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Parteitag der SPD in Hannover

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<strong>Parteitag</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Hannover</strong><br />

2.–4. Dezember 1997<br />

Beschlüsse


Impressum<br />

Herausgeber: Vorstand <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, Referat Organisation, Bonn<br />

Druckvorstufe: Satzbetrieb Schäper GmbH, Bonn<br />

Druck: Union Druckerei, Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />

12-97-A1-1,8 Bestell-Nr. 380 0455<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

Seite<br />

I. Angenommene und überwiesene Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

Auûen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

Europapolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

Innovations-, Wirtschafts-, Beschäftigungs- und<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />

Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228<br />

Informations-, Kommunikations- und Medienpolitik . . . . . . . . 269<br />

Sozial- und Gesundheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />

Innen- und Rechtspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329<br />

Jugend- und Bildungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />

Organisationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377<br />

Resolutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392<br />

II. Weitere Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394<br />

3


I. Angenommene und<br />

überwiesene Anträge<br />

Abkürzungen:<br />

AG ± Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

An ± Angenommen<br />

Bez ± Bezirk<br />

BTF ± Überwiesen an Bundestagsfraktion<br />

IA ± Initiativantrag<br />

KV ± Kreis/Kreisverband<br />

LTF ± Überwiesen an die Landtagsfraktionen<br />

LV ± Landesverband<br />

LO ± Landesorganisation<br />

OV ± Ortsvere<strong>in</strong> (Distrikt, Abteilung)<br />

PR ± Parteirat<br />

PV ± Überwiesen an Parteivorstand<br />

SPE ± Überwiesen an Fraktion <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Europas<br />

UB ± Unterbezirk<br />

Angenommene Anträge s<strong>in</strong>d fett gedruckt.<br />

5


Übersicht<br />

Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

A 1 Parteivorstand Auûen-, Sicherheits- und<br />

Entwicklungspolitik<br />

A 10 KV Nordfriesland,<br />

LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

A 12 UB Gött<strong>in</strong>gen, Bez<br />

<strong>Hannover</strong><br />

A 13 KV Kiel,<br />

LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

A 14 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

A 15 UB Köln,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

A 16 KV Karlsruhe-Stadt,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

6<br />

Unsere friedens- und sicherheitspolitischen<br />

Ziele:<br />

Text-<br />

Nr.<br />

An 22<br />

PV 34<br />

Wehrpolitik PV 35<br />

Zukunft <strong>der</strong> Wehrpflicht BTF 35<br />

Rüstungskonversion ± Strukturfrage<br />

und Friedenspolitik<br />

Für mehr Gerechtigkeit bei<br />

Zivil- und Wehrdienst<br />

BTF 35<br />

BTF 40<br />

Zivildienst BTF 40<br />

A 17 LV Baden-Württemberg<br />

Landm<strong>in</strong>en BTF 40<br />

A 18 LV Berl<strong>in</strong> Landm<strong>in</strong>en An 41<br />

A 19 Parteivorstand Globalisierung und nachhaltige<br />

Entwicklung<br />

An 41<br />

A 22 LV Saar K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit BTF 53<br />

A 24 OV Furtwangen,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

A 25 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

Das nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />

Bodenrecht weiterentwickeln<br />

Kurd<strong>in</strong>nen schützen ± Verbote<br />

aufheben ± Waffenexporte<br />

stoppen<br />

PV 53<br />

PV 53<br />

IA 7 Stärkung <strong>der</strong> Europafähigkeit<br />

<strong>der</strong> Türkei<br />

PV 55<br />

IA 9 Zur Lage <strong>in</strong> Belarus An 57<br />

Eu 26 Parteivorstand Unsere Perspektive: Europa ±<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>iger Kont<strong>in</strong>ent des<br />

Friedens, des Wohlstands<br />

An 58<br />

IA 8 Bewertung des EU Beschäftigungsgipfels<br />

An 73<br />

Eu 29 Bez Mittelrhe<strong>in</strong> Europäische Währungsunion An 74


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

Eu 33 LV Bayern Chancengleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Europäischen Union<br />

Eu 38 KV Emmend<strong>in</strong>gen,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Kompetenzen<br />

des Europäischen Parlaments<br />

Eu 39 UB Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus, Verfassung <strong>der</strong> Europäischen<br />

Bez Hessen-Süd Union/Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />

für Volksabstimmung<br />

Eu 40 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Sozialdemokratischer<br />

Frauen<br />

Eu 41 OV Bonn-Poppelsdorf/Südstadt,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

Eu 42 UB Groû-Gerau,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

Eu 43 LV Baden-Württemberg,<br />

OV Stühl<strong>in</strong>ger,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

Europäisches Jahr gegen<br />

Rassismus und Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit:<br />

Frauenrechte s<strong>in</strong>d<br />

Menschenrechte<br />

Text-<br />

Nr.<br />

An 74<br />

PV 76<br />

An/PV 77<br />

An 77<br />

Europol An 78<br />

EU-Bürger als ehrenamtliche<br />

Arbeits- und Sozialrichter<br />

Europäische Integration und<br />

gesamteuropäische Friedensordnung<br />

An 78<br />

PV/BTF 79<br />

I 44 Parteivorstand Innovationen für Deutschland An 84<br />

IA 25 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 44 PV 108<br />

IA 26 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu IA 25<br />

(zu I 44)<br />

PV 109<br />

IA 45 Innovationspolitik PV 109<br />

I 45 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und<br />

Juristen (ASJ)<br />

I 49 OV Düsseldorf-Stadtmitte,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

I 50 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

¾n<strong>der</strong>ungsantrag zum Leitantrag<br />

des Parteivorstandes ¹Innovationen<br />

für Deutschlandª<br />

Für e<strong>in</strong>e zukunftsgerichtete<br />

Politik<br />

Viel mehr Zukunft! Lebensentwürfe<br />

junger Frauen absichern<br />

BTF 110<br />

PV 110<br />

PV 113<br />

IA 33 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 50 PV 125<br />

IA 49 Zur aktuellen Lage <strong>der</strong><br />

Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt<br />

An 125<br />

7


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

8<br />

Text-<br />

Nr.<br />

I 55 LV Bayern Wege aus <strong>der</strong> Krise PV 126<br />

I 58 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e Arbeitszeitoffensive<br />

± Neue Strategien<br />

e<strong>in</strong>er Vollbeschäftigungspolitik<br />

I 59 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />

Arbeit und Umwelt<br />

I 61 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

Antrag zur aktiven Beschäftigungspolitik<br />

PV/BTF 133<br />

PV/BTF 145<br />

PV 148<br />

I 62 UB München,<br />

LV Bayern<br />

Wege zur Vollbeschäftigung PV/BTF 151<br />

I 63 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Sozialdemokratische Wege aus<br />

<strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />

PV/BTF 159<br />

I 64 UB München,<br />

LV Bayern<br />

Arbeit für alle PV/BTF 164<br />

I 67 KV Ahrweiler,<br />

Bez Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-<br />

Nassau<br />

Massenarbeitslosigkeit PV 167<br />

I 68 UB Goslar,<br />

Bez Braunschweig<br />

Perspektiven für Arbeit und<br />

Beschäftigung<br />

PV/BTF 168<br />

I 70 Bez Braunschweig Perspektiven für Arbeit und<br />

Beschäftigung<br />

PV/BTF 169<br />

I 72 UB Kassel-Stadt,<br />

Bez Hessen-Nord<br />

Bündnis für Arbeit BTF 171<br />

I 74 UB München,<br />

LV Bayern<br />

Für e<strong>in</strong>e gerechte Verteilung<br />

<strong>der</strong> Arbeit<br />

I 75 LV Bayern Arbeitszeitpolitik für Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

I 77 OV Aligse-Kolshorn-<br />

Röddensen,<br />

Bez <strong>Hannover</strong><br />

I 79 UB Schwabach,<br />

LV Bayern<br />

I 82 OV Frankfurt/Ma<strong>in</strong>-<br />

Nordwest III-Süd,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

I 83 OV Schwanewede,<br />

Bez Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

¹Zukunft <strong>der</strong> Arbeit und <strong>der</strong><br />

Demokratieª<br />

PV 171<br />

PV/BTF 172<br />

PV 177<br />

Arbeitnehmerüberlassung BTF 177<br />

Rücknahme des ¹Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzesª:<br />

¹Den<br />

Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Republik<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />

PV 178<br />

Umschulungsmaûnahmen BTF 179


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

I 84 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Austausch von öffentlichem<br />

Dienst und an<strong>der</strong>en Berufsbereichen<br />

Text-<br />

Nr.<br />

An 179<br />

I 85 Bez Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

Wirtschafts- und Steuerpolitik PV 179<br />

I 86 Bez Hessen-Süd Steuergerechtigkeit herstellen,<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n, den Weg<br />

<strong>in</strong> die Zukunft f<strong>in</strong>anzieren<br />

PV 180<br />

I 87 Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe<br />

I 88 LV Bayern Eckpunkte für e<strong>in</strong>e sozialdemokratische<br />

Steuerreform<br />

I 89 LV Saar Glaubwürdigkeit und soziale<br />

Gerechtigkeit wie<strong>der</strong>herstellen<br />

Sozialdemokratische<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong> neues<br />

Steuersystem<br />

I 90 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

I 91 UB München,<br />

LV Bayern<br />

Für e<strong>in</strong>e neue Steuerpolitik PV 188<br />

Orientierungsrahmen zur<br />

Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

Arbeit und Gerechtigkeit ± Für<br />

e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />

steuerpolitischen Positionen <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

I 92 LV Berl<strong>in</strong> Den Konjunkture<strong>in</strong>bruch<br />

auffangen ± mit antizyklischer<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik des Bundes<br />

gestalten<br />

I 93 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Sozialdemokratischer<br />

Frauen<br />

I 94 OV Neuhausen-Oberwiesenfeld,<br />

LV Bayern<br />

I 97 OV Reichenhall,<br />

LV Bayern<br />

For<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e ¹Groûe<br />

Steuerreformª<br />

Eckdaten sozialdemokratischer<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

PV/BTF/<br />

LTF<br />

190<br />

An 195<br />

PV 196<br />

PV 199<br />

PV/BTF 208<br />

PV 210<br />

PV/BTF 211<br />

Steuerkonzept PV 211<br />

I 98 LV Berl<strong>in</strong> Ökologische Steuerreform PV 212<br />

I 99 OV Dreieich,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

Renten- und Steuerreform BTF 213<br />

I 102 Bezirksverband Oberbayern,<br />

LV Bayern<br />

Groûe Vermögensbesitzer PV 213<br />

9


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

10<br />

Text-<br />

Nr.<br />

I 103 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen Besteuerung von Wertzuwächsen<br />

(Spekulationsgew<strong>in</strong>nen)<br />

BTF/LTF 214<br />

I 104 UB Kassel-Stadt,<br />

Bez Hessen-Nord<br />

Spekulationsgew<strong>in</strong>ne BTF 214<br />

I 105 LV Bayern Steuerpolitik/Wohnort BTF 214<br />

I 106 LV Bayern Steuerpolitik/Kapital PV 214<br />

I 107 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es dritten Mehrwertsteuersatzes<br />

BTF/LTF 214<br />

IA 34 Sicherung und Stärkung <strong>der</strong><br />

f<strong>in</strong>anziellen Handlungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Kommunen<br />

PV 215<br />

I 114 UB Gött<strong>in</strong>gen,<br />

Bez <strong>Hannover</strong><br />

I 115 UB Uelzen/Lüchow-<br />

Dannenberg,<br />

Bez <strong>Hannover</strong><br />

I 116 KV Sigmar<strong>in</strong>gen, LV<br />

Baden-Württemberg<br />

I 117 Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe<br />

I 118 OV Marienburger<br />

Höhe/Itzum,<br />

Bez <strong>Hannover</strong><br />

I 119 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

Arme Städte können sich nur<br />

Reiche leisten<br />

Kommunale Ausgaben für<br />

Sozialhilfe<br />

Geme<strong>in</strong>deanteil an <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

BTF/LTF 216<br />

PV 217<br />

LTF 217<br />

Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung BTF/LTF 217<br />

Kommunalf<strong>in</strong>anzen PV/BTF 218<br />

Kommunen als Konkurrenten<br />

des Mittelstands<br />

I 120 Bezirk Weser-Ems Frauen wollen die Hälfte <strong>der</strong><br />

Zukunft ± für e<strong>in</strong>e doppelte<br />

Umverteilung<br />

I 121 Bezirk Weser-Ems För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> maritimen<br />

Wirtschaft<br />

I 122 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

I 123 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Selbständigen/<br />

Unternehmer <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

I 124 Unterbezirk<br />

Kassel-Stadt<br />

(Bezirk Hessen-Nord)<br />

För<strong>der</strong>ung von kle<strong>in</strong>en und<br />

mittleren Unternehmen<br />

Bundesweite E<strong>in</strong>führung von<br />

Lohnkostenzuschüssen für kle<strong>in</strong>e<br />

und mittlere Unternehmen<br />

För<strong>der</strong>programm zugunsten <strong>der</strong><br />

Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />

PV/LTF 219<br />

PV 219<br />

BTF 221<br />

PV 223<br />

BTF 223<br />

BTF 224


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

I 125 Bezirk <strong>Hannover</strong> Privilegien bestimmter strukturellerUnternehmen/Unternehmungen<br />

Text-<br />

Nr.<br />

BTF 224<br />

I 126 Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Gemischte Wohnstrukturen PV 224<br />

I 127 Kreisverband Erlangen Barrierefreies Bauen soll Ver- BTF 225<br />

(Landesverband Bayern) pflichtung werden<br />

I 128 Kreisverband Erlangen Die För<strong>der</strong>ung des genossen- PV 225<br />

(Landesverband Bayern) schaftlichen Wohnungsbau soll<br />

verstärkt werden<br />

I 129 Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Die ökologischen Steuerungsmöglichkeiten<br />

im sozialen<br />

Wohnungsbau müssen verstärkt<br />

werden<br />

An 226<br />

I 132 Landesverband Thür<strong>in</strong>- Abwasserbeseitigung<br />

gen Kreisverband Gotha<br />

(Landesverband Thür<strong>in</strong>gen)<br />

BTF/SPE 226<br />

I 133 Landesverband Saar Postfilialkonzept BTF/LTF 227<br />

I 136 Bez Hessen-Süd Politik für e<strong>in</strong> zukunftsfähiges<br />

Deutschland<br />

An 228<br />

I 137 OV Bonn-Süd,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

I 140 UB Osterode,<br />

OV Herzberg,<br />

Bez Braunschweig<br />

Reformen für e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />

Entwicklung <strong>in</strong><br />

Deutschland, Europa und <strong>in</strong>ternational<br />

durchsetzen<br />

Technische Anleitung Siedlungsabfall<br />

PV 236<br />

An 238<br />

I 141 Bez Mittelrhe<strong>in</strong> Energiepolitik PV 238<br />

I 142 UB Oberhausen,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

Energiepolitische Leitsätze PV 247<br />

I 143 KV Rems-Murr, LV<br />

Baden-Württemberg<br />

I 144 LV Saar,<br />

UB Rhe<strong>in</strong>-Sieg-KV,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

Leitsätze für e<strong>in</strong>e strategische<br />

Energie-Initiative<br />

Europa braucht neue Energien<br />

+ Aktionsplan zum Ausbau <strong>der</strong><br />

erneuerbaren Energien<br />

I 145 Bez Weser-Ems Beschluû für e<strong>in</strong>e nachhaltige<br />

Energiepolitik<br />

PV 250<br />

An 260<br />

An 264<br />

11


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

I 146 UB Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

I 148 UB Mettmann,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

I 151 UB Kassel-Stadt,<br />

Bez Hessen-Nord<br />

I 152 UB Kassel-Stadt,<br />

Bez Hessen-Nord<br />

I 153 OV Rhe<strong>in</strong>bach,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

I 155 UB Kassel-Stadt,<br />

Bez Hessen-Nord<br />

I 156 KV Lauenburg,<br />

LV Schleswig-<br />

Holste<strong>in</strong><br />

I 157 OV Ammersbek,<br />

LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

I 158 OV Sü<strong>der</strong>holz,<br />

LV Mecklenburg-<br />

Vorpommern<br />

12<br />

Mehr Arbeit ± weniger Energieverbrauch<br />

+ Umbau des Steuersystems<br />

zur Schaffung von<br />

Arbeitsplätzen und Schonung<br />

<strong>der</strong> Umwelt<br />

Text-<br />

Nr.<br />

PV 266<br />

Atompolitik An 267<br />

Zukunftsorientierte Nahverkehrspolitik<br />

Beschäftigungseffekte durch den<br />

öffentlichen Nahverkehr<br />

LTF 267<br />

LTF 267<br />

F<strong>in</strong>anzierung des ÖPNV BTF 268<br />

Stellenabbau bei <strong>der</strong> Bahn BTF 268<br />

Transrapid An 268<br />

Transrapid PV 268<br />

Transrapid PV 268<br />

I 159 Parteivorstand Von <strong>der</strong> Utopie zur Wirklichkeit:<br />

+ Aufbruch <strong>in</strong> die Informationsgesellschaft<br />

I 160 OV Oberhausen-<br />

Rhe<strong>in</strong>hausen,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

Die <strong>SPD</strong> tritt für e<strong>in</strong>e soziale<br />

und demokratische Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Informationsgesellschaft e<strong>in</strong><br />

An 269<br />

PV 280<br />

I 162 LV Bayern Telearbeitsplätze PV 283<br />

I 163 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und<br />

Juristen<br />

Persönlichkeitsschutz <strong>in</strong> den<br />

Medien<br />

IA 38 Bestandssicherung des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks<br />

IA 42 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 159 ¹Von<br />

<strong>der</strong> Utopie zur Wirklichkeit:<br />

Aufbruch <strong>in</strong> die Informationsgesellschaftª<br />

An 284<br />

An 284<br />

PV/BTF 285


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

Text-<br />

Nr.<br />

I 167 LV Bayern Für e<strong>in</strong>e Reform des Sozialstaates<br />

PV/BTF 286<br />

I 168 Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong> Reform des Sozialstaates ±<br />

Eckpunkte e<strong>in</strong>es Innovationskonzepts<br />

PV/BTF 289<br />

I 169 LV Bayern Zukunft <strong>der</strong> Sozialpolitik PV/BTF 295<br />

I 170 Bez Weser-Ems Entschlieûung zur Sozialpolitik PV/BTF 304<br />

I 171 Bez Ostwestfalen- Vom Generationsvertrag zum PV/BTF 306<br />

Lippe<br />

Gesellschaftsvertrag<br />

I 178 OV Frankfurt/Ma<strong>in</strong>- Rücknahme <strong>der</strong> Renten¹reformª: PV/BTF 308<br />

Nordwest III-Süd, + ¹Den Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

Bez Hessen-Süd Republik verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />

I 179 OV Zwickau Mitte/<br />

Nord, LV Sachsen<br />

I 180 UB Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

I 183 OV Schwanewede,<br />

Bez Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

I 184 UB KV Viersen,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

I 185 OV Tangstedt,<br />

LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Beseitigung <strong>der</strong> Benachteiligung<br />

bei den Vorsorgungsaufwendungen<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

PV/BTF 308<br />

Versorgungskasse PV/BTF 309<br />

Ger<strong>in</strong>gfügige Beschäftigung PV/BTF 309<br />

Sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigungsverhältnisse<br />

Sozialversicherungs- und Steuerpflicht<br />

I 186 LV Saar Versicherungspflicht für alle<br />

Beschäftigungsverhältnisse<br />

I 187 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Beitragsbemessungsgrundlage<br />

für die Sozialversicherung<br />

I 188 UB München,<br />

LV Bayern<br />

I 189 KV Emmend<strong>in</strong>gen,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

I 190 OV Ostbahnhof,<br />

Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe<br />

I 191 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Versicherungspflicht für alle<br />

Beschäftigten von <strong>der</strong> ersten bis<br />

zur letzten Mark.<br />

Bemessungsgrundlage für die<br />

Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung<br />

E<strong>in</strong>beziehung von groûen Vermögen<br />

<strong>in</strong> die F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />

Sozialversicherungssysteme<br />

PV/BTF 309<br />

PV/BTF 309<br />

PV/BTF 310<br />

PV/BTF 310<br />

PV/BTF 311<br />

PV/BTF 311<br />

PV/BTF 311<br />

Ergänzungsabgabe PV/BTF 311<br />

13


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

I 192 OV Ostbahnhof,<br />

Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe<br />

I 193 OV Ostbahnhof,<br />

Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe<br />

14<br />

Erhalt und F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />

Sozialversicherungssysteme<br />

E<strong>in</strong>führung des Umsatzes als<br />

weitere Grundlage für Zahlungen<br />

an die Sozialversicherungen<br />

Text-<br />

Nr.<br />

PV/BTF 311<br />

PV/BTF 312<br />

I 194 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Pflegeversicherung PV/BTF 312<br />

I 195 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

Pflegeversicherungsgesetz PV/BTF 314<br />

I 196 LV Berl<strong>in</strong> Pflegeversicherung PV/BTF 314<br />

I 197 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

I 198 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 199 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Novellierung des Pflegeversicherungsgesetzes<br />

Nachbesserung ambulante<br />

Pflegeversicherung<br />

PV/BTF 315<br />

PV/BTF 315<br />

Rücklagen Pflegeversicherung PV/BTF 315<br />

I 200 LV Berl<strong>in</strong> Pflegeversicherung PV/BTF 315<br />

I 201 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

Standard-Pflegesatz-Modell PV/BTF 315<br />

I 202 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

Betreuungsrecht PV/BTF 316<br />

I 203 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

Der sog. ¹Bayerische Wegª PV/BTF 316<br />

I 204 UB Mettmann,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

Gesundheitspolitik PV/BTF 316<br />

I 205 Bez <strong>Hannover</strong> Gesundheitsreform PV/BTF 317<br />

I 206 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Gesundheitsreform! PV/BTF 321<br />

I 207 OV Velbert,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

Gesundheitspolitik PV/BTF 322<br />

I 208 OV Karlsfeld,<br />

LV Bayern<br />

Gesundheitsreform PV/BTF 323<br />

I 209 OV Frankfurt/Ma<strong>in</strong>- Rücknahme <strong>der</strong> 3. Stufe <strong>der</strong> PV/BTF 323<br />

Nordwest III-Süd,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

Gesundheits¹reformª:<br />

I 210 LV Saar Ablehnung von Selbstbeteiligung<br />

im Krankheitsfall<br />

I 211 Bez Braunschweig Arbeitsplätze sichern Kur und<br />

Rehabilitation im Harz erhalten<br />

PV/BTF 323<br />

PV/BTF 324


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

I 212 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 213 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 214 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 215 UB Goslar,<br />

Bez Braunschweig<br />

I 216 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 217 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

Text-<br />

Nr.<br />

Rehabilitationsmaûnahmen PV/BTF 324<br />

Rehabilitationsmaûnahmen PV/BTF 325<br />

Rehabilitationsanträge PV/BTF 325<br />

Belegungsrückgänge im Kurund<br />

Reha-Bereich stoppen<br />

PV/BTF 325<br />

Überleben als Rechenexempel PV/BTF 325<br />

Gleichstellung <strong>der</strong> psychisch<br />

Kranken mit den somatisch<br />

Kranken<br />

PV/BTF 325<br />

I 218 UB Herne,<br />

Bez Westliches Westfalen<br />

Werbung An 326<br />

I 220 LV Berl<strong>in</strong> Sozialhilfereform PV/BTF 326<br />

I 221 UB Passau, LV Bayern Sozialhilfe PV/BTF 326<br />

I 222 LV Baden-Württem- Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg nach dem PV/BTF 326<br />

berg<br />

Erziehungsurlaub<br />

I 223 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen Reform des K<strong>in</strong><strong>der</strong>lastenausgleichs<br />

PV/BTF 326<br />

I 225 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen Reform <strong>der</strong> Eigenheimzulage BTF/LTF 327<br />

I 226 Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe,<br />

UB M<strong>in</strong>den-<br />

Lübbecke,<br />

Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe<br />

Reichtumsbericht An 327<br />

IA 40 Solidarität zwischen Alt<br />

und Jung: Sozialbeiträge<br />

stabilisieren, Renten sichern<br />

1 228 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />

(ASJ)<br />

I 229 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Sozialdemokratischer<br />

Frauen<br />

I 230 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

An 327<br />

Sozialstaatsgebot An 329<br />

Gleichstellung von Männern<br />

und Frauen auch im Ehrenamt<br />

Freiwilliges Engagement für die<br />

Geme<strong>in</strong>schaft<br />

An 329<br />

PV 332<br />

15


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

I 231 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 232 UB Bergstraûe,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

16<br />

Frauenrechte SPE/BTF/<br />

LTF<br />

Text-<br />

Nr.<br />

332<br />

Politik braucht Frauen PV 335<br />

I 233 LV Bayern Weg mit dem § 218! BTF/LTF 335<br />

I 235 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Lesben- und schwulenpoliti- An 336<br />

Sozialdemokratischer<br />

Frauen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong><br />

Jungsozialist<strong>in</strong>nen und<br />

Jungsozialisten<br />

sches Programm <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

I 243 OV Ostbahnhof,<br />

Bez Ostwestfalen-<br />

Lippe<br />

I 244 OV Lünen-Stadt,<br />

Bez Westliches-<br />

Westfalen<br />

I 246 KV Sigmar<strong>in</strong>gen,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

I 247 OV Wiesbaden-Westend,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

I 248 OV Samtgeme<strong>in</strong>de<br />

Isenbüttel,<br />

UB Gifhorn,<br />

Bez Braunschweig<br />

I 249 UB Passau,<br />

LV Bayern<br />

I 250 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 251 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />

(ASJ)<br />

Maûnahmen zur Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> Schwer-Krim<strong>in</strong>alität<br />

BTF 340<br />

Jugendkrim<strong>in</strong>alität An 340<br />

Wahlrecht für EU-Bürger BTF 340<br />

Neufassung des Bundestagswahlgesetzes<br />

BTF 341<br />

Wahlgesetze BTF/LTF 341<br />

Integration von Auslän<strong>der</strong>Innen PV 341<br />

Für e<strong>in</strong>e humane und liberale<br />

Auslän<strong>der</strong>(<strong>in</strong>nen)politik<br />

Aussetzung <strong>der</strong> Abschiebung<br />

von Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>n<br />

aus humanitären<br />

Gründen im E<strong>in</strong>zelfall<br />

I 256 LV Saar Sicherstellung e<strong>in</strong>er ärztlichen<br />

Betreuung bei Schwangerschaften<br />

von Asylbewerber<strong>in</strong>nen und<br />

Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen<br />

PV 342<br />

An 345<br />

BTF 345<br />

1 257 KV Leer,<br />

Bez Weser-Ems<br />

Strafverfahren beschleunigen BTF 345<br />

I 259 Parteivorstand Verbot des Klonens An 346


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

1 261 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

I 262 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

I 263 OV Isarvorstadt,<br />

LV Bayern<br />

I 264 LV Baden-Württemberg<br />

I 265 KV Erlangen,<br />

LV Bayern<br />

I 267 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />

(ASJ)<br />

I 268 UB Hochsauerland,<br />

Bez Westliches<br />

Westfalen<br />

I 269 UB Hochsauerland,<br />

Bez Westliches<br />

Westfalen<br />

Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommen<br />

zur Biomediz<strong>in</strong><br />

Text-<br />

Nr.<br />

BTF 346<br />

Patientenverfügung BTF 346<br />

Mut zu e<strong>in</strong>er besseren Drogenpolitik<br />

PV 346<br />

Drogenpolitik PV 347<br />

Betäubungsmittel PV 348<br />

Verabschiedung des Arbeitsvertragsgesetzes<br />

Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz<br />

sichern<br />

Novellierung Betriebsverfassungsgesetz<br />

An 348<br />

PV 348<br />

PV 349<br />

I 270 Bez <strong>Hannover</strong> Beamt<strong>in</strong>nen und Beamte PV 349<br />

I 271 LV Berl<strong>in</strong> Beamtenrecht PV 349<br />

I 273 LV Sachsen Unterhaltsrecht m<strong>in</strong><strong>der</strong>jähriger<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

BTF 350<br />

I 274 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Öffnungsklausel für auûer- An 350<br />

sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />

(ASJ)<br />

gerichtliche Konfliktregelung<br />

I 275 UB <strong>Hannover</strong>-Stadt,<br />

Bez <strong>Hannover</strong><br />

Mitwirkung <strong>der</strong> Städte und<br />

Geme<strong>in</strong>den an <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />

verbessern<br />

BTF/LTF 350<br />

I 276 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Kommunalpolitische Initiative An 351<br />

