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Nummer 51 - Die Jüdische Zeitung

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<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Wochenzeitschrift der jüdischen Orthodoxie der Schweiz - Nr. <strong>51</strong> 17. Tewes 5771 /24. Dezember 2010, 21. Jahrgang<br />

Schass Einzelgänger will israelische<br />

Charedim in die Arbeitswelt zwingen<br />

VON L. SUSSER<br />

Vor nicht allzu langer Zeit hatten nur wenige<br />

Israelis von Chaim Amsalem, einem Abgeordneten<br />

von Schass in der Knesset, gehört. In den<br />

letzten Wochen jedoch ist Amsalem als<br />

Einzelgänger in der israelischen Politik<br />

in Erscheinung getreten.<br />

Nachdem er sich gegen die orthodoxe<br />

Schasspartei und ihre charedischen<br />

Führer gestellt hatte, spricht er jetzt<br />

sogar darüber, eine neue Partei gründen<br />

zu wollen, um sefardische Stimmen für<br />

sich zu gewinnen.<br />

Es ist nicht so sehr die Politik, die dem<br />

Schritt von Amsalem die Aufmerksamkeit<br />

der Medien geschenkt hat;<br />

die Chancen sind gering, dass andere<br />

Knessetmitglieder von Schass sich von<br />

der Partei abwenden werden, um sich<br />

Amsalem anzuschliessen.<br />

Amsalems öffentliche Distanzierung<br />

von Schass wird dagegen als Teil einer<br />

Bewegung in der israelischen, sefardischen<br />

Welt angesehen, die sich gegen<br />

die religiöse Führung wehren soll.<br />

Amsalem spricht über nichts weniger<br />

als eine „sefardische, soziale und<br />

kulturelle Revolution“, die seine neue<br />

Partei sich zunutze machen und fördern<br />

könnte. Im Herzen der Bewegung steht eine<br />

neue Interpretation des Begriffs eines „Tora-<br />

Gelehrten“, vielleicht das fundamentalste<br />

Prinzip der charedischen Welt.<br />

Sowohl Schass als auch die aschkenasischen,<br />

charedischen Parteien sind der Überzeugung,<br />

dass praktisch alle jungen, charedischen<br />

Männer sich für einige Jahre gänzlich dem<br />

Torastudium widmen sollen, und dass diese<br />

während ihres Studiums in der Jeschiwa vom<br />

obligatorischen Militärdienst befreit sein<br />

sollen. <strong>Die</strong>s hat in der charedischen Gemeinschaft<br />

zu verbreiteter Armut geführt, weil<br />

viele charedische Männer auf unbestimmte<br />

Zeit in den Jeschiwot bleiben. <strong>Die</strong>se Armut<br />

ist allerdings gewollt und wird in der Regel<br />

mit Stolz und Würde gelebt.<br />

Amsalem und andere wollen diese Haltung<br />

nun durch Zwang von aussen ändern. Am-<br />

Foto: Yehuda Boltshauser/Kuvien Images<br />

salem befürwortet eine Gesellschaft von<br />

Tora-Gelehrten, die sich nur aus einer kleinen,<br />

ausgewählten Gruppe von besonders<br />

begabten Studenten zusammensetzt, während<br />

alle anderen in der Armee dienen und sich in<br />

die Arbeitswelt einfügen müssen. <strong>Die</strong>s, so<br />

argumentiert er, sei die „echte - nachsichtigere<br />

- sefardische Haltung“: produktives<br />

Arbeitsleben kombiniert mit dem Torastudium,<br />

wann immer die Zeit dies erlaube.<br />

Amsalem behauptet, dass der „übermässige,<br />

aschkenasische oder litwische“ Einfl uss die<br />

Sefardim dazu veranlasst habe, das Modell<br />

einer Gesellschaft anzunehmen, in der alle<br />

Tora lernen. Jetzt sei die Zeit gekommen,<br />

sich von solch einer Denkweise zu lösen,<br />

hauptsächlich weil dies unter den Charedim<br />

den Zustand der Armut fördere.<br />

<strong>Die</strong> Zahlen allein deuten kaum darauf hin,<br />

dass sich wirklich etwas geändert hat. Vor<br />

einem Jahrzehnt dienten kaum Charedim in<br />

der regulären israelischen Armee. Als 1999 ein<br />

spezielles, charedisches Infanterie-Bataillon<br />

etabliert wurde, hatte es 30 Soldaten. Heute,<br />

10 Jahre später, sind<br />

es mehr als 1000.<br />

Weitere 1000 Männer<br />

dienen in speziellen,<br />

AZA<br />

8002 Zürich<br />

Priorität<br />

PP / JOURNAL<br />

CH-8002 Zürich<br />

charedischen Einheiten in der Luftwaffe,<br />

Marine und im Spionagedienst.<br />

In Israel, wo die Armee jungen Israelis auch<br />

die Möglichkeit bietet, Kenntnisse für das<br />

spätere Leben zu erwerben, sind diese Zahlen<br />

nicht für das Militär bedeutend, sondern eher<br />

für die israelische Gesellschaft als Gesamtes:<br />

diese Männer lernen in der Armee eigentlich<br />

einen Beruf.<br />

<strong>Die</strong> Zahl der Charedim, die in charedischen<br />

Fachschulen oder säkularen Schulen mit Spezialprogrammen<br />

für Charedim vorwiegend<br />

berufl iche, säkulare Fächer studieren, ist seit<br />

2005 auf das Vierfache angestiegen, auf ca.<br />

5000. <strong>Die</strong> meisten Studenten sind allerdings<br />

Frauen – viele von ihnen in Institutionen, die<br />

von Schass unterstützt werden.<br />

<strong>Die</strong> Regierung spielt bei dieser Entwicklung<br />

eine wichtige Rolle. Erziehungsminister Gideon<br />

Saar hat einen Plan entworfen, um die


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Zahl der Schüler über die nächsten fünf Jahre<br />

um weitere 3000 zu erhöhen.<br />

Finanzminister Yuval Steinitz hat sogar vorgeschlagen,<br />

für die Charedim die nationale<br />

Voraussetzung des Armeediensts aufzuheben,<br />

damit sie direkt in die Arbeitswelt gehen<br />

können. <strong>Die</strong> Beschäftigungszahl von charedischen<br />

Männern wird sich im nächsten<br />

Jahrzehnt rapid erhöhen, sagt das Handels-<br />

und Industrie-Ministerium voraus.<br />

Israels Kabinett genehmigte einen Plan, laut<br />

dem die Zahl der Jahre, in denen Jeschiwa-<br />

Studenten Unterstützungszahlungen der<br />

Regierung erhalten sollen, begrenzt werden<br />

mit 14:8 Stimmen und 3 Enthaltungen. Dagegen<br />

wird die finanzielle Unterstützung für<br />

bedürftige Universitäts-Studenten verdoppelt.<br />

Minister der Arbeitspartei bekämpften den<br />

Plan; die Abgeordneten von Schass enthielten<br />

sich der Stimme.<br />

Gemäss dem Plan werden charedische Jeschiwabachurim<br />

im Alter von unter 29 Jahren,<br />

die nicht arbeiten, kein Auto besitzen und<br />

drei Kinder haben, während vier Jahren ein<br />

Stipendium von etwa 290 Dollar pro Monat<br />

erhalten, mit einer Reduktion im fünften Jahr<br />

(dem Integrationsjahr, in dem sie Teilzeitarbeit<br />

ausüben dürfen). Es wird von ihnen erwartet,<br />

dass sie nach fünf Jahren ganztätig arbeiten<br />

2<br />

Andere jedoch sehen eine viel langsamere<br />

Veränderung. Sie bemerken, dass weiterhin<br />

rund 50‘000 charedische Talmidim vom Armeedienst<br />

befreit sind, weil sie weiterhin in<br />

der Jeschiwa lernen.<br />

Amsalems Politik hat ihn innerhalb von Schass<br />

die Unterstützung gekostet. Ende November<br />

schloss der Rat der Toraweisen Amsalem<br />

aus der Partei aus und forderte, dass er den<br />

Knessetsitz, den er mit einem Schass-Mandat<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

gewonnen hatte, zurückgebe. Amsalem lehnte<br />

den Psak der Rabbanim ab.<br />

Unter den Charedim ist Amsalem eine einsame<br />

Figur. Seine Meinung erfreut sich jedoch einer<br />

recht breiten, öffentlichen Unterstützung. 52%<br />

der befragten Israelis sagen, dass die Einberufung<br />

von Charedim in die Armee und ihre<br />

Aufnahme in die Arbeitswelt der einzige Weg<br />

sei, „die charedische Gesellschaft zu retten“.<br />

JTA<br />

Kabinett genehmigt Begrenzung<br />

der Jeschiwa-Stipendien<br />

Am Sonntag griff eine Gruppe von arabischen<br />

Jugendlichen eine Gruppe von jüdischen<br />

Touristen an, die entlang der Mauer der Altstadt<br />

spazierten, ca. 15 Minuten hinter dem<br />

Löwentor. <strong>Die</strong> Angreifer warfen Steine in<br />

Melonengrösse auf die Touristendie in Panik<br />

flohen. Niemand wurde beim Angriff verletzt.<br />

Gemäss dem Schin Bet hat es im vergangenen<br />

Monat einen zunehmenden Trend bei<br />

arabischen Anschlägen auf Juden gegeben.<br />

Laut der neuesten Statistik gab es im letzten<br />

Monat gesamthaft 52 Angriffe, im Vergleich<br />

zu 44 im Oktober. Von den 30 Anschlägen<br />

im November war nur einer ein Anschlag mit<br />

Steinen; die restlichen waren Brandbomben,<br />

die auf ihre Opfer geworfen wurden. Im Gebiet<br />

des Gaza-Gürtels gab es 22 Anschläge,<br />

verglichen mit 18 im Oktober. Vier der Anschläge<br />

erfolgten mit Raketen, zwölf waren<br />

Granaten, vier Schüsse mit Kleinwaffen und<br />

zwei waren Luftabwehrraketen.<br />

Ein ranghoher Beamter der Volksfront für<br />

die Befreiung Palästinas (PFLP) kündigte am<br />

Sonntag an, dass Terrorgruppen, die in der<br />

palästinensischen Behörde basiert sind, formell<br />

beschlossen hätten, eine „dritte Intifada“<br />

werden.<br />

Eine kleinere Gruppe von etwa 2000 Jeschiwabachurim,<br />

die beabsichtigen, ihr Leben<br />

den religiösen Studien zu widmen, kann den<br />

jährlichen Zuschuss auf unbegrenzte Zeit<br />

erhalten. <strong>Die</strong> Stipendien für Universitätsstudenten<br />

werden auf etwa 28 Millionen Dollar<br />

pro Jahr verdoppelt werden.<br />

Israels Oberstes Gericht hatte im Juni entschieden,<br />

dass die Regierung Jeschiwabachurim<br />

nicht unterstützen dürfe, wenn sie nicht Gelder<br />

für Universitäts-Studenten zur Verfügung<br />

stelle. Der Entscheid erfolgte als Reaktion<br />

auf eine Klage der Nationalen Studenten-<br />

Gewerkschaft.<br />

<strong>Die</strong> Geschichte vom Ponevecher Rav ist<br />

bekannt. <strong>Die</strong>ser sprach in den USA in einer<br />

Synagoge und bat um die Unterstützung der<br />

Tora. Danach sagte der Gemeinderav, der sich<br />

Eine neue Art der Intifada<br />

zu lancieren. Khalida Jarrar, ein ranghohes<br />

Mitglied des palästinensischen Legislativrats,<br />

machte jedoch nicht klar, welche Terror-<br />

Organisationen daran teilnehmen werden.<br />

Sie bemerkte, dass es noch viel gebe, über<br />

das sich die Gruppen nicht einigen konnten.<br />

„Der Entscheid, zur Intifada zurückzukehren,<br />

ist gefasst worden, und im Moment geht es<br />

um die Methoden“, sagte Jarrar zur iranischen<br />

Nachrichtenagentur Fars. „<strong>Die</strong> Beendung der<br />

internen Meinungsverschiedenheiten und<br />

die Erneuerung der Einheit und Integrität in<br />

Palästina ist die Lösung für alle Probleme der<br />

Palästinenser“, fügte sie hinzu.<br />

<strong>Die</strong> Sprecherin der PFLP kritisierte die arabischen<br />

Aussenminister der Arabischen Liga,<br />

weil sie die USA beauftragt hatten, strenge<br />

Empfehlungen an Israel und die PA bezüglich<br />

der Grenzen für den erhofften, neuen, arabischen<br />

Staat zu geben. Jarrar beschuldigte<br />

die arabischen Minister des Versuchs, „ihrer<br />

Verantwortung für die Angelegenheit von<br />

Palästina“ auszuweichen. „<strong>Die</strong> arabischen<br />

Länder müssen aufhören, auf die amerikanische<br />

Regierung zu zählen“, sagte sie.<br />

Obwohl das wütende Inferno, das das nördli-<br />

um das Geld seiner Mitglieder sorgte, dass für<br />

diesen Zweck auch ein einziger Dollar genüge.<br />

Nach einigen Tagen traf der Raw der Gemeinde<br />

den Ponevecher Raw und fragte ihn,<br />

ob er ihm deswegen zürne, weil er verhindert<br />

habe, dass seine Gemeindemitglieder grosse<br />

Beträge spenden. Da sagte ihm Rav Josef<br />

Schlomo Kahaneman: „Als HKB“H Mosche<br />

mitteilte, dass Bezalel das Mischkan bauen<br />

sollte, ging er, um Bezalel zu suchen. War<br />

er böse, wenn er einen Mann auf der Strasse<br />

fragte, ob dieser Bezalel sei, und jener die Frage<br />

verneinte? Sichern nicht. Auch ihr“, sagte<br />

der Ponevecher Rav, „seid ganz einfach nicht<br />

Bezalel. Ihr verfügt nicht über den Verdienst,<br />

Tora zu unterstützen. Warum sollte ich euch<br />

dann zürnen?“<br />

Auch der Staat Israel verfügt nicht mehr über<br />

den Verdienst, „Bezalel“ zu sein.<br />

che Carmel-Gebiet zu Beginn dieses Monats<br />

durchfegte, vermutlich fahrlässig begonnen<br />

wurde, folgten daraufhin mindestens 25<br />

weitere Brände in anderen Wäldern, die<br />

absichtlich gelegt worden sind. Brandstifter<br />

zündeten alleine im vergangenen Monat 18<br />

Mal ausserhalb von Jerusalem Feuer an,<br />

aber nur einige der Feuer wurden in den israelischen<br />

Medien gemeldet. <strong>Die</strong> hebräische<br />

Tageszeitung Maariv zitierte die Polizei, die<br />

sagte, dass die Anschläge absichtlich vertuscht<br />

werden, „um nicht noch weitere, mögliche<br />

Brandstifter zu inspirieren“.<br />

Ausserdem bemerkte ein neu publizierter<br />

Bericht des israelischen Umweltministeriums,<br />

dass Gewässer in Jehuda und Schomron mit<br />

ungeklärtem Abwasser verschmutzt werden,<br />

das von palästinensischen Arabern abgeladen<br />

werde. Der Bericht erwähnt den Mangel an<br />

Abwasser-Kläranlagen in den autonomen<br />

Gebieten, kombiniert mit einem absichtlich<br />

geplanten Mangel an Zusammenarbeit zwischen<br />

der palästinensischen Regierung und<br />

Israel, als Ursache für die Verschmutzung.<br />

JTA


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

VON J. ROSENBLUM<br />

Das Tonband mit Gesprächen zwischen<br />

Präsident Richard Nixon und seinem Aussenminister<br />

Henry Kissinger, das vor kurzem<br />

veröffentlicht wurde, enthielt recht hässliches<br />

Material, jedoch keine grossen Überraschungen<br />

bezüglich Nixon. Dass Nixon zahlreiche<br />

Vorurteile gegenüber den Juden hatte und<br />

nicht zögerte, diese auszudrücken, war schon<br />

vorher bekannt gewesen.<br />

In der Tat verblasst Nixons Gerede über die<br />

„Unverlässlichkeit“ der Juden auf den freigegebenen<br />

Tonbändern im<br />

Vergleich zu dem, was<br />

schon publiziert wurde,<br />

von dem vieles weitaus<br />

boshafter ist. In manchen<br />

früheren Tonbändern beschreibt<br />

Nixon die Juden<br />

als „geborene Spione“<br />

und als „untreu“ und<br />

deutete an, dass seine Regierung<br />

versuche, „diese<br />

Stadt zu führen, während<br />

Juden in der Regierung<br />

vermieden werden“.<br />

Und trotzdem war das<br />

Weisse Haus unter Nixon<br />

voller Juden: sein<br />

Hauptberater, Leonard<br />

Garment; sein Wirtschaftsberater,<br />

Herbert<br />

Stein; sein Redenschreiber,<br />

William Safire; sein<br />

Kampagne-Manager,<br />

Murray Chotiner; und<br />

vor allem sein erster,<br />

nationaler Sicherheitsberater und späterer<br />

Aussenminister, Henry Kissinger.<br />

<strong>Die</strong> israelische Premierministerin Golda Meir<br />

schrieb Nixon zu, Israel 1973 „gerettet“ zu<br />

haben, weil er einen massiven Lufttransport<br />

mit Waffen an Israel anordnete, während der<br />

Krieg noch wütete. Nixon reagierte nicht nur<br />

auf Israels Appell für neue Waffen, zu einer<br />

Zeit, da die Sowjets mit der Neubewaffnung<br />

Ägyptens und Syriens beschäftigt waren. Er<br />

machte das trotz des Widerstands des Vertei-<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Herausgeber: Verein <strong>Die</strong> <strong>Jüdische</strong> <strong>Zeitung</strong><br />

Brandschenkesteig 14, 8002 Zürich<br />

Administration: Telefon 044 201 4617, Fax 044 201 4626<br />

E-mail: djz.bloch@gmail.com<br />

www.diejuedischezeitung.ch / www.d-j-z.ch<br />

Redaktion: Josua Bloch, Nosson Rothschild<br />

Jahresabonnement: Schweiz Fr. 148.--, Ausland Fr. 209.-- inkl.LP<br />

Einzelnummer: Fr. 3.50<br />

Postcheck 80 - 53 342-3<br />

Inserate: Tarif auf Anfrage erhältlich<br />

Druck/Expedition: Ropress, 8048 Zürich<br />

<strong>Die</strong> <strong>Jüdische</strong> <strong>Zeitung</strong> übernimmt keine Verantwortung für das Kaschrus von<br />

Produkten und <strong>Die</strong>nstleistungen, für welche in der <strong>Zeitung</strong> inseriert wird.<br />

3<br />

digungs- und Aussenministeriums. Er befahl<br />

Kissinger und Verteidigungsminister James<br />

Schlesinger ausdrücklich, die Lieferung von<br />

Material an Israel zu beschleunigen.<br />

Zu einem gewissen Zeitpunkt bat er um eine<br />

Einschätzung von Israels militärischen Bedürfnissen.<br />

Als Schlesinger ihm diese lieferte,<br />

sagte er dem schockierten Minister, er solle<br />

diese verdoppeln.<br />

Insbesondere überstimmte Nixon Kissinger<br />

bezüglich des Lufttransports. Der letztere hatte<br />

sich erhofft, dass ein verletzlicheres Israel<br />

sich für seine grossartigen diplomatischen<br />

Pläne, dem Nahen Osten Frieden zu bringen<br />

und die Sowjets aus der Gegend fernzuhalten,<br />

gefügiger gemacht würde.<br />

Der Gegensatz zwischen Nixons offen geäussertem<br />

Antisemitismus, seinem andauerndem<br />

Schwall von hässlichen Erklärungen und der<br />

„Rettung Israels“ und der Anstellung von<br />

vielen Juden hat die Kommentatoren während<br />

langer Zeit verwirrt. In Wirklichkeit ist es<br />

jedoch kein so grosses Paradox, wie sie es<br />

meinen. Es gibt viele Arten von Antisemiten.<br />

„Vornehme“ Antisemiten zum Beispiel<br />

versuchen, die Gesellschaft von Juden zu<br />

meiden und haben normalerweise viele Vorurteile<br />

über sie. Zu gewissen Zeiten schloss<br />

dieser „vornehme“ Antisemitismus Juden<br />

von gewissen Anwaltsfirmen, Universitäten,<br />

Country Clubs und aus gewissen Berufen,<br />

wie dem Bankberuf, aus. Positiv daran war,<br />

dass es als Barriere gegen Mischehen diente.<br />

Nixon kam nicht aus den vornehmen Klassen,<br />

und sein Antisemitismus ging über das hinaus,<br />

was in jenen Kreisen üblich war. Seine Vor-<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Was das neueste Nixon-Kissinger<br />

