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Schliemanns Welten

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Das Jahr 1879 brachte die Wende und die Entscheidung<br />

für den Verbleib der Sammlung Trojanischer Altertümer:<br />

Der drängenden Einladung <strong>Schliemanns</strong> folgend<br />

reiste Virchow Anfang April nach Troja. Vier Wochen begleitete<br />

er Schliemann bei seinen Ausgrabungen und unternahm<br />

eigene Untersuchungen in der Troas. Während dieses<br />

Aufenthalts kam es zu dem legendären Ausritt ins Ida-Gebirge,<br />

über den Virchow unter anderem in seinem Nachruf<br />

auf Heinrich Schliemann in der Wochenschrift Die Nation<br />

vom 3. Januar 1891 berichtete: »Es war eines Tages im Ida,<br />

wo ich einen blühenden Schleedorn pflückte und ihm denselben<br />

mit den Worten reichte: Das ist ein Strauß von Ankershagen.<br />

Da brach das Eis. Noch an demselben Tage bei<br />

einer Rast warf er die Frage auf, ob es nicht am richtigsten<br />

sei, seine Sammlung von London nach Berlin zu bringen.<br />

Und dann kam eines zum andern, und das Ende war, daß er<br />

zu Weihnachten desselben Jahres seine Sammlung in London<br />

einpackte und sie nach Berlin überführte.« Tatsächlich<br />

aber blieben die trojanischen Funde noch bis zum Ende des<br />

Jahres 1880 in London.<br />

Bereits während seines Aufenthalts in Troja machte<br />

Virchow dem Berliner Museum ein erstes Angebot zur<br />

Übergabe trojanischer Funde, die ihm Schliemann nach<br />

Berlin senden wollte. Am 10. April 1879 schrieb er an Albert<br />

Voß (1837–1906), seinerzeit noch Direktorialassistent,<br />

später Direktor der Vorgeschichtlichen Abteilung des<br />

Königlichen Museums für Völkerkunde: »Dafür habe ich<br />

einige ganz grosse Sachen in Aussicht, die ich natürlich<br />

dem Museum übergeben werde, wenn es dieselben haben<br />

will. Darunter ist namentlich einer jener ›Urbehälter‹ aus<br />

gebranntem Thon, die so gross sind, dass ein Mensch darin<br />

stehen kann.« Abb. 3 Nach seiner Rückkehr berichtete<br />

Virchow dem preußischen Minister der geistlichen, Unterrichts-<br />

und Medicinal-Angelegenheiten, dass er noch während<br />

seiner Anwesenheit in Troja die offizielle Ausfuhrgenehmigung<br />

erhalten habe und daraufhin der Transport der<br />

Ausgrabungsfunde nach Berlin in die Wege geleitet wurde.<br />

Im Juni 1879 kam es außerdem zu einer ersten Stiftung<br />

von Funden aus der Troas an das Berliner Museum durch<br />

Heinrich Schliemann und den Engländer Frank Calvert<br />

(1828–1908), amerikanischer Konsul im östlichen Mittelmeerraum,<br />

homerbegeisterter Amateurarchäologe und<br />

Grundstückseigentümer der östlichen Seiten des Hissarlik<br />

(Troja).<br />

Im September 1879 trafen sich Schliemann und<br />

Virchow im Londoner South Kensington Museum zur Besichtigung<br />

der trojanischen Sammlung. Ende 1879 wollte<br />

Schliemann dann seine Sammlung so schnell wie möglich<br />

nach Berlin bringen.<br />

Das Jahr 1880 war bestimmt von zunächst geheimen<br />

Verhandlungen <strong>Schliemanns</strong> mit dem preußischen Ministerium<br />

der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten<br />

und den Königlichen Museen zu Berlin über die<br />

Schenkung. Virchow spielte dabei die entscheidende Vermittlerrolle.<br />

Im Herbst 1880 war Sophia Schliemann wie<br />

so oft mit den Kindern allein in Athen. Sie beaufsichtigte<br />

die Einrichtung ihres neuen Zuhauses, des prächtigen Iliou<br />

Melathron, gemäß den Anweisungen ihres Ehemanns.<br />

In den für das »Museum« vorgesehenen Räumen begann<br />

der Aufbau der Vitrinen und Sophia hoffte noch immer inständig<br />

auf das Scheitern der Schenkungsverhandlungen<br />

mit Deutschland. Während Schliemann am 16. Dezember<br />

1880 zum Abbau seiner Sammlung in Richtung London<br />

abgereist war, unternahm seine Ehefrau zwei Tage später<br />

Abb. 3 Der von Virchow 1879 übergebene Pithos (»Urbehälter«),<br />

Ausstellung im Museum für Völkerkunde, Schliemann-Saal I, 1892<br />

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