I 277 Bez <strong>Hannover</strong> Opferrenten für<br />

NS-Verbrecher<br />

An 351<br />

I 278 OV Hettenshausen,<br />

KV Pfaffenhofen,<br />

LV Bayern<br />

Handwerksordnung BTF 351<br />

I 279 UB Northeim-E<strong>in</strong>beck,<br />

Bez <strong>Hannover</strong><br />

Vergaberichtl<strong>in</strong>ien BTF/LTF 352<br />

17


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

18<br />

Text-<br />

Nr.<br />

I 280 LV Berl<strong>in</strong> Prostitution als Beruf BTF 352<br />

I 282 OV Kiel-Süd-West,<br />

LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Offenlegung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverhältnisse<br />

von<br />

Abgeordneten<br />

An 352<br />

IA 32 Groûer Lauschangriff An 352<br />

IA 48 Gegen die unmenschliche<br />

Abschiebepraxis <strong>der</strong> bayerischen<br />

Staatsregierung<br />

I 283 Parteivorstand Bildung für die Zukunft ±<br />

Bildung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lernfähigen<br />

und lernenden Gesellschaft<br />

I 285 Parteivorstand Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> neues<br />

BAföG für Studierende ±<br />

jetzt!<br />

An 353<br />

An 354<br />

An 363<br />

I 289 LV Bayern Berufliche Bildung PV 365<br />

I 290 UB Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

Umlagef<strong>in</strong>anzierung An 371<br />

I 291 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

Jugend gestaltet Zukunft An 371<br />

IA 29 Studienbed<strong>in</strong>gungen verbessern,<br />

Hochschulen ausbauen<br />

und reformieren<br />

An 372<br />

IA 30 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 283 PV 375<br />

O 292 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§§ 28-30<br />

An 377<br />

O 296 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 8 a<br />

An 378<br />

O 297 Bez <strong>Hannover</strong> ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 20<br />

PV/PR 378<br />

O 298 UB Saarbrücken-Stadt,<br />

OV Luxemburg,<br />

LV Saar<br />

Europa <strong>der</strong> BürgerInnen PV 378<br />

O 299 LV Saar Europa <strong>der</strong> BürgerInnen PV 379<br />

O 300 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 10<br />

An 380


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

O 301 UB Unna,<br />

Bez Westliches<br />

Westfalen,<br />

vom <strong>Parteitag</strong> Köln<br />

1996 überwiesen<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 2<br />

Text-<br />

Nr.<br />

An 380<br />

O 302 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

(vom <strong>Parteitag</strong> Köln<br />

1996 überwiesen<br />

Wahlrecht 16 An 380<br />

O 303 Parteivorstand,<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten,<br />

LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 10<br />

O 304 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 23<br />

O 305 Bez Weser-Ems ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wahlordnung<br />

§ 3<br />

O 313 Parteivorstand E<strong>in</strong>setzung e<strong>in</strong>er Beitragskommission<br />

O 314 Bez Weser-Ems Mehr Beitragsehrlichkeit durch<br />

wirklichkeitsnahe Beiträge und<br />

Familienbeiträge<br />

O 315 KV V ± Ha<strong>der</strong>n, ±<br />

Laim, ± Neuhausen-<br />

Nymphenburg,<br />

LV Bayern<br />

An 380<br />

An 381<br />

An 381<br />

An 381<br />

PV 381<br />

Neue Beitragstabelle erstellen PV 381<br />

O 316 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Beitragstabelle PV 382<br />

O 317 OV Tangstedt,<br />

LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Beitragstabelle PV 382<br />

O 318 OV L<strong>in</strong>dau,<br />

LV Bayern<br />

Mitgliedsbeiträge PV 382<br />

O 319 UB KV Wesel,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

O 320 OV Kirchheim,<br />

LV Bayern<br />

O 321 UB Köln,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

Neugestaltung <strong>der</strong> Beitragstabelle<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

O 322 Bez Mittelrhe<strong>in</strong> ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

PV 382<br />

PV 382<br />

PV 383<br />

PV 383<br />

19


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

O 323 KV 2 München,<br />

LV Bayern<br />

O 324 Bezirksverband Oberbayern,<br />

LV Bayern<br />

O 325 UB Wuppertal,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

O 326 UB Eichstätt,<br />

LV Bayern<br />

O 327 Bezirksverband Oberbayern,<br />

LV Bayern<br />

O 328 KV Neuburg-<br />

Schrobenhausen,<br />

LV Bayern<br />

O 329 OV Goldlauter-<br />

Hei<strong>der</strong>sbach,<br />

LV Thür<strong>in</strong>gen<br />

O 330 OV Herxheim,<br />

Bez Pfalz<br />

O 331 OV Freigericht,<br />

Bez Hessen-Süd<br />

O 334 OV Köln-Buchheim,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

O 345 OV Boldecker Land,<br />

Bez Braunschweig,<br />

vom <strong>Parteitag</strong> Mannheim<br />

1995 überwiesen<br />

O 364 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

O 366 UB Coesfeld, Bez<br />

Westliches Westfalen,<br />

OV Asel, OV Diekholzen,<br />

OV Harsum, OV<br />

Ra<strong>in</strong>, OV Rautenberg,<br />

OV Sorsum, OV Syke,<br />

OV Twistr<strong>in</strong>gen, Bez<br />

<strong>Hannover</strong>, OV Weisma<strong>in</strong>,<br />

LV Bayern<br />

O 367 UB Düsseldorf,<br />

Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

20<br />

Text-<br />

Nr.<br />

Beitragstabelle PV 383<br />

Neue Beitragstabelle PV 383<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 13 und <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

PV 384<br />

PV 384<br />

Beitragsfreie Mitgliedschaft PV 384<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Die F<strong>in</strong>anzkraft <strong>der</strong> Ortsvere<strong>in</strong>e<br />

stärken<br />

Urwahl des/<strong>der</strong> Kanzlerkandidaten/<strong>in</strong><br />

Namensgebung <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

PV 385<br />

PV 385<br />

PV 385<br />

PV 385<br />

PV 385<br />

PV 386<br />

PV 386<br />

Netzwerk Tierschutz PV 386<br />

Arbeitskreis ¹Zukunft <strong>der</strong><br />

groûen Städteª<br />

An 386


Antrag<br />

Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />

O 368 UB Rhe<strong>in</strong>-Sieg-KV,<br />

Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er auûen-,<br />

europa- und sicherheitspolitischen<br />

Kommission<br />

Text-<br />

Nr.<br />

An 387<br />

O 372 OV Leiferde,<br />

Bez Braunschweig<br />

Zugang zum Plenum An 387<br />

O 374 UB Osterode, Bez<br />

Braunschweig<br />

Frauenseite im ¹Vorwärtsª PV 387<br />

O 375 LV Saar E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-Card<br />

auf Bundesebene<br />

An 388<br />

O 376 KV Böbl<strong>in</strong>gen,<br />

LV Baden-Württemberg<br />

O 379 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Sozialdemokratischer<br />

Frauen<br />

<strong>SPD</strong> muû Programmpartei<br />

bleiben<br />

Innerparteiliche Gleichstellung<br />

verwirklichen<br />

PV 388<br />

PV 389<br />

O 381 OV Unkel und<br />

Bruchhausen,<br />

Bez Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-<br />

Nassau<br />

Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª PV 390<br />

O 383 OV Köln-Weidenpesch-Mauenheim-<br />

Niehl, Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />

Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen PV 390<br />

O 384 OV Altstadt,<br />

LO Bremen<br />

Wahl- und Regierungsprogramm PV 391<br />

IA 4 Regierungsprogramm PV 391<br />

Resolutionen Schluû mit den Billigjobs An 392<br />

Arbeitskampf von IG Medien<br />

und Deutschem Journalistenverband<br />

An 393<br />

21


Auûen-, Sicherheits- und<br />

Entwicklungspolitik<br />

Antrag: A1<br />

Parteivorstand<br />

Auûen-, Sicherheits- und<br />

Entwicklungspolitik<br />

I. Die Welt an <strong>der</strong> Schwelle zum<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

II. Ziele und Pr<strong>in</strong>zipien<br />

1. Stabiler Frieden<br />

2. Unveräuûerliche Menschenrechte<br />

3. Umfassende Sicherheit<br />

4. Zukunftsfähiger Wohlstand<br />

5. Solidarität<br />

6. Integration und Kooperation<br />

7. Prävention<br />

8. Risikovorsorge<br />

III. Aufgaben<br />

1. Die Weltwirtschaft mitgestalten<br />

2. Die Entwicklungsregionen för<strong>der</strong>n<br />

3. Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen stärken<br />

4. Verständigung zwischen den Kulturen<br />

för<strong>der</strong>n<br />

5. Abrüstung vorantreiben<br />

6. E<strong>in</strong>e europäische Friedensordnung<br />

schaffen<br />

7. Europäische Auûen- und Sicherheitspolitik<br />

verwirklichen<br />

8. Die transatlantischen Beziehungen<br />

festigen<br />

9. Mit <strong>der</strong> NATO Stabilität sichern<br />

10. Die OSZE aufwerten<br />

IV. Bundeswehr<br />

V. Tradition und Verantwortung<br />

22<br />

I. Die Welt an <strong>der</strong> Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Die verän<strong>der</strong>te weltpolitische Lage seit<br />

1989 verlangt e<strong>in</strong>e zeitgemäûe Standortbestimmung<br />

<strong>der</strong> deutschen Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik. Neue Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

for<strong>der</strong>n neue Antworten. Neue Chancen<br />

können ergriffen und neue Wege<br />

beschritten werden. Die <strong>SPD</strong> läût sich<br />

dabei leiten von dem Vermächtnis, das<br />

Willy Brandt <strong>der</strong> Sozialdemokratie <strong>der</strong><br />

ganzen Welt h<strong>in</strong>terlassen hat:<br />

¹Auch nach <strong>der</strong> Epochenwende 1989 und<br />

1990 konnte die Welt nicht nur ¹gutª werden.<br />

Unsere Zeit allerd<strong>in</strong>gs steckt, wie<br />

kaum e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e zuvor, voller Möglichkeiten<br />

± zum Guten und zum Bösen. Nichts<br />

kommt von selbst. Und nur wenig ist von<br />

Dauer. Darum ± bes<strong>in</strong>nt Euch auf Eure<br />

Kraft und darauf, daû jede Zeit eigene Antworten<br />

will und man auf ihrer Höhe zu<br />

se<strong>in</strong> hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.ª<br />

Wir leben heute nicht mehr mit <strong>der</strong> ständig<br />

gegenwärtigen Gefahr e<strong>in</strong>es Atomkrieges<br />

und <strong>der</strong> Selbstvernichtung <strong>der</strong> Menschheit.<br />

Voraussetzung für das Ende des<br />

Kalten Krieges und den damit eröffneten<br />

Chancen für die weltweite Verwirklichung<br />

von Demokratie und Menschenrechten war<br />

die von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> entwickelte und von ihren<br />

Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut<br />

Schmidt durchgesetzte Friedens- und Entspannungspolitik.<br />

Dialogbereitschaft, Vertrauensbildung,<br />

Gewaltverzicht, Kooperation<br />

und fairer Interessenausgleich waren<br />

die Grundelemente dieser Politik. Sie gelten<br />

unverän<strong>der</strong>t für die Zukunft. Sie können<br />

auch jetzt <strong>in</strong> den Konfliktregionen <strong>der</strong><br />

Welt ihre friedensstiftenden Wirkungen<br />

entfalten.<br />

In <strong>der</strong> Zeit des Ost-West-Konfliktes waren<br />

Fragen <strong>der</strong> militärischen Sicherheit vorrangig,<br />

die an<strong>der</strong>en globalen Risiken traten


dah<strong>in</strong>ter zurück. Heute dagegen können<br />

und müssen Hunger und Verelendung,<br />

Umweltzerstörung, Ressourcenverknappung<br />

und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen<br />

weltweit geme<strong>in</strong>sam<br />

bekämpft werden, ebenso die neuen Risiken,<br />

die sich aus <strong>der</strong> globalen Entfesselung<br />

<strong>der</strong> Marktkräfte ergeben. An<strong>der</strong>e nichtmilitärische<br />

Sicherheitsprobleme bedürfen<br />

ebenfalls entschlossener Abwehr: <strong>in</strong>ternationaler<br />

Terrorismus, <strong>in</strong>ternationales Verbrechen<br />

und Drogenhandel. Der weltpolitische<br />

Umbruch hat <strong>in</strong> vielen Regionen<br />

Instabilität und neue gewaltsame Konflikte<br />

ausgelöst. Verläûliche Instrumente zur<br />

Beendigung solcher Konflikte s<strong>in</strong>d bisher<br />

nicht geschaffen worden.<br />

Seit <strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>heit liegt die Verantwortung<br />

für die deutsche Politik alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

deutschen Händen. Wir können und sollen<br />

unsere Interessen <strong>in</strong> eigener Verantwortung<br />

wahrnehmen. Deutschland soll als ¹Zivilmachtª<br />

e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle im <strong>in</strong>ternationalen<br />

System übernehmen. E<strong>in</strong>e Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik, die als ökologisch ausgerichtete,<br />

globalorientierte Wirtschafts- und<br />

Sozialpolitik angelegt ist, leistet e<strong>in</strong>en besseren<br />

Beitrag zu Sicherheit, Frieden und<br />

nachhaltiger Entwicklung als jede Form<br />

von Groûmachtpolitik. Im übrigen wissen<br />

wir, daû dem nationalstaatlichen Handeln<br />

Grenzen gesetzt s<strong>in</strong>d. Deutsche Politik <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em engen europäischen Verbund ist <strong>der</strong><br />

beste Weg, unsere politischen und wirtschaftlichen<br />

Interessen zu vertreten.<br />

II. Ziele und Pr<strong>in</strong>zipien<br />

Sozialdemokratische Auûen- und Sicherheitspolitik<br />

folgt <strong>der</strong> Vision e<strong>in</strong>er friedlichen,<br />

demokratischen und solidarischen<br />

Welt. Diese Vision entspricht deutschen<br />

Interessen, und wir wissen uns dabei im<br />

E<strong>in</strong>klang mit jenen Werten, für die sich die<br />

deutsche Sozialdemokratie seit ihrem Entstehen<br />

e<strong>in</strong>setzt.<br />

Wir lassen uns von folgenden Zielen leiten:<br />

1. Stabiler Frieden<br />

Frieden und <strong>in</strong>ternationale Stabilität s<strong>in</strong>d<br />

die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e sichere<br />

Zukunft unseres Landes. Deutsche Auûen-<br />

und Sicherheitspolitik muû dabei <strong>in</strong> allen<br />

ihren Schritten erkennbar dem Ziel e<strong>in</strong>er<br />

gewaltfreien Konfliktregelung dienen.<br />

2. Unveräuûerliche Menschenrechte<br />

Demokratie und Achtung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> sicherste Weg zur Erhaltung<br />

des Friedens. Die weltweite Durchsetzung<br />

dieser Pr<strong>in</strong>zipien kann nicht<br />

erzwungen, aber immer wie<strong>der</strong> aktiv geför<strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

3. Umfassende Sicherheit<br />

Sicherheit muû auf <strong>der</strong> Grundlage politischer,<br />

wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer<br />

Zusammenarbeit erreicht werden.<br />

Der Grundsatz <strong>der</strong> souveränen Gleichheit<br />

aller Staaten und unsere Überzeugung, daû<br />

Interessengegensätze friedlich ausgeglichen<br />

werden müssen, verlangen e<strong>in</strong>e Auûenpolitik,<br />

die entschlossen für europäische Integration<br />

und weltweite Kooperation e<strong>in</strong>tritt.<br />

4. Zukunftsfähiger Wohlstand<br />

¹So wie wir Sicherheit nur geme<strong>in</strong>sam mit<br />

an<strong>der</strong>en erreichen können, so hängt unser<br />

Wohlstand davon ab, daû es auch an<strong>der</strong>en<br />

gut gehtª (Beschluû Wiesbaden). Wir wollen<br />

aber e<strong>in</strong>en Wohlstand för<strong>der</strong>n, <strong>der</strong><br />

zukunftsfähig ist, weil er mit e<strong>in</strong>er umweltund<br />

ressourcenschonenden Produktionsund<br />

Lebensweise vere<strong>in</strong>bar ist.<br />

Frieden, Demokratie, Menschenrechte,<br />

Sicherheit und Wohlstand ± das s<strong>in</strong>d die<br />

Ziele sozialdemokratischer Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik. Um sie zu verwirklichen<br />

setzen wir auf diese Handlungspr<strong>in</strong>zipien:<br />

5. Solidarität<br />

¹Wir Sozialdemokraten wissen: Es kann<br />

nicht gutgehen, wenn es wenigen immer<br />

besser und vielen immer schlechter gehtª<br />

(Beschluû Wiesbaden). Das gilt national<br />

und <strong>in</strong>ternational. Soziale Gerechtigkeit im<br />

Inneren ist die beste Voraussetzung für<br />

solidarisches Handeln nach auûen. Und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Welt, die zusammenrückt, ist ¹Solidarität<br />

sowohl e<strong>in</strong> moralisches Gebot als auch<br />

e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung unserer Entwicklungª<br />

23


(Beschluû Wiesbaden). Die Kluft zwischen<br />

den armen und den reichen Regionen <strong>der</strong><br />

Erde macht die soziale Frage zur gröûten<br />

<strong>in</strong>ternationalen Herausfor<strong>der</strong>ung. Nur e<strong>in</strong>e<br />

Politik, die zur Überw<strong>in</strong>dung dieser Kluft<br />

beiträgt, kann die dar<strong>in</strong> liegenden Konfliktpotentiale<br />

entschärfen.<br />

6. Integration und Kooperation<br />

Die Politik <strong>der</strong> europäischen E<strong>in</strong>igung ist<br />

für unseren Kont<strong>in</strong>ent e<strong>in</strong> wertvolles Erbe<br />

des ausgehenden 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sie muû<br />

bewahrt und weitergeführt werden. Europäische<br />

E<strong>in</strong>heit bleibt das oberste Ziel<br />

deutscher Politik.<br />

Der Umbruch von 1989 hat groûe Fortschritte<br />

für die Ausbreitung von Demokratie<br />

und Rechtsstaatlichkeit gebracht. Ruûland<br />

und die Län<strong>der</strong> Mittel/Osteuropas<br />

haben sich für den demokratischen Weg<br />

entschieden. Für die deutsche Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik ist diese Entwicklung<br />

günstig. Sie eröffnet die Chance, mit den<br />

mittel-/osteuropäischen Gesellschaften und<br />

Ruûland langfristig e<strong>in</strong>e Friedensstruktur<br />

aufzubauen, wie sie <strong>in</strong> Westeuropa seit vielen<br />

Jahren besteht.<br />

Die nordatlantische Partnerschaft ist e<strong>in</strong>e<br />

unverzichtbare Grundlage <strong>der</strong> Stabilität <strong>in</strong><br />

Europa. Sie hat sich bewährt und unsere<br />

Sicherheit garantiert. In dieser Partnerschaft<br />

kann und muû Europa e<strong>in</strong>e stärkere,<br />

gleichberechtigte Rolle spielen. Das setzt<br />

voraus, daû Europa <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Politik mit e<strong>in</strong>er Stimme spricht und<br />

geme<strong>in</strong>sam handelt.<br />

7. Prävention<br />

Konfliktprävention ist die beste Methode,<br />

die Anwendung von Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik<br />

zwischen Staaten und <strong>in</strong>nerhalb von Staaten<br />

nicht entstehen zu lassen. Deutsche<br />

Auûen- und Sicherheitspolitik muû daher<br />

auf wirkungsvolle Instrumente <strong>der</strong> Konfliktprävention<br />

und den Vorrang <strong>der</strong> zivilen<br />

Konfliktregelung drängen. Dafür ist es<br />

erfor<strong>der</strong>lich, daû die Friedens- und Konfliktforschung<br />

<strong>in</strong>tensiviert und stärker<br />

f<strong>in</strong>anziell geför<strong>der</strong>t wird.<br />

24<br />

8. Risikovorsorge<br />

Die Lasten militärischer Sicherheit werden<br />

ger<strong>in</strong>ger, aber sie s<strong>in</strong>d nicht verschwunden.<br />

Die Fähigkeit zur Landesverteidigung im<br />

Bündnis bleibt als Risikovorsorge notwendig.<br />

Auch im Rahmen <strong>in</strong>ternationaler Konfliktbeilegung<br />

wird militärischer Beistand<br />

notwendig bleiben. Die Bundeswehr behält<br />

ihre wichtige Aufgabe im Rahmen unserer<br />

Friedenspolitik und muû so organisiert und<br />

ausgestattet se<strong>in</strong>, daû sie diese Aufgabe<br />

je<strong>der</strong>zeit erfüllen kann.<br />

III. Aufgaben<br />

Auûenpolitik für Deutschland heiût für uns<br />

Politik mit an<strong>der</strong>en und für an<strong>der</strong>e. Sicher<br />

können wir nur se<strong>in</strong>, wenn sich auch<br />

an<strong>der</strong>e sicher fühlen, und unser Wohlstand<br />

als Handelsnation hängt davon ab, daû es<br />

auch an<strong>der</strong>en gutgeht. Unsere Solidarität<br />

gilt aber nicht nur <strong>der</strong> heutigen Generation,<br />

son<strong>der</strong>n auch ihren Nachkommen.<br />

Ihre Sicherheit und ihr Wohlstand hängen<br />

davon ab, welche natürlichen Lebensgrundlagen<br />

wir ihnen h<strong>in</strong>terlassen. Deshalb<br />

setzen wir uns e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e globale Partnerschaft<br />

für Entwicklung und Umwelt, die<br />

auf dem ¹Erdgipfelª <strong>in</strong> Rio im Juni 1992<br />

verkündet und <strong>in</strong> <strong>der</strong> ¹Agenda 21ª konkretisiert<br />

worden ist.<br />

E<strong>in</strong>e globale Entwicklung zu för<strong>der</strong>n, die<br />

sozial und umweltgerecht ist, ist e<strong>in</strong>e langfristige<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung. Wir können sie<br />

nur schrittweise bewältigen und müssen<br />

dabei die konkreten Umstände und unsere<br />

eigenen Möglichkeiten berücksichtigen. In<br />

diesem S<strong>in</strong>ne stellen sich uns im Übergang<br />

zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t die folgenden Aufgaben:<br />

1. Die Weltwirtschaft mitgestalten<br />

Die ökonomische Globalisierung br<strong>in</strong>gt<br />

Chancen und Risiken zugleich. Sie ist<br />

gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e fast vollständige<br />

Internationalisierung <strong>der</strong> Kapital-, Geldund<br />

Devisenmärkte, aber auch e<strong>in</strong>e zunehmende<br />

Internationalisierung <strong>der</strong> Güterund<br />

Dienstleistungsmärkte (z.B. Kommunikationsleistungen).<br />

Dies br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>erseits


erhebliche Wachstums- und Entwicklungsfortschritte,<br />

z.B. <strong>in</strong> Südostasien und<br />

Late<strong>in</strong>amerika, führt aber an<strong>der</strong>erseits auch<br />

zu verstärkter <strong>in</strong>ternationaler Standortkonkurrenz<br />

bei Investitionen und Absatzmärkten,<br />

Interessenkonflikten um Rohstoffe,<br />

Energiequellen und Wasser, zu verstärkter<br />

Umweltzerstörung und sozialen Spannungen.<br />

Auûenpolitik wird zunehmend von solchen<br />

Konflikten und Interessengegensätzen mitbestimmt.<br />

Dies führt zum Teil zu Versuchen,<br />

unilaterale Machtpositionen durchzusetzen<br />

(USA), aber auch zu Tendenzen,<br />

regionale Wirtschafts- und Handelsbündnisse<br />

zu schlieûen, die die Gefahr <strong>der</strong><br />

Abschottung gegenüber an<strong>der</strong>en Regionen<br />

<strong>in</strong> sich bergen. Gleichzeitig wächst aber<br />

auch die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit<br />

und zu e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Regelwerk<br />

zur Schaffung anerkannter und <strong>in</strong>ternational<br />

akzeptierter Verhaltensregeln, um<br />

freien und fairen Wettbewerb zu sichern,<br />

wirtschaftliche Interessengegensätze <strong>in</strong><br />

friedlicher Form auszugleichen und die<br />

weltweite Umweltbedrohung geme<strong>in</strong>sam<br />

zu bekämpfen (z. B. Agenda 21).<br />

Die EU und mit ihr die Bundesrepublik<br />

tragen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>e<br />

Verantwortung. Die EU ist nicht nur<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> führenden Wirtschaftsregionen auf<br />

sehr hohem Entwicklungsniveau, sie hat<br />

auch im wirtschaftlichen und politischen<br />

Bereich den im Vergleich zu an<strong>der</strong>en regionalen<br />

Zusammenschlüssen bei weitem<br />

höchsten Stand <strong>der</strong> Integration erreicht.<br />

Sie und mit ihr die Bundesrepublik ist<br />

daher gefor<strong>der</strong>t, e<strong>in</strong>e Strategie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

ihres Wirtschaftssystems voranzutreiben<br />

und gleichzeitig ihren E<strong>in</strong>fluû<br />

zur Erneuerung <strong>der</strong> ökonomischen, ökologischen,<br />

technologischen und sozialen<br />

Beziehungen geltend zu machen. Sie muû<br />

mit dazu beitragen, nicht nur das europäische<br />

Modell sozialer Demokratie durch<br />

konsensfähige Reformen fortzuentwickeln,<br />

son<strong>der</strong>n auch mit den an<strong>der</strong>en Weltwirtschaftsregionen<br />

unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong>en eigener wirtschaftlicher, sozialer und<br />

kultureller Traditionen geme<strong>in</strong>same Regelwerke<br />

für den wirtschaftlichen Wettbe-<br />

werb, für die sozialen Verhältnisse, für die<br />

dauerhafte Erhaltung <strong>der</strong> natürlichen<br />

Lebensgrundlagen und die Pr<strong>in</strong>zipien<br />

demokratischer und humaner Lebensverhältnisse<br />

zu entwickeln.<br />

E<strong>in</strong>e sozialdemokratisch geführte deutsche<br />

Auûenpolitik wird<br />

± <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>e konsequente Politik <strong>der</strong><br />

politischen und ökonomischen Integration<br />

betreiben, um die Grundlagen des<br />

europäischen Zivilisationsmodells<br />

behaupten zu können;<br />

± durch die Verwirklichung <strong>der</strong> stabilitätsorientierten<br />

europäischen Währungsunion<br />

für e<strong>in</strong>e starke Stellung Europas<br />

auf den <strong>in</strong>ternationalen Kapital-, Geldund<br />

Devisenmärkten sorgen;<br />

± die Kooperation <strong>der</strong> Währungsräume<br />

von Dollar, Yen und Euro för<strong>der</strong>n, um<br />

auch angesichts <strong>der</strong> Tendenz zur Regionalisierung<br />

von Wirtschaftsräumen (EU,<br />

NAFTA, MERCOSUR, APEC u. a.)<br />

mehr E<strong>in</strong>fluû auf die Kapital-, Geldund<br />

Währungsmärkte zu gew<strong>in</strong>nen;<br />

± darauf h<strong>in</strong>wirken, daû die Welthandelsorganisation<br />

(WTO) ihre Aufgabe als<br />

Hüter<strong>in</strong> multilateral anerkannter Regeln<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Beziehungen gerecht<br />

werden kann, und daû sie sich zugleich<br />

nicht nur als Motor weiterer Liberalisierungen<br />

versteht, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational<br />

verb<strong>in</strong>dliche und sanktionsfähige<br />

Wettbewerbsordnung unter E<strong>in</strong>schluû<br />

sozialer und ökologischer M<strong>in</strong>deststandards<br />

und Verhaltenscodices (z.B. bei<br />

Subventionen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong><br />

Korruption) erarbeitet;<br />

± engere Kooperation im Rahmen <strong>der</strong><br />

OECD, des IWF (Internationaler Währungsfonds)<br />

und <strong>der</strong> BIZ (Bank für Internationalen<br />

Zahlungsausgleich) suchen;<br />

± e<strong>in</strong>e abgestimmte und stärker koord<strong>in</strong>ierte<br />

Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>der</strong><br />

EU vorantreiben, um im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Wettbewerb durch mehr Effizienz<br />

bestehen zu können.<br />

25


2. Die Entwicklungsregionen för<strong>der</strong>n<br />

Der Begriff ¹Dritte Weltª beschreibt die<br />

heutige Situation nicht mehr angemessen.<br />

Die Län<strong>der</strong> im Nahen und Mittleren<br />

Osten, <strong>in</strong> Afrika, Late<strong>in</strong>amerika und Asien<br />

entwickeln sich unterschiedlich. Gleichwohl<br />

hat sich <strong>der</strong> Abstand zwischen dem<br />

Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong> den OECD-Län<strong>der</strong>n<br />

und den Entwicklungslän<strong>der</strong>n zwischen<br />

1960 und 1993 verdreifacht. Es s<strong>in</strong>d<br />

deshalb aus moralischen Gründen, aber<br />

auch aus wohlverstandenem eigenen Interesse<br />

heraus, verstärkte Anstrengungen notwendig,<br />

um die Schere zwischen Arm und<br />

Reich zu schlieûen, die Eigenanstrengungen<br />

zu unterstützen und damit auch die<br />

Ursachen für destabilisierende Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen<br />

und Flüchtl<strong>in</strong>gsströme<br />

zu bekämpfen.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>SPD</strong>-geführte deutsche Auûen- und<br />

Entwicklungspolitik wird deshalb folgende<br />

Schwerpunkte setzen:<br />

± Entwicklungspolitik muû e<strong>in</strong>e am Ziel<br />

<strong>der</strong> Nachhaltigkeit orientierte Querschnittsaufgabe<br />

durch Vernetzung von<br />

Entwicklungs-, Auûen-, Wirtschafts-,<br />

Europa-, Landwirtschafts- und Umweltpolitik<br />

werden.<br />

± Die multilateralen Institutionen sollen<br />

gestärkt werden. Die UNO mit ihren<br />

Unter- und Son<strong>der</strong>organisationen,<br />

WTO, IWF und Weltbank sowie regionale<br />

Entwicklungsbanken müssen mit<br />

ihren Programmen und Transfers besser<br />

koord<strong>in</strong>iert werden.<br />

± Im Bereich <strong>der</strong> Wirtschafts- und Handelspolitik<br />

soll erreicht werden, daû<br />

arme Entwicklungslän<strong>der</strong> im Prozeû <strong>der</strong><br />

Globalisierung aufholen können. Entsprechende<br />

Strukturhilfe wird e<strong>in</strong><br />

Schwerpunkt <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Fairer Zugang zu den Märkten<br />

wird aktiv geför<strong>der</strong>t. Regionale<br />

Kooperation wird mit Vorrang unterstützt.<br />

± Die Entschuldung <strong>der</strong> am stärksten verschuldeten<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> bei privaten<br />

und staatlichen Gläubigern, aber<br />

26<br />

auch bei multilateralen Organisationen,<br />

wird vorangetrieben.<br />

± Der Trend <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> OECD-Staaten,<br />

<strong>in</strong> denen <strong>der</strong> reale staatliche Transfer<br />

für Entwicklungszusammenarbeit nur<br />

noch 0,27 % des BSP mit s<strong>in</strong>ken<strong>der</strong> Tendenz<br />

beträgt, soll umgekehrt werden<br />

Unser Ziel ist es, <strong>in</strong> überschaubarer Zeit<br />

die <strong>in</strong>ternationale Vere<strong>in</strong>barung von<br />

0,7 % des BSP zu erfüllen.<br />

± Es wird stärker unterschieden werden<br />

zwischen Schwellenlän<strong>der</strong>n und armen<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n. Schwellenlän<strong>der</strong><br />

werden öffentliche Mittel vorrangig für<br />

die ökologische Umlenkung im Produktions-,<br />

Energie- und Verkehrssektor<br />

erhalten. Für die armen Län<strong>der</strong> werden<br />

die Mittel vorwiegend für Programme<br />

im Bereich <strong>der</strong> Armutsbekämpfung, <strong>der</strong><br />

Bildung, des Umweltschutzes, <strong>der</strong> eigenen<br />

Ernährungssicherung, <strong>der</strong> Frauenför<strong>der</strong>ung<br />

und <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Partizipation verwendet werden.<br />

Entwicklungspolitik muû e<strong>in</strong>en gröûeren<br />

Beitrag zur Stärkung von Frauen leisten.<br />

Den Beschlüssen und Aktionsprogrammen<br />

<strong>der</strong> Weltfrauenkonferenzen kommt<br />

bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Frauen e<strong>in</strong>e<br />

beson<strong>der</strong>e Rolle zu. Ihre Umsetzung<br />

muû konsequent und zügig vorangetrieben<br />

werden.<br />

± Bemühungen von Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

um demokratische Strukturen, Garantie<br />

von Menschen- und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenrechten<br />

und effektive Verwaltung werden <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em eigenen Schwerpunktprogramm<br />

verstärkt unterstützt. Programme <strong>der</strong><br />

militärischen Ausstattungshilfe werden<br />

nicht fortgesetzt.<br />

± Den beson<strong>der</strong>s für den Schutz von Menschenrechten<br />

und die Bewahrung <strong>der</strong><br />

Umwelt unerläûlichen Nicht-Regierungsorganisationen<br />

(NROs) müssen<br />

bessere Mitwirkungsmöglichkeiten e<strong>in</strong>geräumt<br />

werden.<br />

3. Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen (VN) stärken<br />

Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen s<strong>in</strong>d das wichtigste<br />

Instrument zur Bewältigung globaler Probleme.<br />

Die Bilanz ihrer Aktivitäten ist,


gemessen an den gegebenen Möglichkeiten,<br />

überwiegend positiv. Die Rolle <strong>der</strong><br />

VN bei <strong>der</strong> Sicherung des Friedens, <strong>der</strong><br />

Armutsbekämpfung, <strong>der</strong> Lösung von Entwicklungs-<br />

und Bevölkerungsproblemen<br />

und <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> globalen<br />

Umweltrisiken muû gestärkt werden.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>SPD</strong>-geführte deutsche Auûenpolitik<br />

wird dabei folgende Ziele verfolgen:<br />

± Die Reform <strong>der</strong> VN wird nachdrücklich<br />

unterstützt. Dabei geht es um erweiterte<br />

Kompetenzen <strong>in</strong> Wirtschafts-, Entwicklungs-,<br />

Sozial- und Umweltfragen, die<br />

Effizienz <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> den VN-Gremien,<br />

Arbeitsweise und Zusammensetzung<br />

des Sicherheitsrates, das F<strong>in</strong>anzsystem<br />

und die Aufwertung <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>ternationalen Gerichtshöfe.<br />

± Die Vorschläge zum E<strong>in</strong>satz von präventiven<br />

Maûnahmen durch die VN, die <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> ¹Agenda für den Friedenª und <strong>in</strong><br />

den Schluûerklärungen <strong>der</strong> Weltgipfel-<br />

Konferenzen dieses Jahrzehnts gemacht<br />

worden s<strong>in</strong>d, werden von uns mit Nachdruck<br />

verfolgt.<br />

± Deutschland wird e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>ladung, ständiges<br />

Mitglied des Weltsicherheitsrates<br />

zu werden, folgen, da e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer<br />

europäischer Sitz <strong>der</strong>zeit nicht erreichbar<br />

ist. Um neue regionale Ungleichgewichte<br />

zu vermeiden, müssen neue ständige<br />

Sicherheitsrats-Sitze für Asien,<br />

Late<strong>in</strong>amerika und Afrika geschaffen<br />

werden.<br />

± VN-Blauhelm-E<strong>in</strong>sätze s<strong>in</strong>d unter den<br />

richtigen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vor Ausbruch<br />

o<strong>der</strong> nach Beendigung von<br />

Kampfhandlungen e<strong>in</strong> erfolgreiches<br />

Instrument <strong>der</strong> Friedenssicherung. Wir<br />

wollen den Abschluû von Stand-by-<br />

Abkommen für re<strong>in</strong>e Blauhelm-Missionen,<br />

damit die VN <strong>in</strong> die Lage versetzt<br />

werden, vorausschauend zu planen, präventiv<br />

zu handeln und schnell und wirksam<br />

zu reagieren. Wir s<strong>in</strong>d bereit, dafür<br />

e<strong>in</strong> Bundeswehr-Kont<strong>in</strong>gent zur Verfügung<br />

zu stellen.<br />

± Das Instrument nichtmilitärischer <strong>in</strong>ternationaler<br />

Polizeie<strong>in</strong>sätze nach Herstellung<br />

e<strong>in</strong>es Waffenstillstandes soll zur<br />

Schaffung e<strong>in</strong>er stabilen Ordnung nach<br />

kriegerischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen entwickelt<br />

und genutzt werden.<br />

± Das Gewaltmonopol <strong>der</strong> VN darf nicht<br />

angetastet werden. Daher bedürfen militärische<br />

Zwangsmaûnahmen zur Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

des Friedens, wenn die VN<br />

diese Aufgabe aus eigener Kraft nicht<br />

erfüllen können, <strong>in</strong> jedem Falle e<strong>in</strong>es<br />

Mandats des Sicherheitsrates. Die <strong>SPD</strong><br />

wird sich je<strong>der</strong> Aufweichung dieses<br />

Grundsatzes wi<strong>der</strong>setzen.<br />

± Das Bundesverfassungsgericht hat die<br />

Teilnahme <strong>der</strong> Bundeswehr sowohl an<br />

Blauhelm-Missionen als auch an E<strong>in</strong>sätzen<br />

mit Erzw<strong>in</strong>gungscharakter für verfassungsrechtlich<br />

zulässig erklärt. Blauhelme<strong>in</strong>sätze<br />

erfor<strong>der</strong>n neben e<strong>in</strong>em<br />

Mandat <strong>der</strong> VN das E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong><br />

Beteiligten. Zwangsmaûnahmen können<br />

auch gegen den Willen <strong>der</strong> Betroffenen<br />

durchgesetzt werden. Es ist Sache des<br />

Deutschen Bundestages, im E<strong>in</strong>zelfall zu<br />

entscheiden, ob er e<strong>in</strong>er Beteiligung <strong>der</strong><br />

Bundeswehr an <strong>der</strong> Umsetzung e<strong>in</strong>es<br />

VN-Mandats zustimmt.<br />

± Bei ihren Entscheidungen wird die <strong>SPD</strong><br />

<strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall prüfen, ob e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges,<br />

auch politisch stimmiges Mandat<br />

vorliegt, ob vor Operationen mit<br />

dem Recht auf Erzw<strong>in</strong>gung alle nichtmilitärischen<br />

Möglichkeiten ausgeschöpft<br />

worden s<strong>in</strong>d und ob <strong>der</strong> friedenssichernde<br />

Charakter <strong>der</strong> Maûnahme unbezweifelbar<br />

ist. Berücksichtigt werden<br />

müssen ebenfalls mögliche politische<br />

H<strong>in</strong><strong>der</strong>ungsgründe, die speziell Deutschland<br />

betreffen, das Ausmaû des Risikos<br />

für die beteiligten Soldaten und die tatsächlichen<br />

praktischen Möglichkeiten.<br />

Grundwehrdienstleistende dürfen auûer<br />

zur Bündnisverteidigung zu Auslandse<strong>in</strong>sätzen<br />

nicht herangezogen werden.<br />

Auûerdem muû e<strong>in</strong> Zeitrahmen für die<br />

Maûnahme festgelegt werden. Grundsätzlich<br />

gilt: Jedes militärische E<strong>in</strong>greifen<br />

zur Beendigung von Kampfhandlungen<br />

muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zivile Begleitstrategie e<strong>in</strong>gebunden<br />

se<strong>in</strong>.<br />

± E<strong>in</strong>e realistische E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> VN legt e<strong>in</strong>e Stärkung<br />

27


28<br />

regionaler Abmachungen im S<strong>in</strong>ne von<br />

Kapitel 8 <strong>der</strong> VN-Charta nahe. Die<br />

bereits bestehenden regionalen Sicherheitssysteme<br />

o<strong>der</strong> Ansätze zu ihrer<br />

Schaffung sollen unterstützt und geför<strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

4. Verständigung zwischen den Kulturen<br />

för<strong>der</strong>n<br />

Geme<strong>in</strong>sames weltweites Handeln erfor<strong>der</strong>t<br />

Verständigung über kulturelle Unterschiede<br />

h<strong>in</strong>weg. Wir wi<strong>der</strong>sprechen <strong>der</strong> These vom<br />

unausweichlichen Zusammenprall <strong>der</strong> Zivilisationen.<br />

Fundamentalismus gibt es überall,<br />

aber ke<strong>in</strong>e <strong>der</strong> groûen Weltreligionen<br />

steht e<strong>in</strong>em friedlichen Zusammenleben<br />

von Menschen und Völkern entgegen.<br />

Die <strong>SPD</strong> vertritt folgende Ziele:<br />

± Wir wollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenen <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Dialog auf breiter Grundlage<br />

dafür sorgen, daû Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong> zurückgedrängt<br />

werden.<br />

± Wir wollen <strong>in</strong> diesem Dialog Institutionen<br />

und Werte identifizieren, die alle<br />

Kulturen geme<strong>in</strong>sam haben, und so zu<br />

geme<strong>in</strong>samen Regeln gegen Mord,<br />

Folter, Unterdrückung und Tyrannei<br />

kommen. Maûstab bleibt das universelle<br />

Verständnis von elementaren Menschenrechten,<br />

wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wiener Menschenrechtsdeklaration<br />

<strong>der</strong> VN von 1993<br />

nie<strong>der</strong>gelegt s<strong>in</strong>d.<br />

± Wir wollen e<strong>in</strong>e Menschenrechtspolitik<br />

ohne doppelte Standards und ohne doppelte<br />

Moral. In konkreten Fällen von<br />

Menschenrechtsverletzungen s<strong>in</strong>d die<br />

Instrumente anzuwenden, die die besten<br />

Erfolgschancen bieten. Dafür steht e<strong>in</strong><br />

breites Spektrum von Möglichkeiten zur<br />

Verfügung. Aber niemals dürfen Menschenrechtsverletzungen<br />

e<strong>in</strong>fach h<strong>in</strong>genommen<br />

werden, nur weil man glaubt,<br />

daû eigene ökonomische o<strong>der</strong> politische<br />

Interessen auf dem Spiel stehen.<br />

± Wir wollen die Möglichkeiten <strong>der</strong> Auswärtigen<br />

Kulturpolitik, des Auslandsrundfunks<br />

und <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

und wirtschaftlichen Kontakte zur För-<br />

<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es weltweiten <strong>in</strong>terkulturellen<br />

Dialogs e<strong>in</strong>setzen.<br />

5. Abrüstung vorantreiben<br />

Die kontrollierte Abrüstung von Massenvernichtungswaffen<br />

bleibt e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Aufgaben globaler Friedenssicherung.<br />

Die <strong>SPD</strong> hält an dem Ziel <strong>der</strong> vollständigen<br />

Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen<br />

fest. Aber auch die konventionelle<br />

Rüstung ist <strong>in</strong> Europa und weltweit immer<br />

noch viel zu hoch. Das Überangebot von<br />

Kriegswaffen und <strong>der</strong> leichte Zugang zu<br />

ihnen ermöglicht und verschärft regionale<br />

und lokale Konflikte. Deshalb müssen auch<br />

die Bemühungen um konventionelle Abrüstung<br />

verstärkt werden.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>SPD</strong>-geführte Auûen- und Sicherheitspolitik<br />

wird folgende Initiativen<br />

ergreifen:<br />

± Zur Umsetzung <strong>der</strong> Verpflichtungen zur<br />

atomaren Abrüstung aus dem Nichtverbreitungsvertrag,<br />

Art. 6, werden wir uns<br />

für e<strong>in</strong>en schrittweisen Abrüstungsprozeû<br />

aller Nuklearwaffen e<strong>in</strong>setzen. Dazu<br />

gehört:<br />

1. Absenkung des Alarmstatus <strong>der</strong><br />

Atomwaffen (de-alert<strong>in</strong>g) z. B. durch<br />

getrennte Lagerung <strong>der</strong> Sprengköpfe<br />

von den Trägersystemen;<br />

2. Verzicht auf den Erste<strong>in</strong>satz von<br />

Atomwaffen;<br />

3. E<strong>in</strong> Vertrag über die Nicht-Herstellung<br />

neuer Atomsprengköpfe und die<br />

Schlieûung aller Teststätten;<br />

4. Der Abschluû e<strong>in</strong>es Vertrages zum<br />

Stop <strong>der</strong> Produktion von Spaltmaterial<br />

(cut-off) und über die sichere und<br />

kontrollierte Lagerung vorhandener<br />

Spaltstoffe;<br />

5. Die Fortsetzung des START-Prozesses<br />

sowie e<strong>in</strong> Vertrag über die<br />

Abschaffung aller taktischen Atomwaffen;<br />

6. Die E<strong>in</strong>beziehung von Frankreich<br />

und Groûbritannien <strong>in</strong> den Abrüstungsprozeû<br />

ebenso wie die Ch<strong>in</strong>as.


Wir werden darauf h<strong>in</strong>wirken, daû alle<br />

Staaten dem Nichtverbreitungsvertrag<br />

beitreten.<br />

± Das Kontrollregime zur Nichtverbreitung<br />

von Atomwaffen soll durch wirksamere<br />

Mechanismen und erweiterte Kompetenzen<br />

<strong>der</strong> Wiener Atomenergie-<br />

Agentur gestärkt werden.<br />

± Damit die nuklearen Schwellenlän<strong>der</strong><br />

atomwaffenfrei bleiben, soll e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales<br />

Regime geschaffen werden, das<br />

über die bestehenden Regelungen h<strong>in</strong>aus<br />

alle Proliferationsvorgänge zuverlässig<br />

erfaût. Dazu ist e<strong>in</strong>e striktere Exportkontrolle<br />

bei sogenannten ¹Dual-Useª-<br />

Gütern nötig.<br />

± Im Verhältnis zu Ruûland werden Bemühungen<br />

unternommen, die Ratifizierung<br />

des START-II-Vertrages zu erreichen.<br />

Die amerikanischen Vorschläge über<br />

e<strong>in</strong>en START-III-Vertrag werden unterstützt.<br />

Wir treten dafür e<strong>in</strong>, daû auch die<br />

Abrüstung taktischer Atomwaffen<br />

Gegenstand <strong>der</strong> Verhandlungen wird.<br />

± Die Entsorgung abgerüsteter A-Waffen<br />

und die sichere Lagerung nuklearer<br />

Spaltmaterialien aus abgerüsteten Atomsprengköpfen<br />

muû unter die Aufsicht <strong>der</strong><br />

Wiener Atombehörde IAEO gestellt<br />

werden. Deutschland muû sich mit technischen<br />

und f<strong>in</strong>anziellen Mitteln an dieser<br />

Aufgabe stärker beteiligen.<br />

± Im Verhältnis zu Indien wird Deutschland<br />

darauf dr<strong>in</strong>gen, daû dieses wichtige<br />

Land se<strong>in</strong>e Blockade <strong>der</strong> vollständigen<br />

E<strong>in</strong>stellung von Atomwaffenversuchen<br />

aufgibt.<br />

± Unseren russischen Partnern muû mit<br />

sehr viel mehr Nachdruck vor Augen<br />

geführt werden, daû ohne Ruûlands Beitritt<br />

zum Chemiewaffen-Übere<strong>in</strong>kommen<br />

die kontrollierte Abschaffung aller<br />

Bestände chemischer Kampfstoffe nicht<br />

erreicht werden kann.<br />

± Der Vertrag über das Verbot biologischer<br />

Waffen von 1972 enthält ke<strong>in</strong>e<br />

wirksamen Verifikationsbestimmungen.<br />

Kontrolle und Verifikation des B-Waffenverbots<br />

müssen dr<strong>in</strong>gend verbessert<br />

werden.<br />

± Wir werden uns bei allen Staaten, die<br />

den Open-skies-Vertrag noch nicht ratifiziert<br />

haben, für die Ratifizierung e<strong>in</strong>setzen.<br />

± Deutschland wird e<strong>in</strong>e restriktive<br />

Rüstungsexport-Politik verfolgen und<br />

diesen Maûstab auch im Bereich von<br />

Rüstungskooperationen anlegen. Der<br />

Export von sogenannten ¹Dual-Useª-<br />

Gütern ist e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Kontrolle<br />

zu unterwerfen. Wir verpflichten uns,<br />

die E<strong>in</strong>haltung dieser Politik durch e<strong>in</strong>en<br />

jährlichen Bericht nachzuweisen.<br />

± Deutschland wird sich für e<strong>in</strong> vollständiges<br />

Verbot <strong>der</strong> Herstellung und Verwendung<br />

sowie für die Beseitigung von Antipersonenm<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>setzen und deshalb<br />

auch die <strong>in</strong>ternationalen Programme zur<br />

Räumung von M<strong>in</strong>en stärker unterstützen.<br />

± Wir werden für e<strong>in</strong> Gesprächs- und Verhandlungsforum<br />

e<strong>in</strong>treten, das das Ziel<br />

verfolgt, die Entwicklung qualitativ<br />

neuer Waffen und neuer Rüstungstechnologien<br />

<strong>in</strong>ternational zu kontrollieren<br />

und zu begrenzen.<br />

± Der ¹Vertrag über konventionelle Streitkräfte<br />

<strong>in</strong> Europaª (KSE-Vertrag) ist als<br />

gesamteuropäische Grundlage für e<strong>in</strong>e<br />

vernetzte Sicherheit auszubauen und so<br />

anzupassen, daû sich das Militärpotential<br />

<strong>der</strong> NATO durch die beschlossene<br />

Osterweiterung nicht erhöht. Im neuen<br />

KSE-Vertrag treten wir für folgende Verbesserungen<br />

e<strong>in</strong>:<br />

± weiterer Abbau von Waffen und Truppen;<br />

± nach Auflösung des Warschauer Paktes<br />

Abkehr vom Pr<strong>in</strong>zip gleicher Obergrenzen<br />

für militärische Bündnisgruppen,<br />

statt dessen E<strong>in</strong>führung nationaler<br />

und territorialer Obergrenzen;<br />

± defensive Ausrichtung <strong>der</strong> verbleibenden<br />

Streitkräfte;<br />

± E<strong>in</strong>beziehung maritimer Rüstung;<br />

± Öffnung für Staaten, die dem KSE-<br />

Vertrag noch nicht angehören;<br />

29


30<br />

± mehr Transparenz und Berechenbarkeit<br />

durch vertrauensbildende Maûnahmen.<br />

6. E<strong>in</strong>e europäische Friedensordnung<br />

schaffen<br />

E<strong>in</strong>e gesamteuropäische Friedensordnung<br />

zu schaffen ist e<strong>in</strong>e politische Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

Stabilen Frieden gibt es zwischen<br />

Gesellschaften, <strong>in</strong> denen Menschen- und<br />

Bürgerrechte geachtet werden und die<br />

wirtschaftlich erfolgreich s<strong>in</strong>d. Demokratische<br />

Stabilität kann von auûen nur<br />

begrenzt geför<strong>der</strong>t werden. Sie muû <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie von den politischen und gesellschaftlichen<br />

Kräften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land gewollt<br />

und geschaffen werden. Politischer und<br />

wirtschaftlicher Fortschritt <strong>in</strong> Staaten kann<br />

jedoch durch Hilfe zur Selbsthilfe und<br />

günstige äuûere Bed<strong>in</strong>gungen erleichtert<br />

werden. Neben wirtschaftlicher und politischer<br />

Kooperation, materieller und personeller<br />

Unterstützung zum Aufbau und zur<br />

Festigung von Demokratie und Marktwirtschaft<br />

geht es dabei auch darum, e<strong>in</strong> europäisches<br />

Sicherheitssystem zu schaffen, das<br />

Sicherheit für alle und mit allen gewährleistet.<br />

± Wir treten dafür e<strong>in</strong>, daû es für alle<br />

europäischen Staaten e<strong>in</strong>e verläûliche<br />

und berechenbare Perspektive zur Aufnahme<br />

o<strong>der</strong> Mitwirkung <strong>in</strong> den europäischen<br />

Institutionen und zur Teilnahme<br />

an <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit den europäischen<br />

Sicherheitsorganisationen gibt.<br />

± Wir wollen dafür sorgen, daû durch die<br />

Erweiterung von EU und NATO <strong>in</strong><br />

Europa ke<strong>in</strong>e neuen Gräben aufgerissen<br />

werden. Dazu müssen gesamteuropäische<br />

Strukturen und Prozesse ebenso wie<br />

regionale Kooperation (z.B. Ostsee-<br />

Kooperation) gestärkt werden. Das<br />

gesamteuropäische Sicherheitssystem<br />

liegt <strong>in</strong> weiter Ferne, wenn man e<strong>in</strong>e<br />

neue, umfassende Institution schaffen<br />

will. Realistischer ist es, die bestehenden<br />

Organisationen so umzubauen und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

zu verzahnen, daû sie sich s<strong>in</strong>nvoll<br />

ergänzen und zu e<strong>in</strong>em funktionierenden<br />

Ganzen zusammenfügen.<br />

7. Europäische Auûen- und Sicherheitspolitik<br />

verwirklichen<br />

Die zentralen europäischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des Übergangs zum<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union durch Vertiefung und<br />

Erweiterung und <strong>der</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er gesamteuropäischen<br />

Friedensordnung durch Integration<br />

und Kooperation. Die Europäische<br />

Union ist e<strong>in</strong>e Friedensgeme<strong>in</strong>schaft und<br />

trotz aller immer wie<strong>der</strong> auftreten<strong>der</strong><br />

nationaler Egoismen e<strong>in</strong> unvergleichbar<br />

erfolgreiches Projekt für dauerhaften Frieden.<br />

Die gesamteuropäische Perspektive<br />

<strong>der</strong> europäischen E<strong>in</strong>igung ist die historische<br />

Chance, Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit,<br />

soziale Gerechtigkeit und<br />

Wohlstand <strong>in</strong> ganz Europa zu verwirklichen.<br />

Die <strong>SPD</strong> tritt dabei für folgende Ziele e<strong>in</strong>:<br />

± Wir wollen die Fortentwicklung <strong>der</strong><br />

Europäischen Union zu e<strong>in</strong>er Politischen<br />

Union, die sich <strong>in</strong> Weltpolitik und Weltwirtschaft<br />

behauptet.<br />

± Wir betreiben die Erweiterung <strong>der</strong><br />

Europäischen Union. Innerhalb <strong>der</strong><br />

Europäischen Union müssen die dafür<br />

notwendigen Reformen verwirklicht werden.<br />

Wir unterstützen beitrittswillige<br />

Staaten <strong>in</strong> ihren Bemühungen, die Aufnahmebed<strong>in</strong>gungen<br />

zu erfüllen. Wir treten<br />

für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same, umfassende<br />

Mittelmeer-Politik <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union e<strong>in</strong>.<br />

± Wir wollen e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Auûenund<br />

Sicherheitspolitik <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union durch die Vergeme<strong>in</strong>schaftung<br />

dieser Politikbereiche. Damit müssen<br />

stärkere Kontroll- und Mitwirkungsrechte<br />

des Europäischen Parlaments verbunden<br />

se<strong>in</strong>. Im Regelfall sollen Mehrheitsentscheidungen<br />

möglich se<strong>in</strong>.<br />

Gegen se<strong>in</strong>en Willen kann e<strong>in</strong> Mitgliedsstaat<br />

nicht zum E<strong>in</strong>satz se<strong>in</strong>er Streitkräfte<br />

verpflichtet werden. Wir werden<br />

die auf <strong>der</strong> Gipfel-Konferenz <strong>in</strong> Amsterdam<br />

geschaffenen Instrumente (Strategieplanungs-<br />

und Frühwarne<strong>in</strong>heit,<br />

Generalsekretär/Hoher Vertreter, Auûen-


vertretung, geme<strong>in</strong>same Strategien) aktiv<br />

nutzen.<br />

± Nach <strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> sogenannten<br />

¹Petersberg-Aufgabenª <strong>der</strong> WEU <strong>in</strong> den<br />

EU-Vertrag bleibt es für uns dabei, daû<br />

die Wahrnehmung dieser Aufgaben <strong>der</strong><br />

Friedenssicherung jeweils an e<strong>in</strong> Mandat<br />

<strong>der</strong> UNO o<strong>der</strong> <strong>der</strong> OSZE gebunden ist.<br />

