Prof. Dr. Hans-Peter Benöhr - Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Hans-Peter Benöhr - Humboldt-Universität zu Berlin
Prof. Dr. Hans-Peter Benöhr - Humboldt-Universität zu Berlin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />
JURISTISCHE FAKULTÄT<br />
UNIVERSITÄTSPROFESSOR A. D. DR. HANS-PETER BENÖHR<br />
Digesten 1 -Exegese 2<br />
Wintersemester 3 2004 – 2005<br />
Univ.-<strong>Prof</strong>. i. R. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong> 4<br />
Einführungsbeispiel<br />
(1) D. 19, 2, 52 (Pomp. libro trigesimo primo ad Quintum Mucium). Si decem tibi locem fundum, tu autem<br />
existimes quinque te conducere, nihil agitur: sed et si ego minoris me locare sensero, tu pluris te<br />
conducere, utique non pluris erit conductio, quam quanti ego putavi.<br />
D. 19, 2, 52. Pomponius im 31. Buch <strong>zu</strong> Quintus Mucius. Wenn ich dir ein Landgut für zehn Goldstücke<br />
verpachte, du aber glaubst, du würdest es <strong>zu</strong> fünf Goldstücken pachten, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Aber auch<br />
wenn ich meine, für weniger <strong>zu</strong> verpachten, du für mehr <strong>zu</strong> pachten meinst, wird der Pachtvertrag nicht <strong>zu</strong> mehr<br />
abgeschlossen sein als <strong>zu</strong> dem Betrag, den ich angenommen habe 5 .<br />
Person und Familie<br />
(2) D. 24, 1, 3, 11. Ulpianus 32 ad Sab. Si quis igitur nummos uxori dederit, non fieri eius apparet, quia<br />
nihil corporis eius fieri palam est.<br />
D. 24,1, 3, 11. Wenn also jemand seiner Ehefrau, uxor, Münzen, nummi, gibt, dann werden sie offensichtlich<br />
nicht ihr Eigentum, da ja bekanntlich keine Sache <strong>zu</strong> ihrem Eigentum gemacht wird.<br />
D. 24, 1, 3, 12. Ulpianus 32 ad Sab. Sed si debitorem suum ei solvere iusserit, hic quaeritur, an nummi<br />
fiant eius debitorque liberetur. et Celsus libro quinto decimo digestorum scribit videndum esse, ne dici<br />
possit et debitorem liberatum et nummos factos mariti, non uxoris: nam et si donatio iure civili non<br />
impediretur, eum rei gestae ordinem futurum, ut pecunia ad te a debitore tuo, deinde a te ad mulierem<br />
perveniret: nam celeritate coniungendarum inter se actionum unam actionem occultari, ceterum<br />
debitorem creditori dare, creditorem uxori. nec novum aut mirum esse, quod per alium accipias, te<br />
accipere: nam et si is, qui creditoris tui se procuratorem esse simulaverit, a debitore tuo iubente te<br />
pecuniam acceperit, et furti actionem te habere constat et ipsam pecuniam tuam esse.<br />
1 Lateinischer Digesten-Text: http://www.umt.edu/lawinsider/library/classics/digestSept4word.doc<br />
2 Wörterbücher für Überset<strong>zu</strong>ngen vor allem Heumann-Seckel und Stowasser. Überset<strong>zu</strong>ngen mit Hilfe<br />
insbesondere von Otto, Schilling, Sintenis, von Hausmaninger und von Behrends, Knütel, Kupisch, Seiler.<br />
Gewisse Ungenauigkeiten in den Überset<strong>zu</strong>ngen werden später ausgeglichen werden.<br />
3 Zur „Geschäftsordnung“: An einem Unterrichtstermin wird Gelegenheit gegeben werden, eine Digestenexegese<br />
klausurmäßig durch<strong>zu</strong>führen. Ein Seminarschein wird erteilt, wenn klausurmäßig zwei Exegesen als Hausarbeit<br />
und eine im Unterricht angefertigt werden; die Note auf dem Schein wird aber nur die im Unterricht erreichte<br />
sein.<br />
4 Zur Ergän<strong>zu</strong>ng s. Skript: H.-P. <strong>Benöhr</strong>, Römisches Privatrecht.<br />
5 Hier<strong>zu</strong> Ausarbeitung im Skript <strong>Benöhr</strong>, Römisches Privatrecht.<br />
___________________________________________________________________________<br />
Postanschrift<br />
Unter den Linden 6<br />
D 10099 <strong>Berlin</strong><br />
<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong>.Benoehr@rz.hu-berlin.de<br />
http://www.rewi.hu-berlin.de/jura/koop/paris<br />
http://www.rewi.hu-berlin.de/jura/ex/bnr<br />
Büro: Unter den Linden 11<br />
Raum 02<br />
Telefon ++49.(0)30.20 93.33 79<br />
Fax ++49.(0)30.20 93.3357
2<br />
§ 12. Aber wenn der Ehemann die Anweisung erteilt, dass sein Schuldner an sie die Erfüllung leistet, ist es<br />
