01_22_Nutzen_Mantel
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NUTZEN<br />
VOLLE LADUNG WISSEN<br />
Was Hänschen nicht lernt,<br />
lernt Hans nimmermehr?<br />
Dass man mit zunehmendem Alter nur noch sehr<br />
schwer Neues lernt, ist zwar eine verbreitete Ansicht.<br />
Aber sie entspricht nicht der Wirklichkeit. Denn grundsätzlich<br />
entwickelt sich das Gehirn während des ganzen<br />
Lebens weiter.<br />
Seit über 60 Jahren erfassen Forscher an der University<br />
of Washington alle sieben Jahre die geistigen Fähigkeiten<br />
von bis zu 6000 Personen. Die Befunde belegen:<br />
Die über 50-Jährigen stechen die 25- bis 35-Jährigen in<br />
puncto Sprachkompetenz und Wortgedächtnis aus. Sie<br />
können sich besser räumlich orientieren und in komplexen<br />
Situationen leichter Schlussfolgerungen ziehen.<br />
Altersforscher und Biochemiker Christian Behl von der<br />
Universität Mainz kommentiert die Ergebnisse: „Bei den<br />
kurzzeitigen Gedächtnisleistungen, also flink sein, sich<br />
schnell etwas merken, sind junge Menschen häufiger<br />
im Vorteil. Aber bei langzeitlichen Gedächtnisleistungen,<br />
die an die Erfahrung anknüpfen, punkten die Älteren.<br />
Sie sind besser darin, komplexe Sachverhalte zu<br />
analysieren und Schlüsse daraus abzuleiten. Je breiter,<br />
umfassender und komplizierter die Herausforderungen<br />
sind, desto kleiner sind die Lernunterschiede zwischen<br />
Älteren und Jüngeren.“<br />
Entscheidend für die erfolgreiche Fort- und Weiterbildung<br />
in der älteren Generation ist meist nicht das<br />
Gehirn, sondern der Anreiz. Für viele steht ein spürbar<br />
höheres Einkommen oder ein Karrieresprung nicht<br />
mehr in Aussicht. Es stellen sich daher Fragen wie: Was<br />
bringt es mir? Lohnen sich Anstrengung und Zeitaufwand?<br />
Auch hier gilt es, zu motivieren statt ausgetretenen<br />
Pfaden zu folgen – was Arbeitgeber jedoch allzu oft tun.<br />
„Der verbreitete Irrtum, dass Ältere nicht mehr gut lernen<br />
könnten, wird zur selbsterfüllenden Prophezeiung“,<br />
kritisiert Professor Stamov Roßnagel vom Jacobs Center<br />
of Lifelong Learning der Jacobs University und führt<br />
aus: „Kann ein 55-Jähriger eine Handy-App nicht benutzen,<br />
wird an seinen kognitiven Fähigkeiten gezweifelt.<br />
Hat ein 25-Jähriger Probleme damit, denken die<br />
meisten, dass die App nicht benutzerfreundlich sei.“<br />
Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels gilt es also,<br />
dem Potenzial älterer Beschäftigter zu vertrauen und<br />
ihnen Anreize und Perspektiven zu bieten, die die Bereitschaft<br />
zum Lernen stärken. Vielleicht reicht manchen<br />
ja bereits die Aussicht, die Alltagsroutine mal zu<br />
verlassen und über den eigenen Tellerrand hinausblicken<br />
zu können. Gerade gemeinschaftliches Lernen,<br />
die Möglichkeit, sich mit anderen zu vergleichen und<br />
auch positive Rückmeldungen zu erhalten, sowie der<br />
Austausch mit anderen Menschen kann stark motivieren<br />
und den Lernerfolg unterstützen. »<br />
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