFD)<br />

hilfreich. Damit gelingt es, die umfangreichen<br />

und zum Teil gegenläufigen Kundenanforderung<br />

mit den zahlreichen Konstruktionseigenschaften<br />

in einen Gesamtzusammenhang<br />

zu bringen. Bild 3 zeigt einen<br />

Ausschnitt davon.<br />

Die Lösung von KPR ist eine röhrenförmige,<br />

konzentrisch um die Zahnstange<br />

angeordnete Lenkhilfe mit einem bürstenlosen<br />

Seltenerden-Motor (Bild 4). Wesentliche<br />

Konstruktionsmerkmale sind:<br />

Kleiner Bauraum<br />

Durch das Konzept mit Kugelumlauf ist<br />

es möglich, die ganze Lenkhilfe ähnlich wie<br />

einen Hydraulikantrieb konzentrisch um die<br />

Zahnstange zu bauen. Das benötigte Bauvolumen<br />

ist minimal und von ähnlicher<br />

Topologie wie bei der Hydraulik. Damit ist


31<br />

TubPAS – die elektromechanische Lenkhilfe von Krupp Presta<br />

TubPAS ist sehr einfach und robust aufgebaut und besteht aus nur 7 Komponenten (Bild 4)<br />

Gehäuse Stator Rotor Kugellager Kugelumlauf Deckel Zahnstange<br />

ihr Einsatz in vielen Einbausituationen<br />

möglich. Oft sind für die Umstellung von<br />

Hydraulik auf Elektrik nur minimale Eingriffe<br />

am Hilfsrahmen notwendig. Somit wird<br />

sogar ein Einsatz als „running change“<br />

kostenmäßig darstellbar.<br />

Zahnstange mit Kugelumlauf<br />

Mit diesem Element erfolgt die Kraftübersetzung.<br />

Das im traditionellen Maschinenbau<br />

bewährte aber teure Teil wird zurzeit für<br />

verschiedene X-by-Wire Anwendungen für<br />

automobile Zwecke und Massenfertigung<br />

neu entwickelt. Es vereint kompakte Bauweise<br />

mit optimalem Wirkungsgrad. Der<br />

Einsatz in der Lenkhilfe erfordert allerdings<br />

eine sehr sorgfältige konstruktive Ausgestaltung,<br />

um die Querkräfte am Lenkgetriebe<br />

effizient abzuleiten.<br />

Die Zahnstange wird zu einem komplexen<br />

Teil: Eine Partie erhält die Verzahnung<br />

für das konventionelle Ritzel-Zahnstange-<br />

System, die andere Partie erhält das<br />

Gewinde für den Kugelumlauf und wird mit<br />

der Gewindemutter verbaut.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Rotor<br />

Der Rotor ist ein dünnwandiger Zylinder.<br />

Die Magnete werden darauf aufgeklebt.<br />

Diese Baugruppe wird auf die Gewindemutter<br />

aufgeschoben und dann gemeinsam<br />

mit der Zahnstange ins Lenkgetriebegehäuse<br />

eingefügt.<br />

Kugellager<br />

Der Rotor läuft an einem Ende in einem<br />

zweireihigen Kugellager. Damit ist er gegenüber<br />

dem Lenkgetriebegehäuse drehbar<br />

gelagert. Zur Minimierung der Reibung<br />

müssen die Lager so klein wie möglich<br />

sein. Die fliegende Lagerung verringert den<br />

Einfluss der Bautoleranzen und verbessert<br />

somit auch die Reibung.<br />

Stator<br />

Der Stator mit den Blechen und der<br />

Wicklung wird als Baugruppe in das Lenkgetriebegehäuse<br />

eingeschoben. Entscheidend<br />

ist die Auslegung des Motors für optimalen<br />

Wirkungsgrad in den relevanten<br />

Betriebspunkten. Nur so können die<br />

verlangten Leistungen mit vertretbaren<br />

Magnetkosten dargestellt werden.<br />

Fertigungsgerechte Konstruktion<br />

Die ganze Lenkhilfe besteht aus 7 bis 8<br />

Teilen (Bild 4). Damit kann sie wirtschaftlich<br />

auf automatisierten Anlagen für sehr hohe<br />

Stückzahlen gebaut werden. Der größte<br />

Teil der spanenden Bearbeitungen mit<br />

funktionaler Relevanz kann in einer Aufspannung<br />

erfolgen. Bei der Konstruktion<br />

wurde darauf geachtet, dass Toleranzketten<br />

möglichst kurz bleiben. Parallel zur Konstruktion<br />

wurde ein Modell zur statistischen<br />

Simulation der Form und Lagetoleranzen<br />

aufgebaut. Damit lassen sich gezielt Aussagen<br />

bezüglich der erforderlichen Toleranzen<br />

machen. Umgekehrt lässt sich so auch<br />

die Herstellbarkeit fundiert beurteilen.<br />

5 Fazit<br />

TubPAS ist die röhrenförmige elektrische<br />

Lenkhilfe, die am besten in viele Bauräume<br />

passt, wo heute hydraulische Lenkhilfen<br />

zum Einsatz kommen. Mit minimaler Reibung<br />

verbindet sich der optimale Wirkungsgrad.<br />

Nur so lassen sich die erforderlichen<br />

Unterstützungsleistung mit den heutigen<br />

Bordnetzen darstellen. Gleichzeitig<br />

bringt die niedrige Reibung ein gutes Lenkgefühl.<br />

TubPAS ist ein einfaches, tragfähiges<br />

Prinzip, mit dem KPR Anbieter von Lenksystemen<br />

wird.


32<br />

Dipl.-Verw.-Wiss. Michael Sailer<br />

Stahl-Leichtbau-Verbundlenkerachse für Pkw von<br />

Thyssen Umformtechnik + Guss<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Die neue Verbundlenkerachse von Thyssen Umformtechnik + Guss<br />

spart bis zu 25 % Kosten und 30 % Gewicht (Bild 1)


33<br />

1 Einleitung<br />

Bis zu 25 % Kosten und bis zu 30 %<br />

Gewicht spart ein neues Konzept für die<br />

Konstruktion von Verbundlenkerachsen,<br />

das die Thyssen Umformtechnik + Guss<br />

GmbH (TUG), Werk Brackwede, ausgearbeitet<br />

hat (Bild 1). Gegenwärtig läuft ein<br />

gemeinsames Entwicklungsprojekt mit<br />

einem deutschen Automobilhersteller, in<br />

dem das Konzept serienreif gemacht werden<br />

soll. Wesentlichste Innovation ist ein<br />

neuartiges Torsionsprofil, das eine deutlich<br />

geringere Wanddicke besitzt als vergleichbare<br />

herkömmliche Bauteile.<br />

2 Torsionsprofil<br />

Stahl-Leichtbau-Verbundlenkerachse für Pkw von Thyssen Umformtechnik + Guss<br />

Das Torsionsprofil und die an seinen beiden<br />

Enden verschweißten Längslenker sind<br />

die Kernkomponenten von Verbundlenkerachsen.<br />

Die bislang am weitesten verbreitete<br />

Methode zur Herstellung der Profile<br />

besteht darin, dass dickwandige Blechplatinen<br />

zu Bauteilen mit v-förmigem Querschnitt<br />

gebogen werden. Die Blechstärke<br />

liegt dabei zwischen fünf und sieben Millimetern.<br />

Das von TUG entwickelte Konzept<br />

Elemente der Verbundlenkerachse (Bild 2)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

lässt sich dagegen mit Blechstärken ab 1,5<br />

Millimetern realisieren. Dabei verwendet<br />

man einen höherfesten Dualphasenstahl<br />

mit einer Festigkeit von 600 N/mm2 .<br />

Ausschlaggebend für die Verringerung<br />

der Wanddicke ist jedoch die neuartige und<br />

von TUG zum Patent angemeldete Gestaltung<br />

des Profils: Bei der Herstellung wird<br />

Stahlband durch Walzprofilieren zu einem<br />

Bauteil geformt, dessen Querschnitt einem<br />

doppelten U entspricht, mit einem Hohlraum<br />

zwischen innerer und äußerer Schale<br />

(Bild 2, Detail 1 und Bild 3). Durch diesen<br />

Querschnitt ergibt sich ein Torsionsträgheitsmoment,<br />

das deutlich über den Werten<br />

konventionell geformter Torsionsprofile<br />

liegen kann. Die neuartige Konstruktion<br />

macht sogar den Verzicht auf den Stabilisator<br />

möglich, der bei der herkömmlichen<br />

Bauweise insbesondere für Fahrzeuge mit<br />

leistungsstarken Motoren als zusätzliche<br />

Verstärkung in das Torsionsprofil gelegt<br />

und mit den beiden Längslenkern verschweißt<br />

wird.<br />

Durch Variation von h kann die Torsionssteifigkeit<br />

gezielt eingestellt werden (Bild 3)<br />

3 Längslenker<br />

Als weitere Neuerung beinhaltet das Verbundlenkerachsen-Konzept<br />

von TUG<br />

Längslenker, die aus flanschlos geschweißten<br />

Halbschalen bestehen (Bild 2, Detail 2).<br />

Während gegenwärtig die meisten Längslenker<br />

aus Rohren gefertigt werden, bietet<br />

die TUG-Lösung größere Gestaltungsfreiheit<br />

für die Gewichtsreduktion und die<br />

Integration zusätzlicher Funktionen. So<br />

lassen sich Verstärkungen oder Stützbleche<br />

zwischen Torsionsprofil und Längslenkern<br />

durch eine den auftretenden Belastungen<br />

angepasste Geometrie der Blechschalen<br />

einsparen. Außerdem sind die Anschlüsse<br />

von Federsitz und Dämpferhalter optimal<br />

gestaltbar (Bild 2, Detail 3).<br />

Das neue Verbundlenkerachsen-Konzept<br />

ist ein Produkt des Bereiches Vorentwicklung<br />

bei Thyssen Umformtechnik + Guss,<br />

Brackwede. Aufgabe dieses, im Jahr 1997<br />

geschaffenen Bereiches ist es, mit den<br />

Kunden bereits in der Konzeptionsphase<br />

für neue Fahrzeugmodelle sehr eng zusammenzuarbeiten.


34<br />

Dipl.-Ing. Klaus Schmidt<br />

Innovative Luftfeder-Dämpfermodule für die S-Klasse<br />

von DaimlerChrysler<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Luftfederung mit adaptiver Dämpfungsverstellung der S-Klasse von DaimlerChrysler (Bild 1)


35<br />

1 Einleitung<br />

Innovative Luftfeder-Dämpfermodule für die S-Klasse von DaimlerChrysler<br />

Die Krupp Bilstein GmbH ist ein Unternehmen<br />

der <strong>ThyssenKrupp</strong> Automotive<br />

Gruppe und trägt gemeinsam mit anderen<br />

Konzernunternehmen zur umfassenden<br />

Kompetenz im Fahrwerkbereich bei. Die<br />

Präsenz von <strong>ThyssenKrupp</strong> Automotive im<br />

immer wichtiger werdenden internationalen<br />

Systemgeschäft wird somit gestärkt.<br />

Bereits 1954 begannen die Ingenieure<br />

der Firma Bilstein mit der Entwicklung des<br />

ersten serienreifen Einrohr-Gasdruckstoßdämpfers<br />

nach dem Carbon-Prinzip. Er<br />

revolutionierte die Dämpfungstechnik mit<br />

überragenden Sicherheits- und Komfortmerkmalen.<br />

Ab 1957 erstmals in Serie bei<br />

Mercedes-Benz eingesetzt, wurde „der<br />

Bilstein“ zum Synonym für Gasdruckstoßdämpfer.<br />

Auf seinem Funktionsprinzip<br />

basieren auch heute noch die Serienstoßdämpfer.<br />

Als leistungsfähiger Entwicklungsund<br />

Systempartner der internationalen<br />

Automobilindustrie steht Bilstein weltweit<br />

für Innovation und High Tech in der<br />

Fahrwerktechnik.<br />

Um mit dem Fahrkomfort ein möglichst<br />

hohes Niveau zu erreichen, wurden in<br />

intensiver Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie<br />

komplexe, mit modernster<br />

Elektronik arbeitende Luftfederungssysteme<br />

für den Pkw-Serieneinsatz entwickelt.<br />

Dabei wurde auch technologisches<br />

Neuland betreten.<br />

Auf Grund der hohen Akzeptanz als<br />

kompetenter Entwicklungslieferant wurde<br />

Krupp Bilstein als Entwicklungspartner und<br />

Serienlieferant für die Feder-Dämpfer-<br />

Module der neuen DaimlerChrysler<br />

S-Klasse auserwählt.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

2 Aufgabenstellung<br />

Für die Entwicklung der neuen S-Klasse<br />

galt es, trotz des um ca. 300 kg reduzierten<br />

Fahrzeuggewichts den Fahrkomfort des<br />

Vorgängermodells zu übertreffen und<br />

zusätzlich die fahrdynamischen Qualitäten<br />

zu verbessern.<br />

Da dies mit konventionellen Feder-/<br />

Dämpfungselementen nicht erreichbar<br />

war, wurde in einer frühen Phase der<br />

Fahrzeugentwicklung eine Luftfederung<br />

mit vierstufig verstellbaren Dämpfern als<br />

Serienausstattung ins Lastenheft<br />

aufgenommen (Bild 1).<br />

Nur mit einem solchen System war es<br />

möglich, die technische Spitzenstellung der<br />

S-Klasse zu sichern und den Kundenerwartungen<br />

hinsichtlich Fahrkomfort und Fahrdynamik<br />

gerecht zu werden.<br />

Skyhook-Dämpfungsprinzip (Bild 2)<br />

3 Das Luftfederungssystem mit<br />

adaptiver Dämpfung<br />

Das Komfortpotenzial einer Luftfeder<br />

basiert darauf, dass bei der Auslegung der<br />

Federrate im Vergleich zur Stahlfeder deutlich<br />

niedrigere Werte realisierbar sind. Dies<br />

ist zulässig, weil das unerwünschte Absenken<br />

der Karosserie bei Zuladung durch das<br />

Nachfüllen von Luft kompensiert werden<br />

kann. Der Kompromiss der Stahlfeder, bei<br />

allen Beladungszuständen ausreichenden<br />

Restfederweg bereitstellen zu müssen,<br />

besteht hier nicht.<br />

Um trotz der niedrigen Federrate alle Forderungen<br />

im Hinblick auf Fahrdynamik und<br />

Fahrsicherheit zu erfüllen, wird sinnvollerweise<br />

die Luftfederung durch einen in der<br />

Dämpfkraft verstellbaren Stoßdämpfer<br />

ergänzt. Nur die Kombination beider präzise<br />

aufeinander abgestimmten Elemente liefert<br />

den gewünschten Gewinn an Komfort<br />

und Fahrdynamik. Das System ermöglicht<br />

das komfortable Gleiten auf ebenen<br />

Straßen (Dämpferstellung weich), das kontrollierte<br />

Beruhigen des Aufbaus nach dem


36<br />

Innovative Luftfeder-Dämpfermodule für die S-Klasse von DaimlerChrysler<br />

Luftfederbein Vorderachse (Bild 3) Luftfederbein Hinterachse (Bild 4)<br />

Überfahren von Fahrbahnunebenheiten<br />

(Dämpfer im Skyhookmodus) und das gute<br />

Handling bei sportlicher Fahrweise.<br />

Durch den Einsatz des Luftfedersystems<br />

mit adaptiver Dämpfung ergibt sich eine<br />

Reihe von Vorteilen gegenüber konventionellen<br />

Systemen:<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

● Die Aufbaueigenfrequenz bleibt bei<br />

Beladung weitgehend konstant.<br />

● Automatisches Absenken des Fahrzeugs<br />

bei hoher Geschwindigkeit zur Reduzierung<br />

des Luftwiderstandes und<br />

Erhöhung der Fahrdynamik<br />

● Vom Fahrer gesteuertes Anheben des<br />

Fahrzeugs für Schlechtwegstrecken und<br />

Garageneinfahrten<br />

● Designvorteile durch stets optimalen<br />

Fahrzeughöhestand<br />

● Anpassung der Dämpfkräfte an die Fahrsituation,<br />

dadurch Verbesserung von<br />

Fahrkomfort und Fahrsicherheit<br />

● Reduzierung der Wankneigung bei<br />

dynamischen Fahrmanövern<br />

● Verbesserung des Fahrzeughandlings<br />

Die Intensität der Aufbauschwingungen<br />

beim Überfahren von Fahrbahnunebenheiten<br />

ist eines der wesentlichen Kriterien für<br />

die Beschreibung des Fahrkomforts. Um<br />

den maximalen Komfort für die Insassen zu<br />

ermöglichen, werden die vierstufigen ADS-<br />

Dämpfer (Adaptives Dämpfungssystem)<br />

nach dem so genannten ADS-Skyhookprinzip<br />

angesteuert.<br />

Wie der Name Skyhook schon verrät,<br />

basiert der Regelalgorithmus darauf, die<br />

Karosserie des Fahrzeugs an einem imaginären<br />

Himmelshaken aufzuhängen, um<br />

sie horizontal zu fixieren und die Räder der<br />

Fahrbahnoberfläche folgen zu lassen. Da<br />

dieser theoretische Ansatz in der Praxis<br />

nicht umsetzbar ist und einige andere<br />

fahrdynamische Gesetzmäßigkeiten nicht<br />

unberücksichtigt bleiben dürfen, arbeitet<br />

der ADS-Skyhook-Algorithmus nach einem<br />

etwas vereinfachten, aber für die Aufbauberuhigung<br />

sehr wirkungsvollen Prinzip<br />

(Bils 2). Entscheidendes Kriterium zur Festlegung<br />

der geeigneten Dämpfkraftstufe für<br />

die jeweilige Situation ist die Bewegungs-<br />

richtung der Fahrzeugkarosserie. Bei einer<br />

Bewegung nach oben muss der Dämpfer<br />

eine harte Zugstufe und eine weiche Druckstufe<br />

bereitstellen, bei einer Bewegung<br />

nach unten ist eine weiche Zugstufe und<br />

eine harte Druckstufe erforderlich.


