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MystischesLand - Caroline Fink

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Reisen<br />

Gegend in Grün: Blick von Queens View auf Loch Tummel.<br />

62<br />

Schweizer Familie 44/2010<br />

Mystisches Land<br />

Grüne Landschaften und romantische Dörfer. Verwunschene<br />

Schlösser und gemütliche Pubs. Lassen auch Sie sich zusammen<br />

mit der «Schweizer Familie» in Schottland die Seele wärmen.<br />

Text <strong>Caroline</strong> <strong>Fink</strong> Fotos HR Rohrer<br />

Leserreise Seite 70/71


Reisen<br />

Stets zu Diensten:<br />

Jim, der Concierge<br />

im Edinburgher<br />

Hotel Roxburghe.<br />

Hier hat man Zeit wie die adeligen Herrschaften,<br />

die einst über die roten Teppiche und<br />

durch die weiten Treppenhäuser schlenderten.<br />

Die tropfenden Schirme der Gäste<br />

stellt Jim neben die Réception, die<br />

nassen Koffer auf den Gepäckwagen<br />

aus Messing. An diesem Morgen<br />

nimmt selbst der alte Concierge das schottische<br />

Wetter nicht mehr gelassen. «Oh,<br />

what a terrible day» – was für ein furchtbarer<br />

Tag –, sagt er zu den Besuchern, die<br />

triefnass über den roten Teppich ins Hotel<br />

treten. Seit Stunden prasseln Regentropfen<br />

auf Edinburghs Strassen.<br />

Wirklich vergrämen lassen sich die<br />

Stadtbewohner durch das Wetter nicht.<br />

An die «terrible days» haben sie sich längst<br />

gewöhnt. Jahrein, jahraus trotzt die schottische<br />

Hauptstadt Wind und Wetter. Einst<br />

aus hellem Sandstein, sind ihre Mauern<br />

und Häuser heute vom Regen verwittert.<br />

Grauschwarz wie der Himmel, überzogen<br />

von grünem Moos. Wie eine uralte Königin<br />

aus Stein thront die Altstadt über den<br />

Aussenquartieren.<br />

Doch gleitet ein Sonnenstrahl über<br />

Edinburgh, so verwandelt er die ganze<br />

Stadt in einen rotgoldenen Edelstein: Die<br />

alten Mauern und Fassaden aus Sandstein<br />

64 Schweizer Familie 44/2010<br />

schimmern tiefrot wie das Herbstlicht,<br />

das nasse Kopfsteinpflaster der Gassen<br />

glänzt, und die goldenen Lettern über den<br />

Türen der Pubs – sie heissen Gordon’s<br />

oder Edward’s – funkeln im Sonnenlicht.<br />

Gras, Gebüsch und Wald<br />

