Altes Land - Medien-Verlag Schubert
Altes Land - Medien-Verlag Schubert
Altes Land - Medien-Verlag Schubert
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Stade<br />
<strong>Altes</strong> <strong>Land</strong><br />
Tradition, Fachwerk, Blütenmeer<br />
Mit Texten und Fotografien<br />
von Uwe Dammann<br />
M V S<br />
<strong>Medien</strong>-<strong>Verlag</strong> <strong>Schubert</strong><br />
1
2<br />
Uwe Dammann, Jahrgang 1958, wurde<br />
in Apensen geboren, absolvierte<br />
eine kaufmännische Lehre und machte<br />
in Buxtehude sein Abitur. Anschließend<br />
studierte er in Göttingen und<br />
Berlin Germanistik und Publizistik,<br />
schrieb für Tages- und Wochenzeitungen<br />
in Berlin, Hamburg und Stade<br />
und arbeitet heute als Redakteur beim<br />
Bremer Weser-Kurier. Bisher veröffentlichte<br />
er drei Text- und Bildbände<br />
zu Themen der Regionalgeschichte<br />
norddeutscher Städte und Dörfer.<br />
ISBN 3-929229-78-1<br />
Copyright © 2000 by <strong>Medien</strong>-<strong>Verlag</strong> <strong>Schubert</strong>, Hamburg.<br />
Alle Rechte, auch des auszugsweisen Nachdrucks und der fotomechanischen Wiedergabe, vorbehalten.<br />
Satz und Layout: <strong>Medien</strong>-<strong>Verlag</strong> <strong>Schubert</strong><br />
Druck: Grafisches Centrum Kuno<br />
Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis<br />
Stade – mittelalterliche Stadt mit lebendiger Tradition 5<br />
Das Alte <strong>Land</strong> – blühender Obstgarten an der Elbe 51<br />
Register 88<br />
Stade (Übersetzung englisch) 90<br />
Old Country (Übersetzung englisch) 90<br />
Stade (Übersetzung französisch) 92<br />
L’<strong>Altes</strong> <strong>Land</strong> (Übersetzung französisch) 92<br />
Quellenverzeichnis 94<br />
Französische Übersetzung: Katia Maurizio<br />
Englische Übersetzung: Jennifer Römer<br />
3
Stade –<br />
mittelalterliche<br />
Stadt mit<br />
lebendiger<br />
Tradition<br />
Ein Blick aus dem heutigen Museum,<br />
dem Schwedenspeicher, auf das bunte<br />
Flohmarkt-Treiben beim Stader<br />
Altstadtfest und auf die alten<br />
Stadthäuser am Wasser West.<br />
5
Als die Schiffe am alten Hafen noch vor Anker lagen. Im Winter 1959 gehörten zur Altstadtkulisse in Stade auch Frachtschiffe.<br />
Die Altstadt ist malerisch, die Fassaden<br />
sind prächtig, die Fußgängerzone<br />
heimelig, das Industriegebiet mit dem<br />
alten Kernkraftwerk vor den Stadttoren<br />
eher weniger einladend.<br />
Wir befinden uns in Stade, der Kreisstadt<br />
mit rund 45.000 Einwohnern.<br />
Die Stadt, die dem Alten <strong>Land</strong> verwaltungstechnisch<br />
und auch geographisch<br />
„übergeordnet“ ist, hat eine<br />
anerkannt einfühlsam restaurierte<br />
und lebendige Altstadt. Nicht zuletzt<br />
dadurch werden mehr und mehr Touristen<br />
aus der gesamten Bundesrepublik<br />
und dem Ausland angezogen. Ein<br />
Foto der Häuserzeile des „Alten Hafens“<br />
ziert ein Werbeplakat der Bundesrepublik,<br />
und selbst die Japaner,<br />
so eine gern erzählte Anekdote, hatten<br />
schon Interesse an dieser prächtigen<br />
Häuserzeile angemeldet und woll-<br />
6<br />
ten für ein stolzes Millionensümmchen<br />
die Häuser kurzerhand nach Japan<br />
versetzen lassen. Die Stadt ist<br />
das Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum<br />