37<br />

Innovative Luftfeder-Dämpfermodule für die S-Klasse von DaimlerChrysler<br />

4 Luftfeder-/Dämpfermodul<br />

Wegen der konstruktiven Bauraumvorgaben<br />

unterscheiden sich die Federbeine von<br />

Vorder- und Hinterachse erheblich in Form<br />

und Dimensionierung. Funktional betrachtet<br />

wurden sie jedoch aus vergleichbaren<br />

Basiselementen zusammengesetzt<br />

(Bilder 3 und 4).<br />

Der ADS-Dämpfer trägt die Luftfeder und<br />

leitet die Federkraft auf die Achse. Zugleich<br />

übernimmt der Dämpfer die Aufgabe, die<br />

Luftfeder zu zentrieren und die in ihr<br />

entstehenden Querkräfte aufzunehmen.<br />

Die obere Anbindung des Dämpfers zur<br />

Luftfeder stellt ein kardanisch weiches<br />

Kapsellager dar, über das die Dämpfkräfte<br />

in den Luftfedertopf eingeleitet werden.<br />

Die Luftfederbeine sind im oberen<br />

Bereich mit einem Restdruckventil ausgestattet,<br />

über das die Federbeine mit der<br />

Fahrzeugluftversorgung verbunden werden.<br />

Die Hauptaufgabe des Ventils besteht<br />

darin, das Unterschreiten eines definierten<br />

Minimaldrucks im Federbein zu vermeiden.<br />

Diese Funktion ist bei der Anlieferung an<br />

das Montageband des Kunden und bei<br />

Störungen in der Luftversorgung im Fahrzeug<br />

von hoher Bedeutung. Der Abfall des<br />

Fülldrucks auf den Atmosphärendruck<br />

hätte eine Schädigung des empfindlichen<br />

Luftfederbalges zur Folge. Gegen die<br />

äußeren Einflüsse wie Feuchtigkeit und<br />

Schmutz wird der Balg durch eine<br />

Manschette geschützt.<br />

5 Luftfeder<br />

Bereits in den 60er-Jahren wurden Pkw<br />

mit volltragenden Luftfedern serienmäßig<br />

ausgerüstet. Folglich stellt der Einsatz von<br />

Luftfedern in der S-Klasse keine Revolution<br />

in der Fahrwerktechnik dar.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Der Unterschied zwischen den bisher<br />

bekannten Luftfedern und denen der neuen<br />

S-Klasse liegt im Aufbau des wesentlichen<br />

Bauteils einer Luftfeder: dem Luftfederbalg.<br />

Die Flexibilität des Luftfederbalgs<br />

bestimmt im hohen Maße das Ansprechverhalten<br />

der Luftfeder auf Fahrbahnanregungen.<br />

Bisher wurden Luftfederbälge üblicherweise<br />

mit Wanddicken von ca. 2 bis 3 mm<br />

und kreuzförmig angeordneten Textilfadenlagen<br />

hergestellt. Ein derartiger Balgaufbau<br />

ADS-Dämpfungsverstelleinheit (Bild 5)<br />

erfährt infolge seiner hohen Eigenreibung<br />

eine Verhärtung von bis zu 300 % bei kleinen<br />

Anregungsamplituden. Dies hat einen<br />

deutlich reduzierten Abrollkomfort des<br />

Fahrzeugs zur Folge.<br />

Um dem Komfortanspruch der S-Klasse<br />

gerecht zu werden, wurde im Hinblick auf<br />

optimales Ansprechverhalten ein neues<br />

Balgkonzept entwickelt. Die Balgdicke<br />

wurde auf 1,7 mm reduziert und die Festigkeitsträger<br />

in Form von 0,3 mm dicken<br />

Polyamidfäden axial angeordnet. Durch<br />

diesen Aufbau benötigt der Balg infolge der<br />

unzureichenden Selbstabstützung eine<br />

Außenführung, die eine unzulässig<br />

große Ausdehnung in radialer Richtung<br />

verhindert.<br />

Die Gummimischung des Balges wird<br />

aus Chloropren-Kautschuk hergestellt.<br />

Durch umfangreiche Versuchsreihen wurde<br />

die Rezeptur der Mischung an die Erfordernisse<br />

angepasst, um so den Zielkonflikt bei<br />

der Erfüllung der Lebensdauerforderungen<br />

bei Hoch- und Tieftemperatur zu lösen.<br />

Für die Fertigung des Luftfederbalgs<br />

musste beim Lieferanten eine nur für dieses<br />

Projekt vorgesehene vollautomatische<br />

Fertigungslinie errichtet werden. Durch<br />

umfangreiche automatisch ablaufende<br />

Prüfprozesse nach jedem Fertigungsschritt<br />

wird das erforderliche hohe Qualitätsniveau<br />

jedes einzelnen Luftfederbalgs nachgewiesen.<br />

6 ADS-Dämpfer<br />

Um die vom Kunden DaimlerChrysler<br />

geforderten Spezifikationen bezüglich Bauraum,<br />

Gewicht, Verstellbarkeit, Reibung<br />

und Kosten zu erfüllen, musste ein gänzlich<br />

neues Dämpferkonzept erarbeitet werden.<br />

Das Einzige, was vom konventionellen<br />

Dämpfer übernommen werden konnte, war


38<br />

Innovative Luftfeder-Dämpfermodule für die S-Klasse von DaimlerChrysler<br />

Kraft-Geschwindigkeitsdiagramme der vier unterschiedlichen Dämpfkraftkennlinien (Bild 6)<br />

das Grundprinzip des Gasdruckdämpfers.<br />

Alles andere wurde überarbeitet oder völlig<br />

neu entwickelt.<br />

Das auffälligste äußere Merkmal des<br />

ADS-Dämpfers ist das seitlich adaptierte<br />

Ventilmodul mit zwei integrierten elektromechanischen<br />

Ventilen (Bild 5). Je nach<br />

Schaltstellung können ein oder zwei Bypassarbeitskolben<br />

zu dem an der Kolbenstange<br />

befindlichen Hauptarbeitskolben hydraulisch<br />

parallel geschaltet werden. Daraus<br />

resultieren vier unterschiedliche Dämpfkraftkennlinien<br />

(Bild 6). Die Schaltstellung<br />

der Ventile wird über das zentrale Fahrzeugsteuergerät<br />

nach dem Skyhook-Algo-<br />

Schaltstellung der Ventile bei den verschiedenen Dämpfkraftkennlinien (Bild 7)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

rithmus vorgegeben. Die Zuordnung der<br />

Kennlinie geht aus Bild 7 hervor.<br />

Hinsichtlich des Ansprechverhaltens und<br />

des daraus resultierenden Fahrkomforts<br />

wurden durch den Einsatz eines neu entwickelten<br />

Dichtungs-/Führungspaketes<br />

neue Maßstäbe für die automobile Oberklasse<br />

definiert (Bild 8). Die Dichtfunktion<br />

wird durch einen mit spezieller Dichtkantengeometrie<br />

versehenen Teflonring übernommen.<br />

Sehr niedrige Werte für Reibung<br />

und Losbrechkräfte zeichnen dieses Dichtungskonzept<br />

aus. Zur weiteren Reibungsreduzierung<br />

wird sowohl die Führung der<br />

Kolbenstange im Dichtungs-/Führungs-<br />

Stufe 1: Ventil 1 und 2 bestromt Zug weich /Druck weich<br />

für komfortables Abrollen bei<br />

geringen dynamischen Anregungen<br />

Stufe 2: Ventil 1 bestromt Zug weich / Druck hart<br />

Skyhookmodus<br />

Stufe 3: Ventil 2 bestromt Zug hart / Druck weich<br />

Skyhookmodus<br />

Stufe 4: Ventil 1 und 2 stromlos Zug hart / Druck hart<br />

starke dynamische Anregungen<br />

paket als auch die des Arbeitskolbens von<br />

PTFE-Bändern übernommen.<br />

Eine zusätzliche Maßnahme zur Reibungsoptimierung<br />

war die Integration eines<br />

Bodenventils in den Dämpfer, wodurch der<br />

Gasdruck um ca. 30 % reduziert werden<br />

konnte. Eine verminderte Anpresskraft der<br />

Dichtung an die Kolbenstange ist die Folge.<br />

7 Fertigung<br />

Die Großserienfertigung der S-Klasse-<br />

Federbeine stellte hohe Anforderungen an<br />

die Prozessentwicklung. Viele Fertigungsprozesse<br />

mussten neu definiert und bis zur<br />

Serientauglichkeit entwickelt werden.<br />

Die nach dem Kaltfließpressverfahren<br />

hergestellten Dämpferaußenrohre wurden<br />

aus Gewichtsgründen mit einer inkonstanten<br />

Wandstärke gefertigt. So konnte in<br />

allen Funktionsbereichen des Rohres die<br />

Wanddicke auf das erforderliche Maß<br />

reduziert werden.<br />

Zur Darstellung der einzelnen Ölkanäle<br />

waren diverse Durchbrüche in den Dämpferinnen-<br />

und -außenrohren erforderlich. Um<br />

eine absolute Gratfreiheit mit einem definierten<br />

Kantenbruch für das beschädigungsfreie<br />

Überfahren der Bohrungen mit<br />

Trenn- und Arbeitskolben zu gewährleisten,<br />

wurde ein spezielles Lochverfahren entwickelt.<br />

Hierbei wird der Lochstempel ins<br />

Innere des Rohres gefahren, und der Lochvorgang<br />

erfolgt von innen nach außen.<br />

Mehrere Rohre der Dämpfer mussten<br />

umlaufend oder in Segmenten aufgeweitet<br />

werden. Hier kommen das Rohrendenumformverfahren<br />

und das Segmentprägeverfahren<br />

mittels eines Druckgummieinsatzes<br />

zum Tragen. Aufwändig war in diesem<br />

Zusammenhang die Ermittlung und Festlegung<br />

der Rohrspezifikationen, um den gewünschten<br />

Umformgrat unter Berücksichti-


39<br />

Innovative Luftfeder-Dämpfermodule für die S-Klasse von DaimlerChrysler<br />

Neu entwickeltes Dichtungs-/Führungspaket<br />

(Bild 8)<br />

gung der sehr engen Durchmessertoleranzen<br />

zu erzielen.<br />

Besondere Beachtung fand die Schmutzeinbringung<br />

während des Montageprozesses.<br />

Wegen der Schmutzempfindlichkeit<br />

der in den Dämpfer integrierten Schaltventile<br />

war das Waschen aller im Dämpfer verbauten<br />

Komponenten unerlässlich. Zur<br />

Sicherstellung der Fertigungsqualität<br />

werden die Dämpfer zu 100 % hinsichtlich<br />

Dämpferkennlinie, Ventilschaltzeiten<br />

und Reibung geprüft. Außerhalb der<br />

Fertigungstoleranzen liegende Dämpfer<br />

werden zerlegt und mit erneuerten<br />

Komponenten wieder aufgebaut.<br />

Auf den komplettierten Dämpfer wird auf<br />

einer halbautomatisierten Montagelinie die<br />

Luftfeder montiert. Nur durch einen präzise<br />

ausgeführten Streck- und Einstellprozess<br />

in mehreren Montagestationen kann<br />

die richtige Lage und Ausformung des<br />

Luftfederbalgs sichergestellt werden.<br />

Für die anschließende Dichtigkeitsprüfung<br />

wird die Luftfeder mit Helium befüllt.<br />

In einer Vakuumkammer kann bei auftretender<br />

Undichtigkeit das Helium mittels<br />

eines Massenspektrometers nachgewiesen<br />

werden. Eine abschließende Rundlaufmessung<br />

der Luftfeder mit Hilfe eines Lasermesssystems<br />

stellt die Einhaltung der vorgeschriebenen<br />

Fertigungstoleranzen sicher.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Die wesentlichen Montage- und Prüfwerte<br />

werden für jedes Luftfederbein gespeichert<br />

und können über den auf das Federbein<br />

aufgebrachten Barcode jederzeit<br />

zugeordnet werden.<br />

8 Schluss<br />

Mit dem Einsatz der Luftfederung mit<br />

adaptivem Dämpfungssystem in der neuen<br />

S-Klasse demonstrierte DaimlerChrysler<br />

eindrucksvoll die technologische Führerschaft<br />

im Bereich der innovativen Fahrwerkssysteme.<br />

Krupp Bilstein leistete mit<br />

der Entwicklung und Serienlieferung der<br />

Feder-Dämpfer-Module einen wesentlichen<br />

Beitrag zum Gesamtsystem und konnte<br />

hierdurch die Kompetenz als innovativer<br />

Partner der Automobilindustrie unter<br />

Beweis stellen. Auf Grund der durch die<br />

Serieneinführung der S-Klasse gestiegenen<br />

Akzeptanz derartiger Systeme wird die Luftfederung<br />

mit adaptivem Dämpfungssystem<br />

eine weite Verbreitung am Markt finden,<br />

und dies nicht nur in Fahrzeugen der Oberklasse.<br />

Wegen der frühen Präsenz konnte<br />

sich Krupp Bilstein innerhalb dieses<br />

Marktsegments erfolgreich positionieren<br />

und so den Kunden bei derzeitigen und<br />

zukünftigen Projekten mit der erlangten<br />

Kompetenz einen hohen Nutzen liefern.


