HTpraxis_0722print
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>HTpraxis</strong>_0722.qxp_HTprax.qxd 09.12.22 10:14 Seite 14<br />
INSTALLATION & TECHNIK<br />
Der Autor Martin<br />
Taschl ist General -<br />
sekretär beim Forum<br />
Wasserhygiene<br />
Periodische Desinfektionsmaßnahmen<br />
sind ein Spiel mit dem Feuer!<br />
Von der sogenannten Legionellenschaltung werden<br />
Stichleitungen und Entnahmestellen grundsätzlich<br />
nicht erfasst, sondern nur der Speicher und<br />
das zirkulierende Verteilsystem – beides Bereiche,<br />
in denen Legionellen ohnedies nie vorkommen<br />
sollten. In den meisten Fällen ist der Nutzen für<br />
das Hochheizen und den damit verbundenen<br />
Energieverbrauch nicht gegeben.<br />
Die thermische Desinfektion stresst nicht nur die<br />
Mikroorganismen, sondern das gesamte System. Die auf über 70<br />
°C erwärmten Werkstoffe dehnen sich aus und ziehen sich beim<br />
anschließenden Abkühlen wieder zusammen. Die<br />
Ausdehnungskoeffizienten der verschiedenen Werkstoffe sind<br />
unterschiedlich, Dichtungen und O-Ringe werden besonders<br />
belastet. Sofern bei hartem Wasser keine entsprechenden<br />
Maßnahmen gesetzt werden, steigt die Kalkausfällung und führt<br />
zu Ablagerungen, die ihrerseits wieder einen idealen Nährboden<br />
für Mikroorganismen bilden. Darüber hinaus reduzieren die<br />
hohen Temperaturen auch die Lebensdauer der<br />
Installationswerkstoffe, sind diese doch auf Dauertemperaturen<br />
von maximal 70 °C ausgelegt. 100 Stunden bei 80 °C altern<br />
beispielsweise Trinkwasserrohre um 50 Jahre. Mögliche Folgen<br />
sind Wasserschäden durch Undichtigkeiten.<br />
Die keimtötende Wirkung der thermischen Desinfektion<br />
setzt nur dort ein, wo eine Temperatur von mindestens 70 °C<br />
mindestens 3 Minuten lang oder eine Temperatur von mindestens<br />
65 °C mindestens 10 Minuten lang auch wirklich erreicht<br />
wird. Andernfalls verbleiben Legionellen im System und haben<br />
im Anschluss an die Desinfektionsmaßnahme alle Zeit der Welt,<br />
den freigewordenen Lebensraum wieder zu besiedeln. Dazu<br />
finden sie sogar ein hervorragendes Nahrungsangebot in Form<br />
des organischen Materials aus den zuvor abgetöteten<br />
Mikroorganismen vor.<br />
Aus diesen Gründen ist es längst etablierte allgemein<br />
anerkannte Regel der Technik, eine thermische Desinfektion<br />
niemals präventiv, sondern nur anlassbezogen durchzuführen.<br />
Schon die ÖNORM B 5019 in der Ausgabe 2017 hält ganz klar<br />
fest: Die installationstechnischen Maßnahmen sind<br />
Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Sanierung und dürfen<br />
nicht durch verfahrenstechnische Maßnahmen zur Reduktion<br />
von Mikroorganismen ersetzt werden. Nach den normativen<br />
Vorgaben werden zentrale Warmwasserversorgungsanlagen<br />
rund um die Uhr bei konstanter Temperatur betrieben, Speicher<br />
werden permanent nachgeheizt, eine vorhandene Zirkulation<br />
läuft im Dauerbetrieb. Lediglich in Ein- und Zweifamilienhäusern<br />
darf von diesen strengen Vorgaben abgewichen werden.<br />
Ausschließlich im Bedarfsfall wird das System für eine thermische<br />
Desinfektion hochgeheizt und alle betroffenen Anlagenteile und<br />
Entnahmestellen werden mit der beaufschlagten Temperatur<br />
von 70 °C für mindestens 3 Minuten oder alternativ 65 °C für<br />
mindestens 10 Minuten gespült. Damit die benötigte<br />
Wärmemenge bereitgestellt werden kann, ist es zulässig, den<br />
Durchfluss an den Entnahmestellen so weit zu reduzieren, dass<br />
die erforderliche Temperatur gehalten werden kann. Um<br />
Verbrühungen unbedarfter Benutzer zu verhindern, sind die<br />
betroffenen Entnahmestellen während einer thermischen<br />
Desinfektion zu sperren. Insbesondere in größeren oder systemrelevanten<br />
Objekten sollte eine thermische Desinfektion daher<br />
abschnittsweise erfolgen, um eine Mindestversorgung mit Kaltund<br />
Warmwasser zu gewährleisten. Nicht nur aus<br />
Sicherheitsgründen, sondern auch zum Abkühlen der<br />
Kaltwasserleitungen auf eine hygienisch unkritische Temperatur<br />
ist im Anschluss an eine thermische Desinfektion unbedingt eine<br />
umfassende Kaltwasserspülung erforderlich.<br />
Werden Anlagen nach den allgemein anerkannten Regeln der<br />
Technik geplant und errichtet, liegt die Ursache einer auftretenden<br />
mikrobiologischen Kontamination in den meisten Fällen<br />
in einem nicht bestimmungsgemäßen Betrieb. Dieser liegt vor,<br />
wenn das Wasser längere Zeit in einzelnen Bereichen der<br />
Hausinstallation stagniert. Auch der Erfolg einer etwaigen<br />
Desinfektionsmaßnahme wird nicht von langer Dauer sein, wenn<br />
Stagnation vorliegt. Desinfektionsmaßnahmen sind nur dort<br />
nachhaltig, wo genügend Wasser entnommen wird. Ist dies im<br />
Zuge der regulären Nutzung nicht gewährleistet, so sind<br />
Spülmaßnahmen für den regelmäßigen Wasseraustausch<br />
notwendig. Diese können beispielsweise durch das<br />
Reinigungspersonal durchgeführt werden. Deutlich sparsamer<br />
sowohl in Bezug auf Personalkosten als auch beim<br />
Wasserverbrauch sind automatische Spülsysteme am Point-of-<br />
Use. Sie sind hygienisch sicher, da wie beim manuellen Spülen<br />
das Wasser im gesamten Verteilsysteme inklusive der Armaturen<br />
erneuert wird. Darüber hinaus sparen sie Wasser, denn sie<br />
14 HAUSTEC praxis 7|22