Tonband enthüllt<br />

Der damalige Präsident Richard Nixon und Aussenminister Henry Kissinger<br />

im Gespräch mit Ministerpräsidentin Golda Meir (nicht im Bild) 1973<br />

urteile über „mangelnde, jüdische Loyalität“<br />

und deren „Neigung zur Spionage“ können<br />

kaum als harmlos bezeichnet werden und<br />

hätten für den Status der Juden in Amerika<br />

grosse Gefahren verursachen können.<br />

Nixon war aber nicht besessen von den Juden.<br />

Er konnte seine antisemitischen Ausbrüche<br />

unter Kontrolle halten. Sie waren auf private<br />

Gespräche beschränkt und wurden nie in der<br />

Öffentlichkeit wiedergegeben. Zumindest teilweise<br />

waren sie wahrscheinlich als Ablassen<br />

von Zorn auf die Liberalen gemeint, was die<br />

meisten Juden waren und<br />

immer noch sind. Hässlich,<br />

ja - aber nicht so<br />

weit gehend, dass er nicht<br />

mehr vernünftig denken<br />

konnte, wenn es um die<br />

Juden oder den Staat<br />

Israel ging. Er sah die<br />

Welt nicht wie Hitler j’s<br />

und andere Antisemiten<br />

als kosmischen Kampf<br />

zwischen den Kräften<br />

des Guten auf der einen<br />

Seite und den Juden auf<br />

der anderen an.<br />

1970, drei Jahre vor dem<br />

massiven Lufttransport<br />

von Waffen an Israel im<br />

Jom Kippur- Krieg, sagte<br />

der damalige, israelische<br />

Botschafter in Washington,<br />

Yitzchak Rabin, zu<br />

Rabbi Moshe Sherer,<br />

dem langjährigen Präsidenten<br />

der Agudat Israel<br />

of America, dass Nixon für Israel mehr getan<br />

habe als John F. Kennedy, obwohl Nixon sich<br />

wohl bewusst war, dass nur 8% der amerikanischen<br />

Juden für ihn gestimmt hatten. Rabin<br />

bestritt nicht, dass Nixon wahrscheinlich ein<br />

Antisemit war, aber er sagte zu Rabbi Sherer:<br />

„Nixon glaubt wirklich an Israels Sache und<br />

versteht diese.“<br />

Was in den gerade veröffentlichten Tonbändern<br />

erschrickt, ist nicht Nixon, sondern<br />

Kissinger. Der letztere war mit seiner Familie<br />

1938 knapp aus seiner Geburtsstadt Fürth<br />

entkommen, und er hatte die Nazi-Brutalität<br />

gegenüber den Juden mit eigenen Augen<br />

gesehen. 19 nahe Verwandte von ihm starben<br />

in den Konzentrationslagern. Er kannte alle<br />

Argumente, die von der Regierung Roosevelt<br />

vorgebracht worden waren, die keine ernsthafte<br />

Rettungshandlung unternehmen wollte,<br />

um die europäischen Juden zu retten - mit der<br />

Begründung, dass das übergeordnete, amerikanische<br />

Interesse darin liege, den Krieg so<br />

schnell wie möglich zu gewinnen.<br />

Und trotzdem hören wir auf den Tonbändern,


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

wie er dem Präsidenten sagte - nach einem<br />

Treffen mit der israelischen Premierministerin<br />

Golda Meir, in dem sie dringend um amerikanischen<br />

Druck bat, um mehr sowjetische<br />

Juden freizukriegen: „<strong>Die</strong> Auswanderung<br />

von Juden aus der Sowjetunion ist kein Ziel<br />

der amerikanischen Aussenpolitik. Und<br />

wenn sie die Juden in der Sowjetunion in<br />

die Gaskammern schicken, ist das auch kein<br />

amerikanisches Problem. Es ist vielleicht ein<br />

humanitäres Problem.“ <strong>Die</strong>se Bemerkung<br />

erfolgte nicht als Reaktion auf irgendetwas,<br />

das Nixon gesagt hatte. Es war Kissinger,<br />

der das Gespräch begonnen hatte, und er war<br />

es, der die gänzlich überflüssige Erklärung<br />

machte, dass sogar das Vergasen von Juden in<br />

Gaskammern „kein amerikanisches Problem“<br />

darstelle. Nixon vertrat nie solche Meinungen.<br />

Kissingers Bemerkung erinnerte mich an das<br />

Buch von Botschafter Yehuda Avner, „<strong>Die</strong><br />

Premierminister“, in dem er einen Vorfall<br />

beschreibt, bei dem Kissinger nach einer<br />

triumphalen Pressekonferenz im King David-<br />

Hotel inmitten einer seiner diplomatischen<br />

Missionen von einem Mann angesprochen<br />

wird, der ihn mit den Worten „Heinz, Heinz“<br />

begrüsst. „Heinz, erinnerst du dich an mich?<br />

Wilhelm Furtwängler von Fürth. Erinnerst<br />

du dich?“ sagte der Mann, der ihm die Hand<br />

reichen wollte. Kissinger warf ihm einen<br />

verächtlichen Blick zu und ging weiter.<br />

Wilhelm Furtwängler war zu jener Zeit ein<br />

prominenter Psychiater in Washington, der<br />

sich Dr. Willie Fort nannte. Kissinger war<br />

nicht nur sein bester Schulkamerad in Fürth<br />

gewesen, sondern die Familien Furtwängler<br />

und Kissinger waren beide nach Washington<br />

Heights gezogen und dawenten in der Breuer-<br />

Schul. Kurz gesagt, es gab keinen Grund,<br />

warum Kissinger ihn nicht kennen sollte.<br />

Nach dem fraglichen Vorfall setzte Dr. Fort,<br />

der sich mit Avner während dessen Tagen<br />

in der israelischen Botschaft in Washington<br />

angefreundet hatte, hin und lieferte eine<br />

Psychoanalyse Kissingers. Er drängte Avner,<br />

diese seinem Chef, Premierminister Rabin,<br />

Omri Boneh befindet sich seit dem massiven<br />

Feuer in Israels Carmel Wald in einem Zustand<br />

der Benommenheit. Der Direktor der nördlichen<br />

Region des Keren Kayemet leIsrael sah,<br />

wie Jahrzehnte der Arbeit in einem viertägigen<br />

Feuerinferno zerstört wurden. Wellen<br />

von grünem Wald in Nordisrael sind eine<br />

schwarze, tote Landschaft geworden. Boneh<br />

hatte während seiner 25jährigen Karriere als<br />

Förster auf dem Har HaKarmel persönlich<br />

Tausende von Bäumen gepflanzt.<br />

Boneh will jedoch nicht in der Vergangenheit<br />

verweilen; er denkt über die Zukunft nach.<br />

Der erste Schritt zur Sanierung des Waldes<br />

4<br />

zu übergeben.<br />

Ich habe im Allgemeinen eine starke Aversion<br />

gegen Analysen, die versuchen, die Handlungen<br />

von historischen Persönlichkeiten angesichts<br />

von psychologischen Eigenschaften zu<br />

erklären, die diese mit Millionen von anderen<br />

Leuten teilen.<br />

Kissingers Hintergrund als junger Flüchtling<br />

ist jedoch recht selten, und Dr. Forts Analyse<br />

so zutreffend in ihrem prophetischen Wert,<br />

dass ich nicht widerstehen kann, über diese<br />

zu berichten. Fort beginnt damit, dass er die<br />

Möglichkeit bestritt, dass Kissingers Behauptung,<br />

sich nicht an die Verfolgungen in<br />

Deutschland in seiner Kindheit zu erinnern,<br />

wahr sein können. Er war 15 Jahre alt, als die<br />

Familie flüchtete, und 1938 wurden Juden<br />

in den Strassen zusammengeschlagen und<br />

ermordet. Kissingers Vater war aus einer<br />

renommierten Lehrerposition im staatlichen<br />

Schulsystem entlassen worden, und die Familie<br />

musste um ihr Leben fürchten. <strong>Die</strong>se<br />

Erfahrung musste traumatisch gewesen sein:<br />

„die Kontrolle über sein Leben verlieren,<br />

machtlos zu sein, zu sehen, wie die geliebten<br />

Helden plötzlich hilflos waren, von brutalen<br />

Ereignissen überholt zu werden, vor allem<br />

bei seinem Vater, den er sehr bewunderte…“<br />

Obwohl Kissinger ein „Bild der Selbstsicherheit,<br />

des starken Willens und der<br />

Arroganz“ präsentierte, schufen laut Dr.<br />

Fort die Unsicherheiten, die durch seinen<br />

Flüchtlings-Status verursacht wurden, eine<br />

„tief depressive Gesinnung, eine apokalyptische<br />

Lebensauffassung, eine Tendenz zum<br />

Verfolgungswahn und ein übertriebenes<br />

Gefühl des Versagens, wenn die Dinge nicht<br />

so liefen, wie er es wollte“. Innere Zweifel<br />

lösten „Launenhaftigkeit, Wutanfälle und<br />

Jähzorn“ aus. Solche Menschen sind oft Kriecher<br />

gegenüber Vorgesetzten und Tyrannen<br />

gegenüber Untergebenen.<br />

<strong>Die</strong>ser Mischung muss laut Fort Kissingers<br />

tiefe Ambivalenz gegenüber seinem Judentum<br />

hinzugefügt werden. Einerseits hatte er<br />

die religiöse Observanz seines Elternhauses<br />

sei, dass man der Natur gestattet, ihren Gang<br />

zu gehen, sagt Boneh,. „Neuanpflanzungen<br />

werden nur stattfinden, falls die natürliche<br />

Regeneration nicht ausreichend ist“, sagte<br />

Boneh, der sich schon mit den Nachwirkungen<br />

von fünf anderen, grossen Bränden auf dem<br />

Karmel befasst hat.<br />

Der Brand, der am 2. Dezember ausbrach,<br />

war mindestens sechsmal so gross wie das<br />

nächstgrosse Feuer. Etwa 4860 Hektaren Land<br />

wurden verbrannt und fünf Millionen Bäume<br />

zerstört. 43 Menschen starben und 250 Häuser<br />

wurden zerstört oder schwer beschädigt.<br />

Ende letzter Woche, vier Tage nachdem das<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

gänzlich verlassen; andererseits konnte er nie<br />

verhindern, als Jude identifiziert zu werden.<br />

Wie Dr. Fort berichtete, erzählte man in Washington,<br />

dass Nixon ihn mit üblen antisemitischen<br />

Bemerkungen erniedrigte und sich auf<br />

ihn als meinen „Jew boy“ bezeichnete, wenn<br />

er seinen Minister herunterputzen wollte.<br />

„Was ist die Bedeutung von all dem bezüglich<br />

Kissingers Rolle als Vermittler zwischen den<br />

Arabern und Israelis?“ fragte Avner seinen<br />

Freund. Fort antwortete, dass Leute wie Kissinger<br />

„ausnahmslos überkompensionieren.<br />

Sie unternehmen grosse Anstrengungen, um<br />

jegliches, gefühlsbetonte Vorurteil, das sie<br />

fühlen könnten, zu unterdrücken und alles<br />

zugunsten der anderen Seite tun, um zu<br />

beweisen, dass sie unparteiisch und objektiv<br />

sind.“ Dr. Fort schloss mit den Worten, dass<br />

Kissingers Reaktion auf ihn neurotisch gewesen<br />

sei, und dass dieser seinen Jugendfreund<br />

hasse, weil er ihn „nur Momente, nachdem er<br />

sich im Scheinwerferlicht der Welt an einer<br />

Pressekonferenz gesonnt hatte“, in die jüdischen<br />

Erinnerungen zurückwarf, die er sein<br />

Leben lang zu unterdrücken versucht hatte.<br />

„Sie bemerkten sicher, wie er hochging, als<br />

ich seinen Namen Heinz erwähnte. Er verachtet<br />

mich deswegen zutiefst … Sag Yitzchak<br />

Rabin, dass er vorsichtig sein soll, wenn er<br />

mit unserem Aussenminister zu tun hat. Sag<br />

ihm, dass er tief drinnen ein unsicherer und<br />

paranoider Jude ist.“<br />

Rabins Beziehung zu Kissinger war ambivalenter<br />

als die obige Beschreibung andeutet,<br />

und es gab ausser Momenten der Spannungen<br />

auch solche der Nähe. Und manche spätere<br />

Premierminister berieten sich weiterhin mit<br />

Kissinger über geopolitische Fragen, als er<br />

schon nicht mehr im Amt war.<br />

In der kalten Äusserung über Juden, die in<br />

die Gaskammern gehen, hören wir jedoch<br />

eindeutig sowohl den Wunsch, sich bei Vorgesetzten,<br />

sogar antisemitischen, anzubiedern,<br />

und die Überkompensierung, eine motionale<br />

Identifizierung zu verstecken, wie sie von Dr.<br />

Fort beschrieben wurde.<br />

Nach dem Feuer:<br />

So wenig Eingriffe wie möglich<br />

Feuer gelöscht war, berief der israelische<br />

Umweltminister Gilad Erdan ein erstes Regierungskomitee<br />

wegen der Sanierung des<br />

Pflanzen- und Tierlebens für die Region des<br />

Carmel-Waldes ein. Das Komitee ist sich einig,<br />

dass eine natürliche Regeneration die beste<br />

Vorgehensweise ist und dass im kommenden<br />

Jahr im Carmel keine Neupflanzungen<br />

stattfinden sollten. Das Komitee schlug aber<br />

vor, dass Pufferzonen mit einem spärlichen<br />

Pflanzenbewuchs zwischen Ortschaften und<br />

Strassen geschaffen werden sollten, um die<br />

Ausbreitung von Feuern auf bewohnte Gebiete<br />

zu verhindern In grossen Waldgebieten sollen


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

Pufferzonen die Ausbreitung zwischen den<br />

Wäldern verhindern.<br />

Etwa 46 Millionen Dollar werden für eine<br />

Sanierung benötigt werden, schätzte das<br />

Komitee. Das beinhaltet die Verhinderung<br />

von Bodenerosion und Reparaturen von<br />

Wanderwegen, Strassen, Lagerplätzen und<br />

Aussichtspunkten.<br />

Nicht alles wurde wahllos verbrannt. In<br />

manchen Plätzen übersprang das Feuer einen<br />

Hügel, ein Tal oder ein Feld; in anderen<br />

wurden Häuser verschont. Boneh sagte, dass<br />

er fand, dass einige der Baumgruppen, die er<br />

zu Beginn seiner Karriere angepflanzt hatte,<br />

nur teilweise beschädigt wurden. Er nannte<br />

die überlebenden Bäume „einen guten Beginn<br />

für die nächste Generation“.<br />

Ido Izhaki, der Leiter des Carmel- Forschungszentrums<br />

der Universität Haifa, erforscht<br />

die Carmel-Region seit einem bedeutenden<br />

Feuer dort im Jahr 1989. Er geht damit einig,<br />

dass es ein Fehler wäre, nach dem Feuer in<br />

grossem Ausmass neue Bäume zu pflanzen.<br />

„Der Wald muss in Ruhe gelassen werden,<br />

damit er sich erholen kann, ohne menschliche<br />

Einmischung“, sagte Izhaki.<br />

<strong>Die</strong> meisten verbrannten Bäume waren<br />

Allepo-Pinien. Samen der massiven Bäume,<br />

die sich an Waldbrände angepasst haben, wurden<br />

aus den Pinienzapfen durch die Hitze des<br />

Feuers gelöst und durch Winde weit verbreitet.<br />

<strong>Die</strong> Ärzte des berühmten Bikur Cholim-Spitals<br />

in Jerusalem demonstrierten am Sonntag<br />

in der Stadt und forderten Unterstützung, um<br />

sicherzustellen, dass die bekannte Institution<br />

nicht wegen Geldmangels schliessen muss.<br />

<strong>Die</strong> Spitalleitung kündigte letzte Woche an,<br />

dass sie sich inmitten eines finanziellen Rehabilitationsprogramms<br />

befinde und dass das<br />

Spital ohne unmittelbare Hilfe der Regierung<br />

von 30 Millionen Schekeln seine Türen im<br />

nächsten Monat schliessen müsste.<br />

Das Bikur Cholim Spital wurde im Jahr 1826<br />

in einem Wohngebäude in der Altstadt von<br />

Jerusalem gegründet und zog im Jahr 1854<br />

in ein eigenes Gebäude. Das gegenwärtige<br />

Gebäude, an der Ecke von Jaffa und King<br />

George-Strasse, wurde im Jahr 1925 fertiggestellt,<br />

während das Spital der Altstadt<br />

weiterhin bis zum Jahr 1947 Chronischkranke<br />

betreute.<br />

Etwa 650 Leute sind gegenwärtig im Bikur<br />

Cholim Spital angestellt, das 200 Betten hat,<br />

darunter fast 120 Ärzte, 225 Schwestern, 125<br />

Sanitäter und 180 administrative und andere<br />

Angestellte. Etwa 6000 Babies werden dort<br />

jährlich geboren, und 5000 Operationen<br />

durchgeführt.<br />

Der Vorsitzende des Knesset Finanzkomitees,<br />

5<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Dr. Schlomo Adler sl.,<br />

London, niftar<br />

Am Montag verlor die jüdische Welt einen ihrer bekanntesten Ärzte. Dr. Schlomo Adler aus<br />

London war seit frühester Jugend ein erfolgreicher Arzt und behandelte in seinem reicherfüllten<br />

Leben nebst tausenden Jehudim viele Admurim und Gedolim. Reb Itzikel sZl. aus Antwerpen,<br />

der auch zu seinen Patienten gehörte, sagte bei einer Gelegenheit: „Der Malech Refoel steht<br />

ihm zu Seite. <strong>Die</strong> sei das Geheimnis seines Jahrzehte langen Erfolgs!“ Einmal entdeckte ihn<br />

ein Reisender an der Seite einer Autobahn weinend in seinem Auto sitzend. Auf die Frage,<br />

was geschehen sei, ob er ihm vielleicht helfen könne, antwortete Dr. Adler: „Ich dawene für<br />

einen Patienten!“ Wir werden sGw. in der nächsten DJZ-Ausgabe diese grosse Persönlichkeit<br />

versuchen zu würdigen.<br />

<strong>Die</strong>se Samen werden in einigen Wochen zu<br />

spriessen beginnen, meint Boneh. Zu einem<br />

gewissen Punkt, sagte er, könnten Förster sich<br />

mit einem „selektiven Ausdünnen“ befassen,<br />

um die Dichte des neuen Waldes zu begrenzen<br />

und jungen Bäumen beim Wachsen zu helfen,<br />

und auch mit etwas Anpflanzungen, um eine<br />

Sortenvielfalt sicherzustellen. So wird ein<br />

gemischter Wald mit einer Neueinführung von<br />

Laubbäumen wie Eichen, Johannisbrot und<br />

anderen Sorten, die im Gebiet vorkommen,<br />

geschaffen werden. Einige dieser Bäume werden<br />

auch bald beginnen, sich zu regenerieren,<br />

wobei die Baumstumpfe der zerstörten Bäume<br />

zu spriessen beginnen werden.<br />

Brände haben positive Auswirkungen auf das<br />

Wachstum des Waldes, sagte Izhaki. Nach<br />

Bikur Cholim-Spital:<br />

Rettungsbemühungen in „letzter“ Minute<br />

Moshe Gafni (Vereinigtes Torajudentum),<br />

sagte, dass eine Schliessung des Spitals „um<br />

jeden Preis verhindert werden muss“, während<br />

sein Partei-Kollege, Vize-Gesundheitsminister<br />

Yaacov Litzman, das Finanzministerium<br />

aufrief, den Finanzplan zu akzeptieren und<br />

die fehlenden 30 Millionen Schekel zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

Dr. Effie Halpern, der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft<br />

in Bikur Cholim, hob die<br />

Wichtigkeit hervor, in der Stadt Jerusalem ein<br />

Spital zu führen: „Nach dem schrecklichen<br />

Terroranschlag im Jahr 2001 im Sbarro Restaurant,<br />

bei dem 16 Menschen getötet wurden,<br />

konnte ich den Verletzten in Sekundenschnelle<br />

einem massiven Feuer in den Carmel- Bergen<br />

im Jahr 1989 „beobachteten wir die Entwicklung<br />

von Flora und Fauna in der Region und<br />

bemerkten, dass der Wald ungefähr 15 bis<br />

20 Jahre nach dem Feuer in Bezug auf die<br />

Vielfalt seiner Tier- und Pflanzenwelt einen<br />

Höhepunkt erreicht hat. <strong>Die</strong>s deutet daraufhin,<br />

dass nach solch einer Zeitspanne der Wald<br />

mehr Sorten der Tier- und Pflanzenwelt beherbergen<br />

wird als vor dem Feuer.“<br />

Feuer sind jedoch für die biologische Diversität<br />

nur von Vorteil, wenn sie selten stattfinden.<br />

Heute ist die Häufigkeit von Bränden<br />

zu hoch und deshalb wird auch die Erholung<br />

des Waldes wahrscheinlich länger dauern,<br />

sagte Izhaki.<br />

JTA<br />

sofortige Hilfe leisten, bevor die Ambulanzen<br />

des Magen David Adom sich einen Weg durch<br />

den Stadtverkehr bahnen konnten. Ich rufe<br />

die Bewohner Jerusalems auf, ihre Apathie<br />

abzulegen. Unsere Notfallstation ist für Hunderttausende<br />

von Bewohnern, die jeden Tag<br />

in der Stadt arbeiten und sie besuchen oder in<br />

der Nähe wohnen, von grosser Wichtigkeit.“<br />

Das Spital wurde vor ungefähr zwei Jahren<br />

vom russisch-jüdischen Milliardär Arcadi<br />

Gaydamak gekauft, der versprach, es während<br />

fünf Jahren zu führen. In der Folge wurden<br />

die Versprechungen nicht gehalten und es ist<br />

jetzt ein bitterer Rechtsstreit t im Gang.<br />

JTA


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

6<br />

Spannungen mit der Türkei erhöht<br />

Nach Abkommen mit Zypern<br />

über Meeresgrenzen<br />

<strong>Die</strong> bisher schon gespannten Beziehungen<br />

zwischen Israel und der Türkei haben sich<br />

am Sonntag wegen einer Meinungsverschiedenheit<br />

über eine Vereinbarung zwischen<br />

Israel und Zypern, die ihre Seegrenzen<br />

festlegt, um die Suche nach Bodenschätzen<br />

im östlichen Mittelmeer zu erleichtern, noch<br />

verschlimmert.<br />

Es wurden im Gebiet riesige Erdgas-Reserven<br />

entdeckt.<br />

Gabi Levi, Israels Botschafter in der Türkei, ist<br />

vom türkischen Aussenministerium kritisiert<br />

worden, nachdem Uzi Landau, der Minister<br />

für nationale Infrastruktur, die Vereinbarung<br />

mit Zypern am Freitag unterzeichnet hat.<br />

Der Untersekretär des türkischen Aussenministeriums,<br />

Feridun Sinirliofgli, warnte den<br />

israelischen Gesandten, dass die Vereinbarung<br />

einen negativen Einfluss auf die Verhandlungen<br />

haben würde, die Teilung von Zypern zwischen<br />

der türkischen und griechischen Seite<br />

zu beenden. „Solche einseitige Schritte, die<br />

den Willen der türkisch-zypriotischen Seite<br />

ignorieren, werden den Gesprächen über die<br />

Einheit der Insel schaden“, soll Sinirlioglu<br />

gesagt haben.<br />

Eine Quelle der israelischen Regierung<br />

lehnte die Einwände der Türkei gegen die<br />

Vereinbarung am Sonntag ab, meldete Radio<br />

Israel. Es gebe keine Verbindung zwischen<br />

der türkisch-zypriotischen Seegrenze und<br />

der israelisch-zypriotischen Seegrenze. Sie<br />

fügte hinzu, dass die türkischen Ansprüche<br />

auf das Seegebiet aufgrund ihrer Besetzung<br />

des nördlichen Zyperns eine „Chutzpa sei, die<br />

in der internationalen Arena beispiellos ist“.<br />

<strong>Die</strong> Türkei lehnt die griechisch-zypriotische<br />

Suche nach Öl und Gas innerhalb der <strong>51</strong>‘000<br />

Quadratkilometer grossen, exklusiven Wirtschaftszone<br />

an deren südlicher Küste ab und<br />

sagt, auch sie besitze im Gebiet Rechte und<br />

Interessen.<br />

Der Iran hat das jährliche Budget an die<br />

Hizbolla um über 40% gekürzt, was bei der<br />

libanesisch-schiitischen Guerilla Organisation<br />

eine Krise ausgelöst hat. <strong>Die</strong>s erfolgt laut<br />

israelischen Geheimdienst-Einschätzungen<br />

nur Wochen, bevor ein Uno Tribunal die<br />

Hizbolla wahrscheinlich beschuldigen wird,<br />

den früheren libanesischen Premierminister<br />

Zypern wurde im Jahr 1974 in einen<br />

griechisch-zypriotischen Süden und einen<br />

türkisch-zypriotischen Norden aufgeteilt, als<br />

die Türkei als Reaktion auf einen Coup von<br />

Anhängern einer Vereinigung mit Griechenland<br />

einmarschierte. <strong>Die</strong> Insel schloss sich<br />

2004 der EU an, aber nur der international<br />

anerkannte Süden geniesst die Vorteile der<br />

Mitgliedschaft. <strong>Die</strong> Türkei anerkennt dagegen<br />

nur den abgesplitterten Norden, wo sie 35‘000<br />

Truppen stationiert hat.<br />

Zypern hat ähnliche Vereinbarungen mit<br />

Ägypten und Libanon geschlossen, aber das<br />

libanesische Parlament hat die Vereinbarung<br />

noch nicht ratifiziert. Der zypriotische<br />

Energie-Direktor Solon Kassinis sagte, dass<br />

die zypriotische Vereinbarung mit Israel nicht<br />

im Widersprucht mit seiner Vereinbarung mit<br />

Libanon sei. Libanesische Abgeordnete haben<br />

erklärt, dass ein Teil von Israels kürzlich<br />

entdeckten Gasfeldern sich in libanesische,<br />

territoriale Gewässer ausdehnen. Israel hat<br />

die Behauptung zurückgewiesen.<br />

Der türkische Premierminister Recep Tayyip<br />

Erdogan erklärte am Montag zudem, dass<br />

es zwar vor kurzem hochrangige Gespräche<br />

zwischen dem türkischen Aussenministerium<br />

und Israel in Genf gegeben habe, dass es bei<br />

den türkischen Forderungen bezüglich der<br />

„israelischen Aggression gegen die humanitären<br />

Hilfsschiffe in Gaza“ und des „Mords“<br />

an neun türkischen Bürgern keine Änderungen<br />

gegeben habe.<br />

<strong>Die</strong>se Erklärungen waren Teil eines Interviews,<br />

in dem Erdogan die Beziehung<br />

zwischen Ankara und Damaskus, die Spannungen<br />

zwischen der Türkei und Israel, die<br />

israelisch-palästinensischen und israelischsyrischen<br />

Friedensgespräche besprach, und<br />

die türkischen Bemühungen ausdrückte, den<br />

Weg zu einer Erzielung des Friedens und der<br />

Stabilität im Nahen Osten zu finden.<br />

Hizbolla: Iran soll die Hilfe<br />

um 40% gekürzt haben<br />

Rafik Hariri 2005 ermordet zu haben.<br />

Der Iran hat der Hizbolla in den letzten<br />

Jahren fast eine Milliarde Dollar an direkter<br />

militärischer Hilfe geliefert, aber wegen der<br />

Auswirkungen der kürzlichen Runde von<br />

internationalen Sanktionen sei die Islamische<br />

Republik gezwungen, die Finanzierung zu<br />

reduzieren. Das Geld war von der Hizbolla<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

