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Leben erleben

Leben erleben ist das Thema der aktuellen eXperimenta.

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Rezension

Rezension

in meinem Geruchssinn nach Wüstensand duftet, obwohl die Bildkulisse im Goler angesiedelt ist. Auf

diese Weise erzählt das Gemälde dem Betrachter gleich zwei Geschichten, die in ihren Erzählsträngen

fließend aus der Parallelwelt des Abstrakten und des Figürlichen entstanden sind. Übrigens, mit

diesem Bild Nr. 2 der „Wochenbilder“ startete die Künstlerin ein wöchentliches Malritual, das sie bis zum

heutigen Tag beibehalten hat. Im Laufe der Jahre bildete sich in den sozialen Netzwerken eine große

Fangemeinde, die Woche für Woche gespannt darauf wartet, dass Helga Zumstein freitags ihr aktuelles

Wochenbild postet.

Überraschend wirken auch die Auftritte der Künstlerin in ihren Werken. Da tauchen Frauenbilder

auf, die bei genauem Hinschauen das Konterfei der Malerin entschlüsseln. In diesen larvierten

Selbstporträts erkennen wir eine selbstbewusste, manchmal wütende, aber auch humorvolle Frau, der

die Leidenschaft der Lebensfreude ins Gesicht geschrieben steht. Die Auftritte in ihren Bilderwelten

sind immer inkognito und getarnt mit einer Sonnenbrille, die ihre Augen verbergen sollen, um dem

Betrachter das Rätsel ihrer Farbe und ihres Glanzes mit auf den Weg zu geben. Vielleicht verbirgt sich

ja Leonardos Geheimnis der lächelnden Mona Lisa unter der Sonnenbrille der Helga Zumstein.

Helga Zumstein

alles kann warten NUR DAS LEBEN NICHT

EDITION MAYA

28 €

ISBN: 978-3-930758-67-8

× Helgs Zumstein, Alles für die Katz

Weibliche Narziss

Eine bemerkenswerte Begleiterscheinung beim Betrachten ihrer Bilderwelten sind die Duftnoten, die

sich bei genauerem Hineinbegeben in der Fantasie des Betrachters entfalten.

Etwa bei ihrer „Lady in Red“, die in meiner Vorstellung nach Ginger, Limone und Zimt duftet. Diese vor

Emanzipation und Esprit strotzende junge Frau ist der Gegenentwurf zu Leonardos „Mona Lisa“. Im

21. Jahrhundert dürfen junge Frauen schon ein wenig schrill sein. Das Lächeln der „Lady in Red“, das

keines ist (oder vielleicht doch?), deutet ein Erstaunt-Sein an und der Bildbetrachter kann nur selbst

erahnen, welchen Aspekt das Bild ausdrücken will. Vor einem dominierenden roten Hintergrund, der

mit seinen schattierenden Verläufen an eine abstrakte Farbkomposition erinnert, entfaltet sich eine

Schönheit, die sich vielleicht beim Blick in den Spiegel selbst in ihr Antlitz verliebt. Ist „Lady in Red“

etwa eine weibliche Narziss?

Eines ihrer frühen Werke, „Die Rabateure im Goler“ aus dem Jahre 2013, lässt noch deutliche

Strukturen der informellen Malerei als Stilmittel erkennen, während sich die vier Rabateure bereits

auf den Weg machen, figürlich in Erscheinung zu treten. Hier erkennen wir die Schnittstelle ihrer

malerischen Entwicklung vom Abstrakten ins Gegenständliche. Das künstlerische „Missing Link“,

welches ihr Werk unbemerkt von einer Stilrichtung in die andere transformiert hat. Ein Sucette, das

× Helgs Zumstein, Ansicht Atelier

34 07/ 08/2022 www.experimenta.de 35

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