AltEin Magazin zum demografischen Wandel - Journalisten Akademie
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Geliehene Familienidylle: Einmal in der Woche erfüllt Opa Hajo jeden Wunsch<br />
Nur geliehen<br />
Wenn Oma und Opa nicht mehr da sind oder weit weg wohnen,<br />
dann leiht man sie sich eben andere. Börsen für Leihgroßeltern<br />
stillen die Sehnsucht nach der Großfamilie<br />
Endlich, der Opa ist da. Fast eine halbe Stunde haben<br />
Lennard und Blanca auf dem Flur gewartet, von<br />
einem auf das andere Bein wippend, alle zehn Minuten<br />
den Vater fragend, wann er denn endlich kommt.<br />
Kaum hat sich die Tür geöffnet, stürmen die Kinder<br />
auf ihren Opa zu, drücken ihn und holen sich ihr Begrüßungsküsschen<br />
ab. Dabei ist Opa Hajo gar nicht<br />
ihr Großvater, genau genommen ist er noch nicht einmal<br />
verwandt mit Familie von Gostomski.<br />
„Wunschgroßeltern … die leih ich mir“ steht auf der<br />
Broschüre im Büro von Edith Plegge. Seit zwei Jahren<br />
koordiniert sie das Projekt „Wunschgroßeltern“ in<br />
Ibbenbüren: „Wir bringen Kinder, die keine Großeltern<br />
mehr haben oder die weit weg von Oma und<br />
Opa wohnen mit Senioren aus der Nachbarschaft<br />
zusammen.“ Vier solcher intergenerativen Börsen gibt<br />
es im Münsterland, alle sind auf der Suche nach den<br />
passenden Omas und Opas. Geduldig und flexibel<br />
sollen sie sein, verantwortungsbewusst und zuverlässig.<br />
Rund 30 Familien im Münsterland haben bereits ihre<br />
Traumgroßeltern gefunden. Elf davon hat Edith Plegge<br />
vermittelt. Hajo Herwig war der Erste.<br />
Ob Kochen, Vorlesen oder einen Ausflug machen –<br />
einmal in der Woche erfüllt Leihopa Hajo den<br />
Geschwistern Lennard und Blanca jeden Wunsch.<br />
Geld bekommt er dafür nicht. Heute gehen alle drei<br />
auf den Spielplatz. Die anderen Eltern kennen Hajo<br />
schon. Man grüßt sich, führt Smalltalk. Das übliche,<br />
was Eltern und Großeltern eben so machen – nur dass<br />
Hajo kein richtiger Opa ist. Und<br />
doch: Auf die Frage, ob er die<br />
Kinder als seine Enkelkinder ansieht,<br />
sagt er ohne zu zögern ja.<br />
Vor zwei Jahren wurde der heute<br />
63jährige Politik und Geschichts <br />
lehrer pensioniert. Seitdem engagiert<br />
er sich ehrenamtlich. Erst<br />
war es Sterbebegleitung, jetzt ist<br />
er Wunschopa. Sich selbst nennt er einen passionierten<br />
Großvater.<br />
Einfach ist die Rolle des Großvaters nicht. Ständig<br />
rennen die Kinder hin und her, heulen, schimpfen.<br />
Nie darf er die Kinder aus den Augen lassen. Warum<br />
er das macht? „Es ist die Liebe zu den Kindern, man<br />
sieht sie aufwachsen, kann mit ihnen spielen und<br />
Spaß haben. Aber am schönsten ist es, wenn die<br />
Kinder mich Opa oder Opa Hajo nennen. Das ist, als<br />
gehörte ich zur Familie.“<br />
Die Kinder toben, der Leihopa passt auf und der<br />
Vater macht die Hausarbeit – wenn Hajo Herwig<br />
kommt, sind die Aufgaben bei den Gostomskis klar<br />
verteilt. „Normalerweise muss ich ja auf die Kinder<br />
aufpassen. Nur wenn Hajo kommt, hat man mal<br />
etwas Zeit für den Haushalt“, erklärt Vater André von<br />
Gostomski beim Spülen. Danach wird er den Rasen<br />
mähen und Staubsaugen. Seine Frau, eine Musiklehrerin,<br />
wird erst gegen Abend nach Hause kommen.<br />
Am schönsten ist es,<br />
wenn die Kinder mich Opa<br />
Evgenij Haperskij<br />
* 16.4.1984<br />
oder Opa Hajo nennen, das ist,<br />
als gehörte ich zur Familie<br />
... leiht sich keine<br />
Großeltern – nur Geld.<br />
Ab und zu.<br />
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