Bezüglich der wachsenden Spannungen zwischen<br />

der Türkei und Israel sagte Erdogan,<br />

dass die Normalisierung der Beziehungen<br />

mit Israel davon abhängig sei, dass Israel sich<br />

bei der türkischen Republik entschuldige und<br />

Entschädigungen bezahle.<br />

Erdogan kritisierte die USA und EU wegen<br />

deren Haltung im Menschenrechtsrat bezüglich<br />

der Flottille und sagte: „Wir haben<br />

unser äusserstes Bedauern über diese Haltung<br />

ausgesprochen …. Wir haben eine andere<br />

Haltung von diesen Ländern erwartet, die sich<br />

als Pioniere der Freiheit ausgeben und die<br />

Menschenrechte verteidigen und so tun, als<br />

ob sie die einzigen sind, die für diese Werte<br />

und Rechte kämpfen.“<br />

Der türkische Premierminister machte Israel<br />

für das Scheitern der Friedensgespräche verantwortlich<br />

und erklärte, dass Israel Handlungen<br />

„Misstrauen“ bezüglich seines Wunsches,<br />

einen Frieden zu erzielen, auslösten.<br />

Was einen möglichen, syrisch-israelischen<br />

Friedensvertrag betrifft, so behauptet Erdogan,<br />

dass Syrien durch einen türkischen Vermittler<br />

zu den Verhandlungen zurückkehren<br />

wolle. Erdogans Vision dehnt sich auch auf<br />

die restliche Region aus. Er sagte : „Was die<br />

Türkei sich wünscht, ist die Erzielung eines<br />

Friedens und einer Stabilität im Nahen Osten,<br />

wegen ihrer Überzeugung, dass die Völker<br />

der Region nur durch diesen Weg einen respektablen<br />

Lebensunterhalt und Wohlstand<br />

erzielen werden.“ Zu diesem Zweck betonte<br />

der türkische Premierminister das Kooperationsprojekt<br />

des Quartetts zwischen Syrien, der<br />

Türkei, Libanon und Jordanien und erklärte,<br />

dass ein Fortschritt dieses Projekts Frieden,<br />

Stabilität und Wohlstand in der Region<br />

erzielen werde. Erdogan sagte, dass die Zusammenarbeit<br />

zwischen diesen vier Ländern<br />

von historischen und kulturellen Beziehungen<br />

zwischen ihren Völkern herrühre. JTA<br />

zum Kauf von hoch entwickelten Waffen, zur<br />

Ausbildung und Bezahlung ihrer Funktionäre<br />

und zur Etablierung von militärischen Positionen<br />

und deren Erhaltung in ganz Libanon<br />

verwendet worden.<br />

<strong>Die</strong> Kürzungen im Budget haben zu Spannungen<br />

zwischen der Hizbolla und ihren<br />

iranischen Gönnern geführt. <strong>Die</strong>se wurden


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

durch Meinungsverschiedenheiten zwischen<br />

der hochrangigen Hizbolla-Führung und dem<br />

Offizier des Revolutionsgarde-Corps, der zu<br />

Beginn dieses Jahres zur Überwachung der<br />

Hizbolla-Operationen zugunsten der Islamischen<br />

Republik eingesetzt wurde, noch weiter<br />

verschärft. Der Offizier ist Hossein Mahadavi,<br />

und sein offizieller Titel ist „Kommandant von<br />

Irans Übersee-Abteilung“, was in diesem Fall<br />

die Hizbolla ist.<br />

Mahadavi soll ein Büro in Beirut führen und ist<br />

ein ranghohes Mitglied der Al Quds- Truppe<br />

der Garden, die für die Übersee-Operationen<br />

des Irans verantwortlich ist. Mahadavi wurde<br />

nach Libanon entsandt, um das Vakuum zu<br />

füllen, das durch die Ermordung des hochrangigen,<br />

militärischen Kommandanten Imad<br />

Mughniyeh in Syrien entstanden ist, für dessen<br />

Mord die Gruppe Israel verantwortlich macht.<br />

Mughniyeh war auch die Haupt-Kontaktperson<br />

zwischen der libanesischen Gruppe und<br />

der Revolutionsgarde.<br />

Laut Informationen, die nach Israel gelangt<br />

sind, ist Mahadavi mit ranghohen Hizbolla-<br />

I s r a e l a k t u e l l<br />

PolItIk<br />

Nach einer hitzigen Debatte wurde<br />

das Armee-Gijur-Gesetz mit grossem Mehr<br />

verabschiedet, 74 der Knessetmitglieder, inklusive<br />

Chaim Amsalem (Schass) stimmten<br />

für das Gesetz, und nur 18 dagegen. Vor der<br />

Abstimmung sprach Knessetmitglied Rav<br />

Mosche Gafni von der „Jahadut Hatora“-<br />

Partei: „Man missbraucht also die Armee. Ich<br />

möchte wissen, warum keiner der Knessetmitglieder<br />

ein Gesetz vorschlug, dass ermöglicht,<br />

dass ein Sanitätssoldat, nachdem er einen Offizierskurs<br />

absolvierte, ein Arztdiplom erhalten<br />

kann? Weshalb kann ein Kampfingenieur kein<br />

Ingenieurdiplom erhalten? Es gibt manche,<br />

die denken, dass der Gijur eine Angelegenheit<br />

ist, die einfach so geschehen kann. Wer eine<br />

Konversion durchführen kann, ist in jeder<br />

Religion das religiöse Oberhaupt, in diesem<br />

Fall also der Oberrabbiner. Ihr möchtet das<br />

Volk teilen. Bin ich immer darüber erfreut,<br />

was im Oberrabbinat geschieht? Ich beuge<br />

aber mein Haupt und sage: „Es lohnt sich,<br />

dass ich für die Einheit des jüdischen Volkes<br />

verzichte. Ihr aber vernichtet das jüdische<br />

Volk. Schämt euch!“<br />

Viele Quartiere von Jerusalem sind<br />

im Verlauf der Jahre charedisch geworden,<br />

während jedoch die Gemeindeabläufe noch<br />

immer von den Säkularen geleitet wurden,<br />

die vor langer Zeit die Mehrheit dieser Quar-<br />

7<br />

Beamten, darunter deren Generalsekretär<br />

Scheich Hassan Nasrallah, wegen wichtigen<br />

Themen, die die Gruppe betreffen, in Konflikt<br />

geraten, die sich weigert, die Autorität des<br />

Iraners zu akzeptieren.<br />

Israel ist besorgt, dass die bevorstehende<br />

Bekanntgabe der ersten Runde von Anklagen<br />

durch das Sondertribunal der Uno für Libanon,<br />

das Hariris Tod untersucht, zu regionaler<br />

Instabilität führen könnte, je nachdem wie<br />

die Hizbolla auf die Untersuchungsergebnisse<br />

reagiert. Nasrallah hat erklärt, dass die<br />

Hizbolla nicht ruhig zusehen werde, sondern<br />

seinen hohen Funktionären erlauben werde,<br />

den Fall in eine zionistische Verschwörung<br />

umzuwandeln.<br />

<strong>Die</strong> vorherrschende Einschätzung im des<br />

nördlichen Kommandos der israelischen Armee<br />

ist, dass die Hizbolla sich zurückhalten<br />

wird, Israel anzugreifen- dies als Teil einer<br />

Anstrengung, die Aufmerksamkeit von den<br />

Ergebnissen des Tribunals abzuwenden.<br />

JTA<br />

tiere bildeten. <strong>Die</strong>se sollten eigentlich allen<br />

Einwohnern dienen, was normalerweise aber<br />

nicht zutraf. Letzte Woche fanden nun die<br />

Wahlen von fünf Gemeindeleitungen statt,<br />

an denen sich 20‘000 Personen beteiligten.<br />

In allen charedischen Quartieren wurden die<br />

charedischen Kandidaten gewählt. Zu den<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Überraschungen zählte dabei Rav N. Z. Kopoloviz,<br />

Rosch Jeschiwat Mewaksche Haschem,<br />

ein Einwohner von Arse Habira, sowie der<br />

Askan R. Joel Klopfer, ein Einwohner von<br />

Ramat Eschkol.<br />

allgemeInes<br />

Der ehemalige Bürgermeister von<br />

Tel Aviv – Jaffo, R. Mordechai Jizhari,<br />

organisierte vor fünfzehn Jahren in seinem<br />

Büro ein Mincha-Minjan. Täglich pflegten<br />

einige Angestellte zu kommen, um mit einem<br />

Minjan Mincha zu beten. Nachdem er seine<br />

Stellung verliess, beteten die Angestellten<br />

weiterhin im Sitzungszimmer des Stadthauses.<br />

<strong>Die</strong>se Woche wurde im Stadthaus nun unter<br />

Teilnahme des Oberrabbiners von Tel Aviv<br />

– Jaffo, Rav Jisrael Meir Lau schlit“a und<br />

des Bürgermeisters Ron Chuldai sowie des<br />

ehemaligen Vize- Bürgermeister Mordechai<br />

Jizhari eine herrliche Synagoge eingeweiht. In<br />

die Synagoge wurde etwa eine halbe Million<br />

Schekel investiert und auch eine Sefer Tora<br />

eingeweiht, die der Leiter der Zahlungsabteilung,<br />

Herr Malchi spendete. <strong>Die</strong> Synagoge<br />

erhielt den Namen „Malche Jisrael“. <strong>Die</strong><br />

Angestellten waren über diesen Anlass hoch<br />

erfreut. Von nun an werden sie dort auch täglich<br />

um 6.45 Uhr das Morgengebet verrichten<br />

können. Bald sollen in der neuen Synagoge<br />

auch Schiurim stattfinden.<br />

Über 80 religiöse Juden befanden sich<br />

am letzten Freitagmittag auf einem Flug von


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Genf nach Israel. Der Flug, der frühmorgens<br />

hätte abfliegen sollen, wurde aufgehalten und<br />

startete erst zur Mittagszeit. Den Passagieren<br />

wurde klar, dass sie nur wenige Minuten vor<br />

Schabbat landen würden, was einer minuziösen<br />

Organisation bedurfte. <strong>Die</strong> Flugzeug-<br />

Crew wandte sich an die israelische Flughafenbehörde,<br />

wo man mit Rav Almaliach,<br />

dem Flughafen-Rabbiner Kontakt aufnahm.<br />

<strong>Die</strong>ser setzte sogleich Chabad Chassidim in<br />

Lud in Aktion, die sofort damit begannen,<br />

für die Passagiere, die im Flughafen bleiben<br />

mussten, den Schabbat zu organisieren. Das<br />

Flugzeug landete um 15.55, etwa fünfzehn<br />

Minuten vor Schabbat-Eingang. Ein Teil der<br />

Passagiere, diejenigen mit Kleinkindern,<br />

begaben sich so schnell wie möglich nach<br />

Kfar Chabad, wo man ihnen Wohnungen<br />

zur Verfügung stellte und sie bei Familien zu<br />

Gast waren. Eine weitere Gruppe musste am<br />

Flughafen bleiben. Auch dort verbrachten sie<br />

aber einen schönen Schabbat. <strong>Die</strong> Passagiere<br />

hielten sich in einem besonderen Saal auf, den<br />

ihnen die Flughafenbehörde zur Verfügung<br />

stellte. <strong>Die</strong> Schabbat-Gebete fanden in der<br />

Flughafensynagoge statt. SAKA organisierte<br />

vor Schabbat 80 Matratzen, die in einen speziellen<br />

Saal gebracht wurde.<br />

WIrtschaft<br />

<strong>Die</strong> Organisation SAKA zog eine Lehre<br />

aus dem Waldbrand im Carmel und gründet<br />

nun eine „Lösch-Einheit“, die auf Freiwilligen<br />

beruht, die schichtweise Patrouillen in<br />

den Wäldern des Carmels und im Norden<br />

des Landes durchführt. Es handelt sich um<br />

eine erste Reaktionskette. Geländegängige<br />

Traktoren werden mit einem fortschrittlichen<br />

Löschsystem ausgerüstet sein, das in kürzester<br />

Zeit an Brandherde gelangen kann, um diese<br />

zu löschen. <strong>Die</strong> Löschtraktoren-Einheit soll<br />

nach den drei Polizeiobersten benannt werden,<br />

die beim Carmel-Unglück ums Leben<br />

kamen, während sie Menschenleben zu retten<br />

versuchten: Ahuva Tomer, Lior Boker und<br />

Jizchak Melina.<br />

DIe JüDIsche Welt<br />

Amsterdam. <strong>Die</strong> Söhne des Amsterdamer<br />

Rabbiners, Rav Refael Evers, beschlosens,<br />

nach Israel auszuwandern. Der zunehmende<br />

Antisemitismus in der Stadt und in ganz<br />

Holland lasse ihnen keine andere Wahl. „Amsterdam<br />

ist für Juden kein sicherer Ort mehr“,<br />

sagte Ben Zion Evers in einem Interview mit<br />

der <strong>Zeitung</strong> „Het Parool“. „Nicht, dass man<br />

das Haus nicht verlassen kann. Man muss sich<br />

8<br />

aber die ganze Zeit verbergen, aufpassen und<br />

gut darüber nachdenken, wohin man lieber<br />

nicht gehen sollte“. Evers erzählte, dass er in<br />

letzter Zeit sein Käppchen unter einem grossen<br />

Pelzhut verberge. Das Interview wurde<br />

in der holländischen Presse oft zitiert. Eine<br />

der <strong>Zeitung</strong>en veröffentlichte gar folgende<br />

Schlagzeile: „<strong>Die</strong> Geschichte wiederholt<br />

sich!“ Fünf von Evers’ Geschwistern haben<br />

Holland bereits verlassen, während auch er<br />

seine Koffer packt. „Sechzig Prozent der<br />

hiesigen jüdischen Gemeinde zieht weg oder<br />

beabsichtigt, wegzuziehen“, schätzt er. „Nur<br />

die Auswanderung ist für die Juden Hollands<br />

eine Lösung“. In Amsterdam gibt es zahlreiche<br />

Einwanderer aus Marokko und der Türkei,<br />

die in den letzten Jahren den Judenhass mit<br />

vermehrter Kritik am Staat Israel förderten.<br />

Washington. Der Vorsitzende der amerikanischen<br />

Agudat Jisrael, David Zwiebel,<br />

sandte US-Präsident Barack Obama im Namen<br />

der Agudat Jisrael zum neuen Jahr einen<br />

fünfseitigen Brief. In diesem fordert Zwiebel<br />

Obama auf, Jonathan Pollard freizulassen. Er<br />

schreibt: „In der Festtagsstimmung, in der der<br />

Präsident gewöhnlich Gefangene begnadigt,<br />

bitten wir um die Begnadigung von Jonathan<br />

Pollard, der sehr krank, schwach und ein<br />

gebrochener Mensch ist.“ Zwiebel erklärt<br />

in seinem Brief, dass Pollards Verbrechen<br />

zwar schwer gewesen seien, die Strafe, die er<br />

verbüsste, stehe jedoch in keinem Verhältnis<br />

dazu. Zwiebel legte dem Präsidenten eine<br />

Kopie des Briefs bei, den ihm das Kongressmitglied<br />

Bernie Frank aus Massachusetts<br />

geschickt hatte, auf dem die Unterschriften<br />

von über 30 Kongressmitgliedern aufgeführt<br />

sind, die den Präsidenten um die Begnadigung<br />

Pollards ersuchten. „Wir bestreiten Pollards<br />

Vergehen nicht, weisen aber in Anbetracht<br />

anderer Spione, die wegen ähnlicher Vergehen<br />

bestraft wurden auf die fehlende Verhältnismässigkeit<br />

der Strafe hin,“, hiess es in dem<br />

Brief der amerikanischen Kongressmitglieder<br />

an Obama unter anderem.<br />

USA. Mariosch Vadzikonsky, der schuldig<br />

gesprochen wurde, vor etwa drei Jahren<br />

Dutzende Gräber auf dem jüdischen Friedhof<br />

von Chicago geschändet zu haben, wurde<br />

vom staatlichen Gericht zu sieben Jahren Haft<br />

verurteilt. Zu Beginn seiner Verhandlung stritt<br />

Vadzikonsky seine Schuld ab und beschloss<br />

erst kürzlich, seine Tat zu gestehen. <strong>Die</strong> Anklage<br />

findet, dass die Strafe Vadzikonskys, einem<br />

polnischen Einwanderer, der seit 2004 in den<br />

USA lebt, angemessen sei. Praktisch sieht es<br />

aber so aus, als werde Vadzikonsky nur einige<br />

Monate hinter Schloss und Riegel verbringen,<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

USA. Nach vergeblichen Versuchen, die<br />

Strafe aufzuheben, begab sich der Spinker<br />

Rebbe in Begleitung von Anhängern und<br />

Chassidim ins „Port Davens“-Gefängnis<br />

von Massachusetts. Der Rebbe wurde zu<br />

drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er sich<br />

geweigert hatte, den Behörden die Namen von<br />

Steuersündern bekannt zu geben. Der Rebbe<br />

erhielt vorteilhafte Haftbedingungen, die<br />

Gefängnisbehörde gestattete ihm, anstelle der<br />

Gefängnisuniform weiterhin seine gewohnte<br />

Kleidung zu tragen. Er darf auch mit Tallit und<br />

Tefillin beten. <strong>Die</strong> amerikanische Gefängnisleitung<br />

gestattet es normalerweise nicht, dass<br />

Häftlinge Tefillin mit in ihre Zelle bringen. Der<br />

Rebbe erhielt ein Einzelzimmer, in dem sich<br />

ein Kühlschrank und ein Mikrowellengerät<br />

befinden, die gekaschert wurden. Er wird<br />

Mahlzeiten mit einem Hechscher erhalten.<br />

Der Rebbe wird beten und lernen dürfen, ohne<br />

wie die anderen Häftlinge arbeiten oder zum<br />

Appell antreten zu müssen.<br />

da seine Strafe wegen guter Führung verkürzt<br />

wird. Er befindet sich bereits seit seiner Festnahme,<br />

die vor etwa drei Jahren einige Tage<br />

nach der Tat erfolgte, im Gefängnis.<br />

Antwerpen. Ein Molotow-Cocktail wurde<br />

am Sonntagmorgen um 6.30 Uhr auf die<br />

„Kahal Chassidim“- Synagoge geworfen. Zu<br />

diesem Zeitpunkt befanden sich die ersten<br />

Beter auf ihrem Weg zum Morgengebet und<br />

bemerkten eine brennende Flaschenbombe<br />

auf dem Boden der Synagoge. Abgesehen<br />

vom versengten Boden entstand kein Schaden.<br />

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Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

VON J. ROSENBLUM<br />

Als ich in den USA aufwuchs, dachte ich nie<br />

viel über Gesetze nach, die die Leugnung<br />

des Holocausts strafbar machen. Ein solches<br />

Gesetz würde fast mit Sicherheit unter dem<br />

„First Amendment“ der US-Verfassung zu<br />

Fall gebracht werden.<br />

Solche Gesetze sind jedoch in Europa verbreitet.<br />

<strong>Die</strong> meisten Juden haben ein instinktives<br />

Verständnis für das Verbieten der Holocaust-<br />

Leugnung und empfinden Befriedigung,<br />

wenn ein europäischer Holocaust-Leugner<br />

eine Haftstrafe oder Busse erhält. Und in der<br />

Tat gibt es mindestens zwei gute Argumente<br />

zugunsten solcher Gesetze. Das erste hat mit<br />

dem speziellen Schmerz zu tun, den Opfer des<br />

Holocausts durch die Leugnung der Hölle,<br />

die sie durchmachten, und die erlebte unmenschliche<br />

Grausamkeit empfinden. Wenige<br />

von ihnen hätten sich in ihren schlimmsten<br />

Albträumen vorstellen können, dass es nur<br />

fünfzig Jahren nach ihrer Befreiung eine<br />

gesamte „Industrie“ geben würde, die sich<br />

der Leugnung ihres Leidens widmen würde.<br />

Das zwingendere Argument liegt aber in der<br />

Rolle der Holocaust-Leugnung im Arsenal<br />

der virulentesten, heutigen Antisemiten. Bis<br />

ich Professor Robert Wistrichs „A Lethal<br />

Obsession“ las, hatte ich nie voll verstanden,<br />

wie wichtig die Holocaust-Leugnung für die<br />

heutigen „Hitler Möchtegerne“ ist. Wistrich<br />

beschreibt, wie Holocaust-Leugner mit ihren<br />

Behauptungen die Flammen eines möglichen,<br />

tödlichen Antisemitismus entfachen. Für sie<br />

ist der „Holocaust-Mythus“ nur das jüngste<br />

Beispiel der jüdischen Manipulation – einer<br />

gigantischen Verschwörung, die fast die gesamte,<br />

westliche Welt einer Gehirnwäsche<br />

unterzogen habe und dazu verwendet werde,<br />

riesige Entschädigungen von den Deutschen<br />

zu fordern und um Mitgefühl für die Juden<br />

und den Staat Israel zu werben.<br />

Im Endeffekt jedoch sind Gesetze gegen die<br />

Leugnung des Holocausts wahrscheinlich eher<br />

kontraproduktiv. <strong>Die</strong> eigentliche Existenz<br />

solcher Gesetze wird von den Antisemiten<br />

als weiterer Beweis für ihre Behauptung<br />

herangezogen, dass die jüdischen Führer die<br />

europäischen Gesetzgeber in ihren Fängen<br />

haben. Noch schlimmer, sie könnten sogar<br />

die Glaubwürdigkeit für die Behauptungen<br />

der Leugner stärken. <strong>Die</strong> letzteren werden das<br />

Verbot der Holocaust-Leugnung als Beweis<br />

für die Macht ihrer Argumente anbringen.<br />

„Genau weil sie nicht widerlegt werden können“,<br />

behaupten die Leugner, „muss man ihre<br />

Ideen ausserhalb der legitimen Diskussion<br />

verbieten“.<br />

9<br />

Das mächtigste Argument gegen Gesetze,<br />

die eine Holocaust-Leugnung verbieten, hat<br />

jedoch nichts mit ihrer direkten Auswirkung<br />

zu tun. Solche Gesetze schaffen gefährliche<br />

Präzedenzfälle für andere Anstrengungen,<br />

unbequeme Diskussionen zu verbieten.<br />

Manche Gläubige der globalen Erwärmung<br />

zum Beispiel nennen ihre Gegner „Leugner“,<br />

um sie mit Holocaust-Leugnern in Verbindung<br />

zu bringen. Klassische Liberale werden durch<br />

ihre Betonung der „negativen Freiheit“, das<br />

Nichtvorhandensein von Grenzen bei Einzelnen,<br />

insbesondere in der Gedanken- oder<br />

Ausdrucksfreiheit vor der „Annahme der Unfehlbarkeit“<br />

geschützt. Wer Freiheit hinsichtlich<br />

der Selbstverwirklichung des Einzelnen,<br />

oder noch typischer der Gesamtheit, positiv<br />

empfindet, ist einer totalitären Versuchung<br />

unterstellt: <strong>Die</strong>se Selbstverwirklichung erfordert<br />

im Allgemeinen die zwingende Macht<br />

des Staats.<br />

<strong>Die</strong> totalitäre Versuchung wir bei Personen<br />

noch verstärkt, die in einem Umfeld aufgewachsen<br />

sind, in dem eine politische Meinung<br />

so dominant ist, dass es leicht ist, jemanden<br />

mit gegenteiligen Meinungen als geistig<br />

inkompetent oder moralisch verdorben zu<br />

verdächtigen,.<br />

Bezüglich keines Themas ist die Redefreiheit<br />

so gefährdet wie bezüglich des Islams und seiner<br />

Anhänger. Gemäss einer Entscheidung des<br />

Europarats, die am 28. November in Kraft trat,<br />

wird von allen Mitgliedern der EU gefordert,<br />

„Formen und Ausdrücke des Rassismus und<br />

Fremdenhasses“ strafrechtlich zu bekämpfen.<br />

Zwangsläufig werden diese Gesetze (auch)<br />

dazu verwendet werden, Kritiker des Islams<br />

und diejenigen, die vor den Gefahren der<br />

wachsenden, islamischen Bevölkerung Europas<br />

warnen, vor Gericht zu stellen.<br />

<strong>Die</strong>s wurde bereit getan. Elisabeth Sabaditsch-<br />

Wolff, eine frühere Mitarbeiterin des österreichischen<br />

Kanzlers Wolfgang Schüssel,<br />

wurde beschuldigt, in einer Rede 2009 über<br />

die „Islamisierung Europas“ „zu Hass gegen<br />

eine religiöse Gruppe“ und „Verleumdung<br />

der Religion“ aufgehetzt zu haben. Und ein<br />

Berufungsgericht in Amsterdam widerrief<br />

den Entscheid der holländischen Staatsanwaltschaft,<br />

Geert Wilders, den Leiter der<br />

Freiheitspartei, der den Koran mit „Mein<br />

Kampf“ verglich, nicht anzuklagen.<br />

Ein österreichisches Gericht auferlegte einem<br />

Pensionär sogar eine Busse, weil seine islamischen<br />

Nachbarn sich darüber beklagten,<br />

dass sein Jodeln wie der Ruf zum Gebet eines<br />

Muezzin klang und das für sie beleidigend sei.<br />

Sowohl im Fall Sabaditsch-Wolff als auch<br />

Wilders beruhten die Reden, für die sie an-<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Ist das Verbot der Holocaust-Leugnung<br />