40<br />

Dr. Wolfgang Stein,<br />

Dipl.-Ing. Hartmuth Willnauer<br />

Die Smartstep-Stufe – Innovation im Fahrtreppenbau<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Smartstep’s im Schuhhaus Görtz, Hamburg (Bild 1)


41<br />

1 Einleitung<br />

Die Smartstep-Stufe – Innovation im Fahrtreppenbau<br />

Kein Mensch kann heute sagen, welche<br />

Spieler für die Mannschaft des FC Schalke 04<br />

im Sommer nächsten Jahres auflaufen<br />

werden. Sicher aber ist, dass im August<br />

2001 in Gelsenkirchen nicht mehr im Parkstadion<br />

angepfiffen wird, sondern im dann<br />

modernsten Fußballstadion der Welt, der<br />

Arena „AufSchalke“. Sicher ist auch, dass<br />

die Spieler den Weg beim Betreten und<br />

Verlassen des Stadions über die modernste<br />

Fahrtreppe der Welt zurücklegen werden.<br />

Königsblaue Stufen – weil Thyssen Fahrtreppen<br />

im vergangenen Jahr die erste<br />

Kunststoffstufe der Welt „Smartstep“ auf<br />

den Markt brachte, werden bald bei Fernsehübertragungen<br />

aus der neuen Schalke-<br />

Arena Fahrtreppen in der Vereinsfarbe der<br />

Die Smartstep ist TÜV-geprüft und gemäß EN 115 zertifiziert (Bild 2)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

„Schalker Knappen“ zu bewundern sein<br />

(Bild 2).<br />

Frisch am Markt, ist die neue Fahrtreppenstufe<br />

jetzt gleich zweimal ausgezeichnet<br />

worden. Thyssen Fahrtreppen wurde, zusammen<br />

mit dem Kunststoffhersteller Bayer<br />

und dem Kunststoffverarbeiter Coko, vom<br />

Verein Deutscher Ingenieure mit dem VDI-<br />

Kunststoff-Innovationspreis geehrt (Bild 3).<br />

Verliehen wird diese Auszeichnung für Entwicklungsarbeiten,<br />

die dazu beitragen, bei<br />

Fertigungsprozessen Kosten einzusparen,<br />

ökologische Verbesserungen zu erreichen<br />

oder neue Anwendungsfelder für Kunststoffe<br />

zu erschließen. Die Innovationshöhe<br />

dieses neuen Produkts wurde von der Jury<br />

besonders gelobt. Zusätzlich belegte Thys-<br />

VDI-Kunststoffpreis (Bild 3)<br />

sen Fahrtreppen im <strong>ThyssenKrupp</strong> Innovationswettbewerb<br />

2000 den dritten Platz. 2 Werkstoff und Farbgestaltung<br />

Bislang hatten Architekten keine große<br />

Wahl bei der Gestaltung von Gebäuden mit<br />

Fahrtreppen. Die herkömmlichen Stufen<br />

werden aus Aluminium gefertigt. Damit ist<br />

die Farbe – Silbergrau – vorgegeben. Wer<br />

es bunter liebt, kann zwar eine lackierte<br />

Variante bestellen. Doch unter vielen Füßen<br />

leidet die Farbe, der Lack ist irgendwann<br />

ab. Smartstep hingegen ist aus einem völlig<br />

neuen, eigens in Zusammenarbeit mit<br />

der Bayer <strong>AG</strong> entwickelten Material gebaut.<br />

Der neue Werkstoff wird mit Glasfasern verstärkt,<br />

sodass er den vielfältigen Beanspruchungen<br />

im Leben einer Fahrtreppenstufe<br />

ebenso gut widersteht wie Aluminium.<br />

Sogar besser: Dem Gemisch aus Polyester<br />

und Glasfasern können bei der Herstellung<br />

Farbpigmente verschiedener Couleur beigefügt<br />

werden. Dadurch ist der ganze Stufenkörper<br />

durchgefärbt, spätere Abnutzungsspuren<br />

fallen farblich nicht auf. Die<br />

traditionelle Druckgussstufe hat also Konkurrenz<br />

bekommen durch eine neue Gene-


42<br />

Die Smartstep-Stufe – Innovation im Fahrtreppenbau<br />

ration von roten, grünen, blauen und<br />

schwarzen Fahrtreppenstufen, die im<br />

Spritzgieß-Verfahren hergestellt werden.<br />

Für die nötige Steifheit der Stufe – Kunststoff<br />

ist natürlich elastischer als Aluminium<br />

– sorgt eine präzise berechnete Verrippung<br />

auf der Innenseite. Um Material zu sparen<br />

und das Gewicht zu senken, wird an der<br />

Hinterkante nach dem Spritzgießen ein<br />

dünnes aber starkes Stahlrohr eingesetzt.<br />

So ist garantiert, dass die neue Stufe jeden<br />

Beanspruchungen einer vielbenutzten Fahrtreppe<br />

ohne Verformungen standhält.<br />

3 Reinigung und Sicherheit<br />

Das Spritzgieß-Verfahren schafft neben<br />

dem farbenfrohen Design noch weitere Vorteile,<br />

die das neue Produkt ungemein<br />

attraktiv für den Markt machen. Anders als<br />

bei den herkömmlichen Stufen ist die Oberfläche<br />

der Smartstep porenfrei. Die Fahrtreppe<br />

ist dadurch sauberer, weil der<br />

Schmutz schlechter haftet. Reinigungskolonnen<br />

in Einkaufszentren, Flughäfen und<br />

Bürogebäuden zwischen Hamburg und<br />

Schanghai wird das freuen: Die Glasfaserstufen<br />

lassen sich besser und schneller<br />

säubern. Zudem ist das neue Material<br />

rutschfester. Gerade an kritischen Einsatzorten<br />

wie dem Eingangsbereich von Kaufhäusern<br />

ist dies von Vorteil. Kunden mit<br />

Tüten voller Einkäufe und regenfeuchten<br />

Schuhsohlen werden rutsch-resistentere<br />

Fahrtreppenstufen zu schätzen wissen.<br />

Hinzu kommt, dass die Glasfaserstufe<br />

Geräusche besser dämpft als die Verwandte<br />

aus Aluminium. Gut zwei Drittel aller<br />

Thyssen-Treppen werden innerhalb von<br />

Geschäftsgebäuden installiert. Der Klang<br />

von Tausenden klappernder Absätze täglich<br />

ist nicht zu unterschätzen. Die Kunststoffstufe<br />

vermindert diese unausweichliche<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Muster der Farbgestaltung (Bild 4)<br />

Geräuschkulisse merklich – ein Vorteil gerade<br />

in Einkaufspassagen und Kaufhäusern,<br />

wo der gestresste Kunde so wenig wie<br />

möglich zusätzliche Irritation erfahren soll<br />

(Bilder 1 und 4).<br />

4 Brandschutz<br />

Natürlich muss der neu entwickelte Thermoplast<br />

nicht nur den alltäglichen Beanspruchungen<br />

genügen. Wie verhält die<br />

Kunststoffstufe sich im Falle eines Gebäudebrandes<br />

oder eines Feuers in der Fahrtreppe<br />

selbst? Fahrtreppen sind zwar nicht<br />

als Fluchtwege zugelassen. Aber natürlich<br />

dürfen sie auch im Brandfall keine zusätzliche<br />

Gefahr bergen. Daher sind im Material<br />

Brandschutzmittel eingeschlossen, die bei<br />

Erhitzung zerfallen und ein selbstständiges<br />

Brennen der Stufe unmöglich machen.<br />

Smartstep erfüllt somit die internationalen<br />

Brandschutz-Normen für Gebäude.<br />

In einem umfangreichen Testprogramm<br />

musste die Glasfaserstufe während ihrer<br />

Entwicklung tatsächlich durchs Feuer<br />

gehen. Die Ingenieure zündeten einen<br />

Brandbeschleuniger unter einer mit<br />

Gewichten belasteten Stufe. Auch nach<br />

einigen Minuten blieb die Smartstep unversehrt.<br />

Erst beim Abkühlen kam es zu leichten<br />

Verformungen. Funktionstüchtig aber<br />

blieb die Stufe in jedem Fall – nicht einmal<br />

warme Füße würde man bekommen. Durch<br />

die geringe Wärmeleitfähigkeit ihres Materials<br />

erhitzte sich die Stufen-Oberfläche<br />

kaum. Anders verhalten sich Aluminiumstufen,<br />

die sich nach zwei Minuten Feuereinwirkung<br />

aufheizen. Smartstep bringt<br />

aber nicht nur Vorteile für den Kunden.<br />

5 Vorteile in der Fertigung<br />

Auch der Produktionsprozess für Fahrtreppenstufen<br />

konnte vereinfacht und verbessert<br />

werden. Vor allem die Spritzgussform,<br />

das Herzstück in der Herstellung,<br />

wird nicht so stark beansprucht wie die<br />

Druckgussform zur Produktion von Aluminiumstufen.<br />

Kunststoff kann bei einer niedrigeren<br />

Temperatur verarbeitet werden – das<br />

spart Energie. Hinzu kommt eine geringere<br />

Fließgeschwindigkeit des Materials.<br />

Dadurch hat die Spritzgussform ein zehnmal<br />

längeres Leben. Zudem müssen Spritzgießstufen<br />

nach Abkühlung kaum nachgearbeitet<br />

werden – eine Aluminiumstufe hingegen<br />

muss nach dem Gießen zeitintensiv<br />

gerichtet werden. Die Stufe selbst ist am<br />

Ende wesentlich leichter – um fast 20 Prozent.<br />

Dadurch lässt sie sich einfacher in die<br />

Fahrtreppe einbauen. Auch spätere Service-<br />

Arbeiten sind leichter und schneller zu handhaben.<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen:<br />

Mit der Smartstep konnte ein Produkt auf<br />

den Markt gebracht werden, das auch ein<br />

erhebliches wirtschaftliches Potenzial besitzt.


43<br />

Die Smartstep-Stufe – Innovation im Fahrtreppenbau<br />

Automatische Entnahmevorrichtung in der<br />

Fertigung (Bild 5)<br />

6 Marktresonanz<br />

Wer selbst einmal einen Fuß auf eine<br />

Smartstep-Fahrtreppe setzen möchte, kann<br />

dies bei der EXPO 2000. Der <strong>ThyssenKrupp</strong><br />

Pavillon auf der Hannover Messe wurde für<br />

die Dauer der Ausstellung bis zum 31. Oktober<br />

in „Youth Infotainment <strong>Forum</strong>“ umbe-<br />

Fahrtreppen mit Smartstep’s in den Farben Rot, Grün und Blau (Bild 6)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

nannt. Hier trifft sich die Jugend der Welt in<br />

Workshops, zum Spielen und Relaxen. Und<br />

hier ist auch nach wie vor die erste in der<br />

Öffentlichkeit montierte Fahrtreppe mit den<br />

bunten Stufen im täglichen Einsatz.<br />

Bereits heute liegen Aufträge über fast<br />

200 Fahrtreppen mit den neuartigen Smartstep’s<br />

aus der ganzen Welt vor. In einer<br />

Lübecker Einkaufspassage zum Beispiel<br />

soll es ganz bunt zugehen – die Kundschaft<br />

wird auf Fahrtreppen mit grünen, roten und<br />

blauen Stufen fahren. Ein türkischer Supermarkt<br />

in Istanbul will die Kunden mit der<br />

Nationalfarbe Rot locken, ein Moskauer<br />

Hotel setzt mit „smartsteps“ in Schwarz<br />

und Gelb auf klassischen Schick mit fröhlicher<br />

– und für die Sicherheit sinnvoller –<br />

Farbpointe. In allen Einsatzlagen eröffnet<br />

Smartstep die Möglichkeit, das Corporate<br />

Design eines Gebäudes konsequent bis in<br />

die letzte Treppenstufe zu verfolgen.<br />

Für Fußballspieler, für Kunden von Einkaufszentren<br />

oder für die Belegschaft in<br />

Bürogebäuden ist es ein kleiner und attraktiver<br />

Schritt auf eine farbige Treppenstufe.<br />

Für Architekten, Bauherren und nicht zuletzt<br />

Thyssen Fahrtreppen ist die Entwicklung<br />

der neuen Glasfaserstufe Smartstep ein<br />

kluger und zugleich großer Schritt ins<br />

21. Jahrhundert.


44<br />

Dr. rer. pol. Claus Algenstaedt<br />

„TS Online“ – die Plattform für den elektronischen Geschäftsverkehr<br />

von Thyssen Schulte<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Internet-basierte elektronische Medien sind in immer mehr<br />

Wirtschaftsbereichen stark im Vormarsch. Das gilt zunehmend<br />

auch im Handel (Bild 1)


45<br />

„TS Online“ – die Plattform für den elektronischen Geschäftsverkehr von Thyssen Schulte<br />

1 Ausgangssituation<br />

Mit über 100-jähriger Geschäftstradition<br />

ist Thyssen Schulte heute das führende<br />

Werkstoff-Unternehmen in Deutschland.<br />

Zahlreiche Gesellschaften im In- und Ausland<br />

gehören zum Geschäftsbereich. Der<br />

Jahresumsatz von Thyssen Schulte beläuft<br />

sich auf 5,1 Milliarden DM; es werden mehr<br />

als 6.000 Mitarbeiter beschäftigt.<br />

Als Komplettanbieter von Grund- und<br />

Qualitätsstählen, Stahlrohren, Edelstahl,<br />

NE-Metallen und Kunststoffen – insgesamt<br />

über 120.000 Artikel – ist die Geschäftsstrategie<br />

von Thyssen Schulte auf die<br />

direkte Bearbeitung eines weitgefächerten<br />

Spektrums von Verarbeiter-Kunden in Industrie,<br />

Handwerk und Bauwirtschaft ausgerichtet.<br />

Durch konsequente Investitionspolitik<br />

verfügt Thyssen Schulte in Deutschland<br />

über ein sehr leistungsfähiges System aus<br />

Zentral- und Regionallägern. Dabei kommt<br />

dem Zentrallager Dortmund für Edelstähle<br />

und NE-Metalle ein besonderer Stellenwert<br />

zu (Bild 2). Es gilt als das modernste seiner<br />

Art in Europa.<br />

Ein wichtiges Element, um das reibungslose<br />

Zusammenspiel der Verkaufsabteilungen<br />

– allein über 300 Abteilungen in mehr<br />

als 40 Niederlassungen bei Thyssen<br />

Schulte selbst – mit den Lagerbetrieben zu<br />

Ausbauschritte des Projektes „TS Online“ (Bild 3)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Zentrallager für Edelstahl und NE-Metalle von Thyssen Schulte in Dortmund (Bild 2)<br />

sichern, bildet das Bestandsmanagement<br />

von Thyssen Schulte auf der Basis einer<br />

vernetzten Informationstechnik und Logistik.<br />

Hierdurch sind die Niederlassungen<br />

online in der Lage, die Materialverfügbarkeit<br />

festzustellen und die Dispositionen bei<br />

den Lägern im System von Thyssen<br />

Schulte (Zentrallägern) elektronisch auszulösen.<br />

Über die reine Materialverfügbarkeit und<br />

den schnellen Zugriff hinaus wächst die<br />

Bedeutung ergänzender Dienstleistungen<br />

für Kunden ständig. Dazu zählt vor allem<br />

die Anarbeitung der Werkstoffe nach den<br />

jeweiligen Vorgaben der Kunden. Thyssen<br />

Schulte unterhält eigene leistungsfähige<br />

Service-Center, die in enger logistischer<br />

Verbindung mit den jeweiligen Produktlägern<br />

arbeiten.<br />

2 Projekt „TS Online“<br />

Je stärker das Bedarfsspektrum eines<br />

Kunden differenziert ist, umso flexibler und<br />

leistungsfähiger muss das Angebot des<br />

Handels gestaltet sein. Die zusätzliche<br />

Bereitstellung Internet-basierter elektronischer<br />

Medien als Plattform für Informationen,<br />

Beratung und Austausch von Daten<br />

sowie für Aufträge und die Abwicklung der


46<br />

„TS Online“ – die Plattform für den elektronischen Geschäftsverkehr von Thyssen Schulte<br />

damit verbundenen kommerziellen Prozesse<br />

bietet neue Ansatzpunkte, um Kundenverbindungen<br />

auch zukünftig über den<br />

heute noch dominierenden klassischen<br />

Verkaufsweg hinaus zu pflegen und damit<br />

verbundene Potenziale zu aktivieren. Dieser<br />

„Business to Business“-Ansatz wird von<br />

Thyssen Schulte seit Frühjahr 1999 konsequent<br />

verfolgt.<br />

Ausgangspunkte der Internet-basierten<br />

Geschäftsunterstützung (Projekt „TS Online“,<br />

Bild 3) bilden der vielfältige Informations-<br />

und Kommunikationsbedarf der Kunden<br />

einerseits sowie das arbeitsaufwendige<br />

Anfrage- und Bestellwesen andererseits.<br />

Jährlich werden im Unternehmen etwa<br />

7 Millionen Anfragen, die sich auf ca.<br />

15 Millionen Einzelpositionen addieren, und<br />

2,1 Millionen Aufträge mit 4,8 Millionen<br />

Positionen bearbeitet (ohne Tochtergesellschaften).<br />

Online-Informationen und -Verkauf<br />

haben für die Benutzer den Vorteil, dass<br />

Betriebs- und Öffnungszeiten ihre Bedeutung<br />

verlieren und die Systeme rund um<br />

die Uhr genutzt werden können. Bei gut<br />

konzipierten Systemen entfallen viele der<br />

zeit- und kostenintensive Rückfragen.<br />

Klassische Kundenberatung in einer Niederlassung (Bild 4)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Leistungskomponenten im Lager- und Dienstleistungsgeschäft (Bild 5)<br />