Hinter der Stadt wölben sich die Hügel.<br />

Hügel, die der viele Regen zu einem leuchtend<br />

grünen Ozean aus Gras, Gebüsch<br />

und Wäldern macht. Sanft rollen sie ins<br />

Landesinnere, werden immer höher, bis<br />

sie sich vor der Westküste zu über 1300<br />

Meter hohen Bergen auftürmen. Eine raue<br />

Landschaft aus Schotter und Gras, in deren<br />

Talsenken Flüsse und Seen glitzern,<br />

ihr Wasser dunkel wie das Meer in der<br />

Nacht. Seen, deren Namen die Zeit der<br />

Schlösser und Ritter, keltische Stämme<br />

und Ungeheuer in sich tragen: Loch<br />

Dochfour, Loch Linnhe, Loch Ness. An<br />

die Zivilisation erinnern nur die Häuser,<br />

die sich an den Ufern der Seen und Flussläufe<br />

zu Dörfern zusammenschmiegen.<br />

Eines davon ist Pitlochry: ein Ort aus<br />

Steinhäusern mit geputzten Vorgärten<br />

Beeindruckende Aussicht:<br />

Der Speisesaal im «Atholl Palace».<br />

Stilvoller<br />

Aufenthalt:<br />

«Afternoon<br />

Tea» in der<br />

Hotellobby.<br />

und Geschäften, die Kaschmirpullover<br />

oder Wanderschuhe feilbieten. Und vor<br />

allem ein Ort, an dem Besucher Schottland<br />

in all seinen Facetten erleben: Die<br />

nordische Wildnis, Whisky-Destillerien,<br />

gemütliche Kneipen, britische Teekultur<br />

und – allem voran – ein Hotel wie ein<br />

Märchenschloss gibt es zu entdecken.<br />

In diesem Schloss, das heute «Atholl<br />

Palace» heisst, sitzt man wie die adligen<br />

Herrschaften von früher in den roten<br />

Samtsofas der Eingangshalle. Bestellt den<br />

typisch britischen «Afternoon Tea», den<br />

Nachmittagstee, und geniesst den Charme<br />

dieses Orts. Nobel wie eine alte Dame<br />

wirkt das Schloss. Eine Dame, die keinem<br />

mehr beweisen muss, wie hübsch sie ist.<br />

Und eine Dame, die demnächst Besuch<br />

von den Leserinnen und Lesern der<br />

«Schweizer Familie» bekommt (Ausschreibung<br />

der Leserreise auf Seite 70).<br />

Gemächlich rühren die Gäste Zucker<br />

in den Schwarztee, nippen an den Tassen.<br />

Essen dazwischen ein Lachsbrötchen oder<br />

�<br />

Leserreise Seite 70/71<br />

Verwunschenes Gemäuer: Im Hotel Atholl Palace werden die Leserinnen und Leser der «Schweizer Familie» residieren.


