2022_03_24_Spitzenorchester
Richard Wagner „Lohengrin“ Vorspiel zum 1. Akt (1850) Esa-Pekka Salonen Konzert für Violoncello und Orchester (2017) Arnold Schönberg „Pelléas und Mélisande“ Sinfonische Dichtung (1902/03) *** im Anschluss After Concert Lounge im Konzertsaal Malte Arkona im Gespräch mit Dima Slobodeniouk, Jonathan Nott und Musiker:innen der Jungen Deutschen Philharmonie und der Dresdner Philharmonie über das "Orchester der Zukunft". Dima Slobodeniouk | Dirigent Nicolas Altstaedt | Violoncello Junge Deutsche Philharmonie
Richard Wagner
„Lohengrin“ Vorspiel zum 1. Akt (1850)
Esa-Pekka Salonen
Konzert für Violoncello und Orchester (2017)
Arnold Schönberg
„Pelléas und Mélisande“ Sinfonische Dichtung (1902/03)
***
im Anschluss
After Concert Lounge im Konzertsaal
Malte Arkona im Gespräch mit Dima Slobodeniouk, Jonathan Nott und Musiker:innen der Jungen Deutschen Philharmonie und der Dresdner Philharmonie über das "Orchester der Zukunft".
Dima Slobodeniouk | Dirigent
Nicolas Altstaedt | Violoncello
Junge Deutsche Philharmonie
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SINFONIEKONZERT<br />
Junges<br />
<strong>Spitzenorchester</strong><br />
zu Gast<br />
DO <strong>24</strong>. MRZ <strong>2022</strong> | 19.30 UHR<br />
KULTURPALAST
SINFONIEKONZERT<br />
SACRE<br />
SA 26. MRZ <strong>2022</strong> | 19.30 Uhr<br />
SO 27. MRZ <strong>2022</strong> | 11.00 Uhr<br />
KULTURPALAST<br />
NICOLAS GOMBERT<br />
›Media vita in morte summus‹ für Chor a cappella<br />
REBECCA SAUNDERS<br />
COMPOSER IN RESIDENCE<br />
›To An Utterance‹ für Klavier und Orchester<br />
GYÖRGY LIGETI<br />
›Lux aeterna‹ für 16-stimmigen gemischten Chor a cappella<br />
IGOR STRAWINSKI<br />
›Le sacre du printemps‹ Das Frühlingsopfer<br />
Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen<br />
JONATHAN NOTT | Dirigent<br />
NICOLAS HODGES | Klavier<br />
AUDITIVVOKAL<br />
DRESDNER PHILHARMONIE<br />
Tickets ab 18 € | 9 € Schüler:innen, Junge Leute<br />
ticket@dresdnerphilharmonie.de<br />
dresdnerphilharmonie.de<br />
© Astrid Ackermann
PROGRAMM<br />
Richard Wagner (1813 – 1883)<br />
Vorspiel zum 1. Akt der Oper »Lohengrin« (1850)<br />
Esa-Pekka Salonen (*1958)<br />
Konzert für Violoncello und Orchester (2017)<br />
in drei Sätzen<br />
Pause<br />
Arnold Schönberg (1874 – 1951)<br />
»Pelleas und Melisande« - Sinfonische Dichtung für<br />
großes Orchester op. 5 (1902/<strong>03</strong>)<br />
Dima Slobodeniouk | Dirigent<br />
Nicolas Altstaedt | Violoncello<br />
Junge Deutsche Philharmonie<br />
After Concert Lounge - Malte Arkona im Gespräch mit Dima Slobodeniouk,<br />
Jonathan Nott sowie Musiker:innen der Jungen Deutschen Philharmonie und<br />
der Dresdner Philharmonie über das »Orchester der Zukunft«.<br />
Auf Einladung der Dresdner Philharmonie<br />
1
GUIDO FISCHER<br />
In Kürze<br />
Zwischen den drei heute zu hörenden<br />
Werken liegt eine Zeitspanne von 167<br />
Jahren. 1850 wurde Wagners »Lohengrin«<br />
uraufgeführt. 2017 hob Esa-Pekka<br />
Salonen am Pult des Chicago Symphony<br />
Orchestra zusammen mit dem Cellisten<br />
Yo-Yo Ma sein Cellokonzert aus der Taufe.<br />