und durch den großen „Kulturtempel“<br />
Stadeum auch mehr und<br />
mehr kultureller Mittelpunkt der Region.<br />
Diesem Glanz der Altstadt steht die<br />
moderne „Industriestadt“ gegenüber,<br />
die bundesweit bekannt geworden ist,<br />
allerdings auf weniger rühmliche Art:<br />
durch den ältesten Atomreaktor des<br />
<strong>Land</strong>es. Der Atommeiler ist nicht zuletzt<br />
wegen seines Alters und einiger<br />
Pannen ins Gerede gekommen. Daneben<br />
stehen große Betriebe eines Chemiekonzerns<br />
und zwei Aluminiumwerke.<br />
Dazu kommen ein Werk zur<br />
Salzgewinnung und die Zweigstelle<br />
eines großen Flugzeugbaukonzerns.<br />
Diese sechs Großbetriebe geben fast<br />
viereinhalbtausend Menschen Arbeit.<br />
Vier Fünftel der Gewerbesteuer, die<br />
Stade einnimmt, kommen von diesen<br />
sechs Firmen.<br />
Ein realistisches Bild Stades ergibt<br />
sich erst dann, wenn man drei Aspekte<br />
gemeinsam betrachtet. Die Wirtschaftskraft<br />
der Industrie hat die<br />
Mittel für die gelungene Altstadtsanierung<br />
bereitgestellt, die Infrastruktur<br />
gestärkt und damit das regionale<br />
Zentrum wiedererstarken lassen. In<br />
Stade weiß man, daß man einen Kompromiß<br />
eingegangen ist. Bürger und<br />
Stadtverwaltung hoffen, daß sich der<br />
schmale Grat zwischen Geld und Gesundheit<br />
auch langfristig als richtig<br />
erweist.<br />
Stade wird erstmals 994 schriftlich<br />
erwähnt. Geschrieben wurde damals
Die Hökerstraße im Jahre 1906 – Ein Stück weiter westlich der Straße befand sich vermutlich schon im 8. Jahrhundert ein Schiffslandeplatz,<br />
der wahrscheinlich den Ursprung der Stadt darstellt. Die Wilhadi-Kirche wurde bereits erstmals im 11. Jahrhundert gebaut und stellte den<br />
Mittelpunkt der damaligen Handwerkersiedlung Stades dar.<br />
nur bei besonderen Anlässen und so<br />
wurde die damalige Hafenmarktsiedlung<br />
„Stethu“ beim Beutezug der Askomannen<br />
erwähnt, die „Stethu“ immerhin<br />
als so wertvoll ansahen, daß<br />
sie halt machten und die Stadt plünderten.<br />
Geraubter Schmuck, abgeschnittene<br />
Nasen, Ohren und Hände<br />
setzen dabei den unrühmlichen Anfang<br />
der Stader Stadtgeschichte. Von<br />
den Greueltaten der Askomannen in<br />
der Burg Stade berichtet der Merseburger<br />
Bischof Thietmar in einer<br />
Chronik zum Jahre 994.<br />
Experten vermuten, daß diese Siedlung<br />
an einem Schiffsanlegeplatz an<br />
der Schwinge westlich der heutigen<br />
Hökerstraße schon im 8. Jahrhundert<br />
angelegt wurde.<br />
Größere Bedeutung als beim Beutezug<br />
der Askomannen erhält Stade<br />
aber erst Ende des 10. Jahrhunderts,<br />
als die regionalen Herrscher, die Udonen,<br />
ihre Residenz von Harsefeld nach<br />
Stade verlegen und auf dem zum ersten<br />
Mal aufgeschütteten Spiegelberg<br />
eine Festung errichten.<br />
Wo die Fürsten sich niederließen,<br />
durften auch die Bischöfe nicht lange<br />
fehlen. In der Mitte des 11. Jahrhunderts<br />
lassen sich die Erzbischöfe von<br />
Bremen eine erste, dem heiligen Willehad<br />
geweihte Kirche errichten. Das<br />
Gotteshaus soll Zentrum einer mit<br />
Markt-, Münz- und Zollrechten ausgestatteten<br />
Siedlung werden. Die Fürsten<br />
fördern dagegen weiterhin den<br />
Ausbau des Hafens und treiben dadurch<br />