Militärische Zwangsmaûnahmen kann<br />

nur <strong>der</strong> UN-Sicherheitsrat legitimieren.<br />

Jedem EU-Staat bleibt die Entscheidung<br />

vorbehalten, ob er sich selber im E<strong>in</strong>zelfall<br />

beteiligen will.<br />

± Wir streben e<strong>in</strong>e wachsende Identität<br />

<strong>der</strong> EU-Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> sicherheits- und<br />

verteidigungspolitischen Fragen an. Erst<br />

dann kann die WEU <strong>in</strong> die GASP <strong>in</strong>tegriert<br />

werden und <strong>der</strong> Vertretung europäischer<br />

Interessen <strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO dienen.<br />

Schon heute kann sie unter entsprechenden<br />

Mandaten für europäische Beiträge<br />

zu <strong>in</strong>ternationalen friedenserhaltenden<br />

Maûnahmen stärker genutzt werden.<br />

± Wir wollen die Konzentration <strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong>samen europäischen Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik auf vordr<strong>in</strong>gliche<br />

Handlungsfel<strong>der</strong>: Konfliktprävention,<br />

Krisenmanagement, Entwicklungszusammenarbeit,<br />

ökologischer Umbau,<br />

Bekämpfung des Terrorismus und <strong>in</strong>ternationaler<br />

Krim<strong>in</strong>alität, Auûenwirtschaft.<br />

Europa hat weltweite Interessen. Bei <strong>der</strong><br />

Verfolgung dieser Interessen gilt als<br />

grundlegendes Pr<strong>in</strong>zip überall e<strong>in</strong>e Politik<br />

des Dialogs und <strong>der</strong> partnerschaftlichen<br />

Zusammenarbeit. Ziel ist <strong>in</strong> allen<br />

Fällen die För<strong>der</strong>ung von Friedensprozessen,<br />

die Sicherung von Demokratie<br />

und Menschenrechten und die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

aller Staaten <strong>in</strong> die Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Geme<strong>in</strong>schaft<br />

auf allen Gebieten.<br />

± Als dr<strong>in</strong>glichste aktuelle Aufgabe<br />

geme<strong>in</strong>samer europäischer Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik sehen wir die Stabilisierung<br />

des Balkan-Raums. Notwendig<br />

ist die friedliche Beilegung <strong>der</strong> Grenzund<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitskonflikte, die Unterstützung<br />

demokratischer, rechtsstaatlicher<br />

und marktwirtschaftlicher Reformen und<br />

die För<strong>der</strong>ung regionaler Kooperation.<br />

Im ehemaligen Jugoslawien halten wir an<br />

den Pr<strong>in</strong>zipien und Zielen des Vertrages<br />

von Dayton fest. Das Problem <strong>der</strong><br />

Flüchtl<strong>in</strong>gsrückkehr kann nur gelöst und<br />

die Gefahr neuer Flüchtl<strong>in</strong>gsströme<br />

beson<strong>der</strong>s nach Deutschland nur vermieden<br />

werden, wenn <strong>in</strong> Bosnien-Herzegov<strong>in</strong>a<br />

e<strong>in</strong>e stabile Zivilgesellschaft entsteht<br />

und <strong>in</strong> Serbien und Kroatien demokratische<br />

Defizite abgebaut werden.<br />

± Um europäisch handeln zu können, muû<br />

die deutsche Auûenpolitik <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Beziehungen zu unseren Nachbarn<br />

pflegen. Aktuellen zusätzlichen Handlungsbedarf<br />

sehen wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung<br />

unseres Verhältnisses zu Frankreich,<br />

Polen und <strong>der</strong> Tschechischen Republik.<br />

Wir wollen die deutsch-französische<br />

Partnerschaft revitalisieren, die deutschpolnische<br />

Zusammenarbeit auf allen<br />

Gebieten verstärken und die deutschtschechischen<br />

Beziehungen im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>samen Erklärung gestalten. Im<br />

Verhältnis zu unseren östlichen Nachbarn<br />

und dem gesamten mittel-osteuropäischen<br />

Raum treten wir für e<strong>in</strong>e<br />

schnelle Lösung <strong>der</strong> noch offenen Fragen<br />

im Zusammenhang mit NS-Unrecht<br />

e<strong>in</strong>.<br />

8. Die transatlantischen Beziehungen<br />

festigen<br />

Im Verhältnis zwischen Europa und den<br />

USA wollen wir <strong>der</strong> Gefahr entgegenwirken,<br />

daû Interessenkonflikte sich verschärfen<br />

und durch amerikanischen Unilateralismus<br />

und europäische Une<strong>in</strong>igkeit immer<br />

schwerer lösbar werden. Die Idee e<strong>in</strong>er<br />

sicherheitspolitischen Schicksalsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

trägt die transatlantischen Beziehungen<br />

nicht mehr alle<strong>in</strong>. Wir wollen e<strong>in</strong>e<br />

erweiterte transatlantische Agenda mit<br />

neuen Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kooperation und effektiverer<br />

Arbeitsteilung.<br />

9. Mit <strong>der</strong> NATO Stabilität sichern<br />

Die NATO ist und bleibt e<strong>in</strong> Verteidigungsbündnis.<br />

Nach dem Ende des Ost-<br />

West-Konflikts kann sie darüber h<strong>in</strong>aus zur<br />

kollektiven Friedenssicherung beitragen.<br />

31


Sie kann und soll ebenfalls den europäischnordamerikanischen<br />

Stabilitätsraum vergröûern.<br />

Die <strong>SPD</strong> verfolgt <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> NATO<br />

diese Ziele:<br />

± Wir halten daran fest, daû die NATO<br />

bei allen E<strong>in</strong>sätzen, die nicht ihren kollektiven<br />

Verteidigungsauftrag nach Artikel<br />

5 des NATO-Vertrages betreffen, auf<br />

<strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>es VN- o<strong>der</strong> OSZE-<br />

Mandats handelt, wobei im Falle militärischer<br />

Zwangsmaûnahmen e<strong>in</strong> VN-<br />

Sicherheitsratsmandat zw<strong>in</strong>gend ist. Die<br />

NATO kann sich nicht selbst e<strong>in</strong> Mandat<br />

erteilen. Aus <strong>der</strong> NATO darf ke<strong>in</strong> globales<br />

Interventions<strong>in</strong>strument werden.<br />

Diese Erfor<strong>der</strong>nisse dürfen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

NATO nicht durch militärorganisatorische<br />

Maûnahmen, z.B. im Zusammenhang<br />

mit Krisenreaktionskräften, unterlaufen<br />

werden. Das Entscheidungsrecht<br />

des Deutschen Bundestages über den<br />

Streitkräftee<strong>in</strong>satz darf nicht bee<strong>in</strong>trächtigt<br />

werden.<br />

± Wir wollen die europäische Komponente<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> NATO stärken. Die Europäer<br />

können ihren E<strong>in</strong>fluû stärken, wenn<br />

sie geschlossen auftreten und ihren Beitrag<br />

zur Erfüllung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Aufgaben und Bewältigung <strong>der</strong> Lasten<br />

leisten. Darum unterstützen wir die<br />

Rückkehr Frankreichs <strong>in</strong> die militärischen<br />

Strukturen <strong>der</strong> NATO. In Verb<strong>in</strong>dung<br />

damit erwarten wir von den USA,<br />

daû sie e<strong>in</strong>e gröûere Verantwortung <strong>der</strong><br />

Europäer <strong>in</strong> den NATO-Kommandostrukturen<br />

akzeptieren.<br />

± Wir haben die im Juli 1997 <strong>in</strong> Madrid<br />

beschlossene NATO-Osterweiterung<br />

mitgetragen, weil sie zur Stabilisierung<br />

demokratischer Verhältnisse <strong>in</strong> den künftigen<br />

neuen Mitgliedsstaaten beitragen<br />

kann. Die Fortsetzung des Prozesses<br />

setzt voraus, daû die neuen Instrumente<br />

± Grundakte NATO-Ruûland, Charta<br />

NATO-Ukra<strong>in</strong>e und <strong>der</strong> Euro-Atlantische<br />

Partnerschaftsrat sowie das<br />

bestehende NATO-Programm ¹Partnerschaft<br />

für den Friedenª ± im S<strong>in</strong>ne von<br />

Vertrauensbildung und Kooperation<br />

32<br />

aktiv genutzt werden. Ruûland ist und<br />

bleibt e<strong>in</strong>e Groûmacht. Kooperative<br />

Sicherheit ist nur mit Ruûland erreichbar.<br />

Die Enttäuschung <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong><br />

beitrittswilligen Län<strong>der</strong> über die Entscheidung<br />

des NATO-Gipfels <strong>in</strong> Madrid<br />

kann begrenzt werden und e<strong>in</strong>e drohende<br />

Aufteilung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> ostmittel-<br />

und südosteuropäischen Transformationsstaaten<br />

<strong>in</strong> privilegierte und solche,<br />

die sich als benachteiligt fühlen, kann<br />

vermieden werden. Dazu muû e<strong>in</strong><br />

Gesamtkonzept für e<strong>in</strong>e europäische<br />

Sicherheits- und Integrationspolitik<br />

gefunden werden, zu <strong>der</strong> auch die künftige<br />

Offenheit <strong>der</strong> NATO für den Beitritt<br />

weiterer Mitglie<strong>der</strong> gehört.<br />

± Kostspielige Maûnahmen <strong>der</strong> Auf- und<br />

Umrüstung bei <strong>der</strong> Aufnahme neuer<br />

NATO-Mitglie<strong>der</strong> lehnen wir ab. Vielmehr<br />

treten wir dafür e<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong> Prozeû<br />

<strong>der</strong> NATO-Erweiterung zur Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> konventionellen Streitkräfte<br />

<strong>in</strong> Europa genutzt wird. Der Verteidigungshaushalt<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland darf wegen des Beitritts<br />

neuer NATO-Mitglie<strong>der</strong> nicht erhöht<br />

werden.<br />

10. Die OSZE aufwerten<br />

Die Organisation für Sicherheit und<br />

Zusammenarbeit <strong>in</strong> Europa (OSZE) ist die<br />

e<strong>in</strong>zige Organisation, die alle europäischen<br />

Staaten sowie die USA und Kanada, die für<br />

Europas Sicherheit mitverantwortlich s<strong>in</strong>d,<br />

umfaût. Diese E<strong>in</strong>zigartigkeit macht sie<br />

unersetzlich. Insofern ist sie Eckpfeiler<br />

e<strong>in</strong>er gesamteuropäischen Friedensordnung.<br />

E<strong>in</strong>e gesamteuropäische Friedensordnung<br />

kann ohne die OSZE nicht entstehen.<br />

Wir begrüûen die Feststellung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

NATO-Ruûland-Grundakte, die OSZE als<br />

¹e<strong>in</strong>zige gesamteuropäische Sicherheitsorganisationª<br />

zu stärken und ihre Schlüsselrolle<br />

für Frieden und Stabilität <strong>in</strong> Europa<br />

anzuerkennen, damit sie im Zusammenwirken<br />

mit NATO, EU, Europarat und WEU<br />

zu e<strong>in</strong>er gesamteuropäischen Friedensordnung<br />

beiträgt. Entscheidend für die<br />

Zukunft <strong>der</strong> OSZE ist, daû sie ihre politischen<br />

Normen auch durchsetzen kann. Die


zwischen den OSZE-Mitgliedsstaaten vere<strong>in</strong>barten<br />

Verfahren und Maûnahmen stellen<br />

e<strong>in</strong> ausgezeichnetes Instrumentarium<br />

<strong>der</strong> Konfliktprävention und Konfliktregelung<br />

dar. Sie müssen politisch verb<strong>in</strong>dlicher<br />

gemacht werden.<br />

Deshalb for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>:<br />

± beim Ständigen Vorsitz e<strong>in</strong> sicherheitspolitisches<br />

Beratergremium e<strong>in</strong>zurichten;<br />

± die Befugnisse des OSZE-Generalsekretärs<br />

auszubauen (mehr Kompetenzen bei<br />

OSZE-Missionen und für die Ausarbeitung<br />

von Lösungsvorschlägen <strong>in</strong> Konfliktsituationen);<br />

± beim Konfliktverhütungszentrum e<strong>in</strong>e<br />

Planungs- und Analysestelle e<strong>in</strong>zurichten;<br />

± Anrufungen und Entscheidungen des<br />

Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs <strong>der</strong><br />

OSZE politisch verb<strong>in</strong>dlicher zu<br />

machen;<br />

± die operativen Instrumente <strong>der</strong> OSZE<br />

personell und entsprechend das Budget<br />

besser auszustatten;<br />

± die Schaffung e<strong>in</strong>es Peace-keep<strong>in</strong>g-Stabes<br />

und die Benennung ziviler und militärischer<br />

Ressourcen durch die Mitgliedsstaaten,<br />

die sie vorbehaltlich <strong>der</strong><br />

Entscheidung im E<strong>in</strong>zelfall <strong>der</strong> OSZE<br />

für Peece-keep<strong>in</strong>g-Operationen zur Verfügung<br />

stellen,<br />

± die stärkere E<strong>in</strong>beziehung von Nichtregierungsorganisationen.<br />

IV. Bundeswehr<br />

Auch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts<br />

bleibt die Bundeswehr unverzichtbar.<br />

Deutschland wird zwar militärisch nicht<br />

mehr direkt bedroht, aber die Fähigkeit zur<br />

Landes- und Bündnisverteidigung ist als<br />

Risikovorsorge weiterh<strong>in</strong> notwendig. Die<br />

Bundeswehr kann im Rahmen e<strong>in</strong>es UNOo<strong>der</strong><br />

OSZE-Mandats für Aufgaben <strong>der</strong><br />

Friedenssicherung wie <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> Bosnien<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden, und sie leistet durch<br />

Integration und Kooperation mit den<br />

Streitkräften unserer Partner e<strong>in</strong>en wichti-<br />

gen Beitrag zur sicherheitspolitischen Stabilisierung<br />

Europas.<br />

Die funktionale Aufgabenteilung zwischen<br />

den Streitkräften und <strong>der</strong> Bundeswehrverwaltung<br />

hat Verfassungsrang. Diese Aufgabenteilung<br />

hat sich bewährt, und die <strong>SPD</strong><br />

hält daran fest.<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e Bundeswehr, <strong>der</strong>en Soldaten<br />

gut ausgebildet s<strong>in</strong>d, die effektiv<br />

strukturiert und mo<strong>der</strong>n ausgerüstet ist,<br />

um ihre Aufgaben zu erfüllen und den<br />

bestmöglichen Schutz für die Soldaten<br />

sicherstellen zu können.<br />

Gegenwärtig ist die Bundeswehr durch<br />

unsolide F<strong>in</strong>anzpolitik und falsche Planung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kritischen Zustand gebracht worden.<br />

Die Ersatzteilversorgung und Materialerhaltung<br />

<strong>in</strong> den Streitkräften ist besorgniserregend.<br />

Fahrzeuge, Ausrüstung und<br />

Bewaffnung veraltern zunehmend, weil für<br />

Investitionen das Geld fehlt. Für das bisherige<br />

und auf absehbare Zeit verfügbare<br />

Verteidigungsbudget gibt es ke<strong>in</strong>e Bundeswehrplanung.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t deshalb e<strong>in</strong>e parlamentarische<br />

Wehrstrukturkommission, die e<strong>in</strong>e<br />

saubere Bestandsaufnahme <strong>der</strong> Bundeswehr<br />

und <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmittel vornimmt und realistische,<br />

zukunftsweisende Lösungsvorschläge<br />

erarbeiten und dem Parlament<br />

unterbreiten soll.<br />

Das Ende des Kalten Krieges hat Möglichkeiten<br />

für Abrüstung geschaffen, die bisher<br />

nicht ausgeschöpft worden s<strong>in</strong>d. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

die Öffnung <strong>der</strong> NATO und die Fortführung<br />

des KSE-Prozesses müssen zu<br />

konkreten Abrüstungsschritten führen. In<br />

diesem Prozeû wird auch die Stärke <strong>der</strong><br />

Bundeswehr weiter verr<strong>in</strong>gert werden.<br />

Dann stellt sich zw<strong>in</strong>gend die Frage <strong>der</strong><br />

Wehrform. Die <strong>SPD</strong> will die Anwendung<br />

<strong>der</strong> Wehrpflicht solange wie vernünftig<br />

begründbar aufrecht erhalten. Die Anwendung<br />

<strong>der</strong> Wehrpflicht darf e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung<br />

unserer Streitkräfte nicht im Wege<br />

stehen. Die Alternativen s<strong>in</strong>d dann die Aussetzung<br />

<strong>der</strong> Wehrpflicht <strong>in</strong> normalen Friedenszeiten<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en weitere deutliche<br />

Verkürzung. Bei <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong><br />

33


Wehrpflicht im Frieden müssen die Wehrgerechtigkeit<br />

und e<strong>in</strong>e angemessene Verwendungsdauer<br />

<strong>der</strong> Grundwehrdienstleistenden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Truppe voll gewahrt<br />

bleiben.<br />

Von herausragen<strong>der</strong> Bedeutung bleibt die<br />

Integration <strong>der</strong> Bundeswehr <strong>in</strong> die Gesellschaft<br />

sowie ihre demokratische und<br />

rechtsstaatliche Verfaûtheit.<br />

Die Bundeswehr hat mit dem Konzept <strong>der</strong><br />

Inneren Führung und <strong>der</strong> Politischen Bildung<br />

den Staatsbürger <strong>in</strong> Uniform geprägt.<br />

Das Leitbild des Staatsbürgers <strong>in</strong> Uniform<br />

ist weiterzuentwickeln und behält zentrale<br />

Bedeutung für den Dienst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundeswehr.<br />

Die Bundeswehr braucht und verdient<br />

gerade auch <strong>in</strong> dieser für sie schwierigen<br />

Periode <strong>der</strong> Umstellung unser aller<br />

Unterstützung.<br />

V. Tradition und Verantwortung<br />

Deutschlands auûenpolitische Verantwortung<br />

liegt im Handeln für e<strong>in</strong>e friedliche,<br />

demokratische und solidarische Welt. Wir<br />

stehen damit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition e<strong>in</strong>er Politik,<br />

die von Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

geprägt, formuliert und umgesetzt<br />

worden ist.<br />

Für e<strong>in</strong>e Auûen-, Friedens- und Entwicklungspolitik,<br />

die e<strong>in</strong>e unverkennbar sozialdemokratische<br />

Handschrift trägt, stehen<br />

die groûen Leistungen unserer Bundeskanzler<br />

Willy Brandt und Helmut Schmidt.<br />

Wir bleiben den Erkenntnissen und Vorschlägen<br />

verpflichtet, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> von Willy<br />

Brandt geleiteten Nord-Süd-Kommission<br />

¹Das Überleben sichernª, <strong>der</strong> von Olof<br />

Palme geleiteten Abrüstungskommission<br />

zur ¹Geme<strong>in</strong>samen Sicherheitª, <strong>der</strong> von<br />

Gro-Harlem Brundland geleiteten<br />

Umwelt- und Entwicklungskommission<br />

¹Unsere geme<strong>in</strong>same Zukunftª und <strong>der</strong><br />

von Ingvar Carisson und Shridath Ramphal<br />

geleiteten Kommission ¹On global governanceª<br />

enthalten s<strong>in</strong>d.<br />

In <strong>der</strong> Regierungsverantwortung wird die<br />

<strong>SPD</strong> diese Tradition e<strong>in</strong>er berechenbaren<br />

und zuverlässigen <strong>in</strong>ternationalen Politik <strong>in</strong><br />

deutschem Interesse fortführen.<br />

(Angenommen)<br />

34<br />

Antrag A 10<br />

Kreisverband Nordfriesland<br />

(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

Unsere friedens- und sicherheitspolitischen<br />

Ziele:<br />

1. Fortsetzung des Abrüstungsprozesses<br />

Der Abrüstungsprozeû <strong>in</strong> Europa ist nachhaltig<br />

fortzuführen. Vor allem im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Öffnung <strong>der</strong> NATO für<br />

die Mittel-Ost-Europäischen Staaten<br />

(MOE-Staaten) und im Rahmen des laufenden<br />

KSE-Prozesses (Konferenz für<br />

Sicherheit <strong>in</strong> Europa) ist <strong>der</strong> Umfang <strong>der</strong><br />

deutschen Streitkräfte weiter zu reduzieren<br />

und auf das sicherheitspolitisch gebotene<br />

Maû festzulegen.<br />

2. Reform <strong>der</strong> Wehrstruktur<br />

Die Bundeswehr benötigt dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>e<br />

mo<strong>der</strong>ne Wehrstruktur, um ihren Verfassungsauftrag<br />

unter den verän<strong>der</strong>ten politischen<br />

und f<strong>in</strong>anziellen Bed<strong>in</strong>gungen une<strong>in</strong>geschränkt<br />

erfüllen zu können. Um die<br />

Qualität <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> Soldaten den<br />

neuen Anfor<strong>der</strong>ungen anpassen zu können,<br />

ist die Bundeswehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Freiwilligenarmee<br />

umzuwandeln. Die allgeme<strong>in</strong>e Wehrpflicht<br />

ist <strong>in</strong> normalen Friedenszeiten auszusetzen.<br />

Die E<strong>in</strong>zelheiten s<strong>in</strong>d zusammen<br />

mit allen Betroffenen von e<strong>in</strong>er Wehr- und<br />

Personalstrukturkommission zu erarbeiten.<br />

3. Qualifizierter ¹gesellschaftlicher<br />

Dienstª<br />

Die zivilen Hilfsorganisationen, die Katastrophenhilfe<br />

und <strong>der</strong> Entwicklungsdienst<br />

s<strong>in</strong>d zugleich durch e<strong>in</strong>en freiwilligen qualifizierten<br />

¹gesellschaftlichen Dienstª für<br />

Frauen und Männer zu unterstützen. Der<br />

qualifizierte ¹gesellschaftliche Dienstª<br />

umfaût soziale Dienste, ökologische Dienste,<br />

Entwicklungshilfe, zivilen Friedensdienst<br />

u.ä. Die Ableistung des qualifizierten<br />

¹gesellschaftlichen Dienstesª ist mit<br />

e<strong>in</strong>er anerkannten Berufsausbildung zu verb<strong>in</strong>den.<br />

Die praktische Tätigkeit ist bei<br />

entsprechenden Studiengängen und ähnli-


chen Ausbildungen anzuerkennen. Die bisher<br />

für den Zivildienst aufgewendeten Mittel<br />

s<strong>in</strong>d dem qualifizierten ¹gesellschaftlichen<br />

Dienstª zur Verfügung zu stellen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Regierungsprogramms)<br />

Antrag A 12<br />

Unterbezirk Gött<strong>in</strong>gen<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

Wehrpolitik<br />

1. Die Struktur <strong>der</strong> Bundeswehr muû den<br />

Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Demokratie im Innern<br />

Rechnung tragen. Die Beteiligungsrechte<br />

<strong>der</strong> Soldaten s<strong>in</strong>d zu erhöhen. Die scharfe<br />

Trennung zwischen den Laufbahngruppen<br />

ist aufzulösen. In die Wehrverfassung s<strong>in</strong>d<br />

Elemente stärkerer politischer Kontrolle<br />

aufzunehmen.<br />

2. E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Dienstpflicht wird<br />

abgelehnt, da sie den Grundsätzen von<br />

Freiheit und Demokratie wi<strong>der</strong>spricht.<br />

3. Jungen Menschen ist die Möglichkeit<br />

e<strong>in</strong>zuräumen, freiwillig e<strong>in</strong>en Dienst zu leisten.<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>es freiwilligen geme<strong>in</strong>nützigen<br />

Jahres, könnten junge Menschen<br />

sich beispielsweise im Sozial- o<strong>der</strong><br />

Umweltbereich engagieren. Dieses freiwillige<br />

Jahr ist angemessen zu vergüten. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ist beispielsweise e<strong>in</strong> Bonus bei<br />

<strong>der</strong> Zulassung zum Studium o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Hilfe zur Existenzgründung zu geben.<br />

(Überwiesen an Kommission Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik beim Parteivorstand)<br />

Antrag A 13<br />

Kreisverband Kiel<br />

(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

Zukunft <strong>der</strong> Wehrpflicht<br />

Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Fraktion im Deutschen<br />

Bundestag werden aufgefor<strong>der</strong>t, als<br />

Grundlage für die weitere Diskussion über<br />

die ¹Zukunft <strong>der</strong> Wehrpflichtª e<strong>in</strong> Rechts-<br />

gutachten zu <strong>in</strong>itiieren, das Aufschluû über<br />

die verfassungsrechtliche Zulässigkeit e<strong>in</strong>er<br />

allgeme<strong>in</strong>en und gleichen Dienstpflicht<br />

gibt. Bis dah<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d alle diesbezüglichen<br />

partei<strong>in</strong>ternen Beschluûfassungen zurückzustellen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag A 14<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />

Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />

Rüstungskonversion ± Strukturfrage<br />

und Friedenspolitik<br />

I. E<strong>in</strong>leitung<br />

Die sich mit <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Warschauer<br />

Vertragsorganisation vollzogene<br />

grundlegende Verän<strong>der</strong>ung des sicherheitspolitischen<br />

Kontextes h<strong>in</strong>terläût e<strong>in</strong>e für<br />

die aktuellen Bedürfnisse beträchtlich<br />

überdimensionierte Rüstungs<strong>in</strong>dustrie. Die<br />

Verkle<strong>in</strong>erung <strong>der</strong> Armeen, weitreichende<br />

Demobilisierung, Schlieûung von Militärbasen,<br />

die Senkung <strong>der</strong> Militärhaushalte<br />

und die Streckung bzw. vollständige Streichung<br />

groûangelegter Waffenbeschaffungsprogramme<br />

kennzeichnen die globale<br />

Situation Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre. Ubiquitäre<br />

Engpässe <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte sorgen<br />

dafür, daû die weltweiten Rüstungsausgaben,<br />

<strong>der</strong>en Höhepunkt 1987 mit<br />

e<strong>in</strong>em Volumen von $ 1 Billion erreicht<br />

wurde, nach vorsichtiger Schätzung mit<br />

e<strong>in</strong>er jährlichen Degression von 3 % im<br />

Jahre 2000 auf $ 650 Milliarden fallen<br />

werden.<br />

Angesichts des beschriebenen Szenarios<br />

nimmt es nicht Wun<strong>der</strong>, daû Rüstungskonversion<br />

bereits weitgehend abgelaufen ist.<br />

Bei diesem oft auch von Groûkonzernen<br />

selbständig <strong>in</strong>itiierten Schritten kann<br />

jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur von e<strong>in</strong>er Diversifikation<br />

gesprochen werden, d. h. dem Versuch,<br />

dem Unternehmen unter an<strong>der</strong>em<br />

e<strong>in</strong> ziviles Standbe<strong>in</strong> zu verpassen. Gleichzeitig<br />

geht das Bemühen von Militär und<br />

Industrie erkennbar dah<strong>in</strong>, vor allem im<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach<br />

35


e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Umstrukturierung <strong>der</strong> Bundeswehr<br />

von e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Verteidigungsarmee<br />

zu weltweit operierenden Krisenreaktionskräften<br />

notwendigen Nachrüstung um neue<br />

Waffenbeschaffungsprogramme zu r<strong>in</strong>gen.<br />

Daû diese Lobby nach wie vor mit groûem<br />

Erfolg operiert, zeigt beson<strong>der</strong>s eklatant<br />

das Beispiel des vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong><br />

verän<strong>der</strong>ten Sicherheitslage militärstrategisch<br />

und angesichts <strong>der</strong> Parallelentwicklungen<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en verbündeten Staaten<br />

auch f<strong>in</strong>anziell vollkommen s<strong>in</strong>nlosen<br />

Eurofighter 2000.<br />

Wie gezeigt, gestaltet sich die Def<strong>in</strong>ition<br />

des Begriffes ¹Rüstungskonversionª durchaus<br />

unterschiedlich. Ist e<strong>in</strong>erseits nur von<br />

e<strong>in</strong>er Ablösung unrentabler <strong>in</strong>dustrieller<br />

Sektoren und <strong>der</strong> Erschlieûung neuer<br />

Wachstumsfel<strong>der</strong> die Rede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form,<br />

daû mit dem vorhandenen Produktionspotential<br />

zivile statt militärische Güter produziert<br />

werden können, gilt an<strong>der</strong>erseits, daû<br />

die ökonomische und friedenspolitische<br />

Dimension mit e<strong>in</strong>em Prozeû e<strong>in</strong>er weitgehenden<br />

