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RE KW 28

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Mit der Entdeckung Amerikas 1492 durch Christoph Kolumbus<br />

und jener des Seewegs nach Indien 1497/1498 durch die Portugiesen<br />

unter Vasco da Gama begann ein neues Zeitalter in Europa. Völlig<br />

neue Möglichkeiten in den Bereichen Handel und Wirtschaft,<br />

Sklaverei und letztlich auch Kolonisation sollten Folgen sein.<br />

Von Johannes Pirchner<br />

1503 ging der Vilser Kaufmann<br />

Balthasar Springer im Auftrag der<br />

mächtigen Augsburger Handelsfamilie<br />

Welser unter der Führung des<br />

portugiesischen Vizekönigs Francisco<br />

de Almeida auf Indienreise. Er<br />

verfasste über diese Reise ein Tagebuch,<br />

den ersten deutschsprachigen<br />

Bericht über Afrika und Indien. Im<br />

Stadtmuseum von Vils kann man<br />

den Spuren Balthasar Springers folgen.<br />

DIE HERKUNFT. Über Balthasar<br />

Springers Leben vor und nach seinem<br />

Reisebericht über Indien weiß<br />

man überraschenderweise kaum etwas.<br />

Eindeutig erwiesen ist jedoch,<br />

dass er aus dem heutigen Außerfern<br />

stammt. In seinem Reisebericht betitelt<br />

er seine kleine Heimatstadt Vils<br />

am Rande Tirols als „Fylß“. Weitere<br />

Quellen lassen nur Vermutungen<br />

über sein Leben zu. Er dürfte sich<br />

umfangreiches kaufmännisches<br />

Wissen angeeignet haben und über<br />

eine recht gute Bildung verfügt haben.<br />

Diese hatte er vermutlich bei<br />

den Benediktinern in Füssen erworben.<br />

Außerdem dürfte Springer<br />

gute Kontakte nach Ausburg besessen<br />

haben, wo auch die späteren<br />

Auftraggeber für seine Reise ihren<br />

Sitz hatten. Anerkannte männliche<br />

Nachkommen Springers sind nicht<br />

bekannt. Dies lässt sich daraus ableiten,<br />

dass die Familie Springer in Vils<br />

ein Patronsrecht hatte. Dieses Recht<br />

wurde von einem Martin Springer,<br />

der höchstwahrscheinlich Balthasars<br />

Cousin war, zurückgelegt. Daraus<br />

lässt sich schließen, dass Springers<br />

Todesdatum zwischen 1510 und 1511<br />

zu suchen ist. Hätte Balthasar also<br />

einen männlichen Erben gehabt<br />

bzw. wäre er noch am Leben gewesen,<br />

hätte diese Zurücklegung durch<br />

ihn bzw. seinen Erben selbst erfolgen<br />

müssen. Ein anderer Springer<br />

ist sehr gut erforscht: Nämlich ein<br />

Johannes (Hans) Springer, der mit<br />

aller Wahrscheinlichkeit der Vater<br />

von Balthasar war. Hans Springer<br />

war im Dienste der Vilser Hohenegger<br />

und des Tiroler Landesfürsten,<br />

der ihn sogar als Pfleger der Burg<br />

Fragenstein in Zirl einsetzte. Die<br />

Reiselust war auch bei Hans schon<br />

RUNDSCHAU Seite 18<br />

Der erste Weltreisende Tirols<br />

Der Vilser Kaufmann Balthasar Springer auf großer Fahrt<br />

nachweisbar. Er ging nämlich mit<br />

einer Gruppe von Vilser Bürgern auf<br />

eine Pilgerfahrt nach Jerusalem und<br />

ins Heilige Land. Diese Reiselust<br />

dürfte auf seinen Sohn Balthasar abgefärbt<br />

haben.<br />

DAS ZIEL DER INDIEN<strong>RE</strong>I-<br />

SE. Die Portugiesen wollten nach<br />

der Entdeckung des Seewegs nach<br />

Indien ihre Vorherrschaft im Indischen<br />

Ozean sichern. und stellten<br />

sie eine Flotte von 22 Schiffen auf,<br />

welche mit Soldaten, Matrosen und<br />

Händlern bemannt waren. Ziel war<br />

es, den Gewürzhandel unter portugiesischer<br />

Hegemonie zu etablieren.<br />

Dafür mussten auch entlang der<br />

afrikanischen Küste Stützpunkte<br />

und Forts gebaut werden. Weiteres<br />

portugiesisches Begehr: Inseln in<br />

Asien, zum Beispiel Ceylon (heutiges<br />

Sri Lanka) erobern. Die deutschen<br />

Kaufleute mussten zu dieser<br />

Zeit Unterhalt und Schiff selbst<br />

stellen. Diese waren Bestandteil der<br />

portugiesischen Flotte. Dafür durften<br />

deutsche Kaufleute in Indien<br />

selbständig Gewürze und Kolonialwaren<br />

kaufen und diese Waren<br />

dann in Europa um ein Vielfaches<br />

weiterverkaufen. Der Erlös floss in<br />

die Taschen der Kaufleute, wie der<br />

Augsburger Welser.<br />

SPRINGERS BEOBACH-<br />

TUNGEN IN AFRIKA. Der Bericht<br />

Springers ist deshalb so bedeutend<br />

in der Geschichtswissenschaft,<br />

weil es die erste deutschsprachige<br />

Beschreibung Afrikas und Indiens<br />

überhaupt ist. So beschreibt Balthasar<br />

als erster tiroler Reisendener die<br />

afrikanische und indische Kultur<br />

und die Landschaften. Auch über das<br />