die städtische Entwicklung voran.<br />
Die Marktsiedlung am Hafen und<br />
die Siedlung rund um die Kirche werden<br />
nach 1150 vereint und mit Wall<br />
und Graben umgeben. 1209 erhält<br />
Stade das volle Stadtrecht. Mit den<br />
Stadtrechten ist der Erweiterung der<br />
Stadt Tür und Tor geöffnet. In den<br />
Moor- und Marschgebieten wird durch<br />
Aufschüttung Bauland geschaffen. Ein<br />
neues, festes Hafenbecken, der heutige<br />
Alte Hafen, wird angelegt, das Franziskanerkloster<br />
St. Johannis gegründet.<br />
Bereits um diese Zeit entsteht<br />
auch die heutige Straßenführung der<br />
Altstadt.<br />
Hand in Hand mit der Stadterweiterung<br />
erreicht Stade nach 1250 seine<br />
bis dahin größte Bedeutung. Stade<br />
nennt sich Hansestadt und wird Mitglied<br />
der Hanse in Holland und Flandern.<br />
Die geschäftstüchtigen Stader<br />
treiben intensiv Handel mit Dänemark.<br />
Wenn es dem Bürgertum gut<br />
geht, drückt man das am besten mit<br />
7
Der alte Fischmarkt, ein zeitgenössischer Stich aus dem 18. Jahrhundert. Kaufleute siedelten sich hier an und bauten ihre großen Häuser.<br />
rechte Seite: Die Wilhadi-Kirche wurde bereits erstmals im 11. Jahrhundert gebaut und stellte<br />
den Mittelpunkt der damaligen Handwerkersiedlung Stades dar.<br />
einem großen Verwaltungsgebäude<br />
aus, das ist heute nicht anders als im<br />
Mittelalter. Noch vor 1279 wird ein<br />
großes Rathaus errichtet, dessen Keller<br />
noch erhalten sind. Mit dem Bau<br />
des Verwaltungsgebäudes, das die<br />
Stadt „vollendet“, hat Stade bereits<br />
zu Beginn des 14. Jahrhunderts seinen<br />
eigentlichen Höhepunkt überschritten.<br />
Einerseits ist der Stader Hafen<br />
durch die Anlandung der Elbe bereits<br />
zu weit von dem großen Fluß entfernt,<br />
andererseits hat Hamburg, der<br />
Konkurrent Stades im Elbhandel, seit<br />
dem Ende des 12. Jahrhunderts einen<br />
enormen Aufschwung genommen<br />
und Stade bereits überflügelt. Im 14.<br />
Jahrhundert gehört Stade zu den Hansestädten<br />
von mittlerer Bedeutung<br />
mit ausgeprägten, aber geographisch<br />
begrenzten Fernhandelsinteressen in<br />
Jütland und Flandern. Die Stader handeln<br />
hauptsächlich mit agrarischen<br />
Produkten, die aus dem Umland stam-<br />
8<br />
men und nach Flandern und Holland<br />
gebracht werden. Für Getreide und<br />
Gemüse bekommen Stader Edelwaren:<br />
Tuche, Farbstoffe, Gewürze und<br />
andere Luxuswaren werden eingetauscht.<br />
Stade ist im 14. und 15. Jahrhundert<br />
eine voll ausgebildete Stadt<br />
mit allen Rechten. Von seinem <strong>Land</strong>esherrn<br />
ist es unabhängig und führt<br />
eine eigenständige Außenpolitik. Die<br />
Stadt schließt Bündnisse mit den Städten<br />
Bremen und Buxtehude und den<br />
Adligen des Bezirks und betreibt daneben<br />
eine eigenständige Sicherungspolitik<br />
durch eine Erweiterung des<br />
Stadtgebiets. Am besten ist der Status<br />
der Stadt an seinen Häusern erkennbar.<br />
Der vollausgebildete Hafen<br />
hat sich in seiner Grundform bis heute<br />
erhalten. An der Süd- und Westseite<br />
des Hafens – Fischmarkt und Wasser<br />
West – werden die großen Häuser<br />
der führenden Kaufmannsfamilien<br />
gebaut. Das markanteste Haus am<br />
Wasser West, das Bürgermeister Hint-<br />
