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h. - Prof. Dr. Hans-Peter Benöhr - Humboldt-Universität zu Berlin

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H.-P. BENÖHR<br />

REPETITORIUM GRUNDSTÜCKSRECHT<br />

WINTERSEMESTER 2004 - 2005<br />

(VORLÄUFIGE FASSUNG)<br />

HUMBOLDT-UNIVERSITÄT ZU BERLIN<br />

(Stand: 30. Juli 2004)<br />

<strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong>, Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, D 10099 <strong>Berlin</strong><br />

<strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong>.Benoehr@rz.hu-berlin.de<br />

http://www.rewi.hu-berlin.de/jura/ex/bnr<br />

Sprechzeit im allgemeinen mittwochs 11.00 Uhr, Raum 02, möglichst nach Voranmeldung<br />

Die folgenden Ausführungen ersetzen nichts: weder das Vor- und Nacharbeiten, noch das Gesetz. Die einzelnen Punkte wurden unter dem<br />

Gesichtspunkt der Klausurengefahr, ohne Rücksicht auf „allgemeine Bildung“, ausgewählt. Für das wirkliche Verständnis - examensorientiert<br />

ausgedrückt: für die mündliche Prüfung - müssten Sie noch einiges ergänzen. Leider sind die Ausführungen immer noch nicht frei<br />

von Fehlern, also auch insofern ist Vorsicht geboten!


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

INHALTSVERZEICHNIS<br />

Inhaltsverzeichnis 2<br />

1. Teil. Abschluss des Kausalgeschäfts 4<br />

Kapitel 1. Formerfordernis, §§ 311 b I, 125 4<br />

Kapitel 2. Personenrechtliche oder ehegüterrechtliche Besonderheiten 7<br />

Kapitel 3. Weitere Willensmängel 8<br />

Kapitel 4. Vollmacht für Grundgeschäft 8<br />

Kapitel 5. Konsequenzen eines Fehlers im Grundgeschäft 8<br />

Kapitel 6. Gläubigerwechsel 8<br />

Kapitel 7. Rechts- und Sachmängel 9<br />

Kapitel 8. Kauf bricht nicht Miete, § 566 9<br />

2. Teil. Eigentumsübertragung 10<br />

Kapitel 1. Auflassung, Eintragung und Berechtigung 10<br />

Kapitel 2. Auflassung 10<br />

Kapitel 3. Eintragung, Grundbuch 12<br />

Kapitel 4. Berechtigung 14<br />

Kapitel 5. Gutgläubiger Erwerb des Eigentums 16<br />

Kapitel 6. Grundbuchberichtigungsanspruch und ähnliche Ansprüche 19<br />

Kapitel 7. Widerspruch 21<br />

Kapitel 8. Prüfungsfolge Grundstücksübertragung 23<br />

Kapitel 9. Entstehung der Vormerkung 24<br />

Kapitel 10. Wirkung der Vormerkung 26<br />

Kapitel 11. Übergang der Vormerkung 30<br />

Kapitel 12. Übertragung der Rechtsstellung des künftigen Erwerbers 31<br />

3. Teil. Bestellung der Hypothek 33<br />

Kapitel 1. Grundlagen 33<br />

Kapitel 2. Bestellung der Hypothek: Einigsein, § 873 35<br />

Kapitel 3. Eintragung, § 873 36<br />

Kapitel 4. Berechtigung, § 873, oder gutgläubiger Erwerb, § 892 36<br />

Kapitel 5. Hypothekenbrief, §§ 1116 f. 38<br />

Kapitel 6. Forderung, § 1113 38<br />

Kapitel 7. Vormerkung 40<br />

Kapitel 8. Eigentümer-Grundschuld, seltener Eigentümer-Hypothek 41<br />

Kapitel 9. Einwendungen und Einreden des Eigentümers gegen den Erstgläubiger 42<br />

Kapitel 10. Geltendmachung der Gegenrechte durch den Eigentümer 44<br />

4. Teil. Übertragung der Hypothek oder des Grundstücks 45<br />

Kapitel 1. Übertragung der Hypothekenforderung: Grundlagen 45<br />

Kapitel 2. Übertragung der Hypothekenforderung: Form 47<br />

Kapitel 3. Gegenrechte des Eigentümers gegen den Zweit-Gläubiger 48<br />

Kapitel 4. Aber gutgläubiger Zweiterwerb der Hypothek 49<br />

Kapitel 4. Zweiterwerb der Hypothek: Guter Glaube des Hypothekenerwerbers 50<br />

Kapitel 6. Eingeschränkter gutgläubiger Zweiterwerb der Sicherungshypothek 53<br />

Kapitel 7. Gutgläubiger Zweiterwerb der Hypothek: Formerfordernisse 53<br />

Kapitel 8. Zusammenfassung 55<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

2


Grundstücksrecht<br />

Kapitel 9. Übertragung des belasteten Grundstücks 56<br />

5. Teil. Befriedigung des Gläubigers 58<br />

Kapitel 1A. Zahlung 58<br />

Kapitel 1B. Aufrechung 59<br />

Kapitel 2. Rückgriff 60<br />

Kapitel 3. Zwangsvollstreckung des Gläubigers, Verteidigung des Eigentümers 63<br />

Kapitel 4. Rang 64<br />

Kapitel 5. Haftungsgegenstände 66<br />

Kapitel 6. Wesentliche Bestandteile 67<br />

Kapitel 7. Haftung des Zubehörs 68<br />

Kapitel 8. Enthaftung des Zubehörs 71<br />

Kapitel 9. Ansprüche wegen Zubehörs 73<br />

Kapitel 10. Befreiung von der Hypothek 74<br />

6. Teil. Grundschuld 74<br />

Kapitel 1. Beschreibung der Grundschuld 74<br />

Kapitel 2. Bestellung der Grundschuld, Einwendungen und Einreden des Eigentümers 75<br />

Kapitel 3. Übertragung von Grundschuld oder Forderung 78<br />

Kapitel 4. Zahlung und Rückgriff 80<br />

7. Teil. Weitere Grundstücksrechte 81<br />

8. Teil. Abwehr- oder Ausgleichsansprüche 82<br />

Kapitel 1. Basisvorschriften §§ 1004 und 906 82<br />

Kapitel 2. Weitere Anspruchsgrundlagen 83<br />

Kapitel 3. Tatbestand des § 1004 Absatz 1 83<br />

Kapitel 4. § 1004 Absatz 2: Verweisungsnorm für Duldungspflicht des Eigentümers 85<br />

Kapitel 5. Duldungspflicht nach § 906 Absatz 1 86<br />

Kapitel 6. Duldungspflicht nach § 906 Absatz 2 Satz 1 87<br />

Kapitel 7. Ausgleichsanspruch, § 906 II 2 88<br />

Kapitel 8. Rechtsprechung und Lehre 88<br />

9. Teil. Weitere Bemerkungen 89<br />

Kapitel 1. Begriffe 89<br />

Kapitel 2. Sachenrechtsprinzipien 90<br />

Kapitel 3. Schwerpunkte 90<br />

Kapitel 4. Literatur 91<br />

22. August 2011<br />

3


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

1. TEIL. ABSCHLUSS DES KAUSALGESCHÄFTS<br />

Selbstverständlich beruht das Zivilrecht auf dem Trennungs- und dem Abstraktionsprinzip. Das Verkennen dieser Prinzipien bedeutet das<br />

Scheitern einer Klausur. Aber in Klausuren wie im Geschäftsverkehr sind Grundgeschäft und Erfüllungsgeschäft mit einander verbunden.<br />

Für die Stellung einer Examensaufgabe ist es geschickt, Probleme aus dem Allgemeinen Teil, dem Schuldrecht und dem Sachenrecht in einer<br />

Klausur miteinander <strong>zu</strong> verknüpfen. Hierauf muss ein Kandidat vorbereitet sein.<br />

Kapitel 1. Formerfordernis, §§ 311 b I, 125<br />

In diesem Kapitel kommt es vor allem auf die Formvorschrift, §§ 311 b I 1, 125, für den Schuldvertrag und auf die Heilung des Formmangels<br />

an. Hieran schließen sich drei berühmte Rechtsprechungs- und Klausurfälle, natürlich mit Varianten im Einzelfall, an: Rückforderung<br />

des Kaufpreises durch den Käufer, Erfüllungsanspruch bei einem Scheingeschäft, Verhinderung der Heilung durch den Verkäufer. Auch weitere<br />

Fragen <strong>zu</strong> den obligatorischen Verträgen werden hier beantwortet.<br />

1. Grundstücksstreifen. V und K waren befreundete Nachbarn, Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zur Verbreiterung einer Garageneinfahrt<br />

wollte K von V einen bestimmten Grundstücksstreifen kaufen, der 40 cm schmal und 15 m lang ist. V und K einigten sich<br />

schnell über den Verkauf <strong>zu</strong>m Gesamtpreis von 600,- Euro. Wegen der Geringfügigkeit des Geschäftes begnügten sie sich mit einem<br />

schriftlichen, von beiden unterzeichneten Vertrag und vereinbarten, die notarielle Auflassung innerhalb der nächsten drei Monate vor<strong>zu</strong>nehmen.<br />

K zahlte den Betrag von 600,- Euro sogleich an V in bar.<br />

Dann jedoch gereut den K das ganze Geschäft. Kann K von V Rückzahlung verlangen?<br />

2. Formerfordernis, §§ 311 b I, 125, betrifft Grundstücke:<br />

Eigentum, Miteigentumsanteile, Wohnungseigentum, Erbbaurecht.<br />

Entsprechend beurkundungspflichtig die schuldrechtliche Verpflichtung<br />

<strong>zu</strong>r Übertragung eines Auflassungsanwartschaftsrechts.<br />

3. Verpflichtung <strong>zu</strong><br />

1. Veräußerung oder<br />

2. Erwerb.<br />

4. Rechtsgeschäfte<br />

1. Insbesondere Kaufvertrag, Unternehmenskaufvertrag, Tausch, meistens Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag,<br />

Schenkung und vorweggenommene Erbfolge, Gesellschaftsvertrag,<br />

Änderung der Eigentumsform (Gesellschaft), Vereinbarung der Nachlassteilung.<br />

2. Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts, § 141 I.<br />

Auf Bestätigung kommt es nicht an, wenn Heilung von Gesetzes wegen erfolgt ist, § 311 b I 2.<br />

Keine Formbedürftigkeit für Bestätigung eines nur anfechtbaren Rechtsgeschäfts, § 144 II.<br />

3. Bedingte Verpflichtungen und Vorverträge.<br />

4. Wegen Aufhebung eines Grundstückskaufvertrages ist wohl <strong>zu</strong> differenzieren.<br />

- Ist Vertrag voll vollzogen, Verpflichtung <strong>zu</strong>r Rückabwicklung formbedürftig.<br />

- Aber wenn bloß Konkretisierung des § 812, dann kein Formerfordernis.<br />

- Wenn K schon AR hat (s. u.), dann Formerfordernis.<br />

5. Vollmacht <strong>zu</strong> Veräußerung oder Erwerb, wenn Bindung des Vollmachtgebers,<br />

insbesondere, wenn unwiderruflich<br />

5. Meistens formfrei: Verpflichtungen, ein Grundstück nicht <strong>zu</strong> veräußern oder nicht <strong>zu</strong> erwerben.<br />

6. Zwecke u. a.<br />

1. Warnung, Übereilungsschutz, Schuldnerschutz<br />

2. Beweissicherung<br />

3. Beratung (durch Notar).<br />

7. § 311 b I betrifft nicht Verfügung<br />

- über das Eigentum gelten nur §§ 925, 873;<br />

- über Anwartschaft und Anwartschaftsrecht, §§ 925, 873 entsprechend, doch ohne Eintragung.<br />

- Abtretung des Anspruchs aus Kaufvertrag auf Übereignung , § 398, ist Verfügung, deswegen nicht § 311 b I.<br />

8. Notarielle Beurkundung: § 128 + Beurkundungsgesetz. In der Praxis häufig in derselben Urkunde wie Auflassungserklärung.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

4


Grundstücksrecht<br />

9. Sehr strenge Anwendung des § 311 b I.<br />

Formerfordernis für Antrag wie für Annahme.<br />

Vor allem Vollständigkeitserfordernis mit allen Einzelheiten und Nebenabreden, insbes.<br />

- vollständiger Preis,<br />

- Hypothekenbeseitigungspflicht des V,<br />

- Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit,<br />

- Ausschluss der Gewährleistung und Übernahme von Grundstücksbelastungen,<br />

- Vereinbarung eines Rücktrittsrechts,<br />

- Verkauf mit Bebauungspflicht des Verkäufers<br />

10. Trotz § 311 b I 1 schadet unbewusste falsa demonstratio nicht. Das Gewollte ist schuldrechtlich wirksam.<br />

11. Sanktion: Nichtigkeit, § 125<br />

1. Bei Falschbeurkundung<br />

1. Unwirksamkeit des Beurkundeten und<br />

2. des Gewollten.<br />

3. Falschbeurkundung des Preises macht im allgemeinen<br />

ganzen Vertrag unwirksam, § 139.<br />

2. Bei unvollständiger Beurkundung<br />

1. sind die nicht beurkundeten Abreden unwirksam,<br />

2. die Gültigkeit des Vertrages im Übrigen richtet sich nach § 139.<br />

12. Sanktion <strong>zu</strong>m Nachteil des Käufers<br />

1. Unwirksamkeit des Übereignungsanspruchs des Käufers,<br />

Verkäufer hat rechtshindernde Einwendung.<br />

2. Bereicherungsanspruch des Verkäufers gegen den Käufer, § 812 I 1 Alt. 1,<br />

falls Verkäufer schon Auflassungserklärung, Eintragungsbewilligung etc.abgegeben hat,.<br />

Auflassungserklärung des Verkäufers ist vermögenswerte Rechtsposition für den Käufer,<br />

sie bindet den Verkäufer, wenn die Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 873 II erfüllt sind.<br />

Keine Einwendungen des Käufers gegen Bereicherungsanspruch des V:<br />

- § 814 nicht gegeben, wenn K in der Erwartung geleistet hat,<br />

das Rechtsgeschäft werde vollzogen und der Formmangel werde dadurch geheilt.<br />

- Auch § 815 Alt. 2 greift nicht bei § 812 I ein, vor allem keine Treuwidrigkeit.<br />

- § 817 S. 2 ist ebenfalls nicht gegeben, trotz Absicht, Gebühren oder Steuern <strong>zu</strong> hinterziehen.<br />

Erfüllung des Bereicherungsanspruchs durch Aufhebungsvertrag<br />

oder durch Erklärung des Kl. und Verurteilung des Beklagten mit § 894 ZPO.<br />

3. Unwirksamkeit der Vormerkung<br />

(weder gutgläubiger Ersterwerb noch gutgläubiger Zweiterwerb, unstr. für diesen Fall).<br />

4. Aber kein Bereicherungsanspruch des Verkäufers gegen Käufer<br />

auf Rückübereignung des Grundstücks, § 311 b I 2,<br />

sobald Auflassung und außerdem Eintragung erfolgt sind.<br />

13. Sanktion <strong>zu</strong>m Nachteil des Verkäufers<br />

1. Unwirksamkeit des Zahlungsanspruchs des Verkäufers,<br />

Käufer hat rechtshindernde Einwendung.<br />

2. Bereicherungsanspruch des Käufers gegen Verkäufer auf Rückzahlung,<br />

solange Auflassung und Eintragung noch nicht erfolgt sind; s. o.<br />

3. Aber kein Bereicherungsanspruch des Käufers gegen Verkäufer<br />

auf Rückzahlung, § 311 b I 2,<br />

sobald Auflassung und außerdem Eintragung erfolgt sind.<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

14. Fast nie verstößt Berufung auf Formmangel gegen Treu und Glauben, § 242,<br />

im allgemeinen laufen Referendar-Klausuren nicht auf § 242 <strong>zu</strong>.<br />

Parteien können nicht auf Einwand der Formnichtigkeit verzichten.<br />

15. Heilung des formnichtigen Grundgeschäfts durch vollwirksames Erfüllungsgeschäft,<br />

nämlich durch Auflassung und Eintragung, §§ 311 b I S. 2, 925, 873.<br />

Vormerkung bewirkt nicht die Heilung. S. auch §§ 925 a BGB, 20, 29 GBO.<br />

Nach § 311 b I 2 werden andere Mängel nicht geheilt, z. B. beschränkte Geschäftsfähigkeit.<br />

Nicht analogiefähig für andere Rechtsgeschäfte.<br />

Heilung nur ex nunc, arg. ,,wird“ in § 311 b I 2.<br />

16. Scheingeschäft, § 117; wichtig für Praxis und Klausuren;<br />

Grundstückskauf unter Beurkundung eines geringeren als des vereinbarten Preises,<br />

um Schwarzgeld des Käufers an den Mann <strong>zu</strong> bringen<br />

oder um Grundsteuer und Gebühren <strong>zu</strong> sparen.<br />

Millionengeschäft I. K kaufte von B ein Grundstück. Nach der notariellen Urkunde betrug der Kaufpreis 5 Mio. Euro. Außerdem erhielt<br />

B von K eine <strong>zu</strong>sätzliche, nicht beurkundete Zahlung von 150 000,- Euro.<br />

1. Beide Parteien wollen nicht das simulierte (d. h. scheinbare) Geschäft,<br />

wollen also z. B. nicht den Grundstückskauf <strong>zu</strong> dem beurkundeten niedrigeren Preis,<br />

das simulierte Rechtsgeschäft ist deswegen nichtig, § 117 I.<br />

Millionengeschäft Ia. Also kein wirksamer Kaufvertrag <strong>zu</strong> 5 Mio. Euro.<br />

2. Aber beide Parteien wollen meistens ein bestimmtes anderes Rechtsgeschäft,<br />

das durch das simulierte verdeckt werden sollte,<br />

wollen also z. B. den Grundstückskauf <strong>zu</strong> dem vereinbarten,<br />

doch nicht beurkundeten, höheren Preis.<br />

Millionengeschäft Ib. K und B wollen Kaufvertrag <strong>zu</strong> 5,15 Mio. Euro.<br />

1. Dann ist zwar das verdeckte Rechtsgeschäft gewollt, § 117 II.<br />

2. Aber für dieses verdeckte Rechtsgeschäft gelten dann alle Regeln,<br />

die für dieses Rechtsgeschäft gelten würden,<br />

wenn es offen abgeschlossen worden wäre, § 117 II.<br />

3. An<strong>zu</strong>wenden vor allem die gesetzlichen Formvorschriften, z. B. § 311 b I.<br />

Millionengeschäft I c. Also Kaufvertrag <strong>zu</strong> 5,15 Mio. Euro ist voll formbedürftig.<br />

Wenn diese ganz oder teilweise<br />

hinsichtlich des verdeckten Rechtsgeschäfts fehlen,<br />

ist auch dieses verdeckte Rechtsgeschäft nichtig, § 125.<br />

4. Das bedeutet am Ende meistens, dass keines<br />

der beiden in Frage kommenden Geschäfte wirksam geworden ist,<br />

also Grundstückskauf weder <strong>zu</strong> dem beurkundeten<br />

noch <strong>zu</strong> dem gewollten, verdeckten, Preis.<br />

Millionengeschäft I d Also Kaufvertrag weder <strong>zu</strong> 5 Mio. EURO, noch <strong>zu</strong> 5,15 Mio. EURO wirksam, sondern ganz nichtig.<br />

5. Aber Heilungsmöglichkeit, § 311 b I 2.<br />

Millionengeschäft I e. Sobald Auflassung und Eintragung erfolgt sind, ist trotz unrichtiger Beurkundung Kaufvertrag <strong>zu</strong><br />

5,15 Mio. EURO voll wirksam.<br />

17. In gewissen Fällen kann V daran interessiert sein,<br />

dass der formunwirksame Vertrag nicht durch Auflassung und Eintragung geheilt wird.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

Zur Verhinderung der Heilung nach § 311 b I S. 2<br />

kann V gerichtliches Erwerbsverbot erwirken.<br />

Wieso das? Falls den V das Geschäft mit K reut, weil etwa ein anderer Interessent mehr bietet.<br />

Millionengeschäft II. Der X bietet dem V 6 Mio. Euro.<br />

Dann kann V versuchen, Auflassung und Eintragung für den K <strong>zu</strong> verhindern.<br />

Dem Käufer auf Grund formnichtigen Grundstückskaufvertrages (§§ 311 b I 1, 125) wird mittels einstweiliger Verfügung<br />

untersagt, das Grundstück <strong>zu</strong> erwerben (§§ 925, 873).<br />

Von Rechtsprechung anerkannt auf Grund § 938 II ZPO.<br />

Eintragungs-fähig entsprechend § 892 I 2, aber nicht eintragungs-bedürftig.<br />

Verbotswidriger Erwerb ist relativ unwirksam analog §§ 136, 135 BGB.<br />

Anspruch K gegen V wegen verschuldeter Nichterfüllung?<br />

Nein, Kaufvertrag ist ja wegen Formmangels unwirksam.<br />

18. Falschbeurkundung <strong>zu</strong>m Zwecke der Steuerhinterziehung gilt nicht als Verstoß gegen Verbotsgesetz i. S. § 134.<br />

Verträge, mit denen Steuerhinterziehung verbunden ist, sind im allgemeinen nur sittenwidrig, wenn diese Hauptzweck ist.<br />

19. Rechtsprechung<br />

„Un<strong>zu</strong>lässigkeit der Verurteilung <strong>zu</strong>r Abgabe der Auflassungserklärung, wenn der Beklagte nicht Eigentümer des betreffenden<br />

Grundstücks ist“ (BGH Urt. v. 26. 3. 1999; NJW 1999, 2034 = ZIP 1999, 790 = JuS 1999, 1019).<br />

„Teilweise Nut<strong>zu</strong>ngsbeschränkung (durch Landschaftsschutzgebiet) als Sachmangel“ (Düsseldorf, NJW-RR 2003, 48).<br />

Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages bei <strong>Dr</strong>ittfinanzierung (Oldenburg,NJW-RR 2003, 447).<br />

20. Millionengeschäft I. K kaufte von B ein Grundstück. Nach der notariellen Urkunde betrug der Kaufpreis 5 Mio. EURO. Außerdem<br />

erhielt B von K eine <strong>zu</strong>sätzliche, nicht beurkundete Zahlung von 150 000,- EURO. Der Kaufvertrag wurde nicht durchgeführt, weil<br />

sich die (einseitigen, nicht Vertragsinhalt gewordenen) Erwartungen des K hinsichtlich der Bebaubarkeit nicht erfüllt hatten. Kann K<br />

Rückzahlung der 150 000,- EURO verlangen? (BGH Urt. v. 2. 7. 1999; NJW 1999, 2892 = JuS 2000,190; da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong>st. Keim, JuS 2001,<br />

636; s. auch BGH Urt. v. 9. 7. 1999; WM 1999, 1887).<br />

Der erste Satz für den Ausgangsfall könnte z. B. lauten: „Der Anspruch des K gegen B ist begründet, wenn B auf Kosten des K ungerechtfertigt<br />

bereichert ist“.<br />

Kapitel 2. Personenrechtliche oder ehegüterrechtliche Besonderheiten<br />

1. Für die rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen von Geschäftsunfähigen<br />

und beschränkt Geschäftsfähigen<br />

für die Verpflichtung <strong>zu</strong>r Übertragung oder Belastung von Grundstücken,<br />

1. Vornahme oder Zustimmung durch gesetzlichen Vertreter<br />

§§ 104 f., 106 ff., 1901 f.<br />

2. meistens erforderlich Zustimmung des Familiengerichts,<br />

§§ 1643, 1821 ff., § 1908 i.<br />

Fehlt es an der erforderlichen Zustimmung,<br />

dann Unwirksamkeit des obligatorischen Vertrages,<br />

keine Heilung, kein § 311 b I 2.<br />

Meistens auch Unwirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts.<br />

2. Bei Schenkung an beschränkt Geschäftsfähige<br />

ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters<br />

nimmt BGH seit 1981 eine Gesamtbetrachtung<br />

des schuldrechtlichen und des dinglichen Rechtsgeschäftes vor.<br />

Einzelfälle (meistens str.)<br />

Nicht lediglich rechtlich vorteilhaft<br />

- Übernahme der persönlichen Schuld,<br />

- Vertrag mit Verpflichtung für Minderjährigen, z. B. Auflage, oder Pflicht <strong>zu</strong> späterer Rückgabe,<br />

- Erwerb eines vermieteten Grundstücks wegen § 566 n. F.<br />

Rechtsfolge: Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages;<br />

keine Heilung von Gesetzes wegen.<br />

Meistens auch Unwirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts.<br />

Zu prüfen nachträgliche Genehmigung. Formlos, § 182 II.<br />

Lediglich rechtlich vorteilhaft trotz Nachteilen, also Wirksamkeit:<br />

- Schenkung von Wohnungseigentum, wenn mit Pflichten verbunden, die nicht über WEG hinausgehen,<br />

- Schenkung trotz gesetzlicher Rückgewährpflicht in §§ 528, 530,<br />

- dingliche Belastung ohne persönliche Verpflichtung, insbes. Grundschuld,<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

auch Hypothek (wenn ohne persönliche Schuldübernahme)<br />

- öffentlich-rechtliche Lasten und Pflichten.<br />

3. Zugewinngemeinschaft, § 1363 I,<br />

Erfordernis der Zustimmung des anderen Ehegatten<br />

<strong>zu</strong> Verpflichtungen über das Vermögen im Ganzen, § 1365 I 1,<br />

Rechtsfolge: Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages,<br />

Vorsicht: ungenaue Paragraphen-Überschrift.<br />

Keine Heilung von Gesetzes wegen.<br />

Nachträgliche Genehmigung ist möglich, § 1366; außer bei einseitigen Rechtsgeschäften, § 1367.<br />

Desgleichen Unwirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts (Satz 2).<br />

Kapitel 3. Weitere Willensmängel<br />

Auch Irrtum, arglistige Täuschung, Gesetzwidrigkeit, Sittenwidrigkeit oder Wucher<br />

können das Grundgeschäft beeinträchtigen, ohne gesetzliche Heilungsmöglichkeit, mit Bereicherungsfolge;<br />

aber im allgemeinen ohne Beeinträchtigung des dinglichen Rechtsgeschäfts,<br />

wenn nicht, wie im allgemeinen bei Wucher, Fehleridentität gegeben ist.<br />

Kapitel 4. Vollmacht für Grundgeschäft<br />

1. Formerfordernis?<br />

1. Grundsatz theoretisch § 167 II: formlos wirksam.<br />

2. Ausnahme theoretisch: Formerfordernis.<br />

3. Rsprg tendiert <strong>zu</strong> Formerfordernis, Hauptfall: § 311 b I 1, wenn:<br />

wenn Vollmachtgeber bereits durch die Erteilung der Vollmacht rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise gebunden wird wie<br />

durch den Abschluss des formbedürftigen Rechtsgeschäfts selbst: meistens bei Unwiderruflichkeit; oder bei Vertragsstrafe o.<br />

ä.; wenn Bevollmächtigter ohne eigenen Entscheidungsspielraum; bei Befreiung des Vertreters vom Verbot des Selbstkontrahierens,<br />

§ 181 (z. B. Schleswig, NJW-RR 2001, 733).<br />

4. Für Eintragung in Grundbuch erforderlich notarielle Beurkundung<br />

oder öffentliche Beglaubigung auch der Vollmacht, § 29 GBO, str.<br />

2. Sorgfältig den Umfang der jeweiligen Vollmacht prüfen, ob sie wirklich das beabsichtigte Grundstücksgeschäft deckt.<br />

Auch Vollmachtsmissbrauch des Bevollmächtigten prüfen.<br />

Kapitel 5. Konsequenzen eines Fehlers im Grundgeschäft<br />

1. Selbstverständlich keine vertraglichen Erfüllungsansprüche, sondern rechtshindernde Einwendungen<br />

und grundsätzlich Bereicherungsansprüche.<br />

Veräußerer kann<br />

- nach Auflassung, vor Eintragung die Rechtsstellung des Erwerbers,<br />

- nach Eigentumserwerb des Erwerbers das Eigentum kondizieren.<br />

2. Keine wirksame Vormerkung, kein gutgläubiger Vormerkungserwerb bei unwirksamem Anspruch.<br />

3. Erfüllungsgeschäft = Verfügung<br />

1. grundsätzlich von Grundgeschäft unabhängig entsprechend Abstraktionsprinzip, also wirksam;<br />

Grundbuch wird nicht unrichtig, wenn lediglich das Grundgeschäft fehlerhaft ist.<br />

2. Dieselben Bestimmungen, die die Wirksamkeit des Grundgeschäfts verhindert haben,<br />

können auch das dingliche Rechtsgeschäft unwirksam oder nichtig machen; „Fehleridentität“;<br />

in diesem besonderen Fall also Unrichtigkeit des Grundbuchs.<br />

3. Nur der Formmangel des Grundgeschäfts wird geheilt, wenn die Übereignung wirksam ist; keine Heilung anderer Mängel.<br />

Kapitel 6. Gläubigerwechsel<br />

1. Beide Forderungen aus dem Schuldvertrag, d. h.<br />

- Anspruch auf Grundstücksübertragung und<br />

- Anspruch auf Preiszahlung<br />

können ohne weiteres abgetreten werden, §§ 398 ff.<br />

Abtretung selbst ist formlos wirksam, desgleichen die Verpflichtungen <strong>zu</strong>r Abtretung.<br />

Abtretungsverbot ist möglich, § 399 a. E.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

8


Grundstücksrecht<br />

2. Abtretung eines unwirksamen Anspruchs ist unwirksam, kein gutgläubiger Erwerb.<br />

3. Mit der Abtretung gehen Sicherungsrechte auf den neuen Gläubiger über, d. h.<br />

- bei Bestehen einer Vormerkung geht diese analog § 401 vom Käufer auf den neuen Gläubiger über,<br />

- bei Bestehen einer Bürgschaft für den Kaufpreis geht diese vom Verkäufer auf den neuen Gläubiger über.<br />

4. Aber die Abtretung der Forderung bedeutet nicht, dass der jeweilige neue Gläubiger auch der Schuldner würde.<br />

5. Eine Schuldübernahme ist gemäß §§ 414 ff. möglich.<br />

Kapitel 7. Rechts- und Sachmängel<br />

1. Sachmängel, §§ 434, 433<br />

Beispiele für Beschaffenheit: tatsächliche Hindernisse für beabsichtigte Bebauung, ö.-r. Baubeschränkungen,<br />

Unbewohnbarkeit, Bodenverunreinigung (insbes. Altlast), Schwamm, Immissionen durch Nachbarn.<br />

1. Vereinbarte Beschaffenheit, § 434 I 1; formbedürftig aber Heilungsmöglichkeit, § 311 b I,<br />

z. B. Wohnfläche, Mietertrag.<br />

2. Eignung <strong>zu</strong>r vorausgesetzten Verwendung. § 434 I 2 Nr. 1, nur anwendbar,<br />

wenn entsprechende Vereinbarung (Abs. 1 Satz 1) fehlt.<br />

3. Eignung <strong>zu</strong>r gewöhnlichen Verwendung etc. § 434 I 2 Nr. 2, nur anwendbar,<br />

wenn entsprechende Vereinbarung oder vertragliche Vorausset<strong>zu</strong>ng der Verwendung fehlt;<br />

Auffangtatbestand.<br />

2. Rechtsmängel, § 435, 433<br />

1. Insbesondere Hypotheken, Grundschulden; Nießbrauch und andere dingliche Rechte; Vormerkungen; Miet- und Pachtverträge<br />

(wegen § 566).<br />

2. Außerdem im Grundbuch eingetragene Rechte, § 442 II, selbst wenn sie nicht bestehen, § 435 S. 2.<br />

3. „Öffentliche Lasten“ von Grundstücken, § 436, meinen „Leistungen“, insbes. Abgaben.<br />

Nicht gemeint Baubeschränkungen u. ä. In § 436 Regelung für das Verhältnis zwischen V und K.<br />

4. Gleiche Rechtsfolgen bei Sach- und Rechtsmängeln, § 437.<br />

5. Haftungsausschluss<br />

1. Kenntnis des Käufers;<br />

grobfahrlässige Unkenntnis des K, es sei denn Arglist oder Garantie des V; § 442 I.<br />

Kein Haftungsausschluss trotz Kenntnis des K, wenn belastendes Recht im Grundbuch eingetragen ist, § 442 II.<br />

2. Vertraglich, § 444.<br />

Besonders wichtig, „Übernahme“ von Hypotheken oder Grundschulden durch Käufer, da<strong>zu</strong> auch §§ 414 ff.<br />

6. Rechtsfolgen, § 437.<br />

7. Übergang von Gefahr, Lasten und Nut<strong>zu</strong>ngen mit Besitzübergang, § 446.<br />

1. §§ 566, 578, 581, 593 b.<br />

Kapitel 8. Kauf bricht nicht Miete, § 566<br />

2. Amtliche Überschrift, aber inhaltlich in mehrfacher Hinsicht unpassend.<br />

3. „Veräußerung“ bedeutet:<br />

1. Schuldvertrag, der auf Übereignung zielt, also nicht bloß Kauf,<br />

sondern z. B. auch Tausch, Schenkung, Einbringung in Gesellschaft, Erfüllung eines Vermächtnisses,<br />

2. mit da<strong>zu</strong> gehörender Auflassung und Eintragung (Vormerkung genügt nicht).<br />

4. Sonderregel für Zwangsversteigerung eines Grundstücks:, §§ 57 und 57a ZVG.<br />

1. Zwar ist der Ersteher an § 566 gebunden,<br />

2. aber Ersteher kann das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen.<br />

3. Mieter oder Pächter kann Zwangsversteigerung durch Befriedigung des Gläubigers abwenden,<br />

mit der Folge des Forderungsübergangs, § 268 BGB.<br />

5. § 986 II gilt nicht für Grundstücke, sondern nur für bewegliche Sachen.<br />

6. Historische Herkunft<br />

- nicht aus römischem Recht,<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

- aber m. a. und neuzeitliche Stadtrechte sowie preußisches ALR von 1794,<br />

- nicht im I. BGB-Entwurf mit Motiven,<br />

- aber nach Kritik Otto von Gierkes und anderer im II. BGB-Entwurf<br />

- und damit als § 571 a. F. BGB.<br />

7. § 566 regelt nur das Verhältnis des Mieters <strong>zu</strong> früherem und <strong>zu</strong> neuem Eigentümer.<br />

8. Im Verhältnis zwischen dem früheren und dem neuen Eigentümer stellt Mietverhältnis Rechtsmangel dar,<br />

§ 435, mit den Rechtsfolgen nach § 437.<br />

2. TEIL. EIGENTUMSÜBERTRAGUNG<br />

Kapitel 1. Auflassung, Eintragung und Berechtigung<br />

Selbstverständlich ist es das Allerwichtigste im Sachenrecht, <strong>zu</strong> wissen, wie das Eigentum übertragen wird. Es kommt hin<strong>zu</strong>, dass die meisten<br />

Regeln der Eigentumsübertragung (Grundnorm § 873) auch für andere dingliche Rechtsgeschäfte über Grundstücke gelten. Die Übereignung<br />

setzt Auflassung, Eintragung und Berechtigung voraus. Die Auflassung als wenig problematisch kann man in der Fallbearbeitung meistens<br />

als ersten Punkt behandeln.<br />

1. Rechtsgrundlage für sämtliche Grundstücksgeschäfte<br />

- Grundlage für alle Immobiliarrechtsgeschäfte<br />

ist § 873, mit den drei Erfordernissen<br />

1. „Einigsein“ (Veräußerer und Erwerber) und<br />

2. „Eintragung“ (des Erwerbers) und<br />

3. Berechtigung (des Veräußerers).<br />

An diese drei Schlagworte müssen Sie sich immer halten.<br />

- meistens ergänzt durch spezielle Vorschriften,<br />

so für die „Übertragung des Eigentums an einem Grundstück“<br />

§ 925, mit<br />

- der Legaldefinition der „Auflassung“,<br />

- einer Formvorschrift und<br />

- dem Verbot einer „Bedingung oder einer Zeitbestimmung“.<br />

2. Umfang der Übereignung<br />

1. Zu dem Grundstück gehören ohne weiteres wesentliche Bestandteile, §§ 93 ff.<br />

2. Durch Auflassung und Eintragung können die Parteien auch Zubehör übertragen, §§ 926, 97 f.,<br />

hier<strong>zu</strong> kann der Veräußerer nach § 311 c verpflichtet sein.<br />

3. Tödlicher, regelmäßig, aber immer nur bei wenigen Bearbeitern wiederkehrender Fehler:<br />

Zu beachten, dass es bei Grundstücksübereignung<br />

- weder auf Wirksamkeit des Grundgeschäfts,<br />

- noch auf Besitzübertragung ankommt.<br />

4. Vorausset<strong>zu</strong>ngen = Prüfungsfolge = Gutachten-Aufbau für Eigentumsübertragung<br />

1. Auflassung, §§ 925, 873<br />

2. Eintragung (des Erwerbers) und<br />

3. Berechtigung (des Veräußerers).<br />

Kapitel 2. Auflassung<br />

1. Hasenheide I. A ist 75 Jahre alt, lebt in einem Altersheim, <strong>zu</strong>rückgezogen von Geschäften, hat keinerlei Kenntnis des Grundstücksmarktes,<br />

ist aber Eigentümer eines Grundstücks in der Hasenheide. Von B über den wahren Wert des Grundstücks getäuscht, verkauft<br />

er das Grundstück <strong>zu</strong>r Hälfte seines Wertes an den B. Auflassung und Eintragung sind erfolgt. Ist B Eigentümer geworden?<br />

2. Legaldefinition der Auflassung, § 925 I 1; da<strong>zu</strong> § 873.<br />

3. Dingliche Einigung ist eine andere als die mit dem Schuldvertrag herbeigeführte Einigung: Trennungsprinzip.<br />

Schwerer und leider häufiger Klausur-Fehler: ungenügende Trennung Schuldvertrag und dingliches Rechtsgeschäft.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

4. Allgemeiner Teil: Alle Grundstücksrechtsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte,<br />

man spricht hinsichtlich der Einigung auch von „dinglichem Vertrag“,<br />

1. auf die grundsätzlich die Bestimmungen des Allgemeinen Teils an<strong>zu</strong>wenden sind,<br />

sorgfältig erwägen, ob einzelne Bestimmungen die Auflassung betreffen und nicht etwa allein das Grundgeschäft.<br />

2. Daher können die Unwirksamkeitsgründe des Allgemeinen Teils<br />

auf das dingliche Übereignungsgeschäft einwirken.<br />

Besonders wichtig<br />

- mangelnde Geschäftsfähigkeit,<br />

- Wucher, § 138 II („Vermögensvorteile ... gewähren“),<br />

- Anfechtbarkeit wegen Täuschung oder <strong>Dr</strong>ohung, § 123.<br />

Vorsicht in anderen Fällen:<br />

- Sittenwidrigkeit, § 138 I, erfasst meistens nicht das grundsätzlich sittlich indifferente dingliche Geschäft,<br />

- Gesetzwidrigkeit, § 134, richtet sich ebenfalls sehr oft nur gegen den Schuldvertrag,<br />

nicht gegen das dingliche Rechtsgeschäft.<br />

Bei Anfechtung <strong>zu</strong> prüfen,<br />

1. ob der Anfechtungsgrund dem Schuldvertrag und/oder dem dinglichen Rechtsgeschäft anhaftet,<br />

(besonders schwierig in Irrtumsfällen), und da<strong>zu</strong><br />

2. ob die Anfechtungserklärung die Willenserklärung für den Schuldvertrag und/oder<br />

für das dingliche Rechtsgeschäft betrifft.<br />

3. „Falsa demonstratio non nocet“, betrifft aber nur Auflassung,<br />

anders hinsichtlich Eintragung, wegen Publizität.<br />

5. Formerfordernis der „gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile“ gemäß § 925 I 1 ist missverständlich,<br />

1. meint lediglich Gleich-"zeitigkeit“ und verbietet Antrag und Annahme <strong>zu</strong> verschiedenen Zeitpunkten,<br />

z. B. eine WE heute, die andere morgen.<br />

2. Auf die ,,Anwesenheit“ kommt es im übrigen kaum an.<br />

Nicht erforderlich persönliche Anwesenheit. Vertretung genügt.<br />

3. Die Auflassung<br />

1. als solche erfordert nach § 925 zwar keine Beglaubigung oder Beurkundung.<br />

2. Aber Beglaubigungen (§ 29 GBO) und Beurkundungen (§ 311 b I wegen § 925 a) sind nahe<strong>zu</strong> üblich.<br />

6. Auflassung ist bedingungsfeindlich, § 925 II,<br />

1. Deswegen keine Grundstücksübertragung unter Eigentumsvorbehalt;<br />

stattdessen möglich Anweisung an Notar, Eintragungsantrag erst nach Eingang des Kaufpreises <strong>zu</strong> stellen.<br />

2. Auch der Eintragungsantrag an das Grundbuchamt ist bedingungsfeindlich, § 16 1 GBO.<br />

3. Aber Vormerkung für bedingten Anspruch ist wirksam, so ausdrücklich § 883 I 2.<br />

4. Sonstige Verfügungen über Grundstücksrechte können unter Bedingung stehen,<br />

z.B. bedingte Bestellung von Grundschuld oder Hypothek.<br />

5. Der meistens schuldrechtliche Übertragungsanspruch kann unter Bedingung gestellt werden.<br />

Weitaus wichtigste Sicherungsmittel für den Veräußerer ist die Vormerkung (diese nicht bei Veräußerung beweglicher Sachen).<br />

7. Auflassungserklärung kann einseitig widerrufen werden, arg. § 873 II.<br />

V oder K kann sich also wirksam von der dinglichen Einigung lösen.<br />

Grund nach den BGB-Materialien: „dass nicht leicht und übereilt über die Rechte auf Grund und Boden verfügt wird“.<br />

Meistens darf K oder V es nicht, sondern ist schuldrechtlich gebunden, z.B. durch Kaufvertrag. Dann bedeutet<br />

Widerruf der dinglichen Einigung meistens Vertragsverlet<strong>zu</strong>ng mit schuldrechtlicher Folge der Schadenersatzpflicht.<br />

8. Aber sachenrechtliche Bindung an die Einigung,<br />

Erlöschen des Widerrufsrechts nach § 873 II,<br />

wenn (wie üblich) notarielle Beurkundung oder bei Grundbuchamt eingereicht<br />

oder Aushändigung von Eintragungsbewilligung etc.<br />

Trotz Bindung nach § 873 II bleibt Eigentümer verfügungsbefugt solange,<br />

bis der Erwerber wirklich Eigentümer geworden ist.<br />

9. Wegen § 873 II besser sprechen von „Einig-sein“, statt von „Einigung“.<br />

Manche Autoren trennen deshalb bei Aufzählung der Erfordernisse für Eigentumsübergang<br />

„Einigung“ und „Einigsein“ als zwei unterschiedliche TBM’e.<br />

10. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, dass, entsprechend dem Abstraktionsprinzip,<br />

die Wirksamkeit des obligatorischen Rechtsgeschäfts für Wirksamkeit der Übereignung irrelevant ist,<br />

arg. e silentio §§ 873, 925.<br />

Also nochmals: auch wenn Schuldvertrag aus irgendeinem Grunde unwirksam ist,<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

ist trotzdem Auflassung wirksam. Wenn die Eintragung hin<strong>zu</strong>kommt, ist der Eigentumsübergang perfekt.<br />

Keine Grundbuchberichtigung. Das Grundbuch ist richtig. Sondern Bereicherungsanspruch.<br />

Es sei denn Fehleridentität (z. B. Wucher oder fehlende Zustimmung wegen Geschäftsfähigkeit oder Betreuung).<br />

Aber Schlagwort der „Fehleridentität“ in Klausur möglichst vermeiden,<br />

sondern sorgfältig für dingliches Rechtsgeschäft unter entsprechende Bestimmungen (meistens des AT) subsumieren.<br />

Selten gibt es ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Unwirksamkeit beider Rechtsgeschäfte<br />

(z. B. fehlende Zustimmung des Ehegatten).<br />

11. Auflassungsempfänger hat u. U. Anwartschaft oder sogar Anwartschaftsrecht (da<strong>zu</strong> s. u.).<br />

12. Übertragung von Anwartschaft oder Anwartschaftsrecht nach §§ 873, 925, aber ohne Eintragung in Grundbuch.<br />

13. Konsequenzen eines Fehlers bei der Auflassung<br />

1. Auflassung und damit Übereignung ist unwirksam.<br />

Die Grundbuch-Eintragung allein nützt nichts.<br />

2. (Erst-)-Erwerber hat kein Eigentum erworben.<br />

Kein Schutz des guten Glaubens des (Erst-)-Erwerbers.<br />

3. Bisheriger Eigentümer hat Eigentum behalten.<br />

4. Wenn Erwerber ohne wirksame Auflassung eingetragen ist, ist<br />

1. Grundbuch unrichtig, deswegen<br />

2. Widerspruch durch Eigentümer, § 899, und<br />

3. Berichtigungsanspruch, § 894.<br />

14. Entscheidung falsa demonstratio non nocet (Düsseldorf, NJW-RR 2000, 1006).<br />

Kapitel 3. Eintragung, Grundbuch<br />

Wie kommt nun der Erwerber in das Grundbuch und was soll man sich unter dem „formellen Grundbuchrecht“ vorstellen? Da<strong>zu</strong> ein paar Basis-Bemerkungen<br />

im folgenden. Die Regeln für sich sind kaum Prüfungsgegenstand. Sie sind aber wissenswert, weil sich aus dem formellen<br />

Recht <strong>zu</strong>m Teil die Bestimmungen des BGB erklären und weil teilweise aus diesen Regeln ein Anwartschaftsrecht konstruiert werden kann.<br />

1. Froschgelände. V hat dem K das Grundstück „Froschgelände“ verkauft und aufgelassen. Dann haben sich beide auf das Grundstück<br />

begeben und V hat dem K erklärt: „Hier stehen wir an dem Teich, der unser schönes ‚Froschgelände’ ausmacht, das ist nun Ihrer“. K<br />

antwortet: „Ja danke, das nehme ich hiermit in Besitz“. – Ist damit das Eigentum an dem „Froschgelände“ von V an K übergegangen?<br />

(Häufiger, aber vereinzelter Fehler)<br />

2. Für sämtliche Verfügungen über ein Grundstück oder ein Grundstücksrecht, in § 873 I aufgeführt,<br />

ist „die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich“.<br />

3. Grundbuch<br />

- Beim Amtsgericht geführt, § 1 GBO.<br />

- Rechtsgrundlagen vor allem<br />

1. Grundbuchordnung (GBO)<br />

2. Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG).<br />

- Im Wesentlichen gleich: das Wohnungsgrundbuch für Eigentumswohnungen.<br />

4. Grundbuch besteht aus: Aufschrift, Bestandverzeichnis,<br />

und vor allem drei Abteilungen<br />

- Abteilung I. Eigentümer und Grundlage der Eigentumsänderung,<br />

- Abteilung II. Lasten und Beschränkungen, z.B.<br />

Grunddienstbarkeiten,<br />

Vormerkungen und Widersprüche (bezüglich Eigentum),<br />

Beschlagnahme durch Insolvenzeröffnung oder<br />

Veräußerungs- oder Erwerbsverbote auf Grund einstweiliger Verfügung,<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

12


Grundstücksrecht<br />

- Abteilung III. Hypotheken, Grund- und Rentenschulden.<br />

5. Eintragungsverfahren, wichtige Normen: §§ 13, 17, 19, 20, 29, 45 GBO:<br />

1. Antrag, § 13 GBO<br />

2. Bewilligung und Auflassung, §§ 19 + 20 GBO<br />

3. Voreintragung, § 39 I GBO<br />

4. Form, § 29 GBO<br />

5. Tempus, §§ 17, 45 GBO.<br />

Wenn es geht, prägen Sie sich diese 5 Erfordernisse ein.<br />

6. Antragsprinzip, § 13 I 1 GBO,<br />

1. Antragsberechtigt sind sowohl der Erwerber wie der Verfügende.<br />

2. Antrag kann von dem Antragsteller bis <strong>zu</strong>r Vollendung der Eintragung <strong>zu</strong>rückgenommen werden.<br />

Deswegen ist die Rechtslage des Auflassungsempfängers, d. h. des Erwerbers,<br />

nur gesichert, wenn er selbst den Antrag gestellt hat.<br />

7. Bewilligungsgrundsatz, § 19 GBO, „formelles Konsensprinzip“,<br />

1. Zur Bewilligung der Eintragung ist nur der in seinem Recht Betroffene berechtigt;<br />

wer als der Betroffene an<strong>zu</strong>sehen ist, ergibt sich aus § 39 GBO, nämlich der im Grundbuch Eingetragene.<br />

Deswegen z. B. § 888 und § 894, 895.<br />

2. Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO ist <strong>zu</strong> unterscheiden von Willenserklärung nach § 873 BGB.<br />

8. Bei Übereignung Nachweis der Auflassung, § 20 GBO, erforderlich,<br />

„materielles Konsensprinzip“, <strong>zu</strong>sätzlich neben der Bewilligung (str.).<br />

9. Voreintragung, § 39 GBO<br />

1. Eine Eintragung soll nur erfolgen, wenn der Betroffene <strong>zu</strong>vor eingetragen ist.<br />

Dadurch erspart man Prüfung, ob der Verfügende wirklich der materiell-rechtlich Berechtigte ist.<br />

Ist der Berechtigte, der Verfügung vornehmen will, noch nicht eingetragen, muss <strong>zu</strong>erst Grundbuch geändert werden.<br />

Ergebnis: Lückenlose Chronologie der Berechtigungen.<br />

2. Ausnahmen: Verfügung durch<br />

- Erben des Eingetragenen, § 40 1 GBO,<br />

- Gläubiger einer Brief-Hypothek, -Grund- oder -Rentenschuld, § 39 II GBO.<br />

10. Formerfordernis, § 29 GBO: Öffentliche Beurkundung oder öffentliche Beglaubigung,<br />

§§ 128, 129 BGB, Beurkundungsgesetz.<br />

1. Das gilt nach h. M. auch für Nachweis der Auflassung i. S. §§ 873 I, 925,<br />

str. hinsichtlich Vollmacht.<br />

2. Aber Antrag gemäß § 13 GBO formfrei, § 30 GBO.<br />

11. Tempus-Prinzip, §§ 17, 45 GBO; s. deswegen § 13 II GBO.<br />

Erledigung in der Reihenfolge der Eingänge der Anträge, Prioritätsprinzip.<br />

1. für die Reihenfolge der Eintragungen, §§ 17 und 45 GBO<br />

2. und damit für Rang der Rechte, § 879 BGB.<br />

Vorsicht:<br />

1. Bloß formelles Recht, berührt nicht die materielle Rechtslage.<br />

2. Verlet<strong>zu</strong>ng kann <strong>zu</strong> Amtshaftungsanspruch führen, § 839 BGB, Art. 34 GG.<br />

3. Wirkt nicht mehr, wenn der frühere Antrag <strong>zu</strong>rückgewiesen wird, § 18 I 1 Fall 1 GBO.<br />

12. Die Buchung = das Eintragungsverfahren<br />

Wenn Eintragungsantrag eingegangen ist, hat Grundbuchamt nur drei Möglichkeiten<br />

1. Entweder Eintragung, oder<br />

2. Ablehnung, § 18 I 1 Alt. 1 GBO, oder<br />

3. Zwischenverfügung, d. h. Grundbuchamt kann statt der Ablehnung<br />

dem Antragsteller die Beseitigung des Mangels seines Antrags oder<br />

seiner Unterlagen innerhalb bestimmter Frist aufgeben, § 18 I 1 Alt. 2 GBO.<br />

13. Rechtsmittel gegen Ablehnung oder Zwischenverfügung<br />

22. August 2011<br />

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Erinnerung bzw. Beschwerde, § 71 GBO.<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

14. Divergenz zwischen Einigung und Eintragung<br />

verhindert im allgemeinen Wirksamkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts.<br />

15. Konsequenzen eines Fehlers bei der Eintragung<br />

1. Wenn keine Eintragung – dann keine Verfügung.<br />

2. Aber die Verlet<strong>zu</strong>ng oder Beachtung der GBO<br />

und des sonstigen Verfahrensrechts<br />

hat keine Auswirkung auf das materielle Recht.<br />

Das bedeutet:<br />

1. Wenn GBO oder sonstiges Verfahrensrecht verletzt ist<br />

(z. B. Verlet<strong>zu</strong>ng des Tempus-Prinzips),<br />

aber Eintragung erfolgt und außerdem Auflassung fehlerfrei,<br />

dann tritt Rechtsänderung ein.<br />

Allenfalls kommen Schadenersatzansprüche gegen das Land in Betracht, § 839 BGB, Art. 34 GG.<br />

2. Umgekehrt: sind GBO und sonstiges Verfahrensrecht eingehalten<br />

(also Antrag, Bewilligung etc.),<br />

und ist Eintragung erfolgt,<br />

fehlt es aber an Vorausset<strong>zu</strong>ngen des materiellen Rechts<br />

(z. B. keine wirksame Auflassung),<br />

dann keine Rechtsänderung, sondern Unrichtigkeit des Grundbuchs.<br />

Kapitel 4. Berechtigung<br />

Die Übereignung setzt Auflassung, Eintragung und Berechtigung voraus. Vor allem die letztere ist „klausurträchtig“, weil eine Partei in ihrer<br />

Verfügungsbefugnis beschränkt sein oder weil statt ihrer ein anderer handeln kann:<br />

1. Reihenhaus (mit Varianten gängiger Klausurfall). M und F sind miteinander verheiratet und haben eine gemeinsame, jetzt volljährige<br />

Tochter T. Das einzige Vermögensstück des M ist das Grundstück, auf dem sein Reihenhaus steht. M und T schließen <strong>zu</strong>r Vorwegnahme<br />

der Erbfolge formgerechten Schenkungsvertrag über das Grundstück ab. Auflassung und Eintragung <strong>zu</strong> Gunsten der T erfolgen.<br />

Nun erfährt die Ehefrau F von dem Vorgang. Kann F Grundbuchberichtigung <strong>zu</strong> Gunsten des M verlangen?<br />