Demokratisierung verknüpft wird.<br />

Rüstungskonversion ist für uns Hand <strong>in</strong><br />

Hand mit Abrüstung gehende friedenssowie<br />

gesellschaftspolitische Aufgabe. Als<br />

Akteure s<strong>in</strong>d neben den betroffenen Unternehmen<br />

beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>e steuernde Regional-<br />

und Strukturpolitik sowie e<strong>in</strong>e entsprechen<strong>der</strong><br />

bundespolitischer Rahmen<br />

gefor<strong>der</strong>t. Dieser Prozeû darf daher nicht<br />

kurzfristigen ökonomischen Interessen<br />

unterworfen se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n muû gezielt<br />

gesteuert werden, um gesellschaftlich s<strong>in</strong>nvolle<br />

Alternativen zu entwickeln. Bei <strong>der</strong><br />

Rüstungs<strong>in</strong>dustrie handelt es sich um e<strong>in</strong>en<br />

zwar politisch brisanten Sektor, sie stellt<br />

jedoch nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil des verarbeitenden<br />

Gewerbes <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD. Stark<br />

abhängig von <strong>der</strong> Rüstungs<strong>in</strong>dustrie s<strong>in</strong>d<br />

nur die Luft- und Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie,<br />

<strong>der</strong>en Umsatz zu e<strong>in</strong>em Drittel auf<br />

Beschaffung <strong>der</strong> Bundeswehr beruht, und<br />

<strong>der</strong> Schiffbau mit 20 % des Umsatzes.<br />

Daher ist die bundesdeutsche Rüstungs<strong>in</strong>dustrie,<br />

obwohl sie <strong>in</strong>ternational betrachtet<br />

e<strong>in</strong>e Spitzenstellung e<strong>in</strong>nimmt, gesamtwirtschaftlich<br />

nur von ger<strong>in</strong>ger Bedeutung und<br />

kann nicht mit den groûen Wirtschaftszweigen<br />

wie Chemie, Masch<strong>in</strong>enbau und<br />

36<br />

<strong>der</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie verglichen werden.<br />

Hier liegt auch die Chance, auf e<strong>in</strong>em<br />

überschaubaren Gebiet Erfahrungen zu<br />

sammeln, die auf an<strong>der</strong>e Konversionsbereiche<br />

anwendbar s<strong>in</strong>d.<br />

Konversion ist e<strong>in</strong>e ökonomische Antwort<br />

auf die vor uns liegenden Strukturanpassungskrisen.<br />

Aufgebaute Überkapazitäten<br />

müssen aus ökonomischen Gründen abgebaut<br />

werden. H<strong>in</strong>zu kommen ökologisch<br />

dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>liche Umstrukturierungen<br />

<strong>der</strong> Produktion und <strong>der</strong> Produkte. So müssen<br />

z.B. <strong>der</strong> Ausstieg aus <strong>der</strong> Automobil-<br />

Fixierung unserer Volkswirtschaft und <strong>der</strong><br />

Umbau des Energiesektors gel<strong>in</strong>gen. Dieses<br />

wird nur dann durchsetzbar se<strong>in</strong>, wenn<br />

wir Konversionskonzepte vorweisen können,<br />

die nicht weitere Arbeitslosigkeit produzieren.<br />

An<strong>der</strong>nfalls werden die bevorstehenden<br />

Strukturkrisen ohne Rücksicht auf<br />

Beschäftigte den Nie<strong>der</strong>gang solcher Industriezweige<br />

erzw<strong>in</strong>gen.<br />

II. Rüstungs<strong>in</strong>dustrie und Rüstungsexport<br />

Die Rüstungs<strong>in</strong>dustrie hat <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren erhebliche Beschäftigungse<strong>in</strong>brüche<br />

erfahren. Es wurden seit 1989 etwa<br />

140 000 Arbeitsplätze abgebaut. E<strong>in</strong><br />

Groûteil <strong>der</strong> Entlassungen ist allerd<strong>in</strong>gs<br />

rationalisierungsbed<strong>in</strong>gt. Nur rund 48 000<br />

<strong>der</strong> abgebauten Stellen s<strong>in</strong>d auf verr<strong>in</strong>gerte<br />

Rüstungsanstrengungen zurückzuführen.<br />

Rüstungs<strong>in</strong>dustrie zeichnet sich im allgeme<strong>in</strong>en<br />

durch e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Marktferne<br />

aus. Wo <strong>der</strong> Staat als so gut wie e<strong>in</strong>ziger<br />

Auftraggeber fungiert, ist ke<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Flexibilität gefragt. Diese höheren Preise<br />

und e<strong>in</strong>en sicheren Abnehmer garantierende<br />

Annehmlichkeit verkehrt sich bei<br />

s<strong>in</strong>kenden staatlichen Rüstungsaufträgen<br />

jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e prekäre Abhängigkeit.<br />

Beson<strong>der</strong>s kraû werden dadurch die kle<strong>in</strong>en<br />

und mittleren (Zuliefer-)Firmen betroffen<br />

aufgrund <strong>der</strong> stark e<strong>in</strong>seitig ausgerichteten<br />

Fertigung, <strong>der</strong> oft ger<strong>in</strong>gen Kapitaldecke<br />

und <strong>der</strong> mangelnden Fähigkeit, <strong>in</strong>ternational<br />

zu agieren, so daû es unmöglich<br />

sche<strong>in</strong>t, kurzfristig Abfe<strong>der</strong>ungs- und<br />

Umsteuerungsprozesse zu beg<strong>in</strong>nen. Groûe


Rüstungsunternehmen reagieren <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie mit ersatzlosem Abbau von<br />

Rüstungskapazitäten o<strong>der</strong> Firmenzukauf<br />

und Diversifikation, um e<strong>in</strong>e Erweiterung<br />

<strong>der</strong> Produktpalette und folglich e<strong>in</strong>e gröûere<br />

Krisenfestigkeit zu erreichen. Hauptsächlich<br />

<strong>in</strong> den hochtechnologischen Bereichen<br />

<strong>der</strong> Luft- und Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie<br />

und <strong>der</strong> Elektrotechnik ist e<strong>in</strong> Konzentrations-<br />

und Monopolisierungsprozeû zu<br />

beobachten. Die umsatzstärksten Rüstungsunternehmen<br />

verstärken zudem ihre Bemühungen,<br />

Produktion und Vertrieb zu <strong>in</strong>ternationalisieren,<br />

was etwa e<strong>in</strong>e Abkehr von<br />

dem lang gehegten Primat e<strong>in</strong>er autarken,<br />

nationalen Rüstungs<strong>in</strong>dustrie bedeutet. Die<br />

Tendenz zeigt, daû Ziel <strong>der</strong> groûen<br />

rüstungsorientierten Unternehmen ke<strong>in</strong>e<br />

Konversion son<strong>der</strong>n Bestandssicherung <strong>in</strong><br />

schrumpfenden Märkten ist.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund muû auch die<br />

For<strong>der</strong>ung nach schrittweisem Abbau <strong>der</strong><br />

Rüstungsexportbeschränkungen des Auûenwirtschaftsgesetzes<br />

bzw. <strong>der</strong> Auûenwirschaftsverordnung<br />

im Rahmen <strong>der</strong> EU-<br />

Harmonisierung gesehen werden. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

vermag auch e<strong>in</strong>e stärkere Exportorientierung<br />

die fehlende Nachfrage von<br />

seiten nationaler Regierungen nicht wettzumachen.<br />

Weltweit ist <strong>der</strong> Handel mit<br />

konventionellen Waffen seit 1987 rückläufig.<br />

Das Umsatzvolumen sank von $ 46<br />

Milliarden 1987 auf $ 24 Milliarden 1991.<br />

Dagegen steht die Expansion deutscher<br />

Rüstungsexporte, die seit 1991 die beiden<br />

groûen europäischen Militärmächte Frankreich<br />

und Groûbritannien übertreffen. Die<br />

Tatsache, daû deutsche Waffen im Krieg<br />

gegen das kurdischen Volk <strong>in</strong> Türkei-Kurdistan<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden, rückt dies neu <strong>in</strong><br />

das Bewuûtse<strong>in</strong>. Deutsche Firmen haben<br />

erheblich zur Aufrüstung des Irak o<strong>der</strong><br />

Libyens beigetragen. E<strong>in</strong> vollständiges<br />

Rüstungsexportverbot ist daher politisch<br />

geboten und dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich. E<strong>in</strong>e<br />

erste Sofortmaûnahme muû diesbezüglich<br />

das Verbot <strong>der</strong> Waffenexporte <strong>in</strong> alle<br />

Nicht-NATO-Staaten und die Türkei se<strong>in</strong>.<br />

Für ¹dual-useª Güter muû e<strong>in</strong>e strikte<br />

Endverbleibskontrolle e<strong>in</strong>geführt werden.<br />

Die Genehmigung <strong>in</strong>ternationaler Kooperationsmaûnahmen<br />

s<strong>in</strong>d ebenfalls an <strong>der</strong><br />

Garantie e<strong>in</strong>er solchen Kontrolle zu messen.<br />

III. Betriebliche Ansatzpunkte<br />

Rüstungsbetriebe haben e<strong>in</strong>e betriebliche<br />

¹Rüstungskulturª entwickelt, die Konversionsbemühungen<br />

hemmt. Es bestehen<br />

stabile Beziehungen zu dem Kunden Bundeswehr<br />

bzw. dem Bundesamt für Wehrtechnik<br />

und Beschaffung (BWB), jedoch<br />

ke<strong>in</strong> Kontakt zum zivilen Markt. Das<br />

Kostenbewuûtse<strong>in</strong> ist an<strong>der</strong>s als bei zivilen<br />

Betrieben nicht ausgeprägt, es gibt wenig<br />

Konkurrenz, Entwicklungszeiten s<strong>in</strong>d lang,<br />

ebenso die Zeit e<strong>in</strong>er Serienfertigung nach<br />

Vergabe e<strong>in</strong>es Auftrages. Auffällig ist die<br />

extrem aufwendige Güteprüfung, ebenso<br />

wie stark spezialisierte Abteilungen mit<br />

sehr formalisierten Arbeitsabläufen. Die<br />

überdurchschnittlichen Gew<strong>in</strong>ne und <strong>der</strong><br />

hohe technische Standard <strong>der</strong> Militärprodukte<br />

erzeugen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung des eigenen<br />

Betriebes als technologisches Spitzenunternehmen.<br />

Diese Struktur hat sich auch<br />

bei den MitarbeiterInnen festgesetzt; hier<br />

ist e<strong>in</strong>e schnelle Umstellung sehr schwierig,<br />

die notwendige ¹Konversion <strong>in</strong> den Köpfenª<br />

oft unmöglich. Konversionsbetriebe<br />

haben deshalb wesentliche Teile <strong>der</strong> mittleren<br />

Führungsebene wegen Unfähigkeit<br />

zum Umdenken entlassen müssen.<br />

Auf jeden Fall ist die Herstellung e<strong>in</strong>zelbetrieblicher<br />

Wettbewerbsfähigkeit auf zivilen<br />

Märkten entscheidende Voraussetzung für<br />

die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen für<br />

die wegfallenden Rüstungsarbeitsplätze <strong>in</strong><br />

den Unternehmen. Dabei kann das Unternehmen<br />

entwe<strong>der</strong> Produkte, die an<strong>der</strong>e<br />

auch anbieten, qualitativ hochwertiger und/<br />

o<strong>der</strong> preisgünstiger anbieten bzw. sich<br />

durch neue Produkte e<strong>in</strong>en Vorteil sichern.<br />

Die Möglichkeiten s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />

begrenzt.<br />

Bei Konversionsbestrebungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

typischen Rüstungsbetrieb s<strong>in</strong>d daher vier<br />

Punkte zu beachten:<br />

1. Produkt<strong>in</strong>novation und Diversifizierung<br />

2. Prozeû<strong>in</strong>novation und neue Arbeitsorganisationsformen<br />

37


3. Aufbau neuer Zuliefer- und Abnehmerbeziehungen<br />

4. Qualifizierung von Management und<br />

Beschäftigten<br />

Konversion braucht e<strong>in</strong> Standbe<strong>in</strong> im<br />

Betrieb, um von <strong>der</strong> Belegschaft ernstgenommen<br />

zu werden. Entsprechende<br />

Arbeitskreise sollten unbed<strong>in</strong>gt Unterstützung<br />

bei den Gewerkschaften suchen. Sie<br />

benötigt und aktiviert die Intelligenz <strong>der</strong><br />

Beschäftigten. Deshalb sollten <strong>der</strong>en Ideen<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

Ohne verän<strong>der</strong>te Betriebsstrukturen ist<br />

Konversion nicht erfolgreich durchzuführen.<br />

Ziel ist daher vor allem auch die Mitbestimmung<br />

am Arbeitsplatz und <strong>der</strong><br />

Abbau von Hierarchien. E<strong>in</strong>e erweiterte<br />

Mitbestimmung <strong>in</strong> Konversionsunternehmen<br />

ist daher gesetzlich zu normieren.<br />

IV. Regionalpolitische Konversionsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

Für e<strong>in</strong>zelne Rüstungsunternehmen kann<br />

es ke<strong>in</strong>e Besitzstandsgarantie geben. Daher<br />

ist während des Umstellungsprozesses<br />

ebenfalls auf regionalpolitische Akteure zu<br />

rekurrieren. E<strong>in</strong>erseits obliegt ihnen die<br />

Aufgabe, e<strong>in</strong> konversionsfreundliches<br />

Klima zu erzeugen, so lange <strong>der</strong> Betrieb<br />

noch so profitabel ist, daû ihm Umstellungsmöglichkeiten<br />

gegeben s<strong>in</strong>d. Dabei ist<br />

beson<strong>der</strong>s Wert auf die Vermittlung zwischen<br />

Unternehmensverantwortlichen und<br />

den Ansprüchen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teressierten<br />

Öffentlichkeit zu legen. Am besten wird<br />

den Interessen aller durch die E<strong>in</strong>richtung<br />

sogenannter Konversionsgesprächsrunden<br />

Rechnung getragen. An dieser Stelle wäre<br />

jedoch e<strong>in</strong> konkreter staatlicher E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong><br />

Bezug auf e<strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region<br />

verfehlt. Dieser ist für die gesamt- und<br />

regionalwirtschaftliche Anpassung und<br />

nicht für die Entwicklung e<strong>in</strong>es Unternehmens<br />

verantwortlich.<br />

An<strong>der</strong>erseits bedarf es dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>er Stärkung<br />

<strong>der</strong> regionalwirtschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong>sgesamt, um regionale Krisen zu<br />

vermeiden bzw. aufzufangen, wenn es nicht<br />

gel<strong>in</strong>gt, rüstungsorientierte Unternehmen<br />

38<br />

von <strong>der</strong> notwendigen Anpassung zu überzeugen<br />

und diese mit Arbeitsplatzabbau<br />

reagieren. Die Möglichkeiten zur Stärkung<br />

regionaler Strukturen s<strong>in</strong>d mannigfaltig.<br />

Sie können <strong>in</strong> <strong>der</strong> Identifikation neuer<br />

Märkte im In- und Ausland, im Auf- und<br />

Ausbau entsprechen<strong>der</strong> Infrastrukturen<br />

sowie <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Kooperationsund<br />

Verbundstrukturen zwischen wehrtechnischen<br />

Unternehmen, zivilorientierten<br />

Betrieben und Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />

liegen. Daneben ist die Qualifikation <strong>der</strong><br />

Beschäftigten gefragt, aber auch die<br />

betriebliche För<strong>der</strong>ung von Investitionen,<br />

<strong>in</strong>novativen Produkten, Unternehmensgründungen<br />

(Risikokapital-Bereitstellung,<br />

Zuschüsse, Bürgschaften o<strong>der</strong> sonstige<br />

Beteiligungen). E<strong>in</strong>e Steuerung über<br />

öffentliche Nachfrage ist dagegen nur <strong>in</strong><br />

ger<strong>in</strong>gem Umfang möglich aufgrund <strong>der</strong><br />

Pflicht, ab bestimmten Auftragssummen<br />

EU-weit auszuschreiben. Gleichzeitig<br />

besteht dafür jedoch die Möglichkeit, auf<br />

Mittel aus dem entsprechenden EU-Programm<br />

KONVER zurückzugreifen, wie<br />

dies das Land Bremen seit e<strong>in</strong>iger Zeit<br />

erfolgreich ausführt.<br />

V. Neue Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungs- und<br />

Entwicklungspolitik<br />

Die Forschungs- und Technologieanstrengungen<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik konzentrieren<br />

sich immer <strong>in</strong> wenigen, gesellschaftlich<br />

zweifelhafte o<strong>der</strong> überflüssige Groûprojekte<br />

(Kern- und Fusionsenergie, Weltraumforschung,<br />

Militärforschung). Da es gerade<br />

e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> entscheidenden Aufgaben <strong>der</strong> Forschungspolitik<br />

ist, zukunftsorientierte Technologien<br />

und Arbeitsweisen zu entwickeln,<br />

muû hier e<strong>in</strong>e radikale Umorientierung<br />

erfolgen. Konversionsforschung und die<br />

Erforschung von Zukunftstechnologien hat<br />

<strong>in</strong> des Zentrum <strong>der</strong> FuE-Politik zu rücken.<br />

Zudem muû für den Bereich <strong>der</strong> öffentlichen<br />

FuE-Politik göûtmöglichste Transparenz<br />

hergestellt werden. Die Praxis des Verteidigungsm<strong>in</strong>isteriums,<br />

umstrittene und<br />

fragwürdige Projekte unter dem Schutz <strong>der</strong><br />

Geheimhaltung vorzubereiten, ist durch<br />

parlamentarische Kontrolle aufzubrechen.<br />

Dazu ist e<strong>in</strong>e Offenlegung <strong>der</strong> entsprechen-


den Haushalte vonnöten. Auch <strong>der</strong> Bereich<br />

<strong>der</strong> nichtmilitärischen Forschungs- und<br />

Entwicklungspolitik muû wegen <strong>der</strong> Gefahr<br />

des ¹dual-useª stärker öffentlichem E<strong>in</strong>fluû<br />

unterliegen.<br />

Gerade über die F.- und E.-Politik werden<br />

maûgeblich zukünftige Projekte <strong>der</strong> militärischen<br />

Planung bee<strong>in</strong>fluût. Erst wird<br />

geforscht, dann die dazu passende Verwertbarkeit<br />

konstruiert und damit die tatsächliche<br />

Notwendigkeit und Beschaffung<br />

begründet. Dieser zynische und vollkommen<br />

unökonomische Verlauf kann ebenfalls<br />

nur durchbrochen werden, <strong>in</strong>dem durch<br />

den politischen Willen zur Konversion<br />

Rüstungsbestrebungen abgelöst werden.<br />

VI. Bundespolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

Seit Jahren gibt es ke<strong>in</strong> spezielles Bundeskonversionsprogramm.<br />

Die von den durch<br />

die Krise <strong>der</strong> Rüstungs<strong>in</strong>dustrie beson<strong>der</strong>s<br />

betroffenen Län<strong>der</strong>n ausgehandelte Erhöhung<br />

des Län<strong>der</strong>anteils an <strong>der</strong> Umsatzsteuer<br />

um 2 Prozentpunkte von 35 % auf<br />

37 %, wobei 1 Prozentpunkt <strong>der</strong> Flankierung<br />

<strong>der</strong> Abrüstungsfolgen dienen soll,<br />

reicht nicht aus, e<strong>in</strong>e fehlende <strong>in</strong>dustriepolitische<br />

Initiative <strong>der</strong> Bundesregierung zu<br />

ersetzen. Diese trägt die Verantwortung,<br />

langfristig Planungen sicherzustellen und<br />

e<strong>in</strong>en politischen Rahmen für Konversion<br />

zu garantieren. Die Bundesregierung hat<br />

aus diesem Grund e<strong>in</strong>e Bundesanstalt Konversion<br />

(BAK) e<strong>in</strong>zurichten, die dem Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />

für Wirtschaft zugeordnet<br />

ist. Die BAK hat die Aufgabe, frühzeitig<br />

Planungen für Rüstungsunternehmen, militärische<br />

Liegenschaften und Standorte zu<br />

erstellen, bevor diese stillgelegt werden.<br />

Dazu ist die enge Zusammenarbeit mit den<br />

betroffenen Regionen und Beschäftigten zu<br />

suchen. Wesentliche Ziele s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Aufbau<br />

zukunftsorientierter Produktion und <strong>der</strong><br />

Erhalt bzw. Ausbau vorhandener Beschäftigung.<br />

Konversion muû sich als aktive<br />

Struktur- und Beschäftigungspolitik verstehen.<br />

Ferner s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> BAK entsprechende<br />

Haushaltsmittel zuzubilligen, um Konversionsforschung<br />

f<strong>in</strong>anziell und politisch zu<br />

unterstützen. E<strong>in</strong> Fonds für die F<strong>in</strong>anzierung<br />

wissenschaftlicher Begleitung e<strong>in</strong>zel-<br />

ner Konversionsprojekte ist ebenfalls bei<br />

<strong>der</strong> BAK anzusiedeln.<br />

Zudem s<strong>in</strong>d weitere wichtige Signale von<br />

seiten <strong>der</strong> Bundesregierung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Nach auûen hieûe das <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Abrüstung,<br />

nach <strong>in</strong>nen drastische Verkle<strong>in</strong>erung<br />

<strong>der</strong> Bundeswehr und Umbau im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

defensiven Verteidigung. Dennoch werden<br />

augenblicklich nur aufgrund des f<strong>in</strong>anziellen<br />

Defizits kurzfristig Waffenprogramme<br />

gestreckt, ansonsten jedoch die alten Fehler<br />

perpetuiert. Überzogene Vorstellungen des<br />

BMVg verteidigen Waffenprogramme, die<br />

unnötig und von <strong>der</strong> Öffentlichkeit kaum<br />

tragbar s<strong>in</strong>d, zudem unf<strong>in</strong>anzierbar wie <strong>der</strong><br />

Eurofighter 2000, bei dem das M<strong>in</strong>isterium<br />

noch immer um 10 % überplanen darf.<br />

Diese Botschaft hemmt den Umbau<br />

rüstungsorientierter Kapazitäten.<br />

VII. Fazit<br />

Angesichts <strong>der</strong> neu anstehenden Nach- und<br />

Aufrüstung <strong>der</strong> Bundeswehr mit unter<br />

an<strong>der</strong>em Groûraumtransportern o<strong>der</strong> auch<br />

den sogenannten <strong>in</strong>telligenten M<strong>in</strong>en, um<br />

wie<strong>der</strong> deutsche Interessen <strong>in</strong> aller Welt<br />

effektiv vertreten zu können, ist die Frage<br />

nach Konversion und damit deutlicher<br />

Abkehr von militärischem Gröûenwahn<br />

akut wie selten. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

ist daher aufgefor<strong>der</strong>t, diesem Prozeû<br />

entschieden entgegenzutreten und die oben<br />

genannten Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e sowohl<br />

friedens- als auch <strong>in</strong>dustriepolitisch s<strong>in</strong>nvolle<br />

Abrüstung <strong>der</strong> Rüstungs<strong>in</strong>dustrie zu<br />

unterstützen und <strong>der</strong>en Umsetzung e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n.<br />

(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />

39


Antrag A 15<br />

Unterbezirk Köln<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

Für mehr Gerechtigkeit bei<br />

Zivilund Wehrdienst<br />

Die Wehrpflicht ist e<strong>in</strong>e zeitweilige<br />

Beschneidung <strong>der</strong> Grundrechte und e<strong>in</strong><br />

erheblicher E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Lebensplanung<br />

junger Menschen. Sie muû daher nicht nur<br />

immer wie<strong>der</strong> demokratisch legitimiert<br />

werden, son<strong>der</strong>n auch so attraktiv wie<br />

möglich gestaltet werden. Unnötige Härten<br />

s<strong>in</strong>d zu vermeiden.<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich deshalb dafür e<strong>in</strong>:<br />

± daû <strong>der</strong> E<strong>in</strong>berufungsterm<strong>in</strong> stärker als<br />

bisher nach den <strong>in</strong>dividuellen Lebensplanungen<br />

ausgerichtet wird. Dazu gehört<br />

e<strong>in</strong>e Integration <strong>in</strong> die Schul-, Ausbildungs-<br />

und Studienzeiten.<br />

± daû <strong>der</strong> Dienstleistende so wohnungsnah<br />

wie möglich zum E<strong>in</strong>satz kommt.<br />

± Wehrsold soll sich orientieren an <strong>der</strong><br />

durchschnittlichen Vergütung e<strong>in</strong>es Auszubildenden.<br />

± daû im Interesse e<strong>in</strong>er ¹lebenslangen<br />

Ausbildungª den Dienstleistenden Fortund<br />

Weiterbildungsangebote bereitgestellt<br />

werden.<br />

± daû die Höhe <strong>der</strong> Abf<strong>in</strong>dung den Kosten<br />

zur Suche nach e<strong>in</strong>er angemessenen<br />

Beschäftigung besser Rechnung trägt.<br />

Für die Berufs- und Zeitsoldaten wollen<br />

wir:<br />

± E<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong> den Unteroffiziersrängen.<br />

± E<strong>in</strong>e Durchlässigkeit zwischen Unteroffiziers-<br />

und Offizierslaufbahn.<br />

± E<strong>in</strong>e Trennung von Versetzung und<br />

Beför<strong>der</strong>ung.<br />

± E<strong>in</strong>e Verlängerung <strong>der</strong> Verweildauer an<br />

e<strong>in</strong>em Stationierungsort.<br />

± För<strong>der</strong>ung von Freizeitbeschäftigung<br />

auûerhalb <strong>der</strong> Kaserne.<br />

40<br />

± E<strong>in</strong>en ständigen Personalaustausch zwischen<br />

Krisenreaktionskräften und Heimatverteidigungskräften.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag A 16<br />

Kreisverband Karlsruhe-Stadt<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Zivildienst<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t, daû Zivildienstleistende<br />

ihren Ersatzdienst zukünftig zeitflexibel<br />

gestalten können. Dieser soll nicht mehr<br />

zwangsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em starren 13-Monate-<br />

Block erfolgen, son<strong>der</strong>n es muû dem ZDL<br />

möglich se<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>en Dienst nach Absprache<br />

mit den Trägern <strong>in</strong> mehreren<br />

Abschnitten abzuleisten.<br />

Weiterh<strong>in</strong> sollen regelmäûige unbezahlte<br />

Tätigkeiten, die <strong>in</strong> ihrem Wesensgehalt<br />

dem Ersatzdienst nach § 12a entsprechen,<br />

dem ZDL auf die Dauer se<strong>in</strong>es Ersatzdienstes<br />

angerechnet werden.<br />

Die Gesamtdauer von <strong>der</strong>zeit 13 Monaten<br />

bleibt davon unberührt.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag A 17<br />

Landesverband Baden-Württemberg<br />

Landm<strong>in</strong>en<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

im Deutschen Bundestag e<strong>in</strong>en<br />

Antrag e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, die Produktion und<br />

den Vertrieb von Landm<strong>in</strong>en zu untersagen.<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

im Deutschen Bundestag e<strong>in</strong>en<br />

Antrag zu stellen, die für die Entwicklung<br />

von M<strong>in</strong>en und M<strong>in</strong>enwerfgeräten bereitgestellten<br />

Gel<strong>der</strong> (354 Millionen DM im<br />

Jahre 1994) umzuwidmen zugunsten <strong>der</strong>


Rehabilitation und Entschädigung von<br />

M<strong>in</strong>enopfern und <strong>der</strong> Unterstützung e<strong>in</strong>es<br />

UNO-Fonds zur M<strong>in</strong>enräumung.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag: A 18<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Landm<strong>in</strong>en<br />

Die <strong>SPD</strong> lehnt die Produktion, die<br />

Beschaffung und den Export von Antipersonen-M<strong>in</strong>en<br />

ab. Sie unterstützt den<br />

Ottawa-Prozeû, <strong>der</strong> darauf abzielt, e<strong>in</strong><br />

umfassendes Verbot des E<strong>in</strong>satzes, <strong>der</strong> Entwicklung,<br />

<strong>der</strong> Produktion, <strong>der</strong> Lagerung<br />

und des Transfers von Antipersonen-M<strong>in</strong>en<br />

zu erreichen. Die <strong>SPD</strong> begrüût die Tatsache,<br />

daû bereits mehr als 100 Nationen an<br />

diesem Prozeû teilnehmen und for<strong>der</strong>t diejenigen<br />

Staaten auf, die bislang nicht teilnehmen,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e solche aktiven<br />