ze-Haus, wurde sicher schon im 16.<br />
Jahrhundert erbaut, erhielt obendrein<br />
1621 eine prächtige Renaissancefassade,<br />
die deutlich auch die Macht des<br />
damaligen regierenden Bürgermeisters<br />
Heino Hintze widerspiegelt.<br />
Zum Hafen führen nicht nur die Hökerstraße,<br />
sondern auch die mit der<br />
Siedlungserweiterung im 12. Jahrhundert<br />
angelegten, charakteristisch gekrümmten<br />
Straßenzüge der Bungen-,<br />
Kehdinger- und Salzstraße. Sie spiegeln<br />
in ihren Häusern zu einem Teil<br />
noch den Baucharakter des 16. Jahrhunderts<br />
wieder.<br />
Ebenfalls aus dem Mittelalter<br />
stammt der Wallring, der bereits auf<br />
einem Stich aus dem Jahre 1550 zu<br />
sehen ist. Der Wall umschließt eindrucksvoll<br />
eine Anzahl Kirchen. Die<br />
älteste davon ist die Kirche St. Cosmae<br />
et Damiani, die bis ins 15. Jahrhundert<br />
hinein noch eine einfache<br />
Kapelle ist. Die eigentlich erzbischöfliche<br />
Kirche St. Wilhadi wird in der
Seite 10: Hier lässt es sich leben: Umgeben<br />
von historischen Bauten kann man in der<br />
Stadtmitte im Freien sitzen, Bier oder Wein<br />
trinken und klönen. Im Hintergrund das<br />
Schwedenspeicher-Museum. Das ehemalige<br />
Provianthaus der schwedischen Garnison<br />
wurde zwischen 1692 und 1705 erbaut.<br />
S.11, unten:Heute befindet sich im Schwedenspeicher<br />
ein sehenswertes Museum zur Stadtund<br />
Regionalgeschichte sowie Vor- und Frühgeschichte<br />
im <strong>Land</strong>kreis Stade. Außerdem<br />
finden wechselnde Kunst-Ausstellungen statt.<br />
Seite 12: Am Wasser West fällt vor allem die<br />
massive Sandsteinfassade des Bürgermeister-<br />
Hintze-Hauses von 1621 auf. Die Werkstücke<br />
an der Fassade sind aus grauweißem Sandstein<br />
gearbeitet, die Flächen aus verputztem<br />
Backstein.<br />
Seite 13: Beim Altstadtfest „brummt“ das Leben.<br />
Die Flohmarktbeschicker vor der Kulisse<br />
vom Wasser-West mit dem Kunsthaus<br />
machen gute Geschäfte.<br />
11
oben: Das restaurierte Johanniskloster und die<br />
St.-Cosmae-Kirche. Im Kloster, das 1673 als<br />
schlichter Fachwerkbau nach dem großen Stadtbrand<br />
wiederaufgebaut wurde, befinden sich<br />
heute Büroräume kultureller Einrichtungen.<br />
unten: Auch für kulinarische Genüsse ist gesorgt.<br />
Gemütliche Restaurants erwarten die<br />
Besucher am Spiegelberg.<br />
rechte Seite oben u. unten: Große und kleine<br />
Schiffe finden sich im Neuen Hafen in Stade.<br />
Der Hafen hat seine frühere Bedeutung verloren,<br />
heute steuern ihn fast nur noch Segler<br />
und Paddler an.<br />
Seite 36: Dieser Backsteinbau mit den Fensterläden<br />
diente als Speicher. Die Schiffsladungen<br />
konnten hier per Seilwinde hoch<br />
gezogen und zwischen gelagert werden. Jetzt<br />
dient das Gebäude als reines Wohnhaus.<br />
Seite 37: Schmiedeeisernes Tor beim Johanniskloster.<br />
Das ehemalige Franziskanerkloster<br />
wurde 1672/73 neu errichtet und<br />
beherbergt heute das Stadtarchiv.<br />
38
Stade hat heute 45 000 Einwohner. Die Stadt ist das Dienstleistungszentrum der Region. Auf unserem Luftbild kann man deutlich im<br />
Vordergrund die Museumsinsel erkennen, rechts die Gebäude der Kreisverwaltung und im Hintergrund den Altstadtkern mit der St. Cosmae-<br />
Kirche.