2.1 Kunden nutzen Online-<br />

Katalog<br />

Die erste Stufe im realisierten Ansatz „TS<br />

Online“ bildet der Internet-Auftritt, der den<br />

spezifischen Informationsbedarf über das<br />

weitgefächerte Programm von Thyssen<br />

Schulte regional und artikelbezogen steuert.<br />

Dadurch wird für Interessenten der<br />

wichtige Direktkontakt zu örtlichen<br />

Ansprechpartnern einer Verkaufsabteilung<br />

in seiner Nähe identifiziert. Programm und<br />

Organisation sind also online verfügbar.<br />

Kunden können ihre Anfragen/Aufträge<br />

direkt per E-Mail an die Niederlassung von<br />

Thyssen Schulte senden, ohne das System<br />

zu verlassen.<br />

Über den Online-Katalog hinaus werden<br />

zusätzlich Angebote und werbliche Informationen<br />

aktuell in die Homepage eingestellt.<br />

2.2 Internet-basiertes<br />

Bestellwesen<br />

Die zweite Stufe ist das Kernstück von<br />

„TS Online“. Durch Zugangscode gesichert,<br />

können die Kunden von Thyssen<br />

Schulte sich über die aktuelle Verfügbarkeit<br />

der einzelnen Artikel im Lager (bzw. im zentral<br />

unterstützenden Lagersystem) informieren.<br />

Die Artikelinformation bietet darüber<br />

hinaus die relevanten, kundenindividuellen<br />

Preise (brutto/netto).<br />

Auf dieser Basis besteht die Möglichkeit<br />

– abweichend vom klassischen Muster der<br />

Auftragserteilung – Aufträge elektronisch<br />

über „TS Online“ zu platzieren. Dazu gehören<br />

auch Termin- und Versandvorgaben


47<br />

„TS Online“ – die Plattform für den elektronischen Geschäftsverkehr von Thyssen Schulte<br />

und Bestellung angearbeiteter Produkte<br />

(Zuschnitte etc.).<br />

In dieser Stufe bietet Thyssen Schulte<br />

den Online-Kunden zusätzlich ein umfangreiches<br />

Informationsangebot – Werkstoffinformationen<br />

für Verarbeiter. Dazu gehören<br />

u. a.:<br />

● Informationen über mechanische und<br />

chemische Produkteigenschaften<br />

● grafische Angaben, Darstellungen oder<br />

Maßzeichnungen<br />

● Maße, Gewichte, Umrechnungen (sog.<br />

elektronischer Stahlschieber)<br />

● Verarbeitungshinweise<br />

● Normenvergleiche, d.h. Gegenüberstellungen<br />

auf Basis von DIN- und<br />

EURO-Normen<br />

● Werkstoffauswahl-Programm<br />

Im Zusammenhang mit der elektronischen<br />

Auftragserteilung bzw. Auftragserfassung<br />

entstehen für den Kunden weitere<br />

Vorteile: „TS Online“-Nutzer können sich<br />

elektronisch über den Bearbeitungsstatus<br />

ihrer Aufträge informieren. Dazu gehören<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

die Anzeige der offenen Aufträge mit dem<br />

Status, die Aufgliederung offener Aufträge<br />

mit allen Positionen und Detailinformationen<br />

je Auftragsposition.<br />

Einen anderen wichtigen Aspekt stellt<br />

das elektronische Rechnungsarchiv dar. Es<br />

zeigt die Rechnungen und die Aufgliederung<br />

sowie die Einzelheiten zu den berechneten<br />

Artikeln (Positionen) an. Ferner wird<br />

in Kürze der Zugriff auf das Archiv der Kundenempfangsbestätigungen<br />

zur Verfügung<br />

stehen. Bei allen diesen Informationen liegt<br />

der Kundennutzen auf der Hand – „TS<br />

Online“ stellt die aktuellen Informationen<br />

schnell und ohne Umweg zur Verfügung.<br />

2.3 Online-Support<br />

Nach dem automatischen Bestellwesen<br />

sind weitere Module und Ausbaustufen mit<br />

höherem Dienstleistungsanteil vorgesehen<br />

(vgl. Bild 3). Dabei wird die Individualisierung<br />

der elektronisch unterstützten<br />

Kundenbetreuung durch Thyssen Schulte<br />

verstärkt werden und an auftrags- oder<br />

bedarfsorientierte Hilfestellung (Support)<br />

Ausrichtung von Thyssen Schulte auf Industrie, Handwerk und Bauwirtschaft (Bild 6)<br />

Für Thyssen Schulte typischer Kundenauftrag<br />

(Bild 7)<br />

bzw. andere Formen des Mikro-Marketings<br />

gedacht.<br />

Customer Relationship Management wird<br />

zukünftig immer mehr in den Vordergrund<br />

treten. Das gilt auch für individuelles Kundenmarketing<br />

(Mikro-Marketing).<br />

Längerfristig sind hierfür interaktive<br />

Benutzeroberflächen und Module erforderlich,<br />

um online den Austausch individueller<br />

Informationen zu ermöglichen.<br />

2.4 Online-Regulierung<br />

In einer späteren Stufe wird der Zahlungsverkehr<br />

und die Regulierung in die<br />

elektronisch gesteuerte Prozesskette einbezogen.<br />

Dazu gehören die elektronische<br />

Erstellung bzw. Übermittlung von Lieferscheinen,<br />

Rechnungen und Gutschriften<br />

sowie – besonders wichtig – die elektronische<br />

Regulierung (Abbuchung).<br />

3 Kosteneinsparung<br />

Das Projekt „TS Online“ bietet – trotz<br />

primärer Kundenorientierung – wichtige<br />

Ansatzpunkte für Optimierung und Rationalisierung<br />

im administrativen Bereich. Diese<br />

Chancen ergeben sich aus den enormen<br />

Mengengerüsten, über die Thyssen Schulte


48<br />

„TS Online“ – die Plattform für den elektronischen Geschäftsverkehr von Thyssen Schulte<br />

bei dem jährlich zu bewältigenden Geschäftsvolumen<br />

verfügt (vgl. Abschnitt 2).<br />

Setzt man nach der Einführungsphase<br />

für einen überschaubaren Zeitraum den<br />

Anteil der Online-Bestellungen und die<br />

anteiligen Kosten für die Bearbeitung von<br />

Anfragen, Angeboten und entsprechenden<br />

Arbeiten im Vergleich zu der traditionellen<br />

Auftragsabwicklung vorsichtig an, so ergibt<br />

sich ein Einsparungspotenzial von bis zu<br />

1,5–3 Millionen DM p.a. Die Projektkosten<br />

belaufen sich auf rund 1 Million DM. Als<br />

laufende Kosten müssen etwa 0,2–0,3 Millionen<br />

DM p.a. kalkuliert werden.<br />

Thyssen Schulte geht davon aus, dass<br />

der Geschäftsumfang in den nächsten Jahren<br />

– bei weiter wachsender Marktdurchdringung<br />

– ausgeweitet werden kann. Insoweit<br />

wird „TS Online“ dazu beitragen, dass<br />

der Leistungsumfang im Verkauf und in<br />

den verkaufsnahen Bereichen weiter steigt.<br />

Hannover Messe 2000: Vorstellung von „TS Online“ (Bild 8)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

4 Innovationsgrad<br />

„TS Online“ ist als neuer elektronisch<br />

gesteuerter Informations-, Verkaufs- und<br />

Transaktionskanal gedacht. Das Konzept ist<br />

auf Integration der gesamten Geschäftsabwicklung<br />

ausgerichtet. Insoweit unterscheidet<br />

sich der Ansatz von Thyssen Schulte<br />

konzeptionell deutlich von anderen „Business<br />

to Business“-Ansätzen, die den Verkauf<br />

von Sonderangeboten oder Auktionsgeschäfte<br />

Internet-basiert abwickeln.<br />

Wie dargestellt, ist mit dem elektronisch<br />

gesteuerten Bestellwesen und dessen Weiterentwicklung<br />

im bisher von traditionellen<br />

Organisationsstrukturen geprägten Handelsgeschäft<br />

mit Stahl und anderen Werkstoffen<br />

eine erhebliche Innovation verbunden.<br />

Sie betrifft den gesamten Kommunikations-<br />

und Transaktionsprozess zwischen<br />

den Kunden und Verkaufsabteilungen von<br />

Thyssen Schulte-Niederlassungen.<br />

An Stelle der bislang stark auf persönlichen<br />

Kontakten (Besuche/Telefonate/<br />

Schriftverkehr) aufgebauten und in der<br />

Abwicklung sehr beleg- und betreuungsintensiven<br />

Geschäftsverbindungen treten<br />

zukünftig vermehrt elektronische Datensysteme<br />

mit Online-Verbindungen und<br />

entsprechenden Operationen. Dies wird<br />

längerfristig zu einer erheblichen Veränderung<br />

im Geschäftsverkehr und in der<br />

Kommunikation zwischen den Geschäftspartnern<br />

führen.<br />

5 Neue Herausforderungen<br />

Das Projekt „TS Online“ ist in den Stufen<br />

1 und 2 fertig gestellt (Bild 9) und befindet<br />

sich in der Umsetzung. Im Laufe des Jahres<br />

2000 werden weitere Teilmodule (z.B.<br />

Werkstoffzusatzinformationen) fertig (Bild<br />

10) und zusätzliche Kunden in den Niederlassungen<br />

aufgeschaltet. Darüber hinaus<br />

ist die Vernetzung zu Großkunden aus dem<br />

EDI-Konzept geplant.<br />

Der Vorteil professionell genutzter elektronischer<br />

Transaktionen liegt zweifellos in<br />

dem enormen Gewinn an Zeit und Transparenz<br />

für beide Seiten – Anbieter und Käufer.<br />

Der Kunde erhält in Bruchteilen von<br />

Sekunden seine Informationen; Vergleichsdaten<br />

von Wettbewerbern sind nur noch<br />

„einen Mausklick“ entfernt. Durch „TS Online“<br />

und E-Commerce ist Thyssen Schulte<br />

24 Stunden für Kunden und Interessenten<br />

geöffnet und bietet so die Möglichkeit, rund<br />

um die Uhr Anfragen zu platzieren oder<br />

Aufträge zu buchen.<br />

Unverändert aber gilt: Schnelle Information<br />

und Kommunikation ist die eine Seite<br />

der geschäftlichen Verbindungen, die termintreue<br />

Auslieferung der Waren die andere<br />

Seite. Auch im Online-Zeitalter bleibt die<br />

leistungsfähige Logistik einer der größten


49<br />

„TS Online“ – die Plattform für den elektronischen Geschäftsverkehr von Thyssen Schulte<br />

Geschäftsfunktionen, die „TS Online“ abbildet (Bild 9)<br />

Erfolgsfaktoren für ein Unternehmen, das<br />

wie Thyssen Schulte mit 100.000 Kunden<br />

zusammenarbeitet, damit der Zeitgewinn<br />

aus elektronischen Geschäftsprozessen<br />

nicht bei der Lieferung verloren geht.<br />

Bisher waren Lieferanten-Kunden-<br />

Verbindungen in aller Regel dann am erfolgreichsten,<br />

wenn sie auf langjährigen persönlichen<br />

Kontakten basierten. Zukünftig<br />

wird man – elektronisch vernetzt, quasi in<br />

Selbstbedienung – ohne den persönlichen<br />

Kontakt zum Verkäufer im Innen- oder<br />

Außendienst auf Datenbank-Informationen<br />

Geplante Weiterentwicklung (Bild 10)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

bzw. digitale Vertriebssysteme zurückgreifen<br />

können. Insoweit wird es auch bei<br />

Stahl, Metallen und Kunststoffen durch die<br />

Einführung von Online-Geschäftsverbindungen<br />

zu einer Neugestaltung der Kunden-/Lieferantenbeziehungen<br />

kommen, die<br />

weit über die bloße technische Nutzung von<br />

elektronischen Systemen hinausgeht.<br />

Die zentrale Aufgabe von Verkauf und<br />

Marketing in der Zukunft wird es also sein,<br />

Kundenverbindungen zu erhalten oder neu<br />

zu schaffen, die sich trotz vernetzter<br />

Geschäftsprozesse in der laufenden Tages-<br />

arbeit als trag- und entwicklungsfähig<br />

erweisen. Persönliche Verbindungen zwischen<br />

Geschäftspartnern bleiben auch<br />

zukünftig unverzichtbar, werden aber vielfach<br />

neue Anknüpfungspunkte haben müssen:<br />

Bisher werden Bestellungen oder<br />

Anfragen häufig lieferantenseitig durch persönliche<br />

Kontakte am Telefon oder bei<br />

Besuchen vorbereitet oder begleitet.<br />

Dadurch ist eine laufende Kommunikationsbasis<br />

zum Kunden gegeben.<br />

6 Fazit<br />

Für Thyssen Schulte bedeutet „TS Online“<br />

eine zeitgemäße Optimierung des<br />

Geschäftsmodells und seine Weiterentwicklung,<br />

die für die angestrebte Wertschöpfungspartnerschaft<br />

mit den Verarbeiterkunden<br />

neue Ansatzpunkte eröffnet.<br />

Gegenwärtig ist „TS Online“ als zusätzlicher<br />

Vertriebskanal im Aufbau für Kundenkreise,<br />

die über den klassischen Weg<br />

der Auftragserteilung hinaus eine Zusammenarbeit<br />

durch Nutzung elektronischer<br />

Medien wünschen.<br />

Den Veränderungen durch E-Commerce<br />

kann man als aktiv im Markt stehendes<br />

Handels- und Dienstleistungsunternehmen<br />

nur offensiv begegnen. Dies gilt für Organisationsfragen,<br />

die mit der vernetzten<br />

Datenwelt zusammenhängen, ebenso wie<br />

im weiten Feld der Problemstellung von<br />

Marketing und Verkauf. Thyssen Schulte<br />

hat begonnen, sich im Werkstoffgeschäft<br />

darauf einzustellen.


50<br />

Peter Buderath<br />

Online-Dokumenten-Management-System für Abnahmeprüfzeugnisse<br />

von <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Bildschirmmaske für das weltweit eingesetzte „Information<br />

System Certificates“-System von <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion<br />

an einem Arbeitsplatz im <strong>ThyssenKrupp</strong> Trade Center,<br />

Düsseldorf (Bild 1)


51<br />

1 Einleitung<br />

Online-Dokumenten-Management-System für Abnahmeprüfzeugnisse von <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion<br />

Produktion, Distribution und Verarbeitung<br />

von Werkstoffen ist ein facettenreiches<br />

Geschäft: Allein Edelstahl umfasst 500<br />

Güten und bietet heute eine nahezu unübersehbare<br />

Vielfalt von Verwendungsmöglichkeiten.<br />

Und dabei sind Stahl und andere<br />

Werkstoffe stets nur Vorprodukte. Massengefertigt<br />

in High-Tech-Werken, exportiert<br />

nach Europa oder Übersee, sind Werkstoffe<br />

die Basis für die Verarbeitung in Handwerk<br />

und Industrie. Gleichzeitig wächst der Anteil<br />

der Dienstleistungen immer mehr, die von<br />

Handelsunternehmen in Verbindung mit<br />

Werkstofflieferungen für Verarbeiterkunden<br />

angeboten werden. Im Mittelpunkt dieser<br />

Dienstleistungen steht die Anarbeitung mit<br />

einer breiten Palette von Zuschnitt-Leistungen<br />

nach Kundenwunsch. In zunehmendem<br />

Maße wird auch die Oberflächenbehandlung<br />

vom Handel dienstleistend<br />

bearbeitet.<br />

Der gesamte Prozess der Herstellung und<br />

Distribution von Stahl oder Metallen unterliegt<br />

der Qualitätssicherung und wird von<br />

ständigen Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen<br />

begleitet. Von besonderer<br />

Bedeutung für die Rückverfolgbarkeit ist<br />

Gabriele Kübler betreut im <strong>ThyssenKrupp</strong> Trade<br />

Center das Online-Dokumenten-System (Bild 2)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Verladung von Coils im Hafen von Duisburg-Schwelgern (Bild 3)<br />

dabei das Abnahmeprüfzeugnis (Inspection<br />

Certificate) – der „Personalausweis“ für<br />

jedes erzeugte Produkt oder – noch konkreter<br />

– für jede einzelne Charge. Es begleitet<br />

den jeweiligen Werkstoff vom Hersteller<br />

über das Verkaufsbüro des Händlers,<br />

die Anarbeitung im Lager bis hin zum<br />

Verarbeitungsbetrieb des Kunden irgendwo<br />

in der Welt. Nur mit dieser lückenlosen Dokumentation<br />

sind Hersteller, Händler und<br />

Verarbeiter stets darüber im Bilde, welchen<br />

Werkstoff sie exakt verwenden oder in die<br />

nächste Produktionsstufe schleusen.<br />

Die <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion (TKSU) mit<br />

einem weltumspannenden Netz an Gesellschaften<br />

und Vertretungen und einem<br />

Jahresumsatz von gut 6 Milliarden DM<br />

benötigt jährlich Zehntausende von Werkzeugnissen,<br />

die verwaltet, weitergeleitet<br />

und archiviert werden müssen. Zur Optimierung<br />

der Geschäftsprozesse im Bereich<br />

der Werkszeugnisse, die hier häufig mehrere<br />

Unternehmensteile im In- und Ausland<br />

gleichzeitig betreffen, einerseits und zur<br />

Pflege von Kundenverbindungen andererseits<br />

hat TKSU in Düsseldorf ein neues<br />

Dokumenten-Archivierungs-Management-<br />

System auf Basis der Internet-Technologie<br />

entwickelt und seit einiger Zeit erfolgreich<br />

in der weltweiten Organisation des Unternehmens<br />

eingeführt.<br />

2 Identifikation durch Abnahmeprüfzeugnisse<br />

Mit der Freigabe eines Stahlproduktes<br />

zum Verkauf durch ein Werk erfolgt auch<br />

die Bereitstellung einer Prüfungsbescheinigung<br />

nach DIN EN 10204. Unter diesen<br />

Sammelbegriff fallen Werksbescheinigungen,<br />

Werks[prüf]zeugnisse, Abnahmeprüfzeugnisse<br />

und Abnahmeprüfprotokolle.<br />

Das Abnahmeprüfzeugnis – im Folgenden<br />

wird synonym auch der Begriff „Werkszeugnis“<br />

verwendet – enthält alle wesentlichen<br />

Informationen über das gelieferte


52<br />

Online-Dokumenten-Management-System für Abnahmeprüfzeugnisse von <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion<br />

