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THE NEW INSIDER No. XLII, Oktober 2022 #471

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4<br />

TITELSTORY<br />

WIE EIN OSNABRÜCKER FAST<br />

MULTIMILLIONÄR WURDE<br />

TNI auf der Spur der „Nigeria Connection“ ein<br />

S<br />

eit vielen Jahren ist „Nigeria Connection“ ein Synonym<br />

für Betrügereien, bei denen es um so genannten Vorauszahlungsbetrug<br />

geht – in den meisten Fällen soll man angeblich<br />

Geld eines fernen Verwandten geerbt haben, der zuletzt in Nigeria<br />

lebte. Als vor einigen Wochen ein Brief in unserer Redaktion<br />

einging, der einen meiner Kollegen darüber informierte,<br />

dass bei einer Bank auf den Cayman-Inseln die stolze Summe<br />

von 17,7 Millionen Euro auf ihn warten würde, nutzten wird die<br />

Gelegenheit – und ich setzte mich mit den mutmaßlichen Betrügern<br />

in Verbindung. Was folgte, war ein wochenlanger Austausch<br />

von E-Mails. Und eine Geldforderung.<br />

20. JULI<br />

Der Brief, mit dem alles begann.<br />

In unserer Redaktion geht ein<br />

Schreiben von einem gewissen<br />

Martin Seaman ein. Er schreibt<br />

auf Deutsch und stellt sich als<br />

angeblicher Mitarbeiter der<br />

Equity Trust Offshore Bank vor,<br />

die ihren Sitz auf den Cayman-<br />

Inseln in der Karibik haben soll.<br />

Martin schreibt, einer seiner<br />

Kunden sei vor zehn Jahren an<br />

einem Herzstillstand gestorben<br />

und habe keine Verwandten.<br />

Aus diesem Grund soll mein<br />

Kollege, der zufällig denselben<br />

Nachnamen wie der Verstorbene<br />

trägt, dessen Bankguthaben<br />

in Höhe von 17,7 Millionen Euro<br />

erhalten. Dies sei möglich, weil<br />

die zehnjährige Ruhefrist abgelaufen<br />

ist und die Bank keine<br />

Verwandten ermitteln konnte.<br />

Warum der Brief in Frankfurt<br />

am Main und nicht in der Karibik<br />

abgeschickt wurde, erklärt<br />

Martin auch: Er habe sich gerade<br />

auf einer Konferenz in der<br />

deutschen Bankenmetropole<br />

befunden und dort den Brief abgeschickt.<br />

Man möge sich doch<br />

bitte per E-Mail bei ihm melden.<br />

29. JULI<br />

Ich verschleiere meine Identität,<br />

lege eine neue E-Mail-<br />

Adresse an und nenne mich<br />

künftig Samira Meyer – davon<br />

ausgehend, dass die betrügerischen<br />

Briefe tausendfach<br />

verschickt wurden und darunter<br />

sicher auch eine Person<br />

mit dem Namen Meyer war. Ich<br />

schreibe also eine E-Mail an<br />

Martin Seaman. Auf Deutsch,<br />

wie er zuvor in seinem Brief. Ich<br />

bedanke mich für sein Schreiben<br />

und möchte erfahren, wie<br />

ich an die 17,7 Millionen Euro<br />

komme.<br />

01. AUGUST<br />

Martin Seaman hat geantwortet.<br />

Er schreibt<br />

jetzt auf Englisch<br />

und teilt<br />

mit, dass sein<br />

verstorbener<br />

Kunde namens<br />

Walter Meyer<br />

britischer<br />

Staatsbürger<br />

gewesen sei<br />

und auf den<br />

Cayman-Inseln<br />

als Öl- und Gas-<br />

Ingenieur gearbeitet<br />

habe.<br />

Leider verstarb<br />

dieser 2012, seine Ehefrau und<br />

die gemeinsamen Töchter seien<br />

bereits Jahre zuvor bei einem<br />

Autounfall tödlich verunglückt.<br />

Martin erwartet eine zeitnahe<br />

Rückmeldung von mir.<br />

02. AUGUST<br />

In meiner E-Mail schreibe ich,<br />

dass ich weiterhin interessiert<br />

bin und wissen möchte, wie es<br />

weitergeht.<br />

Martin kommt in seiner Antwort<br />

direkt zur Sache: Er sorgt dafür,<br />

dass ich das Geld von Walter<br />

Meyer bekomme. Dafür erwartet<br />

er jedoch 20 Prozent der<br />

Gesamtsumme. Sollte ich dem<br />

zustimmen, würde er mir die notwendigen<br />

Unterlagen schicken.<br />

03. AUGUST<br />

Ich antworte, dass ich zustimme<br />

und mich auf die Unterlagen<br />

freue.<br />

<strong>No</strong>ch am selben Tag erhalte<br />

ich eine weitere Nachricht von<br />

ihm, die er mit Mark unterschreibt.<br />

Ein Flüchtigkeitsfehler,<br />

der einem wohl unterläuft,<br />

wenn man weder Martin noch<br />

Mark heißt. Mark alias Martin<br />

hat seiner E-Mail die angebliche<br />

Todesbescheinigung von<br />

Walter Meyer angehängt, die<br />

mit verpixelten Siegeln und Unterschriften<br />

nach einer extrem<br />

schlechten Fälschung aussieht.<br />

Außerdem schickt er mir ein<br />

Musterschreiben für die Bank.<br />

04. AUGUST<br />

Der Equity Trust Offshore Bank<br />

schicke ich die Bescheinigung<br />

und teile mit, dass ich das Bankguthaben<br />

Verstorbenen<br />

beanspruche.<br />

Anschließend<br />

checke ich<br />

die Webseite<br />

des angeblichen<br />

des<br />

Investigativ-<br />

Bericht<br />

Kreditinstituts und erhalte im<br />

Browser die Warnmeldung,<br />

dass die eingegebene Domain<br />

als Phishing-Webseite eingestuft<br />

wurde und ich dort auf<br />

keinen Fall persönliche Daten<br />

eingeben soll.<br />

08. AUGUST<br />

von<br />

Dominik Lapp<br />

Oliver Cook aus dem International<br />

Operations Department<br />

der Bank hat mir eine E-Mail<br />

geschrieben. Er teilt mir eine<br />

Referenznummer mit. Im Anhang<br />

seiner Mail finde ich ein<br />

Formular mit 22 Fragen. Darin<br />

werden nicht nur meine persönlichen<br />

Daten abgefragt,<br />

sondern auch die des Verstorbenen<br />

– die ich nicht kenne.<br />

Ich sende das Formular deshalb<br />

an Martin Seaman, der es<br />

mir ausgefüllt zurückschickt.<br />

Jetzt drohe ich aufzufliegen.<br />

Die Bank fordert zur Legitimation<br />

nämlich eine Kopie meines<br />

Personalausweises oder Führerscheins.<br />

Was nun? Ich sende<br />

zusammen mit dem Formular<br />

das Foto eines Muster-Personalausweises,<br />

das ich auf der<br />

Webseite der Bundesdruckerei<br />

gefunden habe. Wahrscheinlich<br />

fliege ich jetzt auf, denn laut<br />

Ausweis heiße ich nicht Samira<br />

Meyer, sondern Erika Mustermann.<br />

In den Tagen, in denen<br />

ich auf Antwort warte, schaue<br />

ich mir bei Google Maps die<br />

Adresse der angeblichen Bank<br />

an – sie führt zu einer Lagerhalle<br />

auf den Cayman-Inseln.

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