Sprach Rohr - Herzlich willkommen in der Bethlehem ...
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E<strong>in</strong> Rückblick auf den Lebens- und Leidensweg<br />
dieser Volksgruppe<br />
-Fortsetzung-<br />
Nach e<strong>in</strong>em sehr schweren Jahr und e<strong>in</strong>em langen<br />
Leidensweg kamen diese Menschengruppen endlich<br />
an ihr Ziel. ln die Nähe von Sarkov, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unendliche<br />
Weite, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Steppe ohne Bäume, ohne Gras, ohne<br />
Farben. Welch e<strong>in</strong>e Enttäuschung machte sich da<br />
breit. Jede Familie erhielt e<strong>in</strong>e Parzelle<br />
und sie mussten schnell mit dem Bauen<br />
ihrer Behausungen anfangen, denn<br />
e<strong>in</strong> eisigkalter russischer W<strong>in</strong>ter stand<br />
vor <strong>der</strong> Tür. Sie schaufelten <strong>in</strong> die Erde<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> Höhlen von 8 mal 4 Metern und<br />
3 Meter Tiefe. Die Decke, auf <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
den W<strong>in</strong>termonaten Massen von·<br />
Schnee und Eis liegen würden verstärkten<br />
sie mit Holzstücken, die sie<br />
am Ufer des Flusses sammelten. Auf<br />
dem Mist <strong>der</strong> Tiere nahmen sie ihre<br />
Lager, so konnten sie sich etwas erwärmen.<br />
Nur so war es ihnen möglich,<br />
den grausamen russischen W<strong>in</strong>ter zu<br />
überleben. Als <strong>der</strong> Schnee im April anf<strong>in</strong>g<br />
zu schmelzen, f<strong>in</strong>gen sie, immer <strong>in</strong><br />
Gruppen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> umliegenden Gegend<br />
an, ihre dorfähnlichen Ansiedlungen zu<br />
errichten. Die ersten 104 Kolonien<br />
o<strong>der</strong> Dorfgeme<strong>in</strong>schaften entstanden<br />
zu beiden Seiten <strong>der</strong> Wolga <strong>in</strong> den 3 Jahren von<br />
1764 bis 1767. Das Kolonisierungsprojekt umfasste<br />
45.000 qkm. Das erste Dorf nannte man Dobr<strong>in</strong>ka,<br />
40 km entfernt von Sarkov. Dort Iiessen sich die<br />
evangelischgläubigen Grossfamilien nie<strong>der</strong> und sie<br />
nannten es die Bergseite. Auf <strong>der</strong> Wiesenseite sammelten<br />
sich die katholiken Familien, die manchmal<br />
bis zu 15 Personen zählten. Ihre Dorfplanung war so,<br />
wie auch später <strong>in</strong> Argent<strong>in</strong>ien, dass sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte<br />
des Dorfes e<strong>in</strong>e breite Trasse anlegten und dann parallel<br />
und horizontal dazu Wege ausbauten. Auf dem<br />
breiten Mittelweg wurden dann für später die Kirchen<br />
Wolgadeutsche <strong>in</strong> Argent<strong>in</strong>ien<br />
22<br />
und Schulen geplant. ln denen die Ersten <strong>in</strong> <strong>der</strong> russischen<br />
Erde ihre letzte Ruhe f<strong>in</strong>den mussten sie viel<br />
Erf<strong>in</strong>dungsgabe und Fantasie mitbr<strong>in</strong>gen, denn sie<br />
waren ja ke<strong>in</strong>e Spezialisten für Straßen- und Häuserbau.<br />
Und die Unterstützung <strong>der</strong> russischen Regierung<br />
für diese Leihgabe reichte bei Weitem nicht aus. Es<br />
fehlten die Möglichkeiten für Material-Transporte und<br />
Beför<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arbeiter, es mangelte an Nahrungsmitteln<br />
und an mediz<strong>in</strong>ischer Betreuung, Es brachen<br />
schwere und ansteckende Krankheiten, wie z.B. Typhus,<br />
aus. E<strong>in</strong>ige überlebten und<br />
an<strong>der</strong>e mussten <strong>in</strong> <strong>der</strong> neuen Heimat<br />
mit selbstgeschnitzten primitiven<br />
Holzkreuzen ihre letzte Ruhe<br />
f<strong>in</strong>den.<br />
Im täglichen Leben fehlte das Beten<br />
nie. Das Morgen- und Nachtgebet<br />
und <strong>der</strong> Dank für jede Speise<br />
wurde jeweils mit Glocken e<strong>in</strong>geläutet<br />
und begleitet.<br />
Die 104 "Mutter-Kolonien" umfassten<br />
e<strong>in</strong> großes Terra<strong>in</strong> von 458.000<br />
ha, d.h. 62 ha für jedes Dorf zu beiden<br />
Seiten <strong>der</strong> Wolga. Nach e<strong>in</strong>em<br />
halben Jahrhun<strong>der</strong>t ihrer E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung<br />
hat dann die russische Krone<br />
weitere 498.000 ha genehmigt, für<br />
<strong>in</strong>sgesamt 8000 Familien.<br />
Von 1772 bis 1809 gründeten diese<br />
bewun<strong>der</strong>nswerten Menschen<br />
51 neue Dorfanlagen, wie z.B. Neu<br />
Marienthal und Neu-Kolonien. 1848 gaben die Russen<br />
ihnen nochmals 500.000 ha.<br />
Historisch ist nachgewiesen, dass <strong>in</strong> den 130 Jahren<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Deutschen die deutschstämmige<br />
Bevölkerung sich 28 mal vergrössert hatte.<br />
Helga Harteneck<br />
Inspiriert: Zeitschrift Raices Alemanas<br />
Fortsetzung folgt<br />
Bildquelle: www.pictokon.net<br />
Quelle: Kirche Aktuell, Nr. 169, 2011