weise?<br />

geklagt werden, vorwiegend aus Zitaten aus<br />

dem Koran und der islamischen Literatur.<br />

Wahrscheinlich waren diese Zitate tendenziös<br />

und einseitig. Sicherlich werden einige der<br />

Beispiele von Sabaditsch-Wolff bezüglich<br />

der Scharia (islamisches religiöses Gesetz)<br />

– z.B. islamischen Eltern, die ihren Töchtern<br />

das gemischte Schwimmen verbieten<br />

– von den meisten Amerikanern und allen<br />

religiösen Juden als legitime Ausübung der<br />

Religionsfreiheit betrachtet. Wenn jedoch<br />

der Kernpunkt einer Strafanzeige wegen<br />

Beleidigung des Islams auf direkten Zitaten<br />

aus islamischen Quellen besteht, dann wird<br />

die legitime Debatte über eine islamische<br />

Bedrohung für Europa blockiert.<br />

Indem sie versuchen, eine Diskussion des<br />

Islams unter der Rubrik „Bekämpfung der<br />

Islamophobie“ zu verbieten, verhelfen europäische<br />

Politiker dazu, ihre schlimmsten<br />

Albträume wahr werden zu lassen. <strong>Die</strong>se<br />

Albträume bedeuten Zusammenstösse zwischen<br />

Muslimen und eingeborenen Europäern,<br />

die empfinden, dass ihre Kultur unter dem<br />

Zustrom schlecht assimilierter Einwanderer<br />

in Gefahr ist. Das ist in der Tat möglich. Es<br />

verschlimmert aber die Gefahr, wenn man<br />

den Islam oder das Verhalten von Muslimen<br />

über jegliche Diskussion stellt, so dass sogar<br />

die Wahrheit keine Verteidigung mehr ist,.<br />

Nichts verursacht mehr Bitterkeit über das<br />

politische System, als das weit verbreitete<br />

Gefühl, dass das politische Spielfeld voreingenommen<br />

ist. Wenn Europäer sehen, dass nie<br />

Anklagen gegen lokale Imams wegen ihrer<br />

Hetze „gegen die Untreuen“ erhoben werden,<br />

oder dass das Christentum, jedoch nicht der<br />

Islam, straflos verspottet werden darf, wird<br />

ihr Zorn nur noch stärker anwachsen.<br />

Ausserdem machen Einschränkungen in der<br />

Diskussion über Themen von öffentlichem<br />

Interesse es weniger wahrscheinlich, dass<br />

angemessene Lösungen gefunden werden<br />

können. <strong>Die</strong> Sicherheit der Flughäfen in den<br />

USA ist ein gutes Beispiel dafür. <strong>Die</strong> Weigerung<br />

zuzugeben, dass potenzielle Terroristen<br />

aus einer kleinen und leicht erkennbaren<br />

Bevölkerung stammen, zwingt den Reisenden<br />

eine immense Last auf und bedeutet einen<br />

Sieg für den Terror.<br />

<strong>Die</strong> wachsende, islamische Bevölkerung in<br />

Europa, insbesondere wenn diese Bevölkerung<br />

radikaler wird, bedeutet für die europäische<br />

Zivilisation eine Bedrohung, und wenn<br />

man so tut, als ob dies nicht wahr ist, wird es<br />

die Gefahr nicht entfernen.<br />

Verbote der Holocaust-Leugnung dienen als<br />

Beispiel für die Einmischung der Regierung<br />

in die freie Gedankenwelt.


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

,una ‘p<br />

17. - 24. Tewes<br />

24. - 31. Dezember<br />

Fr. Schab. So. Mo-Fr. So.-Do. Fr.<br />

Eing/ Mincha Schach. Mincha Ausg. Schach. Schach. Mincha Maariv Eing./ Mincha<br />

Lichtz. Lichtz.<br />

Agudas Achim 16.19 16.40 8.30 15.40 17.35 800/30 7.17 13.00 1735/1845 16.24 16.45<br />

16.39 8.45 16.25 900/30 7.42 13.15 21.30 16.44<br />

usw. 800/30 16.50 22.00<br />

IRG Zürich 16.20 16.20 7.30 16.05 17.35 7.15 7.15 1259/1630 1915/2000 16.25 16.25<br />

8.30 8.00 7.48 21.45<br />

Machsike Hadass ZH 16.19 16.50 9.00 16.20 17.35 8.00 7.17 16.55 17.35 16.24 16.55<br />

ICZ 16.20 16.20 9.00 16.30 17.35 8.45 7.15 18.15 16.30 16.30<br />

Bels 16.21 16.41 9.00 16.45 17.55 21.30 16.27 16.47<br />

Brunau 16.19 16.40 9.15 16.25 17.35 8.00 7.17 21.15 16.24 16.45<br />

Chabad 16.20 16.20 9.30 16.10 17.35 8.15 7.15 20.30 16.25 16.25<br />

Esra Chabad 16.20 Mar.1800 9.30 17.35 16.25 Mar.1800<br />

Gur 16.19 16.25 8.00 16.10 17.35 8.00 7.<strong>51</strong> 21.30 16.24 16.30<br />

Jeschiwa LeZe’irim 16.00 8.00 15.50 17.35 7.40 7.40 15.00 21.30 16.05<br />

Mendel-Heim 16.20 16.20 9.30 13.15 17.35 16.25 16.25<br />

Sichroin Moische 16.19 16.20 9.00 16.20 17.35 16.24 16.35<br />

Sikna 16.20 16.20 9.00 16.50 17.35 8.00 7.15 16.25 16.25<br />

Wollishofen 16.20 16.20 8.45 16.20 17.35 8.00 7.10 16.25 16.25<br />

Isr. Kultusgem. Baden 16.22 Mar.1830 9.30 17.27 16.27 Mar.1830<br />

IRG Basel 16.30 16.30 8.15 16.00 17.32 730/830 7.05 16.35 19.45 16.30 16.30<br />

IGB Basel 16.25 16.25 8.30 16.52 17.32 7.45 7.05 16.25 16.30 16.30<br />

Machsike Hadass GE 16.38 16.40 9.00 16.30 17.47 8.00 7.15 13.30 20.00 16.43 16.40<br />

Margoa Lengnau 16.20 8.30 17.35 16.25<br />

JG Luzern 16.20 16.25 8.30 16.05 17.34 7.45 7.45 16.35 16.30 16.30<br />

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Dez. Tewes<br />

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So.<br />

Mo.<br />

Di.<br />

Mi.<br />

Do.<br />

Fr.<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

Fixe Zeiten im Winter für:<br />

vjbn<br />

Zürich:<br />

12.59 Uhr (Mo-Do) IRG Bejs Hamidrosch, Freigutstrasse 37<br />

13.00 Uhr (So-Do) Agudas Achim, Erikastrasse 8<br />

13.15 Uhr (So-Do) Agudas Achim, Erikastrasse 8<br />

13.15 Uhr (Mo-Do) Bes Hamidrosch Chasidei Gur, Manessestr.69<br />

14.15 Uhr (Mo-Do) Mechine JSK, Edenstr. 12, (Hintereingang)<br />

15.00 Uhr (So-Do) Jesch.Leze‘irim, Edenstr. 12<br />

15.30 Uhr (So-Do) Kolel, Freigutstr. 37<br />

16.20 Uhr (So-Do) Jeschiwe Ketano, Weststrasse 46<br />

chrgn<br />

Basel:<br />

19.45 Uhr (So-Do) IRG, Ahornstr. 14<br />

Zürich:<br />

18.15 Uhr (So-Do) Betsaal ICZ, Nüschelerstr. 36<br />

18.45 Uhr (So-Do) Agudas Achim, Erikastr. 8<br />

19.15 Uhr (So-Do) Kolel/Daf Jomi, Freigutstr. 37<br />

20.00 Uhr (So-Do) Omud Jomi, Freigutstr. 37<br />

20.30 Uhr (So-Do) Beth Chabad, Rüdigerstrasse 10<br />

21.00 Uhr (So-Do) Jeschiwe Ketano, Weststr. 46<br />

21.15 Uhr (So-Do) Brunau, Rieterstrasse 20<br />

21.30 Uhr (So-Do) Agudas Achim, Erikastr. 8<br />

21.30 Uhr (So-Do) Bels, Weststr. 1<strong>51</strong><br />

21.30 Uhr (Mo-Do) Gur, Manessestr. 69<br />

21.30 Uhr (So-Do) Jesch.Leze‘irim, Edenstr. 12<br />

21.45 Uhr (So-Do) IRG, Bejs Hamidrosch, Freigutstr. 37<br />

21.45 Uhr (So-Do) Sichroin Moische, Manessestr.<br />

22.00 Uhr (So-Do) Agudas Achim Erikastr. 8, Esras Noschim<br />

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Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

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zur Geburt von:<br />

� Sohn von Beni und Shifra Fessel-<br />

Schneck, Monsey.<br />

� Chana Mirjam, Tochter von Boruch<br />

Mordche und Rachi Hirsch-Grünwald<br />

(Urenkelin von Herrn und Frau S. Rubinfeld,<br />

Zürich).<br />

� Tochter von Chaim und Chavi Gutman-<br />

Wormser, Jeruscholajim (Enkelin von<br />

Dani und Mucky Wormser, Zürich).<br />

� Sohn von Schije und Ruthi Kernberg-<br />

Pappenheim, Bne Brak.<br />

� Tochter von Schloimi und Esti<br />

Grunwald-Pollak, Jeruscholajim.<br />

� Sohn von Jaakow und Elisheva<br />

Sankewitz-Levine, Bne Brak.<br />

� Sohn von Herrn und Frau Meir Simche<br />

Levy, USA (Enkel von Rebbezen M.<br />

Levy, Zürich).<br />

zur Barmizwe von:<br />

� Re‘uwen, Sohn von Herrn und Frau<br />

Moischi Rosengarten, Zürich, Parschas<br />

Schemois, 25. Dezember, Beis Hamidrasch<br />

Agudas Achim, Erikastr. 8, Zürich.<br />

zur Verlobung von:<br />

� Daniel Gold, London, mit Hadassa<br />

Brunschwig, Basel.<br />

� Raffi Pappenheim, Antwerpen, mit<br />

Devorah Leiner, Zürich.<br />

� Shloime Roberts, Manchester mit Tirza<br />

Benjamin, Amsterdam.<br />

� Jizchok Joseph, Amsterdam, mit Rivka<br />

Bernsohn, Zürich.<br />

zur Chassene von:<br />

� Zwi Reich, Jeruscholajim (Enkel von<br />

Jizchok und Ruth Feldinger) mit Zipora<br />

Graus, Jeruscholajim (Enkelin von Jean-<br />

Jacques und Ruth Muller), 28. Dezember,<br />

Ulam Shirat Jeruscholajim.<br />

� Jizchok Lubelsky, Zürich, mit Ruchele<br />

Kernberg, Zürich, 29. Tewes/5. Januar,<br />

Gemeindehaus IRG, Brandschenkesteig<br />

14, Zürich.<br />

Letzte Familien-Meldungen<br />

bis Mittwoch 21 Uhr<br />

11<br />

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12<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

Melawe de Malko in Erinnerung an<br />

Re’uwen Spitzer sl.<br />

<strong>Die</strong> IRG Basel hat Mitglieder und Freunde<br />

am vergangenen Motzaie Schabbos im Kronenmattsaal<br />

in Binningegn versammelt. Bei<br />

einer festlichen Melawe deMalko wurde der<br />

zwanzigsten Jahrzeit von Morenue Re’uwen<br />

ben Elosor Elijohu haKohen, Rudolf Spitzer,<br />

gedacht. <strong>Die</strong>ser unvergessliche Parnass und<br />

Manhig der IRG Basel wurde am 10 Tewes<br />

57<strong>51</strong> (27. Dezember 1990) niftar. Ferner<br />

wurde die Gemeinde über die Bauarbeiten an<br />

der neuen Mikwe in der Schul Ahornstrasse<br />

informiert.<br />

Raw Schlomo Rosenbaum zitierte zu Beginn<br />

des Abends Raw S.R. Hirsch zum Possuk<br />

„Ein Ko’el Jeschurun“. Jeschurun, das heisst<br />

„’abweichungslos’ deiner Pflicht treu“ leben.<br />

An diesem Abend wolle die Gemeinde über<br />

Rudolf Spitzer ein Leschabeach Lechachuwim<br />

sprechen (Rambam zu Owois I,17),<br />

damit andere seinem Weg folgen.<br />

<strong>Die</strong> folgenden Redner unterstrichen auf eindrückliche<br />

Weise die Bedeutung von Herrn<br />

Re’uwen Spitzer sazal. Raw Ben-Zion Snyders,<br />

der Row der IRG<br />

Basel, verband in seiner<br />

Droscho beide Themen<br />

des Abends: Anfangs<br />

Parscho Wajechi, bevor<br />

Jaakoiw owinu Re’uwen<br />

anspricht, wählt Jaakoiw<br />

die Worte „ He’osfu“<br />

und „Hikowzu“, um die<br />

Schwotim um sich zu<br />

versammeln. Nach dem<br />

Jalkut Schimoini ist das<br />

erste Wort verwandt mit<br />

„Taharo“, mit der Reinigung<br />

durch eine Mikwe.<br />

<strong>Die</strong>se körperliche, äusserliche<br />

Reinigung sei<br />

nicht wirklich sichtbar,<br />

wie der Rambam bemerkt, gebe es keine<br />

äusserliche Veränderung des Menschen, weil<br />

sowohl Tumo als auch Taharo unsichtbar seien.<br />

Das Untertauchen in der Mikwe beinhaltet<br />

eine Andeutung zur Reinigung der Seele, sich<br />

toiweln im Mei Hada’as, in der Toiro, führe zu<br />

einer Taharas hoLew. Raw Snyders zog nun<br />

die Parallele zu Reuwen Spitzer, von 1963<br />

bis 1988 Rosch HaKohol der IRG Basel. Er<br />

war ein Zaddik al hoToiro, al hoAwoido und<br />

Gemillus Chassodim.<br />

Viele Jahre lang hat Salomon Goldschmidt<br />

mit Re’uwen Spitzer im Vorstand arbeiten<br />

dürfen. Mit fünf Stichworten beschrieb er<br />

dessen Middois Toiwois. Chessed – seine<br />

breite Unterstützung von Einzelnen und<br />

Institutionen, die Bescheidenheit machten<br />

ihm öffentliche Ehrungen verhasst. Sein<br />

Weitblick brachte ihn schnell zu realistischen<br />

und praktischen Lösungen. Herrn Spitzers<br />

Natürlichkeit und die Ahawas HaToiro waren<br />

authentisch. Innere Überzeugung und sichtbares<br />

Verhalten bildeten<br />

eine Einheit. Re’uwen<br />

Spitzer war erfolgreicher<br />

Geschäftsmann<br />

und Talmid Chochom.<br />

Er lebte vor, dass jeder<br />

nach seinen Möglichkeiten<br />

etwas le Toiwas<br />

haKlall leisten kann.<br />

Frau Mascha Spitzer, die<br />

Eisches Chail, Lehawdil<br />

bein chaim leChaim, gab<br />

ihm Kraft und Ruhe, sie<br />

war die Stütze in seinem<br />

Leben.<br />

Herr Re’uwen Spitzer<br />

war über viele Jahre<br />

hinweg dem Vater des<br />

jetzigen Rows, Raw<br />

Jaakoiw Snyders s.z.l. aufs Engste verbunden,<br />

und sie führten als „ungarisches“ Duo<br />

die IRG Basel.<br />

Nun zum zweiten Thema des Abends, dem Bau<br />

der Mikwe in der IRG Basel. <strong>Die</strong> Ansprüche<br />

an eine Mikwe haben sich im Laufe der Zeit<br />

gewandelt: Vorbei sind die Zeiten von eisigem<br />

Wasser in einem tiefen Loch. Heutigen<br />

Ansprüchen genügte die Mikwe der IRG in<br />

der Thannerstrasse in Basel nicht mehr. So benutzen<br />

Männer die Mikwe heute zunehmend<br />

täglich, was für alle einfacher wird, wenn<br />

Männer- und Frauenmikwe räumlich stärker<br />

getrennt sind. Aus diesen Gründen beschloss<br />

die IRG Basel eine zweite Mikwe zu bauen.<br />

Ein kleiner Film zeigte den Gästen den Stand<br />

der Bauarbeiten. Ausdrücklich seien hier die<br />

Herren Michoel Lang, Jizchok Feldinger und<br />

Elimelech Lemmel genannt, die in enger<br />

Zusammenarbeit mit Raw Meir Posen und<br />

den Rabbonim der Gemeinde vorbildliche<br />

Arbeit geleistet haben.<br />

Eli Rosengarten aus Zürich schilderte in<br />

knappen Worten den Werdegang seines<br />

Schwiegervaters, der nach der Jeschiwo mit<br />

18 Jahren in die Schweiz kam. Vom Kriegsausbruch<br />

überrascht, war er vom Elternhaus<br />

abgeschnitten. Er erlernte einen Beruf, gründete<br />

eine Familie und ‚lebte’ hier in Basel,<br />

weit weg von seiner ‚Heimat’, ein Leben<br />

im ‚Golus’. Wie man im Golus als Jehudi<br />

überleben könne, dies habe Jaakoiw Owinu<br />

vorgelebt. Der Tiferes Schloimo zeige mit<br />

Bezug auf „Wejechi Jaakoiw“, dass Jaakoiw<br />

das Golus vorbereitet hat, damit der Klall<br />

Jissroel darin überleben könne. Dank der<br />

Prägung durch die Toiro und das behütende<br />

Elternhaus habe Re’uwen Spitzer sich im<br />

Golus zurechtfinden können.<br />

<strong>Die</strong> Melawe de Malko wurde durch Chasonus<br />

von Ezra Lubelsky, Raw Jissochor Helman<br />

und Michoel Lang bereichert. Das im Trio<br />

gesungene Jebone Beis HoMikdosch bildete<br />

den würdigen Abschluss dieses Anlasses.<br />

Alle Teilnehmer danken der Familie Spitzer<br />

für diesen gelungenen Abend. Le’ilui nischmas<br />

wurde zuletzt ein Sefer über Halochois<br />

HoSe’udo zum Lernen am Schabbos-Tisch.<br />

DIe JüDIsche gemeInDe<br />

Zürich. Owojs Ubonim. Wir freuen<br />

uns Ihnen mitzuteilen, dass Owojs Ubonim<br />

diese Woche in der Erikastr. 8 um 19.00 Uhr<br />

beginnt.