M<strong>in</strong>enproduzenten wie Ch<strong>in</strong>a, Ruûland,<br />

die USA, Indien und Pakistan, sich dem<br />

Ottawa-Prozeû anzuschlieûen und se<strong>in</strong>e<br />

Verpflichtungen zu erfüllen.<br />

Im weiteren Verlauf <strong>der</strong> Verhandlungen<br />

über das Verbot von Landm<strong>in</strong>en müssen<br />

auch an<strong>der</strong>e Typen von M<strong>in</strong>en, die ebenfalls<br />

Individuen gefährden, Teil e<strong>in</strong>er<br />

M<strong>in</strong>en-Konvention werden.<br />

Die <strong>SPD</strong> ruft die Bundesregierung und die<br />

<strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft auf, Wissen,<br />

Ausrüstung und f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen für<br />

das Aufspüren und die Zerstörung von<br />

Antipersonen-M<strong>in</strong>en, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den<br />

schwach entwickelten Län<strong>der</strong>n, die am<br />

meisten unter diesen Waffen leiden, bereitzustellen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag: A 19<br />

Parteivorstand<br />

Globalisierung und<br />

nachhaltige Entwicklung<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

I. Wir wollen die globale Zukunftsfähigkeit<br />

sichern<br />

II. Bedeutungswandel <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

III. E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Regierungsmanagement<br />

ist für die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit<br />

erfor<strong>der</strong>lich<br />

IV. Die Entwicklungspolitik muû reformiert<br />

werden<br />

1. Die Wirkung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

ist zu steigern<br />

2. Schaffung e<strong>in</strong>es Bundesm<strong>in</strong>isteri-<br />

V.<br />

ums für nachhaltige Entwicklung<br />

3. Die Querschnittsaufgabe <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

sichern<br />

4. Entwicklungspolitik auf e<strong>in</strong>e gesetzliche<br />

Grundlage stellen<br />

5. Die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

ist zu stärken<br />

Wir brauchen neue Handlungsfähigkeiten<br />

...<br />

1. auf globaler Ebene<br />

2. mit <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

3. auf <strong>der</strong> nationalen Ebene, <strong>in</strong> den<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

Ebene<br />

und auf lokaler<br />

I. Wir wollen die globale Zukunftsfähigkeit<br />

sichern<br />

Politik kann heute noch weniger als <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Vergangenheit nur <strong>in</strong> nationalen Kategorien<br />

denken. Während Wirtschafts- und<br />

Handelsunternehmen sowie die F<strong>in</strong>anzmärkte<br />

sich <strong>der</strong> Globalisierung nicht nur<br />

anpassen, son<strong>der</strong>n sich auch entsprechend<br />

organisieren, tut sich die Bundesregierung<br />

schwer <strong>in</strong> ihren politischen Antworten auf<br />

die Globalisierung. Die Politik muû die <strong>in</strong><br />

den Globalisierungsprozessen liegenden<br />

41


Chancen vielmehr nutzen und die wirtschaftlichen,<br />

sozialen und ökologischen<br />

Entwicklungsprozesse ordnungspolitisch<br />

für alle Beteiligten <strong>in</strong> die richtigen Bahnen<br />

lenken. Deshalb gilt es <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e, die<br />

Weltmärkte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch unsere<br />

eigenen Märkte, für Entwicklungslän<strong>der</strong> zu<br />

öffnen.<br />

Wir wollen die Globalisierung im Interesse<br />

<strong>der</strong> Menschen mitgestalten und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

daû <strong>der</strong> Sozialstaat demontiert, <strong>der</strong><br />

Umweltschutz kle<strong>in</strong>geschrieben und Armut<br />

und Hunger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt vergessen werden.<br />

Die Menschen <strong>in</strong> den Industriestaaten<br />

erkennen immer mehr, daû sie für die Probleme<br />

<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>bar entfernten Regionen<br />

ebenso mit verantwortlich wie von den<br />

Folgen betroffen s<strong>in</strong>d.<br />

Die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Globalisierungsprozesse<br />

und wirtschaftliche Wachstumserfolge<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Teilen <strong>der</strong> Welt bedeuten nicht<br />

automatisch, daû es den Menschen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Teilen <strong>der</strong> Welt ebenfalls besser geht.<br />

Auch wenn sich die Direkt<strong>in</strong>vestitionen auf<br />

e<strong>in</strong>en Rekordwert erhöht haben, flieûen<br />

diese <strong>in</strong> nur wenige Entwicklungslän<strong>der</strong>, so<br />

daû die ¾rmsten und auch die ärmeren<br />

Län<strong>der</strong> bisher viel zu wenig von <strong>in</strong>vestiertem<br />

Kapital profitieren. Noch immer<br />

wirken F<strong>in</strong>anz-, Wirtschafts- und Handels<strong>in</strong>teressen<br />

negativ auf notwendige Entwicklungsprozesse<br />

e<strong>in</strong>. Deshalb s<strong>in</strong>d die Beiträge<br />

<strong>der</strong> Entwicklungspolitik <strong>in</strong> den<br />

Bereichen <strong>der</strong> Wirtschafts-, Handels- und<br />

Umweltpolitik deutlich zu stärken. Dabei<br />

müssen wirtschafts- und f<strong>in</strong>anzpolitische<br />

Mechanismen sicherstellen, daû Produktivitätssteigerungen<br />

allen Bevölkerungsschichten<br />

zugute kommen.<br />

Damit die wohlstandsmehrenden Effekte<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Globalisierung nicht<br />

nur wenigen Privilegierten zugute kommen,<br />

bedarf es e<strong>in</strong>er aktiven Gestaltung<br />

durch die Politik, die ihre Aufgabe dar<strong>in</strong><br />

sehen muû, zur Entwicklung e<strong>in</strong>er funktionsfähigen<br />

sozialen und ökologischen<br />

Welt-Marktwirtschaft beizutragen. Entwicklungspolitik<br />

unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>der</strong> Globalisierung ist und bleibt somit e<strong>in</strong><br />

wichtiger Politikbereich, um zu e<strong>in</strong>er men-<br />

42<br />

schenwürdigen, nachhaltigen und zukunftsfähigen<br />

Entwicklung zu gelangen. Die entwicklungspolitische<br />

Kernfrage lautet: Wie<br />

können die Industrielän<strong>der</strong> dazu beitragen,<br />

um Entwicklungslän<strong>der</strong> so zu unterstützen,<br />

daû sie ihre Entwicklungschancen besser<br />

nutzen, und <strong>in</strong> diesem Prozeû <strong>der</strong> Globalisierung<br />

nicht ausgegrenzt zu werden. Die<br />

Hauptaufgaben <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

liegen dar<strong>in</strong>, auf nationaler und <strong>in</strong>ternationaler<br />

Ebene die politischen, wirtschaftlichen,<br />

sozialen und ökologischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n zu<br />

verbessern, Armut und Hunger zu überw<strong>in</strong>den,<br />

den Umweltschutz zu <strong>in</strong>tensivieren,<br />

zu Krisenvorbeugungen beizutragen<br />

und den Dialog zwischen den Kulturen im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Bildung von Lerngeme<strong>in</strong>schaften<br />

zu för<strong>der</strong>n.<br />

II. Bedeutungswandel <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

Entwicklungspolitik steht vor e<strong>in</strong>er grundsätzlichen<br />

Wende. Stand <strong>in</strong> den 60er Jahren<br />

noch das Pr<strong>in</strong>zip ¹Barmherzigkeitª im<br />

Mittelpunkt <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

± man nannte sie damals richtigerweise<br />

¹Entwicklungshilfeª ± wurden <strong>in</strong> den 70er<br />

Jahren mit dem Begriff ¹Gerechtigkeitª<br />

bereits Ansätze für geme<strong>in</strong>same Verantwortung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>en Welt deutlich. Jetzt,<br />

Ende <strong>der</strong> 90er Jahre am Ausgang des 20<br />

Jahrhun<strong>der</strong>ts, wird vielen Menschen immer<br />

deutlicher, daû effiziente Entwicklungszusammenarbeit<br />

etwas mit dem Überleben<br />

unserer eigenen Gesellschaft ± unserer<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und K<strong>in</strong>desk<strong>in</strong><strong>der</strong> ± zu tun hat.<br />

Viele von uns wissen, daû die Industrielän<strong>der</strong><br />

mit ihren knapp 20 % <strong>der</strong> Weltbevölkerung<br />

für 75 % <strong>der</strong> schädlichen Emissionen<br />

und für e<strong>in</strong>en verschwen<strong>der</strong>ischen<br />

Umgang mit Energie verantwortlich s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong> Deutscher verbraucht soviel Energie<br />

wie 12 Afrikaner. Die weitere systematische<br />

Ausbeutung <strong>der</strong> Naturschätze (<strong>in</strong> nur<br />

40 Jahren s<strong>in</strong>d 50 % des gesamten Urwaldes<br />

abgeholzt worden; e<strong>in</strong>e für uns selbstverständliche<br />

Mobilität mit e<strong>in</strong>em Auto pro<br />

E<strong>in</strong>wohner würde weltweit zu e<strong>in</strong>er Verzehnfachung<br />

des Automobilbedarfes führen)<br />

wird zu irreparablen Klimaschäden


führen. Das Modell Europa, und auch <strong>der</strong><br />

¹American way of lifeª taugen nicht als<br />

Vorbild für 80 % <strong>der</strong> Weltbevölkerung im<br />

Süden und Osten. Und doch wissen wir<br />

alle, daû diese 80 % sich nichts sehnlicher<br />

wünschen als e<strong>in</strong>en europäischen/amerikanischen<br />

Lebensstandard. Der Anteil <strong>der</strong><br />

Menschen im Süden wird bei den bisherigen<br />

Prognosen zum Bevölkerungswachstum<br />

<strong>in</strong> nur 30 Jahren um m<strong>in</strong>destens 1 Milliarde<br />

anwachsen. E<strong>in</strong>er Milliarde Menschen im<br />

noch wohlbehüteten Norden werden dann<br />

7 Milliarden Menschen im Süden/Osten<br />

gegenüberstehen und ihre Rechte e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n.<br />

Die <strong>der</strong>zeitigen Migrationsströme<br />

werden dann retrospektiv nur e<strong>in</strong> Lüftchen<br />

gewesen se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e ¹Festung Europaª wird<br />

aber vorhersehbar nicht funktionieren und<br />

zum Scheitern verurteilt se<strong>in</strong>.<br />

Mehr als e<strong>in</strong>e Milliarde Menschen leben<br />

<strong>der</strong>zeit unterhalb <strong>der</strong> Armutsgrenze. Der<br />

Teufelskreis zwischen Armut, Umweltzerstörung<br />

und Bevölkerungswachstum muû<br />

<strong>in</strong> absehbarer Zeit beendet werden, nicht<br />

zuletzt auch um die politische Stabilität <strong>in</strong><br />

Deutschland und Europa und an<strong>der</strong>en<br />

Industrielän<strong>der</strong>n zu gewährleisten.<br />

Die Weltkonferenzen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />

haben deutlich gemacht, daû es e<strong>in</strong><br />

groteskes Miûverhältnis gibt zwischen den<br />

globalen Risikoentwicklungen wie Umweltzerstörungen,<br />

Klimaverän<strong>der</strong>ung, Bevölkerungsdruck,<br />

Hunger und Armut, Flüchtl<strong>in</strong>gsbewegungen<br />

sowie Bürgerkriegen und<br />

ethnischen Konflikten auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite<br />

und den konkreten politischen Lösungsmöglichkeiten<br />

durch die nationalen Regierungen<br />

und <strong>in</strong>ternationalen Organisationen<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.<br />

Mehr und mehr privates Kapital flieût <strong>in</strong><br />

die Entwicklungslän<strong>der</strong>, wovon aber 80 %<br />

<strong>in</strong> nicht mehr als 12 Staaten, den sogenannten<br />

Schwellenlän<strong>der</strong>, gehen. Weltweit<br />

stagniert die öffentliche Entwicklungshilfe<br />

bei jährlich 60 Milliarden US-Dollar. Den<br />

Gesamtleistungen an Entwicklungslän<strong>der</strong><br />

(öffentlich und privat) <strong>in</strong> Höhe von 240<br />

Milliarden US-Dollar (1995) stehen alle<strong>in</strong><br />

jährlich Z<strong>in</strong>s- und Tilgungsrückflüûe von<br />

195 Milliarden US-Dollar gegenüber.<br />

Aus vielerlei Gründen ist Entwicklungspolitik<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten nicht so<br />

erfolgreich gewesen, wie es wünschenswert<br />

und notwendig gewesen wäre. Entwicklungspolitik<br />

hat bitter lernen müssen,<br />

bescheidener zu werden. Wie <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

europäischen nationalen Gesellschaften ist<br />

auch im Weltmaûstab die Kluft zwischen<br />

Armen und Reichen immer tiefer geworden.<br />

Analysiert man die Ursachen für manche<br />

Miûerfolge ± ihre Erfolge werden lei<strong>der</strong><br />

häufig übersehen ± dann fällt auf, daû<br />

es neben dem unbestrittenen Versagen <strong>der</strong><br />

Staatseliten im Süden sehr handfeste Ursachen<br />

gibt, die ausschlieûlich die Industrielän<strong>der</strong><br />

zu verantworten haben. Da s<strong>in</strong>d<br />

zuerst die nach wie vor grassierenden<br />

Rüstungsexporte (<strong>in</strong>kl. aktiver Militärberatung)<br />

durch die Industrielän<strong>der</strong>, da s<strong>in</strong>d die<br />

e<strong>in</strong>seitigen, ungerechten Benachteiligungen<br />

<strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong><br />

Welthandelsorganisation WTO und die<br />

Lieferung von europäischen Überfluûnahrungsmitteln<br />

<strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> zu<br />

Dump<strong>in</strong>gpreisen zu nennen. Man müûte<br />

die Aufwendungen für Entwicklungszusammenarbeit<br />

(ODA) weltweit mehr als verzehnfachen,<br />

um auch nur ansatzweise diese<br />

unerwünschten Nebenwirkungen aus an<strong>der</strong>en<br />

Politikbereichen zu egalisieren. Die<br />

Konsequenzen dieses Fehlverhaltens s<strong>in</strong>d<br />

überdeutlich.<br />

Wir stehen vor <strong>der</strong> schwierigen Aufgabe,<br />

unseren Mitbürger<strong>in</strong>nen bewuût zu<br />

machen, daû die <strong>der</strong>zeitigen Lebens- und<br />

Konsumformen <strong>in</strong> den Industrielän<strong>der</strong>n<br />

mit globaler Verantwortung im S<strong>in</strong>ne von<br />

¹Zukunftsfähigkeitª nicht vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d.<br />

Deutschland kann und sollte e<strong>in</strong>e politische<br />

Vorbildfunktion übernehmen. Im S<strong>in</strong>ne<br />

dieser globalen Verantwortung müssen wir<br />

uns ± gerade auch die <strong>SPD</strong> mit ihrem<br />

historisch gut begründeten Anspruch auf<br />

Internationalität ± den Beschlüssen <strong>der</strong><br />

Umwelt- und Entwicklungskonferenz von<br />

Rio de Janeiro 1992 stellen. Wir müssen<br />

Abschied nehmen von <strong>der</strong> so angenehmen<br />

Vorstellung <strong>der</strong> Überlegenheit europäischer<br />

Kultur und bereit se<strong>in</strong>, zu e<strong>in</strong>em<br />

Dialog mit den Partnern im Süden/Osten.<br />

In wirklichen Lerngeme<strong>in</strong>schaften können<br />

wir erfahren, daû es im Süden strategische<br />

43


Lösungsansätze gibt, die auch für uns von<br />

Relevanz se<strong>in</strong> können.<br />

So waren die afrikanischen Kulturen jahrhun<strong>der</strong>telang<br />

geprägt von e<strong>in</strong>em bewuûten/unbewuûten<br />

Leben im Gleichgewicht<br />

mit <strong>der</strong> Natur. Auch das viel belächelte<br />

Konsenspr<strong>in</strong>zip afrikanischer Kulturen<br />

bietet Lösungsansätze für die komplexen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen unserer Zivilisation.<br />

Auûerdem verfügen unsere zahlreichen<br />

Durchführungsorganisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

über jahrzehntelange<br />

Erfahrungen mit <strong>der</strong> Implementierung<br />

neuer Denkweisen und<br />

Instrumente. Das Kriterium ¹nachhaltige<br />

Entwicklungª spielt bei ihnen e<strong>in</strong>e<br />

wesentlich gröûere Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> täglichen<br />

Praxis als bei uns <strong>in</strong> Europa. Auch<br />

Methoden <strong>der</strong> Erfolgskontrolle und <strong>der</strong><br />

Evaluierung von Interventionen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

vielen deutschen Politikfel<strong>der</strong>n noch<br />

Fremdwörter ± im Gegensatz zur Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Dies alles<br />

macht e<strong>in</strong>e Neubewertung und -positionierung<br />

<strong>der</strong> Entwicklungspolitik <strong>in</strong> unserer<br />

Gesamtpolitik überfällig.<br />

III. E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Regierungsmanagement<br />

ist für die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit<br />

erfor<strong>der</strong>lich<br />

Wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Politikbereichen gibt es<br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegenwärtigen deutschen Entwicklungspolitik<br />

e<strong>in</strong>en Reformstau, <strong>der</strong> sich<br />

vornehmlich aus <strong>der</strong> Politikorganisation<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung ergibt: Das gegenwärtige<br />

Bundesm<strong>in</strong>isterium für wirtschaftliche<br />

Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)<br />

ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er politischen Bedeutung marg<strong>in</strong>al<br />

und erfüllt we<strong>der</strong> die Ansprüche an<br />

e<strong>in</strong>e leistungsfähige Entwicklungspolitik<br />

noch ist es relevanter Teil <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Politikgestaltung.<br />

Die gegenwärtige Bundesregierung ist<br />

falsch organisiert, um <strong>in</strong>ternationale Entwicklungsaufgaben<br />

effizient zu bewältigen.<br />

Nicht selten arbeiten das Auswärtige Amt<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e M<strong>in</strong>isterien gegen entwicklungspolitische<br />

Erfor<strong>der</strong>nisse. Zahllose<br />

Aufgaben mit entwicklungspolitischen biund<br />

multilateralen Bezügen im weiteren<br />

44<br />

S<strong>in</strong>ne werden <strong>in</strong> mehr als 30 Referaten von<br />

dreizehn (!) unterschiedlichen Bundesm<strong>in</strong>isterien<br />

(auûerhalb des BMZ) wahrgenommen.<br />

Diese organisatorische Überkomplizierung<br />

verursacht Reibungsverluste, die<br />

zusätzlich durch unzureichend mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

abgestimmte Arbeitsziele, durch fehlende<br />

politische Information und teilweise gegensätzliche<br />

Interessen verstärkt werden. Die<br />

häufig anzutreffenden Überschneidungen<br />

von Arbeitsgebieten haben zu Doppelarbeit<br />

und zu ressortegoistischem Denken<br />

geführt, das e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Position<br />

Deutschlands <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Fragen<br />

oftmals blockiert.<br />

¹Globale Zukunftssicherungª stellt e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />

zentralen Herausfor<strong>der</strong>ungen an künftiger<br />

Politikorganisation <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Ressorts dar. Nur durch e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes<br />

Regierungsmanagement ist es möglich, die<br />

erfor<strong>der</strong>liche Qualität politischen Handelns<br />

auch auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene zu sichern.<br />

Dazu ist e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes politisches Netzwerk-Management<br />

erfor<strong>der</strong>lich, das die<br />

enge Zusammenarbeit <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Politikbereiche garantiert und politische<br />

Kräfte mobilisiert, um das Ziel e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />

Entwicklungspolitik auch <strong>in</strong> den<br />

Fachressorts mitzugestalten.<br />

Deshalb ist hier e<strong>in</strong>e Reorganisation erfor<strong>der</strong>lich,<br />

die die Organisationsstrukturen<br />

strafft, Arbeitsaufgaben bündelt und die<br />

Arbeitseffizienz verbessert. E<strong>in</strong>e Konzentration<br />

sämtlicher entwicklungspolitischer<br />

Aufgaben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>isterium lieûen<br />

bürokratischen Leerlauf und isolierte Entscheidungsverfahren<br />

vermeiden. Mangelhafte<br />

Koord<strong>in</strong>ierung und ressortegoistische<br />

Interessen könnten so überwunden und das<br />

Instrument Entwicklungspolitik stärker <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e kohärente Auûenpolitik e<strong>in</strong>gebettet<br />

werden.<br />

IV. Die Entwicklungspolitik muû reformiert<br />

werden<br />

1. Die Wirkung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik ist<br />

zu steigern<br />

In <strong>der</strong> Vergangenheit krankte die Entwicklungspolitik,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e während des


Ost-West-Konflikts, auch an e<strong>in</strong>er Reihe<br />

von politischen Schwächen, die es künftig<br />

zu vermeiden gilt. Zu oft schuf sie e<strong>in</strong>e<br />

Kultur <strong>der</strong> Erwartung und Ansprüche statt<br />

e<strong>in</strong>er Kultur <strong>der</strong> Leistung und Belohnung.<br />

Sie ermutigte Regierungen <strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

zu Bettelei und Erpressung<br />

statt zur Bes<strong>in</strong>nung auf die eigenen Entwicklungspotentiale.<br />

Oftmals unterstützte<br />

sie die Fortführung e<strong>in</strong>er entwicklungsschädigenden<br />

Politik und verschleierte die<br />

Schädlichkeit von ¹Hilfeª vor <strong>der</strong> Bevölkerung;<br />

auch verlieh sie solchen Regierungen<br />

Respektabilität, die ihre eigene Bevölkerung<br />

ausbeuteten und an <strong>der</strong> Macht hielt.<br />

De facto bedeutete Entwicklungspolitik oft<br />

e<strong>in</strong>e Protektion für undemokratische,<br />

reformunfähige Entwicklungslän<strong>der</strong> und<br />

<strong>der</strong>en begüterte Oberschichten. Institutionelle<br />

Willkür und fehlende Rechtssicherheit<br />

unterliefen sowohl die Bemühungen<br />

<strong>der</strong> Auslandshilfe und <strong>der</strong>en wirksamen<br />

E<strong>in</strong>satz als auch die För<strong>der</strong>ung s<strong>in</strong>nvoller<br />

Eigenanstrengungen <strong>der</strong> Bevölkerung. Die<br />

das gesamte Netz <strong>der</strong> sozialen, wirtschaftlichen<br />

und politischen Beziehungen durchdr<strong>in</strong>gende<br />

Korruption stellte und stellt oft<br />

e<strong>in</strong> enormes Entwicklungsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nis dar.<br />

E<strong>in</strong> Problem, mit dem die Entwicklungspolitik<br />

seit langem zu kämpfen hat, ist das<br />

ihrer überschätzen Rolle bei <strong>der</strong> Überw<strong>in</strong>dung<br />

von ¹Unterentwicklungª. Wie alle<br />

historischen Prozesse ist Entwicklung e<strong>in</strong><br />

tiefgreifen<strong>der</strong>, langwieriger und komplexer<br />

Wandlungsprozeû, <strong>der</strong> wirtschaftliche,<br />

gesellschaftliche und politische Strukturen<br />

verän<strong>der</strong>t und dabei die Denk-, Verhaltensund<br />

Ausdrucksweisen <strong>der</strong> Menschen nicht<br />

unberührt läût. Erfolge durch Entwicklungszusammenarbeit<br />

werden sich deshalb<br />

auch nur selten rasch e<strong>in</strong>stellen. Entwicklung<br />

braucht Zeit. Entwicklungspolitik<br />

kann ± richtig e<strong>in</strong>gesetzt ± Notsituationen<br />

entschärfen und s<strong>in</strong>nvolle Beiträge und<br />

Impulse für die Entwicklung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Land leisten und <strong>in</strong>sofern Impulse mit Beispiel-<br />

und Modellcharakter liefern. In <strong>der</strong><br />

Vergangenheit ist sie jedoch zu oft durch<br />

ihre eigenen überzogenen Ansprüche <strong>in</strong><br />

ihren Möglichkeiten überbewertet worden.<br />

Alle<strong>in</strong> das F<strong>in</strong>anzvolumen (ca. DM 7,5 Mil-<br />

liarden <strong>in</strong> 1997 für ca. 60 Entwicklungslän<strong>der</strong>;<br />

zum Vergleich: Mehr als DM 100 Milliarden<br />

werden jährlich <strong>in</strong> die neuen<br />

Bundeslän<strong>der</strong> transferiert) macht deutlich,<br />

daû die Entwicklungspolitik <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong><br />

im gesamten Entwicklungsprozeû<br />

e<strong>in</strong>es Landes vielmehr nur Anstöûe und<br />

Anreize geben kann, um die Lage <strong>der</strong><br />

Menschen zu verbessern, o<strong>der</strong> als Katalysator<br />

für Problemlösungen dienen ± und<br />

zwar subsidiär zu den Eigenanstrengungen<br />

<strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n. Nicht mehr aber auch<br />

nicht weniger.<br />

Die Entwicklungswelt hat sich differenziert.<br />

Deshalb muû bei <strong>der</strong> Vergabe von<br />

F<strong>in</strong>anzmitteln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

künftig unterschieden werden<br />

zwischen Schwellenlän<strong>der</strong>n und ärmeren<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n. Schwellenlän<strong>der</strong>n<br />

sollen För<strong>der</strong>mittel <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für den<br />

Umwelt-, Energie- und Verkehrssektor,<br />

aber auch im Bereich <strong>der</strong> Demokratieför<strong>der</strong>ung<br />

erhalten, während die ärmeren Entwicklungslän<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> den Bereichen Bildung,<br />

Umweltschutz, Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung<br />

und <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Partizipation geför<strong>der</strong>t werden. Dabei ist<br />

die För<strong>der</strong>ung von Frauen zur Stärkung<br />

ihrer gesellschaftlichen Rolle beson<strong>der</strong>s zu<br />

berücksichtigen.<br />

Die Mittel für e<strong>in</strong>e qualitativ bessere Entwicklungszusammenarbeit<br />

müssen erhöht<br />

werden. Vorbeugende Friedenspolitik ist<br />

kostengünstiger als jedwede nachfolgende<br />

Schadensbeseitigung. Für die Entwicklungszusammenarbeit<br />

stehen seit den letzten<br />

Jahren immer weniger Mittel im Bundeshaushalt<br />

zur Verfügung. Während bei<br />

<strong>der</strong> sozialliberalen Koalition noch 0,48 %<br />

des BSP für Entwicklungszusammenarbeit<br />

aufgewendet wurden, ist dieser Anteil <strong>der</strong>zeit<br />

auf etwa 0,3 % des BSP abgesunken.<br />

Die staatlichen Leistungen <strong>der</strong> OECD-<br />

Län<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d seit Jahren kont<strong>in</strong>uierlich<br />

gesunken. Das wi<strong>der</strong>spricht den seit Jahrzehnten<br />

immer wie<strong>der</strong> angekündigten Verpflichtungen<br />

<strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong>, m<strong>in</strong>destens<br />

0,7 % des Bruttosozialprodukts für<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational abgestimmte und effizientere<br />

Zusammenarbeit mit den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

aufzuwenden. Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

45


partnerschaftlichen und damit glaubwürdigen<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Nord-Süd-Ost-Beziehungen<br />

und aufgrund wohlverstandener<br />

Eigen<strong>in</strong>teressen <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong> müssen<br />

die staatlichen Leistungen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

<strong>in</strong> den nächsten Jahren<br />

deutlich erhöht werden. Es muû ± trotz<br />

<strong>der</strong> angespannten Haushaltslage ± energischer<br />

politischer Wille <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

se<strong>in</strong>, geme<strong>in</strong>sam mit den Regierungen<br />

an<strong>der</strong>er Industrielän<strong>der</strong> die erfor<strong>der</strong>lichen<br />