Kontrolle von Abnahmeprüfbescheinigungen bei TKSU, Düsseldorf (Bild 4)<br />

Produkt. Dazu gehören – neben der<br />

Adresse des Produzenten – unter anderem<br />

Chargenummer, Schmelzenummer, Zusammensetzung<br />

des Werkstoffes und<br />

natürlich die Mengenangabe der betreffenden<br />

Charge.<br />

Hersteller und Händler sind verpflichtet,<br />

ein Werkszeugnis gemeinsam mit der Ware<br />

zur Verfügung zu stellen. Und dies „just in<br />

time“. Das Einzige, was danach im Distributionsprozess<br />

einer Charge an einem<br />

Werkszeugnis verändert werden darf, ist die<br />

Adresse und die Mengenangabe, für die<br />

das neue „Teil“- Werkszeugnis gilt. Dies gilt<br />

typischerweise für Handelsaktivitäten,<br />

wenn eine Partie (Charge) in Teilmengen an<br />

mehrere Kunden verkauft wird oder wenn<br />

eine Charge durch Anarbeitung im<br />

Zuschnittdienst des Handels in kleine<br />

Abschnitte zerlegt wird bzw. in einem weiter<br />

verwendbaren Reststück zurück ins Lager<br />

geht.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Arbeitsvorbereitung am Bildschirmarbeitsplatz (Bild 5)<br />

3 Archivierung ist Pflicht<br />

Auf Abnahmeprüfzeugnisse als Dokumente<br />

muss über einen längeren Zeitraum<br />

immer wieder ohne Probleme zurückgegriffen<br />

werden können, dies schon allein aus<br />

Gründen der Gewährleistung, Garantie und<br />

Produkthaftung. Sie müssen daher bis zu<br />

zehn Jahren im In- und Ausland aufbewahrt<br />

werden. In der Vergangenheit erfolgten<br />

Verwaltung und Archivierung der<br />

Abnahmeprüfzeugnisse bei TKSU – wie<br />

branchenüblich – manuell. Konkret bedeutete<br />

dies: Tausende von Werkszeugnissen<br />

wurden jeweils von Hand – soweit zulässig<br />

– neu ausgefüllt und weltweit per Post verschickt.<br />

Vor einigen Jahren begann man<br />

bei den TKSU-Landesgesellschaften damit,<br />

Werkszeugnisse zu scannen und als E-Mail<br />

zu versenden. Ablage und ein wachsendes<br />

„Papierarchiv“ einschl. der Bearbeitung<br />

und Pflege durch Mitarbeiter blieben jedoch<br />

weiterhin überall das Problem.


53<br />

Online-Dokumenten-Management-System für Abnahmeprüfzeugnisse von <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion<br />

4 Das Internet als TKSU-<br />

Technologieplattform<br />

Um dem bei steigendem Geschäftsumfang<br />

parallel zunehmenden Verwaltungsaufwand<br />

im Bereich der Werkszeugnisse<br />

hier und anderswo Herr zu werden, wurde<br />

in den letzten Jahren vielfach versucht,<br />

hierfür Dokumenten-Management-Systeme<br />

einzuführen. Im Stahlgeschäft wurden<br />

dabei einige Erfolge erzielt. Allerdings<br />

waren die Systeme herstellerabhängig; es<br />

konnte sich kein branchenübergreifender<br />

Standard etablieren. Die Folge waren<br />

Insellösungen, teilweise mit dem zusätzlichen<br />

Nachteil, dass sie nur in einem<br />

bestimmten Land einsatzfähig waren. Um<br />

einen solchen Zustand inkompatibler Dokumentensysteme<br />

im TKSU-Geschäftsbereich<br />

zu verhindern, entwickelte man in der<br />

TKSU-Zentrale eine eigene, herstellerunabhängige,<br />

weltweit einsatzfähige Lösung für<br />

Werkszeugnisse.<br />

Ziel dieses firmeneigenen globalen Dokumenten-Management-Systems<br />

war es,<br />

Abnahmeprüfzeugnisse für alle TKSU-<br />

Gesellschaften im In- und Ausland rund um<br />

die Uhr online verfügbar zu haben. Das<br />

Formrahmen für die Kunststofftechnik aus Thyroplast-Werkstoff 2312, hergestellt<br />

im Kundenauftrag von Thyssen France, und Reststücke der Charge<br />

(Bild 7)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Kontrolle von Werkzeugstahl-Zuschnitten in einem Handelslager (Bild 6)<br />

„World-Wide-Web“ mit seinen grenzübergreifenden<br />

Möglichkeiten bietet dafür eine<br />

hervorragende Technologieplattform. Die<br />

Vorteile für eine weltumspannende Verkaufsorganisation<br />

liegen auf der Hand: Ein<br />

vor Missbrauch geschütztes Online-Dokumentensystem<br />

auf Internet-Basis ist ständig<br />

und ohne Rücksicht auf Zeitzonen und<br />

variable Feiertage verfügbar, leicht zu<br />

bedienen und kostengünstig in der Abwicklung.<br />

4.1 Im Mittelpunkt der zentrale,<br />

weltweit zugängliche Internet-<br />

Server<br />

Voraussetzung war, dass in der Zentrale<br />

der Gesellschaft im <strong>ThyssenKrupp</strong> Trade<br />

Center in Düsseldorf ein weltweit zugänglicher<br />

Internet-Server neuester Technologie<br />

installiert wurde. Auf diesem Server sind<br />

inzwischen die Abnahmeprüfzeugnisse<br />

nahezu aller TKSU-Landesgesellschaften<br />

mit den erforderlichen Suchkriterien in<br />

einer Datenbank hinterlegt. Sie wird von


54<br />

Online-Dokumenten-Management-System für Abnahmeprüfzeugnisse von <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion<br />

der TKSU-Abteilung ORG DV überwacht.<br />

Der mit Firewalls und separaten Ports<br />

abgesicherte Zugang erfolgt per Benutzerkennung<br />

über die Homepage der Thyssen-<br />

Krupp Stahlunion (www.thyssenkruppstahlunion.de).<br />

Die Abnahmeprüfzeugnisse der Hauptlieferanten<br />

– die Konzerngesellschaften<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> Stahl, Edelstahlwerke Witten<br />

Krefeld und Krupp Thyssen Nirosta – werden<br />

ab Werk im PDF-Bildformat geliefert<br />

und sind damit für den Anwender im elektronischen<br />

Originallayout verfügbar. Ein<br />

ausgeklügeltes System von Suchbegriffen<br />

ermöglicht es, dass eine integrierte Suchmaschine<br />

jedes Dokument schnell findet<br />

und für jede Form der Übernahme (Druck,<br />

Downloads etc.) am Arbeitsplatz irgendwo<br />

in der Welt zur Verfügung stellt. Die Weiter-<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

leitung kann auch per E-Mail erfolgen.<br />

Im neuen TKSU-Dokumenten-Management-System<br />

wurden kostenfreie Internet-<br />

Standardtools, wie der Microsoft Internet<br />

Explorer, der Netscape Navigator (beides<br />

Browser) oder der Acrobat Reader (Software<br />

zum Öffnen von PDF-Dateien), eingesetzt.<br />

Sie ermöglichen eine komfortable<br />

Bedienung sowie leichte Navigation für die<br />

weltweit im System arbeitenden Mitarbeiter.<br />

Sprachprobleme sind nicht gegeben, da<br />

der Browser für die Umsetzung in die jeweilige<br />

Landessprache sorgt.<br />

Die Etablierung in der TKSU-Auslandsorganisation<br />

wurde dadurch erleichtert, dass<br />

die an den Arbeitsplätzen vorhandene<br />

Infrastruktur und die Internet-Zugänge<br />

genutzt werden konnten.<br />

Plasmageschnittene Edelstahl-Bleche von Thyssen France, Güte ASTM 240 316 L, Charge 782677 (Bild 8)<br />

4.2 Der Mehrwert für den<br />

Anwender<br />

Durch die Bereitstellung eines solchen<br />

Internet-Services wird der gesamten TKSU-<br />

Organisation – und somit auch dem Kunden<br />

– ein erheblicher Nutzen geboten: Die<br />

unmittelbare Zustellung von Werkszeugnissen<br />

ist grenzübergreifend und ohne Zeitverzögerung<br />

möglich. „Just in time“ bedeutet<br />

in diesem Fall sogar, dass das Zertifikat<br />

noch vor der Anlieferung des Werkstoffes<br />

bei einem Kunden im Ausland sein kann.<br />

Mit diesem Zeitgewinn kann der TKSU-<br />

Kunde hausintern weiter disponieren!<br />

Das TKSU-Dokumenten-Management-<br />

System für Abnahmeprüfzeugnisse bietet<br />

darüber hinaus weitere wichtige Vorteile:<br />

Technik<br />

● Sicherheit durch modernste Firewall- und<br />

Verschlüsselungstechnologie<br />

● Hard- und Software-Unabhängigkeit<br />

durch Standardlösungen<br />

Handling<br />

● Einfachste Bedienung<br />

● Fehlerreduktion bei der Eingabe<br />

● „Just in time“-Zustellung<br />

● Leichte Übernahme von Altdatenbeständen<br />

aus früheren „Insellösungen“<br />

● Archivierung landes- und gesellschaftsübergreifend<br />

je nach Bedarf<br />

Einsparung im Vergleich zu Insel-<br />

Lösungen der TKSU-Gesellschaften,<br />

● Geringerer Personalaufwand<br />

● Geringerer Wartungsaufwand<br />

● Geringerer Investitionsaufwand<br />

● Niedriger Papierverbrauch sowie Entfall<br />

des „Papierarchivs“ zu Gunsten von<br />

wenigen Backup-CD-ROM (außerhalb<br />

Server-Archivierung)


55<br />

Online-Dokumenten-Management-System für Abnahmeprüfzeugnisse von <strong>ThyssenKrupp</strong> Stahlunion<br />

Produktion von Waschmaschinen-Trommeln aus nichtrostendem Stahl (Bild 9)<br />

5 Kosteneinsparungen<br />

Durch eine einmalige Investition in Höhe<br />

von 60.000 DM in einen zentralen Internet-<br />

Server mit integrierter Datenbank konnten<br />

Einzelinvestitionen für Individual-Lösungen<br />

der TKSU-Landesgesellschaften von jeweils<br />

Archivierungskosten verschiedener Archivierungssysteme (Bild 10)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

60.000 DM (inklusive Projektabwicklung)<br />

vermieden werden. Allein bei den zehn<br />

europäischen Landesgesellschaften<br />

ergibt sich dadurch eine Einsparung von<br />

600.000 DM.<br />

Was die Kosten je Werkszeugnis (Dokument)<br />

betrifft, so ist die Einsparung men-<br />

genabhängig: Je mehr Dokumente in das<br />

System eingestellt werden, desto günstiger<br />

ist der Stückpreis. Hier greift also der „Solidareffekt“<br />

im Geschäftsbereich TKSU. Im<br />

neuen System kostet die elektronische<br />

Archivierung pro Werkszeugnis und Monat<br />

maximal 10 Pfennige oder durchschnittlich<br />

1,20 DM pro Werkszeugnis/Jahr (Bild 10).<br />

6 Schlussbemerkungen<br />

Mit der Implementierung des Online-<br />

Dokumenten-Management-Systems für<br />

Abnahmeprüfzeugnisse wurde die erste<br />

Phase des TKSU-Internet-Services realisiert.<br />

Damit wurde eine Plattform geschaffen,<br />

um auch weitere organisatorische<br />

Abläufe weltweit zu standardisieren und die<br />

Prozesskette – Hersteller, Händler und<br />

Kunde – weiter zu optimieren (workflow-<br />

Prozesse). Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />

ist kurzfristig geplant, weitere aufbewahrungspflichtige<br />

Geschäftsdokumente<br />

zu archivieren und zu bearbeiten, zum Beispiel<br />

Rechnungen.<br />

Geplante Ausbaustufen sind:<br />

● Einbeziehung weiterer Lieferanten aus<br />

dem Stahlgeschäft der TKSU in das<br />

Dokumentensystem<br />

● Anbindung von SAP R/3-Systemen; Ausdruck<br />

des Werkszeugnisses direkt im<br />

SAP-System vor Ort<br />

● Erweiterung des Benutzerkreises: Einbeziehung<br />

zusätzlicher Gesellschaften von<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> Werkstoffe<br />

● Verstärkung der Leistungsfähigkeit des<br />

Dokumentensystems im Bereich Archivierung<br />

in Richtung auf „business to<br />

business“-Management-Lösungen


56<br />

Dr.-Ing. Holger Lieberwirth<br />

Innovative Lösungen für den Abraumtransport in einem<br />

Kupfer- und Goldtagebau<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Der semimobile Absetzer in 4.000 m Höhe kurz vor<br />

dem Einsatz (Bild 1)


57<br />

Innovative Lösungen für den Abraumtransport in einem Kupfer- und Goldtagebau<br />

1 Grasberg – der größte Goldtagebau<br />

der Welt<br />

Mit dem Aufschluss des Tagebaus Grasberg<br />

auf Irian Jaya (Indonesien) durch<br />

Freeport McMoRan Copper & Gold begann<br />

der Abbau eines der reichsten Gold- und<br />

Kupfervorkommen der Welt. 1998 war<br />

Freeport mit 88 t weltgrößter Goldproduzent.<br />

Der Tagebau liegt in einer der auch heute<br />

noch abgeschiedensten Gegenden der Welt<br />

in den Bergen von Irian Jaya in der Nähe<br />

des 3. Breitengrades südlich des Äquator<br />

auf einer Höhe von ca. 4.000 m über NN.<br />

Die klimatischen Bedingungen sind durch<br />

Temperaturen zwischen 0 °C und 15 °C,<br />

regelmäßige schlechte Sichtverhältnisse<br />

durch Nebel und erhebliche Niederschlagsmengen<br />

(ca. 11.000 mm/a) gekennzeichnet<br />

(Bild 2).<br />

Für Transport und Montage war zu<br />

beachten, dass die Transportabmessungen<br />

der Einzelteile auf Grund von zu passierenden<br />

Tunneln extrem limitiert waren. So<br />

mussten die Ringsegmente der Brecher in<br />

Halbschalen geteilt werden, und die Stahlkonstruktion<br />

des Fachwerkauslegers vom Absetzer musste nicht nur quer sondern<br />

auch längs in Segmente zerlegt werden.<br />

Besondere Anforderungen an die Montage<br />

stellte das Verbinden der ebenfalls in Segmenten<br />

anzuliefernden Plattform der Transportraupe.<br />

Hier mussten auf einer Höhe<br />

von 4.000 m über NN bis zu 60 mm dicke<br />

Platten verschweißt werden.<br />

Luftaufnahme des Tagebaus (Bild 2)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Gesamtansicht Brecher 6 (Bild 3)<br />