2. Veräußerer muss Eigentümer und/oder verfügungsbefugt sein, § 873 I.<br />

Berechtigt i. S. § 873 I ist, wer hinsichtlich des Rechts verfügungsbefugt ist,<br />

also in der Regel Rechtsinhaber oder der mit seiner Einwilligung Handelnde.<br />

Aber Gutglaubensschutz hinsichtlich Eigentums und mancher anderer Fälle.<br />

3. Auch bei dinglichen Rechtsgeschäften mit minderjährigen, verheirateten oder betreuten Personen sind die betreffenden Bestimmungen<br />

des Allgemeinen Teils (namentlich §§ 104 ff.) und des Familienrechts (namentlich §§ 1363 ff., 1643, 1821 ff., 1908 i), insbesondere<br />

<strong>zu</strong>m Zustimmungserfordernis des Familiengerichts, <strong>zu</strong> beachten..<br />

4. Bei Zugewinngemeinschaft (klausurverdächtig), auch bei Lebenspartnerschaft,<br />

Vorsicht: schwierige Gesetzesformulierung in § 1365 I Sätze 2 und 1.<br />

1. Erfordernis der Zustimmung des anderen Ehegatten <strong>zu</strong> Verfügung<br />

über das Vermögen im Ganzen;<br />

formlos genügt zwar nach § 182 II, falls nicht unwiderruflich, aber gegenüber Grundbuchamt Beglaubigung, § 29 GBO.<br />

Zustimmung <strong>zu</strong>r Verpflichtung genügt auch für Verfügung, § 1363 I, 1365 I 2.<br />

Solange Zustimmung fehlt, ist Verfügung schwebend unwirksam.<br />

Genehmigung ist möglich, § 1366 (aber nicht bei einseitigen Rechtsgeschäften, § 1367).<br />

2. „Vermögen im Ganzen“<br />

1. „Einzeltheorie“ (h. M.) hält Verfügung über 1 besonderen Gegenstand<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

14


Grundstücksrecht<br />

für unwirksam,<br />

wenn dieser wertmäßig das ganze oder nahe<strong>zu</strong> ganze Vermögen ausmacht,<br />

unter Ab<strong>zu</strong>g der Belastungen, z. B. Hypotheken; aber Wert der Gegenleistung bleibt außer Betracht.<br />

Das kann gerade auch ein Grundstück sein,<br />

bei kleineren Vermögen über 85 % oder mehr,<br />

bei größeren, ab etwa 250 000,- Euro, über 90 % oder mehr.<br />

2. Damit verbunden „subjektive“ Theorie (h. M.):<br />

Vertragspartner muss positiv wissen oder Umstände kennen,<br />

dass es sich um das ganze oder nahe<strong>zu</strong> ganze Vermögen handelt.<br />

3. Unerheblich hingegen Kenntnis über Ehe und Zugewinngemeinschaft,<br />

in diesem Sinne gilt, dass sich Vertragspartner nicht auf seinen guten Glauben berufen kann.<br />

4. Rechtsfolge bei fehlender Zustimmung des anderen Ehegatten<br />

1. Übereignung ist unwirksam,<br />

1. Hauptfolge meistens Grundbuchberichtigungsanspruch, § 894,<br />

2. da<strong>zu</strong> Widerspruch, § 899,<br />

3. evtl. Bereicherungsanspruch, § 812,<br />

4. gegebenenfalls Herausgabeanspruch, § 985.<br />

2. Unwirksamkeit kann geltend gemacht werden<br />

- durch vertragschließenden Ehegatten, ohne Schadenersatzpflicht<br />

(ausnahmsweise Schadenersatzpflicht bei Versicherung wider besseres Wissen, §§ 823, 826),<br />

- oder durch <strong>zu</strong>stimmungsberechtigten Ehegatte, § 1368, insbes. § 894,<br />

obwohl dieser nicht Vertrag abgeschlossen hat und nicht Eigentümer ist,<br />

und zwar auch nach der Scheidung. Fall der Prozessstandschaft.<br />

3. Im allgemeinen <strong>zu</strong> Gunsten des vertragschließenden Ehegatten,<br />

insbesondere wird dieser infolge Grundbuchberichtigung wieder eingetragen.<br />

4. Kein Zurückbehaltungsrecht des Vertragspartners.<br />

5. Klausurfall: S. Edenfeld, „Die übertragene Apotheke“, JA-Übungsblätter 1996, Heft 2, S. 122.<br />

5. Vollmacht <strong>zu</strong>r Übereignung, sogenannte „Auflassungsvollmacht“<br />

1. Kein Formerfordernis für die Vollmacht <strong>zu</strong>r Auflassung selbst, § 167 II,<br />

falls nicht unwiderruflich; aber für Eintragungsantrag Beglaubigung erforderlich, § 29 GBO.<br />

2. Sorgfältig Umfang der jeweiligen Vollmacht prüfen ,<br />

ob sie wirklich das beabsichtigte Grundstücksgeschäft deckt.<br />

Auf Vollmachtsmissbrauch achten.<br />

Gilt z. B. auch für Erlaubnis <strong>zu</strong>m Selbstkontrahieren, § 181.<br />

Prüfung der Vollmacht für Grundgeschäft und für Übereignung trennen.<br />

3. Sogar ohne Vertretungsmacht wirksam, § 177 ff.,<br />

muss aber natürlich nachgeliefert werden, §§ 177 ff.<br />

4. Klausurfall: H.-G. Gersch, „Grundstückseigentümer auf Reisen“, JA-Übungsblätter 4/89, Heft 4, S. 55.<br />

6. Auflassung auch wirksam durch<br />

Ermächtigten (im eigenen Namen), §§ 185, 182 ff.,<br />

insoweit auch formfrei, falls nicht unwiderruflich, § 182 II, aber § 29 GBO,<br />

Beispiele: Ermächtigung des Veräußerers an Käufer, noch vor Eintragung des Käufers über Grundstück <strong>zu</strong> verfügen,<br />

der Zweiterwerber wird dann als Rechtsnachfolger des eingetragenen Erstveräußerers<br />

(und nicht etwa als Nachfolger des gar nicht eingetragenen Erstkäufers) eingetragen;<br />

oder Grundstück mit Hypothek oder Grundschuld zwecks Kaufpreisfinanzierung <strong>zu</strong> belasten.<br />

7. Maßgebender Zeitpunkt für Berechtigung<br />

1. ist zwar geplante Vollendung des Rechtserwerbs,<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

meistens Eintragung.<br />

Zu diesem Zeitpunkt muss also Verfügender eigentlich<br />

noch berechtigt sein.<br />

2. Gilt auch für Ermächtigung und Vertretung.<br />

3. Aber nachträgliche Verfügungsbeschränkung ist unschädlich<br />

nach Vorausset<strong>zu</strong>ngen § 878,<br />

nämlich: § 873 II + Antrag (§§ 13 + 29 GBO).<br />

Seeschlösschen. Eigentümer E verkauft sein Seeschlösschen an Käufer K. Auflassung erfolgt. Alle erforderlichen Genehmigungen<br />

gehen ein. Im Auftrag von E und K stellt Notar am 1. März bei Grundbuchamt Eintragungsantrag. Am 10. März wird über<br />

das Vermögen des E das Insolvenzverfahren eröffnet. Muss das Grundbuchamt den K als Eigentümer eintragen, wird K wirksam<br />

Eigentümer?<br />

Nach §§ 80 I, 35 InsO verliert E als der „Schuldner“ die Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse. Ein Rechtserwerb aus<br />

der Insolvenzmasse ist gegenüber den Gläubigern unwirksam, § 91 I InsO.<br />

Aber nach § 91 II InsO bleibt § 878 BGB von dieser Regelung unberührt. Die Auflassungserklärung sowie die sonstigen Erklärungen<br />

des E bleiben also wirksam. K muss als Eigentümer eingetragen werden und wird voll wirksamer Eigentümer.<br />

Das Gleiche gilt analog für Eintragung und sodann für Wirkung einer Vormerkung.<br />

8. Konsequenzen eines Fehlers bei der Berechtigung<br />

Dieselbe Wirkungen wie bei Fehlern in der Auflassung.<br />

9. Entscheidung: Schenkung von Wohnungseigentum mit Eintritt in Verwaltervertrag (Hamm NJW-RR 2000, 1611; s. jedoch BGHZ<br />

78, 28 = NJW 1981, 109).<br />

Kapitel 5. Gutgläubiger Erwerb des Eigentums<br />

Wie bei beweglichen Sachen, so gibt es auch bei Grundstücken den gutgläubigen Erwerb. Grundlage für den <strong>zu</strong> schützenden guten Glauben<br />

ist aber hier nicht der Besitz, sondern das Grundbuch. Der gewichtigste Unterschied ist jedoch, dass im Grundstücksrecht erst die positive<br />

Kenntnis schadet, dass die sogar grobfahrlässige Unkenntnis des Erwerbers hingegen diesem nicht nachteilig ist. Was in diesem Teil für den<br />

Eigentumserwerb beschrieben wird, gilt dann auch für den gutgläubigen Erwerb der Vormerkung (soweit dieser anerkannt wird), der Hypothek<br />

und sonstiger Grundstücksrechte.<br />

1. Hasenheide II. A ist 75 Jahre alt, lebt in einem Altersheim, <strong>zu</strong>rückgezogen von Geschäften, hat keinerlei Kenntnis des Grundstücksmarktes,<br />

ist aber Eigentümer eines Grundstücks in der Hasenheide. Von B über den wahren Wert des Grundstücks getäuscht, verkauft<br />

er das Grundstück <strong>zu</strong>r Hälfte seines Wertes an den B. Auflassung und Eintragung sind erfolgt.<br />

B verkauft das Grundstück <strong>zu</strong> seinem wirklichen Wert an C, Auflassung und Eintragung erfolgen. C weiß nichts von dem Wuchervertrag<br />

zwischen A und B. Ist C Eigentümer geworden?<br />

2. Das Grundbuch ist unrichtig, wenn die Eintragung im Grundbuch<br />

mit der wirklichen Rechtslage nicht übereinstimmt.<br />

3. Wichtiger Fachausdruck: „der Buchberechtigte”,<br />

nämlich derjenige, der zwar im Grundbuch als Berechtigter eingetragen ist,<br />

in Wirklichkeit aber gerade nicht der Berechtigte ist,<br />

also der „nur” nach dem Grundbuch Berechtigte = der nur scheinbar Berechtigte.<br />

Ihm gegenüber steht der wirklich oder wahre Berechtigte,<br />

dessen Recht gerade nicht oder nicht richtig im Grundbuch eingetragen ist.<br />

4. Vielfältige mögliche Ursachen für die Unrichtigkeit des Grundbuchs z. B<br />

- Unrichtigkeiten bei der Auflassung mit der Folge der Nichtigkeit der Verfügung,<br />

Louisenplatz I. A hat sein Grundstück Louisenplatz an B verkauft. Auflassung und Eintragung <strong>zu</strong> Gunsten des B sind ordnungsgemäß<br />

erfolgt. Also <strong>zu</strong>nächst Eigentum des B, §§ 873 und 925. Aber jetzt ficht A <strong>zu</strong> recht die Auflassung (!) wegen arglistiger<br />

Täuschung an. Damit Nichtigkeit des dinglichen Rechtsgeschäfts, §§ 123 I, 142 I, 873.<br />

Also ist B ex tunc nicht Eigentümer, A ist Eigentümer geblieben.<br />

B ist nicht Eigentümer, obwohl im Grundbuch eingetragen, das Grundbuch ist unrichtig.<br />

- Fehlende Zustimmung, z. B.<br />

Vollmachtgeber, Ermächtigender, gesetzl. Vertreter, Ehegatte, Familiengericht<br />

(keine Heilung durch Erfüllung, kein gutgläubiger Ersterwerb).<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

16


Grundstücksrecht<br />

- Fehler in Verbindung mit Todesfall, z. B.<br />

scheinbarer gesetzlicher Erbe wird eingetragen, dann wird Testament gefunden, dem<strong>zu</strong>folge ein anderer Erbe ist.<br />

- Fehler bei Eintragung,<br />

z. B. versehentlich auf falsches Grundbuchblatt, z. B. statt Erbengemeinschaft eine Bruchteilsgemeinschaft.<br />

5. Grundbuch ist unrichtig, wenn<br />

- bestehendes Recht gar nicht eingetragen oder <strong>zu</strong> Unrecht gelöscht ist,<br />

- oder falsch eingetragen ist oder<br />

- wenn nicht bestehendes Recht <strong>zu</strong> Unrecht eingetragen ist.<br />

6. Vorsicht: selbstverständlich ist das Grundbuch richtig,<br />

wenn eine wirksame Verfügung erfolgt, aber das Grundgeschäft unwirksam ist<br />

etwa wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung nur bezüglich Grundgeschäft<br />

(Folge: nicht §§ 892 ff.; sondern §§ 812 ff., 925, 873 etc.).<br />

7. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 892 f.<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen = Prüfungsfolge = Gutachten-Aufbau<br />

Alle Vorausset<strong>zu</strong>ngen für Rechtserwerb eines Grundstücksrechts gemäß § 873, nämlich<br />

1. vollwirksame Auflassung, insbes. Einigsein des Verfügenden mit dem Erwerber,<br />

2. Eintragung des Erwerbers.<br />

3. Aber Berechtigung des Verfügenden fehlt.<br />

4. Stattdessen ist Verfügender im Grundbuch eingetragen, §§ 892 f.<br />

5. Dem Erwerber ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht bekannt,<br />

und zwar im richtigen Zeitpunkt.<br />

6. Ein Widerspruch gegen die Richtigkeit<br />

oder eine Berichtigung des Grundbuchs<br />

ist nicht oder nicht rechtzeitig eingetragen.<br />

8. Infolgedessen kann Prüfungsansatz in einer Klausur lauten: „Obwohl, wie festgestellt, A nicht Eigentümer des Grundstücks war und<br />

seine Verfügung infolgedessen unwirksam ist, hat dennoch B gemäß § 892 das Eigentum an dem Grundstück erworben, wenn ihm die<br />

Unrichtigkeit der Grundbucheintragung nicht bekannt war, ein Widerspruch nicht eingetragen war und der gutgläubige Erwerb auch<br />

aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen war“.<br />

9. „Kenntnis“ des Erwerbers, also fehlt „guter Glaube“, § 892 I am Ende.<br />

Es schadet nicht: Grobfahrlässige Unkenntnis, im Unterschied <strong>zu</strong> beweglichen Sachen.<br />

Keine Nachforschungspflicht des Erwerbers bei Verdacht auf Unrichtigkeit.<br />

Kenntnis der Tatsachen, aus denen sich Unrichtigkeit des Grundbuchs ergibt,<br />

schadet grundsätzlich nicht;<br />

schadet nur, wenn der (scheinbare) Erwerber aus diesen Tatsachen<br />

den Schluss auf die Unrichtigkeit wirklich gezogen hat.<br />

Nicht erforderlich, dass Erwerber Grundbuch wirklich eingesehen und darauf vertraut hat.<br />

Vorsicht: Aber gutgläubiger Erwerb scheitert, wenn Erwerber keine Kenntnis der Grundbucheintragung hat,<br />

wenn aber im entscheidenden Zeitpunkt Grundbuch richtig ist, oder berichtigt wurde oder Widerspruch enthält.<br />

10. Guter Glaube hilft nur über fehlende Berechtigung hinweg, nützt nichts, wenn z. B. Rechtsgeschäft im übrigen fehlerhaft ist;<br />

aber Sondervorschriften <strong>zu</strong> beachten, z. B. § 142 II; §§ 2113 III, § 2211 II, 2366.<br />

11. Widerspruch oder Berichtigung schaden dem Gutgläubigen, verhindern seinen gutgläubigen Erwerb,<br />

1. selbst wenn Gutgläubiger sie nicht kennt,<br />

2. selbst wenn diese nach Einigung und Antrag eingetragen sind.<br />

12. Zeitpunkte <strong>zu</strong> differenzieren hinsichtlich Eintragung und guten Glaubens:<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

1. Wenn Eintragung<br />

1. der Berichtigung oder<br />

2. des Widerspruchs des wirklich Berechtigten<br />

vor der Eintragung des Gutgläubigen erfolgt ist, § 892 I 1 Alt. 1,<br />

dann ist gutgläubiger Erwerb nicht mehr möglich<br />

(auch ohne Kenntnis des Erwerbers, also selbst wenn der gute Glauben fortbesteht),<br />

arg. e contrario § 878 und § 892 II.<br />

Cäcilienplätzchen. B ist als Buchberechtigter einer Villa am Cäcilienplätzchen eingetragen, wirklicher Eigentümer ist E. B<br />

verkauft an gutgläubigen K und erklärt Auflassung. Am 10. 6. beantragt E in <strong>zu</strong>lässiger Weise Eintragung eines Widerspruchs<br />

gegen Eintragung des B. Am 12. 7. stellt K Antrag auf Eintragung als neuer Eigentümer. Am 13. 8. wird der beantragte Widerspruch<br />

des E eingetragen. Am 15. 9. wird antragsgemäß K als neuer Eigentümer eingetragen. Kein Eigentumserwerb des K.<br />

2. Guter Glaube muss noch vorhanden sein<br />

bei dem zweiten, erforderlichen Akt des Erwerbers, § 892 II, also bei<br />

1. Antragstellung, wenn vorher (wie üblich) Einigung i. S. § 873 erfolgt ist,<br />

2. und noch bei Einigung, wenn (seltener) Antrag schon vorher.<br />

Aber danach eintretende Kenntnis schadet nicht.<br />

Friedchenrondeel. B ist als Buchberechtigter eines Hauses am Friedchenrondeel eingetragen, wirklicher Eigentümer ist E. B<br />

verkauft an gutgläubigen K und erklärt Auflassung. Am 4. 4. stellt K beim Grundbuch Eintragungsantrag. Am 5. 5. erfährt K<br />

von E, dass E wirklicher Eigentümer ist. Am 6. 6. wird K als neuer Eigentümer eingetragen. Eigentumserwerb des K ist wirksam.<br />

13. Ausschluss gutgläubigen Erwerbs, wenn<br />

1. Grundbucheintragung guten Glauben nicht genügend stützt,<br />

2. kein schutzwürdiges Rechtsgeschäft,<br />

3. Kenntnis des Erwerbers,<br />

4. Widerspruch.<br />

14. Grundbucheintragung stützt guten Glauben nicht genügend, insbes.:<br />

1. Tatsächliche Angaben genießen keinen guten Glauben,<br />

insbes. ,,Wirtschaftsart und Lage“ im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs.<br />

2. Nicht eintragungsfähige Umstände, vor allem persönliche Verhältnisse,<br />

z.B. Geschäftsfähigkeit, Güterstand, Rechtsfähigkeit eines Vereins.<br />

3. Wenn Grundbuch in sich widersprüchlich ist.<br />

Hauptbeispiel Miterben. Grundstückseigentümer E ist gestorben, wird beerbt von Kindern A und B. Richtige Eintragung muss<br />

lauten: ,,A und B als Miterben (oder: in ungeteilter Erbengemeinschaft)“. Fälschlicherweise wird aber hier eingetragen: ,,A und<br />

B als Miteigentümer je <strong>zu</strong>r Hälfte, eingetragen auf Grund Erbscheins.“ Hier ist Grundbuch in sich widersprüchlich, denn Miterben<br />

bilden Gesamthandsgemeinschaft und können nicht Miteigentümer i. e. S. sein.<br />

Jetzt bestellt A an seinem angeblichen Miteigentumsanteil gemäß §§ 747 S.1, 1114 eine Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten des H. H glaubt<br />

<strong>zu</strong> Unrecht, A sei Miteigentümer.<br />

Kein Schutz des guten Glaubens des H. H hat trotz Eintragung und gutem Glauben keine Hypothek erworben, das Grundbuch<br />

ist unrichtig.<br />

Folge: guter Glaube des scheinbaren Erwerbers wird nicht geschützt, er wird nicht Eigentümer,<br />

seine Eintragung macht Grundbuch unrichtig.<br />

15. Kein schutzwürdiges Rechtsgeschäft zwischen Buchberechtigtem und Erwerber,<br />

1. z. B. Fehlen des Rechtsgeschäfts, weil Erwerb kraft Gesetzes,<br />

z.B. Erbschaft.<br />

Zeppelinweg. A ist eingetragen als Eigentümer eines Grundstücks im Zeppelinweg, in Wirklichkeit ist X der Eigentümer. A<br />

stirbt und wird beerbt von B. Kein gutgläubiger Eigentumserwerb des B. Aber dann gutgläubiger Zweiterwerb des C von B.<br />

2. Erwerb kraft Staatsaktes, insbes. Zwangsvollstreckung. Spezialregeln im Zwangsversteigerungsgesetz.<br />

3. Fehlen eines Verkehrsgeschäfts, wenn faktisch auf Veräußerseite und Erwerberseite dieselben Personen stehen,<br />

z. B. Übertragung von Erbengemeinschaft auf personengleiche Gemeinschaft von Miteigentümern.<br />

4. Schuldvertrag<br />

Hotel Kiekut. Der <strong>zu</strong> Unrecht als Eigentümer des Hotels Kiekut Eingetragene buchberechtigte B verpachtet Hotelgrundstück<br />

Kiekut an gutgläubigen P.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

Pachtvertrag zwar zwischen B und P wirksam, aber nicht zwischen wirklichem Eigentümer E und P. E kann Grundstück von P<br />

herausverlangen (umgekehrt schützt Vormerkung den Vormerkungsberechtigten nicht gegen Schuldverträge oder Besitzübertragungen<br />

durch den Vormerkungsbelasteten, str.).<br />

16. Gerade im Immobiliarrecht können andere Gutglaubensvorschriften hin<strong>zu</strong>kommen,<br />

insbesondere<br />

- § 142 II Kenntnis der Anfechtbarkeit = Kenntnis der Nichtigkeit<br />

wegen § 142 II kann für den Veräußerer die Anfechtung (wegen Irrtums, Täuschung, <strong>Dr</strong>ohung) einer von Anfang an unwirksamen<br />

Auflassung (z. B. wegen fehlender Geschäftsfähigkeit) nützlich sein,<br />

- § 2113 III Vorerbe, § 2211 II Testamentsvollstreckung, § 2366 Erbschein.<br />

17. Natürlich wäre im Grundstücksrecht die Anwendung des § 932 ein tödlicher Fehler.<br />

18. Wenn gutgläubiger Erwerb, dann<br />

1. Ausgleich zwischen dem ,,enteigneten“ Berechtigten<br />

und dem verfügenden Nichtberechtigten, insbesondere auf Grund<br />

1. Vertrag<br />

2. § 816<br />

3. Geschäftsführung ohne Auftrag oder Geschäftsanmaßung<br />

4. Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, §§ 987 ff., entsprechend,<br />

Bucheigentümer gleicht dem unrechtmäßigen Besitzer und schuldet<br />

1. Beseitigung der Belastung, §§ 990, 989, 249 I, und<br />

2. Schadenersatz, §§ 990, 989, falls weitere Vorausset<strong>zu</strong>ngen gegeben sind.<br />

5. Eigentumsverlet<strong>zu</strong>ng, § 823 I.<br />

2. Selten erfolgreich Ansprüche des ,,enteigneten“ Berechtigten<br />

gegen gutgläubigen Erwerber.<br />

1. Kaum je Vertrag.<br />

2. Bei Unentgeltlichkeit § 816 1 2.<br />

3. Selten unerlaubte Handlung. Fahrlässigkeit des Erwerbers ist unschädlich,<br />

weil § 892 trotz Fahrlässigkeit schützt.<br />

Kapitel 6. Grundbuchberichtigungsanspruch und ähnliche Ansprüche<br />

Wie Sie gesehen haben, kann ein Grundbuch aus vielerlei Gründen unrichtig sein. Das hat <strong>zu</strong>r Folge, dass der Berechtigte nicht über sein<br />

Recht verfügen kann, weil er nicht richtig eingetragen ist. Vor allem kann ein <strong>Dr</strong>itter, der gutgläubig ist, von dem sogenannten Buchberechtigten,<br />

der im Grundbuch <strong>zu</strong> Unrecht eingetragen ist, ein Recht an diesem Grundstück erwerben. Das bedeutet die dringende Gefahr für den<br />

wirklich Berechtigten, dass er ohne seinen Willen sein Grundstücksrecht oder sogar sein Eigentum verliert. Wie begegnet er dieser Gefahr?<br />

Endgültig durch Berichtigung des Grundbuchs, provisorisch durch Eintragung eines Widerspruchs.<br />

1. Louisenplatz II. A hat sein Grundstück Louisenplatz an B verkauft. Auflassung und Eintragung <strong>zu</strong> Gunsten des B sind ordnungsgemäß<br />

erfolgt. Aber jetzt ficht A <strong>zu</strong> recht die Auflassung wegen arglistiger Täuschung an.<br />

Infolgedessen Nichtigkeit und zwar der Auflassung und damit der Eigentumsübertragung, §§ 123 I, 142 I, 873. Also ist B ex tunc<br />

nicht Eigentümer, obwohl im Grundbuch eingetragen, B ist lediglich Buchberechtigter. A ist Eigentümer geblieben, obwohl im<br />

Grundbuch nicht mehr eingetragen. Das Grundbuch ist unrichtig.<br />

Wie bekommt A sein Eigentum <strong>zu</strong>rück? Falsche Frage, denn A ist ja Eigentümer geblieben.<br />

Jetzt praktische Notwendigkeit und rechtliche Begründetheit für Grundbuchberichtigung gemäß § 894.<br />

A kann nicht etwa „allein“ vom Grundbuchamt Änderung der Eintragung begehren. Denn es bleibt bei den 5 Erfordernissen für<br />

Grundbucheintragung, nämlich: (1) Antrag, § 13 GBO; (2) Bewilligung, § 19 GBO; (3) Voreintragung, § 39 I GBO; (4) Form, § 29<br />

GBO; und (5) Tempus, §§ 17, 45 GBO.<br />

2. Mögliche Ansprüche des wirklich Berechtigten gegen den bloß Buchberechtigten<br />

1. die typisch grundstücksrechtlichen Ansprüche<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

1. Grundbuchberichtigungsanspruch, § 894,<br />

2. Widerspruch, § 899,<br />

2. andere, allgemeine Ansprüche auf Änderung des Grundbuchs<br />

1. vertragliche Ansprüche je nach Verhältnis der Parteien <strong>zu</strong> einander,<br />

2. Bereicherungsanspruch, § 812,<br />

3. Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, §§ 987 ff., analog,<br />

4. Schadenersatz, §§ 823, 249,<br />

3. Ansprüche auf Besitzherausgabe, insbes. §§ 985 f.<br />

3. Am wichtigsten § 894.<br />

4. Beteiligte<br />

1. Der wirklich Berechtigte (dinglich Berechtigte, nicht eingetragene Berechtigte),<br />

2. der (<strong>zu</strong> Unrecht) Eingetragene, der Buchberechtigte.<br />

5. Wenn der Buchberechtigte nicht die gem. § 19 GBO erforderliche Bewilligung<br />

für die Eintragung des wirklich Berechtigten geben will,<br />

kommt es auf Berichtigungsanspruch, § 894, an.<br />

6. Vier Anspruchsvorausset<strong>zu</strong>ngen für Berichtigungsanspruch, § 894,<br />

einfach subsumieren, nicht auswendig lernen:<br />

1. Eintragung in Grundbuch,<br />

2. Eintragung und wirkliche Rechtslage "nicht im Einklang",<br />

3. Anspruchs-berechtigt ist nur der wirkliche Inhaber desjenigen Rechts,<br />

das durch die unrichtige Eintragung beeinträchtigt ist.<br />

4. Anspruchs-gegner ist der Buchberechtigte, also derjenige,<br />

der <strong>zu</strong> Unrecht im Grundbuch eingetragen ist,<br />

der aber durch die beantragte Grundbuchberichtigung formell benachteiligt wird,<br />

dessen Bewilligung deswegen gemäß § 19 GBO erforderlich ist.<br />

7. Einrede des Berichtigungsverpflichteten,<br />

z. B. dolo petit, falls Eintragung zwar unwirksam, falls aber Anspruchsgegner Anspruch auf jetzige Eintragung hat,<br />

z. B. Bucheigentümer hat gegen wirklich Berechtigten Übereignungsanspruch .<br />

Oder bei Zurückbehaltungsrecht, etwa nach §§ 1000, 994 analog wegen Verwendungen des Buchberechtigten;<br />

oder § 273 wegen Rückzahlung des Kaufpreises.<br />

8. Verfahrensrecht<br />

Durchset<strong>zu</strong>ng des Anspruchs (!) auf Grundbuchberichtigung durch (Leistungs-)-Klage<br />

des nichteingetragenen wirklichen Berechtigten<br />

auf Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung gegen den eingetragenen Buchberechtigten.<br />

Mit Rechtskraft des <strong>zu</strong>sprechenden Urteils gilt die Willenserklärung des Beklagten als abgegeben, § 894 I 1 ZPO.<br />

9. Hingegen kein Berichtigungsanspruch i. S. § 894,<br />

wenn Verfügung wirksam, Grundgeschäft aber unwirksam ist.<br />

Dann ist Grundbuch richtig.<br />

Dann nur ein sogenannter „schuldrechtlicher Berichtigungsanspruch”, § 812,<br />

gerichtet auf Rückübertragung des Eigentums am Grundstück, gemäß §§ 873, 925.<br />

10. Bereicherungsansprüche<br />

1. Unrichtige Grundbucheintragung, sogenannte Buchberechtigung, ist vorteilhafte Rechtsstellung,<br />

weil der eingetragene Nichtberechtigte über das betroffene Recht<br />

wirksam an einen Gutgläubigen verfügen kann (auch wenn er es nicht darf).<br />

Diese Vermögensposition ist nach den Vorausset<strong>zu</strong>ngen der §§ 812 ff. kondizierbar.<br />

Die Kondiktion kann gerade dann von Bedeutung sein, wenn der Gläubiger nicht wirklich Berechtigter ist.<br />

2. Bei richtiger Grundbucheintragung, die aber ohne Causa erfolgt ist<br />

(wegen nichtigen Grundgeschäfts, ausgenommen Fall der Heilung ),<br />

kann das Eigentum an dem betroffenen Grundstück nach den Vorausset<strong>zu</strong>ngen der §§ 812 ff. kondiziert werden.<br />

3. Wie bereits gesagt, können auch die Auflassungserklärung oder die Preiszahlung<br />

nach den Vorausset<strong>zu</strong>ngen der §§ 812 ff. kondiziert werden,<br />

solange Schuldvertrag nicht geheilt ist, § 311 b I S.1 und 2.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

11. Bestimmungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses, §§ 987 ff., entsprechend,<br />

wobei „Eigentümer“ der wirkliche Eigentümer ist<br />

und analog <strong>zu</strong>m unrechtmäßigen „Besitzer“ der bloße Bucheigentümer behandelt wird;<br />

gerade dann, wenn Bucheigentümer nicht als Besitzer gehandelt hat.<br />

Der Bucheigentümer gleicht dem unrechtmäßigen Besitzer, insbes. schuldet er<br />

1. Beseitigung der Belastung, §§ 990, 989, 249 I,<br />

2. Schadenersatz, §§ 990, 989, falls weitere Vorausset<strong>zu</strong>ngen gegeben sind,<br />

3. Ver<strong>zu</strong>gsschaden, §§ 990 II,<br />

4. Nut<strong>zu</strong>ngen, §§ 988, 987.<br />

Verwendungsansprüche des Buchberechtigten gegen den wirklich Berechtigten,<br />

§§ 994 ff. entsprechend .<br />

Kapitel 7. Widerspruch<br />

Sobald ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen ist, kann niemand mehr im Vertrauen auf die Richtigkeit des<br />

Grundbuchs gutgläubig ein Recht durch Verfügung des Nichtberechtigten <strong>zu</strong>m Nachteil des wirklich Berechtigten erwerben. Also Widerspruch<br />

verhindert gutgläubigen Erwerb. Aber unter welchen Vorausset<strong>zu</strong>ngen wird er eingetragen, und wie wirkt er genau?<br />

1. Enneccerus I. Enneccerus, im Grundbuch eingetragener, wirklicher Eigentümer, ist gestorben. Das Grundstück ist 800 000,- Euro<br />

wert. Sein Sohn Sohm hält sich für den gesetzlichen Erben und lässt nunmehr sich selbst als neuen Eigentümer eintragen. Nun wird<br />

ein Testament gefunden, in dem Enneccerus seine Freundin Fichard <strong>zu</strong>r Alleinerbin eingesetzt hat. Frau Fichard verlangt von Sohn S<br />

Einwilligung in die Berichtigung des Grundbuchs. Sohn weigert sich, er glaubt, das von Frau Fichard vorgelegte Testament sei gefälscht.<br />

Sohn S veräußert das Grundstück für 1,1 Mio. Euro an den gutgläubigen Gebhard. Antrag auf Eintragung des G wird am 1. Juli beim<br />

Grundbuchamt eingereicht. Die Eintragung des G als neuer Eigentümer erfolgt am 1. Dezember. Ist G Eigentümer geworden?<br />

Abwandlung: Freundin F hat am 20. Juni bei dem Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs eingereicht. Der<br />

Widerspruch wird am 16. Juli eingetragen. G erfährt nichts von dem Widerspruch. G wird am 1. Dezember als neuer Eigentümer eingetragen.<br />

An der Richtigkeit des Testaments <strong>zu</strong> Gunsten der Freundin F besteht kein Zweifel.<br />

1. Ist die Eintragung des G <strong>zu</strong> recht erfolgt?<br />

2. Kann Freundin F gegen den Widerstand von S und G die Eintragung als Eigentümerin erreichen?<br />

2. Lesen Sie die wichtigen Bestimmungen<br />

§ 899 Eintragung eines Widerspruchs<br />

§ 894 Vorausset<strong>zu</strong>ng für Widerspruch<br />

§ 892 I 1 Hauptwirkung des Widerspruchs.<br />

3. Widerspruch wird eingetragen<br />

1. entweder auf Bewilligung des unrichtig Eingetragenen, § 899 II 1 BGB, § 19 GBO,<br />

2. häufiger auf Grund einstweiliger Verfügung, § 899 II 1 BGB,<br />

3. oder ausnahmsweise auf Antrag des in Wirklichkeit Berechtigten, § 1139.<br />

4. Selten: Amtswiderspruch, § 53 I 1 GBO.<br />

5. Oder als Urteilswirkung, § 895 ZPO: Satz 1. „Ist durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil der Schuldner <strong>zu</strong>r Abgabe einer<br />

Willenserklärung verurteilt, auf Grund deren eine Eintragung in das Grundbuch ... erfolgen soll, so gilt die Eintragung ... eines<br />

Widerspruchs als bewilligt“.<br />

4. Anspruchsvorausset<strong>zu</strong>ngen wie für Berichtigungsanspruch, §§ 899 I, 894.<br />

5. Kein Widerspruch wenn keine Gefahr gutgläubigen Erwerbs, nämlich<br />

gegen nicht übertragbare Rechte (Nießbrauch)<br />

und auch nicht gegen Vormerkung für eine nicht-bestehende Forderung.<br />

6. Verfahren <strong>zu</strong>r Eintragung des Widerspruchs<br />

Wie bekommt der (angeblich wirklich) Berechtigte (meistens nicht Eingetragene)<br />

nun den Widerspruch in das Grundbuch,<br />

wenn der Buchberechtigte die Bewilligung der Eintragung nicht erteilt?<br />

Einstweilige Verfügung, § 899 II 1 Alt. 1 BGB (hier<strong>zu</strong> nun ein bisschen ZPO):<br />

1. „Gesuch“ des Berechtigten, §§ 936, 920, 942 ZPO.<br />

3. Mit der Behauptung<br />

1. des Arrest-Anspruchs, hier: wegen unrichtiger Eintragung im Grundbuch,<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. und eines Arrest-Grundes i. S. § 920 I Alt. 2 ZPO.<br />

4. Glaubhaftmachung<br />

1. zwar der Unrichtigkeit der Eintragung, §§ 920 II ZPO,<br />

z. B. durch Urkunden, auch durch Versicherung des Gläubigers an Eides Statt, § 294 I ZPO,<br />

2. aber nicht erforderlich Glaubhaftmachung des Arrest-Grundes, § 899 II 2 BGB.<br />

5. Art der gerichtlichen Entscheidung und des Rechtsmittels<br />

1. Entweder in mündlicher Verhandlung durch Urteil, § 922 ZPO, dagegen Berufung an nächsthöhere Instanz,<br />

2. oder ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, §§ 922, 924 ZPO,<br />

dagegen Widerspruch an das entscheidende Gericht, § 924 ZPO.<br />

6. Ersuchen des Amtsgerichts an das Grundbuchamt um Eintragung des Widerspruchs, § 941 ZPO.<br />

7. Zur Eintragung in Grundbuch die üblichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen: Antrag ( § 13 GBO) meistens des Berechtigten,<br />

statt „Bewilligung“ hier Beschluss oder Urteil (§ 38 GBO), Voreintragung des betroffenen Buchberechtigten (§ 39 GBO).<br />

7. Entscheidende Wirkung des Widerspruchs:<br />

der Gutgläubige kann nicht endgültig erwerben,<br />

§ 892 I 1, wenn Widerspruch berechtigt ist.<br />

8. Widerspruch wirkt unabhängig von Kenntnis des gutgläubigen Erwerbers.<br />

§ 892 I 1 schließt gutgläubigen Erwerb kategorisch aus, wenn <strong>zu</strong>r Zeit der Eintragung des Erwerbers<br />

der Widerspruch bereits eingetragen ist. Auf Kenntnis des Erwerbers kommt es für Widerspruch nicht an<br />

(anders § 892 II bezüglich der Kenntnis der Unrichtigkeit; nicht etwa Analogie <strong>zu</strong> Absatz 2).<br />

9. Entscheidender Zeitpunkt für Widerspruch sind die Eintragungen:<br />

- wenn Widerspruch vor Eintragung des Gutgläubigen eingetragen ist, ist er wirksam,<br />

- wenn aber <strong>zu</strong>erst Gutgläubiger eingetragen ist, kommt Widerspruch <strong>zu</strong> spät.<br />

Zeitpunkt der Antragsstellungen<br />

- ist materiellrechtlich eigentlich gleichgültig, es kommt auf Eintragung an.<br />

- Aber Grundbuchamt soll in der Reihenfolge der Antragstellungen erledigen, § 17 GBO, Tempusprinzip.<br />

Das Gleiche gilt für Verhältnis Widerspruch / gutgläubiger Ersterwerb einer Vormerkung.<br />

Erwerber muss sich deshalb in seinem Interessen nach schwebenden Anträgen auf Eintragung eines Widerspruchs erkundigen.<br />

10. Der Widerspruch bewirkt keine Grundbuchsperre.<br />

Der (eingetragene) Widerspruchsgegner kann weiterhin Verfügungen treffen,<br />

das ist der Hauptunterschied <strong>zu</strong>r erfolgten Grundbuchberichtigung.<br />

Aber die Verfügungen des Buchberechtigten sind unwirksam, wenn der Widerspruch berechtigt ist.<br />

11. Widerspruch wirkt nur, wenn er für den Berechtigten eingetragen ist, nicht bei Eintragung für einen anderen.<br />

Kuhweide: A ist der wirkliche Eigentümer des Grundstücks Kuhweide. Eingetragen ist der C (also bloßer Buchberechtigter). Nun erwirkt<br />

aber der B mit der Behauptung, dass er, der B, der wirkliche Eigentümer sei, die Eintragung eines Widerspruchs. Dann veräußert<br />

C (der Buchberechtigte) das Grundstück Kuhweide an den D, D. weiß nichts von Eigentum des A.<br />

1. Kann B die Berichtigung des Grundbuchs verlangen? Nein, war ja nicht wirklicher Eigentümer.<br />

2. Kann A Berichtigung verlangen? Zwar war A wirklicher Eigentümer, Widerspruch war eingetragen, aber kein Widerspruch für<br />

den A. D war gutgläubig. Also Eigentum des D. Keine Berichtigung.<br />

12 Wirkungen des Widerspruchs betreffen auch spätere Erwerber.<br />

Enneccerus I b. Wie ist es, wenn nach der Eintragung des Widerspruchs der F und der Eintragung des G als neuer Eigentümer der G<br />

das Grundstück an Irnerius veräußert hat und dieser im Grundbuch eingetragen wurde? Auch I hat kein Eigentum erlangt, kann aber<br />

weiter verfügen, wenn auch nicht wirksam.<br />

13. Die Wirkung des Widerspruchs ist nur provisorisch. Denn wenn sich herausstellt, dass der Widerspruch unberechtigt ist,<br />

weil der Eingetragene der wirklich Berechtigte ist, wenn also Grundbuch in Wirklichkeit nicht unrichtig ist,<br />

dann ist die Verfügung des bisher Eingetragenen und der Erwerb derjenigen,<br />

die nach dem Widerspruch eingetragen worden sind, endgültig wirksam.<br />

Enneccerus II. Enneccerus, der wirkliche Eigentümer ist gestorben. Sein Sohn Sohm lässt sich als gesetzlicher Erbe als neuer Eigentümer<br />

eintragen. Aber nach einem zwischenzeitlich aufgefunden Testament ist Freundin Fichard <strong>zu</strong>r Alleinerbin eingesetzt. Frau<br />

Fichard erreicht die Eintragung eines Widerspruchs. Sohm veräußert das Grundstück trotzdem an Gebhard, Eintragung des Gebhard<br />

erfolgt. Nun stellt sich heraus, dass das Testament <strong>zu</strong> Gunsten der F unwirksam ist.<br />

Dann wurde Fichard mit dem Erbfall nicht Eigentümerin des Grundstücks, sondern S wurde Eigentümer.<br />

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Grundstücksrecht<br />

Auch wenn die F die Eintragung eines Widerspruchs erreicht hat, hat G dennoch das Eigentum von S erlangt. Denn S, als der wirkliche<br />

gesetzliche Erbe, war der Berechtigte, der als solcher eine wirksame Verfügung getroffen hat; mit gutgläubigem Erwerb hat das<br />

nichts <strong>zu</strong> tun. Auch Weiterverfügungen des G und späterer Erwerber sind wirksam.<br />

14. Erlöschen des Widerspruchs vor allem<br />

- durch Verwirklichung des entsprechenden Berichtigungsanspruchs, oder, umgekehrt,<br />

- durch Löschung der (unberechtigten) Widerspruchseintragung selbst auf Antrag des Widersprechenden<br />

(notfalls auf Grund Berichtigungsklage des ursprünglichen, nach wie vor wirklich Berechtigten, § 894 analog oder unmb.).<br />

15. Allgemeine Charakterisierung der Wirkungen des Widerspruchs<br />

1. Der Widerspruch<br />

1. hat also eine Warnfunktion, ebenso wie Vormerkung<br />

2. ist ein vorläufiges Sicherungsmittel, ebenso wie Vormerkung.<br />

2. Der Widerspruch<br />

1. widerspricht der gegenwärtigen Grundbucheintragung.<br />

2. ,,Der Widerspruch protestiert“ gegen die Richtigkeit des Grundbuchs.<br />

3. Der Widerspruch dient<br />

1. da<strong>zu</strong>, ein bestehendes Recht <strong>zu</strong> bewahren,<br />

2. <strong>zu</strong>r Sicherung eines dinglichen Rechts<br />

3. vor allem gegen Verfügung eines Nichtberechtigten mit Folge des Gutglaubenserwerbs.<br />

16. Widerspruch gegen Vormerkung? A, Mutter der Tochter T und des Sohnes S, ist als Eigentümerin von zwei Eigentumswohnungen,<br />

Wohnung Nr. 1 und Wohnung Nr. 2, im Grundbuch eingetragen. Sie überträgt die Eigentumswohnung Nr. 1 mittels notariell beurkundeten<br />

Vertrages an ihre Tochter T. In demselben Vertrag wird zwischen A, T und S vereinbart: „Der Ausgleich soll dadurch erfolgen,<br />

dass S nach dem Tode der A die Eigentumswohnung Nr. 2 <strong>zu</strong> Alleineigentum erhalten soll. S und T verpflichten sich für den<br />

Fall, dass sie als Miterben der gemeinsamen Mutter Miteigentümer der Wohnung Nr. 2 werden sollten, der Übereignung an S <strong>zu</strong>stimmen,<br />

ohne hierfür ein Entgelt <strong>zu</strong> fordern. Die jeweiligen Veräußerer bewilligen die Eintragung einer Vormerkung nach § 883<br />

BGB <strong>zu</strong>r Sicherung des vereinbarten Übereignungsanspruchs“.<br />

S beantragt die Eintragung einer Auflassungsvormerkung an dem Wohnungseigentum Nr. 2. Das Grundbuchamt trägt die Vormerkung<br />

antragsgemäß <strong>zu</strong> Gunsten des S ein. A will die Löschung dieser Vormerkung oder <strong>zu</strong>mindest die Eintragung eines Widerspruchs<br />

erreichen, vor allem, um einen gutgläubigen Erwerb der Vormerkung durch einen weiteren Interessenten <strong>zu</strong> verhindern. Wird sie Erfolg<br />

haben? (Vereinfacht nach BayObLG NJW-RR 1999, 1689; s. auch Düsseldorf NJW-RR 2000,1686);<br />

Kapitel 8. Prüfungsfolge Grundstücksübertragung<br />

1. Die Frage, ob die Grundstücksübertragung wirksam war,<br />

wird kaum jemals ausdrücklich als einzige Klausurfrage gestellt.<br />

Meistens kommt es bei der Prüfung eines Anspruchs auf die Vorfrage an,<br />

ob der Kläger oder Beklagte Eigentümer ist, und daher kann man <strong>zu</strong> der Frage kommen,<br />

ob eine Übereignung wirksam war. In etwa:<br />

2. Einleitungssatz<br />

„Der Kläger B ist Eigentümer des Grundstücks, wenn er es wirksam von A erworben hat.<br />

Die Grundstücksübereignung setzt nach §§ 925, 873 voraus, dass<br />

sich der Veräußerer A mit dem Erwerber B in der Form des § 925<br />

über die Übertragung des Eigentums an dem Grundstücksgeeinigt hat,<br />

dass B als neuer Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen wurde und<br />

dass der Veräußerer A Eigentümer des Grundstücks<br />

oder dass der Erwerber B hinsichtlich des Eigentums des A gutgläubig war".<br />

3. Gedankenführung. Daraufhin sind <strong>zu</strong> prüfen:<br />

1. Auflassung<br />

1. vor einem Notar, § 925 I 1 und 2,<br />

2. gleichzeitige Anwesenheit von A und B (oder deren Vertreter etc.), § 925 I 1,<br />

3. Einigsein über das betreffende Grundstück, § 873 I 1.<br />

2. Eintragung in das Grundbuch, § 873 I 1<br />

3. Bisheriges Eigentum des Veräußerers A oder<br />

gutgläubiger Erwerb des B.<br />

4. Formulierung des (Zwischen-)-Ergebnisses<br />

„Also ist B Eigentümer des Grundstücks geworden“.<br />

5. „Varianten“ je nach Fallfrage und Sachverhalt sind im Ausgangssatz, in der Gedankenführung und im Ergebnis-Satz <strong>zu</strong> markieren,<br />

etwa im Ausgangssatz mit dem Hinweis „insbesondere die Verfügung des A nicht wegen Fehlens der Zustimmung der Ehefrau F unwirksam<br />

ist“ oder „wobei vor allem <strong>zu</strong> prüfen sein wird, ob die Übereignung auf den nur beschränkt geschäftsfähigen B der Zustimmung<br />

seiner gesetzlichen Vertreter bedurft hätte“.<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Kapitel 9. Entstehung der Vormerkung<br />

Die Vormerkung, die Sie in diesem Kapitel wiederholen, ist ein provisorisches Sicherungsrecht <strong>zu</strong>r Sicherung eines, meistens schuldrechtlichen,<br />

Anspruchs auf Grundstücksübertragung, Hypothekenbestellung, Grundschuldlöschung etc. Man mag fragen: Warum wird nicht gleich<br />

statt der Vormerkung das dingliche Recht selbst eingetragen oder gelöscht? Erstens erfolgt die Eintragung der Vormerkung sehr viel schneller<br />

als die Eintragung des gesicherten Rechts. Und zweitens hat eine Vormerkung den Vorteil, dass sie, im Unterschied <strong>zu</strong>r Eintragung des<br />

Eigentums selbst, einen „künftigen oder bedingten” Anspruch sichern kann. <strong>Dr</strong>ittens ist Vormerkung, nicht aber Grundbucheintragung des<br />

dinglichen Rechts möglich, wenn eine noch <strong>zu</strong> vermessende Teilfläche eines größeren Grundstücks betroffen ist. Für eventuelle Klausuren<br />

sind vor allem zwei Punkte wissenswert: in welche Fällen kann eine Vormerkung gutgläubig erworben werden, und wie wirkt eine Vormerkung?<br />

Aber vorher ist die Entstehung der Vormerkung <strong>zu</strong> behandeln.<br />

1. Friederikes Welt. Friederike und Maximilian sind miteinander verheiratet. Der einzige Gegenstand von Wert, den Maximilian sein eigen<br />

nennt, ist ein Grundstück. Dieses verkauft er an Kasimir, der die Vermögens- und Familienverhältnisse Maximilians kennt. Vormerkung<br />

wird eingetragen. Friederike erklärt ausdrücklich, dass sie mit dem Geschäft nicht einverstanden ist. Aber Maximilian und<br />

Kasimir glauben (<strong>zu</strong> Unrecht, §§ 1363 I, 1365), dass es auf die Meinung Friederikes nicht ankomme. Hat Kasimir Vormerkung erworben?<br />

2. Lesen Sie die wichtigen Bestimmungen §§ 883, 885, 888.<br />

3. Beteiligte<br />

1. Vormerkungsgläubiger = Vormerkungsberechtigter = (Vormerkungs-)-Begünstigter<br />

= <strong>zu</strong> dessen Gunsten die Vormerkung eingetragen ist,<br />

z. B. bei Auflassungsvormerkung auf Grund Grundstückskaufvertrages: der Käufer.<br />

2. Betroffener = der Inhaber des Grundstücksrechts<br />

= meistens der Schuldner, der Recht auf den Vormerkungsgläubiger übertragen soll,<br />

z.B. bei Auflassungsvormerkung auf Grund Kaufs: der Eigentümer des verkauften Grundstücks.<br />

3. „Erwerber“ = <strong>Dr</strong>itter,<br />

derjenige, <strong>zu</strong> dessen Gunsten der Betroffene eine Verfügung getroffen hat,<br />

die den Anspruch des Vormerkungsgläubigers vereiteln oder beeinträchtigen würde,<br />

z.B. derjenige, an den Eigentümer sein Grundstück ein zweites Mal verkauft und aufgelassen hat.<br />

4. Vorausset<strong>zu</strong>ngen, § 885 I 1:<br />

1. Vormerkung wird eingetragen<br />

1. entweder auf Bewilligung des Betroffenen<br />

nicht, wie sonst: „Einigsein“.<br />

Bewilligung ist einseitiges Rechtsgeschäft des Betroffenen,<br />

bestehend aus empfangsbedürftiger Willenserklärung,<br />

ab<strong>zu</strong>geben gegenüber dem Grundbuchamt oder dem Inhaber des <strong>zu</strong> sichernden Anspruchs.<br />

Materiellrechtlich formfrei, § 125 BGB, nach § 29 GBO aber beglaubigt.<br />

In der Praxis bei üblichen Grundstücksgeschäften Bewilligung der Vormerkung<br />

in der notariellen Urkunde neben Kaufvertrag und Auflassung, §§ 925, 873.<br />

2. Oder auf Grund einstweiliger Verfügung,<br />

Verfahren wie bei Widersprach.<br />

Vorsicht: einstweilige Verfügung auf Eintragung einer Vormerkung erlaubt<br />

keinen gutgläubigen Ersterwerb der Vormerkung,<br />

da einstweilige Verfügung kein „Rechtsgeschäft“ i. S. § 893 BGB ist.<br />

3. Oder als Urteilswirkung, § 895 ZPO: Satz 1 (Lesen!).<br />

2. Eintragung in das Grundbuch,<br />

die üblichen Vorausset<strong>zu</strong>ngen, wie bei Widerspruch,<br />

3. Berechtigung des Bewilligenden<br />

oder eventuell guter Glaube des Begünstigten,<br />

4. vormerkungsfähiger Anspruch.<br />

5. Vormerkungsfähig ist jeder wirksame Anspruch,<br />

1. meistens auf Grund Schuldvertrages,<br />

Hauptfall: Sicherung des Anspruchs des Grundstückskäufers auf Grundstücksübereignung,<br />

2. aber auch auf Grund Gesetzes, z. B. Rückauflassungsanspruch des früheren Eigentümers<br />

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Grundstücksrecht<br />

- wegen ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812) oder<br />

- groben Undanks (§ 530) des jetzigen Eigentümers.<br />

6. Ausdrücklich gesetzlich <strong>zu</strong>gelassen:<br />

Sicherung eines künftigen oder bedingten Anspruchs,<br />

(obwohl die eigentliche Auflassung [nicht jedoch sonstige Verfügungen]<br />

nicht unter Bedingung oder Zeitbestimmung stehen kann, § 925 II).<br />

- Für Vormerkung eines künftigen Anspruchs muss aber der Rechtsboden für seine Entstehung vorbereitet sein.<br />

- Künftiger oder bedingter Anspruch muss genügend bestimmt sein.<br />

Beispiele: Vereinbarte Rückauflassungsansprüche, falls Erwerber entgegen dem Vertrag nicht rechtzeitig Kaufpreis zahlt oder falls er<br />

abredewidrig Grundstück nicht bebaut oder falls er es weiterveräußert oder falls er ohne leibliche Erben verstirbt. Ankaufsrechte, persönliche<br />

Vorkaufsrechte.<br />

7. Wenn der gesicherte (meistens schuldrechtliche) Anspruch nicht besteht,<br />

z. B. wegen Scheins, § 117, oder wegen Formmangels, §§ 311 b I 2, 125, oder wegen Fehlens einer notwendigen Zustimmung,<br />