Trotzdem gibt es einige Berührungspunkte<br />
auch zum dritten Stück, zu Schönbergs<br />
Sinfonischer Dichtung »Pelleas und Melisande«.<br />
In allen drei Kompositionen ist<br />
die Orchestersprache enorm angereichert<br />
bzw. verändert worden. Allein für seine<br />
»Lohengrin«-Ouvertüre erfand Wagner<br />
auch über die Besetzung ganz neue<br />
Klangmischungen, um die Herabkunft<br />
des »Heiligen Grales« zu versinnbildlichen.<br />
In seinem Cellokonzert verwendet<br />
der finnische Komponist und Dirigent<br />
Salonen hingegen Live-Elektronik, um<br />
Echo-Effekte gerade in der Solo-Stimme<br />
zu erzeugen. Und für sein allererstes<br />
Orchesterstück forderte Arnold Schönberg<br />
1905 einen riesigen Orchesterapparat u.a.<br />
mit 32 Violinen sowie 35 Bläsern!<br />
Doch auch im Klangdenken gibt es so<br />
manche Schnittstellen zwischen den<br />
drei Komponisten. Für seine opulente<br />
wie sinnliche Vertonung des tragischen<br />
Liebes- und Eifersuchtsdramas »Pelléas<br />
et Mélisande« von Maurice Maeterlinck<br />
griff der Wagner-Schwärmer Schönberg<br />
auf dessen Leitmotiv-Technik zurück.<br />
Und wenngleich auch Esa-Pekka Salonen<br />
ein großer Bewunderer Wagners ist<br />
(2005 leitete er etwa eine spektakuläre<br />
Multi-Media-Inszenierung von »Tristan<br />
und Isolde«), so bekennt er sich in seinem<br />
dreisätzigen Cellokonzert besonders zum<br />
Einfluss von Claude Debussy. Nicolas<br />
Altstaedt, der Solist des heutigen Konzerts,<br />
hatte übrigens die Ehre, 2017 die<br />
finnische Erstaufführung zu spielen –<br />
unter der Leitung des Komponisten!<br />
2
Vom Himmel herab<br />
Richard Wagners<br />
»Lohengrin«-Vorspiel zum 1. Akt<br />
»Als Einleitung für sein Drama wählte<br />
sich der Tondichter des 'Lohengrin' die<br />
wunderbare Darniederkunft des Grals im<br />
Geleite der Engelschar zum Gegenstande<br />
einer Darstellung in Tönen.« Mit diesen<br />
Worten bereitete Richard Wagner 1853 das<br />
Züricher Opernpublikum auf die Aufführung<br />
seiner Oper »Lohengrin« vor. Drei<br />
Jahre nach der von Franz Liszt geleiteten<br />
Uraufführung in Weimar. Doch Wagners<br />
einführender Programmheftbeitrag war<br />
mehr als nur ein Leitfaden durch eines<br />
seiner erfolgreichsten Musiktheaterwerke.<br />
Allein Wagners detaillierter Blick vor<br />
allem auf die Einleitung lenkte die Aufmerksamkeit<br />
darauf, dass hier überkommene<br />
Formen zukünftigen Musikwelten<br />
Platz gemacht haben. Denn im Gegensatz<br />
zur klassischen Ouvertüre ist dieses<br />
Vorspiel nicht mehr eine Art sinfonische<br />
Richard Wagner, 1871<br />
Zusammenfassung der Handlung. Wenn<br />
Wagner genau jenes »Grals«-Thema jetzt<br />
zum Ausgangspunkt wählt, aus dem sich<br />
die Klang-Energien des »Lohengrin«<br />
3
herausschälen werden, betritt er musikdramaturgisch<br />
Neuland.<br />
Zugleich dachte Wagner die Standards<br />
der Instrumentalmusik weiter. Für die<br />
illustrierenden und eben auch psychologisierenden<br />
Wirkungen dieser »klaren,<br />
blauen Himmelsäther«-Musik erweiterte<br />
und veränderte er nämlich das konfektionierte<br />
Orchestergefüge. Zu den bis dahin<br />
