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Schliemanns Welten

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Abb. 2 Korinthische Silbermünze mit Athena und Pegasos,<br />

6.–5. Jahrhundert v. Chr.<br />

Eine solche Münze war das erste archäologische Fundstück,<br />

das Schliemann als Souvenir erwarb.<br />

Felsnische geborgen, zum Kauf angeboten. Schliemann<br />

griff zu und kam auf diese unspektakuläre Weise zu seinen<br />

ersten archäologischen Fundstücken aus Griechenland<br />

Abb. 2.<br />

Tags darauf kehrte Schliemann mit vier Arbeitern<br />

zum Siedlungsareal auf dem Aëtos zurück, um an der<br />

Stelle, an der er das Haus des Odysseus gefunden zu haben<br />

meinte, und in der näheren Umgebung archäologische<br />

Ausgrabungen vorzunehmen, die ersten seines Lebens.<br />

Folgerichtig nach der homerischen Überlieferung suchte er<br />

zunächst den archäologischen Beweis für das charakteristischste<br />

Merkmal des Standorts: den Olivenbaum, um den<br />

Odysseus das Schlafzimmer und auf dessen Wurzel er sein<br />

Hochzeitsbett errichtete (Odyssee XXIII 190–204). Enttäuscht<br />

darüber, dass hier keine antiken Wurzelreste und<br />

außer Scherben und Ziegelfragmenten keinerlei Funde<br />

zutage kamen, wandte er sich einem kreisrund eingehegten<br />

Areal in der Nähe zu, in dem sich, verbacken in harter<br />

Erde, ein Konglomerat von etwa 20 kleinen Gefäßen<br />

unterschiedlicher Formgebung, gefüllt mit Leichenbrand<br />

und Asche, befand. Schliemann barg diese Gefäße mit der<br />

Spitzhacke, wobei er fast alle zerbrach, und bedauerte den<br />

Mangel an geeignetem Ausgrabungswerkzeug. Weitere<br />

Funde, darunter ein Idol mit einer Doppelflöte, ein eisernes<br />

Schwertfragment und eine Messerklinge, überzeugten<br />

ihn, die Urnengräber des Odysseus und der Penelope<br />

oder ihrer Nachkommen gefunden zu haben. Ausgrabungen<br />

zwischen den Hofmauern und auf den umgebenden<br />

Siedlungsterrassen indes blieben erfolglos, lediglich die<br />

Spur eines augenscheinlich antiken Weges, der vom Haus<br />

des Odysseus den Aëtos hinab nach Norden verlief, erregte<br />

die Aufmerksamkeit <strong>Schliemanns</strong>. Diesem, teilweise in<br />

den Felsen hineingeschlagen, folgte er in den nördlichen<br />

Teil Ithakas, den ausgedehnten Berg Sella hinauf, in der<br />

Überzeugung, dass dies der Weg war, den Odysseus und<br />

Telemachos vom Aëtos zum Feld des Laërtes am westlichen<br />

Hang des Sella hinabstiegen (Odyssee XXIV 204 f.). Auf<br />

dem Gipfel des von Homer Neritos genannten Bergmassivs<br />

überblickte er ganz Ithaka, die ionischen Inseln im Westen<br />

und den Peloponnes im Osten. Die Tage vergingen mit<br />

Überlegungen zur Topografie und Besiedlung des Polis-<br />

Tals im Norden Ithakas, zur Lage der antiken Hauptstadt<br />

der Insel und des alten Hafens sowie mit Besichtigungen<br />

der Arethusa-Quelle und des Rabenfelsens im südlichen<br />

Teil Ithakas, wo in dichten Eichenwäldern schon in homerischer<br />

Zeit Schweine gemästet wurden und sich das Gehöft<br />

des Schweinehirten Eumaios befand (Odyssee XIII<br />

405–408, XIV 1–10), das Schliemann sogleich lokalisierte.<br />

Auf einem alten Weg, der von der Arethusa-Quelle um den<br />

lang gestreckten Berg Neïon herum zum Haus des Odysseus<br />

führt und den Homer als holprige Straße bezeichnet<br />

(Odyssee XVII 204 f.), kehrte er nach Vathy zurück. Noch<br />

am selben Abend verließ Schliemann Ithaka und setzte zum<br />

Peloponnes über.<br />

Über mehrere Stationen der Schiffsroute durch den<br />

gleichnamigen Golf erreichte Schliemann schließlich die<br />

neue Stadt Korinth, die sich seit 1859 unweit des antiken<br />

Standortes befindet und komplett neu aus dem Boden gestampft<br />

wurde. Schliemann folgte den Beschreibungen des<br />

Pausanias zur alten, einst prächtigen Stadt, von der er jedoch<br />

nur noch das Weichbild und wenig mehr als die berühmten<br />

sieben dorischen Säulen des Tempels der Athena Chalinitis<br />

vorfand. Voller Verwunderung und Unverständnis darüber,<br />

dass noch keine systematischen archäologischen Untersuchungen<br />

vorgenommen wurden, obwohl doch Pausanias<br />

die zahlreichen Tempel und Denkmäler Korinths erwähnt<br />

(Pausanias II 2,4) und zweifellos »gut geleitete Ausgrabungen<br />

wichtige archäologische Entdeckungen zur Folge haben<br />

würden«, bestieg er die Festung Akro-Korinth, die wenigstens<br />

eine herrliche Aussicht über den Golf sowie über das<br />

Bergland des Peloponnes bot.<br />

DIE HOMERISCHEN FESTUNGEN<br />

IN DER ARGOLIS<br />

Nachdem er die Nacht sehr unkomfortabel und mückenumschwirrt<br />

auf einer Wirtshausbank verbracht hatte,<br />

machte sich Schliemann zu Pferde auf einem beschwerlichen,<br />

gebirgigen Pfad nach Mykene auf, jene von Homer<br />

als »gutgebaut, goldreich, mit breiten Straßen« (Ilias II<br />

569, IV 52, VII 180, XI 46), gelegen »in einem Winkel der<br />

rossenährenden Argos« (Odyssee III 263) bezeichnete Stadt<br />

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