1. dann ist auch Vormerkung nicht wirksam, obwohl sie eingetragen ist (unstr.),<br />

keine Heilung nach § 311 b I 2; kein „künftiger Anspruch” nach § 883 I 2.<br />

Beispiel oben „Friederikes Welt“.<br />

2. Vormerkung wird unwirksam, wenn gesicherter Anspruch erlischt, insbes.durch Erfüllung,<br />

dann insbes. Berichtigung des Grundbuchs.<br />

3. Daher „Akzessorietät“ der Vormerkung.<br />

4. Hier kein Gedanke an gutgläubigen Erst- oder Zweit-Erwerb der Vormerkung (allg. M.).<br />

Beispiel oben „Friederikes Welt“.<br />

Raabestraße I. A hat an B ein Hausgrundstück an der Raabestraße verkauft, vereinbart wurde ein Kaufpreis von 2 Mio. Euro,<br />

beurkundet wurde ein Preis von nur 1,4 Mio. Euro (Der Kaufvertrag ist also als Scheingeschäft, § 117, und wegen Falschbeurkundung<br />

des wirklich Gewollten, §§ 311 b I 1, 125, unwirksam.). A bewilligte dem B die Eintragung einer Vormerkung, diese<br />

wurde eingetragen.<br />

Kein Erwerb der Vormerkung durch B.<br />

5. Raabestr. II. Der gleiche Fall des Verkaufs von A an B <strong>zu</strong> einem <strong>zu</strong> niedrig beurkundeten Preis. Aber Abwandlung: in Wirklichkeit<br />

ist E der Eigentümer: Dann auch kein gutgläubiger Erwerb des B.<br />

6. In diesem Fall auch kein wirksamer Zweiterwerb der Vormerkung: Raabestraße III. Der gleiche Fall des Verkaufs von A an B<br />

<strong>zu</strong> einem <strong>zu</strong> niedrig beurkundeten Preis. Aber Abwandlung: danach übertrug B seinen angeblichen Anspruch auf Erwerb des<br />

Hausgrundstücks und die diesbezügliche Vormerkung auf C. C glaubt an die Wirksamkeit des Kaufvertrages A - B, der Vormerkung<br />

und der Vereinbarung B - C. – Keine Rechte des C auf Grund Vormerkung.<br />

7. Nicht vormerkungsfähig z. B. erbrechtliche Positionen <strong>zu</strong> Lebzeiten des Erblassers.<br />

8. Aber in den meisten Fällen nach überwiegender Meinung vormerkungsfähig folgende Fälle der Praxis:<br />

- Vereinbarte Übereignungspflicht, ohne Hypothek, bei Nichtrückzahlung eines Darlehens, trotz<br />

Bedenken wegen Verfallabrede (§ 1149) oder Verfügungsverbots (§§ 1136, 137) (BayObLG NJW-RR 1997, 590),<br />

- Vereinbarte Rückübereignungspflicht bei Weiterveräußerung, trotz Bedenken wegen Verfügungsverbots (§ 137)<br />

(BGH Beschl. v. l4. 12. 1996, NJW 1997, 861, da<strong>zu</strong> Stadler, Jura 1998, 189; Beschl. v. 13. 6. 2002, BGHZ 151, 116 = NJW<br />

2002, 2461 = JURA-Telegramm 2003, 162; Urt. v. 19. 5. 2000, NJW 2000, 2899 = JuS 2000, 1119; BayOblG NJW-RR 2002,<br />

1594),<br />

- Vereinbarte Rückübereignungspflicht bei grobem Undank, trotz Bedenken wegen Verfügungsverbots (§ 137) oder wegen<br />

grundbuchrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes des Bedingungseintritts<br />

(BayObLG NJW-RR 2001, 1529; gegen Hamm, NJW-RR 2000, 1611),<br />

- Gegenseitige Ankaufs- und Vorkaufsrechte unter Miteigentümern (BayObLG NJW-RR 2003, 450),<br />

- Übereignungsrecht für den Fall der Insolvenzeröffnung (BayObLG NJW-RR 2002, 1594; 2003, 450).<br />

9. Gutgläubiger Erwerb einer Vormerkung - <strong>Dr</strong>ei verschiedene Fälle unbedingt sorgfältig unterscheiden:<br />

1. Formal wirksame Bestellung der Vormerkung durch Nichteigentümer für wirksamen Anspruch.<br />

2. Bei Vormerkung für nicht bestehenden Anspruch trotz gutem Glauben weder Ersterwerb noch Zweiterwerb.<br />

3. Nach Fehler bei Vormerkungsbestellung für Ersterwerber, gutgläubiger Zweiterwerb.<br />

10. Gutgläubiger Erst-Erwerb einer Vormerkung vom Nichtberechtigten,<br />

d. h. Bestellung der Vormerkung von dem Buchberechtigten<br />

mit Wirkung gegenüber<br />

1. dem wirklich Berechtigten und<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. gegenüber sonstigen Erwerbern, § 893 Alt. 2.<br />

Ist anerkannt (str.), denn Bestellung einer Vormerkung ist entweder sonstige Verfügung über das Grundstücksrecht,<br />

oder einem sonstigen Verfügungsgeschäft wenigstens gleich<strong>zu</strong>stellen,<br />

weil Vormerkung einem obligatorischen Anspruch in beträchtlichem Umfang<br />

dingliche Wirkungen verleiht,<br />

ähnlich wie endgültige Übertragung des Grundstückseigentums.<br />

11. Vorausset<strong>zu</strong>ngen = Prüfungsfolge = Gutachten-Aufbau<br />

Alle Vorausset<strong>zu</strong>ngen für Rechtserwerb einer Vormerkung gemäß § 885 I 1,nämlich<br />

1. Bewilligung des Betroffenen<br />

Kein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung infolge einstweiliger Verfügung, § 885 I,<br />

weil kein „Rechtsgeschäft“ i. S. §§ 892 f. (hM.).<br />

2. Eintragung des Begünstigten<br />

3. Vormerkungsfähiger und wirksamer Anspruch<br />

4. Aber Berechtigung des Bewilligenden fehlt<br />

5. Stattdessen: Bewilligender ist im Grundbuch eingetragen, §§ 892 f.<br />

6. Dem Begünstigten ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht bekannt,<br />

bei Stellung des Antrags auf Eintragung der Vormerkung, § 892 II,<br />

7. Ein Widerspruch gegen die Richtigkeit oder eine Berichtigung des Grundbuchs<br />

ist nicht oder nicht rechtzeitig eingetragen,<br />

d. h. vor der Eintragung der Vormerkung, selbst wenn nach der Antragstellung<br />

auch selbst wenn ohne Kenntnis des Vormerkungsempfängers.<br />

Kein Widerspruch (wohl aber Berichtigung) des wirklich Berechtigten, wenn unrichtige Vormerkung<br />

nicht gutgläubig erworben werden kann, insbes. bei Nichtbestehen der angeblich gesicherten Forderung.<br />

12. Schillerstraße I. Volker ist <strong>zu</strong> Unrecht als Eigentümer des Grundstücks Schillerstraße eingetragen; der wirkliche, aber nicht eingetragene<br />

Eigentümer ist Ernst. Volker verkauft Grundstück formgerecht an Krause, erklärt Auflassung und bewilligt Vormerkung, welche<br />

eingetragen wird. Krause ist gutgläubig.<br />

Hat Krause Vormerkung erworben? Ja, § 893 Alt. 2.<br />

Kapitel 10. Wirkung der Vormerkung<br />

Das Funktionieren der Vormerkung macht dem Anfänger Schwierigkeiten. Aber man muss sich bloß klarmachen, dass hierfür 2 Schritte erforderlich<br />

sind: einer gegenüber dem vormerkungswidrigen Erwerber und einer gegenüber dem vormerkungswidrig Verfügenden.<br />

1. Nach mir die Sintflut. Der verwitwete Emil hat fünf Söhne. Er ist Eigentümer eines Grundstücks. Er verkauft einem seiner Söhne,<br />

dem Albert, das Grundstück in der Form des § 311 b I 1 für 400 000,- Euro, fällig bei Durchführung des Vertrages. Der Kaufvertrag<br />

ist betagt und aufschiebend bedingt in der Weise, dass Albert erst innerhalb von 2 Jahren nach dem Tod des Emil erklären kann, ob er<br />

den Vertrag durchführen will. Der Auflassungsanspruch des Albert wird durch Vormerkung gesichert.<br />

Emil lebt noch, er braucht Geld, die Grundstückspreise fallen, er will das Grundstück für den nun angemessenen Preis von 250 000,-<br />

Euro an Zamir verkaufen. Er selbst wie auch Zamir rechnen nicht mit einem erheblichen Wert<strong>zu</strong>wachs des Grundstücks in den nächsten<br />

Jahren und daher auch nicht damit, dass Albert sein Ankaufsrecht einmal ausüben wird.<br />

- Können Albert und Zamir wirksam Kaufvertrag abschließen?<br />

- Kann Albert wirksam an Zamir Eigentum übertragen?<br />

- Wenn ja, kann Zamir wirksam an einen <strong>Dr</strong>ittern weiter übereignen?<br />

- Wie müsste Albert nach dem Tode des Emil vorgehen, wenn er das Eigentum an dem Grundstück erwerben will?<br />

2. Wirkung der Vormerkung wird in verständlicher Weise in § 883 II beschrieben:<br />

die spätere Verfügung ist relativ unwirksam<br />

- soweit sie den gesicherten Anspruch gänzlich vereiteln ... würde,<br />

- oder soweit sie den Anspruch ... beeinträchtigen würde.<br />

3. Der vormerkungswidrige Erwerb des Erwerbers<br />

ist "gegenüber" dem Vormerkungsbegünstigten unwirksam.<br />

Infolgedessen hat der vormerkungs-widrige Erwerber<br />

im Verhältnis <strong>zu</strong>m Vormerkungsbegünstigten das Recht nicht wirksam erworben.<br />

Hölderlinstraße. V verkauft in wirksamer Weise sein Hausgrundstück in der Hölderlinstraße an K. Zur Sicherung seines Anspruchs<br />

auf Eigentumsübertragung erbittet K von V die Bewilligung einer Vormerkung. Vormerkung wird bewilligt und eingetragen. Trotzdem<br />

verkauft V an den <strong>Dr</strong>itten D und erklärt die Auflassung. D wird ordnungsgemäß als neuer Eigentümer eingetragen.<br />

Die Eintragung des D ist dem vormerkungsberechtigten K gegenüber unwirksam, § 883 II 1.<br />

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Grundstücksrecht<br />

4. Wie muss der Vormerkungsberechtigte nun vorgehen, um sein Recht durch<strong>zu</strong>setzen,<br />

wenn ein anderer Erwerber vormerkungswidrigerweise in das Grundbuch eingetragen wurde?<br />

Zwei Schritte sind erforderlich (in beliebiger Reihenfolge):<br />

1. Gegenüber dem Erwerber und<br />

2. Gegenüber dem Belasteten.<br />

5. Anspruch des Vormerkungsberechtigten gemäß § 888 I<br />

gegen den vormerkungswidrig (meistens: später) eingetragenen Erwerber<br />

auf Zustimmung <strong>zu</strong> der<br />

- Eintragung des Rechts des Vormerkungsbegünstigten,<br />

z. B. wenn Erwerber in vormerkungwidriger Weise als neuer Eigentümer eingetragen wurde,<br />

so im Fall Hölderlinstraße,<br />

oder<br />

- auf Löschung des Rechts des später eingetragenen Erwerbers,<br />

z. B. wenn entgegen einer Auflassungsvormerkung in vormerkungswidriger Weise Hypothek eingetragen wurde.<br />

Denselben Anspruch hat Vormerkungsberechtigter gegen etwaige Rechtsnachfolger des Erwerbers.<br />

6. Anspruch des Begünstigten gegen den Belasteten<br />

auf Abgabe der Erklärungen, die für die Verfügung erforderlich sind,<br />

soweit nicht schon geschehen,<br />

insbesondere auf<br />

1. Erklärung der Einigung, § 873, bzw. Auflassung, § 925,<br />

2. Bewilligung der Eintragung des Begünstigten, § 19 GBO,<br />

so als wäre der Vormerkungsbelastete noch voll Eigentümer des Grundstücks.<br />

Grundlage für diesen Anspruch ist der gesicherte Anspruch selbst,<br />

z. B. Kaufvertrag zwischen Belastetem und Begünstigtem, §§ 433.<br />

Im Beispiel Hölderlinstraße ist die Verfügung durch V dem vormerkungsberechtigten K gegenüber unwirksam, § 883 II 1. Daher hat<br />

K gegen V einen Anspruch auf Abgabe der Eintragungsbewilligung, die ja erforderlich ist, damit das Grundbuchamt den K als den<br />

neuen Eigentümer in das Grundbuch einträgt.<br />

7. Bei gutgläubigem Ersterwerb der Vormerkung: Anspruch des Vormerkungsberechtigten<br />

1. gegen den wirklichen Berechtigten auf Zustimmung, falls Grundbuch inzwischen berichtigt wurde.<br />

Wenn der Widerspruch des wirklich Berechtigten eingetragen wurde<br />

nach der Eintragung der Vormerkung des gutgläubigen Erwerbsgläubigers,<br />

dann ist die Eintragung dieses Widerspruchs insoweit unwirksam, § 883 II analog.<br />

2. Anspruch gegen den Buchberechtigten auf Abgabe der erforderlichen Erklärungen,<br />

8. Vormerkung begründet den wichtigsten Fall der nur „relativen Unwirksamkeit“. Das heißt<br />

1. Die Unwirksamkeit bezieht sich nur auf die Beziehung (= Relation) Vormerkungsberechtigter - Erwerber,<br />

deswegen wird sie als „relativ“ bezeichnet.<br />

2. Dass die Unwirksamkeit nur „relativ” ist, ergibt sich aus den Worten in § 888 I:<br />

der Erwerb sei „gegenüber“ demjenigen, <strong>zu</strong> dessen Gunsten die Vormerkung besteht, unwirksam.<br />

3. Die Unwirksamkeit besteht nicht im Verhältnis <strong>zu</strong> <strong>Dr</strong>itten. Denn im Verhältnis <strong>zu</strong> allen anderen (außer im Verhältnis <strong>zu</strong>m<br />

Vormerkungsberechtigten) ist der Erwerber der Berechtigte. Deswegen ist das Grundbuch nach Eintragung des Erwerbers gegenüber<br />

jedermann (außer gegenüber dem Vormerkungsberechtigten) richtig.<br />

4. Deswegen erhält der Vormerkungsberechtigte keinen Grundbuchberichtigungsanspruch.<br />

9. Verfügungen des (Zwischen-)-Erwerbers vor Geltendmachung der Vormerkung:<br />

Weil das Grundbuch nach Eintragung des Erwerbers richtig ist,<br />

deswegen wirksame Verfügungen des Erwerbers an <strong>Dr</strong>itten,<br />

des <strong>Dr</strong>itten an Vierten etc., auf guten Glauben kommt es insofern nicht an.<br />

Aber der Vormerkungsbegünstigte kann seine Vormerkung wie gegenüber dem ersten Erwerber,<br />

so auch gegenüber dessen Erwerbern geltend machen, § 888 I.<br />

10. Schützt Vormerkung den Vormerkungsbegünstigten<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

auch gegen Vermietung oder Verpachtung mit Besitzeinräumung durch den Vormerkungsbelasteten?<br />

Hotel Heideröschen. V verkauft an K Hotelgrundstück „Heideröschen“, das <strong>zu</strong>r Zeit noch unbewirtschaftet ist. V bewilligt für K Auflassungsvormerkung,<br />

die eingetragen wird. Dann verpachtet V dasselbe Hotel an den Pächter P. Später wird K als neuer Eigentümer<br />

eingetragen. Ist K als neuer Eigentümer gemäß §§ 566, 581 an Pachtvertrag mit P gebunden, oder kann K seine Vormerkung dem P<br />

entgegenhalten? Str.<br />

1. Für den Schutz des Begünstigten K: überwiegende Lehre, also Wirksamkeit der Vormerkung, § 883 II 1 analog.<br />

2. Aber gegen Schutz des Vormerkungsbegünstigten, also <strong>zu</strong> Gunsten des Mieters etc. entscheidend:<br />

Schuldvertrag (Verpachtung V – P) ist keine Verfügung, auch nicht in Verbindung mit Besitzüberlassung; Sozialstaatsprinzip;<br />

Mieter schaut üblicherweise nicht in Grundbuch; Grundstückserwerber erhält Ausgleich in Form Mietzins<br />

und möglicherweise Rechte wegen Rechtsmangels gegen Veräußerer.<br />

11. Wirkung der gutgläubig vom Nichteigentümer erworbenen Auflassungsvormerkung<br />

1. Gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung ist anerkannt.<br />

2. Fraglich, ob der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch noch durchgesetzt werden kann,<br />

wenn der Vormerkungsempfänger vor der Eintragung seines Vollrechts bösgläubig wird.<br />

- Dagegen spricht zwar der Schutz des wirklichen Eigentümers.<br />

- Dafür spricht aber der Sinn von Vormerkung und gutgläubigem Erwerb,<br />

denn andernfalls hätte gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung keine Bedeutung.<br />

§ 892 II entsprechend.<br />

3. Daher auch Anspruch des gutgläubigen Vormerkungsempfängers gegen wirklichen Eigentümer analog § 888 I<br />

(also analog <strong>zu</strong> dem Anspruch gegen vormerkungswidrig eingetragenen Zwischenerwerber),<br />

falls inzwischen der wirkliche Eigentümer entweder infolge Grundbuchberichtigung wieder eingetragen wurde<br />

oder einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs erwirkt hat.<br />

Streitig, ob<br />

- Lediglich formellrechtliche Zustimmung im Hinblick auf §§ 19, 39 GBO („Voreintragung“),<br />

- oder ob Zustimmungserfordernis entsprechend § 185 BGB, weil nicht der Bucheigentümer,<br />

sondern nur der wirkliche Eigentümer der Berechtigte ist?<br />

4. Schillerstraße II. Volker ist <strong>zu</strong> Unrecht als Eigentümer des Grundstücks Schillerstraße eingetragen; der wirkliche, aber nicht<br />

eingetragene Eigentümer ist Ernst. Volker verkauft Grundstück formgerecht an Krause, erklärt Auflassung und bewilligt Vormerkung,<br />

welche eingetragen wird. Krause ist gutgläubig. Dann wird infolge Grundbuchberichtigung wirklicher Eigentümer<br />

Ernst eingetragen. Ernst verkauft an Detlef, Detlef wird als neuer Eigentümer eingetragen. Welche Rechte hat Krause?<br />

12. Sicherungswirkung, Vollwirkung, Rangwirkung der Vormerkung<br />

1. Sicherungswirkung, § 883 II.<br />

2. Vollwirkung, d. h. auch<br />

1. bei Insolvenz, § 106 InsO,<br />

2. in der Zwangsversteigerung (§ 48 ZVG: „...Rechte, die durch Eintragung...einer Vormerkung gesichert sind,<br />

sind wie eingetragene Rechte <strong>zu</strong> berücksichtigen“.),<br />

3. setzt sich gegen beschränkte Erbenhaftung durch, § 884 BGB.<br />

3. Rangwirkung, § 883 III BGB.<br />

13. Vormerkung begründet Anwartschaftsrecht (aber hier<strong>zu</strong> wenige Klausuren).<br />

14. Anspruch des Vormerkungsberechtigten auf Nut<strong>zu</strong>ngen<br />

1. gegen Erwerber. § 987 nicht direkt, denn Vormerkungsberechtigter ist nicht Eigentümer ex tunc. Aber analog., für die Periode<br />

zwischen (Rück-)-Übertragungspflicht und Vollendung der Rückübertragung.<br />

2. Aus § 987 analog zwar kein Anspruch gegen vormerkungsbelasteten Veräußerer, denn dieser war ja <strong>zu</strong>r Zeit seines Eigentums<br />

voll Berechtigter auch gegenüber Vormerkungsberechtigtem und nach Übertragung an Erwerber hatte er weder dingliches<br />

Recht noch Besitz am Grundstück. Aber gegen Eigentümer ab Rechtshängigkeit des Übereignungsanspruchs, § 292 (betrifft<br />

auch Übereignung mit Besitzübertragungspflicht), oder ab Ver<strong>zu</strong>g, §§ 286, 280 ff.<br />

Umgekehrt auch Verwendungsansprüche des Erwerbers gegen Vormerkungsberechtigten, §§ 994 ff. analog.<br />

(BGHZ 75, 288 = NJW 1980, 833; BGHZ 87, 296 = NJW 1983, 2024; Urt. v. 19. 5. 2000; BGHZ 144, 323; NJW 2000, 2899 = JuS<br />

2000, 1119; aber str.).<br />

15. Allgemeine Charakterisierung der Wirkungen der Vormerkung/ teils übereinstimmend, teils anders als Widerspruch<br />

1. Die Vormerkung<br />

1. hat eine Warnfunktion, wie Widerspruch, und<br />

2. ist ein vorläufiges Sicherungsmittel, wie Widerspruch.<br />

2. Die Vormerkung (im Unterschied <strong>zu</strong>m Widerspruch)<br />

1. merkt eine künftige Rechtsänderung im Grundbuch vor.<br />

2. ,,Die Vormerkung prophezeit“ eine künftige Rechtsänderung.<br />

3. Die Vormerkung dient<br />

1. da<strong>zu</strong>, um künftig ein dingliches Recht <strong>zu</strong> bekommen,<br />

2. <strong>zu</strong>r Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

28


Grundstücksrecht<br />

3. gegen Verfügung des Berechtigten mit Folge des einfachen Erwerbs.<br />

16. Welche Wirkung hat die Vormerkung nicht?<br />

Um das "Funktionieren" der Vormerkung noch besser <strong>zu</strong> verstehen,<br />

fragen wir: Welche Wirkungen hat Vormerkung nicht?<br />

1. Betreffend den Vormerkungsbelasteten<br />

bewirkt die Vormerkung nicht,<br />

- dass dieser allein durch die Vormerkung irgendwie sein Recht verlöre,<br />

- oder dass er sein Recht nicht mehr veräußern oder belasten könnte.<br />

2. Betreffend den vormerkungs-widrigen „Erwerber“<br />

- verhindert die Vormerkung nicht, dass der neue Erwerber im Grundbuch eingetragen wird.<br />

Eine Vormerkung bewirkt keine Grundbuchsperre.<br />

- Vor allem verhindert Vormerkung nicht den Eigentumserwerb eines anderen.<br />

- Das Grundbuch wird im eigentlichen Sinne nicht unrichtig,<br />

deswegen hat Vormerkungsberechtigter keinen Berichtigungsanspruch.<br />

3. Zu Gunsten des Vormerkungsberechtigten bewirkt die Vormerkung nicht,<br />

- dass Berechtigter durch die Eintragung der Vormerkung bereits Inhaber des vorgemerkten Rechts würde,<br />

- oder dass der Vormerkungsberechtigte irgendwann später<br />

gewissermaßen von Gesetzes wegen ("automatisch") Inhaber des vorgemerkten Rechts werde.<br />

- Übrigens hat Vormerkung auch keine Heilungswirkung i. S. § 311 b I 2.<br />

17. Prüfungsfolge = Gutachtenaufbau<br />

Angenommen: E hat <strong>zu</strong>erst an K1 Grundstück verkauft und Vormerkung bewilligt, und sodann an K2 Grundstück verkauft und wirksam<br />

übertragen.<br />

Gefragt ist nach den Rechten des K1.<br />

Vorschlag <strong>zu</strong>r Prüfung der Ansprüche des Vormerkungsberechtigten K1, §§ 883 bis 888:<br />

"K1 wird Eigentümer des von E gekauften Grundstücks, obwohl K2 das Grundstück erworben hat (da<strong>zu</strong> 1.), wenn K1 von K2 die<br />

Abgabe der erforderlichen Erklärungen verlangen kann, damit K1 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden kann (da<strong>zu</strong><br />

2.), und wenn K1 auch von E die Abgabe der für den Eigentumserwerb erforderlichen Erklärungen verlangen kann (da<strong>zu</strong> 3.).<br />

(1) Infolge von Auflassung zwischen E und K2 sowie Eintragung des K2 hat K2 das Grundstück erworben, §§ 925, 873.<br />

(2) K1 kann von K2 die Abgabe der erforderlichen Erklärungen verlangen, wenn K1 wirksam eine Auflassungsvormerkung erlangt<br />

hat, §§ 883, 885, und wenn der Erwerb des K2 den Anspruch des K1 vereitelt. Bewilligung des E liegt vor. Die Vormerkung<br />

wurde für K1 eingetragen. E war als Grundstückseigentümer <strong>zu</strong>r Bewilligung der Vormerkung berechtigt. Der Anspruch<br />

des K1 auf Grund Kaufvertrages ist vormerkungsfähig. Also hat K1 wirksam die Vormerkung erlangt. K1 kann nicht das Eigentum<br />

an dem Grundstück erlangen, solange der K2 als Eigentümer eingetragen ist, also vereitelt der Erwerb des K2 die<br />

Verwirklichung des Anspruchs des K1. Demnach kann K1 auf Grund seiner Vormerkung von K2 Abgabe der für die Eintragung<br />

des K1 erforderlichen Erklärungen verlangen.<br />

(3) Infolge des Kaufvertrages muss E dem K1 gegenüber die für den Eigentumserwerb erforderlichen Erklärungen abgeben (soweit<br />

nicht schon geschehen), nämlich die Auflassungserklärung und die Eintragungsbewilligung".<br />

18. Rechtsprechung<br />

Auflassungsvormerkung und Belastungsvollmacht (BGH Beschl. v. 25. 3. 1999, NJW 1999, 2275 = JuS 1999, 1232)<br />

Gesicherter Anspruch befristet auf Tod des jetzigen Grundstücksübernehmers (BGH NJW 2002, 2874)<br />

Rangverhältnis mehrerer Vormerkungen (<strong>Dr</strong>esden NJW-RR 1999, 1177)<br />

Eigentümer-Besitzer-Verhältnis entspr. (BGH NJW 2000, 2899).<br />

19. Literatur<br />

Hager, Die Vormerkung, JuS 1990, S.429; Knöpfle, Die Vormerkung, JuS 1981, S.157; Schwerdtner, Die Auflassungsvormerkung,<br />

JURA 1985, S.316.<br />

20. Tochter Tina. Der verwitwete V übereignete 1982 seiner Tochter Tina mittels notariellen Vertrages sein Hausgrundstück und bewilligte<br />

und beantragte die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch. Nach diesem Vertrage durfte die T das Grundstück <strong>zu</strong><br />

Lebzeiten des V ohne seine Zustimmung nicht an einen anderen veräußern. V behielt sich das Recht vor, Rückübereignung verlangen<br />

<strong>zu</strong> können, wenn die T einen Vertrag abschließt, der sie <strong>zu</strong>r Übereignung des Grundstücks verpflichtet. V ließ auch eine entsprechende<br />

Vormerkung <strong>zu</strong>r Sicherung seines Rückübereignungsanspruch eintragen.<br />

Trotzdem verschenkte und übereignete die T 1989 das Grundstück an ihren Sohn S. S wurde als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen.<br />

V verweigert die Zustimmung. Aus dem Haus zog S Mieterträge in Höhe von 100 000,- DM.<br />

a) Hat V eine Möglichkeit, den Verkauf oder die Übereignungen irgendwie rückgängig <strong>zu</strong> machen?<br />

b) Kann V von T und S oder einem von ihnen Herausgabe der Mieterträge verlangen?<br />

(BGH Beschl. v. 5. bzw. l4. 12. 1996, WM 1997, 535 = NJW 1997, 861 = JuS 1997, 564, da<strong>zu</strong> Stadler, Jura 1998, 189; Beschl. v. 13.<br />

6. 2002, BGHZ 151, 116 = NJW 2002, 2461 = JURA-Telegramm 2003, 162; Urt. v. 19. 5. 2000; NJW 2000, 2899 = JuS 2000, 1119;<br />

BayObLG NJW-RR 2002, 1594).<br />

22. August 2011<br />

29


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Kapitel 11. Übergang der Vormerkung<br />

Kann ein Vormerkungsberechtigter die <strong>zu</strong> seinen Gunsten eingetragene Vormerkung auf einen anderen übergehen lassen?<br />

1. Eigentümer E hat an A sein Grundstück verkauft, aufgelassen und Vormerkung bewilligt. Eintragung ist noch nicht erfolgt.<br />

A hatte das Grundstück für 600 000,- Euro gekauft. A will es jetzt für 750 000,- Euro an B weiterverkaufen, B ist damit einversta<br />

den, will aber durch eine entsprechende Vormerkung gesichert werden.<br />

- Kann A an B die Vormerkung, die E für den A hat eintragen lassen, übertragen?<br />

- Würde B auf Grund der Vormerkung, die A auf ihn übertragen hat, sein Recht gegenüber Z durchsetzen,<br />

wenn E zwischenzeitlich für den Z Auflassung und Eintragung bewirkt hat?<br />

2. ,,Übertragung“ der ,,Vormerkung“<br />

1. § 401 I analog, mit Übertragung des gesicherten Rechts,<br />

insbesondere Abtretung, § 398, z. B. des Übereignungsanspruchs K gegen V,<br />

Übergang der Vormerkung als Sicherung, ohne besonderes weiteres Rechtsgeschäft,<br />

2. im allgemeinen formlos, vgl. § 125, und ohne Eintragung.<br />

3. Erwerber des gesicherten Rechts nebst Vormerkung kann seine Eintragung<br />

als Vormerkungsberechtigter im Wege der Grundbuchberichtigung herbeiführen (BayObLG NJW-RR 1999, 310),<br />

§ 894, aber erforderlich ist das nicht für Wirksamkeit des Übergangs der Vormerkung.<br />

3. Rechtlich unwirksam wäre die isolierte Übertragung der Vormerkung allein, ohne die <strong>zu</strong> sichernde Forderung.<br />

4. Gutgläubiger Zweit-erwerb der Vormerkung,<br />

d. h. Erwerb der eingetragenen, aber trotzdem unwirksamen Vormerkung<br />

von dem scheinbar Vormerkungsberechtigten? Zwei Fälle <strong>zu</strong> unterscheiden:<br />

1. Unwirksamkeit der Forderung oder<br />

2. Unwirksamkeit der Vormerkungsbewilligung.<br />

5. Kein gutgläubiger Zweiterwerb der unwirksamen Vormerkung,<br />

bei Unwirksamkeit der Forderung,<br />

dann ist infolge Akzessorietätsprinzip<br />

auch gutgläubiger Erwerb der Vormerkung ausgeschlossen (unstr.).<br />

D. h. Vormerkung wird nur akzessorisch <strong>zu</strong> Forderung übertragen, §§ 398, 401; wenn<br />

keine Forderung, dann auch keine Übertragung, kein gutgläubiger Erwerb einer Forderung.<br />

Nie gutgläubiger Erwerb der Vormerkung bei Fehlen eines <strong>zu</strong> sichernden Anspruchs;<br />

Ausnahme § 405, wirkt gemäß § 401 auch für Vormerkung.<br />

Raabestraße III. A hat an B ein Hausgrundstück an der Raabestraße verkauft, vereinbart wurde ein Kaufpreis von 2 Mio. Euro, beurkundet<br />

wurde ein Preis von nur 1,4 Mio. Euro. A bewilligte dem B die Eintragung einer Vormerkung, diese wurde eingetragen. Danach<br />

übertrug B seinen angeblichen Anspruch auf Erwerb des Hausgrundstücks und die diesbezügliche Vormerkung auf C. C glaubt<br />

an die Wirksamkeit des Kaufvertrages A - B, der Vormerkung und der Vereinbarung B - C. – Keine Rechte des C auf Grund Vormerkung.<br />

6. Aber gutgläubiger Zweiterwerb der unwirksamen Vormerkung<br />

wenn Anspruch besteht, §§ 892 f. analog (BGH, str.).<br />

1. Z. B. nach Unwirksamkeit der Vormerkungsbestellung wegen Bewilligung der Vormerkung durch Nichtberechtigten <strong>zu</strong><br />

Gunsten eines bösgläubigen Erwerbers, oder wegen gänzlichen Fehlens der materiellrechtlich erforderlichen Bewilligung des<br />

Berechtigten.<br />

2. Keine direkte Anwendung §§ 892 f., weil Vormerkung kein dingliches „Recht“ ist (unstr.).<br />

3. Bedenken gegen Analogie <strong>zu</strong> §§ 892 f.:<br />

- kein Erwerb des Zweiterwerbers kraft „Rechtsgeschäfts“, sondern infolge § 401 kraft Gesetzes,<br />

- kein Erwerb in Form des Liegenschaftsrechts,<br />

- kein Bedarf gutgläubigen Erwerbs.<br />

4. Aber für Analogie:<br />

- Vertrauen auf Grundbucheintragung,<br />

- rechtsgeschäftlicher Rechtsübergang gemäß § 398,<br />

- § 893 auch für Rechtsgeschäfte außerhalb Grundbuchs, z. B. Kündigung einer Hypothek.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

30


- Bedarf wegen Kettenveräußerung.<br />

Grundstücksrecht<br />

7. Vorausset<strong>zu</strong>ngen = Prüfungsfolge = Gutachten-Aufbau<br />

Gutgläubiger Zweiterwerb der unwirksamen Vormerkung für bestehenden Anspruch<br />

Alle Vorausset<strong>zu</strong>ngen für Zweiterwerb einer Vormerkung gemäß §§ 398, 401,nämlich<br />

1. Abtretung, § 398, z. B. des Übereignungsanspruchs K gegen V<br />

vom angeblichen Vormerkungsbegünstigten<br />

an den Zessionar als Vormerkungsempfänger.<br />

2. Existenz des ab<strong>zu</strong>tretenden und angeblich gesicherten Anspruchs,<br />

sorgfältig <strong>zu</strong> prüfen!<br />

3. Aber Berechtigung des abtretenden<br />

als angeblichem Vormerkungsbegünstigten fehlt,<br />

4. Jedoch ist Abtretender als Vormerkungsbegünstigter im Grundbuch<br />

eingetragen, §§ 892 f.<br />

5. Dem Zessionar als Vormerkungsempfänger<br />

ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht bekannt,<br />

und zwar im richtigen Zeitpunkt.<br />

6. Ein Widerspruch gegen die Richtigkeit der Vormerkung<br />

oder eine Berichtigung des Grundbuchs<br />

ist nicht oder nicht rechtzeitig eingetragen.<br />

In diesem Fall auch Widerspruch gegen die Vormerkung <strong>zu</strong>lässig, § 899<br />

(wirksam, solange der bösgläubige Vormerkungsberechtigte nicht weiterübertragen hat).<br />

8. Entenweiher. A ist der wirkliche Eigentümer des Grundstücks Entenweiher. Eingetragen als Eigentümers ist der Buchberechtigte B. B<br />

verkauft das Grundstück an den bösgläubigen C und bewilligt für den C Auflassungsvormerkung, dies am 1.Juli e wird eingetragen.<br />

Am 2. August verkauft und überträgt C seinen Anspruch gegen B an D, D hält den B für den Eigentümer. Am 3. September wird für<br />

den A ein Widerspruch gegen das Eigentum des B eingetragen. D wird als Grundstückseigentümer eingetragen. Aber A verlangt von<br />

D Zustimmung <strong>zu</strong>r Grundbuchberichtigung und Herausgabe des Grundstücks Entenweiher.<br />

Kapitel 12. Übertragung der Rechtsstellung des künftigen Erwerbers<br />

In der Praxis trat das Bedürfnis auf, dass der Grundstückskäufer seine wirtschaftliche und rechtliche Position weiter überträgt, schon bevor<br />

die Übereignung des Grundstücks an ihn vollendet ist. Die Gründe für dieses Bedürfnis sind die bekannten: Kreditbedarf, Zeitersparnis, Kostenminimierung.<br />

Die Juristen eilten, dieses Bedürfnis auf verschiedene Weise <strong>zu</strong> befriedigen. Problem und Lösung könnten sich für eine anwaltsorientierte<br />

Klausur anbieten:<br />

1. Möglichkeit. Auflassungsermächtigung durch den Veräußerer<br />

1. Unstr. kann Eigentümer = Veräußerer den (Erst-)Erwerber ermächtigen,<br />

dass (Erst-)-Erwerber<br />

im eigenen Namen Grundstück des Veräußerers<br />

an Zweiterwerber weiterveräußern kann, § 185, §§ 925, 873;<br />

formlos wirksam, § 182 II, falls nicht unwiderruflich; aber Beglaubigung wegen § 29 GBO.<br />

2. Im allgemeinen liegt in Auflassung (§§ 873, 925) von bisherigem Eigentümer = Veräußerer an Ersterwerber<br />

stillschweigend diese Zustimmung.<br />

3. Praktisch wichtig: nicht erforderlich, dass <strong>zu</strong>erst (Erst-)Erwerber im Grundbuch eingetragen wird,<br />

damit dann später Zweiterwerber eingetragen wird.<br />

4. Sogenannte Kettenauflassung, z. B. Erwerber kauft großes Grundstück, parzelliert es und verkauft Parzellen weiter.<br />

5. Diese Verfügungsermächtigung nach § 185 ist weiter übertragbar von Zweiterwerber auf <strong>Dr</strong>itterwerber etc.<br />

6. Wenn § 185, ist Konstruktion über Anwartschaftsrecht entbehrlich;<br />

gerade dann von Bedeutung, wenn Erwerber noch kein Anwartschaftsrecht hat.<br />

7. Nachteil: Erst-Veräußerer kann diese Ermächtigung widerrufen (auch wenn er es nicht dürfte), § 183,<br />

so dass Verfügung an <strong>Dr</strong>itterwerber unwirksam ist.<br />

8. Entscheidungen: Auflassungsermächtigung betr. Anteile an Grundstücksgesellschaft (BGH Urt.v. 22.11. 1996, WM 1997, 480);<br />

Ausschluss der Auflassungsermächtigung (BGH Urt.v. 22.11. 1996, WM 1997, 480).<br />

22. August 2011<br />

31


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. Möglichkeit. Übertragung des Auflassungsanspruchs aus Kaufvertrag,<br />

§ 398, zweifelsohne formfrei.<br />

Nachteil für Zweiterwerber: rein obligatorische Vorgänge,<br />

keinerlei grundbuchliche Sicherung oder Publizität.<br />

Auflassung <strong>zu</strong>r Darlehenssicherung. Die A ist Eigentümerin eines Grundstücks. In einem notariellen Vertrag von 1982 gewährte die Bank B<br />

der A ein Darlehen von 3,9 Mio. DM. In derselben Urkunde räumte A der B ein Ankaufsrecht für die Dauer von 26 Monaten ab Auszahlung<br />

des Darlehens bezüglich dieses Grundstücks ein. Das Ankaufsrecht berechtigte die B, den Abschluss eines Kaufvertrages <strong>zu</strong> 3,9 Mio. DM<br />

sowie die Übereignung des Grundstücks <strong>zu</strong> verlangen, falls das Darlehen länger als zwei Monate nach dem Rückzahlungstermin noch nicht<br />

vollständig <strong>zu</strong>rückgezahlt und A von B gemahnt worden war. In derselben Urkunde bewilligte die A der B die Eintragung einer Vormerkung<br />

<strong>zu</strong>r Sicherung des sich aus dem Ankaufsrecht ergebenden Übereignungsanspruchs. Zum Schluss heißt es in der Urkunde: „Weitere Abreden<br />

wurden nicht getroffen“. Die Vormerkung wurde eingetragen. Das Darlehen wurde 1982 ausgezahlt.<br />

1983 trat die B den Anspruch auf Abschluss eines Grundstückskaufvertrages mit der A und den künftigen Übereignungsanspruch auf Grund<br />

dieses Grundstückskaufvertrages an die C ab und bewilligte die Eintragung der Abtretung bei der Auflassungsvormerkung im Grundbuch im<br />

Wege der Grundbuchberichtigung. (Nach: BGH JuS 2002, 1594; BayObLG NJW-RR 1997, 590; und 1999, 309; sowie 2002, 1594).<br />

3. Möglichkeit. Sogenannte „Übertragung der Auflassungsvormerkung“<br />

1. D. h. genauer:<br />

als akzessorisches Recht folgt Vormerkung analog § 401<br />

der Abtretung der Forderung auf Grundstücksübereignung<br />

aus dem Kaufvertrag, § 398.<br />

Sowohl der entsprechende Verpflichtungsvertrag als auch die Abtretung<br />

sind formfrei.<br />

2. Aber möglich Ausschluss der Abtretbarkeit der Vormerkung (BayObLG NJW-RR 1999, 310).<br />

3. Nach verbreiteter Ansicht begründet auch Vormerkung ein Anwartschaftsrecht.<br />

4. Möglichkeit. Übertragung der Auflassungs-Anwartschaft<br />

Bereits die Auflassung (§§ 873, 925) allein (ohne Eintragungsantrag an das Grundbuchamt<br />

oder Eintragung in das Grundbuch) begründet für den Auflassungsempfänger (den Ersterwerber)<br />

eine in gewissem Maße gesicherte Rechtsstellung. Diese kann man als Anwartschaft<br />

(nicht etwa: Anwartschaftsrecht) bezeichnen und in der Form des § 925, ohne Eintragung,<br />

übertragen.<br />

5. Möglichkeit. Übertragung des Auflassungsanwartschaftsrechts<br />

1. Der Ausgangssatz könnte lauten: „Der Zweiterwerber kann das Auflassungsanwartschaftsrecht erwerben, wenn der Ersterwerber ein<br />

solches hatte und auf den Zweiterwerber übertragen kann“.<br />

2. Anwartschaftsrecht – eine einhellig anerkannte Definition fehlt. Ein Anwartschaftsrecht<br />

wird angenommen, wenn von einem mehraktigen Entstehungs- oder Übertragungstatbestand<br />

eines Rechts so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Veräußerer die Rechtsposition<br />

des Erwerbers nicht mehr durch einseitige Erklärung zerstören kann;<br />

... wenn der Erwerb des Vollrechts nur noch vom Erwerber abhängt.<br />

3. Eine solche Rechtsposition hat Ersterwerber<br />

1. Auf jeden Fall erforderlich: notarielle Auflassung, §§ 873 I und II, 925.<br />

Denn in diesem Fall:<br />

1. Wirksambleiben der Willenserklärungen<br />

nach Tod oder Geschäftsunfähigkeit, § 130 II.<br />

2. V kann die Auflassungserklärung nicht mehr widerrufen<br />

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32


Grundstücksrecht<br />

unter den Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 873 II.<br />

2. Da<strong>zu</strong> außerdem erforderlich<br />

Erfolgter Eintragungsantrag durch Ersterwerber K. Denn in diesem Fall:<br />

1. (Spätere) Verfügungsbeschränkungen des V sind unerheblich,<br />

wichtigster Fall: Insolvenz, § 106 InsO,<br />

unter den Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 873 II + Eintragungsantrag, § 878.<br />

2. V kann den Eintragungsantrag nicht mehr <strong>zu</strong>rücknehmen,<br />

wenn Erwerber diesen gestellt hat, arg. §§ 13, 31 GBO.<br />

3. V kann zwar wirksam Antrag <strong>zu</strong>r Eintragung eines <strong>Dr</strong>itten stellen,<br />

aber das Grundbuchamt soll diesen<br />

nicht vor Erledigung eines früher gestellten erledigen, §§ 17, 45 GBO.<br />

4. Nachträglicher böser Glaube des Erwerbers schadet nicht, § 892 II.<br />

4. Grundsätzlich Schutz des Auflassungsanwartschaftsrechts als absolutes Recht<br />

vergleichbar dem Eigentum gemäß §§ 985, 1004, 823 I.<br />

5. Übertragbarkeit des Auflassungsanwartschaftsrechts<br />

des künftigen (Erst-)-Erwerbers auf einen Zweiten<br />

1. durch Auflassung, aber ohne Eintragung, §§ 925, 873,<br />

2. Str. ob außerdem <strong>zu</strong>sätzlich erforderlich Antrag auf Eintragung des Zweiterwerbers<br />

als neuer Grundstückseigentümer.<br />

3. Nicht erforderlich sind für den Erwerb des Anwartschaftsrechts durch den Zweiterwerber<br />

1. Eintragung<br />

1. des Ersterwerbers oder<br />

2. des Zweiterwerbers,<br />

2. Zustimmung des Veräußerers = (Noch-)-Eigentümers.<br />

4. Zweiterwerber kann gemäß § 20 GBO unter Vorlage<br />

1. der Auflassung des Veräußerers an Ersterwerber und<br />

2. der Auflassung des Anwartschaftsrechts<br />

von Ersterwerber an Zweiterwerber<br />

beim Grundbuchamt direkt seine Eintragung als neuer Eigentümer beantragen, § 13 GBO.<br />

6. Folge: Direkterwerb des Zweiterwerbers vom Erst-Veräußerer,<br />

ohne Zwischenerwerb des Ersterwerbers.<br />

7. Schuldrechtlicher Verpflichtungsvertrag <strong>zu</strong>r Übertragung des Anwartschaftsrechts zwischen Ersterwerber<br />

und Zweiterwerber ist formbedürftig, § 311 b I.<br />

3. TEIL. BESTELLUNG DER HYPOTHEK<br />

Hypotheken und Grundschulden, die wichtigsten Grundpfandrechte, spielen als Realkredite in der wirtschaftlichen und deswegen auch in der<br />

juristischen Praxis eine große Rolle und sind darum wiederholt Gegenstand von Klausuren. In großem Umfang kann auf das bisher Wiederholte<br />

verwiesen werden. Sie werden gleich sehen, dass für die Bestellung einer Hypothek weitgehend die bisher erarbeiteten Regeln gelten.<br />

Kapitel 1. Grundlagen<br />

1. Ausgangsfall Kiefernwald: „Eigentümer Ewald hat bei der Bank B ein Darlehen über 50 000,- Euro aufgenommen. Zur Sicherung des<br />

Rückzahlungsanspruchs der Bank B hat E an seinem Grundstück, dem Kiefernwald, <strong>zu</strong> Gunsten der B eine Hypothek bestellt. E zahlt<br />

seine Schuld nicht <strong>zu</strong>rück. B fragt nach ihren Rechten.“<br />

22. August 2011<br />

33


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Der Ausgangssatz könnte lauten: „B kann gegen E einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens gemäß § 488 I 2 Halbs. 2 (Klausurhinweis:<br />

meistens empfiehlt sich als erste die Prüfung des Darlehens) und einen Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung<br />

in das Grundstück des E nach § 1147 haben.<br />

Wirksamkeit des Darlehens, Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs...<br />

Wirksamkeit der Hypothek: Zu prüfen ist, ob die Hypothek wirksam für B bestellt worden ist und nach wie vor der B <strong>zu</strong>steht. B hat<br />

die Hypothek erworben, wenn sich E und B über die Bestellung der Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten der B einig waren, die Hypothek für die B<br />

im Grundbuch eingetragen wurde, E Eigentümer des Grundstücks war und wenn E der B den Hypothekenbrief ausgehändigt oder<br />

wenn er ihr eine Buchhypothek bestellt hat und wenn schließlich die B dem E das Darlehen ausgezahlt hat....“<br />

2. Legaldefinition der Hypothek, § 1113 I.<br />

3. Verständnisproblem<br />

Die Hauptschwierigkeit für das Verständnis der Hypothek besteht darin,<br />

dass nach der allgemeinen Auffassung im Wirtschaftsleben die Hypothek (als Recht an einem Grundstück) das Wesentliche ist,<br />

während nach der Konstruktion des BGB die Hypothek lediglich ein Sicherungsrecht an einem Grundstück ist,<br />

um eine bestimmte Forderung des Gläubigers <strong>zu</strong> sichern.<br />

Das BGB liefert nun bestimmte Regeln, um dieses Sicherungsrecht, die Hypothek,<br />

<strong>zu</strong> begründen, <strong>zu</strong> übertragen und <strong>zu</strong> verwirklichen<br />

(ähnlich wie das BGB bestimmte Regeln für die anderen Sicherungsrechte, nämlich Bürgschaft und Pfandrecht, aufgestellt hat).<br />

4. „Grundpfandrechte“<br />

Hypotheken und Grundschulden, da<strong>zu</strong> die seltenen Rentenschulden<br />

werden als „Grundpfandrechte“ <strong>zu</strong>sammengefasst.<br />

5. Verschiedene Arten von Hypotheken und Grundschulden,<br />

je nach den Unterscheidungskriterien, die man als Akzessorietät, Brief und Berechtigung bezeichnen könnte.<br />

1. Grad der Abhängigkeit der Hypothek von der gesicherten Forderung, Frage der Akzessorietät:<br />

Sicherungs-hypothek (Vorsicht: Sicherungs-Grundschuld ist etwas ganz anderes) / Verkehrs-Hypothek / Grundschuld<br />

2. Ausstellung oder Ausschluss des Hypotheken- bzw. Grundschuldbriefes:<br />

Brief-Hypothek und Brief–Grundschuld / Buch-Hypothek und Buch–Grundschuld<br />

3. Berechtigung aus der Hypothek bzw. Grundschuld für einen <strong>Dr</strong>itten (als Gläubiger), so der Normalfall<br />

oder ausnahmsweise für den Grundstückseigentümr selbst:<br />

Fremd-Hypothek und Fremd-Grundschuld./ Eigentümer-Hypothek und Eigentümer–Grundschuld /<br />

6. Wichtige Bestimmungen<br />

Es kommt immer wieder auf die folgenden, sehr wichtigen Bestimmungen an.<br />

Wenn Sie diese Bestimmungen behalten können, dürfen Sie sich in diesem Bereich ziemlich sicher fühlen.<br />

- § 1113: Legaldefinition,<br />

Beginn der Bestimmungen <strong>zu</strong>r Hypothek und Grundschuld<br />

- § 1147: Anspruchsnorm<br />

- § 873: Einigsein, Eintragung und Berechtigung<br />

- §§ 1163, 1177: Fehlen der Forderung - Eigentümerhypothek - Eigentümergrundschuld<br />

- §§ 873 I, 1157, 1163 und 1177, 1137 I: Einwendungen und Einreden<br />

- § 892 und §§ 1140, 1157 und §§ 1138; 1155: guter Glaube<br />

- § 1154: Abtretung<br />

- § 1120: Mithaftende Gegenstände<br />

- § 1191: Grundschuld.<br />

7. Beteiligte<br />

1. Hypothekengläubiger und Gläubiger der gesicherten persönlichen Forderung, soll immer identisch sein,<br />

das ist der Hypothekar (G).<br />

2. Eigentümer des belasteten Grundstücks (E).<br />

3. Persönlicher Schuldner (S), Eigentümer und Schuldner können identisch sein,<br />

können aber auch verschiedene Personen sein.<br />

8. 2 Anspruchsnormen besonders häufig:<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

34


Grundstücksrecht<br />

1. auf Grund Hypothek § 1147, Lesen!<br />

Nämlich Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück.<br />

Daher gelten Hypothek und Grundschuld als dingliche Verwertungsrechte (so wie Pfandrecht).<br />

2. Daneben der persönliche Anspruch z. B.<br />

1. auf Darlehensrückzahlung, § 488 I 2, oder<br />

2. auf Kaufpreiszahlung, § 433 II Halbs.1.<br />

9. Dinglicher und persönlicher Anspruch kommen nebeneinander in Betracht,<br />

1. sei es gegen denselben Beklagten, sei es gegen verschiedene.<br />

2. Die Prüfung dieser beiden Ansprüche können <strong>zu</strong> unterschiedlichen Ergebnissen führen, z. B.<br />

Bejahung des dinglichen Anspruchs, § 1147, aber Ablehnung der persönlichen Forderung.<br />

10. Prüfungsfolge = Gutachtenaufbau = Klausurhinweise für § 1147.<br />

Da<strong>zu</strong> muss man meistens chronologisch prüfen:<br />

1. Bestellung der Hypothek<br />

1. Hat damaliger Grundstückseigentümer<br />

wirksam Hypothek oder Grundschuld für einen Gläubiger bestellt?<br />

2. Wenn nicht: Hat dann der Erstgläubiger gutgläubig Hypothek oder Grundschuld vom Nichtberechtigten erworben?<br />

3. Wenn nicht: Hat vielleicht Zweitgläubiger gutgläubig vom nichtberechtigten Erstgläubiger erworben?<br />

2. Fortbestand der Hypothek - Ist Hypothek inzwischen<br />

1. erloschen (selten) oder<br />

2. auf einen anderen Hypothekengläubiger (= Hypothekar) übergegangen?<br />

3. Übertragung der Hypothek - Hat der jetzige angebliche Gläubiger die Hypothek<br />

1. durch Erwerb vom Berechtigten<br />

2. oder gutgläubig vom Nichtberechtigten erworben?<br />

4. Einreden<br />

1. Hat Eigentümer Einreden gegen die Hypothek oder Grundschuld?<br />

2. Hat der neue Gläubiger die Hypothek gutgläubig einrede-frei erworben?<br />

Selbstverständlich nur auf diejenigen Punkte näher eingehen, die im konkreten Fall Anlass <strong>zu</strong> Zweifeln geben.<br />

11. Wenn sich E wegen der Hypothek in einer vollstreckbaren Urkunde<br />

der sofortigen Zwangsvollstreckung wegen der Hypothek unterworfen hat, § 794 I Nr. 5 ZPO,<br />

dann kann G ohne weiteres auf Grund dieser Urkunde die Zwangsvollstreckung in das Grundstück betreiben.<br />

E kann diese Urkunde sogar mit Wirkung gegenüber späteren Eigentümern desselben Grundstücks errichten, § 800 ZPO.<br />

12. Grundsätzlich fünf Vorausset<strong>zu</strong>ngen für Bestellung der Hypothek <strong>zu</strong> prüfen:<br />

Zuerst wie bei Übereignung, § 873<br />

1. Einigsein, § 873<br />

2. Eintragung, § 873<br />

3. Berechtigung, § 873,<br />

Da<strong>zu</strong> zwei wichtige Besonderheiten<br />

4. Brief-<br />

1. entweder Übergabe, oder<br />

2. Ausschluss des Briefes, §§ 1116 f., und<br />

5. Forderung, § 1113 (nicht bei Grundschuld, §§ 1191 f.).<br />

13. Schulfall: Reiff und Arnold, Jura 1999, 474.<br />

14. Budenbender, Grundsätze des Hypothekenrechts, JuS 1996, 665; Reischl, Grundfälle, JuS 1998, 125, 220, 318, 414, 516, 614.<br />

Kapitel 2. Bestellung der Hypothek: Einigsein, § 873<br />

1. Im Wesentlichen wie bei der Auflassung (§ 873, aber ohne § 925).<br />

Kein materiellrechtliches Formerfordernis. Aber § 29 GBO.<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. Unwirksamkeits- und Nichtigkeitsgründe insbesondere auf Grund des Allgemeinen Teils, dieselben Gründe,<br />

die auch die Übereignung verhindert hätten. Wuchereinwand erfasst auch die dingliche Sicherung.<br />