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

13<br />

Gelungener Abend mit Tzohar<br />

Am vergangenen Sonntag fand im neugestalteten<br />

Gemeindesaal der IRG in Zürich ein<br />

Abend zu Gunsten der Tzohar-Organisation<br />

statt.<br />

Tzohar ist eine der<br />

grössten und erfolg- Raw Mordechai Grünfeld<br />

reichsten, von allen Gedolej<br />

Jisroel unterstützte<br />

Kiruv-Organisation,<br />

in Erez Jisroel.<br />

<strong>Die</strong> Organisation besitzt<br />

alle Abteilungen<br />

die für eine erfolgreiche<br />

Kiruv-Tätigkeit benötigt<br />

werden: Seminare<br />

für Jungen, Mädchen<br />

und Familien, Betreuung<br />

nach Seminaren,<br />

Chisuk-Weekends<br />

für Fortgeschrittene,<br />

B e r a t u n g s s t e l l e n ,<br />

Midraschiot für Mädchen,<br />

Jeschiwas Tora<br />

We’emuna für Jungen<br />

und Erwachsene, Zentren<br />

im ganzen Land,<br />

in welchen täglich<br />

Schiurim stattfinden,<br />

Vorträge in säkularen Schulen, Team für<br />

Kaschern der Küchen, Gratis-Telefonlinien zu<br />

Rabbonim für Fragen zum Judentum etc. etc.<br />

Hinzu kommt die Abteilung für Kiruv-<br />

Kerowim, Jungen und Mädchen, die in die<br />

gewöhnlichen Schulen ihren Ort nicht fanden<br />

und leider dadurch den Eltern und der Jiddischkeit<br />

den Rücken gekehrt haben. Durchführung<br />

von Seminare in Bejt-Jakow-Schulen, Camps<br />

in den Sommerferien etc. etc.<br />

Nach einer kurzen Einführung von Herrn S.<br />

Weinmann, der seine Eindrücke eines besuchten<br />

Tzohar-Seminars schilderte, ergriff Raw<br />

Mordechai Grünfeld, Raw in Antwerpen, das<br />

Wort. In Verbindung mit der Parscho, in der<br />

geschildert wird, was Schifroh und Pu’oh,<br />

die die jüdischen Kinder am Leben erhielten,<br />

als Lohnung bekamen, erklärte er die heutige<br />

Situation auf der Welt. <strong>Die</strong> zwei Hebammen,<br />

die ihre Tat, nicht nur aus Erbarmen sondern<br />

aus G“ttesfurcht ( Wa’tireno Ha’Mejaldot es<br />

Ho‘Elokim) ausgeführt<br />

hatten, erhielten alles<br />

was ein Mensch nur<br />

erhalten kann: Kehuno,<br />

Lewijo, und Malchus,<br />

wie Raschi zur Stelle<br />

erklärt. Das Gleiche ist<br />

heute, wer für andere<br />

Jugendliche sorgt, weil<br />

er Haschem fürchtet<br />

Raw Avichai Cohen<br />

und liebt, wird alle<br />

nur denklichen Broches<br />

erhalten.<br />

Als nächster, ergriff<br />

Reb Ahron Wind, der<br />

Messirus Nefesch-<br />

Asken von Tzohar,<br />

das Wort. In kurzen<br />

Worten erklärte er<br />

die Ziele von Tzohar.<br />

Als Attraktion des<br />

Abends, sprach Raw<br />

Avichai Cohen. Raw<br />

Cohen, der 5 Jahre<br />

lang als Offizier der Israelischen Armee, in der<br />

schwierigsten Aufgaben, die es in den letzten<br />

20 Jahren zu bewältigen gab, gedient hatte,<br />

sprach über diese Zeit und die Zeit danach. Ei-<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

gentlich hatte ihm nichts gefehlt, Popularität,<br />

Geld und grosser Ruhm, und dennoch war er<br />

unglücklich. Nach Reisen in den fernen Osten,<br />

Studieren aller Religionen, unbeantwortete<br />

Fragen seitens der jeweiligen Geistlichen, gab<br />

ihm ein buddhistischer Priester den Rat, im<br />

Judentum die Antworten auf seine unbeantworteten<br />

Fragen zu suchen. Das Judentum sei<br />

die einzige Religion die behauptet Antworten<br />

auf alle Fragen zu haben. Und so kam er nach<br />

Erez Jisroel zurück. Obwohl er nicht glauben<br />

konnte von diesen „Schwarzen“ Antworten<br />

auf seine tiefgehende Fragen zu erhalten,<br />

liess er sich überreden<br />

dem Rosch Jeschiwa<br />

von Tora We’emuna alle<br />

seine Fragen zu stellen.<br />

Nach drei Stunden war<br />

er schachmatt. Und so<br />

begann der nicht leichte<br />

Teschuwa-Prozess,<br />

denn er hatte dem Rosch<br />

Jeschiwa versprochen<br />

bei Beantwortung aller<br />

Fragen, der Wahrheit zu<br />

folgen. Acht Jahre lernte<br />

er in der Jeschiwa Tora<br />

We’emuna. Heute, hat<br />

ihm der Belser Raw schlito,<br />

verpflichtet, teilweise<br />

die Gemore zu schliessen<br />

um das jüdische Volk<br />

HKB“H zurückzubringen.<br />

In einem kurzen Film<br />

zeigte Raw Cohen Bilder<br />

seiner Vergangenheit und<br />

den Übergang zum toratreuen<br />

Judentum. In einem<br />

weiteren Film sahen die<br />

Teilnehmer die Arbeit<br />

von Tzohar.<br />

Am Schluss des Abends durften die Frauen<br />

einen sehr rührenden Film von den Kiruv-<br />

Seminaren von Frauen und Mädchen sehen.<br />

S. W.


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Raw Awraham Gerschon<br />

Kitower,<br />

Schwager des Ba’al<br />

Schem Tow<br />

Niftar am 25. Adar I 5521<br />

Raw Jonathan Eibeschütz, der zur gleichen<br />

Zeit wie Raw Gerschon Kitower lebte, beschrieb<br />

ihn mit den folgenden Worten: „Der<br />

bekannte Raw, ein Riese in Tora und ein<br />

g“ttlicher Mekubal!“<br />

Der Vater von Raw Gerschon, Raw Efrajim<br />

Kitower, war Dajan in der Stadt Brody und dort<br />

kam Raw Gerschon auch zur Welt. In dieser<br />

Stadt voller Chachamim und Zadikim wuchs<br />

der Jüngling auf und lernte, bis er in einem<br />

der vier Bate Din in der Stadt zum Oberhaupt<br />

der Dajanim ernannt wurde.<br />

Bekanntlich gehörte Raw Gerschon anfänglich<br />

zu den Gegnern seines Schwagers, des<br />

Ba’al Schem Tow. Aber nach einigen Jahren,<br />

kurz bevor sich der Ba’al Schem Tow der Welt<br />

offenbarte, wurde er zu einem seiner grössten<br />

Anhänger. <strong>Die</strong> Wendung erfolgte wegen einer<br />

schrecklichen Geschichte, die sich in der Stadt<br />

Brody ereignet hatte. Drei Rabonim begaben<br />

sich in Gefahr für den Kampf von Haschem<br />

und gingen öffentlich gegen einen der angesehensten<br />

Rosche Hakahal vor, der der ganzen<br />

Stadt Furcht einflösste. Sie erhielten danach<br />

eine spezielle Bracha vom Ba’al Schem Tow,<br />

die sich dann vollumfänglich verwirklichte.<br />

Bei den drei Zadikim handelte es sich um<br />

den ‚Noda Bijehuda’, der kurz darauf in<br />

der ganzen Welt berühmt und zum Raw von<br />

Prag gewählt wurde. Der zweite war Raw<br />

Meir Margulies, der zum Raw von Ostraha<br />

ernannt wurde, und Raw Gerschon erhielt die<br />

Bracha, dass er ‚im heiligen Land zum Nassi<br />

jeder heiligen Sache’ ernannt werden wird,<br />

was ebenfalls in Erfüllung ging.<br />

Zwischen Raw Gerschon und Raw Jecheskel<br />

Landau, dem Noda Bijehuda, bestand eine<br />

sehr enge Beziehung, die in den Schriften des<br />

Noda Bijehuda zu erkennen ist. Seine Reise<br />

nach Erez Jisrael hinterliess überall grossen<br />

Eindruck, denn an jedem Ort wurde ihm viel<br />

Ehre erwiesen. Es ist ungewiss, wann er das<br />

erste Mal nach Erez Jisrael kam. Einige meinen,<br />

Raw Gerschon sei schon im Jahr 5502<br />

zum ersten Mal für einen Besuch nach Erez<br />

Jisrael gekommen, und dies würde auch mit<br />

dem Gerücht übereinstimmen, dass er sich<br />

mit dem Or Hachajim Hakadosch traf, bevor<br />

dieser im Jahr 5503 niftar wurde. Sicher ist,<br />

dass er zwischen den Jahren 5507 – 5<strong>51</strong>3<br />

Führer der aschkenesischen Gemeinde in<br />

Chewron war.<br />

Er hatte ständig den Wunsch, in der heiligen<br />

Stadt Jeruschalajim zu wohnen, was ihm<br />

jedoch von der ottomanischen Regierung<br />

verweigert wurde. Damals war es allen Aschkenasim<br />

verboten, in der Stadt Jeruschalajim<br />

14<br />

zu wohnen, da die Schüler von Rabbi Jehuda<br />

Hachassid, die ebenfalls Aschkenasim gewesen<br />

waren, im Jahr 5481 eine grosse Schuld<br />

bei der Stadtbehörde nicht bezahlt hatten. Auf<br />

Umwegen gelang es Raw Gerschon jedoch im<br />

Jahr 5<strong>51</strong>3, in die heilige Stadt zu gelangen<br />

und sich dort niederzulassen.<br />

Der ‚Pri Megadim’ schreibt (Orach Chajim<br />

561.1): „Ich hörte von meinem Vater, dem<br />

Raw, der es im Namen des Chassid Rabbi<br />

Gerschon Kitower sagte, dass er nach Jeruschalajim<br />

gekommen war und gesehen hatte,<br />

wie die Völker dort ruhig und in Frieden<br />

wohnten. Er weinte und sagte, dass das im<br />

Passuk steht: „Als ich die ganze Stadt sah,<br />

wie sie vollständig aufgebaut ist“. Damit ist<br />

Jeruschalajim auf dieser Welt gemeint, während<br />

„die Stadt von G“tt erniedrigt ist“, damit<br />

meint man Jeruschalajim auf der oberen Welt,<br />

und dort kann die Zerstörung erkannt werden!“<br />

Raw Gerschon hatte sehr tiefgehende Gefühle,<br />

wie auch im Sefer ‚Chibat Jeruschalajim’ festgehalten<br />

wird: „Ich habe über Raw Gerschon<br />

Kitower gehört, dass er jeweils beim Rezitieren<br />

der Kinot bei der Kotel Hama’arawi aus<br />

Trauer einige Male in Ohnmacht fiel, so dass<br />

es schwer war, ihn aus seiner Bewusstlosigkeit<br />

heraus zu holen.“<br />

Er lernte in der Jeschiwa der Mekubalim<br />

Bet-El, die durch Raw Gedalja Chajun im<br />

Jahr 5497 gegründet worden war. Er hatte<br />

ein aussergewöhnlich gutes Verhältnis zum<br />

‚Raschasch’, Raw Schalom Scharabi, der<br />

nach dem Tod von Raw Gedalja im Jahr 5<strong>51</strong>1<br />

zum Rosch Jeschiwa ernannt wurde. Während<br />

derselben Zeit lernten in dieser Jeschiwa auch<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

.rtc rat ohase<br />

Raw Chajim Dela Rosa, Raw Jom Tow Algasi<br />

und der Chida.<br />

Einst geschah es, dass der Raschasch der Öffentlichkeit<br />

einen Fasttag auferlegte, nachdem<br />

lange Zeit kein Regen gefallen war. Er wandte<br />

sich an Raw Gerschon Kitower mit der Bitte,<br />

dass er an jenem Morgen vorbeten solle. Der<br />

Minhag war, dass der Schliach Zibbur vor dem<br />

Dawenen vor dem Gebet eine Mussarrede hielt<br />

und Raw Gerschon bereitete sich während<br />

der Nacht darauf vor. Am Morgen realisierte<br />

er aber, dass er heiser war und schickte deshalb<br />

seinen Sohn zu Raw Schalom Scharabi,<br />

um ihm mitzuteilen, dass er leider nicht als<br />

Schliach Zibbur dienen könne.<br />

Als sie zu ‚As Jaschir’ kamen, hörte der<br />

Raschasch, dass die Stimme von Rabbi Gerschon<br />

wieder zurückgekommen war. Gleich<br />

nach der stillen Schemone Essre schickte<br />

der Raschasch Raw Gerschon wieder zum<br />

Vorbeterpult. Er gehorchte dem Rosch<br />

Jeschiwa, dawente die Wiederholung der<br />

Schemone Essre und begann mit dem Sagen<br />

der Selichot. Gleich nach dem Beginn der<br />

Selichot verliess er jedoch das Vorbeterpult<br />

und kehrte an seinen Platz zurück, während<br />

jemand anderer die Selichot zu Ende sagte.<br />

Als der Raschasch Raw Gerschon Kitower<br />

nach dem Dawenen um eine Erklärung bat,<br />

sagte er ihm: „Bei der Einleitung zu den<br />

Selichot sah ich, dass die Tefilla mir sehr<br />

geläufig ist, und verstand, dass es gleich zu<br />

regnen beginnen würde, falls ich die Selichot<br />

sage. Ich fürchtete mich vor Hochmut, denn<br />

die Gemeinde würde meinen, dass ich mit<br />

meiner Tefilla den Regen brachte. Ich wollte<br />

deshalb die Tefilla nicht fortsetzen. Ich weiss<br />

aber, dass in es in einigen Tagen regnen wird.“<br />

So geschah es dann auch.<br />

Ria-BOdenBeLÄGe<br />

Seefeldstrasse 175 - 8008 Zürich<br />

Tel. 044 382 30 30 Fax 044 382 31 31


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

VON RAV YISROEL REISMAN<br />

Wir verstehen den Ausdruck Galut normalerweise<br />

als das nationale Exil des Klall Jisrael,<br />

in dem wir gezwungen sind, von Land zu Land<br />

und von Kontinent zu Kontinent zu wandern,<br />

um für die Sünden zu büssen, die die Zerstörung<br />

des Bet Hamikdasch verursacht haben.<br />

Es gibt aber eine andere Form des Galut -<br />

eine persönliche Form des Exils. In früheren<br />

Generationen pflegten die grössten Zaddikim<br />

ihr Zuhause und ihre Städte zu verlassen, um<br />

inkognito von Stadt zu Stadt zu wandern. In<br />

Jiddisch wurde dies „Galut praven“ genannt.<br />

„Praven“ ist ein Ausdruck, der<br />

schwer zu übersetzen ist. <strong>Die</strong><br />

wörtliche Übersetzung wäre<br />

„praktizieren“ oder „beachten“,<br />

wie das Beachten eines Brauchs,<br />

aber „praven“ bedeutet viel mehr<br />

als das. Wenn ein Rebbe „einen<br />

Tisch pravet“, isst er nicht eine<br />

gewöhnliche Mahlzeit in der<br />

Gesellschaft von Hunderten oder<br />

Tausenden von Chassidim. Ein<br />

„Tisch“ ist voller Bedeutung.<br />

„Praven“ wird in diesem Sinn<br />

verwendet - etwas mit Intensität<br />

praktizieren. Auf ähnliche Weise<br />

verstehen wir, wenn jemand<br />

Galut „praven“ sollte, dass dies<br />

sich auf eine Handlung bezieht,<br />

die voller tiefer und aussergewöhnlicher<br />

– sogar mystischer<br />

– Bedeutung ist.<br />

<strong>Die</strong>ses persönliche Galut ist eine<br />

Erfahrung. Zaddikim, die ins<br />

Galut gingen, schrieben darüber<br />

normalerweise nichts, und da sie<br />

inkognito reisten, sind nur sehr<br />

wenige Geschichten über ihre<br />

Reisen aufgezeichnet worden.<br />

Eine Ausnahme ist Rabbi Moshe<br />

Cordovero, ein Kabbalist, der<br />

während der Ära des Arisal in<br />

Zefat lebte. Er schrieb eine Broschüre, in der<br />

er über sein persönliches Galut erzählte, das<br />

etwa 1548 (5308) stattfand.<br />

Der Remak erwähnt auch den Minhag des<br />

freiwilligen Galuts in seinem berühmten Sefer<br />

„Tomer Dewora“ und führt die Praxis auf die<br />

Lehre des Sohar zurück, dass ein Mensch<br />

„leschem Schamajim“ ins Exil gehen sollte.<br />

Er fügt hinzu, dass der Autor des Sohar, Rabbi<br />

Schimon bar Jochai, selbst ein persönliches<br />

Galut praktizierte, das geheimnisumhüllt ist.<br />

<strong>Die</strong> Praxis des freiwilligen Galuts wird auch<br />

von Rambam (Hilchot Teschuwa 2:4) erwähnt,<br />

der schreibt, dass damit die Sünden eines<br />

Menschen gesühnt werden. Einige Meforschim<br />

schreiben, dass der Rambam sich auf<br />

einen Mensch bezieht, der sich aus seiner<br />

15<br />

Galut und Ge‘ula<br />

Heimatstadt entwurzelt und anderswohin<br />

zieht (was schwer genug sein kann); andere<br />

jedoch meinen, dass er sich auf die Erfahrung<br />

des Wanderns von einem Platz zum andern<br />

bezieht: „Galut praven“.<br />

Obwohl der Begriff des Galut-Pravens heute<br />

nicht sehr bekannt ist, existierte er bei jüdischen<br />

Gemeinden. Viele chassidischen Rebbes<br />

nahmen die Praxis des „Galut Praven“ auf<br />

sich. Es gibt viele Geschichten über das Galut<br />

des Baal Schem Tow, und viele Legenden über<br />

das Galut der Brüder Rabbi Elimelech von<br />

Lizhensk und Rabbi Susche von Anipoli. Auch<br />

litwische Gedolim haben „Galut gepravet“.<br />

Der Gaon von Wilna ging ins Galut, nicht lang<br />

nachdem er geheiratet hatte. Er zog während<br />

fünf Jahren durch Europa. Sein Galut führte<br />

ihn bis nach Berlin, wo er die Gelegenheit<br />

hatte, viele Original-Dokumente zu studieren.<br />

Der Gaon war mit einem phänomenalen<br />

Gedächtnis gebenscht, und er prägte sich jede<br />

Nuance der Texte ein. Als er später nach Wilna<br />

zurückkehrte, verwendete er dieses Wissen,<br />

um beim Verständnis der Textes des Talmuds<br />

behilflich zu sein.<br />

Warum Galut?<br />

Wir können uns kaum vorstellen, wie schwierig<br />

es gewesen sein muss, Galut zu „praven“.<br />

<strong>Die</strong>se grossen Zaddikim waren unterwegs<br />

- ohne Mobiltelefone, ohne irgendwelches<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Mittel der Kommunikation mit ihren Familien<br />

und ohne Kreditkarten. Sie nahmen das bare<br />

Minimum an Vorräten für ihr Überleben mit.<br />

<strong>Die</strong> Transportmittel waren primitiv, unverlässlich<br />

und unbequem. Das „Galut-Praven“<br />

war nicht nur eine physische Qual, es stellte<br />

auch Herausforderungen an die Einhaltung der<br />

Mizwot. Während seiner Jahre im Exil blieb<br />

der Wilnaer Gaon einst am Purim zwischen<br />

zwei Städten stecken. Er beauftragte einen<br />

Wagenführer, ihn in ein jüdisches Dorf zu<br />

bringen, aber sie trafen spät in der Nacht<br />

ein, lange nach der Zeit für Kriat Megilla.<br />

Der Wilnaer Gaon musste zehn Leute auf-<br />

wecken und sie dafür bezahlen, sich seinem<br />

Megilla-Leinen anzuschliessen. (Obwohl es<br />

halachisch nicht zwingend vorgeschrieben<br />

ist, die Megilla am Purim mit einem Minjan<br />

zu leinen, ist es die angemessenste Methode,<br />

die Mizwa zu erfüllen).<br />

Überlegen wir uns! Der Wilnaer verpasste<br />

beinahe das Leinen der Megilla am Purim!<br />

Im Lauf seiner Wanderungen verpasste der<br />

Wilnaer Gaon sicherlich Kriat Hatora an<br />

Tagen, als er es nicht in eine Stadt mit einer<br />

jüdischen Gemeinde schaffte. Seine Reisen<br />

müssen ihn daran gehindert haben, so fleissig<br />

Tora zu lernen, wie er dies in Wilna getan hätte.<br />

Wenn wir über die Schwierigkeiten und Gefahren<br />

nachdenken, denen er ausgesetzt war,<br />

stellt sich die Frage „Warum?“


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Welcher grosse <strong>Die</strong>nst an Haschem wird<br />

durch das „Praven“ von Galut erreicht, der<br />

dieses enorme Opfer lohnenswert machen<br />

würde? Welche hohen Madregot erzielten<br />

die Zaddikim durch ihre Reisen, und warum<br />

konnten sie die gleichen Vorteile nicht in ihren<br />

Häusern erzielen?<br />

Ich glaube nicht, dass irgendjemand in unserer<br />

Generation fähig ist, Galut richtig zu<br />

„praven“. Sogar in den früheren Generationen<br />

wurde Galut nur von einer kleinen Gruppe<br />

auserwählter Personen praktiziert, die durch<br />

ihr Galut ein hohes Niveau erreichen konnten.<br />

Man kann jedoch viel gewinnen, wenn man<br />

dieses Thema studiert, sogar wenn wir es<br />

nicht in praktischer Weise umsetzen können.<br />

Drei Erklärungen<br />

Wir finden drei Erklärungen für die Praxis<br />

eines persönlichen Galuts. Alle drei basieren<br />

auf der Tatsache, dass Galut Demut erzeugt.<br />

Wir sind alle selbstbewusster, wenn wir uns<br />

in einem bekannten Milieu befinden. Ein<br />

Mensch fühlt sich in einem unbekannten<br />

Umfeld weniger komfortabel. Das demütigt<br />

den Menschen. Galut hilft einem Mensch, sich<br />

demütig zu verhalten; es entwickelt somit die<br />

Eigenschaft der Bescheidenheit. Ausserdem<br />

steht ein Mensch, der während längerer Zeit<br />

als Fremder lebt, ohne Unterstützung von<br />

Familie und Freunden, alleine vor Hakadosch<br />

Baruch Hu. Er reist buchstäblich mit Haschem.<br />

Vorteil Nr. 1 - Bitachon: Der „Orchos<br />

Zaddikim“ (Schaar Hasimcha Bitachon<br />

Haschlischi) schreibt, dass das Galut es einem<br />

Menschen ermöglicht, das Bitachon in<br />

Haschem aufzubauen.<br />

Stellen Sie sich vor, Hunderte von Kilometern<br />

zu reisen, mit nichts anderem als Ihrem<br />

Pyjama und einer Zahnbürste. Sehen Sie<br />

sich als Wanderer, der von einem Platz zum<br />

anderen zieht, ohne eine Menschenseele zu<br />

kennen. Wenn Sie alleine mit Haschem sind,<br />

ohne die Menschen, auf die Sie sich normalerweise<br />

für ihre materielle und emotionale<br />

Unterstützung verlassen, lernen Sie, sich nur<br />

auf Ihn zu verlassen.<br />

Nach einer Weile wird dies zu Ihrer normalen<br />

Lebensweise. Wenn Sie nach Hause zurückkehren,<br />

werden Sie weiterhin Ihr Vertrauen<br />

in Ihn setzen.<br />

Warum befindet sich diese Lehre im Schaar<br />

Hasimcha (Tor der Freude)? Der „Orchos<br />

Zaddikim“ lehrt, dass ein Mensch in einem<br />

grossen Mass Zufriedenheit erlangen kann,<br />

wenn er sich darin schult, sich nur auf Haschem<br />

zu verlassen. Ein Mensch, der sich<br />

auf andere Menschen verlässt, wird wahrscheinlich<br />

irgendwann enttäuscht werden,<br />

denn Menschen sind begrenzt. Sie können<br />

nur soweit helfen, wie Haschem es ihnen<br />

erlaubt. Es gibt Ereignisse im Leben, die<br />

nicht so verlaufen, wie ein Mensch es gerne<br />

haben würde, und auch Freunde und Familie<br />

16<br />

können nicht helfen. In solchen Zeiten kann<br />

nur der Glaube an Haschem den Mensch vor<br />

Niedergeschlagenheit retten.<br />

Wenn wir uns erzogen haben, die führende<br />

Hand von Haschem zu erkennen, können<br />

wir unter allen Umständen Zufriedenheit und<br />

Freude erreichen.<br />

Vorteil Nr. 2 - Besiegen des Zorns: Raw Zadok<br />

Hakohen von Lublin (Zidkas Hazaddik 80)<br />

erklärt das „Galut-Praven“ mit einer zweiten<br />

Erkenntnis. Das Galut hat einen sehr praktischen<br />

Vorteil: es hilft dem Menschen, seinen<br />

Zorn zu überwinden.<br />

Warum werden Leute zornig? Gibt es dafür<br />

einen Grund? Natürlich nicht; der Zorn ist eine<br />

Reaktion des Gefühls, nicht des Intellekts. Der<br />

Zorn nützt der erzürnten Person nie, und ist<br />

sicherlich kein wirksames Mittel, um positive<br />

Resultate zu erzielen.<br />

Menschen werden zornig, weil sie die Kontrolle<br />

verlieren. Wer im unbekannten Umfeld<br />

Galut pravet, fühlt sich unsicher und weiss<br />

nicht, wo er in der nächsten Nacht schlafen<br />

wird. Er hat keine Ahnung, wie er ins nächste<br />

Dorf kommen, und wo seine nächste Mahlzeit<br />

herkommen wird. Solch eine Person kann sich<br />

den Luxus eines Jähzornsanfalls nicht leisten.<br />

Der Rambam schreibt, dass der Zorn weitgehend<br />

ein Nebenprodukt von Arroganz ist.<br />

Ein Mensch, der das Gefühl hat, dass er es<br />

„verdient“, dass alles für ihn getan wird, wird<br />

zornig werden, wenn Familie und Freunde<br />

sich nicht daran halten.<br />

Wenn ein Mensch durch seine Unfähigkeit,<br />

sich um seine eigenen Bedürfnisse zu kümmern,<br />

demütig wird, erkennt er seine ständige<br />

Abhängigkeit von Haschem und lernt, Gefühle<br />

des Zorns zu unterdrücken und letztlich zu<br />

besiegen.<br />

Vorteil Nr. 3 - Ein Ruheplatz für die Schechina<br />

werden. Erwartungsgemäss schreibt der<br />

Tomer Devora (Kapitel 9) über das Galut in<br />

kabbalistischen Ausdrücken. Er zitiert den<br />

Sohar, dass man G“tt zuliebe von Platz zu Platz<br />

wandern sollte, „und somit ein Triumphwagen<br />

werden sollte, auf dem die Schechina - die<br />

zusammen mit Klall Jisrael im Exil ist - ruhen<br />

kann“. Er fügt hinzu, dass ein Mensch, der ins<br />

Galut geht, denken sollte: „Ich befinde mich<br />

im Galut; und die Schechina ist im Galut. Ich<br />

bin vom Glück begünstigt, die grundsätzlichen<br />

Mittel, die ich benötige, bei mir zu haben,<br />

aber die Schechina hat nicht einmal ihre<br />

minimalsten Bedürfnisse gedeckt.“<br />

Natürlich wollen diese Gedolim damit nicht<br />

sagen, dass wir alle ein freiwilliges Galut auf<br />

uns nehmen sollten. Aber wir versuchen, die<br />

Praxis von grossen Juden zu verstehen, die<br />

ins Galut gingen, um sich Hakadosch Baruch<br />

näher zu fühlen, an ihrem Bitachon zu arbeiten<br />

und glücklichere Menschen zu werden;<br />

die daran arbeiteten, nicht zornig zu werden<br />

und bescheiden zu bleiben, den Kummer zu<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