kontrovers, quaeritur, ob die Münzen ihre werden und der Schuldner befreit wird. Und Celsus schreibt im 15.<br />
Buch seiner Digesten, es sei <strong>zu</strong> erwägen, videndum esse, ob man nicht sagen könne, dass erstens der Schuldner<br />
befreit werde und zweitens die Münzen Eigentum des Ehemannes, nicht aber der Ehefrau, würden.<br />
Denn wenn die Schenkung nach ius civile nicht verboten wäre, würde die Abfolge des Vorganges folgende sein:<br />
das Geld würde von deinem Schuldner an Dich, darauf von Dir an deine Ehefrau gelangen. Aber wegen der<br />
Geschwindigkeit der miteinander <strong>zu</strong> verbindenden Handlungen würde es als nur eine einzige Handlung<br />
verborgen werden. Andernfalls müsste der Schuldner an den Gläubiger, der Gläubiger an die Ehefrau leisten.<br />
Es sei nichts Neues oder Seltsames, dass Du eine Leistung mittels eines anderen erhältst. Denn wenn derjenige,<br />
der vortäuscht, dass er der Procurator deines Gläubigers sei, von deinem Schuldner auf deine Anweisung hin<br />
Geld empfangen hat, dann hast Du, wie es feststeht, sowohl die Diebstahlsklage als auch das Eigentum an dem<br />
Geld selbst.<br />
D. 24, 1, 3, 13. Ulpianus 32 ad Sab. Huic sententiae consequens est, quod Iulianus libro septimo decimo<br />
digestorum scripsit, si donaturum mihi iussero uxori meae dare: ait enim Iulianus nullius esse momenti,<br />
perinde enim habendum, atque si ego acceptam et rem meam factam uxori meae dedissem: quae sententia<br />
vera est.<br />
D. 24, 1, 3, 13. Diesem Satz entspricht es, was Julian im 17. Buch seiner Digesten geschrieben hat: Jemand will<br />
mir etwas schenken, und ich ordne an, diesen Gegenstand meiner Ehefrau <strong>zu</strong> geben. Dann, so sagt Julian, sei der<br />
Vorgang unwirksam. Es sei ebenso an<strong>zu</strong>sehen, als ob ich die Sache empfangen und die mir übereignete Sache an<br />
meine Ehefrau weiter gegeben hätte. Und diese Erklärung ist wahr.<br />
(3) D. 45, 1, 78 pr. Paulus 62 ad ed. Si filius familias sub condicione stipulatus emancipatus fuerit, deinde<br />
exstiterit condicio, patri actio competit, quia in stipulationibus id tempus spectatur quo contrahimus.<br />
D. 45, 1, 78 pr. Ein Haussohn hat sich etwas unter einer Bedingung stipulationsweise versprechen lassen. Dann<br />
wurde er emanzipiert. Daraufhin ist die Bedingung eingetreten. In diesem Fall steht dem Vater die<br />
Stipulationsforderung <strong>zu</strong>, weil bei Stipulationen auf den Zeitpunkt geschaut wird, <strong>zu</strong> dem wir die Stipulation<br />
abgeschlossen haben.<br />
(4) D. 19, 1, 13, 29. Ulpianus 32 ad ed. Si quis a pupillo sine tutoris auctoritate emerit, ex uno latere<br />
constat contractus: nam qui emit, obligatus est pupillo, pupillum sibi non obligat.<br />
D. 19, 1, 13, 29. Aber wenn jemand etwas von einem Pupillus ohne Zustimmung des Tutors kauft, dann besteht<br />
der Vertrag aus nur einer Seite. Denn derjenige, der kauft, ist gegenüber dem Pupillus verpflichtet, er verpflichtet<br />
aber den Pupillus nicht.<br />
(5) D. 46, 1, 64. Hermogenianus 2 iuris epit. Fideiussor, qui minori viginti quinque annis pecuniam optulit<br />
et in publico loco metu in integrum restitutionis consignatam deposuit, confestim experiri mandati poterit.<br />
D. 46, 1, 64. Der Bürge, der dem Gläubiger, einem Minor unter 25 Jahren, das geschuldete Geld angeboten und<br />
es aus Furcht vor einer Wiedereinset<strong>zu</strong>ng in den vorigen Stand versiegelt an einem öffentlichen Ort hinterlegte,<br />
wird sofort die Auftragsklage erheben können.<br />
Adjektizische Klagen<br />
(6) D. 15, 4, 2, 2. Paulus 30 ad ed. Si iussu meo cum alieno servo contractum fuerit eumque postea<br />
redemero, quod iussu non tenebor, ne actio, quae ab initio inutilis fuerit, eventu confirmetur.<br />
D. 15, 4, 2, 2. Auf meinen Befehl wurde mit einem fremden Sklaven ein Vertrag geschlossen. Diesen Sklaven<br />
habe ich später gekauft. Dann werde ich nicht auf Grund der actio quod iussu haften, damit nicht der<br />
Klaganspruch, actio, der ursprünglich unwirksam war, inutilis, durch den späteren Vorgang geheilt werde.