Sorgfältig unterscheiden, ob Unwirksamkeitsgründe das Einigsein hinsichtlich der Hypothek<br />

(oder hinsichtlich der Forderung) betreffen.<br />

3. Keine Bestellung eines Grundpfandes ohne wirksame Mitwirkung des Begünstigten,<br />

kein dinglicher Vertrag <strong>zu</strong> Gunsten <strong>Dr</strong>itter (str.).<br />

Verkäuferkind. V verkauft Grundstück an K. Einen Teil des Kaufpreises soll K in der üblichen Weise an V zahlen, einen Teil an ein<br />

Kind des V. Zur Sicherung dieses Anspruchs des Kindes wurde eine Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten des Kindes vereinbart, ohne dass das Kind<br />

an dem Vertragsabschluß beteiligt war. Im übrigen wurden Schuldvertrag, Grundstücksübereignung und Hypothekenbestellung ordnungsgemäß<br />

vereinbart, die Grundsbucheintragungen sind erfolgt.<br />

1. Ist das Verkäuferkind Inhaberin der Hypothek geworden? BGH verneint.<br />

Lehre bejaht mit verschiedenen Konstruktionen und Differenzierungen, z. B.<br />

- Zuerst Eintragung, dann später Einigung Kind mit Käufer.<br />

- Oder: Handeln des V als vollmachtloser Vertreter des Kindes, das später genehmigt.<br />

2. Ist wenigstens eine Eigentümergrundschuld entstanden, analog §§ 1163, 1177 ?<br />

Überwiegende Meinung verneint.<br />

4. Bei oder nach der Bestellung der Hypothek können der Eigentümer und der Gläubiger<br />

weitere Abreden treffen,<br />

z. B. Abrede zwischen E und G, dass die Hypothek nur nach bestimmter Mahnung, oder erst bei Nichtzahlung des persönlichen<br />

Schuldners, oder erst nach Verwertung bestimmter anderer Sicherheiten geltend gemacht werden kann.<br />

1. Wirksam auch ohne Eintragung, vgl. § 1157 I 1.<br />

2. Wirken als Einreden des E gegenüber G.<br />

Wichtig, die Einreden gegen die Hypothek <strong>zu</strong> unterscheiden von Einreden gegen die persönliche Forderung.<br />

5. Wirkung der Einreden des E gegen die Hypothek als solche:<br />

E kann die Duldung der Zwangsvollstreckung (vorübergehend) verweigern, vgl. § 1157.<br />

6. Konsequenzen eines Fehlers bei der Einigung<br />

1. Einwendung des Eigentümers,<br />

im Wesentlichen dieselben Konsequenzen wie bei fehlender oder fehlerhafter Auflassung.<br />

Trotz Eintragung ist Hypothek nicht entstanden, Berichtigungsanspruch und Widerspruch.<br />

2. Keine Eigentümergrundschuld (str.),<br />

gegen Eigentümergrundschuld: arg.e contrario (nicht: Analogie) § 1163,<br />

erheblich schwererer Fehler als bei Fehlen von Forderung oder von Brief,<br />

Rechtsklarheit.<br />

3. Ein-reden hingegen<br />

beeinträchtigen zwar nicht die Wirksamkeit der Hypothek,<br />

können aber vom Eigentümer dem Gläubiger entgegengesetzt werden.<br />

7. Rechtsprechung<br />

Grenzen der Schutzwirkung des § 878 (BGH Urt.v. 17. 6. 1997, BGHZ 136, 87 = WM 1997, 1745); überraschende Klausel für alle<br />

bestehenden und künftigen Ansprüche ( BGH WM 1997, 1324; BGH Urt. v. 24. 6. 1997, WM 1997, 1615; Hamm, Urt. v. 17. 12.<br />

1998, WM 1999, 2005).<br />

Eintragungsverfahren nach der GBO.<br />

Kapitel 3. Eintragung, § 873<br />

Kapitel 4. Berechtigung, § 873, oder gutgläubiger Erwerb, § 892<br />

1. Bestellung durch Eigentümer als den Berechtigten.<br />

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Grundstücksrecht<br />

2. Dieselben Unwirksamkeitsgründe auf Grund Allgemeinen Teils, Personen- und Familienrechts etc.<br />

wie bei der Auflassung. Z. B. § 1365, wenn Verkehrswert des Grundstücks nahe<strong>zu</strong> ausgeschöpft wird.<br />

3. Schulfall Kohlenhandlung I. S nahm für den Betrieb seiner Kohlenhandlung persönlich bei G einen Kredit über 240 000,- Euro auf;<br />

der Kredit wurde ihm ordnungsgemäß ausgezahlt. Zur Sicherung hatte der V in Vertretung des E für G eine Hypothek am Grundstück<br />

des E bestellt. Einigung mittels Stellvertretung des V für E, Eintragung im Grundbuch des Grundstücks des E und Briefübergabe von<br />

V als Vertreter des E an G sind erfolgt. Nun stellt sich heraus, dass V keine Vertretungsmacht hatte, für E <strong>zu</strong> handeln, E lehnt eine<br />

Genehmigung ab, § 177.<br />

Ist die Hypothek wirksam begründet worden? Nein, § 873 I.<br />

Rechtshindernde Einwendung des E gegen den Bestand der Hypothek.<br />

Kein Schutz des guten Glaubens des G an Vertretungsmacht des V.<br />

(Zum Fortbestand der Einwendung auch gegenüber einem neuen Gläubiger und dessen gutgläubigen Erwerb s. u.).<br />

4. Belastungsvollmacht oder –ermächtigung.<br />

1. Durch diese ermöglicht der Veräußerer und noch berechtigte Eigentümer dem Käufer, dass dieser bei einem <strong>Dr</strong>itten einen Kredit<br />

<strong>zu</strong>r Finanzierung des Kaufpreises aufnimmt und diesen Kredit durch die Hypothek oder Grundschuld auf dem Grundstück,<br />

das dem Käufer ja noch nicht gehört, sichert.<br />

2. Grenzen der Ermächtigung: Verkäufer E ermächtigt Käufer K <strong>zu</strong>r Bestellung einer Hypothek zwecks Kaufpreisfinanzierung<br />

mit der Klausel: „Der Verkäufer bevollmächtigt den Käufer, bereits jetzt, im Rahmen der Finanzierung des Kaufpreises, die<br />

Eintragung von Grundpfandrechten auf dem veräußerten Grundeigentum <strong>zu</strong> bewilligen und <strong>zu</strong> beantragen“. K nimmt bei der<br />

Bank B eine Hypothek auf, jedoch für sonstige eigene Geschäftszwecke. Später zerschlägt sich der Kaufvertrag und K zahlt<br />

auch seine Schulden bei B nicht <strong>zu</strong>rück. Anspruch der Bank B gegen E nach § 1147?<br />

Ermächtigung von E an K deckte nicht Hypothek <strong>zu</strong>r Sicherung sonstiger Geschäftsverbindlichkeiten. Also fehlte Berechtigung<br />

des K. Kein guter Glaube der B. Kein Recht der B.<br />

5. Konsequenzen eines Fehlers hinsichtlich der Berechtigung<br />

Hypothek nicht wirksam entstanden, trotz evtl. Eintragung.<br />

Im Wesentlichen dieselben Konsequenzen wie bei fehlender oder fehlerhafter Auflassung,<br />

aber u. U. gutgläubiger Ersterwerb der Hypothek.<br />

Keine Eigentümerhypothek oder –grundschuld.<br />

6. Gutgläubiger Erst-Erwerb der Hypothek<br />

1. Wenn die dingliche Einigung des Gläubigers<br />

nicht mit dem wirklichen Grundstückseigentümer<br />

oder dessen Bevollmächtigten oder Ermächtigten erfolgt,<br />

dann kommt allenfalls der gutgläubige Erst-Erwerb der Hypothek in Betracht,<br />

§ 892, nach denselben Regeln wie der gutgläubige Eigentumserwerb.<br />

2. Adlerhorst. Anton ist Eigentümer des Grundstücks Adlerhorst. Er übereignet es mittels Einigseins und Eintragung an Bertram.<br />

A ist noch minderjährig, was A und B wissen, der Notar aber übersieht. B bestellt an dem Grundstück für ein ihm gewährtes<br />

Darlehen der Kreissparkasse C eine Hypothek. C hält den B für den Eigentümer. Kann C aus der Hypothek gegen A oder B<br />

vorgehen?<br />

Eigentum des A ist nicht auf B übergegangen. C hat Hypothek am Grundstück des A, persönliche Forderung gegen B.<br />

3. Entscheidender Zeitpunkt, § 892:<br />

1. Zwar braucht G nicht mehr bei Eintragung gutgläubig <strong>zu</strong> sein, weil er auf diesen Zeitpunkt keinen Einfluss hat.<br />

2. Aber Gutgläubigkeit erforderlich bei letztem Vorgang, der von G abhängig ist,<br />

also bei Einigung bzw. Antrag bzw. Valutierung bzw. Briefübergabe, § 892 II entspr.<br />

3. Widerspruch oder Grundbuchberichtigung vor Eintragung der Hypothek für G schadet immer,<br />

auch wenn G davon nichts weiß, § 892 I.<br />

7. Vorausset<strong>zu</strong>ngen = Prüfungsfolge = Gutachten-Aufbau für gutgläubigen Ersterwerb der Hypothek<br />

Alle Vorausset<strong>zu</strong>ngen für Hypothek gemäß §§ 873, 1116 f., 1113, nämlich<br />

1. Einigsein, § 873<br />

2. Eintragung, § 873<br />

3. Brief Übergabe oder Ausschluss des Briefes, §§ 1116 f., und<br />

4. Forderung, § 1113 (nicht bei Grundschuld, §§ 1191 f.).<br />

Aber<br />

5. Berechtigung des Bestellers der Hypothek, des angeblichen Eigentümers, fehlt.<br />

Stattdessen<br />

6. Besteller der Hypothek ist im Grundbuch eingetragen, § 892.<br />

7. Dem Hypothekengläubiger ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht bekannt.<br />

8. Widerspruch oder Grundbuchberichtigung ist nicht eingetragen.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

8. Rechtsprechung<br />

gutgläubiger Ersterwerb einer Grundschuld vom Nichteigentümer (BGH NJW 2001, 1069); Grenzen der Schutzwirkung des § 878<br />

(BGH Urt.v. 17. 6. 1997, BGHZ 136, 87 = WM 1997, 1745); mangelnde Geschäftsfähigkeit bei Einigung (Koblenz Urt. v. 29. 1.<br />

1998, WM 1999, 2068); Auflassungsvormerkung und Belastungsbevollmächtigung für Käufer (BGH Beschl. v. 25. 3. 1999, WM<br />

1999, 969); Weitergabe der Belastungsbevollmächtigung (Düsseldorf, NJW-RR 1999, 1178); Unwirksamkeit einer Vollmacht (Köln,<br />

NJW-RR 2001, 652).<br />

Kapitel 5. Hypothekenbrief, §§ 1116 f.<br />

E hat dem G ordnungsgemäß eine Hypothek bestellt. Nun stellt das Grundbuchamt dem E (!) einen Hypothekenbrief <strong>zu</strong>r Verfügung. Was ist<br />

der Hypothekenbrief, wie erfolgt seine Ausstellung, welchen Zweck hat er, was soll E mit dem Hypothekenbrief machen?<br />

1. Streichmann. Streichmann erhält von der Bank Blaustein die Zusage eines Darlehens über 45 000,- Euro und lässt auf seinem Grundstück<br />

vereinbarungsgemäß für B eine Hypothek eintragen. Aus irgendeinem Grund kommt es wider Erwarten weder <strong>zu</strong>r Auszahlung<br />

des Darlehens an S noch <strong>zu</strong>r Übergabe des Hypothekenbriefes an die Bank B.<br />

1. Ist B Inhaber der Hypothek geworden?<br />

1. Keine Auszahlung der Forderung, § 1163 I 1.<br />

2. Keine Briefübergabe, § 1117 I 1.<br />

Also nein.<br />

2. Besteht für S die Gefahr, dass B über die für B eingetragene Hypothek an einen gutgläubigen Erwerber verfügt?<br />

§ 1154 I 1 verlangt Briefübergabe, also nein.<br />

2. Der Hypothekenbrief ist die über eine Hypothek vom Grundbuchamt ausgestellte öffentliche Urkunde.<br />

3. Zweck: Übertragbarkeit und damit Umlauf der Hypothek erleichtern.<br />

Deswegen besonders wichtig die Übertragungsregeln für die Hypothek, §§ 1154 f.<br />

4. Ob Hypothekenbrief als Wertpapier an<strong>zu</strong>sehen ist, hängt von der Definition des WP ab.<br />

Abgesehen von der Begründung der Hypothek gemäß § 1117 I, keine selbständige Übereignung des Hypothekenbriefs,<br />

sondern § 952: das Recht „an“ dem Papier folgt dem Recht „aus“ dem Papier.<br />

- Weiter WP-Begriff: eine Urkunde, deren Innehabung Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Geltendmachung des in ihr verbrieften Rechts ist.<br />

Demnach ja.<br />

- Enger WP-Begriff: eine Urkunde, bei der durch die Verfügung über die Urkunde über das in ihr verbriefte Recht verfügt wird<br />

(Hauptfall: Wechsel). „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht an dem Papier. Demnach nein.<br />

5. Die Brieferteilung ist die Regel, § 1116 I, sie kann aber ausgeschlossen werden, § 1116 II.<br />

Brief- oder Buch-Hypothek, -Grundschuld und -Rentenschuld,<br />

je nachdem, ob Brieferteilung nicht ausgeschlossen oder ausgeschlossen wird.<br />

6. Bei Bestellung des Grundpfandrechts erforderlich,<br />

1. 1. Entweder muss Eigentümer Brief an Grundpfandgläubiger übergeben,<br />

2. oder Aushändigungsabrede, § 1117 II,<br />

3. oder Übergabesurrogat, §§ 1117 I, 929 – 931,<br />

2. oder Parteien schließen wirksam Erteilung des Briefes aus, §§ 1116 II.<br />

Kann nachträglich geändert werden, § 1116 III.<br />

7. Funktionen des Hypothekenbriefes insbes. bei Erwerb der Hypothek (§ 1117 I), Übertragung (§§ 1154 ff.), Belastung mit Pfandrecht<br />

oder Nießbrauch, Geltendmachung (§§ 1160 f.), Befriedigung (§ 1144); wichtig für gutgläubigen Zweiterwerb.<br />

8. Konsequenzen eines Fehlers hinsichtlich des Hypothekenbriefs<br />

Wenn Brieferteilung nicht ausgeschlossen,<br />

Brief aber noch nicht von Eigentümer an Gläubiger ausgehändigt,<br />

1. dann ist Hypothek nicht unwirksam,<br />

2. auch keine Hypothek für Gläubiger, sondern<br />

3. Eigentümergrundschuld, § 1163 II, § 1177 I 1.<br />

Zweck: eine Art gesetzliches Zurückbehaltungsrecht des Eigentümers.<br />

Kapitel 6. Forderung, § 1113<br />

Wie schon gesagt, dient die Hypothek eigentlich der Sicherung einer persönlichen Forderung, insbesondere aus Darlehen, aber etwa auch <strong>zu</strong>r<br />

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Grundstücksrecht<br />

Sicherung der Kaufpreisforderung des Grundstücksverkäufers (insofern ersetzt sie den bei Grundstücken wegen § 925 II nicht möglichen Eigentumsvorbehalt)<br />

oder <strong>zu</strong>r Sicherung eines Ausgleichsanspruchs zwischen Miterben. Was passiert nun, wenn die Forderung nicht entstanden<br />

oder wenn sie schon wieder erloschen oder wenn sie mit einer Einrede (durch den persönlichen Schuldner) behaftet ist?<br />

1. Kiesgrube I. K kaufte von V ein Grundstück mit einer Kiesgrube für 50 000,- Euro; der Kaufpreis soll in 10 Jahresraten <strong>zu</strong> je 5000,-<br />

Euro bezahlt werden. Zur Sicherung der Kaufpreisforderung bestellte der E an einem Grundstück des E für den V eine Hypothek. Da<br />

die Ausbeutung der Kiesgrube geringer ist, als zwischen V und K vereinbart, tritt K von dem Kaufvertrag wirksam <strong>zu</strong>rück. Ist die<br />

Hypothek trotzdem wirksam? Müssen E und K befürchten, dass V trotzdem aus der Hypothek gegen E vorgehen wird?<br />

2. Der Grund für viele Schwierigkeiten des Hypothekenrechts<br />

liegt in der Verbindung von Hypothek und persönlicher Forderung.<br />

Der Zweck der Hypothek besteht in der Sicherung einer bestimmten Forderung.<br />

Daher unterscheidet das Gesetz scharf<br />

1. Hypothek mit der Rechtsbeziehung E – G und<br />

2. persönliche Forderung mit der Rechtsbeziehung S - G.<br />

Diese Unterscheidung bleibt selbst dann grundlegend,<br />

wenn der Grundstückseigentümer E und der persönliche Schuldner S identisch ist.<br />

3. Das BGB kennt keine Hypothek ohne Forderung. Ein Grundpfandrecht ohne <strong>zu</strong> sichernde Forderung<br />

ist eine Grundschuld, keine Hypothek.<br />

4. Immobiliardarlehensvertrag, Legaldefinition § 492 I a S. 2, im Wesentlichen §§ 488 – 498.<br />

Verbraucherdarlehen umfasst auch Immobiliardarlehensvertrag, § 491 I a S. 2, mit:<br />

Definition des Verbraucherdarlehens (§ 491 I), Schriftformerfordernis und Formmangel (§§ 492, 494),<br />

Widerrufsrecht binnen 2 Wochen (§§ 495, 355, 506 III).<br />

Spezialregeln: Ver<strong>zu</strong>gszinsen und Teilleistungen (§ 497 f.), Widerrufsrecht (§ 506).<br />

5. Wenn die Forderung, die durch die Hypothek gesichert werden soll,<br />

(noch) nicht entstanden ist,<br />

wenn z. B. Darlehensvertrag nicht <strong>zu</strong>stande gekommen ist oder wenn z. B. das Darlehen, dessen Rückzahlung gesichert werden soll,<br />

noch nicht vom Gläubiger an den Schuldner ausgezahlt ist (also rechtshindernde Einwendung bezüglich Forderung),<br />

d. h. wenn Hypothek noch nicht valutiert ist,<br />

1. dann ist Hypothek nicht unwirksam,<br />

2. auch keine Hypothek für Gläubiger, sondern<br />

3. Eigentümergrundschuld, § 1163 I 1, § 1177.<br />

Dasselbe gilt, wenn Forderung erloschen ist., § 1163 I 2.<br />

6. Es kann sich auch ergeben, dass die Forderung, die eigentlich gesichert werden sollte,<br />

aus den allgemeinen Gründen unwirksam ist, z. B. wegen: fehlender oder beschränkter Geschäftsfähigkeit,<br />

Scheingeschäfts (§ 117 I), Fehlens der Form (z. B. Schenkungsversprechen, § 518), überraschende Klauseln (§ 305 c I),<br />

„Generalklausel“/unangemessene Benachteiligung (§ 307) oder wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 I).<br />

Folge: Eigentümergrundschuld.<br />

Aber prüfen, ob Unwirksamkeit<br />

1. die Forderung (Folge: Eigentümergrundschuld)<br />

2. oder die Einigung der Bestellung der Hypothek (Folge: gar kein wirksames Grundpfandrecht)<br />

3. oder beides (z. B. Wucher, § 138 II) betrifft (Folge str.).<br />

7. Wenn die Forderung, die ursprünglich gesichert werden sollte, unwirksam ist,<br />

wenn aber zwischen Gläubiger und Schuldner eine andere Forderung besteht?<br />

1. Hauptfall: Darlehen ist von G an S ausbezahlt, die Darlehensvereinbarung ist aber unwirksam,<br />

so dass G gegen S keinen vertraglichen Anspruch auf Darlehensrückzahlung hat,<br />

sondern einen Bereicherungsanspruch.<br />

Je nach Auslegung der Einigung gemäß § 873, ob Bereicherungsanspruch des G gegen S gesichert sein soll;<br />

Tendenz: wegen Bestimmtheitsgrundsatz im Sachenrecht bleibt es bei Eigentümergrundschuld.<br />

2. Sonderfall Wucher i. S. § 138 II: Nicht nur darlehensvertragliche Rückzahlungsforderung des Wucherers<br />

(= G) ist unwirksam, sondern auch das dingliche Rechtsgeschäft insgesamt.<br />

1. Daher bei strikter Anwendung des § 873, weder Fremdhypothek noch Eigentümergrundschuld (überw. Meinung);<br />

2. oder analog §§ 1163, 1177: Eigentümergrundschuld (Baur).<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

3. Wegen des Zwecks des § 138 II keine Umdeutung der Bestellung<br />

in Sicherung des bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruchs des Wucherers G (allg. Meinung).<br />

8. Schenkung einer Hypothek?<br />

1. Falls Eigentümer sich mit einem Gläubiger über Hypothekenbestellung einigt,<br />

die völlig unentgeltlich sein soll, dann Schenkung beabsichtigt, § 516 I.<br />

Da Hypothek nur Sicherung ist, kommt es auf gesicherte Forderung an.<br />

Diese ist das Versprechen, eine bestimmte Geldsumme <strong>zu</strong> schenken. Formbedürftig, § 518 I 1; s. auch I 2.<br />

Hypothek ist noch keine „Bewirkung” i. S. § 518 II. Also Forderung nichtig, § 125.<br />

Infolgedessen Eigentümergrundschuld (RGZ und überwiegende M.).<br />

2. Begründung einer Grundschuld <strong>zu</strong>m Zweck der Schenkung hingegen wäre zweifelsohne wirksam,<br />

weil Grundschuld auch ohne jede Forderung als Fremdgrundschuld wirksam ist, §§ 1191 f.<br />

(Umdeutung, §§ 157, 140 entspr., anscheinend nicht möglich).<br />

3. Übertragung einer Hypothek vom Erstgläubiger auf einen zweiten zwecks Schenkung<br />

dürfte ebenfalls voll wirksam sein.<br />

9. Bei oder nach der Entstehung der Forderung<br />

können der persönliche Schuldner und der Gläubiger weitere Abreden treffen<br />

oder können sonstige Umstände eintreten,<br />

die dem Schuldner eine Einrede gegenüber der Forderung verschaffen.<br />

1. z. B. Stundung der Forderung als solcher; Zurückbehaltungsrecht des S gegenüber G, § 273 oder § 320,<br />

2. rechtlich gegebene, aber noch nicht ausgeübte Gestaltungsrechte, §§ 1137 I 1, 770: der Anfechtbarkeit, § 142;<br />

der Aufrechenbarkeit, §§ 387 ff.; analog: andere Gestaltungsrechte,<br />

z. B. des noch möglichen Rücktrittsrechts, wichtig wegen Mangels, § 437 etc.<br />

Verzicht auf Gestaltungsrecht durch S ist aber auch gegenüber E wirksam.<br />

Der „Witz“ ist nun, dass der Eigentümer auch diese Einreden,<br />

die ihm „eigentlich“ ursprünglich gar nicht selbst <strong>zu</strong>stehen,<br />

dem Gläubiger gegenüber geltend machen kann, § 1137 I 1;<br />

Ausdruck des Akzessorietätsprinzips, dieselbe Rechtsstellung hat insofern der Bürge gegenüber dem Gläubiger.<br />

Einrede des E sogar dann, wenn S auf diese Einreden wieder verzichtet hat, § 1137 II, wegen Schutz des Sicherungsgebers E.<br />

10. Wenn die Forderung, die durch die Hypothek gesichert wurde,<br />

z. B. Darlehensrückzahlungsanspruch oder Kaufpreisanspruch,<br />

erloschen ist, insbesondere durch Erfüllung, § 362,<br />

Eigentümer-Grundschuld, §§ 1163 I 2, 1177 I 1.<br />

12. Konsequenzen des Fehlens der Forderung<br />

wie bei Fehlen von Briefübergabe oder von Briefausschlussvereinbarung:<br />

1. Hypothek ist nicht unwirksam,<br />

2. auch keine Hypothek für Gläubiger, sondern<br />

3. Eigentümergrundschuld, § 1163 I, § 1177.<br />

4. Ein-reden gegen die Forderung hat auch der Eigentümer, § 1137 I 1 Halbs.1.<br />

5. Berichtigungs- und Widerspruchsrecht des Eigentümers, §§ 894, 899.<br />

(6. Kein Schutz des guten Glaubens des angeblichen Gläubigers an Existenz der Forderung.).<br />

Kapitel 7. Vormerkung<br />

1. Auch für die Bestellung einer Hypothek kann eine Vormerkung eingetragen werden,<br />

§§ 883 ff.,<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen und Wirkungen im Wesentlichen wie bei der Auflassungsvormerkung.<br />

Wichtigste Wirkung: Rangwahrung.<br />

Gutgläubiger Erwerb der Vormerkung für Hypothek möglich.<br />

2. „Löschungsvormerkung“<br />

1. § 1179: typischerweise die Vormerkung <strong>zu</strong>r Sicherung des Anspruchs eines Hypothekengläubigers (= Hypothekar) mit einem<br />

späteren Rang auf Löschung einer vorrangigen Hypothek, sobald diese <strong>zu</strong>r Eigentümergrundschuld geworden ist, <strong>zu</strong> dem<br />

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Grundstücksrecht<br />

Zweck, dass damit die spätere Hypothek im Rang aufrückt.<br />

2. Heute entbehrlich nach der Einführung des § 1179 a.<br />

Kapitel 8. Eigentümer-Grundschuld, seltener Eigentümer-Hypothek<br />

Es überrascht allgemein, dass man an seinem eigenen Grundstück, an dem man ohnehin als Eigentümer das Vollrecht hat, außerdem eine<br />

Grundschuld haben kann, und man fragt sich, welchen Sinn eine solche Eigentümergrundschuld haben kann. Dabei geht es nicht nur um reine<br />

Konstruktion und Theorie, sondern auch um die Ursachen einer Eigentümergrundschuld.<br />

1. Sumpfwiese. E ist Eigentümer des Grundstücks, genannt Sumpfwiese. E bestellte dem G <strong>zu</strong>r Sicherung eines Darlehens, das G dem E<br />

gewährt hatte, eine Hypothek in Höhe von 50 000,- Euro. Später einigen sich E und G darüber, dass E dem G 40 000,- Euro bezahlt<br />

und dass im Gegen<strong>zu</strong>g G die gesamte Hypothek an der Sumpfwiese auf E überträgt. Das geschieht.<br />

Wie gestaltet sich die Rechtslage hinsichtlich der Hypothek?<br />

2. Eigentümer eines Grundstücks kann gleichzeitig Inhaber<br />

eines beschränkt dinglichen Rechts an seinem eigenen Grundstück sein, vgl. § 889,<br />

keine sogenannte „Konsolidation“.<br />

3. Wenn ein Grundpfandrecht für den Eigentümer an seinem eigenen Grundstück entsteht,<br />

kann es meistens nur Grundpfandrecht sein, das eine Forderung nicht voraussetzt,<br />

weil man keine Forderung gegen sich selbst haben kann,<br />

also eine Grundschuld; §§ 1177 I 1 (nicht eine Hypothek), 1191 ff.<br />

4. Hauptzwecke der Eigentümergrundschuld:<br />

1. Rang, nämlich<br />

1. Reservierung des Rangs für spätere Zwecke,<br />

2. Verhinderung des Aufrückens nachrangiger Grundpfandrechte.<br />

2. Erleichterung der Verfügung des Eigentümers über ein Grundstücksrecht.<br />

5. Entstehen der Eigentümerhypothek oder Eigentümergrundschuld<br />

1. Eigentümer bestellt selbst, so ausdrücklich § 1196,<br />

2. oder er erwirbt Hypothek oder Grundschuld vom Gläubiger,<br />

3. oder von Gesetzes wegen.<br />

6. Von Gesetzes wegen entsteht Eigentümergrundschuld<br />

1. wegen Forderung: im Fall der Hypothek bei Nichtentstehen oder Erlöschen<br />

der gesicherten Forderung, §§ 1163 I Satz 1 oder 2, 1177 I,<br />

„vorläufige Eigentümergrundschuld“, auflösend bedingt durch Entstehung der Forderung.<br />

Bei dem Übergang der gesicherten Forderung mit Hypothek vom Gläubiger auf den Eigentümer,<br />

falls Eigentümer Rückgriff gegen persönlichen Schuldner hat,<br />

entsteht Eigentümer-Hypothek, §§ 1143, 1153 I, 1177 II; gilt nicht für Grundschuld.<br />

2. Wegen Briefs: nach Einigung und Eintragung,<br />

wenn Brief nicht ausgeschlossen und noch nicht übergeben wurde,<br />

bei Hypothek oder Grundschuld, §§ 1192, 1163 II, 1177,<br />

7. Besonders wichtig: Eigentümer kann diese Grundschuld auf andere übertragen.<br />

Z. B. auch Erleichterung der Zwischenfinanzierung.<br />

Beispiel: E und G vereinbaren Kredit und Hypothekenbestellung, Hypothek wird eingetragen,<br />

Briefübergabe erfolgt oder wird ausgeschlossen, es fehlt nur noch Auszahlung des Darlehens.<br />

Dann hat E eine vorläufige Eigentümergrundschuld.<br />

Diese kann E an Finanzier F übertragen um einen Kredit des F an E <strong>zu</strong> sichern,<br />

solange bis E die Auszahlung von G erhält (und damit evtl den Kredit des F <strong>zu</strong>rückzahlt).<br />

Andere Gläubiger des Eigentümers können sie pfänden, §§ 857 VI; 830 ZPO (h. M.). Oder §§ 857 I und II, 829 ZPO (Baur).<br />

8. Wenn Eigentümer sein Grundstück veräußert, behält er seine Grundschuld,<br />

diese wird Fremdgrundschuld an dem Grundstück, das nun dem Erwerber gehört.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

9. Aber § 1179 a:<br />

1. Zwar kein Untergang des Grundpfandrechts infolge Zahlung,<br />

es entsteht <strong>zu</strong>nächst Eigentümergrundschuld, §§ 1163, 1177,<br />

2. jedoch Anspruch der nachrangigen Hypothekengläubiger auf Löschung,<br />

wenn die vorrangige Hypothek „mit dem Eigentum in einer Person vereinigt ist“.<br />

3. Aber das gilt weder für<br />

1. vorläufige Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 1 und 1163 II,<br />

2. noch für rechtsgeschäftlich begründete Eigentümergrundschuld, § 1196.<br />

Kapitel 9. Einwendungen und Einreden des Eigentümers gegen den Erstgläubiger<br />

An dieser Stelle, nach der Bestellung, vor der Übertragung der Hypothek, ist ein kurzer Halt geboten. Man soll sich hier klar machen, welche<br />

Einwendungen und Einreden für den Eigentümer gegenüber dem angeblichen Gläubiger aus Mängeln oder besonderen Abreden, die die Hypothek<br />

und die Forderung betreffen, folgen. Denn <strong>zu</strong>m einen hängt hiermit die Art und Weise <strong>zu</strong>sammen, in der der Eigentümer seine Gegenrechte<br />

geltend machen kann. Zum anderen ist die genaue Kenntnis der Mechanik erforderlich, um nach einer Abtretung der <strong>zu</strong>mindest<br />

scheinbaren Hypothek die Reaktion des Eigentümers gegenüber dem neuen Gläubiger <strong>zu</strong> verstehen. Auf diesem Verständnis wiederum bauen<br />

die Gutglaubensregeln <strong>zu</strong> Gunsten eines neuen Gläubigers, der von den Mängeln oder besonderen Abreden keine Kenntnis hatte, gegenüber<br />

dem Eigentümer auf.<br />

1. Fassen wir <strong>zu</strong>nächst die Entstehungsvorausset<strong>zu</strong>ngen der Hypothek<br />

und die Folgen des Fehlens der Entstehungsvorausset<strong>zu</strong>ngen <strong>zu</strong>sammen,<br />

und folgen wir dabei der Systematik des BGB, dann sehen wir:<br />

Erforderlich bei allen Verfügungen über ein Grundstücksrecht, § 873:<br />

1. Einigsein, § 873,<br />

2. Eintragung, § 873,<br />

3. Berechtigung, § 873 (abgesehen von gutgläubigem Ersterwerb).<br />

Bei Fehlen eines dieser Tatbestandsmerkmale<br />

ist die Hypothekenbestellung unwirksam, es entsteht keine Hypothek, § 873.<br />

Wenn der Grundstückseigentümer gegenüber dem angeblichen Hypothekengläubiger (= Hypothekar)<br />

diese Unwirksamkeit geltend macht, so spricht man von einer Einwendung.<br />

Eine Ein-wendung ist die Geltendmachung, dass ein Recht gar nicht entstanden („rechtshindernd“),<br />

z. B. wegen fehlender Geschäftsfähigkeit oder wegen Sittenwidrigkeit,<br />

oder schon wieder untergegangen ist („rechtsvernichtend“),<br />

z. B. infolge Aufhebung der Hypothek, §§ 1183, 875.<br />

Da<strong>zu</strong> <strong>zu</strong>nächst eine wichtige Besonderheit für Hypothek wie für Grundschuld:<br />

4. Briefübergabe oder Ausschluss des Briefes, §§ 1116 f., und<br />

Bei Fehlen dieses Tatbestandsmerkmals<br />

entsteht keine Hypothek für den angeblichen Gläubiger,<br />

die Hypothekenbestellung ist aber auch nicht unwirksam,<br />

sondern es entsteht eine Grundschuld für den Eigentümer selbst, Eigentümergrundschuld, §§ 1163, 1177.<br />

Auch diese Rechtswirkung kann der Grundstückseigentümer gegenüber dem angeblichen Hypothekengläubiger<br />

als Einwendung geltend machen.<br />

Die genannten Einwendungen beziehen sich auf die Hypothek als solche,<br />

sie stehen dem Eigentümer als solchem <strong>zu</strong>, sie werden deswegen als „eigentümerbezogen“ bezeichnet.<br />

Eine zweite Besonderheit für die Hypothek (betrifft nicht die Grundschuld):<br />

5. Erfordernis der Forderung, § 1113 (nicht bei Grundschuld, §§ 1191 f.).<br />

Fehlt es von Anfang an an dieser, entsteht ebenfalls keine Hypothek für den angeblichen Gläubiger,<br />

die Hypothekenbestellung ist auch nicht unwirksam,<br />

sondern es entsteht ebenfalls eine Eigentümergrundschuld, §§ 1163, 1177.<br />

Auch diese Rechtswirkung kann der Grundstückseigentümer gegenüber dem angeblichen Hypothekengläubiger<br />

(= Hypothekar) als Einwendung geltend machen.<br />

Die Einwendung wegen Fehlens der Forderung betrifft zwar die Berechtigung an der Hypothek,<br />

lässt sich aber trotzdem eher als „schuldnerbestimmt“ charakterisieren.<br />

Ergebnis in diesem Zusammenhang:<br />

1. Eigentümerbezogene Einwendungen, insbesondere rechtshindernde.<br />

Hauptfälle: Fehlerhafte Einigung oder fehlende Berechtigung des Bestellers der Hypothek.<br />

Rechtsfolge: Unwirksamkeit der Hypothek.<br />

2. Schuldnerbestimmte Einwendung, hier: rechtshindernde,<br />

einziger Fall: (anfängliches) Fehlen der Forderung. Rechtsfolge: Eigentümergrundschuld.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

2. Zu ergänzen, dass nachträgliche Änderungen der Forderung<br />

dem Eigentümer ebenfalls schuldnerbestimmte Einwendungen gewähren,<br />

- insbesondere führt Erlöschen der Forderung oft <strong>zu</strong> einer Eigentümergrundschuld, § 1163 I 2, 1177,<br />

und damit <strong>zu</strong> einer rechtsvernichtenden Einwendung.<br />

- Aber auch der Übergang der Forderung mit Hypothek auf einen neuen Gläubiger<br />

entzieht dem bisherigen Gläubiger die Hypothek, §§ 1153 ff.<br />

3. Eine weitere Ergän<strong>zu</strong>ng betrifft Einreden.<br />

Eine Ein-rede im materiellen Recht ist ein Gegenrecht des Verpflichteten oder Belasteten,<br />

das die Ausübung des bestehenden Rechts des Gläubigers,<br />

meistens nur vorübergehend, also „dilatorisch“, hemmt,<br />

Beispiele: Stundung oder Zurückbehaltungsrechte; die Vereinbarung zwischen E und G, dass die Hypothek nur unter bestimmten weiteren<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen oder erst nach einer bestimmten Frist oder erst nach Fehlschlagen des Zwangsvollstreckungsversuchs in das<br />

übrige Vermögen geltend gemacht werden soll.<br />

Wirkung der Einrede: der beklagte Eigentümer kann die Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 1147<br />

meistens vorübergehend, manchmal (vgl. § 1169; da<strong>zu</strong> §§ 821, 853) dauernd, verweigern; arg. § 1157.<br />

Diese Einreden können sich auf die Hypothek, nicht auf die persönliche Forderung, beziehen. Sie können damit<br />

eigentümerbezogen sein, also hauptsächlich dem Eigentümer als solchem gegen den Gläubiger <strong>zu</strong>stehen, vgl. § 1157.<br />

4. Schuldnerbestimmte Einreden stehen in erster Linie dem persönlichen Schuldner gegenüber dem Gläubiger <strong>zu</strong>, §§ 1138, 1137.<br />

1. Gemeint sind alle Einreden, die den persönlichen Schuldner berechtigten, die Befriedigung der gesicherten Forderung<br />

auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit <strong>zu</strong> verweigern.<br />

2. Z. B. Stundung der persönlichen Forderung, nichterfüllter Vertrag (etwa wegen noch nicht erfolgter Warenlieferung) Zurückbehaltungsrecht,<br />

Bereicherungseinrede (§ 821), Vereinbarung der Nichtklagbarkeit der gesicherten Forderung.<br />

3. Diese schuldnerbestimmten Einreden kann der Eigentümer erheben, § 1137 I 1 Halbsatz 1,<br />

Ausnahme: keine Einrede der Verjährung, § 216 I n. F. (außer wegen Zinsen).<br />

4. Sonderfall: Gestaltungsrechte des persönlichen Schuldners.<br />

1. Z. B. Anfechtung oder Aufrechnung oder (analog) Rücktrittsrecht<br />

2. Diese kann zwar Eigentümer nicht ausüben.<br />

3. Aber Eigentümer hat ihretwegen Einrede, §§ 1137 I 1, 770.<br />

5. Dem entspricht die folgende Gesetzessystematik<br />

1. Das Gesetz trifft eine doppelte Unterscheidung:<br />

1. Es unterscheidet <strong>zu</strong>m einen danach, ob<br />

1. die Hypothek als solche betroffen ist<br />

und damit die Beziehung des Eigentümers <strong>zu</strong>m Hypothekengläubiger,<br />

das sind die dinglichen = eigentümerbezogenen<br />

Einwendungen oder Einreden,<br />

§§ 873; 1157; 1116 ff., 1163 II; mit der Wirkung, dass<br />

1. entweder Hypothek (trotz Eintragung) gar nicht entstanden ist, oder<br />

2. dass Hypothek entstanden, aber einredebehaftet ist, oder<br />

3. dass Eigentümergrundschuld gegeben ist,<br />

2. oder ob in erster Linie die persönliche Forderung betroffen ist,<br />

also die Beziehung des persönlichen Schuldners <strong>zu</strong>m Gläubiger,<br />

das sind die schuldrechtlichen = schuldnerbestimmten<br />

Einwendungen oder Einreden,<br />

§§ 1113, 1163 I, 1138, 1137; mit der Wirkung, dass<br />

1. Eigentümergrundschuld oder<br />

2. Hypothek für einen anderen oder<br />

3. Hypothek, gegen die Einrede auf Grund Forderung <strong>zu</strong> erheben ist,<br />

gegeben ist,<br />

2. und das Gesetz differenziert außerdem nach<br />

1. Einwendungen und<br />

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2. Einreden, §§ 1157 (betr. Hypothek), 1138, 1137 (betr. Forderung).<br />

6. Maßgebend sind die folgenden Paragraphen, die Sie unbedingt behalten müssen:<br />

§ 873 I. Grundstücksbelastung (Fehler = eigentümerbezogene Einwendung)<br />

§ 1113 I. Gesetzlicher Inhalt der Hypothek<br />

§ 1163 II, 1177. Fehlende Briefübergabe (Eigentümergrundschuld)<br />

§ 1157 Einrede gegen Hypothek.<br />

§§ 1163 I, 1177. Nichtentstehen, Untergang d. Forderung (Eigentümergrundschuld)<br />

§§ 1153 ff. Übergang der Forderung auf neuen Gläubiger<br />

§§ 1138, 1137 Einreden gegen Forderung.<br />

7. Addieren Sie die bisherigen Bemerkungen, so kommen Sie<br />

<strong>zu</strong> der Faustregel 1,<br />

die so einfach ist, dass sie nicht in einem Gesetz oder Lehrbuch steht:<br />

„Der Eigentümer hat gegenüber dem Gläubiger<br />

fast alle überhaupt denkbaren Einwendungen und Einreden“.<br />

Kapitel 10. Geltendmachung der Gegenrechte durch den Eigentümer<br />

Es ist eine für Klausuren entscheidende Frage, auf welche Weise der Eigentümer Einwendungen und Einreden überhaupt geltend machen<br />

kann. Das hängt natürlich vom Sachverhalt und von der Klausurfrage ab.<br />

1. Kiesgrube II. K kaufte von V ein Grundstück mit einer Kiesgrube für 50 000,- Euro; der Kaufpreis soll in 10 Jahresraten <strong>zu</strong> je 5000,-<br />

Euro bezahlt werden. Zur Sicherung der Kaufpreisforderung bestellte der E an einem Grundstück des E für den V eine Hypothek. Da<br />

die Ausbeutung der Kiesgrube geringer ist, als zwischen V und K vereinbart, tritt K von dem Kaufvertrag wirksam <strong>zu</strong>rück. Damit<br />

verwandelt sich die Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten des V in eine Eigentümergrundschuld <strong>zu</strong> Gunsten des E, §§ 1163 I 2, 1177 I. Auf welche<br />

Weise macht E diese Rechtsänderung geltend?<br />

2. Hier kommen drei verschiedene Situationen in Betracht:<br />

1. Der Eigentümer geht offensiv gegen die Eintragung des scheinbaren Gläubigers im Grundbuch vor, §§ 894 ff., 899, oder<br />

2. der Eigentümer verteidigt sich gegen den Anspruch des scheinbaren Gläubigers aus § 1147, oder<br />

3. der Eigentümer klagt gegen den scheinbaren Gläubiger, falls dieser aus einer vollstreckbaren Urkunde vorgehen kann,<br />

§§ 794 I Nr. 5, 795, 767 ZPO.<br />

3. Wenn einfach nach den Möglichkeiten des E gefragt ist, dann liegen am nächsten<br />

1. Berichtigungsanspruch, §§ 894ff., und<br />

2. Widerspruch, § 899, des E,<br />

im Wesentlichen wie gegen die unrichtige Eintragung eines Eigentümers.<br />

Wichtigste Wirkung: verhindert gutgläubig einredefreien (Zweit-)-Erwerb der Hypothek.<br />

4. Wenn nach dem Sachverhalt und der Aufgabenstellung<br />

der scheinbare Gläubiger aus der ihm scheinbar <strong>zu</strong>stehenden Hypothek vorgeht,<br />

- dann beginnt man mit § 1147 als Anspruchsnorm für den G<br />

und prüft in diesem Zusammenhang<br />

- ob die Hypothek dem G <strong>zu</strong>steht und ob der E eventuell Einreden hat.<br />

5. Wenn sich E wegen der Hypothek in einer vollstreckbaren Urkunde<br />

der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, § 794 I Nr. 5 ZPO,<br />

dann ist mit der Vollstreckungsabwehrklage des E <strong>zu</strong> beginnen.<br />

Antrag des E: „Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde...für un<strong>zu</strong>lässig <strong>zu</strong> erklären“.<br />

Die Vollstreckungsabwehrklage des E gegen G ist begründet,<br />

wenn E Einwendungen oder Einreden gegen die Hypothek hat, §§ 795, 767, 797 IV ZPO.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

4. TEIL. ÜBERTRAGUNG DER HYPOTHEK ODER DES GRUNDSTÜCKS<br />

Die eigentliche Übertragung der Hypothek ist nicht besonders klausurrelevant. Es ist auch nicht überraschend, dass der Grundstückseigentümer<br />

gegenüber dem neuen Hypothekengläubiger (= Hypothekar) dieselben Einwendungen und Einreden hat wie gegenüber dem Erstgläubiger.<br />

Diese sind lediglich Vorfragen <strong>zu</strong> dem nicht unbeliebten Klausurproblem des gutgläubigen Zweiterwerbes einer fehlerhaften Hypothek.<br />

Außerdem seien in diesem Teil des Skripts die dinglichen und vor allem die schwer verständlichen schuldrechtlichen Folgen der Übertragung<br />

des belasteten Grundstücks behandelt.<br />

Kapitel 1. Übertragung der Hypothekenforderung: Grundlagen<br />

Bei der Übertragung der Hypothek tritt als erstes ein Grundsatzproblem auf, nämlich die Konstruktion des Gesetzes (im Gegensatz <strong>zu</strong> den<br />

Anschauungen der Praxis), nach der eigentlich die persönliche Forderung übertragen wird und diese die Hypothek nach sich zieht. Aber der<br />

zweite merkwürdige Punkt ist der, dass die Übertragung der persönlichen Forderung nicht in der Form des Schuldrechts (§ 398), sondern in<br />

besonderen Formen des Immobiliarrechts erfolgt. Hierfür stehen, drittens, alternativ die allgemeine Regelung des § 873 oder besondere Regeln<br />

für die Briefhypothek <strong>zu</strong>r Verfügung.<br />

1. Pfirsichbaumfeld. E hatte an seinem Grundstück, dem Pfirsichbaumfeld, dem W wirksam eine Briefhypothek über 20 000,- Euro bestellt.<br />

W hat diesen Hypothekenbrief seiner Tochter X mit einem Brief geschickt, in welchem W ausführte: „Hiermit schicke ich Dir,<br />

liebe X, den Hypothekenbrief über die Hypothek von 20 000,- Euro an dem Pfirsichbaumfeld des E. Ich selbst kann mich mit meinen<br />

sonstigen Wertpapieren begnügen. Dein Vater W.“. Freudig überrascht bedankt sich die X sofort telefonisch bei ihrem Vater W.<br />

Kann die X von dem E wirksam die Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 1147 verlangen?<br />

2. Zum besseren Verständnis des Folgenden rasch ein Blick auf die Gründe, die einer Hypothekenübertragung <strong>zu</strong> Grunde liegen können.<br />

- Gelegentlich schenkt der bisherige Gläubiger seine Hypothekenforderung an den neuen Gläubiger, den Zessionar.<br />

- Am häufigsten Finanzierungsbedarf des bisherigen Gläubigers, er verkauft typischerweise die Hypothek <strong>zu</strong> einem niedrigeren<br />

Preis als den Nennwert an den Zessionar.<br />

Diese sind die Verpflichtungsgeschäfte, Causae, für die Zession. Entsprechend dem Abstraktionsprinzip<br />

irrelevant für die Wirksamkeit der Übertragung. Nicht besonders klausurträchtig.<br />

3. Der Ausgangssatz für die Klausur könnte lauten: „X kann von E wirksam die Duldung der Zwangsvollstreckung gemäß § 1147 verlangen,<br />

wenn X wirksam die Forderung mit Hypothek von W erworben hat und wenn der Geltendmachung der Hypothek keine weiteren<br />

Einwendungen oder Einreden entgegenstehen. Die Übertragung der Forderung mit Hypothek setzt gemäß § 1154 voraus...“<br />

4. Sehr wichtig ist die Konstruktion des BGB,<br />

dass nämlich die gesicherte persönliche Forderung übertragen wird<br />

und dass diese sodann die hypothekarische Sicherung mit sich zieht,<br />

das will sagen, dass dem Gesetz <strong>zu</strong>folge eigentlich nicht die Hypothek als solche direkt übertragen wird<br />

(s. schon oben die Übertragung des Anspruchs des Grundstückskäufers, die die Vormerkung mit sich zieht).<br />

,,Mit der Übertragung der Forderung geht die Hypothek<br />

auf den neuen Gläubiger über“, § 1153 I; Akzessorietätsprinzip.<br />

Deswegen unbedingt in der Klausur ausdrücklich den Erwerb der „hypothekarisch gesicherten Forderung“ prüfen,<br />

§ 1154, und bejahendenfalls fortfahren, dass mit der Forderung die Hypothek gemäß § 1153 I übergegangen ist.<br />

Die Hypothek allein kann gar nicht übertragen werden, „Aufspaltungsverbot“, § 1153 II Halbs.2.<br />

5. Daher erforderlich Abtretungsvertrag i. S. § 398 (Forderungsübertragung)<br />

zwischen bisherigem Hypothekengläubiger (= Hypothekar) und Neugläubiger.<br />

1. Aber diese Abtretung der Forderung, für die eine Hypothek besteht,<br />

erfolgt nicht in formfreier Weise wie gemäß § 398, sondern<br />

2. nach der Bestimmung des § 1154.<br />

Auch § 1154 I 1 spricht ausdrücklich von "Abtretung der Forderung".<br />

6. § 1154 ist auf den ersten Blick schwer verständlich.<br />

1. Abs. 1 spricht nur von der Brief-Hypothek,<br />

2. Abs. 2 enthält die Variante ebenfalls nur für die Übertragung der Briefhypothek,<br />

3. Abs. 3 regelt die Buchhypothek und enthält eigentlich die Grundregel.<br />

7. Entscheidend ist § 1154 Absatz 3. Dann ist es ganz einfach.<br />

Absatz 3 enthält die Grundregel,<br />

spricht diese jedoch nur für die Buchhypothek aus.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Grundsätzlich erfolgt gemäß § 1154 III die Abtretung der durch Hypothek gesicherten Forderung<br />

auf dieselbe Weise wie die Übertragung des Grundeigentums, § 873 (ohne § 925), nämlich<br />

entsprechend § 873:<br />

1. Einigsein zwischen bisherigem und neuem Hypothekengläubiger<br />

2. Formalien, nämlich Bucheintragung oder weitere Form,<br />

unterschiedlich für<br />

1. Buchhypothek und<br />

2. Briefhypothek,<br />

3. Berechtigung des bisherigen Hypothekengläubigers (= Hypothekars)<br />

(nicht etwas gemeint Berechtigung des Grundstückseigentümers).<br />

8. Einigsein zwischen bisherigem und neuem Hypothekengläubiger (= Hypothekar) .<br />

Dieses ist Vertrag entsprechend § 398 BGB zwischen bisherigem und neuen Gläubiger<br />

über die Abtretung der Forderung, welche gemäß § 401 und § 1153 I die Hypothek mit sich zieht.<br />

Übertragung der Forderung bzw. Hypothek ist ein Rechtsgeschäft, grundsätzlich mit Anwendung des Allgemeinen Teils.<br />

Infolgedessen Nichtigkeit z. B. wegen Wuchers oder Sittenwidrigkeit oder nach erfolgter Anfechtung<br />

sowie Unwirksamkeit wegen Fehlens eventuell erforderlicher Zustimmungen.<br />

(Diese Verfügung über Hypothekenforderung <strong>zu</strong> unterscheiden von der <strong>zu</strong> Grunde liegenden Verpflichtung).<br />

Die Form dieses Abtretungsvertrages ist, wie gesagt, nicht in § 398, sondern in § 1154 festgelegt.<br />

9. Fehlt es an Einigsein über Forderungs- bzw. Hypothekenübergang<br />

vom Erstgläubiger auf den Zweitgläubiger,<br />

dann ist der Übergang unwirksam. Das gilt für Buch- wie für Briefhypothek.<br />

10. Konsequenz der fehlenden Abtretungsvereinbarung<br />

1. Hypothek ist nicht wirksam übertragen,<br />

2. bisheriger Gläubiger hat sein Recht behalten,<br />

3. Eintragung des neuen Gläubigers hat Grundbuch unrichtig gemacht,<br />

4. dagegen Berichtigungsanspruch und Widerspruch des bisherigen Gläubigers,<br />

5. andernfalls Möglichkeit gutgläubigen Weitererwerbs der Hypothek (durch „<strong>Dr</strong>itten“).<br />

11. Die Übertragung der Hypothek ist eine „Verfügung“ im eigentlichen Sinne<br />

(ebenso wie die Begründung der Hypothek oder die Übertragung des Grundstückseigentums).<br />

12. Rechtsgeschäftlicher Abtretungsausschluss, § 399 Halbs.2 (str.):<br />

1. wirksam hinsichtlich der Forderung,<br />

infolgedessen auch hinsichtlich Hypothek, § 1153 II,<br />

trotz dogmatischen Bedenken im Hinblick auf § 137.<br />

Wirkt gegenüber <strong>Dr</strong>itten nur bei deren Kenntnis oder Eintragung, §§ 1138, 893.<br />

2. Entsprechendes gilt für Abtretungsausschluss hinsichtlich Hypothek<br />

Aber als Inhalt des dinglichen Rechts ist dieser eintragungsbedürftig, § 877.<br />

13. Grundsätzlich<br />

1. kann nur eine bestehende Hypothek<br />

2. durch den wirklichen Gläubiger übertragen werden.<br />

Aber Wirksamkeit gutgläubigen Erwerbs.<br />

14. Wenn ein Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs stattgefunden hat, z. B. infolge Ablösung oder Erbfalls,<br />

dann entsteht ein Grundbuchberichtigungsanspruch und Widerspruchsrecht des neuen Hypothekengläubigers, §§ 894, 899.<br />

Das Gleiche gilt für Erwerb einer Briefhypothek außerhalb des Grundbuchs.<br />

15. Übertragung Briefgrundschuld (BGH Beschl. v. 28. 1. 1997, NJW-RR 1997, 910).<br />

16. Vorausset<strong>zu</strong>ngen = Prüfungsfolge = Gutachten-Aufbau<br />

für Übertragung der Hypothekenforderung:<br />

1. Einigsein des bisherigen Gläubigers und des neuen Gläubigers<br />

über Abtretung der gesicherten Forderung, § 398,<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

