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Vorwort - Behr's Verlag

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<strong>Vorwort</strong><br />

<strong>Vorwort</strong><br />

„Fusion scheitert an Skandal um giftige Teigtaschen.“ So titelte die Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung am 11. Februar 2008 in der Rubrik „Unternehmen“ über die von<br />

Nissin Food Products abgesagte Fusion mit der Tiefkühlsparte von Japan Tobacco.<br />

Was war passiert?<br />

Eine Tochtergesellschaft von Japan Tobacco - in Kooperation mit der Gallaher Group<br />

aus Großbritanien die Nummer zwei der internationalen Tabakindustrie und zu 50 %<br />

in Hand des japanischen Staates - hatte mit Pestiziden vergiftete gefüllte Teigtaschen<br />

(Gyoza) aus China importiert und in Verkehr gebracht. Infolge unsachgemäßen Krisenmanagements<br />

ergab sich ein spektakulärer Lebensmittelskandal auf dem heimischen<br />

Markt, mit unmittelbaren Folgen:<br />

• die summierten Rückrufkosten ergaben bei Japan Tobacco nicht nur einen erheblichen<br />

Gewinnrückgang, sondern die japanische Finanzaufsicht nahm Ermittlungen<br />

hinsichtlich möglicher Insidergeschäfte auf. Zwei Tage bevor Japan Tobacco<br />

über die Vergiftungsfälle berichtete, war bei starker Handelsaktivität der Kurs der<br />

Aktie um 8 % gefallen.<br />

• Japan Tobacco versucht seit Ende der neunziger Jahre durch gezielte Zukäufe<br />

seine Lebensmittelsparte als zusätzliches Standbein auszubauen. Das Unternehmen<br />

hatte zum Jahreswechsel rund 94 % der Anteile an dem TK-Unternehmen<br />

Katokichi gekauft, die zu 49 % an Nissin Food Products – vornehmlich bekannt<br />

für Fertignudelgerichte – weitergereicht werden sollten. Das strategische Ziel beider<br />

Unternehmen war es, durch die Verschmelzung der beiderseitigen Aktivitäten<br />

Marktführer im japanischen TK-Geschäft zu werden. „Unterschiedliche Vorstellungen“<br />

hinsichtlich des Umgangs mit Lebensmittelskandalen haben Nissin bewogen,<br />

den Deal nicht einzugehen, u. a. aus Sorge um ihr Image.<br />

• Japan Tobacco musste seine Jahresüberschussprognose für 2008 anpassen und<br />

einen erheblichen Imageverlust des Unternehmens sowie des Managements hinnehmen.<br />

• Zwischen China und Japan ist eine Diskussion hinsichtlich der Ursache der Pestizidbelastung<br />

entbrannt, die seitens Chinas zu massiven Vorwürfen gegenüber Japan<br />

Tobacco und seitens Japans in der Androhung von verschärften Kontrollen<br />

chinesischer Importe gipfelte.<br />

• In den ersten Tagen nach Bekanntwerden des Skandals ist der Verkauf von tiefgefrorenen<br />

Lebensmitteln in Japan um 40 % eingebrochen.<br />

Risiken vermeiden - Krisen bewältigen 5


<strong>Vorwort</strong><br />

• Auch andere japanische Firmen haben Produkte des unter Verdacht stehenden<br />

chinesischen Herstellers zurückgerufen.<br />

Was verdeutlicht uns dieses Beispiel?<br />

Dieser Beispielsfall verdeutlicht, dass trotz stetiger Verbesserungen der Verarbeitungstechnologien,<br />

der Untersuchungs- und Analysemethoden und des Ausbildungsgrads<br />

der in der Ernährungswirtschaft Tätigen die Lebensmittelindustrie und der<br />

Lebensmittelhandel nicht aus den Negativ-Schlagzeilen kommen. Immer wieder<br />

berichten Medien über angebliche oder tatsächliche Skandale. Nichtregierungs- und<br />

Verbraucherschutzorganisationen lancieren Kampagnen gegen die Lebensmittelwirtschaft<br />

und mobilisieren die Verbraucher „mit den Füßen“ abzustimmen. Durch derartige<br />

Aktionen bilden sich die Verbraucher eine kritische Meinung über die Unternehmen,<br />

deren „täglich Brot“ sie essen.<br />

Auch wenn das Beispiel bewusst nicht aus einem europäischen Mitgliedsland gewählt<br />

wurde, so hätte es in der EU oder auch in Deutschland stattfinden können.<br />

Deutschland ist der größte und wettbewerbsintensivste Lebensmittelmarkt in der<br />