Das Alte <strong>Land</strong> –<br />
blühender<br />
Obstgarten<br />
an der Elbe<br />
Das eigentliche Wahrzeichen<br />
Twielenfleths, das sogar die Kirche<br />
überragt, ist die Windmühle „venti<br />
amica“ (Freundin des Windes).<br />
Der Galerie-Holländer ist der älteste<br />
Vertreter dieses Windmühlentyps in<br />
Niedersachsen.<br />
51
Ohne anderen Gebieten in der Bundesrepublik<br />
zu nahe zu treten, das<br />
Alte <strong>Land</strong> ist wohl das bekannteste<br />
Obstanbaugebiet in Deutschland. Im<br />
Mai, wenn die Kirschbäume ihr weißes<br />
Blütenkleid angelegt haben, pilgern<br />
Tausende von Touristen aus der<br />
ganzen Republik und vorzugsweise<br />
aus dem nahen Hamburg in die Region<br />
an der Elbe. Die Kombination zwischen<br />
prachtvollen, gut erhaltenen<br />
Bauernhäusern im Fachwerkstil, blühenden<br />
Bäumen, grünen Elbdeichen<br />
mit grasenden Schafherden, Leuchttürmen,<br />
Brauchtum, regem Schiffsverkehr<br />
auf der Elbe macht die Region<br />
vor den Toren Buxtehudes und<br />
Stades zu einem der beliebtesten Ausflugsziele.<br />
Die Kirschbäume und der Apfel, seit<br />
Jahrtausenden bekannt als Symbol für<br />
Liebe, Fruchtbarkeit und Jugend<br />
(schließlich gab selbst Eva ihrem<br />
Adam einen Apfel) stehen im Mittelpunkt<br />
im Alten <strong>Land</strong>. Der Apfel nimmt<br />
den größten Ernteanteil ein und ist<br />
für Altländer so wichtig, daß sie ihn<br />
als Wahrzeichen für ihre Heimat wählten.<br />
Die Äpfel, wie auch die süßen<br />
Kirschen, werden zur Erntezeit am<br />
Straßenrand verkauft und bieten den<br />
Touristen einen weiteren Grund für<br />
den Ausflug in die Region an der Elbe.<br />
Eigentlich ist das Alte <strong>Land</strong> nur ein<br />
ebener, mit Obstbäumen bewachsener<br />
grüner Marschstreifen, der sich<br />
von der Süderelbe bei Moorburg bis<br />
an die Schwinge bei Stade erstreckt.<br />
Zwischen breiten Entwässerungsgräben<br />
(Moorwettern) und der Elbe ist<br />
der sogenannte <strong>Land</strong>strich <strong>Altes</strong> <strong>Land</strong><br />
zwei bis acht Kilometer breit und von<br />
den Elbnebenflüssen Lühe und Este<br />
in drei Meilen eingeteilt, die von der<br />
alten Hansestadt Stade aus gezählt<br />
werden.<br />
Die Erste Meile geht von der<br />
Schwinge bis zur Lühe, die Zweite<br />
Meile von der Lühe bis an die Este,<br />
52<br />
Das größte Obstanbaugebiet in Deutschland hat den Apfel zum Symbol erkoren. Die Frucht<br />
steht dabei auch als Symbol der Liebe, Fruchtbarkeit und der Jugend.<br />
die Dritte Meile von der Este bis zur<br />
Alten Süderelbe auf Hamburger Gebiet.<br />
Das rund 170 Quadratkilometer große<br />
Gebiet ist ein „Ableger“ der Elbe.<br />
Ebbe und Flut spülten das <strong>Land</strong> in<br />
Jahrtausenden auf. Der Strom ließ<br />
die Fracht an Sand und Schlick fallen.<br />
So entstanden Ufer, die schon früh<br />
von den Sachsen besiedelt wurden.<br />
Der Name <strong>Altes</strong> <strong>Land</strong> deutet daraufhin,<br />
daß hier schon zu Urzeiten<br />
Menschen siedelten. Da ist auch was<br />
dran. Nach Erkenntnissen der Archäologen<br />
hielten sich bereits vor 4 000<br />
Jahren Menschen in der Region auf.<br />
Durchgängig besiedelt ist das Gebiet<br />
an der Elbe seit 800 vor Christi. Doch<br />
trotz dieser frühen Besiedlung bekam<br />
die Region den heutigen Namen erst<br />
sehr spät. Eigentlich müßte das “Alte<br />
<strong>Land</strong>“ Neues <strong>Land</strong> heißen, schließ-<br />
lich trägt es diesen Namen erst seit<br />
dem 14. Jahrhundert, als man die Erste<br />
und Zweite Meile im Unterschied<br />
zu dem später wohnbar gemachten<br />
neuen <strong>Land</strong> beiderseits der Este bis<br />
an die Süderelbe „terra vetera“ (lateinisch:<br />