2. in der Form des § 1154,<br />

3. Wirksamkeit der Hypothek,<br />

4. Berechtigung des bisherigen Gläubigers.<br />

Kapitel 2. Übertragung der Hypothekenforderung: Form<br />

1. Form der „Abtretung der Forderung“ richtet sich nach § 1154.<br />

2. Buchhypothek, § 1154 III, nichts Besonderes:<br />

es genügt zwar die formlose Einigung gemäß § 398,<br />

aber erforderlich ist Eintragung des neuen Hypothekengläubigers in Grundbuch,<br />

wie nicht anders nach § 873 <strong>zu</strong> erwarten. Kein weiteres Formerfordernis für die Abtretungserklärung nach §§ 398, 1153.<br />

3. Form für Briefhypothek – diese ist schwerer verständlich.<br />

Briefhypothek soll nach § 1116 I die Regel sein.<br />

1. Da Brief so wichtig ist, da ja Brief vorhanden ist und vorhanden sein muss,<br />

ist immer erforderlich Briefübergabe, § 1154 I 1.<br />

Ohne Briefübergabe keine wirksame Übertragung der Briefhypothek.<br />

2. Da<strong>zu</strong> ein weiteres Erfordernis,<br />

<strong>zu</strong> welchem aber die Parteien das Wahlrecht haben:<br />

1. entweder schriftliche Abtretungserklärung, § 1154 I 1,<br />

1. eine Spitzfindigkeit des Gesetzes ist es, nur für die Abtretungserklärung des Verfügenden<br />

(d. h. des Altgläubigers) die Schriftform <strong>zu</strong> verlangen;<br />

die Annahmeerklärung des Forderungserwerbers (d. h. des Neugläubigers)<br />

bedarf keiner Form (Beispielsfall Pfirsichbaumfeld).<br />

2. Abtretungserklärung ist auf Verlangen öffentlich <strong>zu</strong> beglaubigen, §§ 1154 I 2, 129, wegen § 1155,<br />

oder<br />

2. Eintragung der Abtretung in das Grundbuch, § 1154 II (in der Praxis seltener),<br />

dennoch behält die Hypothek ihre Eigenschaft als Briefhypothek,<br />

der Brief muss unbedingt trotzdem übergeben werden (solange keine Umwandlung nach § 1116 erfolgt ist).<br />

4. Zusammenfassung der Formerfordernisse für Forderungsabtretung<br />

1. Eintragung in Grundbuch<br />

1. immer erforderlich für Übertragung der Buchhypothek, § 1154 III,<br />

2. nur fakultativ für Briefhypothek, § 1154 II,<br />

dann darf bei Briefhypothek Schriftform für die Erklärung des Abtretenden entfallen.<br />

2. Schriftform der Erklärung des Abtretenden nur erforderlich für Brief-Hypothek,<br />

falls die Abtretung der Hypothekenforderung nicht in das Grundbuch eingetragen wird, § 1154 I und II,<br />

auf Verlangen öffentlich beglaubigt,<br />

3. Briefübergabe ist immer erforderlich bei Briefhypothek,<br />

ist gar nicht möglich bei Buchhypothek.<br />

5. Konsequenz eines Fehlers in den Formalien: §§ 1154, 125<br />

Hypothek ist nicht wirksam übertragen.<br />

6. „Blankoabtretung“ erfolgt ohne die erforderliche schriftliche Bezeichnung des Abtretungsempfängers;<br />

wird aber erst ex nunc wirksam, wenn Blankett ausgefüllt wird;<br />

Übergabe des Blanketts bedeutet i. d. R. Ermächtigung <strong>zu</strong>r Blankettausfüllung.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Kapitel 3. Gegenrechte des Eigentümers gegen den Zweit-Gläubiger<br />

Sie haben oben gesehen, in welcher Weise der Eigentümer gegenüber dem ersten Hypothekengläubiger (= Hypothekar) Mängel oder besondere<br />

Abreden, die die Hypothek und die Forderung betreffen, geltend machen kann. Daher werden Sie jetzt ohne weiteres verstehen, welche<br />

Rechte der Eigentümer hat, wenn der Erstgläubiger die Hypothek auf einen anderen, den Zweitgläubiger, übertragen hat. Und um so leichter<br />

werden Sie im nächsten Schritt begreifen, wie sich der gute Glaube des Zweitgläubigers auswirkt.<br />

1. Kohlenhandlung II. S nahm für den Betrieb seiner Kohlenhandlung persönlich bei G einen Kredit über 240 000,- Euro auf. Zur Sicherung<br />

hatte der V in Vertretung des E eine Hypothek am Grundstück des E bestellt. Einigung, Eintragung und Briefübergabe sind darauf<br />

erfolgt. Nunmehr überträgt G ordnungsgemäß die Hypothek auf den Neugläubiger N. Dann stellt sich heraus, dass V keine Vertretungsmacht<br />

hatte, E lehnt eine Genehmigung ab, § 177; die Hypothek war also nicht wirksam begründet worden, § 873 I.<br />

Nun überträgt G diese angebliche Hypothek an G 2. G 2 hat aber Unwirksamkeit der Hypothek von Anfang an gekannt.<br />

Erwerb des G2? Nein.<br />

2. In der Klausurlösung<br />

- wird es hinsichtlich der Einwendungen, die also die Wirksamkeit der Forderung oder der Hypothek betreffen, im allgemeinen<br />

überflüssig sein, an diesem Punkt ausdrücklich <strong>zu</strong> prüfen: „Es fragt sich, ob E seine Einwendung durch die Übertragung der<br />

Hypothekenforderung von G1 auf G2 verloren hat“. Denn diese Frage ist offensichtlich <strong>zu</strong> verneinen, wie sich im Folgenden<br />

zeigen wird: kein Verlust der Einwendungen bei (scheinbarer) Übertragung von Forderung bzw. Hypothek.<br />

- Hingegen ist die Fortdauer von Einreden nicht selbstverständlich, sondern „es ist <strong>zu</strong> prüfen, ob E diese Einrede (ist <strong>zu</strong> präzisieren),<br />

die er gegenüber G1 hatte, auch gegenüber G2 geltend machen kann“.<br />

3. Fortset<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong> der obigen Faustregel 1: „Der Eigentümer hat gegenüber dem Gläubiger<br />

fast alle überhaupt denkbaren Einwendungen und Einreden“:<br />

Zweite Faustformel:<br />

„Der Eigentümer behält seine ursprünglichen Einwendungen und Einreden, wenn die Hypothek<br />

auf einen neuen Gläubiger übertragen werden sollte“. Anders gesagt:<br />

„Der Eigentümer verliert seine Einwendungen und Einreden<br />

nicht allein dadurch, dass die Hypothek (oder Grundschuld)<br />

auf einen neuen Gläubiger übertragen werden sollte.“<br />

Alltagserfahrung: Der Apfel bleibt faul, auch wenn man ihn weitergibt.<br />

Auf römisch: Niemand kann mehr an Rechten übertragen, als er selbst hat,<br />

nemo plus iuris transferre potest quam ipse haberet.<br />

Bei Übertragung der durch Hypothek gesicherten Forderung<br />

vom ursprünglichen angeblichen Hypothekengläubiger (G 1)<br />

auf neuen Hypothekengläubiger (G 2)<br />

bleiben grundsätzlich alle Einwendungen und Einreden<br />

gegen die Hypothek als solche oder gegen die Forderung bestehen.<br />

4. Grundsätzlich soll der Eigentümer keinen Nachteil erleiden, wenn der Hypothekar die Hypothek auf einen Neugläubiger überträgt.<br />

Den Nachteil erleidet grundsätzlich der Neugläubiger: er erhält gar keine oder nur eine einredebehaftete Hypothek,<br />

wegen deren er aber in vielen Fällen an den angeblichen Altgläubiger eine Zahlung erbracht hat.<br />

5. Fortbestand<br />

1. Ein-wendungen gegen die Hypothek als solche, § 873, ist selbstverständlich,<br />

d. h. die im Grundbuch eingetragene Hypothek existiert nicht,<br />

wenn z. B. die Hypothek ursprünglich nicht ordnungsgemäß bestellt worden ist.<br />

2. Ein-reden gegen die Hypothek als solche wird ausdrücklich angeordnet,<br />

§ 1157 S. 1<br />

("Einrede" und "Hypothek" im Gesetzestext unterstreichen),<br />

z. B. Abrede zwischen E und G, dass Geltendmachung der Hypothek<br />

bestimmte Mahnung oder Nichtzahlung des persönlichen Schuldners oder Verwertung anderer Sicherheiten voraussetze.<br />

3. Ein-wendungen gegen die persönliche Forderung, §§ 1163, 1177, arg. § 1138.<br />

Beispiele: Darlehen wurde nicht ausgezahlt oder wurde <strong>zu</strong>rückgezahlt,<br />

oder gesicherte Forderung mit Hypothek ist inzwischen auf einen anderen übergegangen.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

4. Ein-reden des E gegen die persönliche Forderung, arg. §§ 1137 I, 1138<br />

z. B. Stundung der Forderung als solcher, Zurückbehaltungsrecht des S, noch nicht ausgeübte Gestaltungsrechte.<br />

6. Außerdem kann Eigentümer selbstverständlich eine eventuelle Unwirksamkeit<br />

der Übertragung der (wirksamen) Hypothekenforderung<br />

vom Altgläubiger auf den Neugläubiger geltend machen,<br />

beispielsweise wenn G1 bei Übertragung der Hypothekenforderung an G2 geisteskrank war.<br />

7. Bestimmte Gegenrechte des Schuldners gegenüber dem Altgläubiger<br />

1. kann der S zwar nach §§ 406 – 408 gegenüber dem Alt- oder dem Neugläubiger hinsichtlich der persönlichen Schuld,<br />

2. kann aber gemäß § l156 der Eigentümer nicht hinsichtlich der Hypothek geltend machen.<br />

Ziegelsteig I. E, persönlicher Schuldner des G1, hat an seinem Grundstück, Ziegelsteig, Hypothek für G1 bestellt. G1 tritt ordnungsgemäß,<br />

mit Grundbucheintragung etc., an G2 ab. Dann zahlt E an G1, weil E den G1 nach wie vor für den Gläubiger hält.<br />

1. Kann G2 dennoch die Zwangsvollstreckung in Grundstück des E betreiben, § 1147?<br />

Keine wirksame Leistung des E an G1, wegen § 1156 kein Gutglaubensschutz nach § 407, Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 893 nicht<br />

gegeben. Also Anspruch des G2 gegen E.<br />

2. Kann G2 auf Grund persönlicher Forderung gegen E vorgehen? Nein, diese ist erloschen, § 407<br />

(Falls E und S nicht identisch ist, bei Zahlung durch den E kein Erlöschen der Forderung des G2, fraglich).<br />

Ziegelsteig II. E hat eigene Forderung aus früherem Rechtsgeschäft gegen G 1. E ist aber auch persönlicher Schuldner des G1. Zur Sicherung<br />

der Forderung des G1 hat E an seinem Grundstück, Ziegelsteig, Hypothek für G1 bestellt. G1 tritt ordnungsgemäß, mit<br />

Grundbucheintragung etc., an G2 ab. Dann erklärt E gegenüber G2 die Aufrechnung mit seiner eigenen früheren Forderung gegen G1.<br />

Auch hier wird <strong>zu</strong> differenzieren sein:<br />

1. Zwar § 406, so dass beide persönlichen Forderungen (E – G 1, G 2 – E) erlöschen.<br />

(Falls E und S nicht identisch ist, bei Aufrechnung durch den E kein Erlöschen der Forderungen, fraglich).<br />

2. Aber nach § 1156 Satz 1 bleibt Hypothek für G 2 am Grundstück des E erhalten (vgl. Gedanken des § 1138)<br />

(Ausnahme: Vertrauen auf Grundbuch und Brief, §§ 893, 1155).<br />

Kapitel 4. Aber gutgläubiger Zweiterwerb der Hypothek<br />

Wie der gutgläubige Erwerb des Eigentums, so stellt auch der gutgläubige Erwerb einer angeblich bestehenden Hypothek ein beliebtes Fragenfeld<br />

dar. Dabei ist der gutgläubige Zweit-Erwerb der Hypothek (d. h. Übertragung vom nichtberechtigten Erstgläubiger an den gutgläubigen<br />

Zweitgläubiger) <strong>zu</strong> unterscheiden von dem gutgläubigen Erst-Erwerb (oben behandelt: Begründung der Hypothek durch den Nichteigentümer<br />

<strong>zu</strong> Gunsten eines gutgläubigen Gläubigers).<br />

1. Kohlenhandlung III. S nahm für den Betrieb seiner Kohlenhandlung persönlich bei G einen Kredit über Euro 240 000,- auf; der Kredit<br />

wurde ihm ordnungsgemäß ausgezahlt. Zur Sicherung hatte der V in Vertretung des E <strong>zu</strong>gesagt, für G eine Hypothek am Grundstück<br />

des E <strong>zu</strong> bestellen. Einigung zwischen V als Vertreter des S und G, Eintragung und Briefübergabe sind daraufhin erfolgt. Nunmehr<br />

überträgt G ordnungsgemäß die Hypothek auf den Neugläubiger N. Dann stellt sich heraus, dass V keine Vertretungsmacht hatte, für<br />

E <strong>zu</strong> handeln, E lehnt eine Genehmigung ab, § 177.<br />

Die Hypothek war also nicht wirksam begründet worden, § 873 I. G kann nicht existierende Hypothek nicht übertragen.<br />

Aber gutgläubiger Erwerb des N.<br />

2. Faustformel 3:<br />

„ G2 kann sich meistens gegen alle Einwendungen und Einreden des E<br />

auf seinen guten Glauben berufen.<br />

Das endet immer bei § 892. Aber die Wege dahin sind unterschiedlich.”<br />

3. Das bedeutet im Ergebnis:<br />

1. wenn der Neugläubiger auf Grund der Hypothek Duldung der Zwangsvollstreckung verlangt, § 1147,<br />

kann sich der Eigentümer zwar gegen den Neugläubiger der Einwendungen und Einreden bedienen,<br />

die er gegen den Erstgläubiger hatte.<br />

2. Der Neugläubiger, vorausgesetzt,<br />

er ist gutgläubig und ein Widerspruch oder eine Berichtigung ist nicht eingetragen,<br />

erwirbt aber vom angeblichen Altgläubiger eine vollwertige Hypothek,<br />

obwohl diese bis dahin entweder gar nicht bestand oder die einem anderen Gläubiger <strong>zu</strong>stand<br />

oder gegen deren Durchsetzbarkeit Einreden geltend gemacht werden konnten,<br />

3. mit der Folge, dass praktisch<br />

- das bisher unbelastete Grundstück des Eigentümers mit der Hypothek belastet ist,<br />

- oder dass der Eigentümer andere Abwehrrechte gegen die Hypothek einbüßt,<br />

- oder dass der wirkliche Hypothekengläubiger (= Hypothekar) seine Hypothek verliert.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

4. Der hier behandelte gutgläubige Erwerb der Hypothek vom Nicht-Hypothekengläubiger („Zweiterwerb“)<br />

ist <strong>zu</strong> unterscheiden vom gutgläubigen Erwerb vom Nicht-Eigentümer („Ersterwerb“).<br />

5. „Widerspruch bei Veräußerungskette“: „Der Bucheigentümer B bestellt dem unredlichen H eine Hypothek. Danach wird für den Eigentümer<br />

E ein Widerspruch gegen das Eigentum des B eingetragen. Schließlich tritt H die Hypothek an den redlichen G ab. G klagt<br />

aus der Hypothek gegen den inzwischen als Eigentümer eingetragenen E.“ (Medicus Rdnr. 551, gegen RGZ 129, 124 ff.).<br />

Widerspruch war bei Hypothekenbestellung für H noch nicht eingetragen und betreffe deswegen nicht Hypothek. G habe annehmen<br />

dürfen, dass H <strong>zu</strong>mindest kraft Redlichkeit Hypothek wirksam erworben habe. G erwerbe kraft § 892.<br />

6. Rechtsprechung<br />

Gutgläubiger Zweiterwerb nach Belastungsvollmacht (BGH Urt. v. 14. 3. 2000, NJW 2000, 2021 = JuS 2000, 920).<br />

7. Vorausset<strong>zu</strong>ngen = Prüfungsfolge = Gutachten-Aufbau<br />

für gutgläubigen Zweiterwerb der Hypothekenforderung:<br />

1. Einigsein des bisherigen Gläubigers und des neuen Gläubigers<br />

über Abtretung der gesicherten Forderung, § 398,<br />

2. in der Form des § 1154,<br />

Aber es fehlt an<br />

3. Wirksamkeit der Hypothek oder<br />

4. Berechtigung des bisherigen Gläubigers,<br />

Stattdessen<br />

5. guter Glaube, §§ 1157, 1138, 892 und<br />

6. besondere Formerfordernisse, §§ 892, 1155.<br />

Kapitel 4. Zweiterwerb der Hypothek: Guter Glaube des Hypothekenerwerbers<br />

1. Unterschiedliche Gutglaubens-Vorschriften für neuen Gläubiger<br />

je nachdem ob<br />

1. ein Einwendung gegen die Hypothek, § 892 I,<br />

2. eine Einrede gegen die Hypothek, §§ 1157 S. 2, 892, oder<br />

3. eine Einwendung gegen die persönliche Forderung, §§ 1138, 892 I,<br />

4. eine Einrede gegen die persönliche Forderung, §§ 1138, 1137, 892,<br />

betroffen ist.<br />

(Deswegen ist die oben beschriebene Mechanik der „Gegenrechte des Eigentümers gegen den Erstgläubiger“ so wichtig.).<br />

2. Gutglaubensvorschriften betreffend<br />

Ein-wendungen gegen die Hypothek,<br />

d. h. die im Grundbuch eingetragene Hypothek existiert nicht:<br />

immer direkt § 892.<br />

Wenn also der Neugläubiger auf Grund der Hypothek Duldung der Zwangsvollstreckung verlangt, § 1147,<br />

kann sich der Eigentümer zwar gegen den Neugläubiger der Einwendungen gegen die Hypothek bedienen,<br />

die er gegen den Erstgläubiger hatte.<br />

Der Neugläubiger, vorausgesetzt, er ist gutgläubig und ein Widerspruch ist nicht eingetragen,<br />

erwirbt aber vom angeblichen Altgläubiger eine vollwertige Hypothek obwohl diese bis dahin gar nicht bestand,<br />

mit der Folge, dass praktisch das bisher unbelastete Grundstück des Eigentümers mit der Hypothek belastet ist,<br />

und der Eigentümer die Zwangsvollstreckung nach § 1147 dulden muss.<br />

Aber § 892 nicht allein anwendbar (sondern nur in Verbindung mit § 1138),<br />

wenn die Unwirksamkeit der Hypothek ihre Ursache in Fehlern der Forderung hat,<br />

z. B. Forderung ist unwirksam, ist erloschen oder steht einem anderen <strong>zu</strong>.<br />

Denn kein gutgläubiger Erwerb der Forderung.<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

3. Gutglaubens-Vorschriften betreffend<br />

Ein-reden gegen die Hypothek, §§ 1157 S. 2, 892,<br />

z.B. wegen unerlaubter Handlung des G 1, § 853, oder z.B. Abrede der Stundung der Hypothek.<br />

Auch hier gilt, dass dann, wenn der Neugläubiger die Duldung der Zwangsvollstreckung verlangt, § 1147,<br />

der Eigentümer die Einrede erheben kann, die er gegen den Erstgläubiger hatte,<br />

dass aber der Neugläubiger, vorausgesetzt, er ist gutgläubig und ein Widerspruch ist nicht eingetragen,<br />

vom Altgläubiger eine einrede-freie, vollwertige Hypothek erworben hat,<br />

mit der Folge, dass praktisch der Eigentümer sein Abwehrrecht gegen die Hypothek einbüßt.<br />

4. Guter Glaube betreffend die Forderung<br />

1. Fundamentalsatz: kein Schutz des guten Glaubens an Forderung, § 404.<br />

2. Ausnahme: Aber Schutz des guten Glaubens an Forderung,<br />

um gutgläubigen Zweiterwerb der Hypothek <strong>zu</strong> ermöglichen, § 1138.<br />

3. Einschränkung der Ausnahme:<br />

§ 1138 erlaubt aber nicht gutgläubigen isolierten Erwerb der Forderung.<br />

4. Jedoch umstrittene Ansicht <strong>zu</strong>r Einschränkung der Ausnahme,<br />

wenn die persönliche Forderung existiert, aber<br />

nicht dem übertragenden Hypothekengläubiger, sondern einem anderen <strong>zu</strong>steht<br />

(Da<strong>zu</strong> gleich im einzelnen).<br />

5. Fundamentalsatz, dass guter Glaube an Existenz einer Forderung, die in Wirklichkeit nicht existiert,<br />

bei Abtretung grundsätzlich nicht geschützt wird, § 404 BGB.<br />

Teehandlung I. Der Großteehändler G vereinbart schriftlich mit Frau F, dass G der F ein Darlehen von Euro 50 000,- <strong>zu</strong>r Einrichtung<br />

ihres Teegeschäftes gewähren wird; über eine Sicherung für den G wird nicht gesprochen. Zu der Auszahlung kommt es jedoch nicht.<br />

Nun tritt G diese angebliche Forderung gegen F an das gutgläubige Kreditinstitut K ab. Anspruch K gegen F? Nein; auch die Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

der Ausnahmevorschrift des § 405 sind nicht gegeben.<br />

6. Gutglaubens-Vorschriften betreffend<br />

Ein-wendungen gegen die persönliche Forderung, §§ 1138, 892 I,<br />

z. B. wenn die Forderung und infolgedessen Hypothek nicht entstanden ist oder erloschen ist<br />

oder in Wirklichkeit einem anderen Gläubiger <strong>zu</strong>steht.<br />

Aber der ausnahmsweise Schutz des guten Glaubens an Forderung nur <strong>zu</strong> dem beschränkten dogmatischen Zweck,<br />

nur um gutgläubigen Zweiterwerb einer solchen Hypothek <strong>zu</strong> ermöglichen,<br />

die eine einwendungs- oder einredebehaftete Forderung sichert.<br />

Wirtschaftliches Ziel: Stärkung des Hypothekarkredits.<br />

„Die Vorschriften der §§ 891 bis 899“,<br />

insbesondere die Gutglaubensvorschrift des § 892,<br />

„gelten für die Hypothek (unterstreichen!) auch in Ansehung der Forderung“.<br />

Wenn also der Neugläubiger auf Grund der Hypothek Duldung der Zwangsvollstreckung verlangt, § 1147,<br />

kann der Eigentümer zwar gegenüber den Neugläubiger die Einwendung erheben,<br />

dass die Forderung nicht entstanden oder erloschen ist oder einem anderen Gläubiger <strong>zu</strong>steht,<br />

aber der Neugläubiger erlangt auch in diesem Fall unter den bekannten Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

eine vollwertige Hypothek,<br />

mit der Folge, dass praktisch das bisher unbelastete Grundstück des Eigentümers mit der Hypothek belastet ist,<br />

oder dass der wirkliche Hypothekengläubiger (= Hypothekar) seine Hypothek verliert.<br />

Kirschgarten I. Simon und Blau vereinbaren, dass Blau dem Simon ein Darlehen in Höhe von 40 000,- Euro gewähren und dass Simon<br />

dem Blau an seinem Grundstück ,,Kirschgarten“ <strong>zu</strong>r Sicherung eine Hypothek bestellen wird. Die Hypothek für Blau wird schon<br />

in das Grundbuch eingetragen, und der Hypothekenbrief wird unvorsichtigerweise von Simon dem Blau ausgehändigt. Zu der Darlehensauszahlung<br />

kommt es nicht. Dennoch überträgt Blau die angeblich ihm <strong>zu</strong>stehende Hypothek an den gutgläubigen Grün mit Abtretungserklärung<br />

und Eintragung des Grün im Grundbuch (G 2).<br />

1. Wurde ein Grundpfandrecht wirksam begründet? Ja.<br />

2. Aber wem steht es <strong>zu</strong>? Als Eigentümergrundschuld dem S, §§ 1163 I 1, 1177, nicht dem B.<br />

3. Jedoch gutgläubiger Erwerb des G 2 von B, §§ 1154 I und II, 873; 1138 Halbs. 1, 892.<br />

7. Einschränkung der Ausnahmebestimmung des § 1138.<br />

Die Vorschriften der §§ 891 bis 899<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

gelten nur für die Hypothek (unterstreichen!) auch in Ansehung der Forderung.<br />

Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers<br />

1. erlangt Hypothekengläubiger nicht die persönliche Forderung für sich.<br />

2. Kirschgarten II. Simon und Blau vereinbaren, dass Blau dem Simon ein Darlehen in Höhe von 40 000,- Euro gewähren wird.<br />

Simon bestellt dem Blau an seinem Grundstück ,,Kirschgarten“ als Sicherheit eine Hypothek und händigt den Hypothekenbrief<br />

aus. Zu der Darlehensauszahlung kommt es nicht. Dennoch überträgt Blau die angeblich ihm <strong>zu</strong>stehende Hypothek, die in<br />

Wirklichkeit gemäß §§ 1163 I 1, 1177 eine Eigentümergrundschuld des S war, an den gutgläubigen Grün. Kraft seines guten<br />

Glaubens hat Grün zweifelsohne die Hypothek an dem Grundstück des Simon erworben; 1138 Halbs. 1, 892.<br />

Aber hat Grün auch die nicht existente Forderung erworben? Nein.<br />

3. Berühmtes Bild: § 1138 sei wie eine Brücke,<br />

so dass die Hypothek auf den Hypothekenerwerber übergeht;<br />

aber danach bricht die Brücke <strong>zu</strong>sammen, so dass<br />

die Forderung allein nicht mehr <strong>zu</strong>m Hypothekenerwerber gelangen kann.<br />

4. Praktische Folge? Dieser neue Hypothekengläubiger (= Hypothekar)<br />

1. kann zwar in das belastete Grundstück des Eigentümers vollstrecken,<br />

2. aber er hat keinen Zugriff auf das sonstige Vermögen des Schuldners,<br />

insbesondere, wenn Eigentümer und angeblicher persönlicher Schuldner identisch ist.<br />

5. Das ist unstreitig, wenn die persönliche Forderung gar nicht existiert,<br />

d. h. wenn es sich um eine Eigentümergrundschuld handelt.<br />

8. Rechtslage ist umstritten, wenn die persönliche Forderung existiert, aber<br />

nicht dem übertragenden Hypothekengläubiger, sondern einem anderen <strong>zu</strong>steht.<br />

1. Birnenplantage. Emil bestellt an seinem Grundstück, einer Birnenplantage, wirksam eine Buchhypothek <strong>zu</strong> Gunsten des Alexander,<br />

nämlich <strong>zu</strong>r Sicherung eines Darlehens, das Alexander dem Samuel gewährt hatte. Alexander überträgt die Forderung<br />

mit Buchhypothek in ordnungsgemäßer Form an Blau, Blau sodann an Caesar. Nun stellt sich heraus, dass Alexander zwar das<br />

Darlehen an den persönlichen Schuldner S ausgezahlt und die Hypothek wirksam vom Grundstückseigentümer Emil erworben<br />

hat, dass Alexander aber später, bei der Übertragung an Blau, geisteskrank war. Das hat niemand gewusst. Hat Caesar die Hypothek<br />

und die persönliche Forderung erworben?<br />

- Alexander hat die Hypothek wirksam erworben, §§ 1113 ff., 873.<br />

- Aber keine wirksame Übertragung A – B, §§ 104 f. A ist Inhaber der Hypothek geblieben, obwohl B eingetragen ist.<br />

- Nie Schutz des guten Glaubens an Geschäftsfähigkeit,<br />

schon deswegen kein gutgläubiger Erwerb der Forderung durch B, § 404.<br />

- Eigentlich auch keine wirksame Übertragung B – C, weil B nicht Inhaber der Hypothek ist.<br />

- Auch eigentlich kein Schutz des guten Glaubens des C an Forderung des B, § 404.<br />

Aber guter Glaube des C an Wirksamkeit der Hypothek mit Forderung geschützt, §§ 1138, 892,<br />

so dass C Inhaber der Hypothek geworden ist, A hat damit die Hypothek verloren<br />

(bis <strong>zu</strong> diesem Punkt alles unstreitig).<br />

Aber ist C auch Inhaber der persönlichen Forderung des A gegen S geworden? Str.<br />

2. Konventionelle Lösung (Palandt; MK):<br />

1. § 1138 will nur gutgläubigen Erwerb der Hypothek erlauben,<br />

erklärt sich nur aus der Vorstellung, dass Hypothek eine Forderung voraussetze.<br />

2. Also bleibt es dabei, dass gutgläubig nur die Hypothek erworben wird.<br />

3. Die Forderung gegen S steht nach wie vor dem ursprünglich Berechtigten (hier: A) <strong>zu</strong>.<br />

4. Eigentümer und persönlicher Schuldner müssen aber gegen Doppelinanspruchnahme geschützt werden, etwa<br />

1. mit der Einrede, bei Geltendmachung des einen Rechts das andere <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>übertragen oder<br />

2. mit Erlöschen der Forderung bei Zahlung auf die Hypothek oder<br />

3. mit Ausgleichsansprüchen zwischen Grundstückseigentümer und persönlichem Schuldner.<br />

3. Aber moderne Ansicht (W. Gerhardt, M. Wolf):<br />

1. Zwar beschränkte Bedeutung des § 1138.<br />

2. Aber Argumente für die moderne Ansicht:<br />

1. da die Hypothek gemäß § 1153 II Halbs. 2<br />

nicht ohne die Forderung übertragen werden kann,<br />

geht auch die Forderung auf den neuen Hypothekengläubiger (hier:C) über<br />

und der bisher Berechtigte (hier A) verliert seine Forderung.<br />

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Grundstücksrecht<br />

2. Auf diese Weise werden Auseinanderfallen<br />

Hypothek und Forderung vermieden.<br />

3. Hauptzweck: Eigentümer wie Schuldner sind auf einfache Weise gegen doppelte Inanspruchnahme<br />

geschützt, und dieser ist der Zweck des § 1153.<br />

Mit dem Ergebnis, dass hier Forderung der Hypothek folgt, wird gerade Trennung beider verhindert.<br />

9. Ähnliches gilt für Ein-reden gegen die persönliche Forderung.<br />

1. Diese kann ja grundsätzlich<br />

der Eigentümer gegenüber der Hypothek geltend machen, § 1137 I 1.<br />

2. Aber der Hypothekengläubiger (G 2), der diese Einreden nicht kennt,<br />

erwirbt die Hypothek insofern einrede-frei, § 1138;<br />

der Eigentümer verliert also die Einreden.<br />

3. Aber wenn der Erwerber G 2 auf Grund der Forderung<br />

von dem Schuldner Leistung verlangt,<br />

kann der Schuldner die Einrede erheben, § 404.<br />

Kapitel 6. Eingeschränkter gutgläubiger Zweiterwerb der Sicherungshypothek<br />

1. §§ 1184 ff.<br />

2. Gar kein guter Glaube an Forderung, kein § 1138.<br />

1. Daher kein gutgläubiger Zweiterwerb der Hypothek,<br />

wenn Forderung nicht existiert oder einem anderen Gläubiger <strong>zu</strong>steht,<br />

2. kein gutgläubig einredefreier Erwerb hinsichtlich Einreden gegen Forderung,<br />

§§ 1137, 1138.<br />

Es können also nur noch Mängel der dinglichen Rechtsgeschäfte geheilt werden.<br />

3. Den Gegensatz <strong>zu</strong>r Sicherungshypothek bildet die übliche „Verkehrshypothek“.<br />

Nicht verwechseln Sicherungs-Hypothek und Sicherungs-Grundschuld.<br />

Kapitel 7. Gutgläubiger Zweiterwerb der Hypothek: Formerfordernisse<br />

Für den gutgläubigen Erwerb der Buchhypothek ist es erforderlich und ausreichend, dass der Erwerber auf die Eintragung im Grundbuch<br />

vertraut. Aber damit die Briefhypothek auch wirklich umlauffähig ist, muss sie möglichst mit demselben Gutglaubensschutz ausgestattet sein<br />

wie das Grundbuch. Damit wiederum der Grundstückseigentümer nicht ohne Schutz bleibt, müssen die Vorausset<strong>zu</strong>ngen und Grenzen des<br />

Gutglaubensschutzes genau festgelegt werden (§ 1155). Dabei hatte der Gesetzgeber auch <strong>zu</strong> entscheiden, welche Bedeutung unterschiedliche<br />

Eintragungen auf dem Grundbuchbrief und im Grundbach haben sollen (§ 1155, § 1140). Der Wortlaut der Vorschriften ist klar, aber<br />

trotzdem machen sie den Studierenden oft Schwierigkeiten.<br />

1. Buchhypothek<br />

1. Erforderlich und genügend, dass Veräußerer der Hypothek im Grundbuch als Hypothekengläubiger eingetragen war und<br />

2. dass nicht rechtzeitig Widerspruch oder Grundbuchberichtigung erfolgt sind.<br />

Hinsichtlich der Buchhypothek kommt es im übrigen auf besondere Formerfordernisse nicht an.<br />

2. Für gutgläubigen Erwerb der Briefhypothek sind erforderlich<br />

- wie bei Erwerb vom Berechtigten die Beachtung der Form des § 1154, Absatz 1 oder Absatz 2,<br />

- außerdem für gutgläubigen Erwerb vom Nichtgläubiger Besonderheiten bezüglich<br />

Grundbuch, Hypothekenbrief und Abtretungserklärungen.<br />

3. Eckgrundstück. E hat dem G1 <strong>zu</strong>r Sicherung einer Darlehensforderung des G1 gegen S von 1 Mio. Euro wirksam eine Hypothek an<br />

seinem Eckgrundstück bestellt; die Eintragung erfolgt am 1. März.<br />

Am 2. April zahlt E 100 000,- an G1 <strong>zu</strong>rück, worüber ein entsprechender Vermerk im Grundbuch, aber nicht auf dem Hypothekenbrief<br />

erfolgte.<br />

Bei dieser Gelegenheit vereinbarten E und G1, ohne Eintragung, dass die Hypothek erst geltend gemacht werden dürfe, nachdem sich<br />

die Zwangsvollstreckung gegen S als erfolglos erwiesen habe.<br />

Am 3. Mai erwirkt E im Wege einer einstweiligen Verfügung die Eintragung des Widerspruchs im Grundbuch betreffend die Vereinbarung<br />

zwischen E und G1 über die Vorausset<strong>zu</strong>ng für die Geltendmachung der Hypothek.<br />

G1 überträgt am 4. Juni die Hypothek mit Briefübergabe und öffentlich beglaubigter Abtretungserklärung an G2. G2 weiß weder etwas<br />

von der Zahlung noch von der Abrede des 2. April.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

G2 überträgt die Hypothek in schriftlicher Form mit Briefübergabe an G3. G3 weiß nichts von der Zahlung und der Abrede und<br />

glaubt, eine vollwirksame Hypothek über 1 Mio. Euro am Eckgrundstück des E erlangt <strong>zu</strong> haben.<br />

Kann G3 ohne weiteres von E die Duldung der Zwangsvollstreckung in das Eckgrundstück verlangen?<br />

4. Erforderlich für gutgläubigen Erwerb der Forderung aus einer Briefhypothek<br />

sind Abtretungserklärungen<br />

1. von einem im Grundbuch eingetragenen Gläubiger<br />

(dieser kann auch der Eigentümer sein, der sich eine Eigentümergrundschuld bestellt hat),<br />

bis hin <strong>zu</strong>m veräußernden Gläubiger<br />

(das ist der „Vormann“ des jetzigen Gläubigers) und<br />

2. öffentliche Beglaubigung dieser Veräußererkette<br />

- (deswegen das Recht des Hypothekenerwerbers auf öffentliche Beglaubigung, § 1154 I 2),<br />

- hier wieder die „Spitzfindigkeit“ des Gesetzes: nur der Veräußerer<br />

muss sich durch ununterbrochene Kette öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen ausweisen,<br />

nicht der neue Gläubiger.<br />

Gutgläubiger Erwerb ist auch möglich, wenn vom letzten Veräußerer auf den neuen Gläubiger<br />

nur schriftliche Abtretungserklärung oder Grundbucheintragung (§ 1154 I 1 oder II).<br />

Unterbrechung der Kette durch bloß schriftliche Abtretungserklärung ohne Beglaubigung<br />

1. schadet und verhindert gutgläubigen Erwerb aller Späteren, wenn diese Abtretung unwirksam war,<br />

z. B. wegen fehlender Geschäftsfähigkeit des Abtretenden oder des Abtretungsempfängers,<br />

2. aber ist nach h. M. unschädlich und erlaubt späteren gutgläubigen Erwerb,<br />

wenn die fragliche, nur schriftliche Abtretung, wirksam war (aber str.).<br />

Ob Fälschung schadet, weil auch sonst nicht durch guten Glauben gedeckt ist,<br />

oder wegen Umlaufsinteresses (§ 1155) durch guten Glauben ersetzt wird (so RG in obiter dictum), ist str.<br />

5. Aber kein Schutz des guten Glaubens des Erwerbers einer Briefhypothek<br />

wenn Widerspruch<br />

oder Berichtigung im Grundbuch eingetragen ist,<br />

und zwar <strong>zu</strong>r Zeit der Abtretungserklärung und der Briefübergabe, je nach späterem Zeitpunkt,<br />

auch wenn aus dem Brief nicht <strong>zu</strong> ersehen ist, und zwar gerade dann,<br />

wenn neuer Gläubiger gutgläubig ist und von Bucheintragung nichts weiß.<br />

Denn § 1155 S. 1 am Ende stellt nur die beschränkte Gleichstellung auf,<br />

„wie wenn der Besitzer des Briefes (d.h. der Veräußerer der Briefhypothek) als Gläubiger im Grundbuch eingetragen wäre“.<br />

Dann sind im übrigen die weiteren Eintragungen im Grundbuch <strong>zu</strong> berücksichtigen.<br />

Auch arg. § 1140 für Erheblichkeit der Berichtigung oder des Widerspruchs im Grundbuch.<br />

Kurz: richtiges Grundbuch zerstört falschen Hypothekenbrief.<br />

Wenn z. B. Hypothek im Grundbuch richtig mit 80 000 Euro eingetragen,<br />

oder wenn im Grundbuch Widerspruch gegen die Hypothek, soweit die Forderung 80 000 Euro übersteigt,<br />

wenn aber auf dem Brief <strong>zu</strong> Unrecht 100 000 Euro angegeben sind,<br />

dann nur Erwerb der Hypothek in Höhe von 80 000 Euro möglich.<br />

6. Guter Glaube an unrichtiges Grundbuch wird zwar geschützt, § 892 direkt.<br />

Aber wenn Hypothekenbrief richtig ist,<br />

dann nützt die Unrichtigkeit des Grundbuchs nichts, § 1140 S. 1.<br />

Kurz: richtiger Brief zerstört falsches Grundbuch,<br />

und zwar gerade dann, wenn Gläubiger gutgläubig ist und von Briefeintragung nichts weiß.<br />

Wenn z. B. im Betrag von 80 000 Euro ein Teil von 25 000 Euro wirksam <strong>zu</strong>rückgezahlt<br />

und entsprechend auf dem Hypothekenbrief quittiert aber nicht im Grundbuch eingetragen wurden,<br />

dann nur Erwerb der Resthypothek in Höhe von 55 000 Euro.<br />

7. Faustformel:<br />

- Richtiges Grundbuch oder<br />

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Grundstücksrecht<br />

- richtiger Brief oder<br />

- richtige Abtretungskette<br />

zerstören gutgläubigen Erwerb.<br />

Also Vorsicht: der Erwerber einer Briefhypothek ist weniger geschützt, als man eigentlich glauben würde.<br />

Umgekehrt: nur die übereinstimmende Unrichtigkeit<br />

von Buch, Brief und Abtretungskette erlaubt gutgläubigen Erwerb.<br />

Kapitel 8. Zusammenfassung<br />

Wie man sehen konnte, werden die Hauptprobleme bei der Hypothek durch Fehler entweder bei der Bestellung oder bei Übertragung oder infolge<br />

sonstiger Umstände verursacht. Die Probleme werden meistens durch den guten Glauben des Erwerbers ausgeglichen. Das soll im folgenden<br />

noch einmal <strong>zu</strong>sammengestellt werden.<br />

1. Fehler bei der Bestellung der Hypothek<br />

1. Fehlendes oder fehlerhaftes Einigsein über die Hypothekenbestellung, § 873 I,<br />

Hypothek ist nicht entstanden, keine Eigentümergrundschuld, kein gutgläubiger Erwerb des Erstgläubigers,<br />

aber gutgläubiger Erwerb des Zweiterwerbers, § 892.<br />

2. Fehlen der Eintragung - sowieso keine Hypothek, gutgläubiger Zweiterwerb nicht denkbar.<br />

3. Bestellung durch den Nichtberechtigten.<br />

Hypothek ist eigentlich nicht entstanden, keine Eigentümergrundschuld.<br />

1. Aber bei Bestellung durch Nichteigentümer<br />

und bei gutem Glauben des Erstgläubigers wirksam, § 892. Guter Glaube des Zweitgläubigers irrelevant.<br />

Wenn ausnahmsweise kein gutgläubiger Erwerb des Erstgläubigers, dann gutgläubiger Erwerb des Zweitgläubigers, § 892.<br />

2. Bei Fehlen sonstiger Berechtigung, z. B. Minderjährigkeit oder § 1365<br />

(falls diese Fälle nicht <strong>zu</strong>m fehlenden „Einigsein“ gerechnet werden),<br />

keine Hypothek, keine Eigentümergrundschuld, kein gutgläubiger Ersterwerb; erst gutgläubiger Zweiterwerb.<br />

4. Fehlende Briefübergabe etc., § 1117,<br />

Eigentümergrundschuld, §§ 1163 Absatz 2, 1177 I, kein gutgläubiger Erwerb des Erstgläubigers.<br />

Übertragung auf Zweitgläubiger ohne Briefübergabe nicht möglich, § 1154.<br />

5. Nicht entstandene Forderung bei der Bestellung der Hypothek,<br />

Eigentümergrundschuld, §§ 1163 Absatz 1, 1177 I; kein gutgläubiger Erwerb des Erstgläubigers,<br />

aber gutgläubiger Erwerb des Zweiterwerbers, §§ 1138, 892.<br />

2. Fehler bei der Übertragung auf Zweitgläubiger<br />

1. Fehler<br />

1. bei der Bestellung der „Hypothek“ des eingetragenen Erstgläubigers,<br />

gutgläubiger Erwerb des Zweitgläubigers, § 892,<br />

2. „in Ansehung der Forderung“ für den eingetragenen Erstgläubiger,<br />

gutgläubiger Erwerb der Hypothek durch Zweitgläubiger, §§ 1138, 892.<br />

2. Fehler bei der „Abtretung der Forderung“ mit Hypothek, § 1154,<br />

scheinbarer Zweitgläubiger erwirbt nicht die Hypothek,<br />

aber danach gutgläubiger Erwerb des <strong>Dr</strong>ittgläubigers, §§ 892, 1138.<br />

3. Einreden<br />

1. Einreden gegen die Hypothek<br />

1. hat Eigentümer ohnehin gegen Erstgläubiger, außerdem<br />

2. auch gegen neuen Gläubiger, § 1157 Satz 1.<br />

3. Hat Eigentümer aber gegen neuen Gläubiger nicht,<br />

1. wenn neuer Gläubiger diese nicht kennt, §§ 1157 Satz 2, 892, und<br />

2. wenn sie aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sind.<br />

2. Einreden gegen die persönliche Forderung<br />

1. hat Eigentümer gegen Erstgläubiger, § 1137, außerdem<br />

2. auch gegen neuen Gläubiger, §§ 404, 1137.<br />

3. Hat Eigentümer aber nicht gegenüber der „Hypothek“,<br />

1. wenn neuer Gläubiger diese nicht kennt, §§ 1138, 1137, 892, und<br />

2. wenn sie nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sind.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

4. Die drei Faustregeln<br />

1. „Der Eigentümer hat gegenüber dem Gläubiger fast alle überhaupt denkbaren Einwendungen und Einreden“.<br />

2. „Der Eigentümer verliert seine Einwendungen und Einreden<br />

nicht allein dadurch, dass die Hypothek auf einen neuen Gläubiger übertragen werden sollte.“<br />

3. „Der neue Gläubiger kann sich aber meistens gegen alle Einwendungen und Einreden auf seinen guten Glauben berufen.<br />

Das endet immer bei § 892. Aber die Wege dahin sind unterschiedlich.”<br />

5. Guter Glaube „in Ansehung der Forderung“, § 1138<br />

1. Wenn Forderung gänzlich fehlt,<br />

1. wird sie für Existenz der „Hypothek“ fingiert,<br />

2. Erwerber erwirbt sie aber nicht, um sie isoliert gegenüber persönlichem Schuldner<br />

geltend machen <strong>zu</strong> können.<br />

2. Wenn sie existiert, aber nicht dem eingetragenen Gläubiger <strong>zu</strong>steht,<br />

1. wird sie ebenfalls als dem Eingetragenen <strong>zu</strong>stehend fingiert.<br />

2. Ob außerdem die persönliche Forderung auch als solche auf den Erwerber übergeht, ist str.<br />

3. Das Gleiche gilt hinsichtlich Einreden gegen die persönliche Forderung.<br />

6. Guter Glaube bei Erwerb einer Briefhypothek, § 1155 (und § 1140)<br />

1. Vorausset<strong>zu</strong>ngen des Gutglaubensschutzes des Erwerbers<br />

1. Inhaber des Hypothekenbriefs<br />

1. war veräußernder Gläubiger und<br />

2. ist jetzt der Erwerber der Briefhypothek,<br />

2. Abtretungserklärungen<br />

1. von einem im Grundbuch eingetragenen Gläubiger<br />

2. bis hin <strong>zu</strong>m veräußernden Gläubiger<br />

sind öffentlich beglaubigt.<br />

3. Aber kein Schutz des guten Glaubens<br />

1. wenn Widerspruch oder Berichtigung im Grundbuch eingetragen ist,<br />

2. oder wenn Unrichtigkeit des Grundbuchs aus dem Brief ersichtlich ist.<br />

Kapitel 9. Übertragung des belasteten Grundstücks<br />

Die im folgenden beantworteten Fragen: „Ist der Eigentümer des belasteten Grundstücks durch die Hypothek oder Grundschuld in seiner<br />

Verfügung über das Grundstück beschränkt? Welche Rechtsstellung hat der Käufer eines solchen Grundstücks?“, sind natürlich für den<br />

Grundstücksverkehr von großer praktischer Bedeutung und könnten Gegenstand einer sogenannten Anwaltsklausur sein.<br />

1. Kastanienhof. E hast sein Grundstück „Kastanienhof“ mit einer Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten der Bank B belastet. Kann er ohne weiteres das<br />

Grundstück an den Interessenten I veräußern? Muss B <strong>zu</strong>stimmen? Muss I haften?<br />

2. Keine Verfügungsbeschränkung<br />

Der Eigentümer des Grundstücks, das mit einer Hypothek oder Grundschuld belastet ist,<br />

ist in keiner Weise in der Verfügung über das Grundstück beschränkt. Er kann es z. B. an<br />

einen Käufer übereignen.<br />

3. Beteiligte am Eigentümerwechsel<br />

1. bisheriger Eigentümer des belasteten Grundstücks = Verkäufer<br />

2. neuer Eigentümer des belasteten Grundstück = Käufer<br />

3. persönlicher Schuldner,<br />

- kann mit bisherigem Gläubiger identisch sein,<br />

- kann stattdessen verschiedene Person sein.<br />

4. Gläubiger der Forderung ist gleichzeitig Gläubiger der Hypothek oder Grundschuld.<br />

4. Wichtig <strong>zu</strong> unterscheiden<br />

1. Frage der Hypothek oder Grundschuld einerseits,<br />

2. Frage der persönlichen Schuld andererseits.<br />

5. Sogenannter „Sukzessionsschutz“ hinsichtlich Hypothek oder Grundschuld.<br />

Wenn das belastete Grundstück vom bisherigen Eigentümer<br />

auf einen neuen Eigentümer übertragen wird (Sukzession),<br />

wenn also der Eigentümer des Grundstücks wechselt,<br />

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Grundstücksrecht<br />

bleibt die Hypothek oder Grundschuld ohne weiteres erhalten.<br />

Das Eigentum an einer Sache ist wie ein Elefant,<br />

es trägt die Belastung mit Pfandrecht<br />

oder anderen beschränkten dinglichen Rechten mit sich,<br />

auch wenn es weiterwandert, daher Elefantenprinzip ©.<br />

Der Gläubiger bleibt derselbe,<br />

das Grundstück, das ihm haftet, bleibt dasselbe,<br />

nur der Eigentümer des haftenden Grundstücks wird ein anderer.<br />

Bei der Vereinbarung der Übernahme der Hypothek durch den Käufer<br />

ist ein besonderes dingliches Rechtsgeschäft in Be<strong>zu</strong>g auf die Hypothek nicht denkbar,<br />

denn Käufer als neuer Eigentümer ist ohnehin mit der Hypothek belastet<br />

(anders: bezüglich der persönlichen Schuld).<br />

6. Ausgenommen gutgläubig lastenfreier Erwerb, wenn eine Hypothek <strong>zu</strong> Unrecht gelöscht worden war, § 892.<br />

7. Der (bisherige) Eigentümer kann sich in einer vollstreckbaren Urkunde sogar mit Wirkung<br />

„gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks“ der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen, § 800 ZPO.<br />

8. Fortdauer der persönlichen Schuld bei ursprünglichem Schuldner<br />

Auch wenn das Eigentum an dem belasteten Grundstück wechselt,<br />

selbst wenn der Schuldner bis dahin Eigentümer des belasteten Grundstücks war,<br />

so bleibt doch der ursprüngliche Schuldner nach wie vor der einzige Schuldner<br />

des Gläubigers.<br />

Der Gläubiger bleibt gleichzeitig der Gläubiger der persönlichen Schuld<br />

und der Hypothek.<br />

9. Infolgedessen würden als Folge der Übereignung des Grundstücks<br />

- persönliche Schuld und Eigentum am belasteten Grundstück auseinanderfallen,<br />

- der Käufer würde für seinen vollen Kaufpreis ein belastetes Grundstück erhalten,<br />

wenn nicht die drei Beteiligten entsprechende Vereinbarungen treffen würden.<br />

10. Wenn die drei Beteiligten keine entsprechenden Vereinbarungen treffen,<br />

1. dann bleibt der ursprüngliche Schuldner der Schuldner,<br />

2. das Grundstück des Käufers bleibt mit der Hypothek oder Grundschuld belastet,<br />

3. aber die bestehen bleibende Hypothek oder Grundschuld bedeutet<br />

einen Rechtsmangel, §§ 433, 435 S. 1, 442 II BGB n. F.<br />

11. Erste Möglichkeit:<br />

Verkäufer (der bisherige Eigentümer) und Käufer vereinbaren,<br />

dass der Verkäufer die Hypothek oder Grundschuld ablöst.<br />

1. Dann muss der (bisherige) Eigentümer mit dem Gläubiger<br />

(üblicherweise gegen Zahlung) eine entsprechende Vereinbarung treffen,<br />

insbesondere zwecks<br />

- Aufhebung der Hypothek, §§ 1183, 875; oder Verzicht, § 1168;<br />

- oder Befriedigung, § 1142 oder § 362;<br />

da<strong>zu</strong> a. o. Kündigungsrecht des S, § 490 II.<br />

2. Damit geht meistens auch die persönliche Schuld unter.<br />

3. Der Käufer erhält unbelastetes Eigentum<br />

und schuldet dem Verkäufer vollen Kaufpreis.<br />

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12. Zweite Möglichkeit<br />

1. Der Käufer erklärt sich mit dem Bestehenbleiben der Belastung einverstanden,<br />

und vereinbart mit dem Verkäufer eine entsprechend niedrigere Barzahlung,<br />

das ist die weitverbreitete „Übernahme der Hypothek (oder Grundschuld)<br />

mit Anrechnung auf den Kaufpreis“.<br />

Nach § 435 I 1 schließt derartige Vereinbarung Rechtsmangel aus.<br />

2. Hinsichtlich der persönlichen Schuld<br />

1. ist damit gleichzeitig die Schuldübernahme gewollt, §§ 414 f., § 416.<br />

2. Wenn aber G mit der Schuldübernahme durch den neuen Eigentümer<br />

nicht einverstanden ist, Verkäufer und Käufer jedoch den Kaufvertrag durchführen wollen,<br />

1. bleibt es dabei, dass<br />

1. der Käufer als neuer Eigentümer mit seinem Grundstück für Hypothek oder Grundschuld haftet und<br />

2. bisheriger Schuldner nach wie vor persönlich haftet.<br />

2. Aber der Käufer ist im Innenverhältnis <strong>zu</strong>m Verkäufer und Schuldner verpflichtet,<br />

bei Fälligkeit die Schuld <strong>zu</strong> bezahlen,<br />

so auch die gesetzliche Regelung für den „Zweifel“, § 415 III.<br />

3. Wenn bei Fälligkeit<br />

1. vertragsgemäß der Käufer (= der neue Eigentümer) an den Gläubiger zahlt, § 362,<br />

wird die Hypothek <strong>zu</strong>r Eigentümergrundschuld des Käufers, §§ 1163 I 2, 1177.<br />

Kein Regress des Käufers gegen den Verkäufer.<br />

2. Wenn aber der Verkäufer (= der frühere Eigentümer) in diesem Fall an den Gläubiger zahlt, § 362,<br />

hat der Verkäufer einen Regressanspruch gegen den Käufer,<br />

und die Hypothek geht <strong>zu</strong>r Sicherung dieses Regressanspruchs auf den Verkäufer über,<br />

§ 1164 I 1 (nicht: § 1143).<br />

13. <strong>Dr</strong>itte Möglichkeit<br />

Der Käufer erklärt sich mit dem Bestehenbleiben der Belastung einverstanden,<br />

der Verkäufer bleibt der persönliche Schuldner des Gläubigers, und beide vereinbaren,<br />

dass Verkäufer rechtzeitig für die Bezahlung an den Gläubiger sorgt,<br />

der Käufer zahlt aber vollen Kaufpreis an den Verkäufer.<br />

1. Wenn nun bei Fälligkeit vertragsgemäß der Verkäufer an den Gläubiger zahlt, § 362,<br />

wird die Hypothek <strong>zu</strong>r Eigentümergrundschuld des Käufers, §§ 1163 I 2, 1177.<br />