Europäischen Gemeinschaft, das Land mit den meisten Kochshows im TV-Programm,<br />

den höchsten Auflagen für Kochbücher und gleichzeitig den Verbrauchern, die am<br />

wenigsten Geld für Lebensmittel ausgeben wollen.<br />

Diese Ausgangsbedingungen, mit denen die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft<br />

konfrontiert sind, beschreiben nur einen Teil der Herausforderungen, denen sich<br />

mittelständische Betriebe ebenso wie Konzerne stellen müssen. Dem betrieblichen<br />

Kontinuitätsmanagement kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, dient es doch der<br />

präventiven Absicherung des ganzheitlichen Unternehmens. Wie sich aus Abbildung<br />

1 ersehen lässt, umfasst es Strukturen und Instrumente aus den Bereichen des<br />

Risiko-, Krisen- und Rückrufmanagements.<br />

6 Behr’s <strong>Verlag</strong> Hamburg


Abb. 1 Strukturen des betrieblichen Kontinuitätsmanagements<br />

<strong>Vorwort</strong><br />

Das vorliegende Buch soll den im Unternehmen tätigen Leitungs- und Entscheidungsträgern<br />

eine praxisnahe Hilfestellung geben, wie derartige Managementsysteme<br />

im Betrieb erstellt und implementiert werden können, anhand derer einerseits Krisen,<br />

wie die oben dargestellte, präventiv und nachhaltig gemanagt werden können. Andererseits<br />

sollte vermieden werden, dass es überhaupt soweit kommt.<br />

Ausgehend von der Identifizierung und Bewertung möglicher Risiken im Unternehmen<br />

ist es möglich, die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß potentieller Risikofälle<br />

zu determinieren und präventive Maßnahmen vorzubereiten. Sollte es dennoch, was<br />

bedauerlicherweise nicht immer vermeidbar ist, zu krisenrelevanten Reklamationen<br />

kommen, die für das Unternehmen, den Konzern oder einen ganzen Industriezweig<br />

bedeutsam sind, so bedarf es der gezielten, professionellen Vorgehensweise. Ein Mix<br />

aus Analyse, abgestimmten und erprobten Krisenmanagementmaßnahmen und Krisenkommunikation<br />

gegenüber den Kunden, Behörden, Verbrauchern und den Medien<br />

muss so minutiös vorbereitet sein, dass die im Unternehmen zuständigen Krisenstabsmitglieder<br />

direkt und erfolgreich handeln können.<br />

Wer von einer Krise unvorbereitet getroffen wird, kann nur noch reagieren.<br />

Wer nur noch reagiert hat bereits verloren!<br />

Risiken vermeiden - Krisen bewältigen 7


<strong>Vorwort</strong><br />

In den Fällen, bei denen der Warenrückruf unvermeidbar erscheint oder infolge z. B.<br />

behördlicher Anordnungen bereits zum Fakt geworden ist, muss ebenfalls eine geordnete<br />

Vorgehensweise vorbereitet und möglichst erprobt sein. Alle Unternehmen<br />

der Ernährungswirtschaft sind aufgrund ihrer Qualitätssicherungs- und Managementsysteme<br />

„down stream“ entlang der Produktion entsprechend vorbereitet und abgesichert.<br />

Allerdings, wenn ein Warenrückruf einem Geisterfahrer vergleichbar auf diese<br />

mehrspurige „down-stream“-Autobahn einbiegt, so müssen automatische Mechanismen<br />

greifen, die „up stream“ zumindest eine Spur freischalten, damit<br />

• die Produktion ansonsten möglichst ungestört weitergeht,<br />

• der Warenrückruf geordnet und im Sinne des vorsorglichen Verbraucher- und<br />

Unternehmensschutz durchgeführt werden kann.<br />

Auch wenn, wie nachfolgend beschrieben, Unternehmen sich gegen die Kosten von<br />

Rückrufen infolge von vorsätzlicher oder versehentlicher Kontamination versichern<br />

können, bedarf es neben diesem Schutz vor allem des Aufbaus, der Pflege und Erprobung<br />

entsprechender präventiver Risiko-, Krisen- und Rückrufmanagementsysteme.<br />

Die Autoren dieses Buches hoffen, Ihnen als Unternehmensleiter und Verantwortlicher<br />

für Qualitäts-, Produktions- und Ressourcenmanagement wichtige Hinweise und<br />

Hilfestellungen zu einem adäquaten Management derartiger Vorfälle vermitteln zu<br />

können.<br />

Bonn, im September 2008 Anselm Elles<br />

8 Behr’s <strong>Verlag</strong> Hamburg

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