lediglich zweifach besetzten Holzbläser-<br />
Gruppen kam nun jeweils eine weitere,<br />
dritte Stimme hinzu. Und die Violinen<br />
teilte Wagner in gleich acht(!) Stimmen<br />
auf – wobei es allein vier solistische,<br />
voneinander unabhängige Parts gibt. Mit<br />
diesen damaligen Kühnheiten erreichte<br />
Wagner eine Klangfarbenpalette, mit der<br />
er die Herabkunft des Heiligen Grales<br />
extrem nuancenreich versinnbildlichen<br />
konnte. Die im Pianissimo hineinschwebenden<br />
Violinen mit ihren Flageolett-<br />
Tönen schaffen so eine überirdische<br />
Atmosphäre, in der das »Grals«-Thema<br />
als Quell der Liebe erscheint. Nach und<br />
nach treten zunächst Flöte, Oboe und Fagott<br />
hinzu, dann Bratsche, Horn, Fagott,<br />
Trompete und Posaune, bis das Orchester<br />
im stärksten Fortissimo musiziert. So<br />
weihevoll göttlich dieser Gipfel erklommen<br />
wird, so zärtlich versiegt die Musik<br />
in einem langsamen Decrescendo.<br />
RICHARD WAGNER<br />
* 22. Mai 1813 in Leipzig<br />
† 13. Februar 1883 in Venedig<br />
Vorspiel zum 1. Akt<br />
der Oper »Lohengrin«<br />
ENTSTEHUNG<br />
1850<br />
URAUFFÜHRUNG<br />
28. August 1850 unter der Leitung von Franz Liszt<br />
im Großherzoglichen Hoftheater Weimar<br />
ORCHESTERBESETZUNG<br />
3 Flöten, 3 Oboen, Englischhorn, 3 Klarinetten,<br />
3 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen,<br />
Tuba, Pauken, Schlagzeug, Harfe, Streicher<br />
DAUER<br />
ca. 12 Minuten<br />
4
West-östliche Klangabenteuer<br />
Esa-Pekka Salonens Konzert für<br />
Violoncello und Orchester<br />
Musikalische Berührungsängste<br />
sind für<br />
Esa-Pekka Salonen von<br />
jeher tabu. Schließlich<br />
hat er als Komponist<br />
und als Dirigent eine<br />
Esa-Pekka Salonen<br />
ziemliche klare Vorstellung von dem, was<br />
Musik sein soll – nämlich »ein Angebot<br />
fürs Leben«. Und so wie das Leben voller<br />
Überraschungen und Abenteuer steckt,<br />
so bunt, spannungsgeladen und aufregend<br />
sind bislang auch all die unzähligen<br />
Projekte und Programme des finnischen<br />
Pultstars ausgefallen. Während seiner Ära<br />
als Chefdirigent des Los Angeles Philharmonic<br />
etwa kombinierte Salonen nicht<br />
nur Brahms mit Soundtracks von Bernard<br />
Herrmann und Sessions des Jazz-Trompeters<br />
Wynton Marsalis, sondern führte<br />
selbst kriminelle Jugend-Gangs an die<br />
Klassik heran.<br />
Dieser musikalische 360-Grad-Rundumblick<br />
ist aber auch typisch für den<br />
Komponisten Salonen. Zwar ist er bei<br />
den italienischen Neue Musik-Granden<br />
Franco Donatoni and Niccolò Castiglioni<br />
5
in die Schule gegangen, Trotzdem stieß<br />
ihn schon bald die unerbittlich orthdoxe<br />
Haltung ab, mit der Komponisten wie<br />
Pierre Boulez einen einzig richtigen Weg<br />
in der zeitgenössischen Musik propagierten.<br />
Für Salonen geht es seitdem nur darum,<br />
»so zu komponieren, wie du es willst,<br />
und sich nicht darum zu scheren, ob das<br />
akzeptabel ist für das Establishment.«<br />
Daher hält Salonen auch unumwunden<br />
an der oftmals von seinen Komponistenkollegen<br />