Kein Regress des Verkäufers gegen den Käufer.<br />

2. Wenn aber der Käufer (= der jetzige Eigentümer) in diesem Fall an den Gläubiger zahlt,<br />

hat Käufer Regress gegen Verkäufer,<br />

die persönliche Forderung des G gegen V erlischt nicht,<br />

sondern geht auf den Käufer, als den jetzigen Eigentümer über, §§ 1143 I 1 (nicht § 1164), 412, 398 ff.,<br />

mit der Forderung geht die Hypothek auf den Käufer über, § 1163 I 2,<br />

bleibt aber bis <strong>zu</strong>r Bezahlung der persönlichen Schuld durch den V eine Eigentümerhypothek des K.<br />

5. TEIL. BEFRIEDIGUNG DES GLÄUBIGERS<br />

Bisher ging es um Begründung und Übertragung der Hypothek und um die Einwendungen und Einreden des Eigentümers. Damit kommt<br />

man <strong>zu</strong> der naheliegenden Frage: Was passiert, wenn Zahlung an den Gläubiger erfolgt? Die Frage nach den Wirkungen der Zahlung betrifft<br />

die Existenz von Hypothek und persönlicher Schuld und, was wichtiger ist, den möglichen Rückgriff zwischen Eigentümer und persönlichem<br />

Schuldner, wenn diese nicht identisch sind. Wenn aber keine freiwillige Zahlung erfolgt, dann fragt sich, in welcher Weise und auf welche<br />

Gegenstände des Grundstückseigentümers der Gläubiger nun <strong>zu</strong>greifen darf.<br />

Kapitel 1A. Zahlung<br />

Der Eigentümer muss nicht zahlen, doch er darf. Aber natürlich ist die Zahlung nur wirksam, wenn der Eigentümer an den Richtigen zahlt:<br />

1. Persönliche Schuld und Hypothek sind fällig. G verklagt den E auf Zahlung. Wird G Erfolg haben?<br />

2. Der Hypothekengläubiger (= Hypothekar) hat als solcher<br />

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Grundstücksrecht<br />

keinen Zahlungsanspruch gegen den Grundstückseigentümer,<br />

1. sondern nur Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung, § 1147.<br />

2. Gläubiger hat zwar auf Grund der persönlichen Schuld einen Zahlungsanspruch; das ist aber eine andere Frage.<br />

3. Aber es darf freiwillig gezahlt werden, § 1142,<br />

1. durch persönlichen Schuldner, § 362,<br />

2. durch Eigentümer als solchen, § 1142,<br />

3. durch <strong>Dr</strong>itte, § 267; §§ 1150, 268.<br />

4. Zahlung an<br />

1. den wirklichen Gläubiger befreit. Wirklicher Gläubiger ist auch der gutgläubige Erwerber einer Hypothek<br />

vom Nichtberechtigten, §§ 892, 1138 (also § 893 ist nicht einschlägig).<br />

2. Auch gutgläubige Zahlung an den Scheingläubiger befreit,<br />

d. h. an<br />

- den im Grundbuch eingetragenen Nichtberechtigten, § 893,<br />

- oder an den gehörig ausgewiesenen Briefinhaber, §§ 1155, 893,<br />

wenn „auf“ die Hypothek oder Grundschuld geleistet wird. § 893 insofern lex specialis gegenüber § 407.<br />

Ausgleich zwischen dem wirklichen Gläubiger und dem nichtberechtigten Zahlungsempfänger<br />

nach Vertrag, GoA, § 816 II etc.<br />

Wenn jedoch ein persönlicher Schuldner, der nicht mit dem Eigentümer identisch ist,<br />

an buchberechtigten Nichtgläubiger leistet,<br />

dann gilt das nur als Zahlung auf die persönliche Schuld, § 893 ist nicht an<strong>zu</strong>wenden, sondern nur § 407.<br />

3. Aber keine befreiende Zahlung an Nichtgläubiger ohne Legitimation durch das Grundbuch.<br />

§ 407, wirksame Leistung des Schuldners an bisherigen Gläubiger,<br />

gilt nicht „in Ansehung der Hypothek“, § 1156 S. 1.<br />

Ziegelsteig I. E, persönlicher Schuldner des G1, hat an seinem Grundstück, Ziegelsteig, Hypothek für G1 bestellt. G1 tritt ordnungsgemäß,<br />

mit Grundbucheintragung etc., an G2 ab. Dann zahlt E an G1, weil E den G1 nach wie vor für den Gläubiger<br />

hält.<br />

1. Kann G2 dennoch die Zwangsvollstreckung in Grundstück des E betreiben, § 1147?<br />

Keine wirksame Leistung des E an G1, wegen § 1156 kein Gutglaubensschutz nach § 407, Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 893<br />

nicht gegeben. Also Anspruch des G2 gegen E.<br />

2. Kann G2 auf Grund persönlicher Forderung gegen E vorgehen? Nein, diese ist erloschen, § 407<br />

(Falls E und S nicht identisch ist, bei Zahlung durch den E kein Erlöschen der Forderung des G2, fraglich).<br />

Kapitel 1B. Aufrechung<br />

Fragen der Aufrechnung sind nur mäßig relevant für Klausuren aus dem Immobiliarrecht. Sie sind aber kompliziert und sollen deswegen<br />

kurz angesprochen werden.<br />

1. Grundfall § 387.<br />

1. Der Schuldner (S) rechnet eigene Forderung gegen den Gläubiger (G)<br />

gegen eine Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf,<br />

2. oder umgekehrt, G – S.<br />

2. Aufrechnung bei hypothekengesicherter Schuld, im Verhältnis S – G oder G - S<br />

Rechtsfolgen<br />

1. Persönliche Forderung erlischt, § 389.<br />

2. Hypothek<br />

1. Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 2, 1177, oder<br />

2. Hypothek des S, 1164.<br />

3. Aufrechnung im Verhältnis E – G<br />

1. Grundstückseigentümer E rechnet eigene Forderung gegen Gläubiger G<br />

gegen Hypothek des G am Grundstück des E auf, § 1142 II.<br />

Rechtsfolgen<br />

1. Forderungsübergang mit Hypothek auf E, § 1143,<br />

2. oder<br />

1. Erlöschen der persönlichen Forderung, § 389, und<br />

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2. Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 2, 1177.<br />

2. Keine Aufrechnung des G gegenüber E (h. M.), wegen<br />

- enger Wortinterpretation § 1142 und<br />

- wegen Fehlen der Gleichartigkeit i. S. § 387.<br />

4. Leistungsverweigerungsrecht (= Einrede) des E gegenüber G,<br />

solange G (!) die gesicherte Forderung gegen S aufrechnen kann<br />

gegen eine Forderung des S gegen G, §§ 1137 I 1, 770<br />

(Zweck: E darf den G darauf verweisen, sich <strong>zu</strong>erst auf andere Weise aus Vermögen des S <strong>zu</strong> befriedigen).<br />

5. Aufrechnung nach Abtretung (Grundfall, d. h. ohne Hypothekenrecht) im Verhältnis S – G1 – G2,<br />

nach Abtretung der Forderung gegen S von Altgläubiger G 1 an Neugläubiger G 2, § 398.<br />

1. Zweifelsohne Aufrechung des S mit eigener Forderung gegen Neugläubiger G 2, § 387,<br />

2. oder umgekehrt.<br />

3. S darf auch eigene Forderung, die er gegen Altgläubiger G 1 erworben hat,<br />

aufrechnen gegen die auf den Neugläubiger G 2 übergegangene Forderung, § 406<br />

und zwar durch Erklärung des S gegenüber G 2<br />

(Ausnahme vom Gegenseitigkeitserfordernis des § 387, <strong>zu</strong>m Schuldnerschutz).<br />

4. S darf eigene Forderung, die er gegen Altgläubiger G 1 erworben hat,<br />

aufrechnen gegen die auf den Neugläubiger G 2 übergegangene Forderung, § 407<br />

und zwar durch Erklärung des S gegenüber G 1<br />

(gewissermaßen umgekehrte Ausnahme vom Gegenseitigkeitserfordernis des § 387, ebenfalls Schuldnerschutz).<br />

5. Aber Gegenseitigkeitsgebot des § 387 verhindert Aufrechnungserklärungen durch Alt- oder Neugläubiger:<br />

1. durch G 1 mit der auf G 2 übergegangenen Forderung gegen eine Forderung des S gegen G 1<br />

(das wäre Eingriff des G 1 in Vermögen des G 2), oder<br />

2. durch G 2 mit seiner auf ihn übergegangenen Forderung gegen eine Forderung des S gegen G 1<br />

(das wäre Eingriff in Vermögen des S und wäre Vermögenseinbuße ohne einen Gewinn für G 2).<br />

6. Aufrechnung des Schuldners S nach Abtretung im Rahmen des Hypothekenrechts<br />

1. Zweifelsohne Aufrechnung S – G 2,<br />

1. Persönliche Forderung erlischt, § 389.<br />

2. Hypothek<br />

1. Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 2, 1177, oder<br />

2. Hypothek des S, 1164.<br />

2. Desgleichen umgekehrt, Aufrechnungserklärung des G 2 gegenüber S.<br />

3. Kann S eigene Forderung, die er gegen den früheren Hypothekengläubiger G 1 erworben hat,<br />

gegen die auf den neuen Hypothekengläubiger G 2 übergegangene Forderung aufrechnen? Hier wird <strong>zu</strong> differenzieren sein:<br />

1. Zwar § 406 oder § 407, so dass beide persönlichen Forderungen (S – G 1, G 2 – S) erlöschen.<br />

2. Aber § 1156 Satz 1 schaltet u. a. § 406 „in Ansehung der Hypothek“ aus.<br />

Das bedeutet, dass Hypothek für G 2 am Grundstück des E erhalten bleibt (vgl. Gedanken des § 1138).<br />

7. Keine Aufrechnung des Grundstückseigentümers E gegenüber früherem Hypothekengläubiger (= Hypothekar)<br />

1. Zwar eigentlich keine Aufrechnung wegen fehlender Gleichartigkeit, § 387.<br />

Ausnahmsweise Aufrechnung, § 1142 II.<br />

Aber Sperre der §§ 1156, 406.<br />

2. Ausnahme: Vertrauen auf Grundbuch und Brief, §§ 893, 1155.<br />

Kapitel 2. Rückgriff<br />

Gar nicht selten in der Praxis, aber, abgesehen von einer beliebten Kontroverse, bisher nur wenig in Klausuren tritt die Frage auf, ob dann,<br />

wenn Eigentümer und persönlicher Schuldner nicht identisch sind und wenn einer der beiden an den Gläubiger gezahlt hat, der Zahlende gegen<br />

den anderen einen Rückgriff hat. Derartige Ansprüche ergeben sich in erster Linie aus dem Innenverhältnis zwischen Eigentümer und<br />

persönlichem Schuldner.<br />

1. Rückgriffsrechte des Eigentümers gegen den persönlichen Schuldner<br />

(falls der Eigentümer an den Gläubiger <strong>zu</strong>r Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlt hat):<br />

1. Hauptfälle<br />

1. Sehr häufig ein Geschäftsbesorgungsvertrag oder Auftrag,... § 670.<br />

Dieser ist überhaupt der wichtigste, da<strong>zu</strong> noch der einfachste Fall.<br />

Wildschweinwald. Siegfried will bei der Bank Grün einen Kredit über 500 000,- Euro aufnehmen, um sich eine Zahnarztpraxis<br />

ein<strong>zu</strong>richten. Siegfrieds Vater, Emil, ist Eigentümer des Wildschweinwaldes. S und E vereinbaren in einem<br />

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Grundstücksrecht<br />

Auftragsvertrag, dass E an seinem Grundstück <strong>zu</strong> Gunsten der Bank G eine Hypothek <strong>zu</strong>r Sicherung des Rückzahlungsanspruchs<br />

der G gegen S bestellt. Sie vereinbaren weiter, dass S dem E sämtliche Leistungen und Kosten, die im Zusammenhang<br />

mit der Hypothek entstehen werden, erstatten werde. Hypothekenbestellung und Darlehensauszahlung erfolgen<br />

in wirksamer Weise.<br />

Da S den Kredit nicht <strong>zu</strong>rückzahlt, zahlt E an G, um die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück <strong>zu</strong> vermeiden. Welche<br />

Rechte hat E gegen S?<br />

2. Grundstückskaufvertrag in der besonderen Ausgestaltung:<br />

Das von V an K verkaufte Grundstück ist mit einer Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten des G belastet, persönlicher Schuldner ist der<br />

Eigentümer und Verkäufer. Der Käufer erklärte sich mit dem Bestehenbleiben der Belastung einverstanden. Der Verkäufer<br />

erklärte sich gegenüber dem Käufer <strong>zu</strong>r Erfüllung der persönlichen Schuld verpflichtet. Im Vertrauen auf diese<br />

Zusage zahlte der Käufer den vollen Kaufpreis, obwohl er Grundstück mit Hypothek übernahm.<br />

Wenn aber tatsächlich der Käufer und damit Eigentümer die Zahlung an den Gläubiger leistet, hat natürlich der Käufer=Eigentümer<br />

auf Grund der Vertragsabrede einen Rückgriffsanspruch gegen den Verkäufer=persönlicher Schuldner.<br />

2. Wenn Eigentümer zahlt,<br />

1. geht Forderung von G gegen Schuldner auf ihn über, § 1143<br />

(wie bei Bürgschaft, § 774 I 1).<br />

Genauer: wenn Eigentümer als solcher (§ 1142) zahlt, dann cessio legis nach § 1143 I 1.<br />

Das Gesetz verlangt nicht ausdrücklich, dass Eigentümer bereits ein Regressrecht gegen den Schuldner hat;<br />

aber wenn E kein Regressrecht gegen S hat, kann er nicht auf Grund § 1143 Zahlung verlangen (s. u.).<br />

§ 1143 regelt nur persönliche Forderung/Schuld (Regelung des dinglichen Rechts in §§ 1153, 1177).<br />

2. Außerdem geht Hypothek auf den E selbst über, § 1153 I, 1177 II,<br />

also wie bei Regressrecht des persönlichen Schuldners,<br />

aber hier <strong>zu</strong>nächst als Eigentümerhypothek, nach Zahlung durch Schuldner als Eigentümergrundschuld, § 1177<br />

(doch nützt dem E die Hypothek ja nichts gegenüber dem S).<br />

3. Außerdem hat E das ursprüngliche Rückgriffsrecht gegen S,<br />

z. B. aus entgeltlicher Geschäftsbesorgung, §§ 675, 670.<br />

2. Rückgriffsrechte des persönlichen Schuldners gegen den Eigentümer<br />

(falls der persönliche Schuldner an den Gläubiger gezahlt hat). Derartige Fälle dürften seltener sein.<br />

1. Hauptfall<br />

Typischerweise der Grundstückskaufvertrag in einer anderen Ausgestaltung:<br />

Das von V an K verkaufte Grundstück ist mit einer Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten des G belastet, persönlicher Schuldner ist der Eigentümer<br />

und Verkäufer.<br />

Auch diesmal bleibt einverständlich die Hypothek auf dem verkauften Grundstück ruhen.<br />

Aber diesmal verpflichtete sich im Innenverhältnis (V – K) der Käufer=(neuer) Eigentümer gegenüber dem Verkäufer <strong>zu</strong>r<br />

Zahlung an den Gläubiger, während der Verkäufer aber persönlicher Schuldner des G bleibt (meistens, weil G die Schuldübernahme<br />

durch K nicht genehmigt hatte, vgl. § 415); wohingegen der K auch nur einen entsprechend geringeren Kaufpreis an<br />

den V ausbezahlt hatte.<br />

Wenn jetzt, entgegen der Abrede, der Verkäufer=persönliche Schuldner an den G zahlt, hat diesmal natürlich V auf Grund der<br />

Vertragsabrede einen Rückgriffsanspruch gegen den Käufer=Eigentümer<br />

2. Wenn persönlicher Schuldner zahlt und wenn S Regress gegen Eigentümer hat,<br />

1. erlischt die ursprünglich gesicherte Forderung G - S, § 362,<br />

sie geht also nicht auf S über,<br />

2. aber Hypothek geht auf Schuldner über, § 1164<br />

(gesetzlicher Rechtsübergang; entgegen § 1163 I 2 nicht etwa Eigentümerhypothek oder –grundschuld),<br />

<strong>zu</strong>r Sicherung des Regressrechts des Schuldners gegenüber Eigentümer,<br />

(gesetzliche Forderungsauswechslung;<br />

und hier ist der vom Gesetz angeordnete Hypothekenübergang wirklich von Nutzen gegenüber dem Anspruchsgegner).<br />

3. Außerdem hat S das ursprüngliche Rückgriffsrecht gegen E,<br />

z. B. aus Verlet<strong>zu</strong>ng des Kaufvertrages, Geschäftsbesorgung, Auftrag, Bereicherung.<br />

3. Wenn <strong>Dr</strong>itter zahlt, um dingliches Recht oder Besitz am Grundstück <strong>zu</strong> behalten,<br />

gehen Forderung, §§ 268 III, und Hypothek, § 1153 I, auf ihn über.<br />

Hauptfälle:<br />

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1. Inhaber eines nachrangigen dinglichen Rechts,<br />

dessen Recht durch Zwangsvollstreckung eines vorrangigen Rechts erlischt,<br />

§§ 91, 52 I 2, 44 ZVG;<br />

2. Grundstücksmieter und -Pächter wegen Kündigungsrecht nach § 57 a ZVG.<br />

Aber kein gutgläubiger Erwerb des D, da kein rechtsgeschäftlicher Forderungserwerb (BGH, str.).<br />

4. Beliebtes Klausurthema:<br />

Ausgleich mehrerer Sicherungsgeber,<br />

falls diese nicht die persönlichen (Haupt-)-Schuldner sind.<br />

Werkhof. S hat <strong>zu</strong>r Tilgung seiner Geschäftsschulden ein Darlehen bei der Bank G aufgenommen. Zur Sicherung hat E an seinem<br />

Grundstück, dem Werkhof, eine Hypothek bestellt, und <strong>zu</strong>r Sicherung desselben Darlehens hat B die Bürgschaft übernommen. S zahlt<br />

nicht. G wendet sich an E, E zahlt. Hat E Regress gegen S und/oder gegen B, gegebenenfalls in welcher Höhe?<br />

1. Grundsätzlich Übergang der gesicherten Forderung auf Eigentümer, § 1143 I 1,<br />

das Gleiche gilt für Bürgen, § 774 I 1.<br />

2. Mit der Forderung gehen die akzessorischen Sicherungsrechte über,<br />

§§ 412, 401, also Hypothek und/oder Bürgschaftsanspruch,<br />

und zwar nach dem Gesetzeswortlaut Übergang der Forderung<br />

und der Sicherungsrechte in voller Höhe.<br />

3. Ergebnis<br />

1. Das würde bedeuten: „Wer <strong>zu</strong>erst kommt, mahlt <strong>zu</strong>erst“,<br />

1. wenn also z. B. der Eigentümer <strong>zu</strong>erst zahlt,<br />

geht Forderung mit Bürgensicherung auf E über.<br />

D. h. E hat<br />

1. gegen S die Forderung, welche ursprünglich dem G <strong>zu</strong>stand,<br />

2. außerdem gegen Bürgen B volle Bürgschaftsforderung,<br />

§§ 1143 I, 412, 401<br />

(nur <strong>zu</strong>r Ergän<strong>zu</strong>ng:<br />

3. außerdem hat E wahrscheinlich auf Grund Innenverhältnisses weiteren Anspruch gegen S,<br />

4. die Hypothek selbst wird Eigentümerhypothek.).<br />

2. Würde, umgekehrt, B <strong>zu</strong>erst zahlen, hätte B<br />

1. gegen S die Forderung, welche ursprünglich dem G <strong>zu</strong>stand,<br />

2. außerdem in vollem Umfang Hypothek am Grundstück des E,<br />

§§ 774 I 1, 412, 401<br />

(<strong>zu</strong>r Ergän<strong>zu</strong>ng: außerdem hat B wahrscheinlich auf Grund Innenverhältnisses weiteren Anspruch gegen S).<br />

Also: „Wettlauf der Sicherungsgeber“ (<strong>zu</strong>r Bezahlung des Gläubigers)?<br />

Oder vielleicht stattdessen Privilegierung des Bürgen?<br />

2. Aber Gedanke aus §§ 774 II, 426:<br />

1. Mehrere Sicherungsgeber bilden zwar<br />

keine vertragliche Gesamtschuldnergemeinschaft.<br />

2. Jedoch allgemeiner Rechtsgedanke,<br />

dass mehrere auf gleicher Stufe stehende Sicherungsgeber<br />

entsprechend § 426 I <strong>zu</strong> gleichen Teilen regresspflichtig sind(jetzt ü. M.).<br />

5. Wenn Eigentümer oder Schuldner oder <strong>Dr</strong>itter zahlt und keinen Regress hat,<br />

1. erlischt Forderung, § 362 I,<br />

und es entsteht Eigentümergrundschuld, §§ 1163 I 2, 1177.<br />

2. § 1143 I 1 ordnet ohne ausdrückliche Einschränkung den Forderungsübergang auf den Eigentümer an.<br />

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Grundstücksrecht<br />

Doch muss § 1143 in dem Sinne verstanden werden,<br />

dass E im Ergebnis die auf ihn übergegangene Forderung gegen S nicht durchsetzen kann,<br />

wenn E selbst dem S gegenüber <strong>zu</strong>r Tilgung der Forderung verpflichtet war, entweder<br />

- infolge teleologischer Reduktion des § 1143,<br />

- oder weil dann, wenn Eigentümer in Verpflichtung gegenüber Schuldner zahlt,<br />

E gemäß § 362 (und nicht gemäß § 1142) gezahlt hat,<br />

so dass persönliche Forderung erloschen ist und nicht übergehen konnte<br />

(und lediglich Eigentümergrundschuld entstanden ist, §§ 1163 I 2, 1177),<br />

- oder §§ 1143 I 2, 774 I 3: Einwendungen des S gegenüber E<br />

(hier: kein Regress E gegen S).<br />

3. Bei Zahlung ohne Verpflichtung oder besondere Berechtigung sind Erstattungsansprüche vor allem<br />

auf Grund Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung <strong>zu</strong> erwägen.<br />

Kapitel 3. Zwangsvollstreckung des Gläubigers, Verteidigung des Eigentümers<br />

Die Frage ist eigentlich naheliegend: Wie setzt der Gläubiger sein Recht gegenüber dem Eigentümer durch? Hierfür finden sich die Regeln in<br />

der ZPO und im ZVG.<br />

1. Waldacker. G hat Forderung in Höhe von 100 000,- Euro gegen S. Zur Sicherung hat G Hypothek am Waldacker des E. Forderung<br />

und Hypothek sind fällig. Kann G von E Zahlung verlangen? Wie muss G vorgehen?<br />

2. §§ 1147, 1192 I BGB. Einzelheiten geregelt in ZPO und ZVG.<br />

3. In den drei Definitionen der §§ 1113, 1191 und 1199 sowie in § 1147 heißt es,<br />

die Geldsumme sei "aus dem Grundstück <strong>zu</strong> zahlen“. Was bedeutet diese Bestimmung?<br />

1. Kein Anspruch des Gläubigers gegen Eigentümer auf Zahlung.<br />

Gläubiger hat Zahlungsanspruch nur gegen persönlichen Schuldner, auch wenn dieser mit Eigentümer identisch ist,<br />

für Verhältnis <strong>zu</strong>m persönlichen Schuldner aber nicht maßgebend Hypothekenrecht und ZVG.<br />

2. Sondern Gläubiger hat nur das Recht,<br />

dass notfalls das Grundstück und mithaftende Gegenstände<br />

zwangsversteigert werden, § 1147,<br />

und dass er aus dem Erlös Zahlung erhält, falls der Erlös soweit ausreicht.<br />

Daher Anspruch bzw. Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung.<br />

4. Unwiderlegbare Vermutung für das Eigentum des Eingetragenen, § 1148,<br />

Hypothekar muss daher Duldungsklage gegen Eingetragenen richten.<br />

5. Vorausset<strong>zu</strong>ngen für jede Zwangsvollstreckung<br />

(auch unabhängig von Sachenrecht) sind schlagwortartig:<br />

1. (Vollstreckungs-)-Titel (§ 704 oder § 794)<br />

2. (Vollstreckungs-)-Klausel (§§ 724 ff. ZPO)<br />

3. Zustellung (nämlich des Titels, § 750 ZPO).<br />

6. Wichtig für Klausur ist Vollstreckungstitel,<br />

(denn ohne „Titel“ ist Zwangsvollstreckung in Grundstück nicht möglich),<br />

1. vor allem Urteile.<br />

2. Außerdem vollstreckbare Urkunde, lesen Sie § 794 1 Nr.5 ZPO;<br />

da<strong>zu</strong> §§ 795, 797 ff. ZPO; insbesondere notarielle Urkunden,<br />

s. auch § 800 ZPO; in der Praxis außerordentlich wichtig für Hypotheken und Grundschulden.<br />

Vorteil für G: Klage des G gegen E auf Duldung der Zwangsvollstreckung ist überflüssig.<br />

Dagegen: Vollstreckungsabwehrklage des E gegen G, § 767 I ZPO.<br />

7. Lösungsansatz für Klausur mit vollstreckbarer Urkunde des G, § 794 Nr. 5 ZPO:<br />

G hat angeblich Hypothek am Grundstück des E.<br />

E hat sich in einer Urkunde nach § 794 Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen.<br />

Jetzt betreibt G die Zwangsvollstreckung.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Wie macht nun E geltend, dass die Hypothek gar nicht dem G <strong>zu</strong>steht<br />

oder dass E gegen die Geltendmachung der Hypothek Einreden hat?<br />

Eine Klage des G auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen E ist überflüssig,<br />

weil ja G bereits eine vollstreckbare Urkunde in Händen hat.<br />

E kann also seine Einwendungen oder Einreden nicht als Verteidigung gegen die Klage des G geltendmachen.<br />

Hier steht dem E die Vollstreckungsabwehrklage gegen G <strong>zu</strong>r Verfügung, §§ 794 I Nr. 5, 795, 767 I ZPO,<br />

mit dem Klagantrag, „die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde für un<strong>zu</strong>lässig <strong>zu</strong> erklären“.<br />

Die Parteirollen werden damit gewissermaßen umgekehrt:<br />

Nach § 767 ZPO klagt der Eigentümer gegen den (angeblichen) Gläubiger,<br />

um seine Gegenrechte geltend <strong>zu</strong> machen,<br />

(nach § 1147 BGB klagt der (angebliche) Gläubiger gegen den Eigentümer um seine Hypothek geltend <strong>zu</strong> machen).<br />

„E kann gegen G die Vollstreckungsabwehrklage gemäß §§ 794 I Nr. 5, 795, 767 I ZPO erheben,<br />

mit dem Antrag‚ die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde für un<strong>zu</strong>lässig <strong>zu</strong> erklären’,<br />

weil G nicht Inhaber der Hypothek ist<br />

oder weil der Geltendmachung der Hypothek Einreden entgegenstehen“.<br />

8. Formen der Verwertung<br />

1. Zwangsversteigerung, § 15 ff. ZVG<br />

2. Zwangsverwaltung, §§ 146 ff. ZVG<br />

3. <strong>zu</strong> anderen Zwecken Sicherungshypothek, § 866 ZPO.<br />

4. Einzelzwangsvollstreckung, § 765, durch Pfändung und Verwertung in<br />

1. mithaftende Forderungen, §§ 828 ff. ZPO, oder<br />

2. Erzeugnisse, § 808 ff. ZPO,<br />

aber nie Einzel-Zwangsvollstreckung in Zubehör, § 865 II 1 ZPO.<br />

9. Das Zwangsversteigerungsgesetz, ZVG, betrifft (trotz dem weiten Titel)<br />

nur die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grundstücken,<br />

hierauf verweist § 869 ZPO!<br />

10. Kurzbeschreibung des Vorgehens nach dem ZVG: Auf Antrag eines Gläubigers<br />

ordnet das Gericht die Versteigerung des haftenden Grundstücks an und bestimmt einen Versteigerungstermin.<br />

In diesem Termin wird das Grundstück versteigert<br />

und dem Meistbietenden durch Zuschlagsbeschluss des Gerichts übereignet.<br />

Der erzielte Versteigerungserlös wird dann in einem besonderen Verteilungstermin<br />

an den betreibenden Gläubiger und die übrigen Berechtigten ausgezahlt.<br />

11. Der Beschluss, durch den die Versteigerung des haftenden Grundstücks angeordnet wird,<br />

1. gilt als Beschlagnahme, § 20 I ZVG,<br />

2. und umfasst im Wesentlichen<br />

1. das Grundstück selbst und<br />

2. die mithaftenden Gegenstände, nämlich<br />

Zubehör des Grundstückseigentümers, Erzeugnisse, Bestandteile,<br />

Miet- und Pachtzinsforderungen, § 20 II ZVG, § 1120 ff.<br />

3. „Die Beschlagnahme hat die Wirkung eines Veräußerungsverbotes“,<br />

§§ 23 I 1 ZVG, §§ 136, 135 BGB,<br />

allerdings mit Ausnahmen in Satz 2 des § 23 I ZVG.<br />

Aber nur relatives Veräußerungsverbot.<br />

12. Im Grundbuch wird die Anordnung der Zwangsversteigerung eingetragen,<br />

der sogenannte "Versteigerungsvermerk“. Damit Verhinderung gutgläubigen Erwerbs.<br />

13. Bei Insolvenz des Grundstückseigentümers, Recht des Gläubigers auf abgesonderte Befriedigung, §§ 49, 52 f. InsO.<br />

Kapitel 4. Rang<br />

Wenn ein Grundstück mit mehreren dinglichen Rechten belastet ist und wenn diese Rechte irgendwie mit einander kollidieren, stellt sich die<br />

Frage, welche Rechte vorgehen, welche <strong>zu</strong>rücktreten sollen. Diese Frage stellt sich besonders dringend im Fall der Zwangsversteigerung,<br />

aber auch in anderen Fällen. Entscheidend ist der Rang der Rechte. Die wichtigsten Fragen sind natürlich, wonach sich der Rang eines<br />

Rechts bestimmt und welche Bedeutung der Rang im einzelnen hat. Demgegenüber ist das berühmte Problem, welche Rechte der Benachteiligte<br />

nach der Eintragung eines falschen Rangs hat, im wörtlichen Sinne eher von akademischem Wert.<br />

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Grundstücksrecht<br />

1. Auf dem Grundstück des E ruhen vier Hypotheken: <strong>zu</strong> Gunsten des A über 100 000,- €, des B über 90 000,- €, des C über 80 000,-€<br />

und des D über 70 000,-€. C betreibt die Zwangsversteigerung. Den Zuschlag erhält X. Nach den Kosten bleibt ein Erlös von 170<br />

000,-€. Wie wird der Erlös verteilt, was geschieht mit den eingetragenen Rechten?<br />

2. Welche Rechte sollen vorgehen, welche sollen <strong>zu</strong>rücktreten, wenn ein Grundstück mit mehreren Rechten belastet ist, und wenn die<br />

Rechte mit einander kollidieren?<br />

Die Kollision kann sich unter gleichartigen Rechten, die also in derselben Abteilung des Grundbuchs eingetragen sein müssen, ergeben,<br />

z. B. zwischen einer Grunddienstbarkeit (lesen: § 1018) einerseits und dem Nießbrauch (lesen: 1030) andererseits,<br />

wie auch unter ganz unterschiedlichen Rechten, die in verschiedenen Abteilungen eingetragen sind, z. B. zwischen einem dinglichen<br />

Vorkaufsrecht (§ 1094), ein<strong>zu</strong>tragen in Abteilung 2, und einer Hypothek, ein<strong>zu</strong>tragen in Abteilung 3.<br />

3. Die Antwort liefert das Rangprinzip.<br />

Das Rangprinzip gehört <strong>zu</strong> den Prinzipien des Sachenrechts<br />

(während im Schuldrecht weitgehend die einfache zeitliche Priorität des Zugriffs eines der Gläubiger entscheidet).<br />

Nach § 879 besteht ein „Rangverhältnis unter mehreren Rechten, mit denen ein Grundstück belastet ist“.<br />

4. Wonach bestimmt sich der Rang? Maßgebend in erster Linie das BGB, §§ 879 ff.<br />

1. § 879 BGB<br />

1. In derselben Abteilung des Grundbuchs:<br />

1. örtliche ,,Reihenfolge der Eintragung“ in dem Grundbuch, sog. ,,Locus-Prinzip“.<br />

2. Wonach bestimmt sich Reihenfolge? Nach Eingang der Anträge bei Grundbuchamt,<br />

§§ 17, 45 GBO, „Tempus-Prinzip“,<br />

2. In verschiedenen Abteilungen: nach der ,,Angabe“ des Tages im Grundbuch; am selben Tag: gleicher Rang.<br />

2. Abweichende Bestimmungen, Rangänderung und Rangvorbehalt möglich, §§ 879 - 881.<br />

3. Erlischt vorrangiges Recht, rücken nachrangige vor.<br />

4. Eigentümerhypothek oder Eigentümergrundschuld behalten ihren Rang,<br />

können also den Grundpfandrechten eines ,,fremden“ Gläubigers vorgehen.<br />

5. Persönliche Gläubiger stehen im Rang hinter den Inhabern dinglicher Rechte.<br />

6. Eigentum ist nicht rangfähig, es steht gewissermaßen am letzten Rang.<br />

5. Bedeutung des Rangs in der Zwangsvollstreckung. Maßgebend in erster Linie das ZVG, §§ 44 ff.<br />

1. Grundstücksrechte, die im Rang dem Recht des betreibenden Gläubigers vorgehen,<br />

1. müssten eigentlich vorrangig befriedigt werden;<br />

aber aus Gründen der wirtschaftlichen Praktikabilität<br />

bleiben sie bei der Zwangsversteigerung erhalten, sie fallen in das ,,geringste Gebot“, §§ 44 I, 52 I ZVG;<br />

sie werden weiterhin das Grundstück belasten, wenn es dem Erwerber <strong>zu</strong>geschlagen ist.<br />

Sie werden vom Erwerber des Grundstücks übernommen.<br />

2. Insofern rangwahrende Wirkung haben auch „Rechte, die durch Eintragung eines Widerspruchs<br />

oder einer Vormerkung gesichert sind“, § 48 ZVG.<br />

3. Der Ersteher braucht darum bei der Versteigerung nur um so weniger bar <strong>zu</strong> bezahlen, §§ 44 I, 49 I, 52 I 1 ZVG.<br />

4. Wird bei der Versteigerung kein Gebot in der Höhe des „geringsten Gebots“ abgegeben,<br />

d. h. in Höhe der vorangehenden Rechte und der Kosten (genauer: Legaldefinition § 44 ZVG),<br />

dann würde der betreibenden Gläubiger bei der Versteigerung leer ausgehen,<br />

die Versteigerung wäre für ihn sinnlos und würde allein dem Eigentümer Schaden bringen,<br />

deswegen wird dann das Verfahren einstweilen eingestellt oder aufgehoben, § 77; s. auch § 44 I.<br />

2. Mit dem Zuschlag in der Versteigerung erlischt das Grundpfandrecht des betreibenden Gläubigers.<br />

Er wird aus dem Versteigerungserlös befriedigt, soweit der Erlös reicht.<br />

3. Die nachrangigen Rechte<br />

1. erlöschen ebenfalls mit dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung, §§ 52 I 2, 91 I ZVG;<br />

2. sie werden ebenfalls aus dem Erlös befriedigt, § 105 ff. ZVG, soweit der Erlös reicht,<br />

3. und zwar in der Reihenfolge ihres Ranges, § 11 I ZVG.<br />

4. Inhaber von Rechten, die durch den Zuschlag erloschen sind und für die der Erlös nicht ausreicht,<br />

gehen hinsichtlich ihres Grundstücksrechts endgültig leer aus,<br />

behalten aber ihre persönliche Forderung gegen ihren Schuldner.<br />

6. Deswegen ist ein Recht um so riskanter, je schlechter sein Rang ist, wegen des höheren Risikos sind die Zinsen um so höher.<br />

7. Können vor- oder nachrangige Rechtsinhaber etwas gegen Zwangsvollstreckung eines Berechtigten unternehmen?<br />

1. Am einfachsten, sie befriedigen diesen, §§ 1150, 268<br />

2. oder kaufen diesem sein Recht ab, §§ 1153 f.<br />

8. Un<strong>zu</strong>treffende Rangeintragung (Klausurfall)<br />

Hier sind verschiedene Fälle und Lösungen <strong>zu</strong> unterscheiden,<br />

auch wenn wir nur den Fall der Hypotheken und Grundschulden nehmen:<br />

1. Zeitlich falsche Behandlung durch Grundbuchamt, es behandelt<br />

<strong>zu</strong>erst den spätere Antrag des B und erst danach der früheren Antrag des A.<br />

22. August 2011<br />

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Rechte des A?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Fichtenwald: Eigentümer E des „Fichtenwaldes“ bewilligt an seinem Grundstück dem A eine Hypothek über 80 000,- Euro,<br />

<strong>zu</strong> 4,5 % Zinsen, und stellt den Eintragungsantrag am 2. Januar. Darauf bewilligt E dem B eine Hypothek über 60 000,- Euro,<br />

<strong>zu</strong> 6 % Zinsen und stellt den Eintragungsantrag am 3. Februar.<br />

Im Grundbuch wird versehentlich <strong>zu</strong>erst die Hypothek des B und dann die des A eingetragen.<br />

Verlet<strong>zu</strong>ng des Tempus-Prinzips, § 17 GBO. Aber nur Ordnungsvorschrift,<br />

Reihenfolge der Eintragungen ist maßgebend, § 879 I 1 BGB.<br />

1. Also geht B dem A im Rang vor (unstr.).<br />

2. Das Grundbuch ist nicht unrichtig,<br />

also kein Berichtigungsanspruch oder Widerspruchsrecht des A.<br />

3. Bereicherung des B „in sonstiger Weise“? Str.<br />

1. B hat eine günstige Rechtsposition erlangt.<br />

Auf Kosten des A? A hatte eine rechtlich gesicherte Rangaussicht.<br />

Ohne rechtlichen Grund (Gerhardt, Baur, Westermann, Westermann).<br />

Also Bereicherungsanspruch gegeben.<br />

2. Dagegen ist <strong>zu</strong> sagen,<br />

dass A noch keine geschützte Rechtsstellung hatte und dass<br />

§ 879 im Interesse des Rechtsverkehrs eine abschließende Regelung<br />

und damit die rechtfertigende Causa enthalte (BGH, MK).<br />

Also kein Bereicherungsanspruch.<br />

Aber Amtshaftungsanspruch des A gegen Grundbuchamt, § 839.<br />

9. Betreibt ein Gläubiger auf Grund eines persönlichen (nicht dinglichen) Titels die Zwangsvollstreckung<br />

in das Grundstück, dann steht er an letzter Stelle.<br />

Kapitel 5. Haftungsgegenstände<br />

Erstens ist es für den Kreditgeber einerseits, die anderen Gläubiger und den Eigentümer andererseits wichtig, Klarheit darüber <strong>zu</strong> haben,<br />

welche Gegenstände von der Hypothek oder Grundschuld erfasst sind. Gesetzesziel ist es, die wirtschaftliche Einheit auch als rechtliche Einheit<br />

an<strong>zu</strong>erkennen, um für den Kreditbedürftigen, den Kreditgeber, den Erwerber in der Zwangsverwertung und in volkswirtschaftlichem<br />

Allgemeininteresse diejenigen Gegenstände <strong>zu</strong>sammen<strong>zu</strong>halten, die <strong>zu</strong>sammengehören. Die neben dem eigentlichen Grundstück mithaftenden<br />

Gegenstände machen nicht selten 50 % des Sicherungswertes aus. Zweitens liegen hier reizvolle Probleme der Rechtsprechung und Prüfung.<br />

1. Neuland I. G hat Hypothek an dem Grundstück „Neuland“ des E in Höhe von 50 000,- Euro <strong>zu</strong>r Sicherung einer Forderung des G<br />

gegen S. Auf dem Grundstück des E befinden sich eine barocke gemauerte Einfahrt, 2 Vergnügungsboote auf dem auf dem Grundstück<br />

„Neuland“ befindlichen Teich und eine Zinnsoldatensammlung. G fragt, ob und bejahendenfalls wie er auf Grund seiner Hypothek<br />

auf diese Gegenstände <strong>zu</strong>greifen kann.<br />

2. In den drei Definitionen der §§ 1113, 1191 und 1199 sowie in § 1147 heißt es,<br />

die Geldsumme sei "aus dem Grundstück <strong>zu</strong> zahlen“. Was bedeutet diese Bestimmung?<br />

Dem Grundpfandgläubiger haften nur das Grundstück selbst<br />

und bestimmte andere Gegenstände.<br />

Kein Anspruch G auf Befriedigung aus dem sonstigen Vermögen des Belasteten.<br />

3. Gesamthypothek, Gesamtgrundschuld als ein Recht an mehreren Grundstücken möglich, §§ 1132, 1172 - 1176.<br />

4. Im allgemeinen haften<br />

1. das belastete Grundstück selbst und<br />

2. selbstverständlich die wesentlichen Bestandteile, §§ 93 - 96, da<strong>zu</strong><br />

3. Erzeugnisse und getrennte Bestandteile, wie Vieh und Getreide auf Bauernhof,<br />

4. Zubehör im Eigentum des Belasteten,<br />

analog Anwartschaftsrechte auf Eigentumserwerb an Zubehör,<br />

5. Miet- und Pachtzins,<br />

6. Versicherungsforderungen;<br />

Beispiel: Hypothek auf Grundstück, Gebäude brennt, ist aber versichert.<br />

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Grundstücksrecht<br />

5. Aufsätze und Fälle<br />

Eckardt, Jura 1997, 439; W. Harms/ R. Ahorn, Sachen, Bestandteile, Zubehör, in: Jura 1982, 404 – 418.<br />

Kapitel 6. Wesentliche Bestandteile<br />

Was sind „wesentliche Bestandteile“? Wem gehören sie? Welche Rechte hat an ihnen ein Hypothekengläubiger?<br />

1. Neuland II. G hat Hypothek an dem Grundstück „Neuland“ des E in Höhe von 50 000,- Euro <strong>zu</strong>r Sicherung einer Forderung des G<br />

gegen S. Auf dem Grundstück des E befindet sich u. a. eine barocke gemauerte Einfahrt. G fragt, ob und bejahendenfalls wie er auf<br />

Grund seiner Hypothek auf diese Gegenstände <strong>zu</strong>greifen kann.<br />

2. Am wichtigsten §§ 946, 93 - 95, 951.<br />

3. „Bestandteile“ sind „Teile einer <strong>zu</strong>sammengesetzten Sache“.<br />

4. „Wesentliche“ Bestandteile, Legaldefinition § 93<br />

Es kommt nur darauf an, ob einer der Sachteile zerstört werden würde etc.<br />

Es ist unerheblich, ob die ganze Sache zerstört wird etc. oder ob ein Bestandteil für die ganze Sache besonders wichtig ist.<br />

5. Wichtig ist die Erweiterung des § 93 durch § 94<br />

1. § 94 I, feste Verbindung, s. Gesetz;<br />

z. B. Einfriedigungsmauern, Fertighaus.<br />

2. § 94 II, auch wenn Verbindung nicht fest:<br />

alle Teile, ohne die ein Gebäude noch nicht fertiggestellt ist;<br />

nach Beschaffenheit und Zweck; Verkehrsanschauung entscheidet,<br />

z. B. Waschbecken, Fenster, Türen, Fahrstuhl, Heizkessel, Gewächshaus, Beleuchtungsanlagen.<br />

Weitere Beispiele, aber Vorsicht, immer auf Definition und Einzelfall achten:<br />

Antenne, Be- und Entlüftungsanlage in Gaststätte; Kies auf Parkfläche.<br />

6. Eingefügt durch Realakt. „Der Realakt ist eine Handlung, an die die Rechtsordnung Rechtsfolgen knüpft,<br />

unabhängig vom Willen des Handelnden“. Im Unterschied <strong>zu</strong>m Realakt: die Willenserklärung.<br />

7. Rechtsfolgen bei Verbindung als wesentlicher Bestandteil mit Grundstück, §§ 93, 946<br />

1. Der bisherige Eigentümer verliert sein Eigentum,<br />

Wichtig bei Verkauf unter Eigentumsvorbehalt.<br />

2. Eigentümer des Grundstücks wird Eigentümer<br />

3. Ausgleichsansprüche des bisherigen Sacheigentümers kommen gegen dessen Vertragspartner,<br />

gegen einen <strong>Dr</strong>itten oder gegen den Grundstückseigentümer in Betracht. Zu prüfen u. a.<br />

1. Vertraglich geregelter Ausgleich,<br />

2. Schadenersatz (da<strong>zu</strong> § 951 II)<br />

1. Vertrags-Verlet<strong>zu</strong>ng wie Unmöglichkeit der Herausgabe, positive Forderungsverlet<strong>zu</strong>ng,<br />

2. §§ 987 ff.,<br />

3. Eigentumsverlet<strong>zu</strong>ng, § 823 I,<br />

3. § 951 I 1, zwecks Ausgleich für den Rechtsverlust infolge Verbindung Rechts-grund-verweisung auf §§ 812 ff.<br />

4. Wegnahmerecht, s. § 950 II.<br />

5. Zweitgarage. Bauunternehmer Stehl soll Eigen auf dessen Villengrundstück eine Zweitgarage aus Fertigteilen errichten,<br />

Stehl entwendet das Material von einer Großbaustelle und baut daraus die Garage. Krause, der Eigentümer des Baumaterials,<br />

will die Garage wieder „abholen“. Kann Krause die Fertigteile nach § 985 von Eigen herausverlangen?<br />

8. Hypothek erstreckt sich ohne weiteres auf alle wesentlichen Grundstücksbestandteile.<br />

9. Keine Zwangsvollstreckung allein in wesentlichen Grundstücksbestandteil,<br />

weder durch Hypothekengläubiger, noch durch andere Gläubiger;<br />

sondern nur Zwangsvollstreckung in Grundstück selbst,<br />

diese erfasst auch wesentlichen Bestandteil.<br />

10. Wichtige Einschränkung der §§ 93 f. durch § 95: Scheinbestandteile.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

Scheinbestandteil ist kein wesentlicher Bestandteil.<br />

Scheinbestandteil kann sogar fest mit dem Boden verbunden sein.<br />

Da<strong>zu</strong> muss Sache gemäß § 95<br />

1. Satz 1: entweder nur <strong>zu</strong> vorübergehenden Zweck<br />

nach erkennbarem Willen des Einfügenden eingefügt sein;<br />

z. B. Baugerüste; Bäume in Baumschule; Kinderschaukel;<br />

meistens Einfügungen durch Mieter oder Pächter;<br />

Gartenhaus auf Pachtgrundstück; aber auch Massivgebäude, Fabrik, Tankstelle,<br />

wenn nach Ablauf etwa der Miet- oder Pachtzeit abgebrochen werden soll.<br />

Holzhaus. Pächter P baute auf dem Grundstück des Verpächters E ein Holzhaus. E verkaufte und übereignete das Grundstück<br />

an K. Ist K Eigentümer des Holzhauses?<br />

§ 95 I kein Eigentumserwerb des E; kein Eigentumserwerb des K nach § 892 oder 932.<br />

2. Oder nach Satz 2 kraft dinglichen Rechts, d. h. „in Ausübung eines Rechts“ an einem fremden Grundstück .<br />

3. Vom Gesetzgeber gewollter Unterschied in Rechtsfolgen<br />

hinsichtlich der gleichen Sachen (z. B. Einbauküche), je nachdem ob<br />

1. Mieter, dann Scheinbestandteil, dann Eigentum des Mieters,<br />

2. oder ob Einbau durch Grundstückseigentümer, dann wesentlicher Bestandteil,<br />

zwar Eigentum des Grundeigentümers, aber Untergang von Vorbehaltseigentum,<br />

keine Möglichkeit für Sicherungseigentum. Folge: Vorrang der Grundpfandgläubiger.<br />

4. Wenn Sache nicht Eigentum des Grundstückseigentümers wird, dann können<br />

- Vorbehalts- oder Sicherungseigentum wegen Forderungen <strong>Dr</strong>itter gegen Mieter,<br />

- sowie Vermieterpfandrecht des Vermieters=Grundstückseigentümers in Betracht kommen, § 562.<br />

5. Lagerhalle. M hat das Grundstück des E als Lagerplatz gemietet. E hat ihm gestattet, darauf für die Dauer der Mietzeit von <strong>zu</strong>nächst<br />

10 Jahren eine Lagerhalle <strong>zu</strong> errichten. Nach Beendigung des Mietvertrags ist M <strong>zu</strong>r Beseitigung der Halle verpflichtet.<br />

Nachdem M die Halle errichtet hat, behauptet E, sie gehöre ihm, weil er Grundstückseigentümer sei. M verneint dies. Wer hat<br />

Recht?<br />

11. Rechtsprechung: BGH NJW-RR 1991, 343.<br />

12. Rhododendron. Die Klägerin K mietete 1964 auf unbestimmte Zeit eine Parterrewohnung. Sie hatte nach dem Mietvertrag das Recht,<br />

den Garten ebenso wie die anderen Hausbewohner <strong>zu</strong> benutzen. Der Mietvertrag bestimmte weiter, dass Einrichtungen und Anlagen<br />

beim Aus<strong>zu</strong>g kostenlos <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>lassen seien. In dem allgemein <strong>zu</strong>gänglichen Garten pflanzte die K noch 1964 zwei Rhododendronsträucher<br />

ein. Der Beklagte ist Eigentümer und Bewohner einer Wohnung im Kellergeschoss desselben Hauses. Er beschnitt<br />

die beiden Rhododendronsträucher im Jahre 1996, weil er meinte, sie nähmen seiner Wohnung <strong>zu</strong>viel Licht weg. Die K behauptete,<br />

dadurch seien die Sträucher völlig zerstört und verlangt als Schadenersatz den Preis für gleich große neue Sträucher, nämlich<br />

25.000,- DM. (Düsseldorf, NJW-RR 1999, 160)<br />

Kapitel 7. Haftung des Zubehörs<br />

Hier soll gezeigt werden: Was ist Zubehör, unter welchen Vorausset<strong>zu</strong>ngen unterliegt es der hypothekarischen Haftung und wie verträgt sich<br />

die Hypothekenhaftung mit Sicherungsübereignung oder Eigentumsvorbehalt? Nicht <strong>zu</strong>letzt sollte man sich in diesem Zusammenhang die<br />

beschränkte Bedeutung der „Haftung“ klar machen.<br />

1. Neuland III. G hat Hypothek an dem Grundstück „Neuland“ des E in Höhe von 50 000,- Euro <strong>zu</strong>r Sicherung einer Forderung des G<br />

gegen S. Auf dem Grundstück des E befinden sich zwei Vergnügungsboote auf dem auf dem Grundstück „Neuland“ befindlichen<br />

Teich. G fragt, ob und bejahendenfalls wie er auf Grund seiner Hypothek auf diese Gegenstände <strong>zu</strong>greifen kann.<br />

2. Legaldefinition des Zubehörs § 97,<br />

nicht auswendig lernen. Zubehör ist eine Sache,<br />

1. bestimmt, dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache <strong>zu</strong> dienen,<br />

wichtig in der Praxis: Hauptsache ist das Grundstück;<br />

Zubehör sind dann insbesondere Maschinen (sofern nicht wesentlich Bestandteile)<br />

auf Fabrikgrundstück (so ausdrücklich § 98), oder Einrichtung für Gastwirtschaft;<br />

Büroeinrichtung in Bürohaus, Apothekeneinrichtung auf Apothekengrundstück, Alarmanlage eines Hauses, Baumaterial auf<br />

Baugrundstück, Kohlen- oder Ölvorräte <strong>zu</strong>m Heizen, Zahnpressformen, wenn Grundstückseigentümer ein Dentaltechniklabor<br />

betreibt;<br />

2. für die Dauer,<br />

schon deswegen nicht: Vorräte an Waren und Erzeugnissen, die <strong>zu</strong>m Verkauf bestimmt sind,<br />

oder Rohmaterialien, die nach Be- oder Verarbeitung verkauft werden sollen.<br />

3. räumliche Beziehung <strong>zu</strong>r Hauptsache, aber weit ausgedehnt,<br />

Beispiele: Baugerät, das sich auf dem Grundstück selbst eines Baugeschäfts (nicht auf einem anderen Lagerplatz und wohl<br />

auch nicht auf Baugrundstück) befindet; Gondeln und Schwäne auf gepachtetem See <strong>zu</strong>m Gasthaus; Anschlussgleis auf einem<br />

Bahngelände <strong>zu</strong>r Fabrik; Leitungsnetz über Land für Gas, Wasser und Elektro; Förderbagger für Kieswerk, auch wenn immer<br />

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außerhalb eingesetzt.<br />

Grundstücksrecht<br />

4. Muss aber von der Hauptsache getrennt oder trennbar sein,<br />

darf nicht Bestandteil sein,<br />

d. h., wenn eine Sache von der Hauptsache nicht getrennt werden kann, § 93, dann ist sie Bestandteil und nicht Zubehör.<br />

Faustregel: weiter Zubehör-Begriff.<br />

3. Neben der Legaldefinition, § 97, liefert das Gesetz selbst in § 98 eine Erläuterung.<br />

4. Zu differenzieren bei dem praktisch wichtigen Fall der LKW:<br />

1. wenn bloß dienend, so meistens, dann Zubehör,<br />

2. wenn hingegen LKW gerade das Wichtigste, wie bei Spedition, dann kein Zubehör (BGHZ 85, 234),<br />

hingegen Fahrzeuge bei Autovermietung als Zubehör bejaht (Eckardt, Jura 1997, 439),<br />

3. wenn Verkaufsobjekt, sowieso kein Zubehör.<br />

4. Außerdem Frage des Eigentums oder Anwartschaftsrechts.<br />

5. Rechtliche Bedeutung des Zubehörs<br />

1. Zwar Gegenstand besonderer Rechte und Rechtsgeschäfte, d. h.,<br />

1. Eigentümer der Hauptsache ist nicht notwendig Eigentümer der Zubehörsache,<br />

das ist der entscheidende rechtliche Unterschied <strong>zu</strong>m wesentlichen Bestandteil, §§ 93 ff.;<br />