2 Kontinuierliches Fördersystem<br />

für den Abraum<br />

Durch den Aufschluss des Grasberg-<br />

Tagebaus konnte die Erzförderung von<br />

Freeport von 22.000 t/d auf derzeit<br />

250.000 t/d erhöht werden. Die nächste<br />

Erweiterung ist bereits geplant. Bei einem<br />

Abraum: Nutzmineral-Verhältnis von 3:1<br />

ergeben sich erhebliche Abraummengen,<br />

die täglich zu fördern sind. Während Freeport<br />

sich für die Erzförderung bereits vor<br />

einiger Zeit für kontinuierliche Fördersysteme<br />

entschieden hatte – mit Brecher 5 wurde<br />

die erste semimobile Anlage 1994 in<br />

Betrieb genommen, mit Brecher 6 (Bild 3)<br />

folgte die zweite semimobile Anlage 1998 –,<br />

wurden die erheblichen Abraummengen<br />

nach wie vor mit diskontinuierlichen Systemen<br />

transportiert.<br />

Mit zunehmender Täufe des Tagebaus<br />

wurde dieses Verfahren zunehmend unwirtschaftlich.<br />

Deshalb entschied man sich im


58<br />

Innovative Lösungen für den Abraumtransport in einem Kupfer- und Goldtagebau<br />

Hauptparameter des Fördersystems (Bild 4)<br />

Band- Achs- Hub Installierte Gurtbreite Förder<br />

anlage Nr. abstand Antriebs- geschwinleistung<br />

digkeit<br />

Jahr 1997 zur Installation eines kontinuierlichen<br />

Fördersystems für den Abraum. Dieses<br />

System besteht aus einer semimobilen<br />

Brechanlage mit einem Kreiselbrecher<br />

63-114, drei Bandanlagen, semimobilem<br />

Absetzer und Transportraupe T1250.<br />

Das System übertrifft in vielen Parametern<br />

bisher auf der Welt errichtete vergleichbare<br />

Anlagen. Der Kreiselbrecher ist<br />

mit dem weitgehend baugleichen Brecher 6<br />

der größte im Betrieb befindliche Brecher<br />

dieses Typs auf der Welt. Die Transportraupe<br />

übertrifft die Tragfähigkeit der größten bisher<br />

gelieferten Transportraupe um ca.<br />

50 %. Mit dem System werden stündlich bis<br />

zu 10.000 t Abraum auf eine bandtransportfähige<br />

Stückgröße zerkleinert und von<br />

ca. 3.800 m auf eine Höhe von 4.000 m<br />

gefördert. Weitere Hauptparameter des<br />

Fördersystems sind in Bild 4 angegeben.<br />

3 Kostenoptimierung durch einen<br />

semimobilen Absetzer<br />

Der Absetzer mit einer Gesamtlänge von<br />

160 m verstürzt mit Hilfe seines 127 m langen<br />

Abwurfauslegers den Abraum in eine<br />

Tiefe von 400 m. Dabei ragt dieser Ausleger<br />

bis zu 80 m über die Böschungskante<br />

hinaus und ist extremen Windbelastungen,<br />

u.a. gefährlichen Aufwinden, ausgesetzt<br />

(Bild 5).<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

m m kW m m/s<br />

200 49 5 4 x 600 2,134 3,81<br />

201 789 138 4 x 1566 2,134 3,81<br />

202 553 29 2 x 1118 2,134 3,81<br />

Angesichts dieser Haldenhöhe kann der<br />

Absetzer von einer Position aus relativ<br />

lange kippen, ohne zu schwenken oder<br />

verfahren zu werden. Deshalb entschloss<br />

sich der Kunde zur kostengünstigen<br />

Lösung des semimobilen Absetzers. Dieser<br />

verfügt weder über ein eigenes Schwenkwerk<br />

noch über ein eigenes Fahrwerk.<br />

Stattdessen stützt sich der Oberbau auf ein<br />

Portal ab, unter das eine Transportraupe<br />

fahren kann, um den Absetzer zu bewegen.<br />

Bedingung für die Wirtschaftlichkeit dieses<br />

Konzeptes war, dass der Absetzer die<br />

für das Versetzen der Brechstationen erfor-<br />

Semimobiler Absetzer (Bild 5)<br />

derliche Tragfähigkeit der Transportraupe<br />

nicht überschreitet. Um dies zu erreichen,<br />

wurde die gesamte Tragkonstruktion des<br />

Abwurfauslegers in einer leichten Rohrkonstruktion<br />

gestaltet, die mit Seilen horizontal<br />

und vertikal verspannt wurde (Bild 6). Die<br />

Gestaltung der recht komplizierten Schnittstellen<br />

der Tragwerksstöße wurde dreidimensional<br />

mittels CAD vorgenommen.<br />

Insgesamt konnte eine Gewichtsersparnis<br />

von ca. 50 % gegenüber Absetzern vergleichbarer<br />

Leistung und Auslegerlänge mit<br />

Fahrwerk, Schwenkwerk und Beladebrücke<br />

erzielt werden. Von dieser Gewichtsreduktion<br />

hat der Kunde selbstverständlich profitiert,<br />

indem er einen entsprechend günstigeren<br />

Preis erzielen konnte. Darüber hinaus<br />

ist zu beachten, dass durch dieses<br />

neue Konzept die Betriebs- und Wartungsanforderungen<br />

und mithin die Betriebskosten<br />

des Absetzers deutlich niedriger sind,<br />

als bei vergleichbaren Geräten. Der Betrieb<br />

des Absetzers erfolgt durch den Operator<br />

des Gesamtsystems vom Leitstand des<br />

Brechers aus.


59<br />

Innovative Lösungen für den Abraumtransport in einem Kupfer- und Goldtagebau<br />

4 Einsatzbedingungen und Konzept<br />

der Transportraupe<br />

Der Absetzer wird von einer Transportraupe<br />

mit einer nominellen Tragfähigkeit<br />

von 1.250 t bewegt (Bild 7). Da diese auch<br />

zum Versetzen älterer Brechanlagen eingesetzt<br />

werden soll, war es erforderlich, die<br />

Außenkonturen auch an die freien Querschnitte<br />

der vorhandenen Systeme anzupassen.<br />

So entstand eine sehr kompakte Transportraupe<br />

mit extremer Tragfähigkeit.<br />

Während die größte bisher gebaute Transportraupe<br />

mit einer Tragfähigkeit von 850 t<br />

eine Bauhöhe von 2.720 mm hatte, ist die<br />

neue Raupe nur um 180 mm höher. Demgegenüber<br />

sind die installierte Motorleistung<br />

und der Kettenzug etwa doppelt so<br />

hoch.<br />

Diese extreme Leistungskonzentration<br />

stellte besondere Anforderungen an die<br />

Gestaltung aller Fahrwerkskomponenten,<br />

insbesondere auch des Antriebes.<br />

Transportraupe T1250 (Bild 7)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Abgespannter Fachwerkausleger des Absetzers (Bild 6)<br />

5 Zusammenfassung<br />

Mit der Inbetriebnahme des kontinuierlichen<br />

Fördersystems für Abraum im Tagebau<br />

Grasberg wurde ein weiterer Meilenstein<br />

in der Entwicklung kontinuierlicher<br />

Gewinnungssysteme für Erztagebaue<br />

gesetzt. Insbesondere die Lieferung des<br />

ersten semimobilen Absetzers verdeutlicht,<br />

wie sich kontinuierliche Fördersysteme<br />

optimal an natürliche Gegebenheiten<br />

anpassen lassen und hierdurch sogar<br />

Kostenvorteile für den Betreiber zu erzielen<br />

sind.<br />

Die nächste Erweiterung des Tagebaus<br />

befindet sich bereits in der Planung.<br />

Literatur<br />

● George A. Mealey, Grasberg,<br />

Freeport McMoRan Copper & Gold, 1996<br />

● Luftaufnahme PT Freeport Indonesia,<br />

1999


60<br />

Linda Frederick, B. Comm<br />

Öko-Schiffsbelader von Krupp Canada<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Der Öko-Schiffsbelader in Collahuasi, Chile, spart Kosten und schützt<br />

die Umwelt (Bild 1)


61<br />

1 Einleitung<br />

Öko-Schiffsbelader von Krupp Canada<br />

Der Schutz der Umwelt ist auch bei den<br />

Betreibern von Hafenanlagen ein ernsthaftes<br />

Anliegen. Diese haben ein großes Interesse,<br />

Lösungen zu finden, welche die<br />

Verunreinigung der Luft und das Verschütten<br />

von Material vermeiden helfen. Hinzu<br />

tritt der Kostenaspekt, denn verschüttetes<br />

und damit verlorenes Material kosten Geld,<br />

welches eingespart werden könnte.<br />

Der Exporthafen der Compañia Minera<br />

Doña Inés de Collahuasi in Caleta Patache,<br />

65 Kilometer südlich von lquique gelegen,<br />

ist für eine Kapazität von bis zu einer Million<br />

Tonnen Kupferkonzentrat pro Jahr ausgelegt.<br />

Das Konzentrat ist potenziell schädlich<br />

für die Meeresflora und -fauna. Daher<br />

kommt dem Umweltschutz höchste Priorität<br />

zu.<br />

Ausleger des Öko-Schiffsbeladers (Bild 2)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Blick in das Innere des Auslegers (Bild 3)<br />

2 Traditionelles Konzept<br />

Kritisches Element der Konstruktion<br />

eines Schiffsbeladers ist der Ausleger,<br />

welcher über den Schiffsrand hinaus bis zu<br />

den Luken reichen muss. Insbesondere die<br />

Reichweite, aber auch das Gewicht und die<br />

sonstigen Komponenten, bestimmen die<br />

konstruktiven und statischen Anforderun-<br />

gen an die Tragkonstruktion des Schiffsbeladers.<br />

Folglich ist das Gewicht des Auslegers<br />

entscheidend für die Auslegung des<br />

gesamten Systems.<br />

Übliche Praxis ist es daher, den freitragenden,<br />

heb- und senkbaren, schwenkbaren<br />

und verfahrbaren Ausleger als leichte<br />

Fachwerkkonstruktionen auszubilden. Zum<br />

Umwelt- und Materialschutz wird dieser<br />

Ausleger dann traditionell mit seitlicher Verkleidung,<br />

Bandabdeckung und Materialauffang-<br />

und Waschvorrichtung ausgestattet.<br />

Diese traditionelle Bauweise kann jedoch<br />

das Verschütten von Material nicht vollständig<br />

ausschließen.<br />

Die Aufgabe für Krupp Canada, Calgary,<br />

bestand darin, einen Schiffsbelader zu entwickeln<br />

und zu bauen, der das Verschütten<br />

von Kupferkonzentrat ins Meer nicht nur<br />

minimiert, sondern absolut unmöglich<br />

macht.


62<br />

Öko-Schiffsbelader von Krupp Canada<br />

3 Neues Konzept von Krupp<br />

Canada<br />

Krupp Canada entschied sich, völlig<br />

neue Wege zu gehen. Der Ausleger wurde<br />

als Ganzes in völlig geschlossener, staubdichter<br />

Röhrenform ausgeführt, wobei die<br />

Röhre alle mechanischen Funktionen des<br />

Auslegers erfüllt und gleichzeitig als tragendes<br />

Bauteil fungiert (Bilder 2 und 3).<br />

Als begleitende Maßnahme zur Sicherstellung<br />

der Umweltaspekte wurde der<br />

Ausleger mit einer Staubsaugvorrichtung<br />

versehen, mit der während der Wartungsperioden<br />

das Innere des Auslegers gereinigt<br />

werden kann.<br />

Zur besseren Verteilung des Materials im<br />

Laderaum des Schiffes wird eine Planierraupe<br />

mittels einer Winde, die am Ausleger<br />

des Schiffsbeladers angebracht ist, in den<br />

Laderaum heruntergelassen. Um zu verhindern,<br />

dass beim Wiederherausholen der<br />

Raupe verschüttetes Material ins Meer fällt,<br />

wurde eine Auffangvorrichtung unterhalb<br />

der Raupe vorgesehen.<br />

Gesamtansicht des Öko-Schiffsbeladers (Bild 5)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

<strong>Technische</strong> Daten der Anlage (Bild 4)<br />

Eine weitere strikte Anforderung an die<br />

Konstruktion des Schiffsbeladers stellte die<br />

Forderung nach einer erdbebensicheren<br />

Ausführung dar, auch in einem solchen<br />

Falle muss die Umweltschutzfunktion<br />

gewährleistet sein.<br />

Die technischen Daten der Anlage sind in<br />

Bild 4 aufgeführt.<br />

Krupp Canadas Öko-Schiffsbelader ging<br />

Ende 1998 in Betrieb. Durch diese Neuentwicklung<br />

eines völlig abgeschlossenen<br />

Systems sind sowohl die Gesichtspunkte<br />

des Stahlbaus, die zum Beladen verschiedener<br />

Schiffsgrößen erforderlichen Funktionen<br />

des Schiffsbeladers, als auch der ökologische<br />

Effekt in gelungener Weise vereint.<br />

Die Meeresumwelt wird nicht durch mögliche<br />

Gefahrstoffe beeinträchtigt, und der<br />

Betreiber erfährt Kosteneinsparungen, da<br />

ihm kein Material verloren geht und sich<br />

das Reinigen der Maschine mit dem Staubsaugsystem<br />

einfach bewerkstelligen lässt.<br />

Das Konzept kommt auf dem Markt an,<br />

der Beweis ist die Erteilung eines weiteren<br />

Auftrags für einen Öko-Schiffsbelader,<br />

dieses Mal für Koks, für das Projekt Hovensa<br />

auf den Virgin Islands.


63<br />

Dr.-Ing. Holger Thielert<br />

Automatisierung und Optimierung von Gasreinigungsanlagen<br />

mit GasControl<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Gasreinigungsanlage (Bild 1)


64<br />

1 Einleitung<br />

Automatisierung und Optimierung von Gasreinigungsanlagen mit GasControl<br />

Höhere Anforderungen an die Umweltverträglichkeit<br />

und die Forderung nach<br />

geringerem Energieverbrauch verfahrenstechnischer<br />

Anlagen können nur durch<br />

optimal ausgelegte und automatisierte<br />

Anlagen erfüllt werden. Der internationale<br />

Wettbewerb erfordert immer bessere<br />

Qualität bei gleich bleibenden Investitionskosten.<br />

Das GasControl-System wurde weltweit<br />

erstmalig entwickelt, um den komplexen<br />

Betrieb von Gasreinigungsanlagen im<br />

Bereich der Kokereitechnik zu automatisieren<br />

und zu optimieren. Es wurde bereits auf<br />

zwei Anlagen installiert und wird seit ca.<br />

einem Jahr in industrieller Anwendung<br />

erprobt. Der modulare Aufbau und die Verwendung<br />

von kommerzieller Standardsoftware<br />

gewährleisten die Übertragbarkeit auf<br />

Chemie-/Petrochemieanlagen aller Art. Das<br />

GasControl-Konzept erlaubt somit flexibel<br />

die Automatisierung auch schwierigster<br />

verfahrenstechnischer Prozesse und eröffnet<br />

neue Möglichkeiten der Prozessoptimierung/Kosteneinsparung.<br />

Alte Anlagen<br />

lassen sich mit vertretbarem Aufwand<br />

mit dem System nachrüsten.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Die Nutzung neuer Informationstechnologien<br />

und der globalen Vernetzung ermöglicht<br />

die Prozesssteuerung/-analyse auch<br />

aus der Ferne. Es ist somit möglich, dem<br />

Anlagenbetreiber Online-Unterstützung in<br />

Bezug auf die Prozessführung direkt vom<br />

Anlagenplaner anzubieten. Beispielsweise<br />

kann ein Chemiebetrieb in Italien vom<br />

Know-how-Zentrum in Bochum überwacht<br />

und optimiert werden. Eine Inbetriebnahmeunterstützung<br />

kann ebenfalls gegeben<br />

werden. Der Support (Wartung, Beratung,<br />

Optimierung, Problemlösung) in Form von<br />

Dienstleistungsverträgen ist ein weiterer<br />

Vorteil, der die Palette der Betreuung des<br />

Endkunden abrundet.<br />

GasControl leistet einen wertvollen Beitrag<br />

zur Erweiterung des Prozessverständnisses,<br />

zu frühzeitiger Fehlererkennung und<br />

optimalem Betrieb. Die Operatorschulung<br />

am prozessnahen Simulator ist ein weiterer<br />

Nutzen des Systems.<br />

2 Ziele und Vorteile<br />

Betriebsfahrweise mit Labor-Analytik (Bild 2a) Betriebsfahrweise mit GasControl (Bild 2b)<br />