Reisen<br />

Behagliche Wärme:<br />

Mittagessen in einem<br />

Pub in Pitlochry.<br />

Der Alltag in Schottland scheint<br />

langsamer dahinzufliessen als anderswo.<br />

Auch die Wolken haben es nicht eilig.<br />

ein Eier-Sandwich, ein Erdbeertörtchen<br />

oder ein Caramelküchlein – denn «Afternoon<br />

Tea» ist in Grossbritannien weit mehr<br />

als eine Tasse Tee. Sie haben Zeit, wie die<br />

adligen Herrschaften, die einst über die<br />

roten Teppiche und durch die Treppenhäuser<br />

des Schlosses schlenderten. Zeit,<br />

um zu lesen, durch die grossen Fenster auf<br />

die umliegenden Hügel zu blicken oder zu<br />

plaudern. Oder die anderen Gäste zu betrachten<br />

– alte Schotten, die noch den traditionellen<br />

Kilt tragen, und Damen mit<br />

Hüten, wie sie auch die Queen aufsetzt.<br />

Doch Wohlbehagen und Wildnis liegen<br />

nah beieinander in Schottland: Gleich<br />

hinter dem Schloss erhebt sich Ben Vrackie,<br />

der mit 840 Metern Höhe höchste<br />

Berg der Gegend. Wer sich von Pitlochry<br />

auf den Weg zu dessen Gipfel macht, geht<br />

erst auf verwinkelten Pfaden durch Wälder<br />

aus Eichen und Rhododendron, in<br />

denen es nach feuchtem Torf riecht und<br />

Farne hellgrün leuchten. Schreitet über<br />

Schotterwege, die durch Hochmoore führen,<br />

vorbei an Erikagestrüpp und kleinen<br />

Seen. Wandert immer weiter weg vom<br />

66 Schweizer Familie 44/2010<br />

grünen Talboden, immer näher zu den<br />

grauen Wolken, bis er schliesslich auf dem<br />

Gipfel steht. Ein Gipfel, der nicht hoch,<br />

aber kalt ist: Eisig tanzt der Nordwind um<br />

den Steinmann zuoberst auf der Kuppe.<br />

Ein Wind, der mitten aus der Wildnis<br />

kommt. So klar und kalt, dass er die Alltagssorgen<br />

der Wanderer mit sich wegträgt.<br />

Wohlbehagen und Wildnis<br />

Rund um den Ben Vrackie breiten sich die<br />

kargen Hügel aus wie mächtige Wogen aus<br />

Erde. Wogen, die meist unter tiefen Regenwolken<br />

liegen. Auch wenn immer wieder<br />

Sonnenstrahlen durch die Wolkenbänke<br />

brechen und über das Land gleiten<br />

wie ein Zauberstab, der die Hügel grün<br />

aufleuchten lässt.<br />

Vielleicht ist dies der Moment, wenn<br />

den Wanderern auf dem Ben Vrackie der<br />

Märchenerzähler Stuart McHardy einfällt.<br />

Jede Sage und Erzählung dieser Hügel<br />

kennt er. Sammelt sie. Schreibt Bücher<br />

darüber. Und arbeitet hin und wieder im<br />

Storytelling-Center in Edinburgh, einem<br />

Wind und Wetter: Ständige Regenschauer<br />

sind die Edinburgher gewohnt.<br />

Uralte<br />

Geschichten:<br />

Stuart McHardy<br />

arbeitet im<br />

Märchenmuseum<br />

von Edinburgh<br />

und kennt alle<br />

schottischen<br />

Sagen.<br />

Märchenmuseum. Dort sitzt er den Besuchern<br />

mit einer Tasse Kaffee in der Hand<br />

gegenüber, Schalk in den Augen, ein Barett<br />

auf dem Kopf, und erzählt aus dem Schottland<br />

uralter Zeiten. Berichtet von keltischen<br />

Stämmen, die für die Römer unbesiegbar<br />

waren. Oder von der Winterhexe<br />

mit dem gälischen Namen Cailleach, welche<br />

die leuchtende Bright auf dem höchsten<br />

Berg Schottlands, dem Ben Nevis, im<br />

Winter gefangen hält, bis diese im Frühjahr<br />

befreit wird und den Sommer bringt.<br />

Ein Sommer, während dessen die Regenwolken<br />

fast jeden Tag über die Hügel<br />

streichen. Vom Atlantik her zur Nordsee<br />

hin. Wie sie dies seit Jahrtausenden tun.<br />

An den Baumwipfeln bewaldeter Hügelkuppen<br />

hängen bleiben und auseinandergezupft<br />

werden wie Zuckerwatte. Sie haben<br />

es nicht eilig. Und vielleicht scheint<br />

auch dank ihnen der Alltag in Schottland<br />

langsamer dahinzufliessen als anderswo.<br />

Wie in den weissen Backsteinhäusern<br />

der Whisky-Destillerie Edradour: Auch �<br />

Leserreise Seite 70/71<br />

Rotgoldene Schönheit: Im Sonnenlicht erstrahlt Edinburgh in besonderem Glanz.<br />

Schweizer Familie 44/2010 67


Mystische Kulisse: Loch Ness und Glencoe bieten ein atemberaubendes Panorama und geheimnisvolle Seen.<br />