spüren, den die Schechina in ihrem Exil fühlt.<br />

Es scheint nach all diesen Erklärungen, als ob<br />

Galut keine Erfahrung ist, die uns gewöhnlichem<br />

Volk zur Verfügung steht. Oder doch?<br />

Praven Galut in Hong Kong<br />

In seinem aussergewöhnlichen Sefer bietet der<br />

„Pele Joez“, Rabbi Eliezer Papo, Ratschläge<br />

für alle Zeiten an. Obwohl er dieses Werk im<br />

19. Jahrhundert schrieb, ist ein grosser Teil<br />

seiner Ratschläge auch heute auffallend relevant.<br />

Er riet zum Beispiel, dass ein Mensch,<br />

der einen Voranschlag für die Renovation<br />

seines Hauses erhält, den Betrag verdoppeln<br />

sollte, bevor die Arbeiten begonnen werden.<br />

Es scheint, dass Bauunternehmer sich über<br />

die Jahre nicht verändert haben.<br />

Ist das Praven von Galut nichts für uns gewöhnliche<br />

Leute?<br />

Der „Pele Joez“ gibt uns zwei wichtige Ratschläge,<br />

die es uns ermöglichen können, diese<br />

Erfahrung zu verstehen.<br />

Es gibt Situationen, in denen ein Mensch aus<br />

dem einen oder anderen Grund das Zuhause<br />

verlassen muss. Manche Leute reisen in ein<br />

anderes Land, um Tora zu lernen; andere<br />

reisen fürs Geschäft oder wegen familiärer<br />

Verpflichtungen. Wenn man aus irgendeinem<br />

Grund reisen muss, schreibt der Pele Joez,<br />

solle man sagen, dass „diese Reise eine Erfahrung<br />

des „Pravens von Galut“ sein soll“.<br />

Sicher, Sie haben diese Reise aus persönlichen<br />

Gründen geplant. Sie hoffen das zu erreichen,<br />

was Sie sich vorgenommen haben. Der Pele<br />

Joez empfiehlt jedoch, dass Sie nicht vergessen<br />

sollten, dass ein himmlischer Erlass<br />

von Ihnen verlangt hat, die Bequemlichkeit<br />

Ihres Zuhauses zu verlassen, also sollten Sie<br />

beabsichtigen, dass Ihre Reise für Ihre Sünden<br />

sühnen solle.<br />

„Sorge aber dafür“, warnt der Pele Joez,<br />

„dass du dich vor unangemessenem Verhalten<br />

hütest.“<br />

Eine Geschäftsreise ist ein Nissajon (eine<br />

Herausforderung). Das Judentum existiert<br />

„bechabura“ – mit der Unterstützung und<br />

Freundschaft einer Gemeinschaft. Wir benötigen<br />

Minjanim, Chawrutot und Schuls,<br />

in denen wir dawenen, wir benötigen einen<br />

verlässlichen Kaschrut-Hechscher – nichts<br />

davon steht zur Verfügung, wenn man sich in<br />

einer weit entlegenen Stadt befindet. Leute,<br />

die für geschäftliche Zwecke reisen, müssen<br />

oft in ihren Hotelzimmern dawenen, oder sich<br />

aus Sitzungen hinausschleichen, um Mincha<br />

zu dawenen. Der „wandernde Jude“ findet<br />

sich in einem Supermarkt wieder, wo er die<br />

winzigen Buchstaben auf jedem Päckchen<br />

studiert und hofft, dass er etwas mit einem<br />

Hechscher finden wird. Der Mensch fühlt<br />

sich einsam, wenn er reist.<br />

Ein Freund erzählte mir einst, dass er sich<br />

mit einer Gruppe von Juden in Hongkong<br />

befunden habe und dass sie in ihrem Hotel<br />

ein Minjan zusammenstellen konnten. Am


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

Freitagabend warf jemand einen Blick in<br />

ihre provisorische Schul, sah die Gruppe<br />

und verschwand. Einige Minuten später war<br />

er wieder da, diesmal mit einem Bekischen<br />

und Streimel, königlich aussehend. Was war<br />

geschehen? Er hatte die Leute im Minjan<br />

genauer angeschaut, um sicher zu sein, dass<br />

er sich in seiner eindeutig chassidischen<br />

Kleidung wohl fühlen würde.<br />

Überlegen Sie sich<br />

das! 99% der Leute<br />

im Hotel waren<br />

keine Juden. Sie<br />

würden ihn immer<br />

noch als seltsam<br />

anschauen. Weil er<br />

jedoch sein Minjan<br />

von Achenu Bne<br />

Jisrael hatte, machte<br />

es ihm nichts<br />

mehr aus. Allein<br />

sind wir schwach,<br />

verletzlich und<br />

befangen. Zusammen<br />

sind wir stark.<br />

Man kann sich<br />

schwach fühlen,<br />

sagt der Pele Joez,<br />

aber man hat eine<br />

ausgezeichnete<br />

Gelegenheit, Haschem<br />

nahe zu<br />

kommen. Wenn<br />

das Flugzeug die<br />

Landebahn hinunterrollt,<br />

sagen<br />

Sie zu sich selbst:<br />

„Ich beginne mein „Galut“. Ähnlich wie der<br />

Wilna Gaon.“ Oder, wenn Sie chassidisch sind,<br />

können Sie sagen: „Ich bin wie die Brüder<br />

Reb Elimelech und Reb Sische.“ Der Pele<br />

Joez empfiehlt sogar, eine verbale Erklärung<br />

zu machen, dass man jetzt ins Galut geht.<br />

Nehmen Sie das Ziel auf sich, Haschems<br />

Anwesenheit in einer fremden Umgebung zu<br />

spüren, wo Ihr gewohntes Unterstützungssystem<br />

nicht existiert.<br />

Ein Gerrer Chassid kam zum Chidduschei<br />

Harim (dem Gerrer Rebbe im Vorkriegspolen),<br />

um dem Rebbe zu sagen, dass geschäftliche<br />

Verpflichtungen ihn für einige Wochen nach<br />

Paris führen würden. „Ich habe gehört, dass<br />

es in Paris aussergewöhnliche Zigarren gibt“,<br />

antwortete der Rebbe. „Wenn du dort bist,<br />

suche die besten Zigarren, die man dort finden<br />

kann, und bringe mir eine Schachtel davon.“<br />

Der Chassid war verwundert über die seltsame<br />

Bitte, verabschiedete sich jedoch vom Rebben<br />

und begann seine Reise.<br />

Drei Wochen später kehrte der Chassid mit<br />

einer Schachtel Zigarren aus Belgien zum<br />

Rebben zurück. „Rebbe“, erklärte er, „ich war<br />

in Paris so beschäftigt, dass ich die Zigarren<br />

gänzlich vergass. Ich erinnerte mich jedoch<br />

während der Heimreise im Zug daran und<br />

Foto: Yehuda Boltshauser/Kuvien Images<br />

17<br />

hielt in Belgien an und kaufte eine Schachtel<br />

Zigarren. Ich versichere dem Rebben, dass sie<br />

so besonders Qualität haben wie alles, das ich<br />

in Paris hätte finden können.“<br />

Der Chidduschei Harim drückte seine Enttäuschung<br />

aus. „Glaubst du denn, dass ich deine<br />

Zigarren benötige? Ich hatte gehofft, dass<br />

du während den drei Wochen in Paris meine<br />

Zigarren suchen würdest. So würdest du nicht<br />

vergessen haben, dass du einen Rebben hast.“<br />

Schacharit in Texas: Zu Haschem<br />

dawenen<br />

Was tut ein Geschäftsmann, wenn er sich in<br />

einer entfernten Stadt befindet und es kein<br />

Minjan gibt? Er erkundigt sich über die Zeit<br />

des lokalen Sonnenaufgangs und er dawent<br />

kewassikin. (Laut vielen Poskim ist das Dawenen<br />

kewassikin dem Dawenen mit einem<br />

Minjan gleichgestellt.)<br />

Ich befand mich für eine Chassene in Los<br />

Angeles und nahm den Nachtflug zurück nach<br />

New York. Haschem hat mich mit der Fähigkeit<br />

gebenscht, in einem Flugzeug schlafen<br />

zu können. Sobald ich mich in meinem Sitz<br />

bequem gemacht hatte, fiel ich in einen tiefen<br />

Schlaf. Mitten im Schlaf weckte uns der Pilot<br />

mit enttäuschenden Nachrichten: wir hatten<br />

Triebwerksstörungen und wir würden in einer<br />

kleinen Stadt in Texas, von der ich noch nie<br />

gehört hatte, eine Notlandung machen müssen.<br />

Ich hatte ursprünglich geplant, in New York<br />

zu dawenen, aber wir würden eine Weile<br />

verspätet sein, also hatte ich keine andere<br />

Wahl, als in Texas zu dawenen.<br />

Ich hatte keine Ahnung, wann in Texas Sonnenaufgang<br />

war. Ich dachte mir, dass ich die<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Zeit des Sonnenaufgangs herausfinden könnte,<br />

falls ich eine lokale <strong>Zeitung</strong> finde. Ich wanderte<br />

durch den Flughafen auf der Suche nach<br />

einem <strong>Zeitung</strong>skiosk. Aber es war drei Uhr<br />

morgens. Keine Seele in Sicht – und sicher<br />

kein offener Kiosk. Da ich keine andere Wahl<br />

hatte, begann ich, die Abfalleimer zu durchsuchen,<br />

in der Hoffnung, eine weggeworfene<br />

<strong>Zeitung</strong> zu finden. Zu meinem Verdruss hatte<br />

jeder Abfalleimer einen sauberen – und leeren<br />

– Kehrichtsack.<br />

Ich begann, schneller zu gehen und hoffte, den<br />

Mensch zu finden, der den Abfall wegräumte.<br />

Ich erreichte das andere Ende des Flughafens,<br />

und keine einzige <strong>Zeitung</strong> war zu finden.<br />

Dann ging ich zum Gate zurück, wo die anderen<br />

Passagiere warteten, und begann mich<br />

zu erkundigen: „Weiss jemand, wann hier<br />

Sonnenaufgang ist?“<br />

Heute bin ich überzeugt, dass jemand ein<br />

drahtloses Gerät hervorziehen und die<br />

gewünschte Information innert Sekunden<br />

produzieren würde. Aber diese Geschichte<br />

geschah vor mehreren Jahren, und niemand<br />

wusste, wann der Sonnenaufgang war. Ich<br />

hatte keine andere Wahl, als eine ruhige Ecke<br />

im Flughafen zu finden (von denen es viele<br />

gab) und die Zeit des Dawenens zu schätzen.<br />

Dort stand ich also und zog inmitten von<br />

Nirgendwo meinen Tallis und meine Tefillin<br />

an und lernte etwas Neues: Wenn man sich in<br />

irgendeiner kleinen Stadt in Texas befindet,<br />

ohne ein anderes Käppchen in Sicht, dawent<br />

man mit grösserer Intensität zu Hakadosch<br />

Baruch Hu. Man fühlt die Anwesenheit<br />

des Schöpfers gerade neben sich, und man<br />

fühlt sich Ihm nahe. Es war eine gewaltige


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Erfahrung.<br />

Es kann schwierig sein. <strong>Die</strong> Leute starren<br />

einen an, wenn man sich in seinen Tallit hüllt<br />

und die Tefillin auf dem Arm und dem Kopf<br />

anbringt, und sie fragen sich, ob der Stress<br />

der Verspätung meinen Geisteszustand beeinträchtigt<br />

hat. Dann kommen sie auf einen zu<br />

und fragen: „Was machen Sie hier?“, und man<br />

antwortet: „Mmmmm, uh, uh-uh“, während<br />

man mit den Händen gestikuliert, um ihnen<br />

zu zeigen, dass man nicht reden kann. Sie<br />

wenden sich ab und sind überzeugt, dass man<br />

blöde, oder blöd ist. Es ist schwierig, aber<br />

wenn man die einzigartige Herausforderung<br />

und Gelegenheit schätzt, die man erhalten hat,<br />

kann man sich mit einem grossartigen Gefühl<br />

von Freude und Erfüllung mit Haschem verbinden.<br />

Man „pravet Galut“.<br />

Kein Gepäck? Wie der Wilnaer Gaon!<br />

Im Lauf seiner Reisen bat der Wilnaer Gaon<br />

einst seinen nichtjüdischen Kutscher, an- anzuhalten,<br />

damit er dawenen könne. Während<br />

er Schemona Esre dawente, trieb der Kutscher<br />

das Pferd an, verschwand in einer Wolke von<br />

Staub und nahm die dürftigen Habseligkeiten<br />

des Gaons mit sich. Er blieb mit nichts zurück.<br />

Nichts ausser seiner Schemona Esre.<br />

Denken Sie über diese Geschichte nach, wenn<br />

Sie nächstes Mal reisen. Sie könnten auch eine<br />

Gelegenheit haben, Galut zu praven, wie der<br />

Wilnaer Gaon es tat. Sie landen vielleicht in<br />

einem Flughafen und warten darauf, dass Ihr<br />

Gepäck auf dem Gepäckrollband erscheint.<br />

Sie folgen den Koffern mit den Augen, während<br />

diese sich auf dem Karussell drehen,<br />

bis Ihr Hals Ihnen weh tut. Wenn dann das<br />

letzte Gepäckstück entfernt worden ist und<br />

Ihr abgenutzter Koffer nirgends in Sicht ist,<br />

schleppen Sie sich durch endlose Korridore<br />

bis zum Fundbüro. Man sagt Ihnen, dass Ihr<br />

Gepäck nach Omaha gereist ist. Sie sind aber<br />

nicht in Omaha.<br />

Wie werden Sie reagieren? Werden Sie zornig<br />

werden? Nein, Sie werden sagen: „Aha, so<br />

etwas ist auch dem Wilnaer Gaon geschehen.<br />

Ich prave Galut genau so wie er.“<br />

Jetzt beginnen wir, uns mit dem Schöpfer zu<br />

identifizieren. <strong>Die</strong> Fluggesellschaft kann alles<br />

von Ihnen wegnehmen, aber Ihre Beziehung<br />

zu Haschem bleibt Ihnen.<br />

Hier kommt nun der Rat des Pele Joez zur<br />

Anwendung. Sie werden nicht nur über die<br />

Tatsache nachdenken, dass Sie sich im Galut<br />

befinden. Sie sollen sich sagen: „Ich bin im<br />

Galut, und ich will, dass die Schechina auf<br />

mir ruht. Ich will ein Ruheort für die g“ttliche<br />

Präsenz sein.“<br />

Statt sich durch Ihre Hilflosigkeit und Abhängigkeit<br />

gedemütigt zu fühlen, werden<br />

Sie es als Weg betrachten, sich mit Haschem<br />

zu verbinden.<br />

Ein Jehudi bleibt nicht stecken<br />

Es gibt eine Geschichte über zwei Chassidim,<br />

18<br />

die sich auf die Reise begaben, um die Jamim<br />

Noraim beim Baal Schem Tow zu verbringen.<br />

Sie erlebten auf der Reise viele Missgeschicke<br />

und waren gezwungen, Rosch Haschana an<br />

einem isolierten Ort zu verbringen, wo es keine<br />

anderen Juden gab. Sie hatten das Glück, ein<br />

Schofar bei sich zu haben, und taten ihr Bestes,<br />

um in ihren einsamen und deprimierenden<br />

Umständen das Gefühl des Jomtows aufrecht<br />

zu erhalten. Als sie nach Jomtow endlich den<br />

Baal Schem Tow erreichten, fragten sie ihn,<br />

warum ihnen die Gelegenheit verweigert<br />

wurde, Jomtow in seiner Anwesenheit zu<br />

verbringen. „Wir investierten so viel Zeit und<br />

Geld in diese Reise, wir verzichteten auf die<br />

Gelegenheit, Jomtow mit unseren Familien zu<br />

verbringen“, sagten sie. „Warum hat Haschem<br />

uns das angetan?“<br />

„Jeder Ort in der Welt hat Nizozot der Keduscha<br />

(Funken der Heiligkeit)“, erklärte der<br />

Baal Schem Tow. „Der Arizal lehrte uns, dass<br />

wir ins Exil gehen müssen, um diese Funken<br />

der Heiligkeit einzusammeln, damit jeder Teil<br />

der Welt geheiligt wird.“ „<strong>Die</strong>se Stadt hatte<br />

Nizozot der Keduscha seit Urzeiten“, sagte der<br />

Baal Schem Tow, „und durch die Ausübung<br />

der Mizwa von Schofar in jenem Ort hattet<br />

ihr den S’chut, diese Funken einzusammeln.“<br />

Wir müssen realisieren, dass jeder Schritt auf<br />

unserer Reise von Bedeutung ist. Ein Mensch<br />

fühlt sich einsam und frustriert, wenn er das<br />

Gefühl hat, dass eine Verspätung oder ein<br />

umgeleiteter Flug eine Angelegenheit des<br />

Zufalls ist. Wenn er denkt: „Warum bin ich<br />

hier? Ich sollte nicht hier sein. Es hat keinen<br />

Sinn für mich, hier zu sein“, dann wird er<br />

deprimiert. Wenn man jedoch weiss, dass man<br />

ein „Geheimagent“ ist, der von G“tt geschickt<br />

wurde, um Galut zu „praven“, dann „pravet“<br />

man, wie ein Rebbe einen Tisch „pravet“.<br />

Man akzeptiert die Aufgabe, wo immer man<br />

sich befindet. Man befindet sich auf einer<br />

heiligen Mission.<br />

<strong>Die</strong> Freundin meiner Frau erzählte uns, dass<br />

sie und ihr Mann sich auf einem Flug befunden<br />

hatten, der in einer fremden Stadt eine<br />

Notlandung machen musste. Es war Erew<br />

Jomtow, und sie realisierten, dass sie es auf<br />

keinen Fall vor Nachteinbruch nach Hause<br />

schaffen würden. Sie riefen ihren Rebben<br />

an und fragten ihn um Rat, wie sie in einer<br />

Stadt ohne jüdische Gemeinde Jomtow machen<br />

sollten.<br />

„Was sollen wir tun? Wir sind hier stecken<br />

geblieben“, sagten sie.<br />

Der Rebbe reagierte scharf: „Stecken geblieben?“<br />

rief er aus. „Ein Jude bleibt nie stecken;<br />

ein Jude wird geschickt. Jeden Morgen sagen<br />

wir die Bracha „Hamechin mizadei Gawer“.<br />

Wir loben Haschem, weil Er die Schritte<br />

des Menschen führt. Wenn ihr euch in einer<br />

fremden Stadt befindet, seid ihr aus einem<br />

Grund dorthin gesandt worden. Ihr seid nicht<br />

stecken geblieben.“<br />

Was ist mit dem Bitul Tora, der durch solche<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