Das GasControl-System hat folgende<br />

Zielsetzungen und Vorteile:<br />

● Prozessoptimierung im Hinblick auf<br />

Energieverbrauch, Umweltbelastung,<br />

Kosten etc.<br />

● Optimale, kostengünstige Prozessregelung<br />

durch Reduzierung der Messtechnik<br />

auf einfach zu messende Größen (Temperatur,<br />

Druck, Durchfluss)<br />

● Verhinderung/Verminderung von Bedienfehlern<br />

durch den manuellen Betrieb<br />

● Qualifizierung des Bedienpersonals<br />

durch Verwendung als Simulationssystem<br />

(Operatorschulung)<br />

● Möglichkeit der globalen Verknüpfung des<br />

Systems über Datenleitung mit „Wartungszentren“;Prozessanalyse/-optimierung<br />

aus der Ferne als Dienstleistung<br />

Da es kein vergleichbares Produkt im<br />

beschriebenen Einsatzgebiet gibt, sind die<br />

Marktchancen sehr gut. Der Systempreis,<br />

der sich nach dem Umfang der zu integrierenden<br />

Anlagenteile richtet, kann sich<br />

innerhalb von zwei Jahren, z.B. durch<br />

Einsparung von Energie (Strom, Dampf),


65<br />

Automatisierung und Optimierung von Gasreinigungsanlagen mit GasControl<br />

Versuchskolonne auf der Kokerei August Thyssen (Bild 3)<br />

Verringerung der Umweltbelastung (Pönalen)<br />

und Verbesserung der Endprodukte<br />

(Reinheit), amortisieren. Dies ist ein entscheidendes<br />

Kriterium für die gute Marktfähigkeit<br />

des Systems.<br />

3 Entwicklungsgeschichte<br />

Gasreinigungsanlagen als Bestandteil<br />

von Kokereien werden auch heute noch<br />

weitgehend manuell gefahren, d.h., die<br />

von einem Leitsystem erfassten Messwerte<br />

werden vom Bedienpersonal bewertet. Der<br />

Operator entscheidet auf Grund seiner<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Erfahrungen und/oder verfahrenstechnischen<br />

Kenntnisse, wie die Sollwerte für die<br />

einzelnen Regelkreise gesetzt werden müssen,<br />

um einen möglichst optimalen Betrieb<br />

zu gewährleisten. Das Betriebsergebnis ist<br />

somit in hohem Maße abhängig von der<br />

Motivation, Qualifikation und Erfahrung des<br />

Bedienpersonals.<br />

Um den Prozess im Rahmen eines Automatisierungskonzeptes<br />

abzubilden, ist die<br />

Verwendung eines geeigneten Simulationsmodells<br />

unerlässlich. Bisher existierten nur<br />

unzureichende Prozessmodelle, welche die<br />

komplizierten verfahrenstechnischen Vor-<br />

gänge der Gasreinigung nicht mit ausreichender<br />

Genauigkeit wiedergeben konnten.<br />

Eine Automatisierung erschien bislang<br />

wenig Erfolg versprechend. Prozessoptimierung<br />

konnte bisher nur „per Hand“ mit<br />

kostenintensiver Analytik durchgeführt werden<br />

(Bild 2a). Daher wurde auf der Basis<br />

eines kommerziellen Simulators ein Modell<br />

entwickelt, mit dessen Hilfe die Prozesse<br />

nicht nur dynamisch simuliert werden können,<br />

sondern das auch eine kostengünstige<br />

Möglichkeit zur Prozessoptimierung bietet<br />

(Bild 2b).<br />

Im Jahre 1993 wurde in einer Kooperation<br />

mit der <strong>Technische</strong>n Universität Berlin<br />

ein erstes FuE-Projekt zur Entwicklung und<br />

zur Validierung eines dynamischen Prozessmodells<br />

begonnen. Dieses Modell sollte die<br />

chemisch physikalischen Zusammenhänge<br />

möglichst rigoros beschreiben und so<br />

modular aufgebaut sein, dass es leicht auf<br />

vorhandenen oder neuen Anlagen angepasst<br />

oder erweitert werden kann.<br />

Parallel dazu wurde bei unserem Hochschulpartner<br />

eine Pilotanlage gebaut, die<br />

zur Überprüfung der Simulationsergebnisse<br />

Automatische Probennahme (Bild 4)


66<br />

Automatisierung und Optimierung von Gasreinigungsanlagen mit GasControl<br />

Regelkonzept GasControl am Beispiel einer Desorptionskolonne (Bild 5)<br />

und damit zur Modellvalidierung dient. Neu<br />

entwickelte Automatisierungsstrategien<br />

können im Technikumsmaßstab erprobt<br />

werden. Die Anlage ist so konzipiert, dass<br />

eine flexible Anpassung an unterschiedlichste<br />

Betriebsweisen möglich ist. Die Verwendung<br />

industrieller Ausrüstungstechnik<br />

gewährleistet die Vergleichbarkeit mit realen<br />

Prozessen. Zunächst wurden umfangreiche<br />

experimentelle Untersuchungen<br />

durchgeführt. Die Pilotanlage wurde über<br />

ein Jahr im Bypass zu einer Gasreinigungsanlage<br />

im Kokereibetrieb eingesetzt. Der<br />

Vergleich der validierten Messdaten mit<br />

den Simulationswerten ergab eine gute<br />

Übereinstimmung. Auf Grund dieser<br />

positiven Erfahrungen wurde das<br />

Simulationsmodell im Rahmen des<br />

GasControl-Systems zur Optimierung<br />

einer bestehenden Anlage eingesetzt.<br />

Inzwischen sind zwei großtechnische<br />

Anlagen mit GasControl ausgerüstet<br />

worden. Eine weitere befindet sich in der<br />

Planung.<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

4 Systembeschreibung<br />

Ausgehend von den Forderungen der<br />

Anlagenbauer und Anlagenbetreiber nach<br />

möglichst großer Anpassungsfähigkeit auf<br />

verschiedenste Anlagenteile und Anlagenkonfigurationen<br />

wurde ein modularer<br />

Systemaufbau wie in Bild 5 dargestellt<br />

realisiert.<br />

Das GasControl-System besteht im<br />

Wesentlichen aus einem Datenserver,<br />

einem Modellrechner und einer Auswerte-/<br />

Bedienstation.<br />

Der Server beinhaltet eine Echtzeitdatenbank<br />

und wird vom PLS über eine spezielle<br />

Schnittstelle kontinuierlich mit Prozessdaten<br />

versorgt. Der Modellrechner ist über<br />

ein Netzwerk mit dem Server verbunden.<br />

Prozessdaten werden so vom PLS über die<br />

Datenbank zum Modellrechner übertragen.<br />

Dort werden diese als Eingangsgrößen im<br />

Simulationsmodell verarbeitet und die<br />

Berechnungsergebnisse anschließend zum<br />

Server in die Datenbank zurückgeschrieben.<br />

In Abhängigkeit der betrieblichen/<br />

gesetzlichen Zielvorgaben (z.B. minimaler<br />

Energie- und Betriebsmittelverbrauch unter<br />

Einhaltung der gegebenen Umweltvorgaben)<br />

werden die Sollwerte für die Prozessregeleinrichtungen<br />

flexibel und bestmöglich<br />

berechnet. Diese Sollwerte werden<br />

dann nachfolgend an das Leitsystem<br />

übertragen. Schwierige Größen, wie z.B.<br />

Konzentrationen, werden im dynamischen<br />

Modell errechnet, das die gesamten Informationen<br />

des Prozesses enthält. Aufwendige<br />

und teure Konzentrationsmessungen im<br />

Betrieb können entfallen.<br />

Mit der Bedien-/Auswertestation ist es<br />

möglich, jederzeit Trendkurven der<br />

Prozesswerte und der berechneten Werte<br />

darzustellen.<br />

4.1 Modell<br />

Ein Differenzialgleichungssystem,<br />

bestehend aus Massen- u. Energiebilanzen,<br />

chemischen Gleichgewichten und Phasengleichgewichtsbeziehungen,<br />

wird mit Hilfe<br />

spezieller Algorithmen numerisch gelöst.<br />

Unterschiedliche Geometrien der Prozesseinbauten<br />

werden berücksichtigt und<br />

hydraulische Parameter berechnet. Es<br />

wurde in die vorhandene Struktur eines<br />

kommerziellen Prozesssimulators integriert<br />

und verwendet dadurch eine benutzerfreundliche<br />

Oberfläche. Solche Modelle<br />

sind heutzutage für das Prozessverständnis<br />

und für die Auslegung von Automatisierungsstrukturen<br />

unerlässlich. Die „offline“<br />

Operatorschulung ist ein weiterer Nutzen<br />

dieser Anwendung. Durch die genaue<br />

Abbildung des Prozesses in dem Modell<br />

können unterschiedliche Betriebszustände<br />

durchgefahren werden, um einen positiven<br />

Trainingseffekt zu erzielen.


67<br />

Automatisierung und Optimierung von Gasreinigungsanlagen mit GasControl<br />

Soft- und Hardwarekonfiguration des GasControl-Systems (Bild 6)<br />

4.2 Datenbank<br />

Das Client/Server-Konzept „Daten-Server“<br />

beherbergt die Datenbank und alle<br />

Anwendungsprogramme. Sämtliche Werte<br />

aus dem Prozess und alle Werte aus dem<br />

Modell werden in einer gemeinsamen<br />

Datenbank gehalten. Der Vorteil besteht in<br />

einer einheitlichen Schnittstelle für alle<br />

Anwendungsprogramme. Datenintegrität<br />

und homogene Verwaltung der Daten sind<br />

gewährleistet.<br />

4.3 Benutzeroberfläche<br />

Der „Bedien-Client“ beherbergt die<br />

Bedienoberfläche und garantiert eine optimale<br />

Skalierbarkeit des Systems. Es können<br />

beliebig viele Bedienstationen (PC`s)<br />

mit einer Bedienoberfläche kostengünstig<br />

ausgerüstet und angeschlossen werden.<br />

Von den „Bedien-Clients“ können das<br />

Modell konfiguriert und die Ergebnisse<br />

dargestellt werden. Ein Soll-/Ist-Vergleich<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

(Soll = Modellwerte, Ist = Prozesswerte)<br />

erleichtert die Beurteilung der Regelqualität<br />

und hilft, Abweichungen zwischen Modell<br />

und Realität zu entdecken. Eine einheitliche<br />

Bedienoberfläche deckt sowohl die Bedienung<br />

im Online-Betrieb als auch die Bedienung<br />

im Simulations-/Schulungsbetrieb ab.<br />

Auslegungsdaten von GasControl (Bild 7)<br />

4.4 Modell-Server<br />

Das Modell läuft auf einem eigenen<br />

„Modell-Server“. Es können mehrere<br />

„Modell-Server“ am Daten-Server angeschlossen<br />

werden, ohne die Leistungsfähigkeit<br />

des Gesamtsystems negativ zu<br />

beeinflussen. So kann z.B. auf einem<br />

„Modell-Server“ das Online-Modell mit<br />

dem Prozess (d. h. den Prozessdaten)<br />

arbeiten und parallel ein anderer „Modell-<br />

Server“ zu Schulungszwecken eine Simulation<br />

betreiben. Da es zwei gleichartige,<br />

aber voneinander getrennte Datenbestände<br />

für den Prozess bzw. die Simulation gibt,<br />

kann auf dem Simulations-Server geschult<br />

werden, ohne den realen Betrieb zu beeinträchtigen.<br />

Eine Kopierfunktion erlaubt es gezielt,<br />

Prozessdaten zum Simulationsmodell zu<br />

senden, um so dicht wie möglich am realen<br />

Prozess zu schulen. Bild 6 zeigt die Hardware-<br />

und Softwarekonfiguration des in<br />

einem kontinuierlichen Produktionsbetrieb<br />

integrierten Systems.


68<br />

Automatisierung und Optimierung von Gasreinigungsanlagen mit GasControl<br />

5 Ergebnisse und<br />

Betriebserfahrungen<br />

Das GasControl-System ist auf zwei<br />

Gasreinigungsanlagen installiert. Die Auslegungsdaten<br />

dieser Anlagen sind aus Bild<br />

7 ersichtlich.<br />

Die Leistungsfähigkeit des Modells wird<br />

deutlich an der Menge des installierten<br />

Equipments und der Menge der simultan<br />

berechneten Prozessdaten. Als Beispiel für<br />

das Potenzial wurde die Auswertung einer<br />

Versuchsreihe in Bild 8 dargestellt. In dieser<br />

Versuchsreihe wurde eine Gasreinigungsanlage<br />

auf einen neuen Arbeitspunkt<br />

optimal mit Hilfe des Modells eingestellt. Es<br />

zeigte sich eine sehr gute Übereinstimmung<br />

des Prozesses mit dem Modell<br />

(Schwefelwasserstoff H2S und Ammoniakwerte<br />

NH3 im gereinigten Gas). Mit Hilfe<br />

des Modells wurden Reduzierungen des<br />

Absorbens Abtreiberabwasser, kurz AAW,<br />

durchgeführt. Die sich einstellende Gasqualität<br />

wurde durch das Labor sowie<br />

durch das Modell bestätigt. Weitere Reduzierungen<br />

ergaben am Ende der Versuchsreihe<br />

eine Energieeinsparung von circa<br />

Betriebsergebnisse der Modellregelung mit GasControl (Bild 8)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

20 %, die sich aus der Einsparung von<br />

Strippdampf bei der Aufbereitung des<br />

Absorbens ergeben.<br />

6 Zusammenfassung<br />

Es konnte gezeigt werden, dass es mit<br />

GasControl möglich ist, Gasreinigungsanlagen/Chemieanlagen<br />

immer am optimalen<br />

Arbeitspunkt zu betreiben. Das System ist<br />

flexibel aufgebaut, sodass es sich automatisch<br />

auf unterschiedliche Standardbetriebsfahrweisen<br />

einstellen kann. Bei Divergenz<br />

des Modells startet das Modell selbst<br />

und ermöglicht somit eine hohe Verfügbarkeit.<br />

Die Genauigkeit des Modells entspricht<br />

der gleichen Genauigkeit der Laboranalysen.<br />

Durch diese Grundvoraussetzung<br />

konnte ein Online-Betrieb von GasControl<br />

zur Regelung der Konzentration eines<br />

Absorbens mit Erfolg implementiert<br />

werden.<br />

Literatur<br />

● Liszio, P.; Thielert. H.; Wozny, H.:<br />

Automation of gas treatment plants by<br />

process simulation.<br />

3rd International Cokemaking Congress,<br />

September 16-18, 1996 - Gent, Belgium<br />

● Thielert, H.:<br />

Simulation und Optimierung der Kokereigasreinigung.<br />

Dissertation TU-Berlin, 1997<br />

● Liszio, P.; Leuchtmann, P.; Thielert, H.;<br />

Werthmann, A.:<br />

Betriebsergebnisse und Erfahrungen<br />

aus dem Automatisierungsmodell<br />

GasControl am Beispiel der Kokereigasentschwefelungen<br />

TKS und Taranto<br />

Phase III.<br />

Kokereifachtagung HDT, 4.-5.5.2000


69<br />

Dr.-Ing. Lutz Palm,<br />

Dipl.-Ing. Norbert Platz<br />

Innovative Technologien zur Entlackung und Farbbeschichtung von<br />

Schiffen im Dock<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

PAINTMASTER-Pilotanlage von Blohm+Voss Repair (Bild 1)


70<br />

Innovative Technologien zur Entlackung und Farbbeschichtung von Schiffen im Dock<br />