Schritte unternehmen und zusätzlich neue<br />

Vorschläge erarbeiten, um globale Entwicklungsf<strong>in</strong>anzierungen<br />

zu ermöglichen<br />

(z.B. die Tob<strong>in</strong>-Steuer). Mittelfristiges<br />

Zwischenziel sollte se<strong>in</strong>, den Abwärtstrend<br />

<strong>der</strong> letzten Jahre zu stoppen, schrittweise<br />

umzukehren und wie<strong>der</strong> den Anteil von<br />

2,5 % des Jahres 1988 ± (<strong>der</strong>zeit: 1,7 %) ±<br />

am Gesamthaushalt zu erreichen. Um dieses<br />

Ziel zu erreichen, müssen die Verpflichtungsermächtigungen<br />

im Entwicklungshaushalt<br />

pro Jahr regelmäûig um<br />

m<strong>in</strong>destens 10±15 % angehoben werden.<br />

Die Durchführungsorganisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

müssen gestärkt<br />

und ihre Wirksamkeit erhöht werden. Charakteristisch<br />

für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit<br />

ist die pluralistische<br />

Durchführungsstruktur. Diese <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Vielfalt ist im Laufe <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte<br />

gewachsen. Sie ermöglicht e<strong>in</strong>e<br />

breite Verankerung <strong>der</strong> Entwicklungsarbeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft, e<strong>in</strong>en lebendigen<br />

entwicklungspolitischen Diskurs <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit und differenzierte Leistungsangebote<br />

an die Partner <strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />

Die Erfahrungen, die die<br />

Organisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten z. B.<br />

<strong>in</strong> den Bereichen <strong>der</strong> Armutsbekämpfung,<br />

im Umweltschutz o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />

von Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

gemacht haben, können und müssen<br />

künftig viel stärker auch für die eigenen<br />

gesellschaftlichen Probleme <strong>in</strong> Deutschland<br />

genutzt werden.<br />

Dennoch s<strong>in</strong>d Überlegungen erfor<strong>der</strong>lich,<br />

die politische Gestaltung und Durchführung<br />

<strong>der</strong> EZ zu optimieren. Dazu gehört<br />

neben <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> entwicklungs-<br />

46<br />

politischen Führungsfunktion des BMZ<br />

auch die Überprüfung <strong>der</strong> Aufgabenzuweisungen,<br />

des Zusammenspiels <strong>der</strong> Instrumente<br />

bis h<strong>in</strong> zur Überprüfung <strong>der</strong> organisatorischen<br />

Strukturen. Das BMZ hat<br />

e<strong>in</strong>en abgestimmten E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Instrumente<br />

(e<strong>in</strong>schl. <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>-, Regional- und<br />

Sektorkonzepte) ebenso sicherzustellen wie<br />

e<strong>in</strong>e funktionale, gleichberechtigte und<br />

dauerhafte Zusammenarbeit <strong>der</strong> entwicklungspolitischenDurchführungsorganisationen.<br />

Insgesamt ist hier e<strong>in</strong>e Neuordnung erfor<strong>der</strong>lich,<br />

die auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />

Auftragsuntersuchung zu<br />

gestalten ist. Die Leitfrage muû se<strong>in</strong>: Wie<br />

können die Ziele <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

<strong>in</strong> Arbeitsteilung und Abstimmung durch<br />

effiziente Institutionen, Koord<strong>in</strong>ierung und<br />

Zusammenarbeit umgesetzt werden? Dabei<br />

müssen die funktionale Strukturen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

die organisatorischen<br />

Strukturen bestimmen. Aus den Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Entwicklungspolitik ergeben sich<br />

die <strong>in</strong>stitutionellen Strukturen im Durchführungsbereich<br />

<strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />

Die Anwendung von Instrumenten<br />

<strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

leitet sich aus den entwicklungspolitischen<br />

Schwerpunktbereichen ab.<br />

2. Schaffung e<strong>in</strong>es Bundesm<strong>in</strong>isteriums für<br />

nachhaltige Entwicklung<br />

Entwicklungspolitik ist e<strong>in</strong>e staatliche Aufgabe,<br />

die von e<strong>in</strong>em eigenständigen M<strong>in</strong>isterium<br />

gestaltet werden sollte. Die neuen<br />

<strong>in</strong>ternationalen Anfor<strong>der</strong>ungen erfor<strong>der</strong>n<br />

von <strong>der</strong> staatlichen Politik e<strong>in</strong>e neue Qualität<br />

im politischen Handeln. Die Gestaltungskraft<br />

<strong>der</strong> Politik muû zurückgewonnen<br />

werden. Internationale Politik muû<br />

<strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> ihren Entscheidungen kohärenter<br />

werden. Auûen-, Wirtschafts-,<br />

Sicherheits-, F<strong>in</strong>anz- und Handelspolitik,<br />

Agrar-, Umwelt-, Bildungs-, Technologieund<br />

Entwicklungspolitik müssen <strong>in</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

vernetzten Zusammenhängen gesehen<br />

und umgesetzt werden. Vernetztes<br />

politisches Denken muû sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e organisatorische<br />

Vernetzung verschiedener<br />

Politikbereiche auswirken und umsetzen.


Folglich erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> globalen<br />

Zukunftssicherung durch die Bundesregierung<br />

e<strong>in</strong> wirksames und signifikantes Qualitätsmanagement,<br />

das die verschiedenen<br />

Politikbereiche mit e<strong>in</strong>bezieht und die<br />

Zusammenarbeit staatlicher, nicht-staatlicher<br />

und <strong>in</strong>ternationaler Akteure erfor<strong>der</strong>t.<br />

Die Entwicklungszusammenarbeit alle<strong>in</strong><br />

kann nur e<strong>in</strong>en begrenzten Beitrag leisten:<br />

<strong>in</strong>sgesamt müssen jedoch die an<strong>der</strong>en oben<br />

genannten Politikbereiche e<strong>in</strong>gebunden<br />

se<strong>in</strong> und <strong>in</strong> ihren Zuständigkeiten ebenfalls<br />

Beiträge leisten. Es s<strong>in</strong>d also Anstrengungen<br />

für e<strong>in</strong>e Gesamtpolitik erfor<strong>der</strong>lich, die<br />

im H<strong>in</strong>blick auf globale Zukunftssicherung<br />

von <strong>der</strong> Bundesregierung <strong>der</strong>zeit nicht<br />

geleistet werden.<br />

E<strong>in</strong>e Neuorganisierung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung ist erfor<strong>der</strong>lich,<br />

um Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe<br />

zu gestalten, die auch die<br />

an<strong>der</strong>e Politikbereiche mit e<strong>in</strong>schlieût. Es<br />

ist unerläûlich, daû e<strong>in</strong> neues Zukunftsm<strong>in</strong>isterium,<br />

e<strong>in</strong> Bundesm<strong>in</strong>isterium für nachhaltige<br />

Entwicklung (BMNE), geschaffen<br />

werden muû, das das bisherige Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />

für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

und Entwicklung (BMZ) ersetzt und<br />

mehr Kompetenzen erhält, damit die Bundesregierung<br />

<strong>in</strong>sgesamt politisch den globalen<br />

Risikoentwicklungen besser begegnen<br />

kann. Die bisherigen Ressorts müssen daraufh<strong>in</strong><br />

überprüft werden, wo entwicklungsbezogene<br />

Aufgaben liegen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

M<strong>in</strong>isterium zusammengefaût werden sollten,<br />

damit die politischen Fragen <strong>der</strong><br />

Zukunftsfähigkeit optimal bearbeitet werden<br />

können.<br />

Der Berl<strong>in</strong>/Bonn-Umzug sollte dazu<br />

genutzt werden, die entwicklungspolitischen<br />

Aufgaben und Zuordnungen <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung neu zu organisieren.<br />

Das Fachwissen, die Kenntnis von<br />

Instrumenten und problembezogene Län<strong>der</strong>kenntnisse<br />

müssen gebündelt werden.<br />

Erhebliche E<strong>in</strong>sparpotentiale <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesverwaltung<br />

können durch die Zusammenlegung<br />

von entwicklungspolitischen<br />

Aufgaben <strong>in</strong> Abteilungen und Referaten<br />

erzielt werden, die bislang verstreut <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Ressorts liegen. Entwicklungs-<br />

politische Aufgaben und Zuständigkeiten <strong>in</strong><br />

bilateralen und multilateralen Bereichen,<br />

mit denen operative Maûnahmen verbunden<br />

s<strong>in</strong>d, sowie die entsprechenden Haushaltstitel<br />

(e<strong>in</strong>schl. Personal) müssen dem<br />

neuen Zukunftsm<strong>in</strong>isterium für globale<br />

Entwicklungsaufgaben übertragen werden.<br />

Die Fachressorts bleiben für <strong>in</strong>ternationale<br />

Aufgaben h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Vertragsverhandlungen<br />

o<strong>der</strong> Normbildungen bei <strong>in</strong>ternationalen<br />

Abkommen zuständig.<br />

Bei entwicklungsbezogenen Aufgaben mit<br />

Auswirkungen auf operative Durchführungen<br />

durch Projekte o<strong>der</strong> Programme ist<br />

das BMNE zuständig. Insbeson<strong>der</strong>e s<strong>in</strong>d<br />

hier zu nennen: Humanitäre und Katastrophenhilfe,<br />

Ausstattungs- und Demokratisierungshilfe,<br />

die EU-Entwicklungspolitik,<br />

Nord-Süd-bezogene <strong>in</strong>ternationale<br />

Umweltpolitik, die Entwicklungszusammenarbeit<br />

mit den Staaten Mittelosteuropas<br />

und <strong>der</strong> früheren Sowjetunion. Das<br />

BMNE muû die fe<strong>der</strong>führende Zuständigkeit<br />

für Entwicklungsaufgaben <strong>in</strong> den UN-<br />

Son<strong>der</strong>organisationen sowie bei den entwicklungspolitischen<br />

UN-Konferenzen<br />

erhalten. Dazu gehören auch die E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong> Auswärtigen Kulturpolitik,<br />

soweit sie entwicklungsbezogene Aufgaben<br />

durchführen. Insgesamt muû das Regierungsmanagement<br />

wirtschaftlicher arbeiten,<br />

Doppelarbeit vermeiden, Organisationsstrukturen<br />

straffen und unnütze bürokratische<br />

Vorschriften aufheben.<br />

Die Bundesregierung sollte sich auf konzeptionelle<br />

Aufgaben und politische Steuerung<br />

(Kontrolle), auf den politischen Dialog<br />

mit den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

konzentrieren sowie klare entwicklungspolitische<br />

Vorgaben für die staatlichen<br />

Durchführungsorganisationen setzen. Die<br />

Durchführungsaufgaben delegiert sie an<br />

kompetente Durchführungsorganisationen.<br />

Von <strong>der</strong> Bundesregierung unterstützte private<br />

Träger <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

(Kirchen, politische Stiftungen, Verbände,<br />

Nichtregierungsorganisationen)<br />

bewegen sich im vere<strong>in</strong>barten entwicklungspolitischen<br />

Rahmen. Das BMNE ist<br />

verantwortlich für die Erarbeitung von<br />

Län<strong>der</strong>-, Sektor- und Regionalkonzepten.<br />

47


Es beteiligt Vertreter <strong>der</strong> staatlichen und<br />

privaten Durchführungsorganisationen,<br />

Nichtregierungsorganisationen und <strong>der</strong><br />

Wirtschaft sowie Vertretern von E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong> Auswärtigen Kulturpolitik und<br />

E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wissenschaftszusammenarbeit.<br />

Es ist sicherzustellen,<br />

daû e<strong>in</strong>e gröûtmögliche Beteiligung<br />

<strong>der</strong> Partner (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Vertreter <strong>der</strong><br />

Zivilgesellschaft) <strong>in</strong> den jeweiligen Län<strong>der</strong>n<br />

erfolgt.<br />

Der Beschluû des Deutschen Bundestages,<br />

Bonn zu e<strong>in</strong>em ¹Zentrum für Entwicklungspolitik,<br />

nationale, <strong>in</strong>ternationale und<br />

supranationale E<strong>in</strong>richtungenª auszubauen,<br />

wird durch die Bereitstellung entsprechen<strong>der</strong><br />

Haushaltsmittel umgesetzt, um die<br />

Ansiedlung weiterer <strong>in</strong>ternationaler Organisationen<br />

und Nichtregierungsorganisationen,<br />

die ihren Sitz nach Bonn <strong>in</strong> das ¹Zentrum<br />

für <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeitª<br />

(Nord-Süd-Zentrum) verlagern wollen,<br />

weiter voranzutreiben. Ziel muû se<strong>in</strong>, den<br />

nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Organisationen<br />

durch die Schaffung entsprechen<strong>der</strong><br />

politischer Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong> hohes<br />

Maû an Synergien zu ermöglichen, um im<br />

¹Zentrum für <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit,<br />

Bonn, neue Impulse für die Entwicklungs-,<br />

Auûen-, Europa- und UN-Politik<br />

entstehen zu lassen.<br />

3. Die Querschnittsaufgabe <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

sichern<br />

Entwicklungspolitik ist e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe,<br />

die auch an<strong>der</strong>e Politikbereiche<br />

mit e<strong>in</strong>schlieût. Politische Kohärenz muû<br />

sichergestellt werden. Um diese zwischen<br />

den verschiedenen M<strong>in</strong>isterien zu organisieren,<br />

s<strong>in</strong>d neue strukturbildende Maûnahmen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisation erfor<strong>der</strong>lich. Um<br />

politische Kohärenz zu verwirklichen, sollten<br />

die wichtigsten entwicklungsbezogenen<br />

Entscheidungsvorlagen aus dem Bundeslandwirtschaftsm<strong>in</strong>isterium,<br />

dem Auswärtigen<br />

Amt, dem Bundeswirtschaftsm<strong>in</strong>isterium,<br />

dem Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isterium, dem<br />

Bundesumweltm<strong>in</strong>isterium, dem Bildungs-,<br />

Forschungs- und Technologiem<strong>in</strong>isterium,<br />

dem Bundesjustizm<strong>in</strong>isterium, dem Bundesbaum<strong>in</strong>isterium,<br />

dem Bundesarbeitsmi-<br />

48<br />

nisterium, dem Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>isterium,<br />

dem Bundesf<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterium und<br />

dem Verteidigungsm<strong>in</strong>isterium e<strong>in</strong>schlieûlich<br />

aller Maûnahmen <strong>der</strong> globalen<br />

Zukunftssicherung e<strong>in</strong>er Entwicklungsverträglichkeitsprüfung<br />

(EVP) unterzogen<br />

werden. Denn durch die Unterschrift unter<br />

die Vere<strong>in</strong>barungen von Rio hat Deutschland<br />

die Verpflichtung zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>er nationalen Strategie für nachhaltige<br />

Entwicklung übernommen. Der nationale<br />

Bericht Deutschlands über nachhaltige<br />

Entwicklung muû die Grundlage dafür<br />

se<strong>in</strong>, Kriterien für Nachhaltigkeit zu entwickeln<br />

und die EVP entsprechend e<strong>in</strong>zuführen.<br />

Durch e<strong>in</strong>e obligatorische Entwicklungsverträglichkeitsprüfung,<br />

die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>term<strong>in</strong>isteriellen<br />

Koord<strong>in</strong>ierungsausschuû<br />

(Vorsitz: <strong>der</strong> Bundesm<strong>in</strong>ister für nachhaltige<br />

Entwicklung ± BMNE) durchgeführt<br />

werden, können <strong>in</strong> entsprechenden Ressortverhandlungen<br />

die entsprechenden<br />

Kab<strong>in</strong>ettsentscheidungen vorbereitet werden.<br />

Dem neuen Bundesm<strong>in</strong>isterium für<br />

nachhaltige Entwicklung (BMNE) ist im<br />

<strong>in</strong>term<strong>in</strong>isteriellen Koord<strong>in</strong>ierungsausschuû<br />

e<strong>in</strong> Vetorecht e<strong>in</strong>zuräumen.<br />

Dadurch wird Effektivität im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />

politischen Zielerreichung (Soll-Ist-Planung)<br />

und die Effizienz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten<br />

Haushaltsmittel erhöht.<br />

Das Bundesm<strong>in</strong>isterium für nachhaltige<br />

Entwicklung (BMNE) ist für die Koord<strong>in</strong>ierung<br />

und Steuerung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

im engeren S<strong>in</strong>n zuständig. Der<br />

Bedeutungsverlust <strong>der</strong> deutschen Beiträge<br />

<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Organisationen muû<br />

rückgängig gemacht werden. Es muû künftig<br />

dafür Sorge tragen, daû die <strong>in</strong>ternationale<br />

Zusammenarbeit Deutschlands und<br />

mit ihr die Entwicklungspolitik wie<strong>der</strong><br />

stärker <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Organisationen<br />

und <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n selber<br />

präsent ist. Weiterh<strong>in</strong> muû es Aufgabe <strong>der</strong><br />

Entwicklungspolitik se<strong>in</strong>, die Effizienz <strong>der</strong><br />

Organisationen im UN-System und <strong>der</strong><br />

multilateralen Entwicklungsorganisationen<br />

zu steigern. Hierfür s<strong>in</strong>d konzeptionelle<br />

Vorstellungen zu entwickeln und e<strong>in</strong>zu-


<strong>in</strong>gen. Dazu gehören klare Def<strong>in</strong>itionen,<br />

welche entwicklungspolitische Aufgaben<br />

besser multilateral und welche bilateral<br />

durchgeführt werden. Die Bundesregierung<br />

muû sich aktiv um e<strong>in</strong>e höhere personelle<br />

deutsche Beteiligung <strong>in</strong> multilateralen<br />

Organisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

bemühen.<br />

Entwicklungspolitik als vorbeugende Friedenspolitik<br />

wird <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen und<br />

entwicklungspolitischen Nord-Süd-Fragen<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Krisenprävention vorausschauend<br />

tätig. Dementsprechend muû<br />

das neue Bundesm<strong>in</strong>isterium für nachhaltige<br />

Entwicklung (BMNE) künftig im Bundessicherheitsrat<br />

vertreten se<strong>in</strong>. Es ist mit<br />

e<strong>in</strong>er entsprechend qualifizierten und<br />

bereits <strong>in</strong>ternational profilierten Persönlichkeit<br />

zu besetzen.<br />

4. Entwicklungspolitik auf e<strong>in</strong>e gesetzliche<br />

Grundlage stellen<br />

Die Bedeutung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik für<br />

die Gestaltung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Beziehungen<br />

Deutschlands muû auf e<strong>in</strong>er<br />

gesetzlichen Grundlage verankert werden.<br />

Deshalb ist e<strong>in</strong> Gesetz zur Entwicklungspolitik<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />

erfor<strong>der</strong>lich, wie es an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> schon<br />

lange haben (z.B. die USA, Schweiz,<br />

Schweden, Österreich). Die Verabschiedung<br />

e<strong>in</strong>es Bundesgesetzes zur Entwicklungspolitik<br />

und die Schaffung e<strong>in</strong>es Entwicklungskab<strong>in</strong>etts<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

könnten auch nach Auffassung des OECD-<br />

Entwicklungshilfeausschusses zur Kohärenz<br />

<strong>der</strong> Politik und <strong>der</strong> Programme <strong>der</strong> deutschen<br />

Entwicklungspolitik beitragen. Dazu<br />

gehört die Benennung e<strong>in</strong>es unabhängigen<br />

entwicklungspolitischen Beauftragten als<br />

Hilfsorgan des Deutschen Bundestages bei<br />

<strong>der</strong> Ausübung <strong>der</strong> parlamentarischen Kontrolle.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus sollte e<strong>in</strong> Unabhängiger<br />

Rat für globale Zukunftsaufgaben berufen<br />

werden, dem neben Vertretern <strong>der</strong> Wissenschaft<br />

auch aus Vertretern gesellschaftlich<br />

relevanter Gruppen (Arbeitgeber, Gewerkschaften,<br />

Kirchen, politische Stiftungen,<br />

Nichtregierungsorganisationen) zusammen-<br />

gesetzt se<strong>in</strong> sollte und dem Parlament<br />

e<strong>in</strong>en jährlichen Bericht über die Grundlagenforschung<br />

für zukunftsfähige Entwicklung,<br />

Langzeitperspektiven und Zukunftsprognosen<br />

<strong>in</strong> Deutschland vorzulegen hat.<br />

5. Die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

ist zu stärken<br />

Die Globalisierung <strong>der</strong> Weltmärkte ist e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> zentralen Herausfor<strong>der</strong>ungen auch für<br />

die deutsche Wirtschaft. Immer mehr<br />

Wirtschaftsunternehmen erkennen, daû ihr<br />

Erfolg und die Ausschöpfung von Handlungsspielräumen<br />

langfristig auch von <strong>der</strong><br />

Qualität des Standorts abhängig ist. Die<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an das Umfeld steigen<br />

nicht nur h<strong>in</strong>sichtlich kostengünstiger Produktionen,<br />

Marktpotentialen, <strong>in</strong>stitutionellen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen o<strong>der</strong> funktionieren<strong>der</strong><br />

Infrastruktur, die für viele<br />

Wirtschaftsunternehmen entscheidend für<br />

die Kapital<strong>in</strong>vestitionen s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n auch<br />

langfristige gesellschaftliche Stabilitätskriterien.<br />

So hat <strong>der</strong> Verband deutscher Handelskammern<br />

se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n bereits<br />

Empfehlungen für die Beteiligung an <strong>der</strong><br />

Erarbeitung von Strategien zur nachhaltigen<br />

Entwicklung gegeben.<br />

Die Entwicklungspolitik hat die Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> Privatwirtschaft bislang<br />

vernachlässigt. Staatliche Entwicklungspolitik<br />

und private Geschäfts<strong>in</strong>teressen sollten<br />

sich nicht wi<strong>der</strong>sprechen, son<strong>der</strong>n ergänzen.<br />

Kapitalkraft und auch Kompetenzen<br />

von privatem Kapital und Management<br />

müssen für Entwicklungsprozesse genutzt<br />

werden. Von Direkt<strong>in</strong>vestitionen <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

<strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n können<br />

erhebliche entwicklungspolitische Effekte<br />

ausgehen: So z.B. För<strong>der</strong>ung des lokalen<br />

Unternehmertums, Schaffung und Erhalt<br />

von Arbeitsplätzen, Aus- und Fortbildungseffekte,<br />

Infrastrukturentwicklungen, Diversifizierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur,<br />

umweltschonende Effekte durch Mo<strong>der</strong>nisierungen<br />

und den E<strong>in</strong>satz neuer Technologien.<br />

Deshalb kommt dem entwicklungsorientierten<br />

Engagement und Know-how<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

e<strong>in</strong> hoher Stellenwert zu, das für<br />

49


e<strong>in</strong>e effiziente Entwicklungszusammenarbeit<br />

unerläûlich ist.<br />

Wir treten deshalb dafür e<strong>in</strong>, daû die deutsche<br />

Wirtschaft stärker als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

und am entwicklungspolitischen<br />

Dialog beteiligt werden muû. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

for<strong>der</strong>n und unterstützen wir nachdrücklich<br />

e<strong>in</strong>e massive Exportoffensive für umweltfreundliche<br />

Technologien, für W<strong>in</strong>d- und<br />

Solarenergien (e<strong>in</strong>schl. Photovoltaik),<br />

FCKW-Substitution, Wasserkle<strong>in</strong>kraftanlagen<br />

sowie für an<strong>der</strong>e regenerative Energien,<br />

die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch entsprechende<br />

Son<strong>der</strong>programme für die mittelständische<br />

Wirtschaft aufgelegt werden sollen.<br />

Die zunehmenden Vernetzungen <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

<strong>in</strong> Industrie- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en neuen Anlauf <strong>der</strong><br />

Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong> staatlichen<br />

Entwicklungspolitik, den Unternehmensverbänden<br />

und den Wirtschaftsunternehmen<br />

selber. Von elementarer Bedeutung ist<br />

e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Kohärenz und effektive<br />

Verknüpfung <strong>der</strong> Entwicklungs-, Wirtschafts-<br />

und Auûenpolitik mit dem Ziel,<br />

die Aktivitäten <strong>der</strong> Privatwirtschaft <strong>in</strong> den<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n zu for<strong>der</strong>n und e<strong>in</strong>e<br />

optimale Koord<strong>in</strong>ierung zwischen Politik,<br />

Privatwirtschaft und Nichtregierungsorganisationen<br />

zu gewährleisten.<br />

Wir setzen uns dafür e<strong>in</strong>, die strukturellen<br />

Voraussetzungen zu schaffen, daû die neue<br />

Rollenverteilung von Staat und Wirtschaft<br />

auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

ihren Nie<strong>der</strong>schlag f<strong>in</strong>det. Dazu gehören<br />

Maûnahmen <strong>der</strong> Beratung und Information<br />

ebenso wie die Übernahme von Risikokapital<br />

aus zusätzlichen Mitteln <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

und <strong>der</strong> Auûenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

sowie e<strong>in</strong>e direkte<br />

Unterstützung für die <strong>in</strong>nerbetriebliche<br />

Ausbildung bei Unternehmen, die <strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong>vestieren. Hermes-Kredite<br />

sollen künftig auf <strong>der</strong> Grundlage von<br />

Kriterien <strong>der</strong> Entwicklungsverträglichkeit<br />

vergeben werden. Gleichzeitig ist die Idee<br />

<strong>der</strong> Sozialpartnerschaft als e<strong>in</strong> erfolgreiches<br />

Element politischer Kultur zu stärken,<br />

<strong>in</strong>dem auch organisierte Arbeitnehmer-<br />

50<br />

schaften (Gewerkschaftsdachverbände, E<strong>in</strong>zelgewerkschaften,<br />

etc.) unterstützt werden.<br />

V. Wir brauchen neue Handlungsfel<strong>der</strong> ...<br />

1. ... auf globaler Ebene<br />

Seit Jahren wird auf unzähligen Konferenzen<br />

über die tiefgreifenden Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt-Gesellschaft geredet.<br />

Die Nationalstaaten s<strong>in</strong>d jedoch auf<br />

die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung<br />

bisher nicht o<strong>der</strong> nur ansatzweise vorbereitet.<br />

Die Instrumente <strong>der</strong> traditionellen<br />

Auûenpolitik erweisen sich als unzureichend<br />

zur Lösung <strong>in</strong>ternationaler Probleme.<br />

Zwar wächst die E<strong>in</strong>sicht, daû die<br />

Globalisierung die Steuerungskapazitäten<br />

<strong>der</strong> Nationalstaaten überfor<strong>der</strong>t und die<br />

bisher praktizierten Formen des <strong>in</strong>ternationalen<br />

Krisenmanagements ± sei es im UN-<br />

Sicherheitsrat o<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> G7-<br />

Gipfel ± den Herausfor<strong>der</strong>ungen nicht<br />

mehr gerecht werden. Aber dieser E<strong>in</strong>sicht<br />

s<strong>in</strong>d bisher kaum Taten gefolgt.<br />

Wir sehen die neuen <strong>in</strong>ternationalen<br />

Handlungsfähigkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em auszubauenden<br />

und funktionierenden System globaler<br />

Politikgestaltung. Das bedeutet, daû<br />

Handlungskompetenzen zur Lösung von<br />

Problemen, die die Nationalstaaten im<br />

Alle<strong>in</strong>gang nicht mehr bewältigen können,<br />

auf Nationalstaaten übergreifende (EU)<br />

o<strong>der</strong> globale Organisationen (UNO) übertragen<br />

werden. In <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Zusammenarbeit s<strong>in</strong>d verb<strong>in</strong>dliche Kooperationsregeln<br />

<strong>in</strong>ternational zu verrechtlichen.<br />

Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en neuen Anlauf zu menschenwürdigen,<br />

umweltverträglichen und<br />

solidarischen Lösungen, an dem viele<br />

beteiligt se<strong>in</strong> müssen: die UNO, ihre<br />

Unterorganisationen und <strong>in</strong>ternationale<br />

Organisationen wie die WTO, die regionalen<br />

Geme<strong>in</strong>schaften wie die EU, die Nationalstaaten,<br />

lokale Politik und Nichtregierungsorganisationen.<br />

Die UNO als das bedeutendste Forum <strong>der</strong><br />

Welt-Gesellschaft muû gestärkt und damit<br />

handlungsfähiger gemacht werden. Vorschläge<br />

dafür liegen längst auf dem Tisch.