verpönten Tonalität fest.<br />
Als »postromantisch-mitteleuropäische<br />
Musik« hat Salonen einmal seinen Stil<br />
bezeichnet. Und ob es nun seine großen<br />
Orchesterwerke, seinen zahlreichen<br />
Kammermusikstücke oder seine Solo-<br />
Konzerte sind – schnell wird überdeutlich,<br />
für wen sein Herz besonders schlägt.<br />
Es ist Claude Debussy, dessen nuanciert<br />
subtile bis kulinarisch schwelgerische<br />
Klangfarbenpalette sich in Salonens<br />
Konzert für Violoncello und Orchester<br />
unüberhörbar niedergeschlagen hat. So<br />
lebt der Eröffnungssatz, der wie die beiden<br />
nachfolgenden Sätze unbetitelt ist,<br />
auch von jenem fluiden Flimmern und<br />
Funkeln, das sich in den vielen Meisterwerken<br />
Debussys wiederfindet. Der langsame<br />
Satz entwickelt sodann aus einer<br />
magisch-sinnlichen Klangwolke einen<br />
geheimnivollen und zugleich anmutigen<br />
Zauber, der gleichermaßen zur DNA des<br />
französischen Impressionismus gehört.<br />
Und wie sein Idol Debussy zeigt sich Salonen<br />
immer wieder fasziniert und angezogen<br />
von den Klangdialekten jenseits der<br />
abendländischen Musiksprachen. Wenn<br />
die weltmusikalischen Wurzeln – wie im<br />
1. Satz – bis in den Orient und die jüdische<br />
Musik zurückreichen. Oder wenn im<br />
Finale zwischen dem Solo-Cello und den<br />
Congas und Bongos ein virtuoser Hochgeschwindigkeits-Dialog<br />
entsteht, der<br />
von Ferne an die indische Musik erinnert.<br />
Mittels auch solcher Klangdialekte hat<br />
Salonen ein dynamisches, unterschiedlichste<br />
Klangenergiezustände annehmendes<br />
Cellokonzert komponiert. »Ich stellte<br />
mir die Linie des Solocellos als Flugbahn<br />
eines sich im Raum bewegenden Objekts<br />
vor, das von anderen Linien, Instrumenten<br />
und bewegten Objekten verfolgt und<br />
nachgeahmt wird. Ein bisschen wie der<br />
Schweif eines Kometen,« so Salonen<br />
über den 1. Satz. Im zweiten Satz setzt er<br />
dann auch Live-Elektronik ein, um die<br />
Cello-Stimme zu verdoppeln und sie über<br />
Loops durch den Klangraum zu schicken.<br />
Im 3. Satz schließlich wird dem Solisten<br />
seine ganze spieltechnische Brillanz abverlangt.<br />
Der Komponist: »Diese Musik ist<br />
oft tänzerisch, manchmal wild gestikulierend.<br />
Eine akrobatische Solo-Episode<br />
6
führt zu einem schnellen Tutti-Abschnitt,<br />
in dem ich mir das Orchester als eine Art<br />
gigantische Lunge vorstellte, die sich<br />
zunächst langsam dehnt und wieder<br />
zusammenzieht, sich dann aber bis zu<br />
einem Grad von leichter Hyperventilation<br />
beschleunigt, der zu dem tanzartigen<br />
Material zurückführt. […] Schließlich<br />
verpufft die kinetische Energie sanft, die<br />
rasante Bewegung verlangsamt sich und<br />
die Cellolinie steigt langsam zu einem<br />
stratosphärisch hohen b auf.«<br />
Komponiert hat Esa-Pekka Salonen sein<br />
Cellokonzert für Yo-Yo Ma, mit dem er<br />
das Werk im Frühjahr 2017 zusammen mit<br />
dem Chicago Symphony Orchestra uraufführte.<br />
Ein halbes Jahr später, im August<br />
2017, hatte der heutige Solist die Ehre,<br />
mit Salonen am Pult des Orchesters der<br />
