30.03.2022 Aufrufe

Lebenskultur - Das Magazin - Ausgabe April 2022

Das Magazin „Lebenskultur“ wirft in jeder Ausgabe zu einem bestimmten, weit gefassten Thema einen tiefgehenden Blick auf bemerkenswerte Geschehnisse und Menschen mit Bezug zur Stadt, zur Region und darüber hinaus. Wechselnde lokale Autoren machen sich daran, unser Leben und unsere Kultur in allen ihren Ausprägungen in Form von Portraits, Berichten, literarischen Texten, Essays oder ähnlichem zu schildern. Selbstverständlich dürfen Fotos nicht fehlen. Derart entsteht eine ganz spezielle Chronik, in der sich die aktuelle Stadtgeschichte mit Wechselwirkungen bis zum Weltgeschehen hin wiederfindet.

Das Magazin „Lebenskultur“ wirft in jeder Ausgabe zu einem bestimmten, weit gefassten Thema einen tiefgehenden Blick auf bemerkenswerte Geschehnisse und Menschen mit Bezug zur Stadt, zur Region und darüber hinaus. Wechselnde lokale Autoren machen sich daran, unser Leben und unsere Kultur in allen ihren Ausprägungen in Form von Portraits, Berichten, literarischen Texten, Essays oder ähnlichem zu schildern. Selbstverständlich dürfen Fotos nicht fehlen. Derart entsteht eine ganz spezielle Chronik, in der sich die aktuelle Stadtgeschichte mit Wechselwirkungen bis zum Weltgeschehen hin wiederfindet.

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In der Zukunft nichts Neues<br />

