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umzusehen. Eigentlich soll man dasitzen und den Blick entwe<strong>der</strong><br />
fest auf die Altarflamme gerichtet halten o<strong>der</strong> auf das Gesicht<br />
des Priesters, und das vom Moment <strong>der</strong> Ankunft bis zum<br />
Aufbruch. Daher konnte ich nicht sehen, was sie taten, aber sobald<br />
<strong>der</strong> Priester das <strong>Ein</strong>führungsgebet rezitierte, begann <strong>der</strong><br />
fette Mann neben mir zu summen. Ich glaube nicht, dass es eine<br />
Melodie war o<strong>der</strong> auch nur <strong>der</strong> Versuch einer solchen. Es war<br />
einfach ein Laut, mit dem er verhin<strong>der</strong>n wollte, dass er hörte,<br />
was <strong>der</strong> Priester sagte. Wenn im Gottesdienst eine Pause entstand,<br />
hörte <strong>der</strong> fette Mann auf zu summen. Wenn <strong>der</strong> Priester<br />
wie<strong>der</strong> anfing, fing auch er an.<br />
Nicht gut, dachte ich. Die Echmen sind vom Kopf bis zu den<br />
Zehen kultiviert, künstlerisch veranlagt, intellektuell, spirituell<br />
und höflich und einen ganzen Haufen an<strong>der</strong>er guter Dinge. Umgänglich<br />
sind sie allerdings nicht. Ja, diplomatische Immunität,<br />
die haben sie erfunden, und sie halten sich sowohl an den Geist<br />
des Gesetzes wie auch an dessen Worte, wann immer es opportun<br />
ist, aber es gibt Grenzen. <strong>Ein</strong> fetter, kreidegesichtiger Auslän<strong>der</strong>,<br />
<strong>der</strong> absichtlich das göttliche Wort mit schrägen Bienenimitationen<br />
übertönt, musste diesen Grenzen schon ziemlich nahekommen.<br />
Und ich saß neben ihm. Am liebsten wäre ich aufgestanden<br />
und hätte mir einen an<strong>der</strong>en Platz gesucht, wäre da nicht die<br />
unangenehme Erkenntnis gewesen, dass diese Menschen – diese<br />
Witzfiguren – alles waren, was zwischen mir und meinem Tod<br />
mittels eines Hagels von Steinen und Ziegeln stand.<br />
Ich bin einmal zufällig von einem Stein am Kopf getroffen<br />
worden. Damals war ich die Straße entlanggegangen, und<br />
ein Kutschpferd hatte zufällig mit seinen Hufen einen losen<br />
Pflasterstein durch die Luft katapultiert, mir mitten zwischen<br />
die Augen. Ich erinnere mich bis auf den heutigen Tag an den<br />
Schmerz, eine unerträgliche Qual, tief im Knochen. <strong>Ein</strong> Tod<br />
durch Steinigung würde wahrscheinlich schlimmer sein. Ich<br />
blieb, wo ich war, und versuchte, unsichtbar zu sein.<br />
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