Finnischen Nationaloper die finnische<br />
Erstaufführung zu spielen. »Nicht alle Uraufführungen<br />
ziehen ein Nachleben oder<br />
-beben mit sich,« so Nicolas Altstaedt.<br />
»Aber das Cellokonzert ist ein sehr enger<br />
Freund geworden. Ich liebe es, es immer<br />
wieder zu spielen und blicke dankbar<br />
auf eine der finnischen Inspirationen in<br />
meinem Leben zurück.«<br />
ESA-PEKKA SALONEN<br />
*30. Juni 1958 in Helsinki, Finnland<br />
Konzert für Violoncello<br />
und Orchester<br />
ENTSTEHUNG<br />
2017<br />
GEWIDMET<br />
Yo-Yo Ma<br />
URAUFFÜHRUNG<br />
9. März 2017 in Chicago, Solist: Yo-Yo Ma,<br />
Dirigent: Esa-Pekka Salonen, Chicago Symphony<br />
Orchestra<br />
ERSTMALS IN EINEM KONZERT IM<br />
KULTURPALAST<br />
ORCHESTERBESETZUNG<br />
Piccolo, 2 Flöten (2. auch Altflöte), 2 Oboen,<br />
Englischhorn, 2 Klarinetten, Es-Klarinette,<br />
2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 2 Trompeten,<br />
2 Posaunen, Pauken, Schlagwerk, Harfe, Klavier,<br />
Electronics/Sounddesign, Streicher<br />
DAUER<br />
ca. 30 Minuten<br />
7
Üppiges Dreiecks-Drama<br />
Arnold Schönbergs Sinfonische<br />
Dichtung »Pelleas und Melisande«<br />
Wer sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts<br />
auf den aktuellsten Stand der Musik<br />
bringen und dabei vielleicht auch etwas<br />
erleben wollte, der konnte nur zwei Ziele<br />
haben: Paris und Wien. Denn hier wie<br />
dort wurde nicht nur das alte Klang-Gefüge<br />
endgültig aus der Verankerung<br />
gerissen. Man konnte gleichermaßen<br />
Ohren- und Augenzeuge von Publikumstumulten<br />
werden, die nicht selten<br />
in handfeste Schlägereien ausarteten.<br />
Legendär ist das »Watschenkonzert«, bei<br />
dem es 1907 im Wiener Musikvereinssaal<br />
im Zuge der Uraufführung von Arnold<br />
Schönbergs 1. Kammersinfonie hoch herging.<br />
Doch schon zwei Jahre zuvor musste<br />
an gleicher Stelle Schönberg, dieser von<br />
vielen als »Enfant terrible« der Moderne<br />
geschmähte Wiener, eine heftige Niederlage<br />
einstecken. Auf den Notenpulten des<br />
riesig besetzten und vom Komponisten<br />
geleiteten Orchesters lag am 25. Januar<br />
1905 die Partitur seiner Sinfonischen<br />
Dichtung »Pelleas und Melisande« op. 5.<br />
Aber irgendwie waren alle Beteiligten und<br />
Zuhörer von diesem einsätzigen Opus Magnum<br />
schlichtweg überfordert. Das über<br />
hundertköpfige Orchester, bei dem nun<br />
neben 32 Violinen auch 17 Holz- und 18<br />
Blechbläser saßen, zeigte sich wenig folgsam<br />
und auf Genauigkeit bedacht. Und<br />
wie sich Schönberg 1949 erinnerte, rief<br />
die Uraufführung »große Unruhe beim<br />
Publikum und selbst bei den Kritikern<br />
hervor. Die Kritiken waren ungewöhnlich<br />
heftig, und einer der Kritiker schlug vor,<br />
mich in eine Irrenanstalt zu stecken und<br />
Notenpapier außerhalb meiner Reichweite<br />
aufzubewahren.« Der Rezensent der<br />
»Wiener Sonntags- und Montagszeitung«<br />
attestierte der für ihn uferlosen Musik<br />
gar eine »höllische Länge« und spielte<br />
8
Arnold Schönberg (mit Noten)<br />
damit auf die »himmlischen Längen« in<br />
