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Buchtis<br />

Jürgen Brater<br />

»Ich bin alt, ich darf <strong>das</strong>!«<br />

Neulich sagte eine Bekannte, die schon in Rente ist, zu mir: »Das<br />

Schlimmste ist, <strong>das</strong>s ich nicht mehr wichtig bin«. Da kann schon etwas<br />

dran sein, wenn man beruflich nicht mehr aktiv ist. Auch ist man<br />

gesundheitlich meist nicht mehr so<br />

fit wie früher. Verdienen tut man auch<br />

nicht so viel. Zudem wird man gerne<br />

auch für alles Mögliche eingespannt,<br />

denn »du hast doch jetzt Zeit«.<br />

Das ist alles nicht so erfreulich,<br />

aber andrerseits eröffnen sich auch<br />

Möglichkeiten, die man vorher nicht<br />

hatte, vor allem was Freiheiten angeht.<br />

Darum geht es in dem Mutmach-Buch<br />

von Jürgen Brater, der sich auf die wundervolle<br />

Freiheit konzentriert, nicht<br />

mehr jung sein zu müssen. Und für den ehemaligen Zahnarzt Brater<br />

ist <strong>das</strong> Schönste am Alter: endlich Zeit zu haben, <strong>das</strong> zu tun, was man<br />

schon längst hätte tun sollen. Wenn er sich mit seinen Freunden im<br />

Stammlokal trifft und sie über <strong>das</strong> Leben im Unruhestand sinnieren,<br />

fällt ihnen dazu eine Menge ein. Da lohnt es sich etwa, eine alte Freundschaft<br />

wiederzubeleben, sich endlich bei jemandem zu bedanken, der<br />

<strong>das</strong> mehr als verdient hat, oder einen nervigen Typen endlich in die<br />

Wüste zu schicken. Wenn nicht jetzt, wann dann? Und vor allem nicht<br />

mehr jeden Mist mitzumachen: Handywahn, Denglisch, Gendern? Unnötiger<br />

Blödsinn! Dieses Buch erzählt in kurzweilig-humorigen Episoden<br />

von den wundervollen Freiheiten des Senioren<strong>das</strong>eins. Denn schließlich<br />

kommt es nicht darauf an, wie alt man ist, sondern wie man alt ist!<br />

Erschienen ist »Ich bin alt, ich darf <strong>das</strong>« bei riva, 205 Seiten, 13 Euro.<br />

Susanne Betz<br />

»Heumahd«<br />

Zur Zeit des Märchenkönigs Ludwig II. von Bayern entdeckte die Münchener<br />

High Society die Alpen. Tief ergriffen zeigten sich die Wohlbetuchten<br />

von der landschaftlichen Schönheit der bayerischen Berge und<br />

Seen. Und natürlich war den sommerlichen Urlaubern recht romantisch<br />

zumute, wenn sie auf ihren Ausflügen bei schönstem Wetter <strong>das</strong> einfache<br />

Landleben bewundern konnten. Das Problem war nur, <strong>das</strong>s sich<br />

<strong>das</strong><br />

Leben der Landbevölkerung nicht<br />

als romantisch und schon gar nicht<br />

als märchenhaft erwies. Vor diesem<br />

Hintergrund spielt der vierte Roman<br />

der promovierten Historikerin Susan-<br />

ne Betz. Ihre Figuren sind zwar frei erfunden,<br />

bis auf die des Kunstmalers,<br />

nicht aber die Realität gegen Ende des<br />

19. Jahrhunderts.<br />

Als Grasegger, der Bauer eines einsamen<br />

Bergbauernhofs, in einer bitterkalten<br />

Nacht im Suff erfriert, ist <strong>das</strong><br />

Dorf geschockt. Vroni, die junge Witwe, ist jedoch erleichtert, befreit<br />

der Tod Graseggers sie doch von ihrem gewalttätigen Ehemann. Der Hof<br />

gehört nun der Frau, die mit Anfang zwanzig zwar physisch und psychisch<br />

stark ist und keine Arbeit scheut, aber dennoch vor einer großen<br />

Herausforderung steht. Sie muss die Tochter des Bauern aus erster Ehe<br />

versorgen, die im Dorf nur »<strong>das</strong> Idiotenkind« heißt. Auch um den Onkel<br />

auf dem Hof muss sie sich kümmern, denn der ist schon lange nicht<br />

mehr arbeitsfähig. Unterstützung bekommt sie von einer spröden Magd<br />

und einem wortkargen Knecht. Das ist wenig, wenn es darum geht die<br />

Heuernte beizeiten einzubringen, die buchstäblich <strong>das</strong> Überleben im<br />