(7) D. 46, 1, 35. Paulus 2 ad Plaut. Cum fideiubeat aliquis pro servo, in solidum tenetur, etiamsi nihil in<br />
peculio sit. plane si pro domino fideiubeat, cum quo de peculio est, dumtaxat de peculio tenebitur, quod<br />
tunc erit, cum res iudicatur.<br />
D. 46, 1, 35. Wenn sich jemand für einen Sklaven verbürgt, haftet er auf das Ganze, auch wenn sich nichts im<br />
Pekulium befindet. Wenn sich aber jemand für den Herrn, gegen den die actio de peculio begründet ist, verbürgt,<br />
dann haftet er nur in derjenigen Höhe, die das Pekuliums im Urteilszeitpunkt haben wird.<br />
Schuldverträge<br />
(8) D. 46, 3, 17. Pomp. 19 ad Sab. Cassius ait, si cui pecuniam dedi, ut eam creditori meo solveret, si suo<br />
nomine dederit, neutrum liberari, me, quia non meo nomine data sit, illum, quia alienam dederit: ceterum<br />
mandati eum teneri. sed si creditor eos nummos sine dolo malo consumpsisset, is, qui suo nomine eos<br />
solvisset, liberatur, ne, si aliter observaretur, creditor in lucro versaretur.<br />
D. 46, 3, 17. Cassius sagt, wenn ich jemandem Geld gegeben habe, damit er damit bei meinem Gläubiger erfüllt,<br />
dieser aber es in seinem eigenen Namen gezahlt hat, dann werde niemand befreit werden: ich nicht, weil das<br />
Geld nicht in meinem Namen gezahlt worden ist, jener nicht, weil er fremdes Geld gegeben hat. Übrigens hafte<br />
er auf Grund Auftragsklage. Aber wenn der Gläubiger diese Geldstücke ohne böse Arglist verbraucht hat, dann<br />
wird derjenige, der sie in seinem Namen gezahlt hat, befreit werden, damit nicht andernfalls der Gläubiger einen<br />
Gewinn macht.<br />
Kauf<br />
(9) D. 18, 1, 57. Paulus 5 ad Plaut.<br />
pr. Domum emi, cum eam et ego et venditor combustam ignoraremus. Nerva Sabinus Cassius nihil<br />
venisse, quamvis area maneat, pecuniamque solutam condici posse aiunt. sed si pars domus maneret,<br />
Neratius ait hac quaestione multum interesse, quanta pars domus incendio consumpta permaneat, ut, si<br />
quidem amplior domus pars exusta est, non compellatur emptor perficere emptionem, sed etiam quod<br />
forte solutum ab eo est repetet: sin vero vel dimidia pars vel minor quam dimidia exusta fuerit, tunc<br />
coartandus est emptor venditionem adimplere aestimatione viri boni arbitratu habita, ut, quod ex pretio<br />
propter incendium decrescere fuerit inventum, ab huius praestatione liberetur.<br />
Paul. 5 Plaut. Ich habe ein Haus gekauft (domum emi) <strong>zu</strong> einem Zeitpunkt, als weder ich noch der Verkäufer<br />
wusste, dass es verbrannt (combusta) ist. Nerva, Sabinus und Cassius sagen (aiunt), dass nichts verkauft worden<br />
sei (nihil venisse), obgleich das Grundstück (area) übrig bleibe (manére), und dass das schon gezahlte Geld<br />
(pecunia soluta) kondiziert werden könne (condici posse). Aber wenn ein Teil des Hauses (pars domús) übrig<br />
bleibe, dann, so sagt Neratius, komme es sehr auf die Frage an, wie groß der Teil des Hauses ist, der durch den<br />
Brand (incendium) zerstört wurde oder übrig bleibt. Denn wenn der größere Teil des Hauses verbrannt ist, werde<br />
der Käufer nicht verpflichtet (non compellatur emptor), den Kaufvertrag <strong>zu</strong> erfüllen (perfícere emptionem),<br />
sondern er könne das, was vielleicht von ihm schon gezahlt worden ist (solutum), heraus verlangen (repétere).<br />
Wenn aber die Hälfte oder ein geringerer Teil zerstört ist, dann sei der Käufer gehalten, den Kaufvertrag nach<br />
der Schät<strong>zu</strong>ng eines ehrbaren Mannes <strong>zu</strong> erfüllen und zwar in der Weise, dass er von seiner Verpflichtung<br />
entsprechend der Höhe, die von dem Kaufpreis wegen des Brandes ab<strong>zu</strong>ziehen sei, befreit werde.<br />
§ 1. Sin autem venditor quidem sciebat domum esse exustam, emptor autem ignorabat, nullam<br />
venditionem stare, si tota domus ante venditionem exusta sit: si vero quantacumque pars aedificii<br />
remaneat, et stare venditionem et venditorem emptori quod interest restituere.<br />
3