Schuberts Großer C-Dur-Sinfonie an. Erst<br />
sechs Jahre später wurde dieses Orchesterstück<br />
in Berlin ein durchschlagender<br />
Erfolg für Schönberg – der sich zu diesem<br />
Zeitpunkt aber längst zum revolutionären<br />
Erneuerer der Musik, hin zur Atonalität,<br />
weiterentwickelt hatte.<br />
Mit seinem ersten großen Orchesterwerk<br />
»Pelleas und Melisande« bekannte sich<br />
Schönberg hingegen nicht nur zur Tradition<br />
der Spätromantik und zum Einfluss<br />
Richard Wagners. In dieser überaus farbsatten<br />
und feingesponnenen, zudem von<br />
heftigen Stimmungsumbrüchen durchzogenen<br />
und durchpulsten Riesenpartitur<br />
finden sich gleichermaßen so manche<br />
ironische Augenzwinkereien, die auch<br />
von Schönbergs Freund und Förderer<br />
Richard Strauss stammen könnten. Und<br />
vielleicht wob Schönberg diese Anleihen<br />
ja auch unbewusst als kleines Dankeschön<br />
ein. Schließlich war es Strauss, der<br />
seinen jüngeren Kollegen auf das Schauspiel<br />
»Pelléas et Mélisande« des Belgiers<br />
Maurice Maeterlinck aufmerksam gemacht<br />
hatte.<br />
1902 und damit in jenem Jahr, in dem in<br />
Paris Claude Debussys »Pelléas«-Oper aus<br />
der Taufe gehoben wurde, machte sich<br />
9
Arnold Schönberg,<br />
Blaues Selbstbildnis, 1910<br />
Schönberg an die Arbeit. Von Debussys<br />
Vertonung wusste er zu diesem Zeitpunkt<br />
nichts. Aber auch Schönberg hatte zuerst<br />
daran gedacht, die tragische Dreiecks- und<br />
Eifersuchtsgeschichte um König Golo,<br />
seinen Halbbruder Pelléas und die alle<br />
verzaubernde, schließlich sterbende<br />
Mélisande auf die Opernbühne zu bringen.<br />
Später bereute er, diesen Plan wieder<br />
verworfen zu haben, sah aber rückblickend<br />
die Arbeit an der nun Sinfonischen<br />
Dichtung als durchaus wegweisend für<br />
seine zukünftigen, visionären Werke an.<br />
Immerhin versuchte er jetzt, nahezu jede<br />
Einzelheit des Dramas, jede Stimmung<br />
und jeden Charakter mit seinen Klangmitteln<br />
so präzise wie möglich zu erfassen<br />
und darzustellen. Mit seinem messer-<br />
10
scharfen Klangdenken schuf Schönberg<br />
ein komplexes, tausendfach in sich verschachteltes<br />
und verzahntes, aber unter<br />
dem Strich sinnlich-üppiges Klangpanorama,<br />
das die Handlung im Grunde in sich<br />
trägt, statt sie mit musikalischen Mitteln<br />
darzustellen bzw. nachzuerzählen. In<br />
der Partitur gibt es dabei immer wieder<br />
leitmotivische Anker, mit denen sich die<br />
drei Hauptfiguren zu erkennen geben.<br />
Das »Golo«-Thema erscheint zu Beginn<br />
in den Hörnern, das »Pelleas«-Thema in<br />
der Trompete sowie das »Melisande«-Thema<br />
in der Oboe. Und nach Wagnerscher<br />
Methodik entwickelte Schönberg daraus<br />
einen sinfonischen Organismus, der trotz<br />
seines umhüllenden Zaubers, seiner<br />
hochromantischen Wonnen und all<br />
der mitreißenden Strauss-Verbeugungen<br />
seinen festen Platz in der Musik des<br />
20. Jahrhundert besitzt.<br />
ARNOLD SCHÖNBERG<br />
* 13. September 1874 in Wien<br />
† 13. Juli 1951 in Los Angeles<br />
»Pelleas und Melisande«<br />