Umstände entsteht? Was ist mit all den Tefillot,<br />

die wir ohne Minjan dawenen müssen? Wie<br />

freudig kann ein Jomtow ohne Freunde und Familie<br />

sein? Sollte dies uns nicht deprimieren?<br />

Wir müssen vom Wilnaer Gaon eine Lektion<br />

lernen. Wenn der Wilnaer Gaon bereit war, auf<br />

Tefilla ohne Minjan zu verzichten und, und<br />

bereit war, sein Lernen für das Galut leiden<br />

zu lassen, muss es lohnenswert sein.<br />

Zuhause und trotzdem im Galut<br />

Was ist mit Leuten, die nie reisen, die nie ein<br />

Flugzeug besteigen? Viele Leute arbeiten an<br />

ihrem Wohnort und sind immer von anderen<br />

Juden umgeben. Haben sie auch eine Gelegenheit,<br />

Galut zu praven?<br />

Vielleicht gehen sie auf Schabbat zu ihren<br />

Schwiegereltern, oder sie verbringen Zeit im<br />

Hause eines Familienmitglieds, bei dem sie<br />

sich nicht so wohl fühlen?<br />

Gibt es manchmal Situationen, in der wir uns<br />

nicht gut fühlen? Wenn dies der Fall ist, dann<br />

haben auch wir die Gelegenheit, die Vorteile<br />

des Galuts zu erfahren. Wie wir erwähnt haben,<br />

bietet der Pele Joez zwei Methoden an, das<br />

Galut zu erfahren.<br />

Wir haben bisher die erste Methode besprochen<br />

und die Erfahrung beschrieben, sich auf<br />

eine Reise zu begeben und die Beschwernisse<br />

des Galuts zu akzeptieren.<br />

Jetzt wollen wir die zweite Strategie des<br />

Pele Joez studieren. <strong>Die</strong>s gilt für uns alle<br />

– Geschäftsreisende und Leute, die den öffentlichen<br />

Verkehr benützen.<br />

Stellen wir uns einen Wintermorgen vor. Wir<br />

verlassen das warme Haus, um nach Schul<br />

oder zum Daf Jomi- Schiur zu gehen, und es<br />

ist eiskalt. Der Wind pfeift, und der Schnee<br />

türmt sich auf dem Boden auf. Während<br />

wir auf dem Weg zur Schul sind, gerät der<br />

Schnee in unsere Schuhe und schmilzt in den<br />

Socken. <strong>Die</strong> Socken sind nass und eiskalt, und<br />

wir sehen uns dem Dilemma gegenüber, das<br />

jeder Mensch in solch einer Situation hat: Wir<br />

können das Unbehagen von nassen Socken<br />

den restlichen Tag erleiden oder können nach<br />

Hause gehen und die Socken wechseln, und<br />

den vorhersehbaren Kommentar unserer Frau<br />

hören: „Ich habe dir gesagt, du sollst Stiefel<br />

anziehen.“<br />

Ich bin nicht sicher, was schlimmer ist, aber<br />

auf jeden Fall befinden Sie sich in einer unbehaglichen<br />

Situation.<br />

Oder stellen Sie sich vor, spät nachts im Bet<br />

Midrasch zu sitzen und damit zu ringen,<br />

wach zu bleiben, um noch ein wenig mehr<br />

zu lernen. Sie fühlen sich unbehaglich. Sie<br />

möchten lieber zuhause sein, wo Sie einen<br />

gefüllten Kühlschrank und einen bequemen<br />

Lehnstuhl haben.<br />

„Nimm solche Situationen mit Liebe an“,<br />

sagt der Pele Joez, „und lerne oder dawene<br />

mit Freude. Denk daran, dass das Exil aus<br />

deinem Haus für deine Sünden sühnen soll.“<br />

Du musst nicht der Wilnaer Gaon sein, der


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

durch ganz Europa reiste; du musst kein Geschäftsmann<br />

sein, der in eine weit entlegene<br />

Stadt fährt. Du kannst in Schul sein, zwei<br />

Strassen von deinem eigenen Haus entfernt,<br />

und trotzdem im Galut sein. Jedesmal, wenn<br />

du den Komfort deines Hauses aufgibst, um<br />

Haschem zu dienen, erlebst du das Galut.<br />

In der Tat erklärt der Pele Joez, dass man sich<br />

im eigenen Haus im Galut befinden kann. In<br />

den Wochen vor Pessach, wenn die Frau einen<br />

aus der Küche vertreibt und sagt, man solle im<br />

Heizkeller essen, soll man nicht reklamieren.<br />

Sage nicht: „<strong>Die</strong> Frauen haben heute solche<br />

Chumrot.“<br />

Zeige ein Lächeln auf deinem Gesicht, und<br />

wenn deine Frau fragt, warum du lächelst, sage<br />

ihr: „Das Galut wird meine Sünden sühnen.“<br />

Dann nimm dein Essen, geh ins Untergeschoss<br />

und prave Galut.“<br />

Stellen Sie sich die Vorteile vor, wenn man<br />

diese Haltung in unser Leben integriert. Wenn<br />

wir uns unbehaglich fühlen, konzentrieren<br />

wir uns auf uns selbst. Wir denken: „Ich<br />

befand mich auf dem Weg nach Schul, um<br />

zu dawenen. Warum erlaubte Haschem, dass<br />

der Schnee in meine Socken gelangte? Meine<br />

Füsse sind so kalt, ich kann kaum stehen. Ich<br />

hätte in meinem bequemen, warmen Bett bleiben<br />

sollen“, oder „Warum sitze ich noch hier<br />

mit meiner Chawruta? Ich sollte nachhause<br />

gehen und eine heisse Dusche nehmen.“<br />

Wenn Sie finden, dass Sie nicht leiden sollten,<br />

dann ärgern sie sich und gehen. Wenn<br />

Sie jedoch realisieren, dass das Ganze einen<br />

Zweck hat, können Sie jedesmal, wenn Sie<br />

sich unbehaglich fühlen, zu sich sagen: „Ich<br />

prave Galut“ und fühlen sich getröstet.<br />

Wenn Sie einmal beginnen, so zu denken, werden<br />

die Vorteile, die durch das Galut erlangt<br />

werden können, Ihnen zur Verfügung stehen.<br />

Stellen Sie sich vor, im Strassenverkehrsamt<br />

in der zweiten aufeinander folgenden Woche<br />

Schlange zu stehen. Sie wissen, dass Sie in<br />

einigen Minuten zum Angestellten kommen<br />

werden, der anscheinend nur dafür ausgebildet<br />

ist, festzustellen, welches Dokument Ihnen<br />

fehlt und Ihnen sagen wird, Sie sollten ein<br />

drittes Mal kommen. Sie sind unglücklich.<br />

Sie fühlen sich belästigt. „Warum musste<br />

Haschem überhaupt solch ein Amt schaffen?“<br />

Aber Raw Zadok lehrt, dass das Galut es uns<br />

ermöglicht, unseren Zorn zu besiegen. Jede<br />

Unannehmlichkeit im Leben gibt uns diese<br />

Gelegenheit. Beschimpfen wir die Angestellte<br />

im Amt oder beherrschen wir uns?<br />

Bis heute hätten Sie sich geärgert und wären<br />

aufgeregt geworden. Jetzt kennen Sie den<br />

Trick. Sie wissen, dass Haschem Sie aus<br />

einem Grund dorthin gesandt hat. Sie sagen:<br />

„Ich und der Wilnaer Gaon, wir haben Galut<br />

gepravet.“ Und wenn Sie das nächste Mal<br />

Ihr Haus verlassen, um zu einem Schiur zu<br />

gehen, wenn es schneit, regen Sie sich nicht<br />

auf. Sie haben eine goldene Gelegenheit! Der<br />

„Tomer Devora“ schreibt, dass es am besten<br />

19<br />

ist zu gehen, wenn man Galut pravet, nicht ein<br />

Pferd und eine Kutsche zu nehmen. Machen<br />

Sie es auch für sich ein bisschen schwieriger.<br />

Nehmen Sie nicht das Auto. Stapfen Sie im<br />

Schnee und denken Sie: „Galut sühnt meine<br />

Sünden.“ Woran denken Sie, wenn Sie fühlen,<br />

dass der Schnee in Ihre Schuhe gerät? Sie<br />

denken an die Schechina, und wie unbehaglich<br />

es der Schechina sein muss, aus dem<br />

Bet Hamikdasch vertrieben worden zu sein.<br />

Der Tomer Devora schreibt, dass wir die Galut<br />

Erfahrung vertiefen können, indem wir das<br />

Mass an Behaglichkeit reduzieren. Wir sollten<br />

realisieren, dass wir alle Lebensnotwendigkeiten<br />

haben, aber die Schechina nicht. Ich nehme<br />

nur meine Pyjamas, Kleider zum Wechseln,<br />

eine Zahnbürste und vielleicht einen Beutel<br />

mit Crackers auf eine Reise mit. Trotzdem<br />

gibt es Situationen, in denen es ratsam wäre,<br />

an die Worte des Tomer Devora zu denken.<br />

Haben Sie sich je darauf verlassen, dass ein<br />

Familienmitglied etwas Wichtiges in Ihren<br />

Koffer legt? Hat Ihre Frau Ihnen je gesagt:<br />

„Sorge dich nicht, ich werde es einpacken“,<br />

und es dann vergessen? Regen Sie sich auf?<br />

Ab heute nicht mehr! Jetzt sagen Sie sich:<br />

„Meine Frau betrachtet mich als „Baal Madrega“.<br />

Sie denkt, dass ich fähig bin, mit der<br />

Schechina mitzufühlen, indem ich einige<br />

meiner persönlichen Dinge zuhause lasse.“<br />

Jeder Moment ist bedeutungsvoll<br />

<strong>Die</strong> Gemara (Taanit 24b) erzählt, dass Rabbi<br />

Chanina ben Dosa einst auf der Strasse ging<br />

und es zu regnen begann. Er sagte zu Haschem:<br />

„<strong>Die</strong> ganze Welt ist zufrieden, und Chanina<br />

leidet?“ Auf wundersame Weise hörte der<br />

Regen auf zu fallen. Als er sein Haus erreichte,<br />

sagte er: „<strong>Die</strong> ganze Welt leidet, und Chanina<br />

ist zufrieden?“ Es begann, wieder zu regnen.<br />

<strong>Die</strong> kabbalistischen Gründe für Rabbi Chanina<br />

ben Dosas Verhalten können von uns<br />

nicht verstanden werden, aber die Gemara<br />

berichtet von Raw Josefs Reaktion auf diese<br />

Geschichte. Er sagte: „Wie wirksam ist denn<br />

noch das Gebet des Kohen Gadol, wenn es<br />

einen Rabbi Chanina ben Dosa gibt.“<br />

<strong>Die</strong> Mischna (Joma 52b) erzählt uns nämlich,<br />

dass der Kohen Gadol am Jom Kippur eine<br />

kurze Tefilla zu sagen pflegte, wenn er aus<br />

dem Kodesch Hakodaschim herauskam. Was<br />

war sein Gebet?<br />

„Jehi Razon milfanecha – möge es Dein Wille<br />

sein - schetehe Haschana hasu geschuma –<br />

das es in diesem Jahr reichlich Regen geben<br />

wird – we’al jikanes lefanecha Tefillat Ovrei<br />

Derachim – und dass das Gebet von Reisenden<br />

(die für das Aufhören des Regens beten)<br />

nicht vor Dich kommen soll.“ Wenn Rabbi<br />

Chanina ben Dosa der Reisende war, wurden<br />

seine Gebete von Haschem angenommen.<br />

Raw Josef drückte seine Überraschung aus,<br />

dass die Gebete von Rabbi Chanina ben Dosa<br />

mächtiger waren als die Tefillot des Kohen<br />

Gadol am Jom Kippur.<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Der Jetev Lev (Parschat Wajischlach) vermittelt<br />

uns in dieser Gemara eine sehr tiefe<br />

Erkenntnis. Es gibt zwei Arten von Reisenden:<br />

Es gibt „Ovre Derachim“ und es gibt „Holche<br />

Derachim“. <strong>Die</strong>se Ausdrücke scheinen<br />

synonym zu sein; „Ovre Derachim“ sind<br />

diejenigen, die die Strassen überqueren, und<br />

„Holche Derachim“ sind diejenigen, die auf<br />

den Strassen reisen. Was ist der Unterschied<br />

zwischen ihnen?<br />

„Ovre Derachim“, erklärt der Jetev Lev, „sind<br />

Leute, für die die Reise an sich bedeutungslos<br />

ist. Sie müssen zum Punkt B kommen und<br />

sie befinden sich am Punkt A, also müssen<br />

sie alle Strassen überqueren, die von Punkt A<br />

zu Punkt B führen. <strong>Die</strong> Reise ist nicht mehr<br />

als ein Mittel, um ihr Ziel zu erreichen. <strong>Die</strong><br />

Reise selbst hat keinen eigenen Wert.<br />

„Holche Derachim“ sind Leute, die Haschems<br />

Hand in jedem Schritt, den sie gehen, erkennen.<br />

Wenn sie reisen, fühlen sie, dass Haschem<br />

ihre Schritte leitet und dass jeder Schritt ihrer<br />

Reise und jede Erfahrung Bedeutung hat.<br />

Ihre Reise ist nicht nur ein Mittel, Punkt B<br />

zu erreichen. Es ist eine Reise voller Absicht<br />

und Bedeutung.<br />

Bezüglich Jaakow sagte die Tora: „WeJaakow<br />

halach ledarko – Jaakow ging auf seinem<br />

Weg“ (Bereischit 32:2). Bezüglich Esav sagt<br />

die Tora dagegen: „Jaavor na adoni lifne avdo<br />

– Mein Herr Esav soll vor seinem <strong>Die</strong>ner<br />

Jaakov vorbeigehen“ (ibid, 33:14). Jaakow<br />

war ein Holech Derech, und Esav dagegen<br />

ein „Over Derech“.<br />

Was war das Gebet des Kohen Gadols am<br />

Jom Kippur? „We’al jikanes lefanecha Tefillat<br />

Ovre Derachim – dass das Gebet der<br />

Reisenden, die darum beten, dass der Regen<br />

aufhören solle, nicht vor Dich gelangen soll“.<br />

Der Kohen Gadol bezieht sich auf Leute,<br />

die „Ovre Derachim“ sind, für die die Reise<br />

als solche keine Bedeutung, keinen Inhalt<br />

hat. Sie sind es nicht wert, dass ihre Gebete<br />

erhört werden.<br />

Raw Chanina ben Dosa war aber kein Over<br />

Derech, er war ein Holech Derech. David<br />

Hamelech schrieb: „Aschre Temime Derech<br />

haholchim beTorat Haschem – Lobenswert<br />

sind diejenigen, deren Weg perfekt ist, die<br />

mit der Tora von Haschem gehen“ (Tehillim<br />

119:1).<br />

Ein „Over Derech“ ist nicht würdig, dass seine<br />

Gebete erhört werden, und der Kohen Gadol<br />

dawent dafür. Ein „Holech Derech“ ist im Gebet<br />

des Kohen Gadols nicht eingeschlossen; er<br />

verdient es, dass seine Gebete erhört werden.<br />

Was für ein Unterschied! Ein Mensch, für<br />

den die Reise bedeutungslos ist, ist ein „Over<br />

Derech“. „Holche Derachim“ leben mit dem<br />

Gefühl, dass jegliche Plagerei, die im täglichen<br />

Leben vorkommt, bedeutungsvoll ist und dass<br />

sie Grösse erreichen können, wenn sie richtig<br />

damit umgehen.<br />

Worüber denken Sie nach, wenn Sie in einer<br />

endlosen Reihe im Verkehrsamt warten müs-


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

sen? In den ersten zwanzig Minuten denken<br />

Sie über ihre Pläne für den Tag nach, aber was<br />

tun Sie danach? Ein „Holech Derech“ denkt:<br />

„Ich hätte ein Sefer mitbringen sollen, aber<br />

ich kann ja die Zeit auch ausnützen, indem<br />

ich über den Ribbono schel Olam nachdenke.“<br />

Er denkt an den Schmerz, den die Schechina<br />

im Galut erfährt. Er wird eine „Merkawa“ für<br />

die Schechina.<br />

Es gibt Zeiten im Leben, in denen wir denken:<br />

„Ribbono schel Olam, warum tust Du mir dies<br />

an?“ Der Bruder meines Freundes hatte seine<br />

Frau durch eine Krankheit verloren. Es ist<br />

schwierig, ein Witwer mit einem Haus voller<br />

Kinder zu sein, und irgendwann beschloss er,<br />

dass er wieder heiraten müsse. Er hatte einen<br />

Sohn anfangs der Zwanzigerjahre, der auch<br />

versuchte, seine „bescherte“ Frau zu finden.<br />

Als dem Vater zum ersten Mal ein Schidduch<br />

angetragen wurde und er beschloss, auf diesen<br />

einzugehen, fragte ihn sein Sohn: „Wie stellt<br />

man sich dazu, im mittleren Alter eine Frau<br />

kennenzulernen? Es muss so schwierig sein.<br />

In meinem Alter herrscht Aufregung bei einem<br />

Treffen. Es muss aber schwierig sein, in<br />

deinem Alter diesen Prozess zu durchlaufen.“<br />

„Ich weiss“, antwortete der Vater, „ich fragte<br />

mich auch, wie ich diese Geduldsprobe angehen<br />

sollte. Dann beschloss ich, einen Hinweis<br />

aus der Tora zu nehmen. <strong>Die</strong> Tora sagt, dass<br />

als Elieser Haschem bat, ihm ein Zeichen zu<br />

geben, das ihn zur richtigen Person führen<br />

VON R NEUSTEIN<br />

Ich schaute mir die Karten in einem kleinen<br />

Geschäft an, als ich eine andere Person<br />

bemerkte. Ein wenig von mir entfernt stand<br />

eine junge Frau, die einen Buggy hielt. Sie<br />

sah freundlich aus.<br />

„Entschuldigen Sie, meinen Sie, dass das<br />

eine passende Karte für eine Zehnjährige<br />

ist?“, fragte sie.<br />

Nachdem ich ihr eine andere Karte gezeigt<br />

hatte, die ich passender fand, begannen wir<br />

uns zu unterhalten. Sie schien sehr intelligent<br />

zu sein und mit beiden Beinen auf dem Boden<br />

zu stehen. Eine Sache führte zur nächsten<br />

und während der Unterhaltung bemerkte<br />

ich, dass sie auf einem Auge nur sehr wenig<br />

sah. Ich fragte höflich nach dem Grund dafür<br />

und sie antwortete ohne Selbstmitleid: „Ich<br />

hatte einen sehr schweren Fall von „faulem<br />

Auge“ und es wurde nicht richtig behandelt.<br />

Das Resultat ist ein bleibender Schaden auf<br />

meinem Aug, obwohl es mein tägliches Leben<br />

nicht beeinflusst.“<br />

Etwas an ihrer Geschichte liess die Alarmglocken<br />

in meinem Kopf läuten, als Teile<br />

der Vergangenheit in meiner Erinnerung<br />

auftauchten. Das Bild einer Siebenjährigen<br />

mit einem offensichtlichen „faulen Auge“,<br />

20<br />

würde, als er auszog, um eine Frau für Jizchak<br />

zu finden. Als er zum Brunnen kam, sah er,<br />

wie das Wasser Rivka entgegen kam, und<br />

realisierte, dass Haschem ihm sein Zeichen<br />

geschickt hatte.“<br />

„Ich werde dasselbe tun“, schloss der Vater.<br />

„Ich sagte zu Haschem: „Ich weiss nicht, wie<br />

dies funktionieren wird. Es wird schwierig<br />

sein, eine zweite Frau zu finden. Bitte sende<br />

mir ein Zeichen, wenn die Richtige kommt.““<br />

An jenem Abend telefonierte er mit der ihm<br />

vorgeschlagenen Frau zu der Zeit, die vom<br />

Schadchan arrangiert worden war. <strong>Die</strong> Frau,<br />

die das Telefon abnahm, tönte sehr beschäftigt,<br />

als sie sagte: „Ich muss mich entschuldigen.<br />

Ich weiss, dass wir planten, um 20:30 Uhr<br />

zu sprechen, aber ich habe eine Notfallsituation.<br />

Ich habe kleine Kinder, und eines von<br />

ihnen hat gerade ein Spielzeug die Toilette<br />

hinuntergespült, und jetzt überläuft sie. Alles<br />

Wasser kommt herauf. Ich kann im Moment<br />

nicht mit Ihnen sprechen. Bitte rufen Sie in<br />

einer Stunde nochmals an.“<br />

Es ist unnötig zu erwähnen, dass er das<br />

Telefon mit einem grossen Lächeln auf dem<br />

Gesicht aufhängte. „Ist dies das Zeichen?“<br />

fragte er sich.<br />

Sie heirateten am Schluss, und das ist der<br />

Grund, warum ich die Geschichte hörte.<br />

Stellen wir uns aber die Frau am anderen<br />

Ende des Hörers vor. Sie war sicherlich sehr<br />

verärgert über ihre unangenehme Lage. Sollte<br />

Grosse braune Kleber<br />

Telefonanrufe und Diskussionen mischten<br />

sich in meinen Erinnerungen und ich hörte wie<br />

ich fragte: „Ist Ihr Mädchenname Feingold?“<br />

„Warum? Ja“, antwortete sie, die Überraschung<br />

war klar in ihrer Stimme zu erkennen,<br />

„wie wissen Sie das?“<br />

Bevor ich antworten konnte, rief sie aus:<br />

„Frau Danziger, meine Zweitklasslehrerin!<br />

Ich erkenne Sie jetzt. Doch wie haben Sie<br />

mich erkannt?“<br />

Nechama Feingold. Wie ich sie erkannt<br />

hatte? Wenn sie nur wüsste, wie viele Tage<br />

und Nächte ich mit Nachdenken über ihre<br />

schwierige Situation verbracht hatte.<br />

Ich murmelte etwas als Antwort und wir<br />

verabschiedeten uns mit dem Versprechen, in<br />

Kontakt zu bleiben. Ich wandte mich zurück zu<br />

den Karten und meine Erinnerungen führten<br />

mich zurück zu Ereignissen, die über zwei<br />

Jahrzehnten zurücklagen.<br />

Nechama war an einem sonnigen Septembermorgen<br />

in mein Leben getreten. Es war ihr<br />

erster Tag in der zweiten Klasse und das siebte<br />

Jahr, das ich unterrichtete. Ich bemerkte sofort,<br />

dass etwas an ihrem Aug nicht normal war<br />

und ich tat, was jede verantwortungsbewusste<br />

Lehrerin tun würde. Als ich Frau Feingold<br />

während der zweiten Schulwochen anrief,<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