Geduckt unter dem Wind: Häuser in Pitlochry.<br />

Egal, wie viele «terrible days», verregnete Tage,<br />

es hier gibt: Schottland wärmt die Seele.<br />

Schätze aus Eiche: 4100 Fässer edlen Whisky<br />

lagert Andrew Symington in seiner Destillerie.<br />

hier hat die Hektik noch keinen Einzug<br />

gehalten. Am Dorfrand von Pitlochry<br />

produziert Andrew Symington in seiner<br />

Destillerie einen edlen Whisky. Von Hand.<br />

«Rund 90 000 Liter pro Jahr», wie er nicht<br />

ohne Stolz sagt.<br />

Andrew Symington wirkt auch wie ein<br />

Handwerker, hemdsärmlig mit festem Handschlag,<br />

und die Destillerie erinnert an den<br />

Maschinenraum eines Schiffs. Kein Computer,<br />

keine Elektronik blinkt hier. Stattdessen<br />

führen Leitungen aus Stahl die Wände entlang,<br />

lassen sich Ventile und Pumpen mit<br />

Hebeln öffnen oder schliessen und schimmert<br />

kupfern wie ein grosser Boiler der Destillationsapparat.<br />

Wasser, Gerste und Hefe<br />

kochen Symington und sein Team hier auf,<br />

pumpen die Maische in den Gärtank und<br />

destillieren sie in der Kupferblase. Das Resultat:<br />

einer der besten Whiskys Schottlands.<br />

Die wahre Schatzkammer der Destillerie<br />

liegt aber hinter den weissen Backsteinhäusern,<br />

zwischen Bäumen und<br />

Büschen verborgen: das Lagerhaus.<br />

Manchmal schliesst Andrew Symington<br />

für seine Besucher die Metalltür auf. Doch<br />

wenn sie eintreten, sehen sie: nichts. Zu<br />

dämmrig ist das Licht. Nur der Geruch<br />

von Holz und Whisky steigt in die Nase,<br />

ehe sich die Augen nach und nach ans<br />

fahle Licht der Lampen gewöhnen. Dann<br />

aber entdecken sie den Schatz: Fässer –<br />

links, rechts, in langen Reihen, dreifach,<br />

vierfach übereinandergestapelt. «Hier lagern<br />

4100 Fässer», sagt Symington. «Manche<br />

seit Jahrzehnten.» Er führt die Gäste<br />

zum ältesten Fass. In weisser Farbe ist das<br />

Jahr seiner Destillation aufgemalt: 1961.<br />

Wind und Wolken<br />

Eines Tages wird der Whisky-Handwerker<br />

auch diesen Schatz aus Holz öffnen. In 200<br />

Flaschen abfüllen und sie auf der ganzen<br />

Welt verkaufen. Und eines Tages werden<br />

auch manche jener Fässer so alt sein, die<br />

er und sein Team heute destillieren.<br />

Bis dahin wird der Wind aber noch<br />

viele Wolken über die Hügel schieben und<br />

wird noch viel Regen auf die Dächer und<br />

Strassen von Pitlochry oder Edinbugh<br />

prasseln. Noch mancher Besucher wird<br />

mit hochgeschlagener Kapuze von An-<br />

Ständige Begleiter: Schafen begegnet<br />

man beim Wandern immer wieder.<br />

drew Symingtons Lagerhaus zurück zu<br />

den weissen Häuschen huschen. Und<br />

noch manchem wird der Barkeeper von<br />

Edradours Whisky-Bar erzählen, warum<br />

viele Schotten einst zu Missionaren oder<br />

Piraten in den Tropen wurden. Nicht aus<br />

Abenteuerlust. «Wegen des Wetters.»<br />

Doch so oft man sich in Schottland über<br />

das Wetter beklagen kann, so viele Möglichkeiten<br />

gibt es, den Regen zu vergessen.<br />

Wie etwa beim Mittagessen in einem der<br />

Pubs in Pitlochry. Dann nämlich zieht dort<br />

der Geruch von Fisch und Steaks durch die<br />

Luft, und die dunkel getäferten Wände, die<br />

Messingbeschläge am Tresen, die durchgesessenen<br />

Hocker und dicken Gardinen machen<br />

die Kneipen so gemütlich wie alte<br />

Kutter. Und wer sich an einen der Holztische<br />

setzt, die nasse Jacke auszieht, die<br />

Hände an einer Kaffeetasse wärmt und bald<br />

vor einem Teller dampfenden Bratens mit<br />

Kartoffelstock sitzt, weiss: Egal, wie viele<br />

«terrible days» es hier gibt – Schottland<br />

wärmt die Seele.<br />

■<br />

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Schweizer Familie 44/2010<br />

Reisen<br />

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