Sinfonische Dichtung für<br />
großes Orchester op. 5<br />
ENTSTEHUNG<br />
1902/<strong>03</strong><br />
URAUFFÜHRUNG<br />
25. Januar 1905 im Wiener Großen<br />
Musikvereinssaal mit dem Orchester des Wiener<br />
Konzertvereins unter Schönbergs Leitung<br />
ORCHESTERBESETZUNG<br />
Piccolo, 3 Flöten, 3 Oboen, Englischhorn,<br />
Klarinette in Es, 3 Klarinetten in A,<br />
Bassklarinette, 3 Fagotte, Kontrafagott, 8 Hörner,<br />
4 Trompeten, Altposaune, 4 Tenorposaunen,<br />
Kontrabasstuba, Pauken, Schlagwerk, 2 Harfen,<br />
Streicher<br />
DAUER<br />
ca. 45 Minuten<br />
11
DIRIGENT<br />
DIMA<br />
SLOBODENIOUK<br />
Dima Slobodeniouk, seit 2013<br />
Chefdirigent des Orquesta Sinfónica<br />
de Galicia, wird für seine<br />
künstlerische Arbeit von Publikum<br />
und Orchester gleichermaßen<br />
hochgelobt. Gemeinsam mit<br />
seinem Orchester baute er in den<br />
vergangenen Jahren eine umfangreiche<br />
und vielbeachtete Mediathek<br />
mit Live-Konzertmitschnitten<br />
auf. Er arbeitete mit renommierten<br />
Orchestern wie den Berliner<br />
Philharmonikern, dem Symphonieorchester<br />
des Bayerischen<br />
Rundfunks, dem Gewandhausorchester<br />
Leipzig, dem London<br />
Philharmonic Orchestra sowie dem<br />
Concertgebouworkest. Zu den<br />
Solist*innen, mit denen Dima<br />
Slobodeniouk arbeitet, zählen<br />
Barbara Hannigan, Baiba Skride,<br />
Isabelle Faust, Patricia<br />
Kopatchinskaya, Leif Ove Andsnes,<br />
Khatia Buniatishvili, Vilde Frang,<br />
Yuja Wang und Frank Peter<br />
Zimmermann. <strong>2022</strong> leitet er erstmals<br />
eine Tournee der Jungen<br />
Deutschen Philharmonie.<br />
BIOGRAFIE ONLINE<br />
12
VIOLONCELLO<br />
NICOLAS<br />
ALTSTAEDT<br />
Der deutsch-französische Cellist<br />
Nicolas Altstaedt gilt als einer der<br />
begehrtesten und vielseitigsten<br />
Künstler seiner Zeit. Als Solist,<br />
Dirigent und Künstlerischer<br />
Leiter umfasst sein Repertoire<br />
eine Bandbreite an Werken von<br />
Alter bis zeitgenössischer Musik;<br />
er spielt sowohl auf historischen<br />
als auch modernen Instrumenten.<br />
Nicolas Altstaedt konzertiert regelmäßig<br />
mit den renommiertesten<br />
Orchestern weltweit, darunter<br />
die Wiener Philharmoniker, die<br />
Wiener Symphoniker, das Tonhalle-Orchester<br />
Zürich und alle<br />
BBC-Orchester mit Dirigenten<br />
wie Gustavo Dudamel, Sir Roger<br />
Norrington, Lahav Shani oder<br />
Robin Ticciati. Die Frühjahrstournee<br />
ist sein Debüt mit der Jungen<br />
Deutschen Philharmonie.<br />
BIOGRAFIE ONLINE<br />
13
ORCHESTER<br />
JUNGE DEUTSCHE<br />
PHILHARMONIE<br />
Die Junge Deutsche Philharmonie<br />
versammelt die besten<br />
Studierenden deutschsprachiger<br />
Musikhochschulen zwischen 18<br />
und 28 Jahren, die mit Herzblut<br />
Musik machen und Zukunftsvisionen<br />
kreieren. Sie musizieren<br />
mit den höchsten künstlerischen<br />
Ansprüchen, entwickeln für ihr<br />
Festival FREISPIEL experimentelle<br />
Konzertformate und gastieren<br />
regelmäßig in den größten Konzertsälen<br />
Europas und weltweit.<br />
Seit 2014 begleitet Jonathan Nott<br />
