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„Fragt’s mich, solange es noch geht“<br />
Burgl Kirschner aus Ladis ist so etwas wie ein „lebendes Geschichtsbuch“<br />
„Ich sag’s einfach, wie ich’s mir<br />
denke und fühle“, sagt die rüstige<br />
85-jährige Burgl (eigentlich<br />
Notburga) Kirschner. Und wer<br />
sie kennt, bestätigt diese Aussage.<br />
Die sympathische Dame hat<br />
ein enormes geschichtliches<br />
Wissen – zudem ist sie die Enkelin<br />
des früheren Besitzers des<br />
Kurhotels Obladis und die Seniorchefin<br />
des „Tiroler Sauerbrunn“.<br />
Die Geschichte rund um die Heilquelle<br />
in Obladis ist sehr alt. Und<br />
überaus spannend. Überlieferungen<br />
zufolge ist der Ursprung bereits<br />
im Jahre <strong>12</strong><strong>12</strong> zu finden, als<br />
ein Hirte namens Nikolaus Schederle<br />
bemerkte, dass seine Ziegen<br />
besonders gern von einer bestimmten,<br />
kleinen Quelle tranken.<br />
Solche Beobachtungen machten<br />
in weiteren Jahrhunderten übrigens<br />
noch mehrere Hirten. Die<br />
Heilkraft dieser Quelle wurde freilich<br />
erst wesentlich später wissenschaftlich<br />
nachgewiesen, die Lader<br />
vertrauten aber schon seit jeher darauf.<br />
Kurhotel brachte Gäste<br />
Mit der Gründung der Sauerbrunn-Gesellschaft<br />
war 1833 die<br />
Auflage verbunden, dass dazu ein<br />
Kurhotel gebaut werden muss.<br />
Mit dem Bau des Kurhotels läutete<br />
Ladis eine neue Ära ein und erreichte<br />
internationale Bekanntheit<br />
– der europäische und internationale<br />
Hochadel, Geistliche und die<br />
High Society verbrachten in Obladis<br />
ebenso wie andere wohlhabenden<br />
Gäste die Sommermonate in<br />
Obladis (im Winter öffnete das<br />
Kurhotel erst deutlich später seine<br />
Pforten).<br />
Eine Geschichte, die Burgl Kirschner<br />
kennt wie ihre Westentasche,<br />
schließlich war ihr Großvater Dr.<br />
Hermann Schumacher einst der<br />
Besitzer und Kurarzt des Kurhotels<br />
in Obladis. Die Abfüllerei, die<br />
zum Kurhotel belangte, erbte in<br />
weiterer Folge ihr gleichnamiger<br />
Vater und in späterer Folge sie.<br />
Mittlerweile führt das Unternehmen<br />
ihr Sohn Thomas. Burgl<br />
Kirschner wird heuer 86 Jahre alt<br />
und war mit August „Gustl“<br />
34 5. Juli <strong>2022</strong><br />
Burgl (Notburga) Kirschner ist mit ihren 85 Jahren noch sehr rüstig und freut<br />
sich, die Geschichte rund um die touristische Entwicklung in Ladis, das Kurhotel,<br />
die Sauerbrunnquelle und vieles mehr weiter erzählen zu dürfen. Foto: Zangerl<br />
Kirschner verheiratet, er starb aber<br />
bereits im November 1993 – das<br />
Paar bekam eine Tochter und zwei<br />
Söhne. Der Vater von Burgl<br />
Kirschner führte das Unternehmen<br />
von 1925 bis 1974, dann<br />
Burgl und August Kirschner bis<br />
1993 und seither Sohn Thomas.<br />
Genuss- und Heilwasser<br />
Burgl Kirschner resümiert, angesprochen<br />
auf die Abfüllerei: „Es<br />
Die Abfüllerei des Tiroler Sauerbrunn.<br />
Foto: Tiroler Sauerbrunn<br />
reichte nicht aus, um reich zu werden,<br />
aber wir haben gewusst, dass<br />
wir etwas Gesundes vertreiben.“<br />
„Gesund“ ist der Tiroler Sauerbrunn<br />
allemal, das ist wissenschaftlich<br />
belegt und davon ist<br />
auch Burgl Kirschner überzeugt:<br />
„Das ist ein Genuss- und Heilwasser,<br />
teils wird das auch von Ärzten<br />
empfohlen.“ Heilend wirkt es beispielsweise<br />
bei Nierensteinen,<br />
auch bei Magen- und Darmbeschwerden,<br />
Gastritis, Asthma oder<br />
diversen Allergien.<br />
„Leider verwenden viele Hotels<br />
Schankanlagen, deswegen können<br />
wir diese vielfach mit unseren abgefüllten<br />
Flaschen nicht beliefern“,<br />
erzählt Burgl Kirschner, die<br />
auch kritisch anmerkt, dass der<br />
Mineralwassermarkt übersättigt<br />
sei und nicht jedes „Mineralwasser“<br />
seiner Definition gerecht werde.<br />
Auch wenn die Konkurrenz<br />
groß ist, ist sie von einer positiven<br />
Zukunft des Tiroler Sauerbrunn<br />
überzeugt.<br />
Nach wie vor erhält Burgl Kirschner<br />
viele Presseanfragen: „Neulich<br />
hat wieder Servus TV angefragt“,<br />
erzählt sie und freut sich, wenn<br />
Geschichte lebendig bleibt. Auch<br />
über Anrufe von Menschen, die<br />
Assoziationen zum Kurhotel haben,<br />
freut sich Burgl Kirschner, die<br />
sämtliche Zeitungsartikel und Fotos<br />
rund um die Geschichte des<br />
Kurhotels, die Erdbeerkinder, des<br />
Tiroler Sauerbrunns oder die Geschichte<br />
des Tiroler Tourismus<br />
ausschneidet und aufbewahrt. „Ich<br />
sage immer, dass mich die Leute<br />
noch fragen sollen, solange es<br />
noch geht. Leider versäumt man<br />
das oft, wie ich es selbst schon oft<br />
erlebt habe“, bedauert sie und ist<br />
überzeugt: „Dieses alte Wissen<br />
wäre so wertvoll. Was versäumt ist,<br />
ist versäumt.“ Dabei merkt sie an,<br />
dass oft alte Bräuche und Arbeitsweisen<br />
in Vergessenheit geraten:<br />
„Das ist so schade. Früher wurde<br />
beispielsweise das Holz nur bei gewissen<br />
Sternzeichen geschlagen,<br />
heute vergisst man oft darauf und<br />
es entstehen große Schäden“, zeigt<br />
Burgl Kirschner als Beispiel auf.<br />
Auch würde sie alte heimische<br />
Obstsorten gegenüber modernen,<br />
von weit her importierten bevorzugen:<br />
„Hoffentlich hat die Corona-Krise<br />
die Menschen zum Umdenken<br />
gebracht.“<br />
Burgl Kirschner lebt ein ruhiges,<br />
einfaches und bescheidenes Leben<br />
und genießt die Spaziergänge im<br />
angrenzenden Wald mit ihrem geliebten<br />
Hund. Und freut sich nach<br />
wie vor, wenn interessierte Menschen<br />
bei ihr nachfragen und geschichtliches<br />
Interesse zeigen.<br />
(lisi)