2. keine Bedenken gegen schuldrechtliche Verträge über Zubehörsachen.<br />

2. Aber<br />

1. Verpflichtung <strong>zu</strong>r Veräußerung oder Belastung der Hauptsache<br />

erfasst im Zweifel auch Zubehör, § 311 c n. F. (ohne Rücksicht auf Eigentum, s. aber §§ 133, 157).<br />

2. Übertragung des Grundstücks, §§ 873, 925, ergreift im Zweifel ohne weiteres auch Zubehör,<br />

aber nur im Eigentum des Veräußerers, § 926 I 1, andernfalls guter Glaube nötig, §§ 926 II, 932 ff.<br />

3. Hypothek und Grundschuld<br />

erfassen Zubehör des Grundstückseigentümers, § 1120.<br />

Also Hypothek an einer beweglichen Sache!<br />

6. Nach § 1120 haften nur solche Zubehörsachen dem Gläubiger,<br />

die dem Grundstückseigentümer gehören,<br />

negative Formulierung des Gesetzes <strong>zu</strong>m Zwecke der Beweislastregelung.<br />

Gleichgültig, ob Zubehöreigenschaft oder Eigentum vor oder nach Bestellung der Hypothek<br />

begründet worden ist.<br />

Sobald Hypothek auf eine bewegliche Sache trifft, die gleichzeitig<br />

1. im Eigentum des Grundstückseigentümers E steht und<br />

2. <strong>zu</strong>m Grundstücks<strong>zu</strong>behör gehört,<br />

schlägt (so kann man sagen) die Hypothekenhaftung <strong>zu</strong>.<br />

Trotzdem kann auch fremdes Zubehör der Zwangsversteigerung unterfallen, § 55 II ZVG.<br />

Umgekehrt: Keine Haftung als Zubehör, wenn Grundstückseigentümer die Sache<br />

an einen anderen, insbesondere einen Sicherungsnehmer, übereignet hat,<br />

1. entweder vor der Begründung der Zubehör-Eigenschaft,<br />

(insbesondere vor der Verbringung auf das Grundstück),<br />

2. oder vor der Begründung der Hypothek<br />

Unterschiedliche rechtliche Behandlung von Sicherungseigentum und Eigentumsvorbehalt.<br />

7. Damit beantwortet sich auch die Frage nach der Sicherungsübereignung von Zubehörsachen an einen <strong>Dr</strong>itten (D).<br />

Geldschranklieferwagen. Das Grundstück des E ist mit einer Hypothek für den G belastet. E betreibt auf seinem Grundstück einen<br />

Geldschrankhandel, indem er Geldschränke kauft und verkauft. Zum Transport der gekauften oder verkauften Geldschränke hat sich E<br />

einen Lieferwagen gekauft und diesen sich übereignen lassen. Da E weiteren Kredit braucht, übereignet E diesen Lieferwagen <strong>zu</strong>r Sicherheit<br />

an den Darlehensgeber D. Hat D Sicherungseigentum an dem Lieferwagen erlangt? Ist, bejahendenfalls, dieses Sicherungseigentum<br />

mit der Hypothek für den G belastet?<br />

1. Ausgangslage<br />

1. Sicherungsübereignung ist in jedem Fall wirksam unter den allgemeinen Vorausset<strong>zu</strong>ngen,<br />

2. fraglich ist allein, ob Sicherungseigentum des <strong>Dr</strong>itten<br />

1. mit Grundstückshypothek <strong>zu</strong> Gunsten des G belastet ist<br />

2. oder nicht.<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

3. Selbst wenn Sicherungseigentum mit Hypothek belastet ist,<br />

wird es unter den Vorausset<strong>zu</strong>ngen der §§ 1121 f. frei.<br />

2. Die Antwort ergibt sich einfach aus § 1120 a. E.:<br />

Es kommt darauf an, ob Hypothek die bewegliche Sache ergriffen hat.<br />

Haftung bleibt bestehen, auch wenn danach Sicherungseigentum begründet wird.<br />

3. Anwendungsfälle<br />

1. (1) Hauptfall: Hypothekenbestellung für G<br />

(2) Zubehör und Eigentumserwerb des E<br />

(3) Sicherungsübereignung an D<br />

Hypothekenhaftung greift ein.<br />

Aber zweifelhaft, ob Vorrang der Hypothekenhaftung vor Sicherungseigentums,<br />

wenn Sicherungsübereignung <strong>zu</strong>m Zweck der Finanzierung gerade dieser Sache.<br />

2. (1) Wichtigster Ausnahmefall: Sicherungsübereignung an D (insbesondere außerhalb des Grundstücks)<br />

(2) Zubehör<br />

(3) Hypothekbestellung für G<br />

Keine Hypothekenhaftung.<br />

3. (1) Hypothekenbestellung<br />

(2) Sicherungsübereignung<br />

(3) erst danach Zubehöreigenschaft<br />

Keine Hypothekenhaftung.<br />

8. Infolgedessen keine Haftung des Zubehörs,<br />

solange Zubehörsache noch unter Eigentumsvorbehalt eines anderen steht.<br />

9. Wie auch sonst wird das Anwartschaftsrecht analog <strong>zu</strong>m Eigentum behandelt:<br />

Wenn z. B. ein LKW <strong>zu</strong>m Zubehör gehört, den der Grundstückseigentümer unter EV erworben und noch nicht voll bezahlt hat,<br />

so ist <strong>zu</strong> betonen, dass<br />

1. dieser LKW zwar Zubehör ist (wenn die weiteren Vorausset<strong>zu</strong>ngen gegeben sind),<br />

2. aber weil er nicht dem Grundstückseigentümer gehört, nicht unmittelbar der Haftung nach § 1120 unterfällt,<br />

3. dass aber auch das AR an dem LKW durch § 1120 erfasst wird.<br />

4. Überträgt Grundstückseigentümer das AR sicherheitshalber an X, so erlangt X AR.<br />

5. Aber dieses AR unterliegt weiterhin der Haftung nach §§ 1120 f.<br />

6. Verwandelt sich AR in Vollrecht = Eigentum, setzt sich Haftung am Eigentum fort.<br />

In vielen Fällen ereignet es sich tatsächlich so, dass der noch offene Kaufpreisrest an V bezahlt wird und sich nunmehr die Bank, welche<br />

den Grundkredit gewährt hatte, und die Bank, welche den durch Sicherungseigentum gesicherten Mobiliarkredit gewährt hatte,<br />

um das Objekt streiten.<br />

10. Grundstücks<strong>zu</strong>behör darf weder von dem Hypothekengläubiger noch von anderen Gläubigern gepfändet werden,<br />

Pfändung des Grundstücks<strong>zu</strong>behörs ist immer un<strong>zu</strong>lässig, § 865 II 1 ZPO,<br />

auch wenn an dem betreffenden Grundstück aktuell keine Hypothek besteht.<br />

Gegen die Pfändung<br />

1. § 766 ZPO, Erinnerung gegen die Art und Weise der ZV,<br />

2. § 771 ZPO, <strong>Dr</strong>ittwiderspruchsklage, durch Hypothekengläubiger (= Hypothekar) (str.).<br />

Verwertung von Zubehör nur mittels Zwangsversteigerung des Grundstücks nach ZVG.<br />

11. Was bedeutet „Haftung“ in diesem Zusammenhang?<br />

Es handelt sich hier um eine nur „latente Haftung“ des Zubehörs.<br />

1. Denn solange keine „Beschlagnahme“ des Grundstücks erfolgt ist,<br />

kann der Grundstückseigentümer E über Zubehör wirksam verfügen.<br />

2. Durch die Verfügung des Grundstückseigentümers wird die Zubehörsache<br />

1. in vielen Fällen frei, nämlich „ent-haftet“;<br />

2. aber in einigen Fällen bleibt Haftung bestehen.<br />

3. Erst wenn die Beschlagnahme des Grundstücks erfolgt ist,<br />

kann grundsätzlich über die Zubehörsache nicht mehr verfügt werden;<br />

erst dann wird die Haftung voll wirksam.<br />

12. Man könnte also verschiedene Phasen der Rechtsänderung einer Sache annehmen:<br />

0. Zuerst ist es eine bewegliche Sache außerhalb des Haftungsbereichs der Hypothek.<br />

1. Dann wird die Sache als Zubehör und als Eigentum des Eigentümers eines Grundstücks,<br />

das mit einer Hypothek belastet ist, von der hypothekarischen Haftung erfasst.<br />

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Grundstücksrecht<br />

2. Wenn über sie wiederum verfügt wird, ist sie in vielen Fällen enthaftet.<br />

3. Wenn sie aber nicht enthaftet wird und wenn dann das Grundstück wegen der Hypothek beschlagnahmt wird,<br />

dann kann über sie nicht mehr frei verfügt werden, sondern sie wird <strong>zu</strong>sammen mit dem Grundstück versteigert;<br />

Ausnahme: gutgläubiger Erwerb.<br />

Kapitel 8. Enthaftung des Zubehörs<br />

Sie haben schon gesehen, dass die hypothekarische Haftung der Zubehörsachen ganz merkwürdig ist: Erstens ergreift die Hypothek, obwohl<br />

sie das typische Grund-pfandrecht ist, hiermit auch eine bewegliche Sache. Zweitens ist es bei dieser Belastung wie bei allen anderen: sie<br />

verhindert in keiner Weise weitere Verfügungen über denselben Gegenstand. Aber im diametralen Gegensatz <strong>zu</strong> den meisten anderen dinglichen<br />

Belastungen verschwindet diese sogar in vielen Fällen der Weiterverfügung. Man spricht deshalb von Enthaftung, und deren Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

sind in diesem Kapitel <strong>zu</strong> zeigen. Oft wird übersehen, dass auch dann, wenn der Grundstückseigentümer wirksam die Enthaftung<br />

bewirken kann, er es nicht ohne weiteres darf.<br />

1. Ackergaul Ansgar. Bauer E hat sein Grundstück mit einer Hypothek <strong>zu</strong> Gunsten des G belastet. Auf seinem Grundstück beschäftigt er<br />

den noch rüstigen Ackergaul Ansgar. Nunmehr wird der gesamte Landwirtschaftsbetrieb auf moderne Maschinen umgestellt: größere<br />

Traktoren und sonstige Maschinen werden angeschafft, von Pferden gezogene Geräte, etwa Pflüge, werden verschrottet. E begibt sich<br />

deswegen wegen Ackergaul Ansgar in Verkaufsverhandlungen. Haftet der rüstige Ansgar dem G?<br />

2. Man spricht, wie gesagt, von der nur „latenten Haftung“ nach §§ 1120 ff. ,<br />

vorausgesetzt, eine Sache ist überhaupt Zubehör im Eigentum des Grundstückseigentümers und von der Hypothek erfasst.<br />

1. Der Hypothekengläubiger G kann auf diese Gegenstände, insbesondere Zubehörsachen,<br />

auf Grund seiner Hypothek <strong>zu</strong>greifen, aber<br />

erst durch die Zwangsvollstreckung nach den Bestimmungen des ZVG (nicht etwa einfach nach ZPO).<br />

2. Solange keine „Beschlagnahme“ des Grundstücks erfolgt ist,<br />

kann der Grundstückseigentümer E über Zubehör wirksam verfügen.<br />

3. Durch die Verfügung des Grundstückseigentümers wird die Zubehörsache<br />

in drei Fällen frei, nämlich „ent-haftet“, wenn<br />

1. Zubehöreigenschaft in ordnungsgemäßer Wirtschaft aufgehoben, oder<br />

2. wenn Sache vor der Beschlagnahme übereignet und entfernt wurde, oder<br />

3. wenn bei Verfügung nach der Beschlagnahme Erwerber gutgläubig ist<br />

(guter Glaube in diesem Fall selten).<br />

4. Enthaftung der Sachen, wenn<br />

Zubehöreigenschaft in ordnungsgemäßer Wirtschaft aufgehoben wird, § 1122 II;<br />

„ordnungsgemäße Wirtschaft“, d. h. entsprechend dem natürlichen wirtschaftlichen Ablauf;<br />

keine „ordnungsgemäße Wirtschaft“, wenn Maßnahme wegen Betriebsstilllegung,<br />

schlechter wirtschaftlicher Situation, Beschaffung von Bargeld.<br />

„Aufhebung“ der Zubehöreigenschaft ist Tatfrage, muss irgendwie nach außen erkennbar sein,<br />

insbes. Aufhebung der zweckdienenden Funktion auf Dauer, entsprechend § 97; strenge Anforderungen;<br />

auch Veränderung der wirtschaftlichen Nut<strong>zu</strong>ng des Grundstücks (z. B. Bauernhof wird Golfanlage).<br />

Vor (§ 1122 II) oder sogar nach der Beschlagnahme (§ 23 I 2 ZVG);<br />

auch, wenn Sache auf dem Grundstück verbleibt und/oder nicht veräußert wird.<br />

5. Enthaftung der Sachen auch,<br />

wenn vor der Beschlagnahme<br />

1. veräußert, d. h. übereignet nach §§ 929 ff.,<br />

Kaufvertrag allein genügt nicht, und<br />

2. außerdem vom Grundstück entfernt werden, § 1121 I,<br />

d. h. Wegschafften vom Grundstück im Zusammenhang mit Veräußerung, auf Dauer,<br />

deswegen genügt § 930 (Besitzkonstitut) ohne Wegschaffen nicht,<br />

Übergabe oder Wegnahme nur <strong>zu</strong>r Sicherung eines Anspruchs genügt nicht.<br />

Wenn zeitlich danach Beschlagnahme des Grundstücks wegen<br />

Grundpfandrechts erfolgt, haftet der enthaftete Gegenstand nicht mehr.<br />

Wenn der Gegenstand jedoch erst nach Beschlagnahme des Grundstücks entfernt oder veräußert wird,<br />

dann ist er nur enthaftet, wenn Erwerber hinsichtlich der Beschlagnahme gutgläubig war.<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

6. Sobald der Gläubiger die Beschlagnahme des Grundstücks erwirkt hat,<br />

dann sind auch die mithaftenden Gegenstände, also Zubehörsachen, beschlagnahmt.<br />

Beschlagnahme i. S. §§ 1121 f. erfolgt im allgemeinen durch Versteigerungsbeschluss nach § 20 ZVG.<br />

Beschlagnahme begründet relatives Veräußerungsverbot gegenüber dem Eigentümer, §§ 136, 135 BGB; 23 I 1 ZVG.<br />

1. Zwar kann Eigentümer nach wie vor über diese Gegenstände verfügen,<br />

2. aber diese Verfügung ist gegenüber Hypothekengläubiger und Ersteher des Grundstücks unwirksam.<br />

7. Aber gutgläubig haftungs-freier Erwerb trotz Beschlagnahme, § 1121 II 2:<br />

Guter Glaube des Erwerbers hinsichtlich Hypothek ist und bleibt irrelevant, § 1121 II 1.<br />

Vorausgesetzt: Veräußerung und Entfernung und Guter Glaube.<br />

1. Guter Glaube.<br />

Erwerber ist „nicht in gutem Glauben“ i. S. § 1121 II 2,<br />

1. gemäß § 932 II, da bewegliche Sachen, wenn dem Erwerber „bekannt<br />

oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist“,<br />

dass Versteigerungsantrag gestellt ist, § 22 I 2 ZVG.<br />

2. Außerdem Ausschluss gutgläubigen Erwerbs, wenn<br />

Versteigerungsvermerk in Grundbuch eingetragen ist, § 23 II 1 ZVG,<br />

auch ohne Kenntnis des Erwerbers.<br />

2. Zeitpunkt für guten Glauben, wenn Erwerber durchgehend,<br />

noch bei dem letzten Akt,<br />

bei Beschlagnahme – Veräußerung – Entfernung<br />

hinsichtlich Beschlagnahme gutgläubig ist, § 1121 II.<br />

1. Wenn Entfernung<br />

nach Veräußerung (und Beschlagnahme), § 1121 II 2,<br />

also Reihenfolge V – B – E oder B – V – E,<br />

guter Glaube erforderlich noch bei Entfernung.<br />

§ 1121 II 2 war nötig, um gutgläubigen Erwerb <strong>zu</strong> verhindern,<br />

wenn Erwerber zwischen Veräußerung und unmittelbarer Inbesitznahme bösgläubig wurde.<br />

2. Wenn Veräußerung<br />

nach Entfernung (und Beschlagnahme),<br />

also Reihenfolge E – B – V oder B – E – V,<br />

§ 23 I 1 ZVG, 136, 135 II, 932 ff. BGB;<br />

guter Glaube erforderlich noch bei Veräußerung.<br />

3. Wenn Beschlagnahme nach Entfernung und Veräußerung,<br />

also Reihenfolge V – E - B oder E – V – B,<br />

tritt Enthaftung sowieso ein, § 1121 I; guter Glaube also irrelevant.<br />

8. Rechte des Hypothekengläubigers wegen Entziehung der Zubehörsache<br />

1. Auf Grund allgemeiner Ansprüche <strong>zu</strong> prüfen<br />

1. Evtl. Vertrag mit Grundstückseigentümer,<br />

2. § 816 I und<br />

3. Geschäftsführung ohne Auftrag.<br />

2. Speziell, wenn Zubehörsache vom Grundstück entfernt wurde<br />

entgegen „den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft“,<br />

hat Hypothekengläubiger (= Hypothekar) G<br />

1. Unterlassungsklage, §§ 1134 f.,<br />

2. Schadenersatzklage § 823 I (Hypothek), § 823 II (Schutzgesetz, §§ 1134 f.)<br />

und zwar gegen<br />

1. den Grundstückseigentümer und<br />

2. eventuell gegen den Erwerber der Zubehörsache.<br />

9. Es bleibt also bei den schon skizzierten Phasen der Rechtsänderung einer Sache:<br />

0. Zuerst ist es eine bewegliche Sache außerhalb des Haftungsbereichs der Hypothek.<br />

1. Dann wird die Sache als Zubehör und als Eigentum des Eigentümers eines Grundstücks,<br />

das mit einer Hypothek belastet ist, von der hypothekarischen Haftung erfasst.<br />

2. Wenn über sie wiederum verfügt wird, ist sie enthaftet, wenn<br />

1. Zubehöreigenschaft in ordnungsgemäßer Wirtschaft aufgehoben, oder<br />

2. wenn vor der Beschlagnahme übereignet und vom Grundstück entfernt wurde.<br />

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Grundstücksrecht<br />

3. Wenn sie aber nicht enthaftet wird und wenn dann das Grundstück wegen der Hypothek beschlagnahmt wird,<br />

dann kann über sie nicht mehr frei verfügt werden, sondern sie wird <strong>zu</strong>sammen mit dem Grundstück versteigert.<br />

4. Aber selbst nach Beschlagnahme gutgläubiger Erwerb möglich.<br />

Kapitel 9. Ansprüche wegen Zubehörs<br />

Auf welche Weise werden nun Rechte an den Zubehörsachen geltend gemacht? Häufiger Streit zwischen bisherigem Grundstückseigentümer<br />

(E), Ersteher in der Versteigerung (K), Hypothekengläubiger (G), (angeblichem) Eigentümer der Zubehörsache (Z).<br />

1. Rasenmäher. Zubehör des Grundstücks des E ist ein Rasenmäher, der sich auf dem Grundstück befindet und dem E gehört. Auf Betreiben<br />

des Hypothekengläubigers G wird die Zwangsversteigerung des Grundstücks betrieben. Das Grundstück wird ersteigert von<br />

K. Aus dem Versteigerungserlös wurde G wegen seiner Hypothek <strong>zu</strong>m Teil befriedigt.<br />

Ist K Eigentümer des Rasenmähers geworden?<br />

Macht es einen Unterschied, ob der Rasenmäher von der Hypothek erfasst war oder nicht?<br />

Hat dann, wenn der Rasenmäher nicht dem Grundstückseigentümer E, sondern dem Eigentümer Z gehörte, Z einen Anspruch gegen<br />

E, K oder G?<br />

2. Normalerweise erfasst die Verwertung des Grundstücks die mithaftenden Gegenstände,<br />

also auch die Zubehörsachen des Grundstückseigentümers,<br />

§§ 20 II ZVG, 1120 BGB.<br />

D.h. Der Grundstücksersteher wird Eigentümer auch dieser Sachen,<br />

der bisherige Grundstückseigentümer verliert sein Eigentum an diesen Sachen,<br />

der Wert dieser Sachen ist eingegangen in den gesamten Versteigerungserlös<br />

und ist damit im Ergebnis dem letzten der befriedigten Gläubiger <strong>zu</strong> Gute gekommen.<br />

3. Ersteher in Ersteigerung hat Vindikation, § 985, gegen Besitzer, §§ 20 I und II ZVG, 1120 BGB, 55 I ZVG, 136, 135 BGB.<br />

4. Probleme treten vor allem hinsichtlich solcher Sachen auf,<br />

die nicht als Zubehör im Eigentum des Grundstückseigentümers von der Hypothekenhaftung erfasst sind,<br />

aber trotzdem in die Verwertung geraten.<br />

Es muss also als erstes immer geprüft werden:<br />

unterfällt die betreffende Sache der hypothekarischen Haftung, § 1120,<br />

ist sie von der Haftung frei geworden, §§ 1121 f.?<br />

5. Selten Klage des Grundstückseigentümers E, um geltend <strong>zu</strong> machen, dass eine bestimmte Sache nicht als Zubehör hafte.<br />

6. Häufig begehrt der angebliche Eigentümer einer Sache (Z),<br />

dass diese nicht als Zubehör des Grundstückseigentümers mit versteigert werde.<br />

Damit fremde Sache nicht mit versteigert wird, muss der wirkliche Eigentümer der Sache (Z)<br />

1. nach der Beschlagnahme des Grundstücks<br />

hinsichtlich dieser Sache die Aufhebung des Verfahrens beantragen,<br />

§ 37 Nr. 5 ZVG.<br />

2. Wenn das Gericht dem Antrag des Z<br />

- nicht stattgibt<br />

- oder Verfahren insoweit nur einstweilig einstellt, § 37 Nr. 5:<br />

<strong>Dr</strong>ittwiderspruchsklage des Z gegen den betreibenden Gläubiger G, § 771 ZPO.<br />

7. Wenn der wirkliche Eigentümer der Sache die Aufhebung der Zwangsversteigerung<br />

hinsichtlich seiner Sache nicht erreicht hat, wird die Sache mitverwertet.<br />

Die Beschlagnahme erfasst zwar nur Zubehör des Grundstückseigentümers, §§ 20 II ZVG, 1120 BGB.<br />

Aber weil die Eigentumsverhältnisse an den Zubehörsachen nicht ohne weiteres <strong>zu</strong> erkennen sind,<br />

erstrecken sich Versteigerung und Zuschlag auch auf fremdes Zubehör, § 55 II, 90 II ZVG<br />

(obwohl dieses gar nicht im eigentlichen Sinne beschlagnahmt war).<br />

Daher die berühmte Besonderheit des Erwerbes durch Zuschlag in der<br />

Zwangsversteigerung des Grundstücks nach dem Zwangsversteigerungsgesetz, ZVG,<br />

§§ 90 ZVG , § 55 I, § 20 II ZVG, § 1120 BGB, 55 II ZVG.<br />

1. § 90 ZVG (1) „Durch den Zuschlag wird der Ersteher Eigentümer des Grundstücks,...“.<br />

(2) „Mit dem Grundstück erwirbt er <strong>zu</strong>gleich die Gegenstände, auf welche sich die Versteigerung erstreckt hat.“<br />

2. Auf welche Gegenstände hat sich denn die Versteigerung erstreckt?<br />

§ 55 ZVG (1) „Die Versteigerung des Grundstücks erstreckt sich auf alle Gegenstände,<br />

deren Beschlagnahme noch wirksam ist.“<br />

§ 20 ZVG (2) „Die Beschlagnahme umfasst auch diejenigen Gegenstände,<br />

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auf welche sich bei einem Grundstücke die Hypothek erstreckt.“<br />

§ 1120 BGB: Hypothek erstreckt sich auch auf das Zubehör.<br />

3. Nach § 1120 erstreckt sich die Hypothek zwar nicht auf fremdes Zubehör.<br />

Aber Ausnahmeregelung des § 55 II ZVG:<br />

§ 55 ZVG (2)<br />

„Auf Zubehörstücke, die sich im Besitze des Schuldners ... befinden,<br />

erstreckt sich die Versteigerung auch dann, wenn sie einem <strong>Dr</strong>itten gehören,<br />

es sei denn, dass dieser sein Recht nach Maßgabe des § 37 Nr. 5 geltend gemacht hat.“<br />

4. Kurz: der Ersteher erwirbt das Eigentum auch an fremden Zubehörstücken,<br />

und zwar ohne Rücksicht auf seinen, des Erwerbers, guten Glauben.<br />

5. Aber Anspruch des bisherigen Eigentümers der Zubehörsache<br />

- zwar nicht gegen Ersteher,<br />

- wohl aber auf Ersatz aus dem Versteigerungserlös, §§ 37 Nr. 5, 113 ff. ZVG<br />

- hilfsweise gegen den letztrangig Begünstigten, § 812 I 1 Alt. 2 BGB.<br />

8. Entscheidungen, Fälle und Aufsätze<br />

BGHZ 92, 280; JuS 1973, S. 96 ff.; JuS 1979, S. 200 ff.; Fortdauer der Zubehöreigenschaft (BGH Urt. v. 30. 1. 1995, NJW 1996,<br />

835 = JuS 1996, 647); H. Plander, JuS 1975, S. 345 ff.; H. Plander, JuS 1981, S. 565, <strong>zu</strong> BGH NJW 1979, S. 2514 betr. „Haftung und<br />

Enthaftung von Zubehör für eine Eigentümergrundschuld“; JuS 1982, S. 924 ff.; H. Kollhosser, JA 1984, S. 196 ff.; M. Reinicke,<br />

JuS 1986, S. 957; J. Wilhelm, NJW 87, S. 1785; Ludwig, NJW 1989, S. 14785; BGH NJW 1991, S. 695 (Zahnpressformen); H.-<br />

M. Müller-Laube, JuS 1993, S. 529 ff.<br />

Kapitel 10. Befreiung von der Hypothek<br />

In verschiedenen Situationen hat der Eigentümer gegen denjenigen, der als Hypothekengläubiger (= Hypothekar) im Grundbuch eingetragen<br />

ist, Ansprüche auf Rückübertragung, Löschung oder Zustimmung <strong>zu</strong>r Berichtigung. Wie sind diese Ansprüche <strong>zu</strong> verwirklichen?<br />

1. Rückübertragung einer Hypothek auf den Eigentümer, §§ 1153 ff.: meistens Eigentümergrundschuld, § 1177.<br />

2. Verzicht, § 1168, s. auch § 1165: Eigentümergrundschuld, § 1177.<br />

3. Aufhebung, §§ 1183, 875 I, s. auch § 1165: Hypothek ist aufgehoben, spätere rücken nach: meistens „Löschungsbewilligung“.<br />

4. Erlöschen durch Befriedigung mittels Zwangsvollstreckung, § 1181.<br />

5. Berichtigung, § 894: Bewilligung entsprechend § 19 GBO, beglaubigt entspr. § 29 I 1 GBO.<br />

(In weiteren Fällen: Eigentümerhypothek bzw. –grundschuld).<br />

6. TEIL. GRUNDSCHULD<br />

Nachdem im BGB die Hypothek in aller Ausführlichkeit geregelt worden ist, genügt es für die Grundschuld, weitgehend auf die ausführlichere<br />

Regelung der Hypothek <strong>zu</strong> verweisen. Wichtig ist der fundamentale Unterschied, dass die Hypothek von Rechts wegen an eine Forderung<br />

gebunden ist, die Grundschuld aber nicht. Gerade deswegen wird letztere heute bei weitem von den Kreditinstituten bevor<strong>zu</strong>gt.<br />

Kapitel 1. Beschreibung der Grundschuld<br />

In diesem Kapitel soll die Grundschuld etwas genauer beschrieben werden, so dass man in den folgenden Kapiteln die von der Grundschuld<br />

verursachten Probleme besser verstehen und lösen kann.<br />

1. Handelsbank I. Grundstückseigentümer E und die Handelsbank H sind sich darüber einig, dass H dem E einen Kredit in Höhe von<br />

600 000,- Euro gewährt und dass E der H <strong>zu</strong>r Sicherheit eine Grundschuld bestellt. Die Grundschuld wird bestellt, E übergibt der H<br />

den Grundschuldbrief.<br />

2. Legaldefinition § 1191 I, Lesen; da<strong>zu</strong> § 1192.<br />

3. Unterscheiden Sie „Grund-schuld“ und „Grund-pfandrecht“ (z. B. § 489 I Nr. 2) und<br />

verwechseln Sie nicht die Sicherungs-Grundschuld mit der Sicherungs-Hypothek (§§ 1184 ff.).<br />

4. Einziger Unterschied zwischen Grundschuld und Hypothek:<br />

Grundschuld ist rechtlich (aber meistens nicht: tatsächlich) von Forderung unabhängig,<br />

keine Akzessorietät, §§ 1191 I, 1192 I.<br />

5. Vorteile der Grundschuld, vor allem für Sicherungsgeber: Beweislast des Eigentümers wegen aller Einwendungen und Einreden, die<br />

die gesicherte Forderung betreffen, volle Wirksamkeit <strong>zu</strong> Gunsten Sicherungsgeber auch bei Fehlen oder Fehlern der <strong>zu</strong> sichernden<br />

Forderung, kein automatischer Rückfall der Sicherung an Eigentümer oder Schuldner bei Tilgung der persönlichen Forderung, Mög-<br />

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Grundstücksrecht<br />

lichkeit der gleichzeitigen oder auf einander folgenden Sicherung verschiedener Forderungen ohne Grundbuchänderungen. Eigentümer<br />

kann mit Eigentümergrundschuld eine Rangstelle reservieren, bei Bedarf schnell Grundschuld an einen Kreditgeber abtreten. Außerdem<br />

bleibt Kreditgeber bei Grundschuld leichter anonym. Die Grundschuld ist in der rechtlichen Konstruktion unkomplizierter<br />

und im Bestand sicherer, weil sie nicht von einer Forderung abhängig ist.<br />

6. Anwendbar Hypothekenrecht, § 1192 I Halbs.1, als Verweisung stets mitzitieren,<br />

soweit sich nicht wegen Fehlens der Akzessorietät<br />

etwas anderes ergibt, § 1192 1 Halbs. 2.<br />

(Sinnlos, die folgende Liste auswendig <strong>zu</strong> lernen!)<br />

1. Anwendbar sind Normen, die nur das dingliche Recht als solches betreffen, z. B. §§ 1116, 1117 (Buch- oder Briefgrundschuld),<br />

1120 ff. (Haftungsverband), 1140 (Briefgrundschuld), 1147 (Befriedigung durch Zwangsvollstreckung), 1157 (Einreden<br />

gegen die Grundschuld), 1163 Absatz 2 (Briefgrundschuld).<br />

2. Entsprechend anwendbar sind auch bestimmte Normen, die zwar von der Forderung sprechen, aber nicht Ausdruck der Akzessorietät<br />

sind, z. B. §§ 1115 I 1 Halbs. 1 (Eintragung der Grundschuldsumme), 1142 (Befriedigungsrecht des Eigentümers),<br />

1143 (Übergang der Grundschuld auf Eigentümer, str.), 1150 (Ablösungsrecht <strong>Dr</strong>itter), besonders wichtig: 1154 (Übertragung<br />

der Grundschuld), § 1155 (gutgläubiger Zweiterwerb der Briefgrundschuld), 1163 I Satz 2 (Zahlung des Grundschuldbetrages,<br />

str.). Lassen Sie sich also nicht dadurch verwirren, dass in den genannten Bestimmungen von „Forderung“ die Rede ist, denn<br />

das dort Angeordnete gilt gleicherweise für die Grundschuld.<br />

3. Aber nicht anwendbar Normen, die Ausdruck der Akzessorietät sind, wie §§ 1113 (Legaldefinition), 1137 – 1139 (Einwendungen<br />

und Einreden auf Grund der persönlichen Forderung), 1153 (Untrennbarkeit Hypothek und Forderung), 1163 I Satz 1<br />

(Eigentümerhypothek bei Nichtentstehen der Forderung), 1164 – 1166 (Befriedigung durch persönlichen Schuldner), 1177<br />

(Umwandlung Eigentümerhypothek in Eigentümergrundschuld), 1184 ff. (Sicherungs-Hypothek).<br />

7. Anspruchsgrundlage ist auch für den Inhaber der Grundschuld<br />

1. entweder § 1147 (Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung), über § 1192,<br />

2. oder Vollstreckung aus einer notariellen Urkunde, § 794 I Nr. 5 ZPO.,<br />

gegen welche Eigentümer notfalls die Vollstreckungsabwehrklage, § 767 ZPO, erheben muss.<br />

3. Auch hier hat Eigentümer das Befriedigungsrecht nach § 1142.<br />

8. Die praktische Ausnahme: sogenannte isolierte Grundschuld,<br />

wenn von Gläubiger und Eigentümer gar keine persönliche Forderung ins Auge gefasst ist. In der Praxis sehr selten, etwa wenn Eigentümer<br />

sich selbst Grundschuld bestellt oder wenn er die Grundschuld als solche verschenken will.<br />

Onkel Emil. Onkel Emil will seinem geliebten Neffen Gundobad ein Grundstücksrecht schenken, ohne Gundobad <strong>zu</strong>m Miteigentümer<br />

<strong>zu</strong> machen und ohne sich ihm gegenüber persönlich <strong>zu</strong> verpflichten. Deswegen bestellt E dem G formgerecht eine Grundschuld.<br />

Wirksam als Grundschuld. Wirksam auch als Schenkungsvoll<strong>zu</strong>g (anders bei Hypothek).<br />

9. Aber das Übliche ist die „Sicherungsgrundschuld“. Diese liegt vor,<br />

wenn G und E die Grundschuld bestellen, um eine Forderung des G <strong>zu</strong> „sichern“,<br />

ohne jedoch die Existenz der Grundschuld<br />

von der Forderung rechtlich abhängig <strong>zu</strong> machen. In der Praxis sehr häufig.<br />

10. <strong>Dr</strong>ei Rechtsgeschäfte sind hier <strong>zu</strong> unterscheiden:<br />

1. Begründung der persönlichen Forderung,<br />

2. Sicherungsvertrag,<br />

3. Grundschuldbestellung.<br />

Unterschiedliche Rechtsfolgen bei Fehlern in einem der drei Rechtsgeschäfte.<br />

11. Literatur: Goertz und Roloff, Die Anwendung des Hypothekenrechts auf die Grundschuld, JuS 2000, 762.<br />

Schulfälle: Schanbacher, JuS 1999, 44; Bukow und Vogelmann, JuS 2001,773.<br />

Kapitel 2. Bestellung der Grundschuld, Einwendungen und Einreden des Eigentümers<br />

Hier kommt es vor allem auf die problematische Beziehung der Forderung <strong>zu</strong>r Grundschuld und auf den Sicherungsvertrag, der die Causa<br />

für die Grundschulbestellung bildet, an.<br />

1. Handelsbank II. Grundstückseigentümer E und Handelsbank H sind sich über Kreditgewährung und Grundschuldbestellung einig, die<br />

Grundschuld wird in voll wirksamer Weise bestellt. Dann aber ruft E den Kredit bei H nicht ab, weil E eine für ihn günstigere Kreditmöglichkeit<br />

bei X findet.<br />

22. August 2011<br />

75


1. Kann H aus der Grundschuld gegen E vorgehen?<br />

2. Kann E von H die Grundschuld <strong>zu</strong>rückverlangen?<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. Die Grundschuld wird auf dieselbe Weise wie eine Hypothek bestellt,<br />

aber ohne die Besonderheiten der Forderung, §§ 873, 1192 I, 1115 I, 1116, 1117.<br />

3. Grundsätzlich vier Vorausset<strong>zu</strong>ngen für Bestellung der Grundschuld <strong>zu</strong> prüfen:<br />

wie bei Übereignung, § 873<br />

1. Einigsein, § 873<br />

2. Eintragung, § 873<br />

3. Berechtigung, § 873,<br />

Da<strong>zu</strong> die eine Besonderheit<br />

4. Brief-<br />

1. entweder Übergabe (Briefgrundschuld), oder<br />

2. Ausschluss des Briefes (Buchgrundschuld), §§ 1116 f., 1154.<br />

Aber gerade nicht, wie bei der Hypothek:<br />

Forderung, § 1113.<br />

4. Also<br />

- keine wirksame Grundschuld, wenn Einigsein oder Eintragung oder Berechtigung fehlt;<br />

Eigentümer hat entsprechende Einwendung.<br />

- Eigentümergrundschuld, solange keine Briefübergabe oder kein Briefausschluss, § 1163 II;<br />

auch deswegen entsprechende Einwendung des Eigentümers.<br />

- Aber: wirksame Fremdgrundschuld, auch wenn gesicherte Forderung nicht ausgezahlt ist.<br />

5. Entstehen der Eigentümergrundschuld wie Eigentümerhypothek:<br />

1. Eigentümer bestellt selbst, so ausdrücklich § 1196,<br />

2. oder er erwirbt Hypothek oder Grundschuld vom Gläubiger,<br />

3. oder von Gesetzes wegen.<br />

1. wegen Forderung<br />

- nicht wegen Nichtentstehens der gesicherten Forderung (nicht § 1163 I Satz 1),<br />

- wohl aber im Falle der Rückzahlung auf die Grundschuld, § 1163 I Satz 2 (str.),<br />

2. wenn Brief nicht ausgeschlossen und noch nicht übergeben wurde, § 1163 II.<br />

Wenn V an seinem Grundstück Eigentümergrundschuld hat und Grundstück an K übereignet,<br />

bleibt V Inhaber der Grundschuld, diese wird also <strong>zu</strong>r Fremdgrundschuld.<br />

6. Da Grundschuld kein akzessorisches Sicherungsrecht ist, §§ 1191 f.:<br />

1. Entstehen der Forderung irrelevant für Wirksamkeit der Fremdgrundschuld,<br />

also keine Eigentümergrundschuld, nur weil nicht valutiert (d. h.: „bezahlt“) wurde,<br />

keinesfalls § 1163 Abs. 1 Satz 1 (allg. M.).<br />

2. Grundschuld steht dem Gläubiger <strong>zu</strong> (unstr.).<br />

3. Eigentümer hat also keinerlei Einwendung wegen Fehlens der Forderung.<br />

4. Selbstverständlich ist Höhe der Grundschuld (aber nicht der <strong>zu</strong> sichernden persönlichen Forderung) ein<strong>zu</strong>tragen.<br />

5. Aber durch Rückzahlung auf die Grundschuld entsteht Eigentümergrundschuld, § 1163 I Satz 2 entsprechend (str.).<br />

7. Wenn aber der Darlehensvertrag unwirksam ist<br />

oder das Darlehen nicht ausgezahlt worden ist,<br />

<strong>zu</strong> deren Sicherung die Grundschuld bestellt wurde,<br />

1. Dann erfolgte die Grundschuldbestellung zwar nicht sine causa,<br />

denn die Causa für die Grundschuldbestellung ist ja der Sicherungsvertrag.<br />

Nach a. A. greift Bereicherungseinrede ein, § 821.<br />

2. Aber aus dem Sicherungsvertrag ergibt sich,<br />

dass in diesem Fall die Grundschuld nicht geltend gemacht werden darf.<br />

1. Damit liefert in diesem Fall der Sicherungsvertrag<br />

eine Einrede gegen die Grundschuld,<br />

die „Einrede der fehlenden Valutierung“.<br />

Diese Einrede kann der Eigentümer dem Grundschuldgläubiger entgegenhalten,<br />

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76


§§ 1192, 1157 S. 1.<br />

Grundstücksrecht<br />

2. Diese Einrede ist<br />

1. sogar eintragungsfähig;<br />

2. nicht eintragungsbedürftig;<br />

2. aber Eintragung verhindert gutgläubigen Erwerb durch Zweitgläubiger.<br />

3. Außerdem Rückübertragungsanspruch des Eigentümers<br />

gegen den Grundschuldgläubiger<br />

- auf Grund Sicherungsabrede<br />

- oder aus § 812 1 2 Alt. 2,<br />

- oder aus § 1169, „rechtszerstörende Einrede“, § 821.<br />

Das gilt auch ohne ausdrückliche Rückgewährklausel. Denn dem Sicherungsvertrag ist wegen seiner Treuhandnatur die Verpflichtung<br />

immanent, die Sicherheit <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>gewähren, wenn und soweit sie endgültig nicht mehr benötigt wird. Der Sicherungsgeber<br />

hat damit einen durch den Wegfall des Sicherungszweckes aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr. Zur<br />

Sicherung sogar Vormerkungsanspruch.<br />

8. Ein-reden, die allein die Forderung betreffen,<br />

z. B. Berechtigung <strong>zu</strong>r Ausübung eines Gestaltungsrechts (§ 770) oder Zurückbehaltungsrecht (§ 273 oder § 320)<br />

kann Eigentümer dem Gläubiger meistens nicht entgegensetzen, § 1192 I Halbs.2, anders als bei der Hypothek.<br />

9. Selbstverständlich hat der persönliche Schuldner gegen die persönliche Forderung diejenigen Einwendungen und Einreden,<br />

die die persönliche Schuld betreffen, wie Unwirksamkeit, Stundung, Zurückbehaltungsrecht.<br />

Diese Rechte hat Schuldner auch dann gegen persönliche Forderung, wenn er mit Eigentümer identisch ist.<br />

10. Bei Inanspruchnahme allein aus der Forderung hat der Schuldner im allgemeinen<br />

Zurückbehaltungsrecht, § 273, bis <strong>zu</strong>r Rückübertragung der Grundschuld.<br />

11. Sicherungsabrede = Sicherungsvereinbarung = Zweckerklärung.<br />

Diese ist das Grundgeschäft, die causa,<br />

geht der Bestellung der Grundschuld typischerweise voraus; insbesondere<br />

1. Festlegung, dass eine bestimmte persönliche Forderung mit Zinsen<br />

durch eine bestimmte Grundschuld gesichert werden soll.<br />

2. Rechte und Pflichten der Beteiligten, z. B. Abtretungsverbot, Trennungsverbot, Rückübertragungspflichten,<br />

Tilgungsmodalitäten.<br />

3. Abschluss:<br />

- Könnte im allgemeinen formlos abgeschlossen werden,<br />

- aber meistens AGB (dann verschärfte rechtliche Kontrolle).<br />

- Wenn ausdrücklicher Abschluss nicht nach<strong>zu</strong>weisen ist, dürfte meistens konkludenter Abschluss nahe liegen.<br />

4. Wenn AGB, dann oft Bedenken gegen die Erstreckung der Haftung auf „alle anderen<br />

gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Bank gegen den Schuldner“.<br />

Hier ist <strong>zu</strong> differenzieren:<br />

1. Sind Schuldner und Sicherungsgeber (= Grundstückseigentümer) identisch, ist Klausel meistens wirksam.<br />

2. Haftet hingegen das Grundstück des E für Schulden eines <strong>Dr</strong>itten, dann oft unwirksam als „überraschende Klausel“.<br />

5. Dieses Grundgeschäft ist scharf <strong>zu</strong> trennen von der <strong>zu</strong> sichernden Forderung.<br />

6. Fehlt es an einer Sicherungsabrede (in der Praxis selten), dann<br />

1. ist die Bestellung des Grundpfandrechtes trotzdem wirksam, Abstraktionsprinzip.<br />

2. Aber der Besteller des Grundpfandrechtes, d. h. der Grundstückseigentümer, hat<br />

1. Einrede aus § 821, §§ 1192 I, 1157, und<br />

2. Rückübertragungsanspruch aus § 812 I 1 Alt. 1 oder I 2, §§ 1192 I, 1157,<br />

wegen Fehlens der causa, und aus § 1169.<br />

12. Eigentümer kann also Bereicherungsrecht im Falle der Sicherungsgrundschuld<br />

aus 2 unterschiedlichen Gründen haben:<br />

1. wegen Fehlens <strong>zu</strong> sichernder Forderung und/oder<br />

2. wegen Fehlens wirksamer Sicherungsabrede.<br />

13. Eintragung im Hinblick auf „Sicherungsgrundschuld“?<br />

1. Nicht<br />

1. Eintragung als „Sicherungsgrundschuld“ oder<br />

2. Bedingung der Existenz der <strong>zu</strong> sichernden Forderung (Grundschuld unwirksam, str.) oder<br />

3. Sicherungsvertrag insgesamt.<br />

22. August 2011<br />

77


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. Aber rechtswirksam Eintragung einzelner Einreden.<br />

- z. B. unter welchen Vorausset<strong>zu</strong>ngen ein Rückübertragungsanspruch entsteht.<br />

- Weiteres Beispiel: Grundschuld als solche ist sofort fällig, Sicherungsabrede erlaubt aber Geltendmachung der Grundschuld<br />

erst nach Ver<strong>zu</strong>g des S mit Erfüllung der gesicherten persönlichen Forderung. E hat entsprechende Einrede gemäß<br />

§ 1157 gegen Anspruch des G aus § 1147.<br />

3. Aufschiebend bedingter Rückübertragungsanspruch kann durch Vormerkung gesichert werden.<br />

14. Auch hinsichtlich der Grundschuld als solcher können Grundstückseigentümer und Grundschuldgläubiger Vereinbarungen treffen, auf<br />

Grund deren Eigentümer Einrede gegen Gläubiger gemäß §§ 1192 I, 1157 erheben kann.<br />

15. Rechtsprechung<br />

Zweckerklärung für Grundschuld, Vollstreckungsabwehrklage (BGH Urt. v. 23. 5. 2000, NJW 2000, 2675 = JuS 2000, 1121).<br />

Viele Entscheidungen, die bei der Hypothek zitiert wurden, sind <strong>zu</strong>r Grundschuld ergangen, wenn es nicht speziell um Fragen der<br />

Forderung ging.<br />

16. Muttersöhnchen. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde vom 20. Oktober<br />

1978. Die K hatte damals an ihrem Wohngrundstück eine Grundschuld von 190 000,- DM bestellt, und zwar <strong>zu</strong> Gunsten der Beklagten<br />

<strong>zu</strong>r Sicherung eines Darlehens. Nachdem dieses Darlehen vollständig getilgt war, kam es 1986 <strong>zu</strong> Verhandlungen der Beklagten<br />

mit S, dem Sohn der - damals schon 78 Jahre alten - Klägerin, über eine neue Sicherungszweckvereinbarung. Dieser S schuldete<br />

der Beklagten insgesamt 1430 000,- DM. Die Beklagte übersandte dem S eine neue Zweckerklärung für die Grundschuld sowie eine<br />

Zusatzerklärung und bat, diese Unterlagen möglichst schnell unterschrieben wieder ein<strong>zu</strong>reichen. Der Sohn legte beide Erklärungen<br />

am 22. September 1986 der Klägerin in ihrer Wohnung vor. Nach Einsetzen des Datums unterschrieb sie das gedruckte Zweckerklärungsformular<br />

und die maschinenschriftliche Zusatzerklärung. Diese hatte folgenden Wortlaut: „Ich habe Ihnen gegenüber am 22. 9.<br />

1986 die Zweckerklärung sowie Abtretungs- und Verpfändungserklärung unterschrieben und bin von Ihnen gleichzeitig darauf hingewiesen<br />

worden, dass die von mir <strong>zu</strong> Gunsten der K und des S als Hauptschuldner gestellte Sicherheit nicht nur für die gegenwärtigen<br />

Forderungen Ihrer Bank gegen den Hauptschuldner, sondern für sämtliche gegenwärtigen und künftigen Ansprüche aus der<br />

bankmäßigen Geschäftsverbindung mit Ihrer Bank in dem in der Zweck- sowie Abtretungs- und Verpfändungserklärung näher bezeichneten<br />

Umfang herangezogen werden kann. Ich bin weiter darüber belehrt worden, dass mir daraus unter Umständen die Gefahr<br />

des ganzen oder teilweisen Verlustes des Eigentums am Eigentum erwachsen kann, wenn Ihre Bank gezwungen ist, bei Ver<strong>zu</strong>g des<br />

Hauptschuldners die Sicherheit <strong>zu</strong> verwerten“. Die B ließ sich 1993 eine notarielle Vollstreckungsklausel erteilen. Daraus betreibt sie<br />

die Zwangsvollstreckung in das Wohngrundstück der Klägerin. Diese hält die Sicherungszweckerklärung vom 22. September 1986<br />

für unwirksam und erhebt die Vollstreckungsgegenklage. (BGHZ 131, 55).<br />

Kapitel 3. Übertragung von Grundschuld oder Forderung<br />

Die Übertragung der Grundschuld ist eigentlich ganz einfach, weil das Gesetz hier keine Rücksicht auf die persönliche Forderung <strong>zu</strong> nehmen<br />

braucht. Man muss nur wissen, dass hier nach der Verweisungsnorm des § 1192 die §§ 1154 ff. gelten, indem statt „Forderung“ <strong>zu</strong> lesen ist:<br />

„Grundschuld“. Noch einfacher ist die Übertragung der Forderung. Sorgen macht es aber, wenn Grundschuld und Forderung durch die Übertragung<br />

getrennt werden.<br />

1. Handelsbank III. Grundstückseigentümer E und Handelsbank H sind sich über Kreditgewährung und Grundschuldbestellung einig,<br />

die Grundschuld wird in voll wirksamer Weise bestellt. Dann aber ruft E den Kredit bei H nicht ab, weil E eine für ihn günstigere<br />

Kreditmöglichkeit bei X findet. H tritt Grundschuld und angebliche Forderung an G2 ab, G2 kennt sämtliche Umstände.<br />

Hat G2 persönliche Forderung erworben? Hat G2 Grundschuld erworben? Hat E Einwendung oder Einrede gegen G2?<br />

2. Übertragung der Grundschuld nach denselben Regeln wie die Hypothek,<br />

§§ 1192 I, 1154 ff., <strong>zu</strong> lesen: „Grundschuld“ statt „Forderung“,<br />

Buchgrundschuld: Einigung und Eintragung, §§ 1192 I, 1154 III,<br />

Briefgrundschuld: Einigung und Briefübergabe, §§ 1192 I, 1154 I und II.<br />

3. Fehler hinsichtlich Einigung oder Brief bei der Übertragung machen Übertragung unwirksam, wie bei der Hypothek.<br />

4. Die Einwendungen und Einreden des Eigentümers, die die Grundschuld betreffen,<br />

bleiben im Falle der Abtretung der Grundschuld bestehen.<br />

E hat gegen Zweitgläubiger G2, grundsätzlich Einreden und Einwendungen,<br />

die E auf Grund der Grundschuld schon gegen G1 hatte, §§ 1192 I Halbs. 1, 1157 S. 1,<br />

Insbesondere, wie bei der Hypothek, betreffend dingliche Einigung,<br />

oder auch Einreden, die von vorneherein gegen die Grundschuld gerichtet sind,<br />

z. B. Vorausset<strong>zu</strong>ngen der Geltendmachung, Stundung der Grundschuld, Ausschluss der Abtretung der Grundschuld,<br />

Beschränkung der Zwangsvollstreckung,<br />

5. Die Einreden auf Grund des Sicherungsvertrages<br />

1. insbesondere wegen<br />

1. Nichtvalutierung oder Rückzahlung des Darlehens oder ausgeübten Gestaltungsrechts,<br />

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78


Grundstücksrecht<br />

2. Unerlaubte Trennung von Darlehen und Grundschuld.<br />

2. stammen zwar aus einem schuldrechtlichen Sicherungsvertrag,<br />

betreffen auch meistens irgendwie die persönliche Forderung,<br />

richten sich aber gegen die Grundschuld als solche, wirken also dinglich,<br />

daher gemäß §§ 1192, 1157 S. 1 grundsätzlich auch gegen Zweitgläubiger.<br />

Hier also keinesfalls mit §§ 1137 f. operieren, diese gelten gerade nicht bei der Grundschuld,<br />

auch nicht § 404, betrifft nur Verhältnis zwischen Zweitgläubiger und persönlichem Schuldner als solchen.<br />

3. Aber Eigentümer hat diese Einreden gegenüber Neugläubiger im allgemeinen nur,<br />

wenn der volle Tatbestand der Einrede bereits im Verhältnis<br />

Eigentümer – Erstgläubiger begründet war,<br />

also z. B. Rückzahlung schon von Erstgläubiger erfolgt, Rücktritt (z. B. Sachmangel) bereits gegenüber Erstgläubiger.<br />

6. Der gutgläubige Erwerb einer angeblich bestehenden Grundschuld bereitet keine größeren Probleme als der gutgläubige Zweiterwerb<br />

einer Hypothek. Im Gegenteil: da die Rücksichtnahme auf eine Forderung (§ 1138) wegfällt, ist es hier sogar noch einfacher:<br />

1. § 892, betreffend Ein-wendungen gegen die Grundschuld, und<br />

2. §§ 1192 I, 1157 S. 2, 892 für Ein-reden gegen die Grundschuld,<br />

plus § 1155 bei Briefgrundschuld.<br />

7. Wenn gemäß § 892 I 1 diese Einwendungen oder Einreden<br />

nicht<br />

1. „aus dem Grundbuch ersichtlich“ oder<br />

2. „dem Erwerber bekannt“ oder<br />

3. Gegenstand eines “Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs“<br />

sind,<br />

dann bestehen sie nicht gegenüber dem Erwerber G2, dieser hat also<br />

die Grundschuld gutgläubig einwendungs- und einredefrei erworben.<br />

8. Wie auch sonst im Grundstücksrecht: unschädlich ist grobfahrlässige Unkenntnis.<br />

Grundschuld-Erwerber ist nur dann bösgläubig,<br />

wenn er bezüglich Sicherungsgrundschuld<br />

1. Sicherungscharakter der Grundschuld und außerdem<br />

2. Einrede oder Einwendung<br />

kannte.<br />

9. Eigentümer kann <strong>zu</strong>r Abwendung gutgläubigen Erwerbs<br />

1. Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung oder<br />

2. entsprechenden Widerspruch im Grundbuch eintragen lassen,<br />

3. eventuell auch Vormerkung des Anspruchs auf Rückübertragung der Grundschuld<br />