Menschenbild der frühen Neuzeit,<br />

Kriegsführung und Handelsinteressen<br />

ist viel Interesantes aus nächster<br />

Hand zu erfahren. Die afrikanischen<br />

Kulturen beschreibt Springer differenziert:<br />

Die Reisendenden wurden<br />

an der Küste Guinea und des Senegal<br />

freundlich von der einheimischen<br />

Bevölkerung aufgenommen.<br />

Springer betitelt die einheimische<br />

Bevölkerung als „Mohren“ und<br />

als eindeutig „schwarz“, während<br />

er die Bevölkerung der Kanaren<br />

noch als „halbe Mohren“ bezeichnet.<br />

Die einheimische Bevölkerung<br />

AUSSERFERNER<br />

SEIT 1922<br />

NACHRICHTEN<br />

kenne keinen Geldhandel und der<br />

Austausch funktioniere über einen<br />

Tauschhandel, hält Springer in<br />

seinem Tagebuch fest. Aüßerdem<br />

wären Männer, Frauen und Kinder<br />

höchstens mit einem „Schamtuch“<br />

bekleidet. Ebenso schildert Springer<br />

erstaunt, dass einige Portugiesisch<br />

sprachen und es einen primitiven<br />

Austausch zwischen Portugiesen<br />

und Eingeborenen gab. Während<br />

im Westen Afrikas einschließlich<br />

des heutigen Südafrika die einheimische<br />

Bevölkerung schon an Europäer<br />

gewohnt war, zeigte sich an der<br />

Ostküste Afrikas ein andere Bild. In<br />

Mosambik gab es zwar Handelskontakte,<br />

hier war das Aufeinandertreffen<br />

jedoch kriegerischer. Springer<br />

beschreibt verschiedene „kleine Sultanate“,<br />

mit welchen die Portugiesen<br />

zwar handelten – allerdings nicht<br />

ohne Säbelrasseln. Diese Sultanate<br />

seien „heidnische Königreiche“, von<br />

denen die Portugiesen Tribut forderten.<br />

Gelang dies nicht, eroberten<br />

sie die Königreiche. Springer berichtet<br />

von der Zerstörung einer Stadt<br />

in Ostafrika, wo „sämtliche Heiden<br />

todgeschossen wurden und die Stadt<br />

geplündert wurde“. Weiters nennt<br />

Springer ein christliches Königreich,<br />

das er als das Heimatland des Hl.<br />

Königs Casper betrachtete und das<br />

ein Verbündeter der Portugiesen sei.<br />

IN INDIEN. In Indien angekommen<br />

widmete sich Springer<br />

Aufzeichnungen über den Handel.<br />

„Do funden wir grossen schatz und<br />

Handel von Perlein, Edelgestein,<br />

Imber, Canel (Zimt) und Pfeffer.“<br />

Springer beschrieb die indische Infrastruktur<br />

und die Kultur als durchaus<br />

beeindruckend. Zudem gäbe es<br />

gute Beziehungen zwischen einigen<br />

indischen Herrschern und den<br />

Portugiesen. So setzt beispielsweise<br />

(sas) Jeder See in Österreich ist eine<br />

Augenweide und hat seinen ganz eigenen<br />

Charakter. Dazu zählt zweifelsohne<br />

auch der Plansee, der wie ein<br />

norwegischer Fjord anmutet – über sieben<br />

Kilometer lang und an manchen<br />

Stellen nicht einmal 200 Meter breit.<br />

„Heimatleuchten“ besucht ganz besondere<br />

Menschen an den schönsten Seen<br />

des Landes und verbringt mit ihnen<br />

einen Tag in ihrem ganz persönlichen<br />

Paradies.<br />

TERMIN. „Heimatleuchten: Ein<br />

Sommer wie damals – Seejuwelen“ mit<br />

dem Protagonisten Plansee wird am<br />

Repro: Aus „Balthasar Springers Meerfart 1509“<br />

„Wenn ich den See seh’“...<br />

Die Reiseaufzeichnungen des Vilsers<br />

Balthasar Springer sind wichtige Zeugnisse<br />

über Afrika und Indien in der frühen<br />

Neuzeit.<br />

der Raja von Cannanore sogar den<br />

portugischigen Vizekönig als Nachfolger<br />

über seine Herrschaft ein,.<br />

Dieser indische Fürst war nämlich<br />

durch den Handel mit Portugal<br />

reich geworden. Zum Pfefferbau in<br />

Indien schreibt Springer: „Der Pfeffer<br />

wächst gleich als ein Weintraube<br />

und ist schön grün“. Pfeffer war in<br />

Europa nicht neu. Schon die alten<br />

Griechen kannten Pfeffer, die Römer<br />

nannten ihn „piper“.<br />

Insgesamt dauerte Springers Indienfahrt<br />

von 1505 bis 1506, was für<br />

einen Menschen aus dem bayrischösterreichischen<br />

Raum der frühen<br />

Neuzeit eine enorme Horizonterweiterung<br />

gewesen ist. Um es mit<br />

den Worten von Balthasar Springers<br />

zu sagen: „Wir haben heute seltsame<br />

Dinge gesehen“. Als Erinnerung an<br />

den berühmten Reisenden ist in seiner<br />

Heimatstadt eine Straße nach<br />

ihm benannt.<br />

Foto: ServusTV/Andreas Kaboto<br />

IT-Spezialist Markus Arzl in seinem<br />

Freiluftbüro auf dem Plansee.<br />

Freitag, dem 15. Juli., ab 20.15 Uhr, auf<br />

ServusTV ausgestrahlt.<br />

13./14. Juli 2022

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