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Zugang zur Welt unter den Bedingungen von Blindheit

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kurz: die Handlungsfähigkeit mit einem vielseitigen Repertoire an zielgerichteten Handlungs-<br />

und Lösungsstrategien.<br />

Jede motorische Handlung ist motiviert und zielgerichtet, ihr liegt ein Plan zugrunde. Bevor<br />

diese Handlung umgesetzt wird, wird nach Kiphard eine „Probehandlung im Geiste“, eine<br />

„Bewegungsvorschau“ durchgeführt. Je genauer dabei die sensorische Orientierung und Einschätzung<br />

<strong>von</strong> eigenen Kompetenzen und Umweltsituationen ist, desto detaillierter ist die<br />

Vorstellung <strong>von</strong> Weg und Ziel, desto zweckmäßiger wird die Handlungsdurchführung. Das<br />

Körperschema ist die Basis für diesen Plan, der eine Verbindung zwischen <strong>den</strong> sensomotorischen<br />

und kognitiven Aspekten der Hirnfunktion darstellt. Die Handlungsfähigkeit nimmt zu<br />

mit der Zahl der Informationen, die über die verschie<strong>den</strong>en Sinnesmodalitäten aufgenommen<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Praxie hat einen nicht unwichtigen emotionalen Anteil, der in <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Lebenslagen<br />

wechselt: Er betrifft das Gefühl für die Ausdehnung des Körpers im Raum, <strong>den</strong> Platz, der beansprucht<br />

wird und <strong>den</strong> Abstand, der zu anderen eingehalten wird. Deutlich wird damit auch,<br />

dass nicht nur das Einschätzen der Entfernung zu Gegenstän<strong>den</strong> <strong>zur</strong> Bewegungsplanung gehört,<br />

sondern auch das Abstandhalten zu Personen.<br />

Bei blin<strong>den</strong> und taubblin<strong>den</strong> Menschen wird besonders die gute Regulation <strong>von</strong> Nähe und<br />

Distanz bedeutsam – zuviel Nähe beengt, zu große Distanz trennt <strong>von</strong> <strong>den</strong> Dingen und <strong>den</strong><br />

Menschen. Bei manchen blin<strong>den</strong> Menschen konnte ich beobachten, dass sie zu wenig gelernt<br />

hatten, wie viel Nähe (Intimität) ihren nicht behinderten Partnern zumutbar ist.<br />

Das innere Bild vom Raum entwickelt sich durch <strong>den</strong> Platz, <strong>den</strong> der Körper im Raum einnimmt<br />

und die Beziehung, die zwischen Körper und Raum herrscht. Das innere Raumbild<br />

beinhaltet das Gefühl für die Raumrichtung (Höhe, Breite, Tiefe) und das Abschätzen <strong>von</strong><br />

Entfernungen zu Gegenstän<strong>den</strong>.<br />

Zuerst entwickelt sich das Bezugssystem des eigenen Körpers – mit Begriffen wie, oben -<br />

unten, rechts - links, vorne - hinten, dann wird es auf <strong>den</strong> Raum übertragen. Die Position des<br />

eigenen Körpers entscheidet, ob ich vor, hinter oder neben einem Gegenstand stehe und in<br />

welche Beziehung zwei Gegenstände miteinander treten. Erst durch räumliche Begriffe, die in<br />

Abhängigkeit vom eigenen Körperschema gebildet wer<strong>den</strong>, wird es möglich, <strong>den</strong> eigenen<br />

Standort zu beschreiben. Die Beurteilung der Position des eigenen Körpers, also das Wissen<br />

wo man sich befindet, ermöglicht die Orientierung in der Umwelt. Der eigene Körper dient<br />

als zuverlässiger Ursprungsort aller Handlungen. Das Denken in logischen Schritten baut<br />

ebenfalls darauf auf.<br />

Abschließende Bemerkungen<br />

Die Besonderheiten der Klientel, mit dem ich überwiegend beruflich zu tun habe, sind überwiegend<br />

in mangeln<strong>den</strong> Erfahrungen in <strong>den</strong> geschilderten Bereichen begründet. Ihre intellektuellen<br />

Fähigkeiten sind da<strong>von</strong> meist nur in <strong>den</strong> naturwissenschaftlichen Fächern beeinträchtigt.<br />

Die Konstruktion eines Geo-Dreiecks beispielsweise gelingt vielen <strong>von</strong> ihnen kaum,<br />

ebenso wie das Herstellen räumlicher Beziehungen auf abstrakter Ebene. Orientierungsprobleme<br />

und mangelnde Handlungsplanung erschweren ihren Alltag.<br />

Durch das Ermöglichen vielfältiger Bewegungserfahrungen (d.h. Körper-, Material- und Sozialerfahrungen)<br />

versuchen wir, die Handlungskompetenz blinder und sehbehinderter Menschen<br />

zu vergrößern und dadurch dazu beizutragen, eigenständig und selbst bestimmt im Leben<br />

zu handeln. Der Lehrende sollte versuchen, aus der „Innensicht“ der Betroffenen heraus<br />

Unterstützung zu dabei geben, eigene Handlungsstrategien zu entwerfen. Die Aufmerksam-<br />

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