(Koblenz Urt. v. 29. 1. 1998, WM 1999, 2068).<br />

10. E hat häufig auf Grund desselben TB, der die Einwendung oder Einrede gegen die Grundschuld begründete,<br />

einen Anspruch auf Rückübertragung der Grundschuld,<br />

Handelsbank. Wenn Grundschuld für Darlehen bestellt wurde, das endgültig nicht <strong>zu</strong>r Auszahlung kommt.<br />

Diesen Anspruch kann E nicht gegen G2 haben. G2 ist eigentlich allenfalls Gläubiger, aber nicht Schuldner des E.<br />

Hier die wichtige Funktion des § 1169 i.V.m. § 1192:<br />

Wenn gegen die Grundschuld eine dauernde Einrede besteht, so dass Grundschuld nicht durchgesetzt werden kann,<br />

dann handelt es sich um eine „rechtszerstörende Einrede“,<br />

und diese gewährt einen Rückübertragungsanspruch des E auch gegen G2.<br />

11. Gesondert <strong>zu</strong> übertragen die gesicherte Forderung, einfach § 398,<br />

weil § 1153 bei Grundschuld gerade nicht gilt.<br />

12. Zweitgläubiger der persönlichen Forderung hat meistens Anspruch<br />

gegen Erstgläubiger auf Übertragung der (Sicherungs-)-Grundschuld, § 401 analog.<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

13. Einwendungen und Einreden des persönlichen Schuldners gegen die persönliche Schuld,<br />

auch gegen Zweitgläubiger, § 404,<br />

kein gutgläubig einredefreier Erwerb der persönlichen Forderung.<br />

Aber, wie gesagt, Einreden und Einwendungen dieser Art nicht gegen den Inhaber der Grundschuld.<br />

14. Getrennte Verfügung des G über Forderung und Grundschuld ist dinglich wirksam.<br />

Daher kann es leicht <strong>zu</strong>r „Spaltung“<br />

von Grundschuld und persönlicher Forderung kommen.<br />

Wenn Gläubiger G seine Grundschuld am Grundstück des E<br />

und seine persönliche Forderung gegen S<br />

an die beiden verschiedenen Neugläubiger N1 und N2 abtritt,<br />

dann erwirbt jeder der Neugläubiger sein Recht,<br />

also etwa N1 die Grundschuld, N2 die persönliche Forderung.<br />

15. Getrennte Verfügung des G über Forderung und Grundschuld,<br />

1. vor Fälligkeit bedeutet Verstoß gegen Sicherungsvertrag,<br />

ist aber dennoch dinglich wirksam (str. wegen § 399 Alt.2),<br />

2. nach Fälligkeit gilt als Verwertung des Sicherungsrechts.<br />

16. Die Einrede gegen Inanspruchnahme aus der persönlichen Forderung<br />

ohne Rückübertragung der Grundschuld<br />

hat Schuldner auch gegen Zweitgläubiger, §§ 273, 404,<br />

kein Gutglaubensschutz.<br />

17. Verteidigung bei Inanspruchnahme allein aus der Grundschuld:<br />

Einrede der Rückübertragungspflicht der persönlichen Forderung<br />

auf Grund des Sicherungsvertrages,<br />

wirkt aber nur gegen Erstgläubiger, nicht gegen Zweitgläubiger,<br />

wegen Erfordernis der vollen TB-Verwirklichung bei Erstgläubiger.<br />

Da<strong>zu</strong> braucht sich G2 noch nicht einmal auf guten Glauben <strong>zu</strong> berufen.<br />

Anders gesagt: E unterliegt dem Anspruch des G2, §§ 1147, 1192 Halbs.1,<br />

keine Einrede des E gegen G2 aus § 1157 S.1.<br />

20. Rechtsprechung<br />

Gutgläubiger Zweiterwerb, Ausgleich nach § 816 (BGH Urt. v. 24. 9. 1996, WM 1996, 2197 = NJW 1997, 190; Urt. v. 16.1. 2001,<br />

NJW-RR 2001, 1097); s. auch BGHZ 85, 388.<br />

Kapitel 4. Zahlung und Rückgriff<br />

Auch wenn auf die Grundschuld oder auf die Forderung, welche durch die Grundschuld gesichert werden sollte, gezahlt wird, stellt sich die<br />

praktische Frage, ob der Zahlende bei einem anderen Rückgriff nehmen kann, wenn der Eigentümer als Sicherungsgeber und der persönliche<br />

Schuldner verschiedene Personen sind. Da<strong>zu</strong> gehört die dogmatische Frage nach dem „Schicksal“ von Grundschuld und Forderung in Folge<br />

einer Zahlung. Ausgangspunkt und Grundregeln sind dieselben wie bei der Hypothek, also §§ 1142 und 1147 BGB, §§ 794 I Nr. 5, 795,767<br />

ZPO. Aber jetzt kommt es noch stärker auf den Zahlungszweck an: wird „auf die Grundschuld“ oder „auf die persönliche Forderung“ oder<br />

„auf beide Rechte“ gezahlt?<br />

1. Der häufige praktische Fall dürfte so aussehen wie in dem Fall Silberwald. S nimmt ein Darlehen bei G auf, E bestellt <strong>zu</strong>r Sicherung<br />

dem G eine Grundschuld am Grundstück des E. Da S die Schuld an G nicht <strong>zu</strong>rückzahlt, leistet E Zahlung, um die Zwangsvollstreckung<br />

in sein Grundstück ab<strong>zu</strong>wenden. Kann E von S Rückzahlung verlangen?<br />

2. Vorfrage ist, ob b die Zahlung auf die Grundschuld oder auf die persönliche Forderung oder auf beide gleichzeitig<br />

(„Doppeltilgung“) erfolgt. Die Antwort ergibt sich aus<br />

1. dem vom Zahlenden bei der Zahlung geäußerten Willen, entsprechend § 366 I,<br />

2. Sicherungsvertrag mit dem Grundschuldgläubiger,<br />

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3. Auslegung, Umstände, §§ 133, 157.<br />

Grundstücksrecht<br />

4. Nach der praktischen Erfahrung geht der Wille<br />

1. des Bankkreditgebers als Zahlungsempfängers auf Zahlung auf die persönliche Schuld,<br />

2. des zahlenden Eigentümers fraglich:<br />

- <strong>zu</strong>r Abwendung der Zwangsvollstreckung auf Zahlung auf Grundschuld,<br />

- wegen § 1163 I 2 bzw. §§ 1142 f. auf Zahlung auf die Grundschuld,<br />

- im Hinblick auf § 1179 a auf Zahlung auf die persönliche Schuld,<br />

3. des zahlenden Schuldners auf die persönliche Schuld.<br />

2. Bei Zahlung „auf die Grundschuld“<br />

1. Grundschuld wird kraft Gesetzes Eigentümergrundschuld, allg. M.,<br />

aber Begründung ist str.:<br />

1. nach §§ 1192, 1163 I 2, oder<br />

2. nach §§ 1192, 1142, 1143, oder weiter <strong>zu</strong> differenzieren.<br />

2. Die persönliche Forderung<br />

1. erlischt nach dem Zweck der Sicherungsabrede,<br />

wenn der persönliche Schuldner zahlt und Forderung fällig war.<br />

2. Wenn der Eigentümer bezahlt und nicht gleichzeitig der persönliche Schuldner ist,<br />

1. und wenn Eigentümer keinen Regress gegen persönlichen Schuldner hat,<br />

dann erlischt Forderung ebenfalls.<br />

2. Aber wenn Eigentümer Regress gegen den persönlichen Schuldner hat,<br />

- dann erlischt die persönliche Forderung nicht<br />

sondern bleibt Forderung des Gläubigers gegen den persönlichen Schuldner,<br />

- und ist vom Gläubiger auf den Eigentümer <strong>zu</strong> übertragen, § 398 ff.<br />

auf Grund des Sicherungsvertrages (Gedanke des § 1143 I 1;<br />

aber keine direkte Anwendung, keine eigentliche Analogie i. e. S.,<br />

kein gesetzlicher = „automatischer“ Forderungsübergang)<br />

- so dass E diese Forderung nunmehr gegen S geltend machen kann<br />

(außerdem hat E gegen S meistens eigene Forderung auf Grund des Innenverhältnisses E – S).<br />

3. Bei Zahlung nur „auf die persönliche Schuld“<br />

1. Diese erlischt, § 362 I.<br />

2. Grundschuld<br />

1. bleibt bestehen, und zwar als Grundschuld des Gläubigers<br />

(also nicht §§ 1143 oder 1163 analog),<br />

2. aber gegen G besteht Übertragungsanspruch (§ 1154) je nach Innenverhältnis S und E<br />

1. entweder auf S (wenn dieser Regressanspruch hat), m. E. § 1164 I 1 entspr., oder<br />

2. auf E, § 1154 oder § 1169 oder § 875.<br />

4. <strong>Dr</strong>itter zahlt auf Grundschuld:<br />

Übergang der Grundschuld auf <strong>Dr</strong>itten, §§ 1150, 268 III (wenn Vorausset<strong>zu</strong>ngen des Abs.1 gegeben sind).<br />

5. Tilgungsbestimmung des Eigentümers (BGH Urt. v. 8. 4. 1997, WM 1997, 1012); Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld wegen<br />

Wegfalls des Sicherungszwecks nach Erlöschen der persönlichen Forderung (Hamm, Urt. v. 17. 12. 1998, WM 1999, 2005); Erlöschen<br />

der persönlichen Forderung (BGH Urt. v. 7. 12. 1999, NJW 2000, 1108 = JuS 2000, 712); Zweckerklärung für Grundschuld,<br />

Vollstreckungsabwehrklage (BGH Urt. v. 23. 5. 2000, NJW 2000, 2675 = JuS 2000, 1121<br />

7. TEIL. WEITERE GRUNDSTÜCKSRECHTE<br />

Sicherheitshalber sollten Sie für die Prüfung wissen, dass es außer Eigentum, Hypothek und Grundschuld weitere wichtige Grundstücksrechte<br />

gibt. Aber diese sind nicht so klausurwichtig, dass diese jetzt im Skriptum nachgezeichnet werden müssten. Es genügt, wenn Sie sich gelegentlich<br />

die einschlägigen Titel im BGB sowie die Spezialgesetze anschauen, alle mit gut verständlichen Legaldefinitionen.<br />

- Grunddienstbarkeiten, § 1018 (herrschendes / dienendes Grundstück)<br />

(Z. B. Wegerechte [BGH Urt. v. 2. 10. 1998, NJW-RR 1999, 166], Bauverbote, Lichtrechte; wichtig <strong>zu</strong>r Wettbewerbsbeschränkung:<br />

Brauerei- und Tankstellendienstbarkeiten[BGH Urt. v. 10. 7. 1998, NJW 1998, 3273 = JuS 1999, 80]);<br />

- beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, § 1090 unübertragbar, nur Ausübung<br />

übertragbar, endet mit Tod des Berechtigten;<br />

- Nießbrauch an Sachen, § 1030; an Grundstück, § 1048<br />

unübertragbar, unpfändbar, endet mit Tod des Nießbrauchers<br />

(häufig als Vorbehalt bei Grundstücksschenkungen [Köln, NJW-RR 1999, 239 = JuS 1999, 708], für Versorgung Hinterbliebener,<br />

22. August 2011<br />

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selten als Kreditmittel);<br />

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

- Wohnungsrecht als beschränkte persönliche Dienstbarkeit, § 1093;<br />

- dingliches Vorkaufsrecht, § 1094,<br />

im Unterschied <strong>zu</strong>m persönlichen Vorkauf, § 463 n. F.;<br />

- Reallast, § 1105 (z. B. persönliche Pflegepflicht des Beschenkten<br />

[BGH Beschl. v. 13. 7. 1995, NJW 1995, 2780 = JuS 1996, 172]).<br />

In besonderen Gesetzen, aber wie Grundstücke behandelt und mit Grundbüchern ausgestattet, so dass die diesbezüglichen Fälle und Entscheidungen<br />

auch für Grundstücke Bedeutung haben:<br />

- Wohnungseigentum und<br />

- Erbbaurecht.<br />

8. TEIL. ABWEHR- ODER AUSGLEICHSANSPRÜCHE<br />

In diesem Teil wiederholen Sie die Rechte, die dem Eigentümer, insbesondere dem Grundeigentümer, <strong>zu</strong>stehen, wenn ihn ein anderer im<br />

Gebrauch seines Eigentums, insbesondere seines Grundbesitzes, stört, und zwar ohne Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes. Sie erfahren<br />

auch, welche Grenzen insofern dem Eigentum gesetzt sind. Denn „das zivile Nachbarrecht gehört <strong>zu</strong> den sich am stärksten bewegenden<br />

Teilen des Sachenrechts“ (K. Schmidt).<br />

Kapitel 1. Basisvorschriften §§ 1004 und 906<br />

1. Schweinestall. S hat Schweineställe, deren Gestank beeinträchtigt Wohlbefinden und Vermögen des E. Hat E Rechte gegenüber S?<br />

2. Gesetzgeberisches Programm, Struktur des § 1004<br />

1. Anspruchsziele (= Rechtsfolgen)<br />

1. <strong>zu</strong>r Abwehr der Störungen<br />

1. Beseitigung (§ 1004 I 1)<br />

2. Unterlassung (§ 1004 I 2) oder<br />

2. auf finanziellen Ausgleich (§ 906 II 2)<br />

2. Ausschluss der Ansprüche durch Rechtfertigung<br />

1. Verweisungsvorschrift (§ 1004 II)<br />

(fast eine Leerformel).<br />

2. Wichtigste Regelung, auf die § 1004 II verweist, ist § 906<br />

Am besten bei § 1004 den § 906 notieren und umgekehrt.<br />

3. Struktur des § 906<br />

1. § 906 erlaubt Immissionen in 2 Fällen.<br />

In diesem Umfang also kein Anspruch nach § 1004 I, nämlich<br />

1. unwesentliche Beeinträchtigung, Absatz 1; oder<br />

2. ortsübliche, aber nicht verhinderbare Beeinträchtigung, Abs. 2, S.1.<br />

Insofern ist § 906 keine Anspruchsnorm (abgesehen von Abs. 2 S. 2), sondern begründet nur Einwendung.<br />

2. § 906 verbietet gewisse Immissionen.<br />

In derartigen Fällen bleibt es also bei Anspruch nach § 1004 I, nämlich<br />

1. wesentliche, aber nicht ortsübliche Immissionen; Abs. 2; und<br />

2. Immissionen durch eine besondere Leitung; Absatz 3,<br />

z.B. Auspuffrohr an der Grenze.<br />

3. Grobimmissionen,nämlich größere körperliche Stoffe, wie Steinbrocken,<br />

werden durch § 906 nicht erfasst, sind also nicht gestattet<br />

(Menschen und Tiere zählen aber in ds. S. nicht <strong>zu</strong> den<br />

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Grundstücksrecht<br />

"größeren körperlichen Stoffen").<br />

3. § 906 gewährt aber einen Ausgleichsanspruch für<br />

wesentliche, ortsübliche, aber nicht verhinderbare Immissionen; Abs. 2, Satz 2.<br />

4. Wer sich gestört fühlt, muss <strong>zu</strong>r Durchset<strong>zu</strong>ng seines angeblichen Rechts<br />

3 hintereinander aufgebauten Hindernisse durchstoßen:<br />

1. Es muss sich um eine Beeinträchtigung i. S. § 1004 I handeln.<br />

2. Diese Beeinträchtigung muss festgelegte Werte überschreiten<br />

und den verständigen Durchschnittsnutzer stören (§ 906 I).<br />

Andernfalls ist die Beeinträchtigung nur unwesentlich i. S. § 906 I und muss hingenommen werden.<br />

3. Selbst wenn die Beeinträchtigung i. S. § 1004 I existiert und i. S. § 906 I wesentlich ist,<br />

kann dennoch ihre Unterlassung nicht verlangt werden,<br />

wenn sie ortsüblich ist und nicht in <strong>zu</strong>mutbarer Weise verhindert werden kann (§ 906 II 1).<br />

Aber in diesem Fall hat der Gestörte wenigstens einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich (§ 906 II 2).<br />

5. Die Obersätze könnten beispielsweise lauten: „Der Kläger kann von dem Beklagten nach § 1004 Abs. 1 Beseitigung und Unterlassung<br />

des Gestankes verlangen, wenn der Kläger Eigentümer des betroffenen Grundstücks ist, dieses durch den Gestank beeinträchtigt ist,<br />

der Beklagte hierfür als Störer haftet und wenn der Kläger <strong>zu</strong>r Duldung nicht verpflichtet ist. Wenn der Anspruch ausgeschlossen sein<br />

sollte, ist <strong>zu</strong> prüfen, ob dem Kläger ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 1 Satz 2 <strong>zu</strong>steht“.<br />

Kapitel 2. Weitere Anspruchsgrundlagen<br />

1. Neben § 1004 sind als Anspruchsgrundlagen <strong>zu</strong> erwägen:<br />

1. Vertrag, insbes. positive Vertragsverlet<strong>zu</strong>ng,<br />

2. Besitz-Entziehung oder -störung als possessorische Ansprüche, §§ 861 f.,<br />

3. § 985 wegen Besitzvorenthaltung,<br />

4. § 823 auf Schadenersatz.<br />

2. Nachbarrecht<br />

1. Gesetzliche Sonderfälle des allgemeinen Abwehranspruchs, vorbeugende Abwehransprüche wegen<br />

- künftiger störender Anlage, § 907<br />

- Einsturzgefahr, § 908<br />

- Vertiefung, dagegen auch Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, § 909.<br />

2. Sonstiges Nachbarrecht<br />

- Selbsthilferecht: Überhang, (Vorsicht: auch Wurzeln!), § 910.<br />

- Eigentumserwerb, praktisch mit Folge der Selbsthilfe: Früchte = „Überfall“, § 911 (s. dagegen §§ 953 ff.).<br />

- Differenzierend: „Überbau“, §§ 912 ff. (s. da<strong>zu</strong> § 946).<br />

3. § 1004 kraft gesetzlicher Verweisung auch <strong>zu</strong>m Schutz beschränkt dinglicher Rechte,<br />

z. B. gemäß § 1227 <strong>zu</strong>m Schutz des Pfandrechts; § 34 II WohnungseigentumsG.<br />

4. Man spricht auch von dem quasinegatorischen Schutz durch "dem § 1004 ähnliche Vorschriften", etwa für<br />

1. Besitz, § 862,<br />

2. Namen, § 12 BGB; Firma, § 37 II HGB; Unternehmensbezeichnung, § 16 UWG.<br />

5. Rechtsanalogie aus §§ 1004 I etc.: Da<strong>zu</strong> die Kommentare und Lehrbücher <strong>zu</strong> den entsprechenden Bestimmungen.<br />

Alle absoluten Rechte sind gegen gegenwärtige Beeinträchtigungen durch einen Beseitigungs-Anspruch<br />

und gegen drohende künftige Beeinträchtigungen durch einen Unterlassungs-Anspruch geschützt. Wiederholen Sie: Analogie.<br />

Kapitel 3. Tatbestand des § 1004 Absatz 1<br />

1. Pianistin. Hilda hat eine Wohnung im Mehrfamilienhaus des Grundstückseigentümers Erbs gemietet. Sie läßt sich Piano-Unterricht<br />

verabreichen. Da<strong>zu</strong> übt Hilda jeden Abend zwischen 22 und 23 Uhr, und zwar trotz der wiederholten Beschwerden des Vermieters<br />

Erbs und des Mieters Malus einer anderen Wohnung im Haus. Ansprüche auf Unterlassen?<br />

2. Einzelne Tatbestandsmerkmale des § 1004 I,<br />

ergibt sich aus Gesetzestext (s. die unterstrichenen Wörter); also nicht auswendig lernen:<br />

1. Kläger ist Eigentümer der beeinträchtigten Sache<br />

2. Eigentum an beweglicher Sache oder, häufiger, Grundstück<br />

3. Beeinträchtigung, und zwar<br />

1. gegenwärtige (dann Beseitigungsanspruch) oder<br />

22. August 2011<br />

83


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. drohende (dann Unterlassungsanspruch),<br />

1. entweder Wiederholungsgefahr oder<br />

2. erstmals drohende Beeinträchtigung<br />

(= vorbeugender Unterlassungsanspruch).<br />

4. Beklagter als Störer<br />

5. Eigentümer <strong>zu</strong>r Duldung nicht verpflichtet, § 1004 II,<br />

= Rechtswidrigkeit des Eingriffs.<br />

6. Aber keine Vorausset<strong>zu</strong>ng ist Verschulden oder Deliktsfähigkeit des Störers, wichtiger Unterschied <strong>zu</strong> § 823.<br />

3. „Beeinträchtigung“<br />

1. „Beeinträchtigung“, d. h. verbotene Störung entsprechend § 1004 I beispielsweise<br />

1. größere körperliche Stoffe (grobkörperliche Immissionen) wie Steinbrocken;<br />

Errichtung einer „Klagemauer“ auf dem Kölner Domplatz.<br />

2. Entsprechend der Aufzählung in § 906 I: „Gase, Dämpfe, Gerüche, Geräusch,<br />

Erschütterungen“ und Ähnliches, besonders wichtig jetzt Bodenkontamination.<br />

3. Betreten eines Grundstücks; Eindringen größerer Tiere;<br />

Behinderung der Grundstücks<strong>zu</strong>fahrt durch verbotenes Parken.<br />

4. Spezielle Störungen unter Nachbarn wie Vertiefung, Baumwurzeln, Blätterbefall,<br />

Überbau, §§ 907 – 912 (im einzelnen zweifelhaft).<br />

2. Keine Beeinträchtigungen i. S. § 1004,<br />

also kein Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch,<br />

§ 906 kommt deswegen gar nicht mehr ins Spiel:<br />

1. Beeinträchtigungen, die nur von Naturkräften ausgehen,<br />

z. B. Blätter von Nachbarbäumen; Unkrautsamenflug; Mehltau; Ungeziefer;<br />

natürliche Schäden durch Regenwasser;<br />

aber fast alle Beispiele umstritten: ob überhaupt Beeinträchtigung; auch je nach Schwere des Einzelfalls;<br />

ob ortsüblich;<br />

ob einem anderen etwa ein schädigendes Unterlassen oder Zustandshaftung <strong>zu</strong>gerechnet werden kann.<br />

Jedenfalls bei Naturkatastrophen meistens kein persönlicher Störer.<br />

Begründung: Nur solche Beeinträchtigungen fallen unter § 1004 I,<br />

die auf menschliches Verhalten <strong>zu</strong>rückgehen,<br />

da nur diese einem „Störer“ <strong>zu</strong>gerechnet werden können.<br />

2. Nicht: ,,negative Einwirkungen“. ,,Diese bestehen darin,<br />

dass jemand durch ein Verhalten in den Grenzen seines Grundstücks<br />

einem anderen Grundstück Vorteile entzieht“;<br />

z. B. die Entziehung von Licht, Luft und Grundwasser, die Beeinträchtigung von Aussicht,<br />

die Störung des Fernsehempfangs durch Hochhäuser.<br />

Begründung: Gemäß § 903 kann ,,der Eigentümer<br />

(auch des Nachbargrundstücks) ...<br />

mit der Sache nach Belieben verfahren“, s. auch § 905.<br />

3. Aus demselben Grund und da den Immissionen in § 906 nicht „ähnlich“,<br />

unterfallen dem § 1004 I nicht ,,ideelle (= ästhetische) Einwirkungen“,<br />

insbesondere der Anblick störender Vorgänge oder Zustände,<br />

auch nicht wenn wertmindernd;<br />

z. B. Lagerplatz für Baumaterial, Schrottfahrzeuge neben Schlosshotel,<br />

Bordell (wenn Betrieb nach außen nicht wahrnehmbar).<br />

Auf Sachverhalt achten: Verunreinigungen des eigenen Grundstücks und Zugangsbehinderung<br />

durch <strong>Dr</strong>ogenzentrum sind keine bloß ästhetischen Störungen.<br />

So die Rsprg., die Lehre im einzelnen kritisch.<br />

4. Beklagter als „Störer“<br />

1. Beklagter als Handlungsstörer (wie im öffentlichen Recht)<br />

derjenige, ,,der die Beeinträchtigung durch sein Handeln,<br />

das in positivem Tun oder pflichtwidrigem Unterlassen bestehen kann, adäquat verursacht hat“;<br />

z.B. eigenes Musizieren <strong>zu</strong>r Nachtzeit.<br />

Betreiber einer stinkenden Schweinemästerei, chemischen Fabrik, Kläranlage.<br />

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Grundstücksrecht<br />

Wenn eine tiefe ungesicherte Baugrube dem Nachbarbau die erforderliche Stütze nimmt, sind Störer:<br />

Bauherr, Architekt, Bauunternehmer.<br />

Wenn Arbeitnehmer tätig werden, haften diese in der Regel;<br />

ausgenommen, wenn sie gar keinen eigenen Entschließungsspielraum haben (str.).<br />

2. Sehr wichtig ist auch die Haftung des nur ,,mittelbaren Störer“ oder Veranlassers;<br />

z.B. Besteller lärmender Bauarbeiten; Sportverein wegen des Lärms von seinen Tennisplätzen und auf der Straße; Vermieter<br />

(wichtig) wegen Lärms des Mieters (<strong>zu</strong>mindest wenn Vermieter den Lärm des Mieters hindern kann); Verpächter eines Tanzcafés;<br />

mit Lärm verbundene Waren-Annahme <strong>zu</strong>r Nachtzeit; Eigentümer eines kläffenden Hundes; Unternehmer einer Omnibuslinie,<br />

deren Fahrgäste fremdes Grundstück verschmutzen; Betreiber eines <strong>Dr</strong>ogenhilfezentrums.<br />

Haftung des Auftraggebers kommt in Betracht, wenn er gerade die störende Tätigkeit bestellt hat.<br />

(MüKo-Medicus unterscheidet stattdessen Tätigkeits- und Untätigkeitsstörer).<br />

3. Haftung des Zustandsstörers<br />

"wer willentlich den beeinträchtigenden Zustand aufrechterhält“ (Schreiber),<br />

z.B. Altersmängel oder Brandgefahr eines Bauwerks.<br />

Eigentum einer störenden Anlage allein macht aber noch nicht <strong>zu</strong>m „Störer“.<br />

Bei Veräußerung einer störenden Anlage endet im allgemeinen<br />

die Zustandshaftung des bisherigen Eigentümers,<br />

und der neue Eigentümer tritt in die Verantwortlichkeit des bisherigen Eigentümers ein.<br />

4. Mehrere Störer können nebeneinander verantwortlich sein.<br />

5 Der Kläger kann <strong>zu</strong>lässigerweise<br />

1. einen Hauptantrag auf Beseitigung oder Unterlassen und<br />

2. einen Hilfsantrag auf Ausgleich in Geld stellen.<br />

6. Aber auf Grund § 1004 I darf niemand <strong>zu</strong> einer unmöglichen Leistung verurteilt werden;<br />

z. B. <strong>zu</strong>r Beseitigung von Menschenansammlungen vor und neben <strong>Dr</strong>ogenhilfezentrum.<br />

Kapitel 4. § 1004 Absatz 2: Verweisungsnorm für Duldungspflicht des Eigentümers<br />

Dabei geht es meistens um die Konflikte zwischen zwei Grundstückseigentümern, die beide gemäß § 903 mit ihrer Sache nach ihrem Belieben<br />

verfahren und den anderen von jeder Einwirkung ausschließen wollen. Diese können zwei „gewöhnliche Privatleute“ sein. Aber heute<br />

(und schon bei der Schaffung des BGB) u. a. Konflikte zwischen Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, geistiger Produktion, Sozialeinrichtungen,<br />

Privatsphäre. Nachbarrecht regelt Inhalt und Ausmaß der Einschränkung des Grundeigentums im Verhältnis zwischen den Eigentümern<br />

benachbarter Grundstücke, insbesondere Umfang des Immissionsschutzes.<br />

1. Steinbruch I. Flohrs Grundstück grenzt an Gills Steinbruch. Bei starkem Westwind wirkt etwas Staub auf Flohrs Wohlbefinden. Kann<br />

Flohr von Gill Unterlassung der Steinbrucharbeiten verlangen? (vgl. Gerhardt, Fall 12)<br />

2. Duldungspflicht des Eigentümers, negatives TBM,<br />

bedeutet Rechtfertigungsgrund = rechtshindernde Einwendung für den "Störer"<br />

gegenüber Anspruch des Eigentümers aus § 1004 I oder 823 I; ähnlich wie § 986 im Verhältnis <strong>zu</strong> § 985.<br />

Selbstverständlich kommt es hierauf nur an, wenn <strong>zu</strong>nächst § 1004 Absatz 1 bejaht wurde.<br />

3. Der Obersatz könnte beispielsweise lauten: „Der Beseitigungsanspruch des Klägers K ist jedoch gemäß § 1004 II ausgeschlossen,<br />

wenn der Kläger <strong>zu</strong>r Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Eine derartige Duldungspflicht kann sich insbesondere aus einem<br />

Rechtsgeschäft, aus § 906 wie aus anderen Normen ergeben“.<br />

4. Duldungspflichten auf Grund Rechtsgeschäfts,<br />

Vorrang vor gesetzlicher Regelung, z. B.<br />

1. auf Grund dinglicher Rechtsgeschäfte, insbes. Dienstbarkeiten, §§ 1018, 1090;<br />

z. B. Erdgasleitung eines fremden Unternehmens unter eigenem Grundstück,<br />

wirken gegenüber jedem Rechtsnachfolger des jetzt gestattenden Eigentümers,<br />

wenn (meistens in Grundbuch ein<strong>zu</strong>tragende) Dienstbarkeit;<br />

2. oder auf Grund schuldrechtlicher Gestattung auf Grund Miete, Pacht, Leihe,<br />

z. B. Erlaubnis, Strommast einer fremden Gesellschaft auf eigenem Grundstück <strong>zu</strong> errichten;<br />

wirkt als relatives subjektives Recht im allgemeinen nur inter partes,<br />

also nicht gegenüber neuem Grundstückseigentümer;<br />

aber Erbe ist gebunden, da er mit dem Vermögen des Erblassers<br />

auch Schulden des Erblassers übernimmt, § 1967.<br />

5. Duldungspflichten auf Grund Gesetzes, aber teilweise mit Ausgleichspflicht<br />

1. Die wichtigsten Bestimmungen: § 906 I und II 1.<br />

22. August 2011<br />

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<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. H.-P. <strong>Benöhr</strong><br />

2. Nachbarrecht des BGB: entschuldigter Überbau (§ 912 1), Notweg (§ 917 1).<br />

3. Fraglich, ob darüber hinausgehend Duldungs- und Rücksichtnahmepflicht auf Grund<br />

nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses besteht. Jedenfalls Grundsatz von Treu und Glauben.<br />

4. Immissionen gemäß § 14 BundesimmissionsschutzG. Ausschluss von privatrechtlichen Abwehransprüchen.<br />

1. ... kann nicht die Einstellung der Anlage verlangt werden, deren Genehmigung unanfechtbar ist.<br />

2. Es können aber Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen.<br />

3. Wenn solche Vorkehrungen nicht durchführbar oder wirtschaftlich nicht vertretbar sind, Anspruch auf Schadenersatz.<br />

Auch weitere Fälle von Planfeststellungsverfahren mit Einspruchsmöglichkeit Betroffener.<br />

Aber im allgemeinen nicht einfache behördliche Erlaubnisse, z. B. Baugenehmigung.<br />

6. Analogie - Ausweitung des § 906 II 1: Kein Verbietungsrecht<br />

- wenn die störende Anlage im Allgemeininteresse liegt,<br />

lebenswichtige Betriebe, Daseinsvorsorge; wie Bau- und Verkehrslärm auf der Bundesstraße,<br />

Hochspannungsleitungen, unterirdische Gasspeicherung, <strong>Dr</strong>ogenhilfezentrum, oder<br />

- hoheitliche Tätigkeit oder<br />

- Naturschutz (deswegen nur beschränkte Mittel gegen Froschkonzerte).<br />

Aber Rechtsfolge sehr oft: Fortführung der Analogie <strong>zu</strong> § 906 II, nämlich Ausgleichsanspruch entsprechend Satz 2.<br />

7. Notwehr, Notstand etc., §§ 227, 228, 904, 229.<br />

6. Mitverschulden des E reduziert seinen Anspruch, § 254 analog.<br />

7. Keine Duldungspflicht auf Grund Priorität, weil etwa störender Betrieb schon existierte,<br />

als der Eigentümer das beeinträchtigte Grundstück erworben hat.<br />

Kapitel 5. Duldungspflicht nach § 906 Absatz 1<br />

Das weitaus wichtigste Gegenrecht entsprechend § 1004 Absatz 2, das <strong>zu</strong>m Ausschluss der Rechte nach § 1004 Absatz 1 führt, begründet §<br />

906. Dessen Tatbestände sind im folgenden <strong>zu</strong> studieren.<br />

1. „Erlaubt“ ist fehlende oder unwesentliche Beeinträchtigung, § 906 Absatz 1<br />

1. Zwischenergebnis und Klausuransatz: „Obwohl, wie festgestellt, das Eigentum des E durch die Störung des S beeinträchtigt<br />

wird, ist ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen S nicht gegeben, wenn es sich um unwesentliche Einwirkungen i.<br />

S. § 906 I handelt...“<br />

2. § 906 I erlaubt unwägbare Stoffe, daher ,,Imponderabilien“,<br />

wenn sie nur unwesentliche Einwirkungen darstellen.<br />

- Praktisch von entscheidender Bedeutung: „Grenz- oder Richtwerte“,<br />

§ 906 I 2 und 3.<br />

Nicht hoheitlich festgelegte Werte haben Indiziencharakter.<br />

Einen gewissen Indiziencharakter dürften auch Bebauungspläne haben.<br />

- Beurteilung durch verständigen Durchschnittsnutzer,<br />

so dass trotz Überschreiten oder Unterschreiten der festgelegten Werte oder bei Fehlen einer Festlegung<br />

„wesentliche“ Beeinträchtigung verneint oder bejaht werden kann.<br />

- In dem von der Immission betroffenen Gebiet.<br />

Damit nimmt das TBM der „wesentlichen“ Beeinträchtigung auch Kriterien der Ortsüblichkeit in sich auf.<br />

Beispiel Lärm je nach Ort, Dauer und Zeitpunkt: Kinderlärm nach allgemeinem Toleranz-Gebot;<br />

Tierlärm vor allem je nach betroffenem Gebiet, eher <strong>zu</strong> dulden;<br />

bei Kirchenglocken ist aber <strong>zu</strong>rückgehender Kirchenbesuch <strong>zu</strong> berücksichtigen;<br />

Diskomusik ist häufig „wesentlich“ wegen elektrischer Verstärkung, Wiederholungen, rhythmischer Impulse.<br />

3. Rechtsfolgen gemäß §§ 1004, 906 I<br />

1. Wenn der Tatbestand des § 906 I vorliegt,<br />

dann wegen § 1004 II: kein Anspruch aus § 1004 I.<br />

Dann endet hier die Prüfung des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs.<br />

Auf § 906 II oder § 14 BImSchG ist nicht mehr ein<strong>zu</strong>gehen, kein Ausgleichsanspruch nach § 906 II 2.<br />

2. Wenn aber § 906 I nicht gegeben ist,<br />

1. besteht Anspruch aus § 1004 I, aber nur<br />

2. wenn sich nicht aus anderen Vorschriften<br />

die Duldungspflicht des Eigentümers ergibt.<br />

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Grundstücksrecht<br />

Es sind also insbesondere § 906 II 1 und § 14 BImSchG <strong>zu</strong> prüfen.<br />

Kapitel 6. Duldungspflicht nach § 906 Absatz 2 Satz 1<br />

1. Chemie I. In einem Industriegebiet scheidet ein Chemiewerk im Rahmen ortsüblicher Benut<strong>zu</strong>ng und trotz aufwendiger Filteranlagen<br />

immer noch in geringen Mengen Schadstoffe aus. Die an das Industriegebiet angrenzenden Landwirte können deshalb auf ihren Feldern<br />

nicht, wie in dieser Gegend allgemein üblich, hochwertiges Getreide anbauen, weil sie wegen der Angst vor Vergiftungserscheinungen<br />

dafür keine Abnehmer finden. Sie begnügen sich deshalb mit minderwertigen Futtermitteln. Müssen sie das hinnehmen?<br />

2. „Erlaubt“ ist auch ortsübliche, aber nicht verhinderbare Beeinträchtigung, § 906 II 1,<br />

gerade, wenn sie wesentlich ist.<br />

3. Zwischenergebnis und weiterer Klausuransatz: „Zwar war fest<strong>zu</strong>stellen, dass das Eigentum des E durch die Störung des S beeinträchtigt<br />

wird und dass es sich dabei nicht um unwesentliche Einwirkungen i. S. § 906 I handelt. Trotzdem kann E nicht die Beseitigung<br />

und Unterlassung der Störung verlangen, wenn diese durch ortsübliche Benut<strong>zu</strong>ng des Grundstücks des S herbeigeführt wird und<br />

nicht durch effiziente und wirtschaftlich <strong>zu</strong>mutbare Maßnahmen verhindert werden kann.“<br />

4. § 906 II 1 erlaubt gewisse Einwirkungen,<br />

wenn die folgenden TBM’e vorliegen (= Prüfungsfolge = Gutachtenaufbau):<br />

1. Beeinträchtigung<br />

(denn wenn keine Beeinträchtigung, dann schon kein Anspruch aus § 1004 I),<br />

„Beeinträchtigung ist jede Störung des gesundheitlichen Wohlbefindens<br />

der auf dem betroffenen Grundstück lebenden Personen bzw. jede Schädigung der dort befindlichen Sachen“,<br />

2. die nicht unwesentlich sind<br />

(denn wenn un-wesentlich, dann schon Duldungspflicht aus § 906 I),<br />

3. die weder Grobimmission darstellen<br />

(sind ohnehin von § 906 nicht erfasst, sondern bleiben verboten),<br />

4. noch durch besondere Leitung <strong>zu</strong>geführt<br />

(ist durch § 906 III ausdrücklich für „un<strong>zu</strong>lässig“ erklärt).<br />

5. Ortsüblich für immittierendes Grundstück<br />

(nicht-ortsübliche Einwirkungen von § 906 nicht erfasst, sondern verboten, also § 1004 I).<br />

Ortsüblichkeit ist gegeben, wenn die Immission sich nach Intensität und Wirkungsdauer im Rahmen der von den anderen<br />

Grundstücken eines räumlichen Vergleichsbezirks ausgehenden Einwirkungen halten.<br />

- Es kommt auf den ,,Bezirk“, den ,,räumlichen Bereich“ an,<br />

in dem sich das störende Grundstück befindet (nicht das betroffene, gestörte Grundstück).<br />

- Welches ,,Gepräge“? Industrie-, Gewerbe-, Wohngebiet?<br />

- Anhaltspunkt ist öffentl.-rechtl. Bauplanung.<br />

- Wenn die gleiche Art der Benut<strong>zu</strong>ng wie auf dem ,,störenden“ Grundstück<br />

auch tatsächlich häufiger vorkommt.<br />

6. Außerdem kommt es darauf an, ob die Beeinträchtigung<br />

,,nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann“,<br />

1. die technisch durchführbar und effizient sind und die außerdem<br />

2. ,,den Benutzern dieser Art wirtschaftlich <strong>zu</strong>mutbar sind“, § 906 II 1<br />

(wenn <strong>zu</strong> verhindern in wirtschaftlich <strong>zu</strong>mutbarer Weise, dann sind Einwirkungen un<strong>zu</strong>lässig, also § 1004 I).<br />

7. Nicht <strong>zu</strong> prüfen: Verschulden.<br />

5. Rechtsfolgen gemäß §§ 1004, 906 II 1<br />

1. Soweit § 906 II 1 dem Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks<br />

eine Duldungspflicht auferlegt, schließen §§ 906 II 1, 1004 II<br />

den negatorischen Anspruch des Eigentümers gemäß § 1004 I aus.<br />

2. Der große Unterschied des § 906 II 1 einerseits<br />

<strong>zu</strong> §§ 1004 I und 906 I andererseits besteht darin,<br />

dass nur § 906 II <strong>zu</strong> einem Ausgleichsanspruch führt.<br />

3. Soweit die Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 906 II 1 nicht gegeben sind, insbesondere<br />

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- wenn Störung nicht ortsüblich ist oder<br />

- wenn sie in <strong>zu</strong>mutbarer Weise <strong>zu</strong> verhindern ist,<br />

ist Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des § 1004 I begründet,<br />

soweit sich nicht aus anderen Normen eine Duldungspflicht ergibt.<br />

Kapitel 7. Ausgleichsanspruch, § 906 II 2<br />

§ 906 hat, wie gesagt, drei verschiedene Funktionen: Rechtfertigung (Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1), Ausschluss der Rechtfertigung (Absatz<br />

3) und Anspruchsbegründung (Absatz 2 Satz 2). Die Anspruchsbegründung nach Absatz 2 Satz 2 erfolgt aber allein <strong>zu</strong>m Ausgleich der „Beeinträchtigungserlaubnis“<br />

in dem vorhergehenden Satz 1 des Absatz 2 (nicht etwa im Zusammenhang mit Absatz 1). Auf diese Mechanik<br />

kommt es in diesem Kapitel an.<br />

1. Chemie II. Die an das Industriegebiet angrenzenden Landwirte können wegen der Schadstoffe des Chemiewerks kein hochwertiges<br />

Getreide anbauen. Sie haben aber gemäß §§ 1004 II, 906 II 1 keinen Unterlassungsanspruch gegen das Chemiewerk.<br />

Können sie für ihre Ertragseinbußen vom Verursacher, dem Chemiewerk, Ausgleich in Geld verlangen? Ja, gemäß § 906 II 2.<br />

2. Zum Ausgleich für die Duldungspflicht des Eigentümers gemäß § 906 II 1<br />

gewährt das Gesetz einen besonderen Ausgleichsanspruch, § 906 II 2.<br />

3. Der Ausgleichsanspruch wird nur dann wegen Grundstücksbeeinträchtigung gegeben, wenn<br />

die Vorausset<strong>zu</strong>ngen des § 906 II 1 gegeben sind. Also für § 906 II 2 einfach unter § 906 II Satz 1 subsumieren.<br />

4. „Entsprechende Anwendung von § 906 II 2“<br />

1. Wenn Kläger aus rechtlichen Gründen an Unterlassungsanspruch gehindert ist.<br />

Hauptfall: „Bürgerlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch“ als Ausgleich für Duldungspflicht entgegen § 906 II 1,<br />

- wenn die störende Anlage im Allgemeininteresse liegt oder<br />

- auf hoheitlicher Tätigkeit beruht.<br />

2. Ebenso, wenn Kläger aus tatsächlichen Gründen gehindert ist,<br />

die Einwirkungen rechtzeitig ab<strong>zu</strong>wehren, also bei „faktischem Duldungszwang“.<br />

Beispiel: Gebäudeschäden durch Ausschachtungsarbeiten oder durch Brand auf Nachbargrundstück.<br />

Wichtig, weil kein Verschulden des Störers vorausgesetzt wird.<br />

5. Höhe des Ersatzes zwischen Rsprg. und Lehre str.:<br />

1. Rsprg. in Anlehnung Wortlaut § 906 II 2: "angemessenen" Ausgleich<br />

für un<strong>zu</strong>mutbaren Teil der Beeinträchtigung,<br />

„nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung“,<br />

„kann je nach Art und Weise der Einwirkung auf vollen Schadenersatz gehen“,<br />

insbesondere bei Substanzschaden.<br />

Lehre: voller Ausgleich wegen "privater" Interessen beider Teile.<br />

2. Anspruch auch wegen Beseitigungskosten, verbleibender Minderwert, Ertragseinbußen.<br />

6. Ansprüche auch des Nichteigentümers, nämlich Mieters=Besitzers gegen Störer.<br />

7. Klärschlamm. Unerwünschte Klärschlammdüngung einer benachbarten ökologischen Anbaufläche, Schadenersatzanspruch des Nachbar-Bauern,<br />

§ 906 II 2 analog (Hamm, NJW 1996, S.1354).<br />

Kapitel 8. Rechtsprechung und Lehre<br />

1. Rechtsprechung<br />

Kupolofen (BGHZ 92, 143; Gerhardt, Fall 13); “Wurzelrechtsprechung“ (BGHZ 97, 231; 106, 142; 135, 235; BGH JZ 1992, 310;<br />

NJW 1995, 395); Milchpulver (BGHZ 110, 313; da<strong>zu</strong> Gursky, JZ 1990, 921); „Jugendzeltplatz“ (BHZ 121, 248 = JuS 1993, 775);<br />

Steinschlag (BGH Urt. v. 19. 1. 1996, NJW-RR 1996, 659); Bodenkontamination (BGH Urt. v. 1. 12.1995; NJW 1996, 845; da<strong>zu</strong> abl.<br />

Gursky, JZ 1996, 683, und Lobingen, JuS 1997, 981); Grundstücksvertiefungsschaden (BGH NJW-RR 1997, 1374); Schweinemästerei<br />

(BGH Urt. v. 30. 10. 1998; NJW 1999, 356 = JuS 1999, 610); Sprengungen (BGH Urt. v. 20. 11. 1998; NJW 1999, 1029 = JuS<br />

1999, 709); Brand des Nachbarhauses (BGH Urt. v. 11. 6. 1999; NJW 1999, 2896 = JuS 2000, 190); Anspruch des Besitzers=Mieters<br />

wegen Beeinträchtigung gegen Nachbarn, „Produktionshalle“ (BGH Urt. v. 23. 2. 2001; NJW 2001, 1865 = JuS 2001, 816); „Mehltau“<br />

(BGH Urt. v. 16. 2. 2001; NJW-RR 2001, 1208 = WM 2001, 1299; abl. Roth, JuS 2001, 1161); Duldungspflicht von Industrielärm<br />

(BGH Urt. v. 6. 7. 2001; NJW 2001, 3119 = JuS 2001, 1227); Duldungspflicht spielbedingten Kinderlärms (Düsseldorf, NJW-<br />

RR 1996, 211); „Fäkalienregen von der Eisenbahnbrücke“ (Schleswig, NJW-RR 1996, 399); Beschädigung Rhododendron des Mieters<br />

(Düsseldorf NJW-RR 1999, 160); Backstube neben Hotel (Karlsruhe, NJW 2001, 1236); Bauarbeiten (LG Hamburg, NJW-RR<br />

1999, 378); Videoüberwachung sei keine Grundstücksbeeinträchtigung (LG Itzehoe, NJW-RR 1999, 1394); <strong>Dr</strong>ogenhilfezentrum<br />

(BGH Urt. v. 7. 4. 2000; BGHZ 144, 200 = NJW 2000, 2901 = JuS 2000, 1120).<br />

2. Literatur<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

H. Kollhosser, Grundfälle <strong>zu</strong> Besitz und Besitzschutz, 3. Teil. Der Besitzschutz, in: JuS 1992,<br />

K. Schreiber, Possessorischer und petitorischer Besitzschutz, in: Jura 1993, 440 ff.<br />

3. Schulfall: „Die unverdaulichen Golfbälle“ (Hammhorst, JuS 1996, 225);<br />

Trendfall: Blätter vom Nachbarbaum (Gerhardt, Fall 14 a).<br />

4. Gestörte Computermonitore durch Bundesbahn. K verlangt von B, der Deutschen Bundesbahn, 50 000,- DM. K ist Eigentümer eines<br />

Gebäudes auf einem Grundstück, in dem er einen Betrieb für Grafik und Text betreibt. Unmittelbar neben dem Grundstück verläuft<br />

eine Bahnlinie. Diese wurde 1996 elektrifiziert. Der Elektrifizierung ist ein Planfeststellungsverfahren vorausgegangen. Der Planfeststellungsbescheid<br />

ist rechtskräftig und sagt nichts über die Nachteile der Anlieger aus sogenanntem Elektrosmog. Infolge der Elektrifizierung<br />

kann der Kläger die Bildschirme seiner Computer nicht mehr für seinen Betrieb benutzen. Eine Abhilfe ist nur möglich,<br />

wenn er neue Flachbildschirme anschafft. Für die Anschaffung macht er den Zahlungsanspruch geltend (Stuttgart, NW-RR 2001,<br />

1313).<br />

9. TEIL. WEITERE BEMERKUNGEN<br />

Kapitel 1. Begriffe<br />

1. Der Ausdruck Sachenrecht hat zwei verschiedene Bedeutungen<br />

1. die Gesamtheit der Regelungen, die Sachen betreffen,<br />

in dieser Bedeutung „das Sachenrecht als das 3. Buch des BGB“,<br />

das ist das Sachenrecht im objektiven Sinne,<br />

2. das einzelne Recht einer Person, das eine bestimmte Sache betrifft,<br />

z. B. das Eigentum des Herrn Altmann an seinem Auto,<br />

das Sachenrecht als subjektives Recht;<br />

wiederholen Sie die Bedeutung von objektivem und subjektivem Recht;<br />

auch bezeichnet als dingliches Recht, gleichbedeutend: dingliches Recht.<br />

2. Das dingliche Recht ordnet dem Berechtigten<br />

eine unmittelbare rechtliche Herrschaft über eine Sache <strong>zu</strong>.<br />

3. Eigentum: Lesen Sie § 903, das dingliche Vollrecht an einer Sache.<br />

4. Beschränkt dingliche Rechte sind alle dinglichen Rechte,<br />

z. B. Hypotheken und Grundschulden,<br />

außer dem Eigentum als dem dinglichen Vollrecht.<br />

5. Subjektives Recht<br />

kurz: Berechtigung.<br />

Genauer: die vom objektiven Recht einem Rechtssubjekt<br />

in dessen Interesse verliehene Herrschaftsmacht.<br />

6. Anwartschaftsrecht – eine einhellig anerkannte Definition fehlt. Ein Anwartschaftsrecht<br />

wird angenommen, wenn von einem mehraktigen Entstehungs- oder Übertragungstatbestand<br />

eines Rechts so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Veräußerer die Rechtsposition<br />

des Erwerbers nicht mehr durch einseitige Erklärung zerstören kann;<br />

... wenn der Erwerb des Vollrechts nur noch vom Erwerber abhängt.<br />

7. Als dingliche Rechtsgeschäfte werden die Rechtsgeschäfte des Sachenrechts bezeichnet.<br />

8. Die Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, das unmittelbar die Übertragung,<br />

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Belastung oder Aufhebung eines Rechts bewirkt<br />

und das damit unmittelbar auf eine Rechtsänderung gerichtet ist.<br />

Also sind die meisten dinglichen Rechtsgeschäfte Verfügungen<br />

(im Unterschied <strong>zu</strong> Verpflichtungen). Wichtig z. B. für §§ 185, 816 und 883.<br />

Kapitel 2. Sachenrechtsprinzipien<br />

1. Spezialitätsprinzip<br />

2. Publizitätsprinzip, Öffentlichkeitsgrundsatz<br />

3. Typenzwang, Typenfixierung, numerus clausus der Sachenrechte,<br />

Die Arten und der Inhalt der im (objektiven) Sachenrecht möglichen Berechtigungen<br />

sind gesetzlich festgelegt; die Parteien können keine weiteren (subjektiven) Sachenrechte neu schaffen;<br />

die Gestaltungsfreiheit als Teil der Privatautonomie ist insofern beschränkt.<br />

Damit ist die Zahl der Sachenrechte erschöpfend festgelegt.<br />

4. Absolutheit der dinglichen Rechte.<br />

Das absolute Recht ist ein Herrschaftsrecht,<br />

das gegenüber jedermann wirkt (Gegensatz: relatives Recht wirkt nur zwischen bestimmten Personen).<br />

5. Trennungsprinzip<br />

6. Abstraktionsprinzip<br />

7. das Problem der Akzessorietät<br />

8. Sukzessionsschutz („Elefanten-Prinzip“ ©)<br />

9. Rangprinzip<br />

10. gutgläubiger Erwerb<br />

11. Unterordnung unter das Verfassungsrecht.<br />

Kapitel 3. Schwerpunkte<br />

1. Klausuren<br />

1. Kaufvertrag<br />

1. Formerfordernis und Heilung des Formmangels<br />

2. Kauf bricht nicht Miete<br />

2. Eigentumsübertragung<br />

1. Zustimmung des Ehegatten, § 1365<br />

2. Verhinderung der Weiterübertragung, Vorbehalt der Rückübertragung<br />

3. Vormerkung<br />

1. Wirkung einer Vormerkung auf späteren Mietvertrag<br />

2. Gutgläubiger Ersterwerb vom Nichteigentümer<br />

3. Gutgläubiger Zweiterwerb vom Nichtvormerkungsberechtigten<br />

4. Hypothek<br />

1. Gutgläubiger Zweiterwerb vom Nichtgläubiger, insbes. Briefhypothek<br />

2. Rückgriff bei mehreren Sicherungsgebern<br />

3. Fehler bei der Rang-Eintragung<br />

4. Verwertung fremden Zubehörs<br />

5. Sicherungsgrundschuld<br />

1. Mängel der gesicherten Forderung<br />

2. getrennte Übertragung von Grundschuld und Forderung<br />

Immo_R_Stud_Skript_01_WS04(04Jul30).doc<br />

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Grundstücksrecht<br />

2. Rechtsprechung<br />

1. Wirksamkeit der Vollmacht<br />

2. Übertragung der Stellung des Grundstückserwerbers<br />

3. Hypothek: wesentliche Bestandteile, Zubehör<br />

4. Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche, §§ 1004, 906<br />

3. Weiterer Schwerpunkt: Verkauf eines belasteten Grundstücks<br />

etc.<br />

Kapitel 4. Literatur<br />

Zum Einstieg: W. Gerhardt, Immobiliarsachenrecht, 5. Aufl., 2001<br />

anspruchsvoller: M. Wolf, Sachenrecht, 19. Aufl., 2003<br />

ausgefallen: K. Schellhammer, Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen, 2001<br />

Standardwerk: Baur/Stürner, Sachenrecht, 17. Aufl., 1999<br />

Klassiker: Martin Wolff, Ludwig Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl., 1957.<br />

Allgemeines „Handwerkszeug“: G. Köbler, Juristisches Wörterbuch, 12. Aufl., 2003.<br />

Unerlässlich für Klausurvorbereitung: R. Schimmel, Juristische Klausuren und Hausarbeiten<br />

richtig formulieren, 5. Aufl., 2004.<br />

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