sie das Ungeschick beschreiben und hilflos<br />

tönen, oder sollte sie irgendeine Ausrede erfinden<br />

und den Eindruck einer unverlässlichen<br />

Person erwecken?<br />

Was dachte sie, als die Toilette überzulaufen<br />

begann? „Ribbono schel Olam, warum tust du<br />

mir dies an? Warum musste das gerade jetzt<br />

geschehen? Er wird das Telefon aufhängen,<br />

und ich werde nie wieder von ihm hören.“<br />

Sie ahnte gar nicht, welche Auswirkung ihr<br />

Ungeschick haben würde.<br />

So ist es mit uns allen. Wir ärgern uns über<br />

die Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten<br />

des Lebens. Wir denken: „Ribbono schel<br />

Olam, ich gehe in einen Schiur, warum ist<br />

der nächste Parkplatz sechs Strassen von der<br />

Schul entfernt? Ich lebe nur sieben Strassen<br />

entfernt.“<br />

Wissen Sie, warum Sie keinen Parkplatz<br />

finden können? Es ist gut für Sie, die Strecke<br />

zu gehen. Es gibt Ihnen die Gelegenheit, über<br />

Haschem nachzudenken, sich vor Ihm zu erniedrigen,<br />

und ein Gefährt für die Schechina<br />

zu werden. Sie können Galut praven!<br />

Wenn das Leben schwierig wird, denken Sie<br />

an den Rat des Pele Joez. Nehmen Sie diese<br />

Momente des Unbehagens und wachsen Sie<br />

über sie hinaus. Erheben Sie sie in Momente<br />

des Ziels und der Grösse – in denen Sie eine<br />

Chance haben, Galut zu praven, mit Würde<br />

und mit Stolz.<br />

erwähnte ich das Problem so nebenbei. Ich<br />

war sicher, dass sie sich dessen bewusst war,<br />

doch ich fühlte mich verpflichtet, es trotzdem<br />

zu erwähnen.<br />

„Ja, ja“, erwiderte sie, wie verärgert über einen<br />

oft wiederholten Kommentar. „Wir wissen<br />

es. Nechama hat ein „faules Auge“ und wir<br />

behandeln die Sache.“ Ich war erleichtert zu<br />

hören, dass sie sich darum kümmerte und<br />

wandte mich anderen Belangen zu.<br />

Als das Schuljahr fortschritt, entwickelte sich<br />

meine Beziehung mit den Mädchen, doch ich<br />

merkte, dass nichts mit Nechama geschah. Sie<br />

trug nichts über ihrem Aug und es schien sich<br />

nicht zu verbessern.<br />

Eines Tages während der Pause lehnte sich<br />

Nechama über mein Pult und sagte: „Weisst<br />

du Frau Danziger, ich habe neue Kleber<br />

bekommen.“ „Wie schön“, sagte ich, als ich<br />

versuchte meine Schablonen zu sortieren.<br />

„Ja“, sagte sie weiter, „grosse braune Kleber,<br />

die ich auf meinem Auge tragen muss.“ Ich<br />

schaute sofort auf und konzentrierte mich<br />

darauf, auf was sie zu sagen hatte. „Doch ich<br />

trage sie nicht gerne“, sagte sie und schaute<br />

mich aufmerksam an, als ob sie auf meine<br />

Zurechtweisung wartete.<br />

„Hmmm“, sagte ich als Antwort und be-


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

schloss, ihre Mutter nochmals anzurufen.<br />

Später am selben Abend, als ich mit Frau<br />

Feingold sprach, brachte ich sorgfältig das<br />

Thema von Nechamas Augenklebern wieder<br />

auf. „Ja, wir wissen, dass Nechama einen<br />

Kleber braucht; wir sind uns dessen bewusst.“<br />

Ich wartete schweigend und hoffte, dass sie<br />

mehr dazu sagen würde.<br />

Sie unterbrach das Schweigen nach einem<br />

Moment. „Bitte verstehen Sie. Nechama kann<br />

recht schwierig werden, wenn sie gewungen<br />

wird, etwas zu tun. <strong>Die</strong> Morgen sind hektisch<br />

genug, ohne zusätzliche Diskussionen wegen<br />

der Augenkleber.“ „Ich verstehe, was Sie<br />

meinen“, sagte ich mitfühlend. „Morgen sind<br />

chaotisch.“<br />

Ich hatte eigene<br />

Erfahrungen damit.<br />

„Doch hier<br />

geht es um ihre<br />

Gesundheit. Vielleicht<br />

kann eine<br />

ältere Schwester<br />

dafür verantwortlich<br />

sein.“<br />

„ Es kann schwierig<br />

sein, sich mit<br />

der Situation eines<br />

anderen Menschen<br />

zu identifizieren,<br />

doch ich schätze<br />

es, dass Sie angerufen<br />

haben“, sagte sie höflich und hängte<br />

das Telefon auf.<br />

Zwei Wochen später nahm ich meinen ganzen<br />

Mut zusammen und rief nochmals an. <strong>Die</strong>ses<br />

Mal bot ich an, Nechama den Kleber in der<br />

Schule aufzukleben. Frau Feingold war widerstrebend<br />

einverstanden.<br />

<strong>Die</strong>s funktionierte sehr gut, bis ich mehr<br />

Kleber brauchte. Ich schickte mehrere Zettel<br />

mit der Bitte um mehr Kleber nach Hause<br />

und rief auch nochmals an, doch nichts kam.<br />

Ich diskutierte die Sache mit der Rektorin,<br />

die mir versicherte, dass Nechamas Eltern<br />

angesehene Mitglieder der Gemeinde waren,<br />

die sich sicherlich um dieses Problem küm-<br />

VON SHEVY<br />

„Od jischama beArej Jehuda...” Rachel drehte<br />

den Schlüssel im Schloss, „UweChuzot Jeruschalajim…“<br />

sang sie leise, als sie die Tür<br />

aufstiess. Stille begrüsste sie, doch das störte<br />

sie nicht. Im Moment hatte sie ihre eigenen,<br />

angenehmen Gedanken als Gesellschaft.<br />

Sie summte fröhlich weiter, als sie ihre Jacke<br />

auszog und die Schultasche auf den Boden<br />

stellte. Während sie sich etwas zum Essen<br />

machte, liess sie ihren Gedanken freien Lauf,<br />

erlebte die Aufregung des Tages nochmals<br />

und stellte sich vor, was die Zukunft bringen<br />

21<br />

merten. Sie riet mir davon ab, irgendwelche<br />

unkonventionelle Alternativen zu versuchen.<br />

„Sie werden sich sicher darum kümmern.<br />

Sorgen Sie sich nicht mehr darum.“<br />

Jeden Tag kam Nechama zur Schule, guter<br />

Laune, jedoch ohne Kleber. Ich musste mich<br />

um viele andere Probleme in meinem Klassenzimmer<br />

kümmern, ich hatte einen anderen<br />

Job und ich hatte meine Familienpflichten. Ich<br />

suchte keine zusätzlichen Sorgen, doch diese<br />

Situation störte mich wirklich. <strong>Die</strong> Behandlung<br />

schien so einfach, weshalb wendeten<br />

sie sie nicht an?<br />

Ich verstand, dass die Familie vielleicht andere<br />

Sorgen hatte, die dieses Problem verdrängten,<br />

und ich versuchte,<br />

an andere Wege<br />

zu denken, wie<br />

ich Nechama helfen<br />

konnte. Ich<br />

wusste zufällig,<br />

bei welchem Arzt<br />

die Familie in Behandlung<br />

war und<br />

beschloss, ihn zu<br />

kontaktieren. Ich<br />

wusste, dass das<br />

ein ungewöhnlicher<br />

Schritt war,<br />

doch ich hatte das<br />

Gefühl, dass ich in<br />

einer Position war,<br />

in der ich jede mögliche Option versuchen<br />

musste.<br />

Nachdem ich mit einem Raw besprochen<br />

hatte, was ich sagen konnte und unter welchen<br />

Umständen, machte ich den Telefonanruf. Ich<br />

begann, die Situation zu beschrieben, ohne<br />

irgendwelche Namen zu nennen und fragte<br />

den Arzt, was die Folgen sein würden.<br />

„Also“, sagte er, „es wird wahrscheinlich zu<br />

einem gewissen Sehverlust in diesem Aug<br />

führen.“ Ich hörte zu, wie er die technischen<br />

Aspekte erklärte, während ich immer angespannter<br />

wurde. „Ich verstehe, dass Sie nichts<br />

sagen dürfen, also lassen Sie mich erklären“,<br />

sagte ich. Ich sagte ihm dann, wen ich mein-<br />

Vertrauenstest<br />

für DIe kInDer<br />

würde.<br />

Es hatte alles begonnen, als Dina sie in der<br />

Mittagspause aus der Kantine rief. Zuerst<br />

zögerte sie, ihr Essen kalt werden zu lassen<br />

und ihrer besten Freundin zu folgen. Doch<br />

als sie die Aufregung auf Dinas Gesicht sah,<br />

wusste sie, dass es etwas war, für das es sich<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

te, nannte die relevanten Details und meine<br />

Ansicht darüber. Ich bat darum, dass er tun<br />

sollte, was immer in seinen professionellen<br />

Möglichkeiten stand.<br />

„Ich werde mein Bestes tun“, versprach er,<br />

„doch Sie müssen realisieren, dass ich nur<br />

Infomationen und Anweisungen geben kann.<br />

Schlussendlich ist es der Patient, der für seine<br />

Gesundheit verantwortlich ist.“ Ich dankte<br />

ihm für seine Zeit und hoffte für das Beste.<br />

Es war enttäuschend, dass sich nichts sich<br />

änderte und die Situation störte mich sehr. Ich<br />

wusste nun, was die wahrscheinlichen Konsequenzen<br />

waren, doch ich konnte nichts tun.<br />

<strong>Die</strong> Situation störte mich auch später, als<br />

Nechama nicht mehr in meiner Klasse war.<br />

In der fünften Klasse sah ich sie einmal im<br />

Korridor mit einer Brille; das eine Glas war<br />

sehr dick. Später verlor ich sie aus den Augen.<br />

Ironischerweise entwickelte meine Tochter einige<br />

Jahre später ebenfalls ein „faules Auge“.<br />

Ich lernte alle Einzelheiten von „Amblyopia“<br />

kennen und erfuhr, dass frühe Entdeckung und<br />

Behandlung das beste Ergebnis versprachen,<br />

obwohl auch später etwas erreicht werden<br />

kann, wenn man es richtig behandelt.<br />

Ich erinnerte mich dann an Nechama und auch<br />

an meine zwiespältigen Gefühle gegenüber<br />

ihrer Mutter. Damals hatte ich Frau Feingolds<br />

Benehmen nicht verstehen können, obwohl<br />

ich wusste, dass ich vielleicht nicht alle Umstände<br />

kannte. Obwohl seit damals viele Jahre<br />

vergangen waren, dachte ich immer noch an<br />

Nechama und hoffte, dass später das Richtige<br />

getan wurde.<br />

Ich musste auch lernen, dass ich als Lehrer<br />

alles Mögliche für meine Schüler tun muss.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse jedoch sind oft nicht in meiner<br />

Hand.<br />

Sie war an der Kasse, als ich meine Erinnerungen<br />

auf die Seite schob und mich nach<br />

ihr umsah. Ich sah zu, wie sie anmutig durch<br />

die Tür schritt und die Strasse hinunterging.<br />

Ich behielt sie im Aug, bis sie nur ein kleiner<br />

Fleck in der Ferne war. Eine hohe, anmutige<br />

und würdevolle Figur – mit Sehverlust auf<br />

einem Aug.<br />

lohnte, das Essen kalt werden zu lassen, auch<br />

wenn es <strong>Die</strong>nstag war, der Tag, an dem ihr<br />

Lieblingsessen serviert wurde.<br />

<strong>Die</strong> zwei Mädchen standen flüsternd neben<br />

einander. Dina hielt ihren Finger vor<br />

die Lippen. „Ich werde dir ein ganz, ganz<br />

grosses Geheimnis erzählen“, informierte<br />

sie ihre Freundin. „Versprich mir, dass du es<br />

niemandem erzählen wirst!“<br />

Rachel nickte eifrig; sie hatte das Gefühl, sie<br />

würde jeden Moment vor Neugierde platzen.<br />

„Sag es schon!“ bat sie.<br />

Dina nickte. „Doch erinnere dich an dein


<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Versprechen“, warnte sie. „Das ist es…“<br />

Dina lehnte sich näher zu Rachel und flüsterte<br />

in ihr Ohr. „Rachel Lea wird bald eine Kallah<br />

sein! Der Chassan ist Sissi Katz‘ Bruder!“<br />

Rachel schrie aufgeregt auf und Dina schaute<br />

sie warnend an. „Es ist noch nicht offiziell“,<br />

erklärte sie. „Momentan weiss es nur die<br />

Familie. Doch“, sagte sie weiter, „Ima hat<br />

mir erlaubt, es dir zu sagen. Sie sagt, du bist<br />

fast Teil unserer Familie.“<br />

Rachel nickte glücklich. Sie fühlte sich<br />

wirklich als Teil der Familie Berger; sie verbrachte<br />

fast ihre ganze Freizeit in ihrem Haus.<br />

Anders als in ihrem eigenen Haus, wo sie die<br />

älteste eines ganzen Haufens kleiner Kinder<br />

war, hatte sie im Haus der Bergers wirklich<br />

erwachsene Gesellschaft. „Und“, sagte<br />

Dina weiter, „heute Abend haben wir<br />

einen Lechajim in unserem Haus … und<br />

du musst einfach kommen.“<br />

„Sicher komme ich“, sagte Rachel. „Ich<br />

würde Rachel Leas Lechajim für nichts<br />

auf der Welt verpassen.“<br />

„Und was ist mit Vorbereiten? Könntest<br />

du helfen?“<br />

Rachel wurde in die Gegenwart zurückgerissen,<br />

als das Telefon durch das leere<br />

Haus läutete. Schnell streckte sie die<br />

Hand nach dem Hörer aus. „Hallo, es ist<br />

Sara Bergman“, verkündete die Stimme<br />

am anderen Ende.<br />

Oh nein! schrie Rachel innerlich. Wie<br />

konnte ich vergessen?<br />

Sara Bergman. <strong>Die</strong> blosse Erwähnung des<br />

Namens liess es Rachel kalt den Rücken<br />

hinunterlaufen. Es war nicht umsonst,<br />

dass die Mädchen sie die „Klassenkönigin“<br />

nannten. Hübsch, talentiert und<br />

beliebt, wollten alle Mädchen von Sara<br />

geschätzt werden. Manchmal schien es,<br />

als ob sogar die Lehrer es ihr recht machen<br />

wollten. Rachel wurde ganz gespannt.<br />

Sie wusste, was als Nächstes kam. Ihre<br />

Augen blickten nervös im Zimmer umher,<br />

als sie schnell nachdachte, wie sie sich<br />

retten könnte. Doch sie hatte keine Idee.<br />

„Rachel“, sagte Sara süss, „wir haben<br />

abgemacht, dass wir heute Abend zusammen<br />

Hausaufgaben machen, erinnerst<br />

du dich? Welche Zeit ist gut für dich?“<br />

Sara sprach weiter, sie merkte gar nicht,<br />

dass am anderen Ende der Leitung keine<br />

Antwort kam. „Ich kann dir gar nicht<br />

sagen, wie sehr ich das schätze“, sagte<br />

sie, „Hausaufgaben zusammen mit einer<br />

Freundin machen ist einfach so viel angenehmer…<br />

Welche Zeit willst du mich<br />

also treffen?“<br />

Welche Zeit? Rachel schluckte leer.<br />

Ihre Gedanken rasten. Sie hatte Dina<br />

versprochen, in einer halben Stunde bei<br />

ihr zuhause zu sein, um mit dem Vorbereiten<br />

zu helfen. Dann würde sie noch ein<br />

wenig bleiben müssen, um dort zu sein,<br />

22<br />

wenn der Lechajim begann. Danach würde sie<br />

einfach keine Zeit mehr haben, um Sara mit<br />

ihren Hausaufgaben zu helfen. Wie konnte sie<br />

Sara aber ihre Bitte abschlagen, ohne ihr den<br />

wahren Grund zu erzählen? Doch wie konnte<br />

sie es sich mit Sara Bergman verderben?<br />

„Sara“, sagte Rachel und versuchte, ihre Stimme<br />

zu beherrschen. „Es tut mir wirklich leid.<br />

Es geht bei mir heute Abend einfach nicht.“<br />

Nun gab es Stille am anderen Ende der Linie.<br />

„Du meinst, wir können heute Abend keine<br />

Aufgaben zusammen machen?“ fragte Sara<br />

schliesslich entsetzt.<br />

„Ja“, krächzte Rachel. Sie wusste es geschah<br />

nicht oft, dass jemand Sara Bergman eine<br />

Bitte abschlug.<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

„Weshalb?“ fragte Sara<br />

„Ehm. Etwas ist dazwischen gekommen“,<br />

antwortete Rachel einfach.<br />

„Es muss etwas wirklich Wichtiges sein“,<br />

sagte Sara. „War es etwas, das du vorhin<br />

nicht gewusst hast? Ist es eine Art Notfall?<br />

Sind alle in Ordnung?“<br />

„Alle sind ok“, sagte Rachel kurz. „Es tut mir<br />

leid, dass ich nicht mehr sagen kann.“<br />

„Ich verstehe“, erwiderte Sara kalt und tönte<br />

überhaupt nicht, als sie ob sie verstand.<br />

Rachel dachte an die nächste Purim-Vorstellung.<br />

Sara würde sicherlich alles organisieren.<br />

Wenn Rachel sich nun mit Sara zerstritt, so<br />

konnte sie die Hoffnung auf eine gute Rolle<br />

aufgeben.


Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

23<br />

gucav ,arp<br />

,una 'p<br />

<strong>Die</strong> JüDische <strong>Zeitung</strong><br />

Was wird Haschem uns bescheren?<br />

Eine Frage, die sich Leute häufig stellen, lautet<br />

etwa: „Was wird morgen sein?“ Sie wird<br />

vielleicht nicht immer auf diese Art gesagt und<br />

wird auch nicht immer ausgesprochen. Aber<br />

man würde gerne wissen, was die Zukunft<br />

bringen wird.<br />

Wir Jehudim lehnen diese Gedanken aber ab,<br />

da wir den Passuk in der Tora kennen: „Tamim<br />

Tihje im Haschem Elokecha – Volkommen<br />

sollst du mit Haschem, Deinem G“tt, sein!“<br />

Wir verlassen uns vollständig auf unsere<br />

Chachamim und sind uns bewusst, dass sie<br />

uns auf den richtigen Weg führen werden. Wir<br />

haben deshalb auch keinen Grund, uns über<br />

die Zukunft Gedanken zu machen.<br />

Aber bevor wir uns diese Gedanken überhaupt<br />

machen können, sollten wir uns fragen: „Ist<br />

die Zukunft überhaupt schon bestimmt? Steht<br />

mit Sicherheit schon fest, was morgen, in<br />

einem Jahr und in hundert Jahren sein wird?“<br />

Einerseits wissen wir, dass Haschem alles<br />

bekannt ist und Haschem auch mit Sicherheit<br />

weiss, was in der Zukunft sein wird. Anderseits<br />

kreierte Unser Schöpfer die Welt und<br />

die Menschheit in einer Art, dass die Zukunft<br />

unbestimmt bleibt. Und zwar nicht einfach,<br />

weil wir die Zukunft nicht wissen, sondern<br />

weil sie wirklich nicht bestimmt ist.<br />

Hier stossen wir auf die bekannte Frage:<br />

„Wie stimmt die Bechira – die freie Wahl, mit<br />

dem Wissen von Haschem überein?“ Unsere<br />

Weisen beantworten dies mit den Worten Haschems:<br />

„Denn Meine (Haschems) Gedanken<br />

sind nicht wie eure Gedanken…“<br />

Der Neziw will uns zeigen, wie dieses ganze<br />

Und was war mit der „Pyjama Party“, die<br />

Sara plante? Rachel wusste, dass sie keine<br />

Einladung erwarten konnte.<br />

Einen Moment lang zögerte Rachel. Wenn sie<br />

nur sagte, dass es etwas mit Dinas Schwester<br />

war, so würde Sara sicher verstehen. Das<br />

würde all ihre Probleme lösen. Sie würde natürlich<br />

nichts Klares sagen, nur einen kleinen<br />

Hinweis. Etwas wie…<br />

„Also ist das dein letztes Wort? Du lässt mich<br />

hängen?“ fragte Sara.<br />

Rachel öffnete ihren Mund und schloss ihn<br />

schnell wieder. Nein. Sie würde nicht Dinas<br />

Geheimnis verraten. Ein Versprechen war ein<br />

Versprechen – auch wenn es bedeutete, dass<br />

Sara Bergmann sie nicht mehr gerne hatte.<br />

„Ja“, sagte Rachel entschuldigend und<br />

wünschte Sara einen guten Nachmittag.<br />

Einige Momente später, als Rachels Familie<br />

heimkehrte, fanden sie Rachel nicht fröhlich<br />

summend wie zuvor. Sie sass nur dort und<br />

starrte grimmig das Telefon an.<br />

***<br />

„Das ist für dich“, sagte die Stimme. Rachel<br />

konzentrierte sich auf die letzte Frage auf dem<br />

Blatt. Es war Sara Bergmans Stimme, doch<br />

Thema in der Parscha dieser Woche, Parschat<br />

Schemot, aufgezeichnet ist.<br />

Als Haschem Mosche beim S’neh erschienen<br />

und ihm von der Erlösung der Bne Jisrael aus<br />

Mizrajim berichtete, sagte Mosche: „Und es<br />

sagte Mosche zu G“tt: „Siehe ich werde zu den<br />

Bne Jisrael kommen und ihnen sagen: ‚Der<br />

G“tt eurer Väter hat mich zu euch geschickt’,<br />

und sie werden mich fragen, wie Sein Namen<br />

denn lautet. Was werde ich ihnen dann sagen?“<br />

Darauf antwortete Haschem: „Eh-je ascher<br />

Eh-je“. Manche Gelehrte meinen, dass diese<br />

Worte eine Beschreibung von Haschems<br />

Namen sind, und man diese Worte deshalb<br />

nicht einfach ohne Grund aussprechen darf.<br />

<strong>Die</strong> einfache Übersetzung würde aber lauten:<br />

‚Ich werde sein, was Ich sein werde.’<br />

Der Neziw erklärt, dass Mosche mit seiner<br />

Frage hier sicher nicht den „Namen von<br />

Haschem“ meinte. Denn wenn nach unseren<br />

Begriffen auf dieser Welt auch schon die<br />

Mal’achim keinen eigenen Namen haben,<br />

sondern nach ihren Aufgaben benannt werden,<br />

dann kann Haschem - nach unseren Begriffen<br />

- sicher nicht ein ‚Namen’ angehängt werden.<br />

Mosche Rabenu sprach hier demnach sicher<br />

sie sprach sicherlich nicht zu Rachel. Sie hatte<br />

schliesslich seit dem Abend von Rachel Leas<br />

Verlobung nicht mit ihr gesprochen. Rachel<br />

kaute auf dem Ende ihres Bleistifts herum.<br />

„Rachel?“ sagte die Stimme nochmals. Rachel<br />

schaute auf.<br />

„Hier, das ist für dich“, sagte Sara und hielt<br />

ihr eine Einladung hin.<br />

Rachel schaute die Karte schockiert an. „Du<br />

bist überrascht?“ fragte Sara leise. „Du dachtest,<br />

ich würde dich nie einladen?“<br />

Rachel nickte.<br />

„Und wenn ich schon mit dir sprechen“,<br />

sagte Sara weiter. „Können wir eine Zeit<br />

abmachen, um heute Abend zusammen die<br />

Rechenaufgaben zu machen? Ich meine, wenn<br />

keine andere Schwester von Dina sich heute<br />

Abend verlobt!“<br />

Rachel lachte und atmete dann erleichterte<br />

auf. Das bedeutete, dass Sara zwei und zwei<br />

zusammen gezählt hatte und nun wusste,<br />

weshalb Rachel sie im Stich gelassen hatte.<br />

Und sie war nicht einmal wütend deswegen.<br />

„Rachel“, Sara schaute Rachel bittend an,<br />

„bitte sag es niemandem, doch ich bin eine<br />

Niete in Rechnen. Es brauche Stunden, um<br />

nur von der Führung Haschems. Er fragte<br />

Haschem: „Was werde ich den Bne Jisrael<br />

sagen können, wenn sie von mir wissen<br />

wollen, wie Haschem sie aus Mizrajim führen<br />

wird.“ Und hier sind wir wieder bei unserer<br />

ersten Frage angelangt. <strong>Die</strong> Bne Jisrael würden<br />

Mosche fragen, was die Zukunft bringen<br />

würde. Nachdem Mosche ihnen die Botschaft<br />

der Erlösung überbringen wird, werden sie<br />

daran glauben, aber wissen wollen, wie sie<br />

erlöst werden.<br />

<strong>Die</strong> Antwort von Haschem lautete, dass die<br />

Zukunft unbestimmt ist, und es vom Benehmen<br />

des Klall Jisraels abhängig war, wie sich<br />

Haschem ihnen gegenüber verhalten würde!<br />

Sicher ist es schlussendlich so, dass Haschem<br />

dem Klall Jisrael ans Herz legen wird, wie sie<br />

sich verhalten sollen, aber das geht schon über<br />

unser Verständnis hinaus, wie der Passuk uns<br />

sagt: „Denn Meine (Haschems) Gedanken<br />

sind nicht wie eure Gedanken…“.<br />

Das ist auch die Bedeutung der Worte ‚Ich<br />

werde sein, was Ich sein werde!’ <strong>Die</strong> Führung<br />

von Haschem ist vom zukünftigen Benehmen<br />

des Klall Jisraels abhängig. Haschem wird<br />

sich auf gleiche Weise verhalten, wie sich der<br />

Klall Jisrael Ihm gegenüber verhalten wird!<br />

Momentan ist es aber - soweit wir es auffassen<br />

können - noch unbestimmt, was die Zukunft<br />

mit sich bringen wird. Und obwohl wir vollständig<br />

unter der Führung G“ttes stehen, liegt<br />

die Zukunft voll und ganz in unserer Hand und<br />

ist von unserem Verhalten abhängig!<br />

Ch. B.<br />

die Aufgaben zu machen, und dann habe<br />

ich trotzdem unzählige Fehler. Der Grund<br />

weshalb ich unbedingt die Aufgaben mit dir<br />

machen will, ist weil ich denke, dass du mir<br />

wirklich helfen kannst. Bis jetzt hatte ich<br />

Angst, um Hilfe zu bitten. Ich hatte Angst,<br />

was die anderen Mädchen der Klasse von mir<br />

denken würden. Doch wegen der Geschichte<br />

mit Dinas Schwester weiss ich, dass ich dir<br />

trauen kann. Ich kann sicher sein, dass du mir<br />

helfen wirst und es trotzdem ein Geheimnis<br />

bleiben wird.“<br />

Rachel nickte. Sie konnte nicht glauben,<br />

dass alles so gut herausgekommen war. Sie<br />

schaute die wunderschöne Einladung zu Saras<br />

Pyjama-Party an.<br />

„Ich habe auch Dina und Sissi eingeladen“,<br />

sagte Sara.<br />

„Ich kann nicht mehr warten“, rief Rachel<br />

aufgeregt. „Wir werden so viel Spass haben!“


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24<br />

Nr. <strong>51</strong>, 17. Tewes 5771 / 24. Dezember 2010<br />

Ein Midrosch zur Haftoro<br />

„Deshalb, so sagte Haschem zu Bejs Jakoiw, der Awrohom ausgelöst hat usw.“.<br />

Im S‘chus von Jakoiw besteht die Welt. Und willst du fragen, dass es im S‘chus<br />

von Awrohom sei, so wie der Possuk es andeutet: „Das sind Erzeugnisse des<br />

Himmels und der Erde, die in ihrer Erschaffung... (Behibor‘om = Beawrohom)?<br />

Es ist im S‘chus von demjenigen, bei dem steht „der Awrohom ausgelöst hat“.<br />

Wo finden wir aber, dass Jakoiw Awrohom ausgelöst hat? Sagt Raw Jehudo: Er<br />

hat ihn von der Mühe des Kinder-Grossziehens erlöst (die Schmerzen von Joisef<br />

und seinen Brüdern und das Hinuntergehen nach Mizrajim). Das ist es, was der<br />

Possuk weiter sagt: „Jetzt muss sich Jakoiw nicht schämen“ - vor seinem Vater,<br />

„und sein Gesicht wird jetzt nicht bleich“ - vor seinem Grossvater.

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