altes <strong>Land</strong>) nannte. Trotz dieser<br />
späten Namensgebung war das<br />
<strong>Land</strong> als Siedlungsgebiet auch schon<br />
bei den Römern bekannt.<br />
Wie der römische Schriftsteller Plinius<br />
im 1. Jahrhundert berichtet, siedelten<br />
am Ufer der Unterelbe die<br />
Chauken. Sie verdienten mühsam ihr<br />
täglich Brot mit Fischfang, Ackerbau<br />
und Viehzucht, und standen im ständigen<br />
Kampf mit dem morastigen Boden<br />
und den Naturgewalten. Die Sachsen<br />
mischten sich später mit dem<br />
Fischervolk. Ihr Einfluß ist heute noch<br />
an der ungewöhnlichen Form der Dörfer<br />
zu erkennen, die als Deichhufen-
Das Alte <strong>Land</strong> wird immer mehr zum beliebten Urlaubsgebiet für Gäste aus nah und fern. Auch in historischen Fachwerkhäusern sind dabei<br />
„Gästezimmer frei“.<br />
dörfer bekannt sind. Beispiele für diese<br />
am Elbdeich langgestreckte Besiedlungsform<br />
sind die Orte Twielenfleth,<br />
Grünendeich und Borstel. Die erste<br />
urkundliche Erwähnung fand auch der<br />
Ort Twielenfleth im Jahre 1059.<br />
Die Bezeichnung Deichhufendorf<br />
weist schon daraufhin, daß sich das<br />
Leben im Alten <strong>Land</strong> hinter den Deichen<br />
abspielt, die das Gebiet vor<br />
Sturmfluten schützen. Mit Hilfe von<br />
Menschenhand wurde in den vergangen<br />
Jahrhunderten dem sumpfigen<br />
Boden Stück für Stück kultiviertes<br />
Marschenland abgerungen. Technik<br />
und Wissen moderner Deichbauer<br />
sorgten in den letzten Jahrhunderten<br />
für die Sicherheit von Mensch, Tier<br />
und Natur. Doch mindestens ein dutzendmal<br />
reichte die Sicherheit der<br />
Deiche dem Ansturm der Sturmwogen<br />
nicht mehr aus. Spuren dieser<br />
Deichbrüche sind die sogenannten<br />
Bracks, kleine und größere Teiche<br />
binnendeichs, die nach Deichbrüchen<br />
von hereinstürzenden Wassermassen<br />
tief ausgehöhlt sind und nicht wieder<br />
aufgefüllt werden konnten. Der Deich<br />
mußte dann außen herum neu gebaut<br />
werden.<br />
Gleichzeitig haben die Deichbauer<br />
aber auch Spazierwege für Einheimische<br />
und besonders für Touristen gebaut.<br />
Die Besucher flanieren bei schönem<br />
Wetter zu Hunderten auf dem<br />
Elbdeich, schauen von den zahlreichen<br />
Bänken aus den vorbeiziehenden<br />
Schiffen nach, naschen nebenbei<br />
vielleicht Süßkirschen und hinterlassen<br />
wahre Kirschkernberge dabei.<br />
Holländische Siedler waren es, die<br />
im 12. Jahrhundert die Sümpfe entwässerten<br />
und kolonisierten. Noch<br />
heute erinnert vieles im Ortsbild der<br />
Gemeinde Jork und der Samtgemeinde<br />
Lühe an die Niederländer. Windmühlen,<br />
kleine Brücken und die typische<br />
Bauweise der langgezogenen<br />
Reihendörfern, wie Hollern, Steinkirchen<br />
und Jork weisen auf die holländischen<br />
Vorfahren hin.<br />
Am besten läßt sich die <strong>Land</strong>schaft<br />
mit dem Rad oder zu Fuß erleben.<br />
Wanderwege auf den Deichen und<br />
durch Obstplantagen gibt es überall.<br />
Bei den Rundtouren gibt es einiges<br />
zu sehen.<br />
Schöne, alte Kirchen gibt es in fast<br />
jedem Dorf des Alten <strong>Land</strong>es. Jork ist<br />
stolz darauf, die größte zu haben. Wie<br />
im Borsteler Gotteshaus sind auch<br />
hier die Namen der „Bankbesitzer“ in<br />
die Stuhlwangen eingeschnitzt. Hier<br />
wie in Neuenfelde und Steinkirchen<br />
erklingen regelmäßig die Klänge der<br />
berühmten Arp-Schnitger-Orgel.<br />
53
Das ganze Alte <strong>Land</strong> ein Blütenmeer. Im Wonnemonat Mai lohnt der Abstecher in die Obstbaumregion an der Elbe besonders. Die blühenden<br />
Kirschbäume und anschließend die Apfelbäume verzaubern die <strong>Land</strong>schaft - hier bei Steinkirchen.