Winter sichern muss. Doch der finanzielle Druck ist nicht alles, was<br />

Vroni belastet, denn <strong>das</strong> ganze Dorf inklusive Pfarrer ist der Meinung,<br />

<strong>das</strong>s wieder geheiratet werden muss, sobald <strong>das</strong> Trauerjahr vorbei ist.<br />

Selbstverständlich gibt es Gerede, als der Kunstmaler Wilhelm Leibl<br />

auf dem Hof auftaucht. Der ist zwar nicht an Frauen interessiert, aber<br />

<strong>das</strong> wissen die Dörfler nicht und bilden ihre eigenen Theorien, was so<br />

alles auf dem einsamen Berghof passiert. Tatsächlich entwickelt sich<br />

eine Freundschaft zwischen Vroni und dem Maler, der aus einer ganz<br />

anderen Welt kommt. Während er nach und nach die Realitäten des<br />

Landlebens erkennt, entwickelt Vroni einen Blick für die Schönheit,<br />

die sie umgibt. Zum ersten Mal nimmt sie die Natur aus ästhetischer<br />

Perspektive wahr. Nur in Liebesdingen hat die eigensinnige Frau keine<br />

glückliche Hand, jedenfalls zunächst nicht.<br />

Erschienen ist der Roman, der einerseits sehr poetisch ist, andrerseits<br />

aber die knallharte Realität des Landlebens vergangener Zeiten<br />

zeigt, bei C.Bertelsmann, 317 Seiten, Hardcover, 22 Euro.<br />

Veit Etzold<br />

»Die Filiale«<br />

Thriller-Fans braucht man Veit Etzold gar nicht erst vorzustellen. Vor<br />

allem die Krimis der Reihe um die Berliner Patho-Psychologin Clara Vidalis<br />

stürmen seit 2012 die Bestseller-Listen. Mittlerweile ist der achte<br />

Band der Reihe mit »Höllenkind« bei Knaur erschienen, der Clara zu<br />

einem ganz besonderen Tatort führt,<br />

nämlich der Sixtinischen Kapelle im<br />

Vatikan. Doch darum soll es diesmal<br />

nicht gehen, denn Veit Etzold hat eine<br />

neue außergewöhnliche Hauptfigur<br />

gefunden.<br />

Laura Jacobs ist Bankerin. Nicht in<br />

dem Sinne, <strong>das</strong>s sie millionenschwere<br />

Hedgefonds verschiebt und daher in<br />

Geld schwimmt. Vielmehr ist sie Kundenberaterin<br />

in einer übersichtlichen<br />

Filiale einer großen Bank. Als solche<br />

springt sie auch ein, wenn die Kasse nicht besetzt ist, und hilft Omis<br />

beim Ausfüllen von Überweisungen. Doch mit dem beschaulichen<br />

Alltag ist es vorbei, als drei miese Typen die Bank überfallen. Obwohl<br />

sie nie in einer ähnlichen Situation war, bleibt Laura erstaunlicher<br />

Weise ruhig und verhindert so, <strong>das</strong>s die Bankräuber von ihren Waffen<br />

gebrauch machen.<br />

Erst dann fällt ihren Vorgesetzten auf, <strong>das</strong>s Laura möglicherweise<br />

zu mehr berufen sein könnte. Sie bieten ihr die stellvertretende<br />

Filialleitung an. Die junge Frau könnte sich glücklich schätzen, wenn<br />

da nicht noch andere Faktoren eine Rolle spielen würden. So soll der<br />

Mietvertrag des Hauses, <strong>das</strong> sie mit ihrem Ehemann mit viel Mühe und<br />

vor allem Geld renoviert hat, verkauft werden. Die gesamte Siedlung<br />

gehört fataler Weise »ihrer« Bank, die offenbar schnell Geld braucht.<br />

Als Laura sich beraten lässt, auf ihr Vorkaufsrecht pocht und auch die<br />

anderen Mieter mit Infos versorgt, wie sie sich wehren können, finden<br />

<strong>das</strong> die Bankbosse gar nicht witzig. Auch nicht witzig ist, <strong>das</strong>s Lauras<br />

Mann nicht bei seinen Leisten als Handwerker geblieben ist, sondern<br />

26 Das Stadtgespräch

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