sie als Erster Dirigent und Künstlerischer<br />
Berater. Der Fokus auf<br />
zeitgenössische Musik ist dem<br />
Orchester seit der Gründung 1974<br />
in die DNA geschrieben. Es will<br />
damit Grenzen testen, traditionelle<br />
Hörgewohnheiten aufbrechen und<br />
die Klangwelten der Musik voll<br />
auskosten. Neben zeitgenössischer<br />
Musik stehen das große sinfonische<br />
Repertoire und historische<br />
Aufführungspraxis auf dem Programm.<br />
BIOGRAFIE ONLINE<br />
14
KONZERT-<br />
EINFÜHRUNG<br />
DIGITAL<br />
Zu ausgewählten Konzerten können Sie unsere<br />
Einführungen in Ruhe sowohl vor dem Konzert als<br />
auch noch lange danach hören unter<br />
dresdnerphilharmonie.de/konzerteinfuehrung-digital
IMPRESSUM<br />
HERAUSGEBER<br />
Intendanz<br />
der Dresdner Philharmonie<br />
Schloßstraße 2, 01067 Dresden<br />
T +49 351 4866-282<br />
dresdnerphilharmonie.de<br />
CHEFDIRIGENT UND<br />
KÜNSTLERISCHER LEITER<br />
Marek Janowski<br />
INTENDANTIN<br />
Frauke Roth (V.i.S.d.P.)<br />
TEXT<br />
Guido Fischer<br />
Der Text ist ein Originalbeitrag<br />
für dieses Heft;<br />
Abdruck nur mit ausdrücklicher<br />
Genehmigung des<br />
Autors.<br />
REDAKTION<br />
Dr. Claudia Woldt und<br />
Adelheid Schloemann<br />
BILDNACHWEISE<br />
Goto Franz Hanfstaengl S.3<br />
Benjaming Suomela S.5<br />
Arnold Schönberg Center<br />
Wien S.9, S.10<br />
Marco Borggreve S.12/13<br />
Achim Reißner S.14<br />
MUSIKBIBLIOTHEK<br />
Die Musikabteilung der<br />
Zentralbibliothek (2. OG) hält<br />
zu den aktuellen Programmen<br />
der Philharmonie für<br />
Sie in einem speziellen Regal<br />
am Durchgang zum Lesesaal<br />
Partituren, Bücher und CDs<br />
bereit.<br />
Preis 2,50€<br />
Änderungen vorbehalten.<br />
Wir weisen ausdrücklich<br />
darauf hin, dass Bild- und<br />
Tonaufnahmen jeglicher Art<br />
während des Konzertes durch<br />
Besucher grundsätzlich<br />
untersagt sind.<br />
Die Dresdner Philharmonie als Kultureinrichtung der Landeshauptstadt<br />
Dresden (Kulturraum) wird mitfinanziert durch<br />
Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag<br />
beschlossenen Haushaltes.<br />
MEDIZINISCHES<br />
LABOR<br />
OSTSACHSEN<br />
DRESDEN<br />
BAUTZEN<br />
GÖRLITZ<br />
Gesundheitsparter<br />
der Dresdner<br />
Philharmonie
SINFONIEKONZERT<br />
AMERIKA<br />
SA 9. APR <strong>2022</strong> | 19.30 Uhr<br />
SO 10. APR <strong>2022</strong> | 18.00 Uhr<br />
KULTURPALAST<br />
SAMUEL BARBER<br />
›Medea’s Dance of Vengeance‹<br />
AARON COPLAND<br />
Konzert für Klarinette und Streichorchester<br />
mit Harfe und Klavier<br />
JOHN ADAMS<br />
›Harmonielehre‹ für Orchester<br />
CRISTIAN MĂCELARU | Dirigent<br />
DANIEL HOCHSTÖGER | Klarinette<br />
DRESDNER PHILHARMONIE<br />
Tickets ab 18 € | 9 € Schüler:innen, Junge Leute<br />
ticket@dresdnerphilharmonie.de<br />
dresdnerphilharmonie.de<br />
© Adriane White
TICKETSERVICE<br />
Schloßstraße 2 | 01067 Dresden<br />
T +49 351 4 866 866<br />
MO, MI 10 – 15 Uhr<br />
FR 14 – 19 Uhr<br />
DI, DO, SA, SO geschlossen<br />
ticket@dresdnerphilharmonie.de<br />
Bleiben Sie informiert:<br />
dresdnerphilharmonie.de<br />
kulturpalast-dresden.de