1 Problemstellung<br />

Auf Schiffsreparaturwerften sind die Entlackung<br />

und die Farbbeschichtung der<br />

Schiffsaußenhaut äußerst arbeitsintensive<br />

und umweltsensitive Prozesse, die in den<br />

meisten Fällen in kurzen, vom Reeder vorgegebenen<br />

Dockzeiten durchgeführt werden.<br />

Der vor der Farbbeschichtung zu erfolgende<br />

Arbeitsgang hinsichtlich der Schiffsoberflächenbehandlung<br />

kann dabei unterschiedliche<br />

Zielstellungen beinhalten:<br />

● Reinigung des Unterwasserschiffes von<br />

Bewuchs (Bild 2)<br />

● Abtrag der obersten Farbschichten<br />

● Entfernung der gesamten alten Farbbeschichtung<br />

und des Rostes<br />

Die technologiebestimmenden Basisdaten<br />

lassen sich wie folgt quantifizieren:<br />

● Anzahl der Schiffsdockungen<br />

ca. 70 p.a.<br />

● Zu bearbeitende Schiffsflächen<br />

ca. 1.000.000 m2 p.a.<br />

● Einzusetzendes Farbvolumen<br />

ca. 500.000 l p.a.<br />

Neben der großflächigen Außenhautbearbeitung<br />

können auch spezielle punktuelle<br />

Oberflächenbehandlungen erforderlich<br />

sein. Der Prozess der Schiffsreinigung bzw.<br />

Entlackung erzeugt Reststoffe, die mit dem<br />

verwendeten Strahlgut vermischt und je<br />

nach Intensität des Abtrages mehr oder<br />

weniger stark mit Schadstoffen kontaminiert<br />

sind. Die diesbezügliche Problemzone<br />

des Schiffes ist der Unterwasserbereich, in<br />

dem mit Bioziden (Kupfer, Zink, Organozinnverbindungen)<br />

angereicherte Schiffsfarben<br />

eingesetzt werden, die den Antifoulingeffekt<br />

bewirken. Die derzeit vorherr-<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

schende Technologie zur Schiffsentlackung<br />

ist das Gritblasting, bei dem feinkörnige<br />

Schlacke (meistens Kupfer) in einem<br />

Druckluftstrahl für den Abtrag der Farbschichten<br />

sorgt. Für einen großflächigen<br />

Einsatz dieses Verfahrens am Schiff werden<br />

erhebliche Mengen an Strahlgut benötigt.<br />

Entsprechende Strahlmittelrückstände<br />

müssen entsorgt und als Sondermüll deponiert<br />

werden.<br />

Die sich an die Vorbehandlung der<br />

Schiffsaußenhaut anschließende Farbbeschichtung<br />

ist aus gleicher Ursache<br />

umweltbeeinflussend, wenn Antifoulingfarben<br />

appliziert werden. Die Schadstoffemission<br />

erfolgt hier in erster Linie durch den<br />

Overspray, der unter Freiluftbedingungen<br />

und bei mitunter widrigen Witterungsverhältnissen<br />

zu beträchtlichen Farbverlusten<br />

führen kann. Nach dem bisherigen Stand<br />

der Technik wird zur Farbbeschichtung im<br />

Dock das Airless-Spritzverfahren unter<br />

Benutzung manuell geführter Spritzlanzen<br />

und -pistolen eingesetzt. Der hierbei auftretende<br />

Oversprayanteil wird durch Wind und<br />

Waschgerät zur Reinigung des Unterwasserschiffes (Bild 2)<br />

thermische Einflüsse, die Geometrie der<br />

Beschichtungsflächen sowie durch die<br />

Qualifikation und die physische Verfassung<br />

des Personals stark beeinflusst. Er stellt bei<br />

dieser Technologie einen nicht vermeidbaren<br />

erhöhten Verbrauch an Materialressourcen<br />

dar.<br />

Die Blohm+Voss Repair GmbH unternimmt<br />

seit vielen Jahren erhebliche<br />

Anstrengungen, diese unter ökonomischen<br />

und ökologischen Aspekten unzulänglichen<br />

Technologien durch innovative, insbesondere<br />

erhöhten Effizienz- und Umweltschutzansprüchen<br />

gerecht werdende Verfahren<br />

für die Schiffsentlackung und Farbbeschichtung<br />

zu ersetzen. Alle diesbezüglichen<br />

Entwicklungen haben dabei folgende<br />

Anforderungen zu erfüllen:<br />

● Nachhaltige Reduzierung von Umweltbelastungen<br />

durch Emission und Reststoffanfall<br />

● Schonung von Materialressourcen<br />

● Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

● Erhöhung der Produktivität


71<br />

2 Innovationsidee<br />

Die neuen nunmehr eingesetzten innovativen<br />

Technologien sind wie folgt spezifiziert:<br />

Waterblasting<br />

Innovative Technologien zur Entlackung und Farbbeschichtung von Schiffen im Dock<br />

B + V<br />

2000<br />

Zur Reinigung und Entlackung der Schiffsaußenhaut<br />

findet das Waterblasting in Form<br />

von Hochdruckwasserstrahlen mit Drücken<br />

bis zu 2.500 bar und integrierter Prozessund<br />

Abwasserbehandlung Anwendung.<br />

Gegenüber dem konventionellen Gritblasting<br />

bietet dieses Verfahren eine Reihe wirtschaftlicher<br />

und ökologischer Vorteile. So<br />

kann die Menge anfallender und zu entsorgender<br />

Reststoffe durch das Waterblasting<br />

deutlich reduziert werden (Bild 3).<br />

Waterblasting setzt jedoch eine Hardwarekonfiguration<br />

voraus, die im Normalfall<br />

einen nahezu geschlossenen Wasserkreislauf<br />

ermöglicht. Bei der B+V Repair GmbH<br />

wird die Wasch- und Entlackungstechnologie<br />

in der aktuellen Ausbaustufe mit folgenden<br />

Hardware-Systemen umgesetzt:<br />

● Hochdruckwasser-Pumpen<br />

(bis zu 2.500 bar)<br />

● Waschanlage für die senkrechten /<br />

schrägen Außenhautbereiche<br />

(DOCKMASTER) (Bild 4)<br />

● Waschanlage für den Schiffsboden<br />

● Handwaschausrüstung<br />

● Dockabwasserbehandlungsanlage<br />

Zielsetzungen bei der Entwicklung und<br />

Einführung der Entlackungstechnologie<br />

mittels Hochdruckwasser sind:<br />

● Minimierung von zu entsorgenden Reststoffen<br />

● Vermeidung von Schadstoff- und Staubemissionen<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

● Verminderung des Restsalzgehaltes der<br />

Oberflächen unter Einhaltung geforderter<br />

Oberflächengüten<br />

● Verbesserung der Arbeitsbedingungen<br />

für das Betriebspersonal und für das im<br />

Umfeld tätige Reparaturpersonal<br />

Ein wesentliches Element der Waterblasting-Technologie<br />

ist die Dockabwasserreinigung.<br />

Im Rahmen ständiger Verbesserungen<br />

der Technologie beginnt derzeit ein<br />

durch EU und Hansestadt Hamburg gefördertes<br />

FuE-Projekt, das die weitestgehende<br />

Eliminierung von Organozinnverbindungen<br />

(TBT) sowie von Kupfer und Zink zum Inhalt<br />

hat. Mit dieser Entwicklung wird das Problem<br />

der derzeit umweltpolitisch stark im<br />

Vordergrund stehenden TBT-Kontaminierung<br />

von Hafen- und Küstengewässern<br />

gelöst.<br />

Umweltentlastende Farbbeschichtung<br />

Ausgehend von den Gegebenheiten der<br />

bislang manuellen Farbbeschichtung mittels<br />

Airless-Spritztechnik sind die Vorgaben<br />

für eine innovative Beschichtungstechnologie<br />

die signifikante Verminderung des<br />

Anfallende Reststoffmengen bei der Reinigung und Entlackung der Schiffsaußenhaut<br />

(Bild 3)<br />

Oversprays, Schonung von Materialressourcen<br />

sowie die Verbesserung der<br />

Arbeitsbedingungen der Beschichter und<br />

Mitarbeiter der Werft. Diese Anforderungen<br />

werden erfüllt in einer automatisierten<br />

mobilen Beschichtungsanlage, deren<br />

wesentliches Element ein vierdüsiger<br />

Spritzkopf mit Oversprayabsaugung ist. Die<br />

Pilotanlage des PAINTMASTER (Bild 1)<br />

wurde mit Förderung aus dem EU-Umweltprogramm<br />

„LIFE“ realisiert. In der derzeitigen<br />

Ausbaustufe können die senkrechten<br />

Seitenwände des Rumpfes bearbeitet werden.<br />

Gegenüber der bisherigen Praxis der<br />

Farbbeschichtung ergeben sich durch die<br />

Einführung eines automatisierten<br />

Beschichtungsvorganges die folgenden<br />

ökologischen und ökonomischen Vorteile,<br />

die das erklärte Ziel dieses Entwicklungprojektes<br />

waren:<br />

● Signifikante Minderung des emittierten<br />

Oversprayanteiles<br />

● Senkung des Farbverbrauches<br />

● Flächenhafte Homogenisierung der Farbschichtdicke<br />

● Humanisierung der Arbeit


72<br />

3 Kundennutzen<br />

Innovative Technologien zur Entlackung und Farbbeschichtung von Schiffen im Dock<br />

Erhöhung der Oberflächenqualität der<br />

gereinigten bzw. entlackten Schiffsaußenhaut<br />

Wesentliche Gütekriterien bei der Vorbereitung<br />

der Schiffsaußenhaut für eine Neubeschichtung<br />

sind die Rauigkeit und der<br />

der Oberfläche anhaftende Salzgehalt. Die<br />

Waterblasting-Technologie kann durch Einstellung<br />

entsprechender Drücke die vorhandene<br />

Oberflächenrauigkeit wieder freilegen.<br />

Wesentliche Vorteile weist sie jedoch<br />

beim Reinheitsgrad in Form des Restsalzgehaltes<br />

auf.<br />

Verbesserung der Homogenität des<br />

Farbauftrages<br />

Der bislang manuell durchgeführte Farbauftrag<br />

impliziert inhomogene Schichtdicken,<br />

da die handgeführte Spritzpistole<br />

auf verschiedene äußere Bedingungen<br />

auch unterschiedlich reagiert. Im Gegen-<br />

DOCKMASTER von Blohm+Voss Repair (Bild 4)<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

satz dazu bewirkt die Strahlführung im<br />

gekapselten Beschichtungskopf des PAINT-<br />

MASTER eine sehr viel größere Homogenität<br />

und Reproduzierbarkeit der Schichtdicke.<br />

Im Rahmen der Produktionseinführung<br />

des Gerätes wird durch eine Parameteroptimierung(schichtdickenabhängiger<br />

Farbvolumenstrom) eine weitere Verbesserung<br />

angestrebt.<br />

Verkürzung von Dockliegezeiten<br />

Die neuen eingesetzten Technologien zur<br />

Schiffsreinigung und -entlackung sowie zur<br />

Farbbeschichtung sind weitgehend automatisiert.<br />

Diese dadurch erreichte Produktivitätssteigerung<br />

kommt auch dem Kunden<br />

zugute, indem teure Dockliegezeiten verkürzt<br />

werden.<br />

Senkung des Farbverbrauchs<br />

Bei der bislang praktizierten Technologie<br />

kann der Oversprayanteil technologiebedingt<br />

und infolge häufig vorliegender un-<br />

günstiger Witterungsbedingungen bis zu<br />

30 % der eingesetzten Farbmenge betragen.<br />

Mit der neuen automatisierten und<br />

oversprayminimierten Beschichtungstechnologie<br />

wird dieser Farbverlust auf unter<br />

5 % reduziert.<br />

4 Kosteneinsparungen<br />

Vermeidung großer Mengen schadstoffbelastender<br />

Reststoffe und Abminderung<br />

des Entsorgungsproblems<br />

Diese Art der Kosteneinsparung wird verdeutlicht<br />

durch eine Gegenüberstellung<br />

entsprechender Kennwerte für Gritblasting<br />

als konventionelle Technologie und Waterblasting<br />

als innovative neue Technologie<br />

(Bild 5).<br />

Minimierung von Schadstoff-Direkteinträgen<br />

als Flüssigphase in die Elbe<br />

Zwecks Schonung von Wasserressourcen<br />

und Vermeidung von Schadstoffeinträgen<br />

in Form einer Direkteinleitung in die Elbe<br />

erfolgt eine weitestgehende Kreislaufführung<br />

des Prozesswassers, die nur mit<br />

Hilfe einer eigenentwickelten Abwasserbehandlungsanlage<br />

möglich ist (Bilder 6 und<br />

7). Im Prozessführungsregime sind jedoch<br />

Direkteinleitungen in die Elbe infolge von<br />

Regen- und Infiltrationswässer unumgänglich.<br />

Dazu findet speziell für kritische<br />

Inhaltsstoffe, wie Cu, Zn und TBT, eine<br />

Gritblasting<br />

Strahlmittelrückstände,<br />

Farbreste<br />

100 %<br />

Waterblasting<br />

Farbreste<br />

1,5 %<br />

Reduzierung der Reststoffmengen durch die<br />

Waterblasting-Technologie (Bild 5)


73<br />

Innovative Technologien zur Entlackung und Farbbeschichtung von Schiffen im Dock<br />

Flussschema der Abwasserreinigungsanlage<br />

(Bild 6)<br />

gezielte Schadstoffabtrennung statt, die<br />

insbesondere von hoher umweltpolitischer<br />

Relevanz ist.<br />

Minimierung der Oversprayemission bei<br />

der Farbbeschichtung<br />

Vor Einführung der oversprayminimierten<br />

automatisierten Farbbeschichtung erfolgte<br />

der Farbauftrag im Handspritzverfahren mit<br />

Oversprayanteilen infolge ungünstiger Witterungseinflüsse<br />

(Wind, Thermik) oder<br />

infolge Nichteinhaltung der 90°-Spritzrichtung<br />

zum Objekt. Durch die Neuentwicklung<br />

und Inbetriebnahme der automatisierten<br />

Farbbeschichtungsanlage kann die<br />

Oversprayemission auf ca. 5 % abgesenkt<br />

werden.<br />

Verringerung des Personalbedarfs durch<br />

konsequente Automatisierung<br />

Die konventionellen Technologien zur<br />

Oberflächenbehandlung sind neben der<br />

Umweltproblematik durch einen relativ<br />

hohen manuellen Arbeitsanteil geprägt. Da<br />

die neuen Technologien weitestgehend<br />

forum<br />

<strong>ThyssenKrupp</strong> 1/2000<br />

Dockwasserbehandlungsanlage von Blohm+Voss Repair (Bild 7)<br />

automatisiert betrieben werden, ist insbesondere<br />

bei der Farbbeschichtung der<br />

Schiffsaußenhaut eine Personaleinsparung<br />

gegeben.<br />

Wegfall anstrengender manueller Tätigkeiten<br />

unter widrigen Arbeitsbedingungen<br />

Der Einsatz funkferngesteuerter automatisierterOberflächenbearbeitungsmaschinen<br />

führt unter Berücksichtigung der Art<br />

der zu erledigenden Tätigkeiten zwangsläufig<br />

zu einer erheblichen Humanisierung der<br />

Arbeit (physische Beanspruchung, Staub).<br />

5 Unternehmenspolitische<br />

Nutzeffekte<br />

Über die in den Abschnitten 3 und 4 aufgeführten<br />

Aspekte des Kundennutzens<br />

sowie der direkten monetären Vorteile hinaus<br />

erfüllen die neue innovativen Technologien<br />

weitere für das Unternehmen äußerst<br />

wichtige Leistungsansprüche. Entwickelt<br />

wurden sie im Rahmen eines unternehmerischen<br />

Konzeptes als Reaktion auf die sich<br />

verschärfende Umweltgesetzgebung sowie<br />

auf Auflagen seitens der Behörden. Der<br />

Standort von B+V Repair befindet sich in<br />

unmittelbarer Nachbarschaft eines der touristischen<br />

Zentren Hamburgs, ist mithin<br />

selbst ein Objekt mit touristischer Relevanz.<br />

Somit steht das Unternehmen im Blickpunkt<br />

der Öffentlichkeit. Die eingesetzten<br />

Technologien vermitteln das Image eines<br />

innovationsfreudigen und umweltbewussten<br />

Unternehmens. Diese Außenwirkung<br />

erreicht auch die Reederschaft, die infolge<br />

zunehmenden Drucks der Öffentlichkeit bei<br />

der Auftragsvergabe vermehrt auf die Erfüllung<br />

von Umweltstandards auf den Werften<br />

achten. Die Wettbewerbssituation ist durch<br />

die Existenz von Billiglohnländern auch in<br />

Europa angespannt. Unter diesen Bedingungen<br />

können Wettbewerbsvorteile heutzutage<br />

nur mit sich abhebender Effizienz<br />

und Qualität erzielt werden. Die innovativen<br />

Technologien Waterblasting sowie automatisierte<br />

Farbbeschichtung erfüllen diese<br />

beiden Ansprüche. Sie sind somit ein wichtiger<br />

Beitrag zur Existenz- und Standortsicherung<br />

des Unternehmens.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!