Wir schreiben das Jahr 2072. In gar<br />

nicht allzu ferner Zukunft kommt alles wieder<br />

ganz anders, oder genauso wie man<br />

denkt. Die Regierung besteht inzwischen<br />

aus fünf Parteien, die sich überhaupt nicht<br />

mögen, aber gerade solche Beziehungen<br />

halten länger. Diese Regierung macht das,<br />

was sie immer tut, wenn es Probleme gibt,<br />

sie tritt zusammen, beschließt eine Sonderkommission<br />

für Sonderfälle einzusetzen<br />

und geht wieder auseinander. Die Menschen<br />

merken irgendwie, dass das nicht ganz in<br />

Ordnung ist und schimpfen über die Regierung.<br />

Viel lieber reden sie aber über die<br />

gute alte Zeit, in der alles besser war.<br />

So wurden in den dreißiger Jahren alle benzinbetriebenen<br />

Autos eingezogen und durch<br />

Elektroautos ersetzt. In den vierziger Jahren<br />

wurde der afrikanische Kontinent mit Akkus<br />

von desolaten E-Autos überschwemmt,<br />

was Umweltkatastrophen und Vergiftungserscheinungen<br />

der dortigen Bevölkerung<br />

zur Folge hatte. Da sich in Afrika die Bewegung<br />

„Saturdays for Futures“ (am Freitag<br />

mussten sie arbeiten) heftig zur Wehr<br />

setzte, war die Autoindustrie gezwungen,<br />

die Produktion der E-Autos einzustellen.<br />

In den fünfziger Jahren tauchten plötzlich<br />

neue Autos auf, von denen keiner wusste,<br />

womit sie betrieben wurden, man munkelte,<br />

es sei wieder das gute alte Benzin. Großbritannien<br />

ist wieder der EU beigetreten, dafür<br />

sind Schottland, Wales und Nordirland aus<br />

Großbritannien ausgetreten. In den sechziger<br />

Jahren gab es endlich etwas Erfreuliches<br />

zu berichten. Einhundert Jahre „The<br />

Beatles“ und „The Rolling Stones“ wurde<br />

gefeiert. Die großen Konzerthäuser rund um<br />

VON FRANZ JURECEK<br />

den Globus spielten die großen Klassiker<br />

dieser beiden Bands, und die inzwischen<br />

hochbetagten Kinder von Mick Jagger, John<br />

Lennon und Paul McCartney mussten immer<br />

wieder antanzen.<br />

Nur noch wenige erinnerten sich an die<br />

zwanziger Jahre, an die Pandemie und an die<br />

damit verbundenen Lebensumstellungen. Es<br />

sind allerdings sehr viele Gepflogenheiten<br />

aus dieser Zeit geblieben, wie Verhaltensforscher<br />

feststellten. Der Händedruck ist<br />

einer (japanischen) Verbeugung gewichen.<br />

Auf Dating-Portalen geben sehr viele Impfverweigerer<br />

„entwurmt“ als positive Eigenschaft<br />

an. Obwohl die Maskenpflicht längst<br />

aufgehoben wurde, erfolgt das erste Date<br />

meist mit Maske. Wenn diese nach einigen<br />

Wochen abgenommen wird, ist vom Gegenüber<br />

oft ein überraschter Gesichtsausdruck<br />

wahrzunehmen. Bei Rockkonzerten hat sich<br />

ein Abstand von zwei Metern im Publikum<br />

eingebürgert, dieser Abstand kann sich je<br />

nach Alkoholisierungsgrad entsprechend<br />

verringern. Und es gibt Leute, die sammeln<br />

Klopapier statt Briefmarken.<br />

Im Gesundheitsbereich wurde inzwischen<br />

eine Impfung entwickelt, die gegen alle bekannten<br />

Viren wirkt und unmittelbar nach<br />

der Geburt verabreicht wird. Inzwischen<br />

arbeitet man daran, diesen Impfstoff mit<br />

den Genen weiter zu geben, so dass künftig<br />

überhaupt keine Impfung mehr notwendig<br />

ist. Impfgegner wollen neuerdings für eine<br />

Impfung demonstrieren, da es diese nicht<br />

mehr gibt. Und da sich das nicht mehr ändern<br />

lässt, wird von einem Teil der Impfgegner<br />

überlegt, rückwirkend gegen diese<br />

Impfung zu demonstrieren. Bei diesen Demonstrationen<br />

werden neuerdings Masken<br />

getragen, weil sich die Menschen nichts<br />

vorschreiben lassen wollen. Es wurden mehrere<br />

Anzeigen getätigt, da seit der Aufhebung<br />

der Maskenpflicht wieder das Vermummungsverbot<br />

gilt. Die Regierung kündigt<br />

eine Maskenverbotspflicht für das ganze<br />

Jahr an und beruft sich dabei auf irgendeine<br />

Sonderkommission. Dieses Verbot kann<br />

in vereinzelten Regionen am 5. Dezember<br />

fallweise aufgehoben werden.<br />

In den Krankenhäusern hofft man hingegen<br />

auf Impfdurchbrüche, damit endlich wieder<br />

Patienten aufgenommen werden. Seit der<br />

neuen Impfung hat die Zahl der Patienten<br />

ständig abgenommen. Die Ärzte sitzen mit<br />

den verbliebenen Impfgegnern aus den<br />

zwanziger und dreißiger Jahren zusammen<br />

und spielen mit ihnen „Ich sehe was, was<br />

du nicht siehst“. Die Impfgegner nennen das<br />

Spiel hingegen „Ich sehe nichts, wo du was<br />

siehst“. Die Regierung beschließt daraufhin,<br />

solche Spiele zwischen Arzt und Patienten<br />

zu verbieten (Empfehlung SOKO LKH). Vorläufig<br />

sind allerdings keine Strafen vorgesehen.<br />

Die Opposition wirft der Regierung vor,<br />

das Land zu spalten. Die Opposition besteht<br />

aus vier Parteien und wächst hin und wieder<br />

durch Abspaltung einzelner Abgeordneter<br />

auf sechs bis acht Parteien an. Seit Jahrzehnten<br />

spricht man von einer Spaltung<br />

des Landes, doch es gibt einen Lichtblick.<br />

In sechs Jahren, am 21. Juni 2078, feiert<br />

ganz Österreich das hundertjährige Jubiläum<br />

des Sieges über Deutschland in Cordoba.<br />

Und das ganze Land ist wieder geeint, wenn<br />

auch nur für einen Tag.<br />

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