Die Nationalstaaten werden sich <strong>in</strong> diesem<br />

System vor allem durch die Umsetzung<br />

von UN-Konferenzbeschlüssen bei sich zu<br />

Hause bewähren müssen. Zunehmen muû<br />

ihre Rolle <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationaler Kooperation,<br />

vor allem <strong>in</strong> regionalen Integrationsgeme<strong>in</strong>schaften<br />

wie die EU, die Entwicklungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

im südlichen Afrika<br />

(SADC) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>same Markt im<br />

südlichen Amerika (Mercosur). Diese<br />

regionalen Integrationen müssen gestärkt<br />

werden. Langfristig können die globalen<br />

Kooperationen zu e<strong>in</strong>em rechtsverb<strong>in</strong>dlichen<br />

System globaler Normen <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternationalen<br />

Organisationen und Institutionen<br />

wichtige Impulse geben.<br />

Das gilt für das Völkerrecht und für die<br />

Menschenrechte; für die Welthandelsordnung,<br />

für e<strong>in</strong>e leistungsfähige Weltwährungs-<br />

und F<strong>in</strong>anzordnung e<strong>in</strong>schlieûlich<br />

e<strong>in</strong>er umfassenden Entschuldung <strong>der</strong> ärmsten<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>. In den WTO-<br />

Prozeû s<strong>in</strong>d mehr soziale und ökologische<br />

M<strong>in</strong>deststandards e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Zum Ausbau<br />

<strong>der</strong> Weltsozialordnung gehört neben<br />

sozialen Standardnormen auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationaler<br />

Lastenausgleich, <strong>der</strong> die zunehmende<br />

Marg<strong>in</strong>alisierung ganzer Weltregionen<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Und nicht zuletzt muû<br />

kurzfristig e<strong>in</strong>e effiziente und wirksame<br />

Welt-Umweltpolitik umgesetzt werden, um<br />

die drohenden Klimakatastrophen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

bzw. zu mil<strong>der</strong>n.<br />

2. ... mit <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

Der Bundesrepublik Deutschland fällt im<br />

Rahmen ihrer gestiegenen europapolitischen<br />

Verantwortung e<strong>in</strong>e wichtige Rolle<br />

zu. Im Rahmen <strong>der</strong> angestrebten Geme<strong>in</strong>samen<br />

Auûen- und Sicherheitspolitik <strong>der</strong><br />

Europäischen Union wird auch die Entwicklungspolitik<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen.<br />

Für die Bundesrepublik Deutschland<br />

geht es verstärkt darum, sich aktiv an <strong>der</strong><br />

Ausarbeitung e<strong>in</strong>er effizienten geme<strong>in</strong>samen<br />

europäischen Entwicklungspolitik zu<br />

beteiligen und die Beziehungen <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union mitzugestalten. Die Stärkung<br />

<strong>der</strong> Handlungsfähigkeiten <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union und <strong>der</strong> multilateralen<br />

Entwicklungsorganisationen erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e<br />

aktive Mitwirkung.<br />

Die Entwicklungszusammenarbeit <strong>der</strong> EU<br />

und ihrer Mitgliedslän<strong>der</strong> muû besser <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>klang gebracht werden. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

Arbeitsteilung <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

muû deutlicher als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

ernst genommen und umgesetzt werden,<br />

d. h. daû Projekt- und Programmdurchführungen<br />

mit den europäischen Mitgliedslän<strong>der</strong>n<br />

koord<strong>in</strong>iert werden müssen. Die<br />

geme<strong>in</strong>same Entwicklungspolitik muû ausgebaut<br />

und, wie es <strong>der</strong> Maastricht-Vertrag<br />

vorsieht, zu geme<strong>in</strong>samen Aktionen<br />

gebracht werden, sowie ihre regionale Ausrichtung<br />

verstärkt werden. Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

zwischen Entwicklungspolitik und an<strong>der</strong>en<br />

Politikbereichen wie <strong>der</strong> Agrar- und<br />

Auûenhandelspolitik müssen beseitigt werden.<br />

Das <strong>in</strong> Art. 130 V im Vertrag von Maastricht<br />

nie<strong>der</strong>gelegte Kohärenzgebot sollte<br />

Deutschland auch für die nationalen Politikbereiche<br />

umsetzen. Die Sicherstellung<br />

von politischer Kohärenz heiût, die Ziele<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Politikbereiche zu verzahnen<br />

und <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang mit dem Ziel e<strong>in</strong>er<br />

globalen nachhaltigen Entwicklung zu<br />

br<strong>in</strong>gen. Im Artikel C) des Maastricht-Vertrages<br />

heiût es: ¹Die Union achtet <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auf die Kohärenz aller von ihr<br />

ergriffenen auûenpolitischen Maûnahmen<br />

im Rahmen ihrer Auûen-, Sicherheits-,<br />

Wirtschafts- und Entwicklungspolitikª.<br />

Konsequente Anwendung dieses Gebots<br />

seitens <strong>der</strong> Bundesregierung könnte zu<br />

e<strong>in</strong>er ¹aus e<strong>in</strong>er Handª führen und hätte<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zum Ziel, Fragen <strong>der</strong> europäischen<br />

Entwicklungspolitik sowie die<br />

humanitäre Hilfe und <strong>in</strong>ternationale<br />

Umweltfragen im BMZ zusammenzufassen.<br />

3. ... auf <strong>der</strong> nationalen Ebene, <strong>in</strong> den<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n und auf lokaler Ebene<br />

und lokalen Ebenen<br />

Auch <strong>in</strong>nenpolitisch bedarf es neuer<br />

Ansätze, die darauf abzielen, zu e<strong>in</strong>er konsenssuchenden<br />

Kommunikation mit den<br />

Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern auch bei Themen<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Politik und<br />

Zusammenarbeit zu gelangen. Viele Menschen<br />

erleben die gegenwärtigen Globalisierungsprozesse<br />

und <strong>in</strong>ternationalen Ent-<br />

51


wicklungen als Bedrohung ± nicht nur für<br />

den eigenen Arbeitsplatz, son<strong>der</strong>n auch für<br />

die Zukunft <strong>der</strong> Familien und <strong>der</strong> jungen<br />

Generation.<br />

Deshalb müssen die Anstrengungen erhöht<br />

werden, die Bevölkerung durch Informations-<br />

und Bildungsarbeit über die Zusammenhänge<br />

<strong>in</strong>ternationaler Politik und<br />

Interessen Deutschlands aufzuklären.<br />

Demokratie lebt unter an<strong>der</strong>em auch vom<br />

Vertrauen <strong>der</strong> Bürger <strong>in</strong> die Qualität politischen<br />

Handelns. Die Akzeptanz staatlicher<br />

Entscheidungen wird sowohl von <strong>der</strong><br />

Begründung zur Durchführung öffentlicher<br />

Maûnahmen als auch von <strong>der</strong> Bürgerbeteiligung<br />

bee<strong>in</strong>fluût. Deshalb s<strong>in</strong>d den verschiedenen<br />

Organisationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />

(Nichtregierungsorganisationen,<br />

Verbände, die Wirtschaft und Gewerkschaften<br />

u. a.) bessere Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

e<strong>in</strong>zuräumen. Das bedeutet, daû<br />

¹globales Lernenª auf allen Ebenen <strong>der</strong><br />

schulischen, auûerschulischen und universitären<br />

Bildung und Ausbildung <strong>in</strong> den Ausbildungsplänen<br />

zu verankern ist.<br />

Nachhaltige Entwicklung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Gesellschaft setzt darüber h<strong>in</strong>aus die<br />

Beteiligung <strong>der</strong> Bevölkerung auf allen Ebenen<br />

voraus. Die notwendigen Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />

werden nur dauerhaft se<strong>in</strong>,<br />

wenn sie von den Menschen gewollt, mitgestaltet,<br />

verantwortet und den jeweiligen<br />

Situationen flexibel angepaût werden. Die<br />

Son<strong>der</strong>generalversammlung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten<br />

Nationen im Juni 1997 hat erneut die<br />

Ohnmacht <strong>der</strong> Regierungen bewiesen, die<br />

die Beschluû- und Handlungsempfehlungen<br />

<strong>der</strong> UN-Konferenz von Rio über<br />

Umwelt und Entwicklung (¹Agenda 21ª)<br />

aus dem Jahre 1992 nicht umgesetzt werden<br />

konnten. Die jetzige Bundesregierung<br />

hat die Leitidee des Rio-Prozesses bewuût<br />

auf Umweltfragen verkürzt und damit die<br />

gleichgewichtigen sozialen, ökonomischen<br />

und ökologischen Fragen <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund<br />

gedrängt. Um so dr<strong>in</strong>glicher wird <strong>in</strong><br />

Zukunft die Beteiligung <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />

und Kommunen se<strong>in</strong>, die durch ihre<br />

beson<strong>der</strong>e Nähe zur Bevölkerung, ihrer<br />

Zuständigkeit für Bildung, Kultur, Wissenschaft<br />

und Kommunalangelegenheiten<br />

52<br />

sowie <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> über Möglichkeiten verfügen,<br />

nachhaltige Entwicklungsprozesse<br />

zu verwirklichen. Die Stärkung des lokalen<br />

Agenda-Prozesses (Lokale Agenda 21)<br />

durch aktive Unterstützung <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />

ermöglicht Synergieeffekte im Nach-<br />

Rio-Prozeû, die nicht nur von e<strong>in</strong>zelnen,<br />

son<strong>der</strong>n von allen Bundeslän<strong>der</strong>n geför<strong>der</strong>t<br />

werden sollten. Län<strong>der</strong> und Kommunen<br />

sollten ihre Verantwortung wahrnehmen,<br />

ihre Aktivitäten vernetzen und den zum<br />

Teil bedrohlichen Abwärtstrend <strong>der</strong> Mittel<br />

für Entwicklungszusammenarbeit stoppen.<br />

Die von <strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> Fraktionsvorsitzenden<br />

<strong>der</strong> Bundestags- und Landtagsfraktionen<br />

1994 beschlossene Erhöhung <strong>der</strong><br />

Mittel muû ± trotz <strong>der</strong> angespannten<br />

Haushaltslage ± verwirklicht werden.<br />

Sozialdemokraten för<strong>der</strong>n und unterstützen<br />

aktiv die Prozesse e<strong>in</strong>er nachhaltigen Entwicklung.<br />

Sie vertrauen auf die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung auf allen Ebenen als e<strong>in</strong>e<br />

zentrale Voraussetzung für das Gel<strong>in</strong>gen<br />

dieses partizipativen Umsteuerungsprozesses<br />

<strong>der</strong> Industriegesellschaften.<br />

¹Ohne Frieden ist alles nichtsª<br />

unter diesem Wort von Willy Brandt steht<br />

auch dieser Antrag. Er geht davon aus, daû<br />

die Weiterentwicklung kooperationswilliger<br />

und -fähiger überstaatlicher Regionen und<br />

globaler Politikgestaltung friedensstiftend<br />

ist.<br />

Wir setzen uns für weitere Abrüstungsschritte,<br />

für Rüstungskonversion und Waffenexportkontrolle<br />

und -abbau e<strong>in</strong>. Wir<br />

betrachten es als herausragende Aufgabe<br />

regionaler und globaler Politikgestaltung,<br />

neue Fähigkeiten <strong>der</strong> Konfliktlösung und<br />

Konfliktprävention zu entwickeln, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auch für ethnische Konflikte.<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutz und Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

± für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Frauen und<br />

Männer ±, gleiche Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten<br />

im S<strong>in</strong>ne vielfältiger<br />

Konventionen und UN-Beschlüssen s<strong>in</strong>d<br />

für uns Leitmotiv. Es ist entstanden aus<br />

unserer Grundüberzeugung von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>en<br />

Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir alle wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Boot sit-


zen, gegenseitig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abhängig und<br />

mit unseren Zukunfts<strong>in</strong>teressen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verbunden.<br />

Wir werden daran arbeiten, das Bewuûtse<strong>in</strong><br />

hierfür zu verstärken und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei<br />

uns <strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong> Europa, durch<br />

<strong>in</strong>terkulturellen Dialog und Zusammenarbeit<br />

die Toleranz und Offenheit gegenüber<br />

an<strong>der</strong>en Kulturen und Religionen zu erhöhen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag A 22<br />

Landesverband Saar<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

auf, sich umgehend für e<strong>in</strong>e Sozialklausel<br />

im Internationalen Handelsabkommen<br />

e<strong>in</strong>zusetzen, daû deutsche Importeure<br />

nur noch Teppiche mit dem Warenzeichen<br />

¹Rugmarkª e<strong>in</strong>führen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag A 24<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Furtwangen<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Das nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />

Bodenrecht weiterentwickeln<br />

Ausgehend von den Wiesbadener Beschlüssen,<br />

die Auûen- und Sicherheitspolitik weiterzuentwickeln,<br />

beantragt <strong>der</strong> OV Furtwangen<br />

beim <strong>SPD</strong>-Parteivorstand e<strong>in</strong>e<br />

Projektgruppe e<strong>in</strong>zusetzen mit dem Auftrag,<br />

das nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />

Bodenrecht weiterzuentwickeln. Dabei s<strong>in</strong>d<br />

auch die Positionen an<strong>der</strong>er sozialdemokratischer<br />

Parteien mite<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag A 25<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />

Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />

Kurd<strong>in</strong>nen schützen ± Verbote<br />

aufheben ± Waffenexporte<br />

stoppen<br />

Zur aktuellen Situation<br />

Am 2. März 1995, parallel zum Verbot <strong>der</strong><br />

rechtsextremistischen Freiheitlichen Arbeiterpartei<br />

FAP, hat <strong>der</strong> Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister<br />

Kanther das <strong>in</strong> Köln ansässige Kurdistan-<br />

Informationsbüro (KIB) mit <strong>der</strong> Begründung<br />

verboten, <strong>der</strong> Trägervere<strong>in</strong> sei e<strong>in</strong>e<br />

Ersatzorganisation des Kurdistan-Komitees,<br />

das bereits im November 1993 als<br />

Nebenorganisation <strong>der</strong> Arbeiterpartei Kurdistans<br />

(PKK) verboten worden war.<br />

Auûerdem wurden bundesweit zahlreiche<br />

KurdInnen-Vere<strong>in</strong>e verboten, sowie <strong>in</strong> fünf<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n Wohnungen durchsucht.<br />

Dies sei als Reaktion auf die Anschläge auf<br />

türkische Reisebüros zu verstehen, die Kurden<br />

zugeschrieben werden.<br />

Ke<strong>in</strong> kurdisches Kulturverbot!<br />

Im September 1994 veröffentlichte<br />

¹medico <strong>in</strong>ternationalª e<strong>in</strong> ¹Gutachten zu<br />

den völkerrechtlichen Fragen <strong>der</strong> Verbotsverfügung<br />

des BMI gegen kurdische Vere<strong>in</strong>e<br />

und Organisationenª, das am 22. 1.<br />

1993 verhängt worden war.<br />

Der bekannte völkerrechtliche Prof.<br />

Dr. Norman Paech kommt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Gutachten<br />

zu dem Schluû, daû zwar sämtliche<br />

Menschrechtsverletzungen <strong>der</strong> PKK und<br />

an<strong>der</strong>en verbotenen Vere<strong>in</strong>e und Organisationen<br />

selbstverständlich zu miûbilligen<br />

und strafrechtlich zu verfolgen seien, daû<br />

aber die PKK aus völkerrechtlicher Sicht<br />

als Befreiungsbewegung mit Kampf um<br />

e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> elementarsten Grundrechte, das<br />

<strong>der</strong> kulturellen Selbstbestimmung, zu sehen<br />

sei.<br />

Das Verbot <strong>der</strong> PKK ist daher nicht im<br />

E<strong>in</strong>klang mit <strong>der</strong> Genfer Konvention. Wir<br />

53


for<strong>der</strong>n die Aufhebung des rechtswidrigen<br />

PKK-Verbotes.<br />

Der Krieg gegen die kurdische Bevölkerung<br />

basiert nicht ± wie meist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Öffentlichkeit dargestellt wird ± auf ethnischen<br />

Konflikten. Türkisch-Kurdistan ist<br />

nicht nur wegen se<strong>in</strong>es Reichtums an Rohstoffen<br />

von ökonomischer, son<strong>der</strong>n wegen<br />

se<strong>in</strong>er geographischen Lage auch von groûer<br />

militärisch-strategischer Bedeutung für<br />

den türkischen Staat.<br />

Die PKK ist mit zunehmen<strong>der</strong> Brutalität<br />

des Krieges die e<strong>in</strong>zige Kraft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei,<br />

die den Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> kurdischen Bevölkerung<br />

artikulieren kann. Doch nicht nur<br />

die Politik <strong>der</strong> türkischen Regierung treibt<br />

KurdInnen <strong>in</strong> die Radikalisierung und h<strong>in</strong>ter<br />

die PKK. Die Kurdenkrim<strong>in</strong>alisierungs-<br />

Kampagne <strong>der</strong> Bundesregierung und Teilen<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> (Organisations-, Demoverbote)<br />

führte dazu, daû die PKK auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

über e<strong>in</strong>e breite Massenbasis<br />

unter hier lebenden KurdInnen verfügt.<br />

Für JungsozialistInnen muû gelten, daû wir<br />

uns mit <strong>der</strong> kurdischen Befreiungsbewegung<br />

solidarisieren. Wir for<strong>der</strong>n die Aufhebung<br />

des PKK-Verbotes! Das bedeutet<br />

nicht, daû wir die Programmatik <strong>der</strong> PKK<br />

unterstützen; doch nur durch die offene<br />

Solidarität mit KurdInnen wird unsere Kritik<br />

an <strong>der</strong> PKK akzeptabel. Nur so haben<br />

wir die Möglichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> kurdischen<br />

Befreiungsbewegung e<strong>in</strong>e sozialistische<br />

Perspektive aufzuzeigen und von den <strong>in</strong><br />

Deutschland lebenden KurdInnen als politische<br />

Alternative zum Nationalismus <strong>der</strong><br />

PKK wahrgenommen zu werden.<br />

Das Verbot <strong>der</strong> PKK und an<strong>der</strong>er kurdischer<br />

Organisationen dient seither als<br />

Rechtfertigungsgrund, auch jegliches Engagement<br />

für e<strong>in</strong>e politische Lösung <strong>in</strong> Kurdistan<br />

zu krim<strong>in</strong>alisieren, gleich ob von<br />

KurdInnen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. So wurde Ende<br />

des letzten Jahres e<strong>in</strong>e von deutschen Entwicklungsgruppen<br />

(u. a. BUKO) getragene<br />

Demo <strong>in</strong> Köln mit Verweis auf das PKK-<br />

Verbot und angeblich 10 000 zu erwartende<br />

kurdische DemonstrantInnen verboten.<br />

Anstelle <strong>der</strong> Vertuschung des Völkermordes<br />

und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Türkei <strong>in</strong> die<br />

54<br />

europäische Wirtschaftsunion for<strong>der</strong>n wir<br />

wirksame diplomatische Schritte und wirtschaftliche<br />

Sanktionen gegen die Türkei.<br />

Waffenexporte stoppen!<br />

Nach wie vor werden deutsche Militärgüter<br />

zum Mord am kurdischen Volk e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Auch wenn deutsche Waffen nicht direkt<br />

am Morden beteiligt wären, würden sie<br />

Waffenpotentiale freimachen, die bisher<br />

an<strong>der</strong>weitig gebunden s<strong>in</strong>d. Die Verträge<br />

zwischen <strong>der</strong> Bundesrepublik und <strong>der</strong> türkischen<br />

Staatsregierung s<strong>in</strong>d daher schlicht<br />

uns<strong>in</strong>nig und sche<strong>in</strong>heilig und werden darüber<br />

h<strong>in</strong>aus fortlaufend gebrochen.<br />

Wer Waffen <strong>in</strong> die Türkei liefert, ist am<br />

Völkermord beteiligt. Wir for<strong>der</strong>n die<br />

Bundesregierung auf, sofort alle Lieferungen<br />

von Waffen, waffenfähigem Material<br />

und sog. ¹dual useª-Gütern <strong>in</strong> die Türkei<br />

zu stoppen und sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Uno für e<strong>in</strong><br />

Waffenembargo gegen die Türkei e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus for<strong>der</strong>n wir die Bundesregierung<br />

auf, die Ausbildung türkischer Terrorkommandos<br />

durch die GSG 9, die<br />

Zusammenarbeit zwischen deutschem und<br />

türkischem Geheimdienst, sowie Manöver<br />

<strong>der</strong> Bundeswehr <strong>in</strong> Kurdistan zu beenden.<br />

KurdInnen schützen ± nicht abschieben!<br />

Fast zeitgleich zum Verbot weiterer Kurd-<br />

Innenorganisationen wurde beschlossen,<br />

den Abschiebestopp für KurdInnen nicht<br />

zu verlängern. Insbeson<strong>der</strong>e das Bundesland<br />

Bayern zeichnet sich e<strong>in</strong>mal mehr<br />

durch se<strong>in</strong>e harte Haltung <strong>in</strong> dieser Frage<br />

aus.<br />

Die <strong>SPD</strong>-regierten Län<strong>der</strong> for<strong>der</strong>n wir auf,<br />

ab sofort e<strong>in</strong>en Abschiebestopp aller Kurd<strong>in</strong>nen<br />

und Kurden zu praktizieren.<br />

Alle Menschenrechtsorganisationen weisen<br />

darauf h<strong>in</strong>, daû es ke<strong>in</strong>erlei B<strong>in</strong>nenfluchtmöglichkeiten<br />

für KurdInnen gibt. Kurd<strong>in</strong>nen<br />

und Kurden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Türkei<br />

an Leib und Leben bedroht.


Jede Abschiebung ist daher e<strong>in</strong> Tötungsversuch!<br />

(Überwiesen an Kommission Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik)<br />

Initiativantrag: 7<br />

Stärkung <strong>der</strong> Europafähigkeit<br />

<strong>der</strong> Türkei<br />

Aufgrund ihrer jahrhun<strong>der</strong>telangen Präsenz<br />

auf dem Balkan, ihrer selbstgewählten<br />

Westorientierung, ihrer laizistischen und<br />

demokratischen Staatsform und aufgrund<br />

<strong>der</strong> Anwesenheit von Millionen von Türken<br />

gehört die Türkei ebenso zu Europa<br />

wie zu Vor<strong>der</strong>asien, wo ihr eigentlicher<br />

geographischer Schwerpunkt liegt. Enge<br />

Verb<strong>in</strong>dungen <strong>der</strong> Türkei mit Europa liegen<br />

<strong>in</strong> ihrer Mitgliedschaft im Europarat<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO sowie aufgrund vielerlei<br />

Verträge mit <strong>der</strong> Europäischen Union bis<br />

h<strong>in</strong> zur Zollunion.<br />

Die <strong>SPD</strong> hat sich seit jeher für e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland dauerhaft lebenden Türken<br />

e<strong>in</strong>gesetzt. Dazu gehört nach unserer<br />

Ansicht nicht nur die Zulassung des kommunalen<br />

Wahlrechtes, son<strong>der</strong>n auch die<br />

Erleichterung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bürgerung beziehungsweise<br />

die Gewährung <strong>der</strong> doppelten<br />

Staatsbürgerschaft für Türken, die ihren<br />

Lebensschwerpunkt <strong>in</strong> Deutschland haben.<br />

In verschiedenen regionalen Konflikten,<br />

wie z.B. im Armenien-Aserbeidschan-Konflikt<br />

sowie auch <strong>in</strong> Bosnien hat die Türkei<br />

e<strong>in</strong>e positive mo<strong>der</strong>ierende Rolle gespielt<br />

und damit gezeigt, daû sie sich den europäischen<br />

sicherheitspolitischen Überzeugungen<br />

verpflichtet fühlt. Die Tatsache, daû<br />

sich die groûe Mehrheit <strong>der</strong> türkischen<br />

Bevölkerung zum Islam bekennt, darf pr<strong>in</strong>zipiell<br />

ke<strong>in</strong> Grund se<strong>in</strong>, die Türkei von<br />

weiteren Schritten <strong>in</strong> die europäischen<br />

Strukturen auszuschlieûen.<br />

Es gibt aber unzweifelhaft noch e<strong>in</strong>e Reihe<br />

von <strong>in</strong>nen- und auûenpolitischen Problemen,<br />

die die Türkei auf dem Wege ihres<br />

europäischen Integrationsprozesses zu<br />

überw<strong>in</strong>den hat. Dazu gehören:<br />

± Defizite im Bereich <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit<br />

und <strong>der</strong> Menschenrechte.<br />

± Die friedliche Lösung des Kurdenproblems.<br />

± Die Lösung wirtschaftlicher und sozialer<br />

Fragen.<br />

± Der Abbau <strong>der</strong> Spannungen mit Griechenland.<br />

± Die Lösung <strong>der</strong> Zypern-Frage.<br />

1. Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte<br />

Die <strong>SPD</strong> bedauert, daû die von allen türkischen<br />

Regierungen seit dem Ende <strong>der</strong> letzten<br />

Militärherrschaft gemachten Versprechungen,<br />

die Verfassung zu mo<strong>der</strong>nisieren,<br />

das Strafrecht zu liberalisieren und <strong>in</strong>sgesamt<br />

mehr Rechtsstaatlichkeit herbeizuführen,<br />

<strong>in</strong> den Anfängen steckengeblieben und<br />

zu e<strong>in</strong>em groûen Teil noch nicht verwirklicht<br />

s<strong>in</strong>d. Das gröûte Problem liegt dabei<br />

im Bereich <strong>der</strong> Menschenrechte. Trotz vielfältiger<br />

staatlicher Bekenntnisse zu den<br />

Menschenrechten werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis des<br />

normalen Strafvollzuges, <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkung<br />

<strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungs- und Medienfreiheit<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausnahmesituation<br />

<strong>in</strong> den ostanatolischen Prov<strong>in</strong>zen die Menschenrechte<br />

täglich und vielfältig verletzt.<br />

Die <strong>SPD</strong> appelliert an alle Verantwortlichen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei, diese rechtsstaatlichen<br />

Defizite <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bereich, <strong>der</strong> essentiell für<br />

die Zugehörigkeit zur europäischen Wertegeme<strong>in</strong>schaft<br />

ist, abzubauen, den Menschenrechten<br />

im Alltag <strong>der</strong> Türkei Geltung<br />

zu verschaffen und den Aufbau <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />

zu för<strong>der</strong>n.<br />

2. Friedliche Lösung des Kurdenproblems<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, daû die kurdischen<br />

Bürger <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n, <strong>der</strong><br />

Region, <strong>in</strong> denen Kurden leben, das Recht<br />

auf kulturelle Selbstbestimmung und auf<br />

lokale Selbstverwaltung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> existierenden<br />

Staaten erhalten.<br />

Die <strong>SPD</strong> ist gegen Separatismus und verurteilt<br />

e<strong>in</strong>deutig den Terror <strong>der</strong> PKK. Wir<br />

55


halten diese menschenverachtende Praxis<br />

für ke<strong>in</strong> taugliches Instrument, e<strong>in</strong>en tragfähigen<br />

Frieden zwischen Türken und Kurden<br />

zu schaffen.<br />

Die <strong>SPD</strong> kritisiert, daû die Türkei seit vielen<br />

Jahren versucht, das Kurdenproblem<br />

vorwiegend durch Repression und militärische<br />

Gewalt zu lösen. Die Zerstörung von<br />

Siedlungen, <strong>der</strong> jahrelange Ausnahmezustand,<br />

das Dorfwächtersystem sowie vielfältige<br />

Methoden <strong>der</strong> Repression gegen politisch<br />

aktive Kurden können unserer<br />

Ansicht nach das Problem nicht lösen.<br />

Im Gegenteil: Wir s<strong>in</strong>d davon überzeugt,<br />

daû die Entfremdung zwischen Türken<br />

und Kurden dadurch zunimmt und separatistische<br />

Strömungen sich verschärfen. Die<br />

<strong>SPD</strong> setzt sich daher dafür e<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong><br />

türkische Staat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en konstruktiven Dialog<br />

mit allen Kurden e<strong>in</strong>tritt, die die Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> berechtigten Interessen des<br />

kurdischen Volkes <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Grenzen<br />

<strong>der</strong> Türkei auf friedlichem Wege zu erreichen<br />

versuchen.<br />

Die <strong>SPD</strong> wendet sich gegen die militärische<br />

Internationalisierung des Konflikts,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch durch türkische Interventionen<br />

im Nord-Irak. Aus diesen Gründen<br />

hat die <strong>SPD</strong> Waffenlieferungen an die<br />

Türkei im Deutschen Bundestag seit Jahren<br />

abgelehnt.<br />

3. Lösung wirtschaftlicher und sozialer<br />

Probleme<br />

Die <strong>SPD</strong> sieht mit Sorge, daû trotz Wachstums<br />

e<strong>in</strong>e Fülle nur schwer lösbarer wirtschaftlicher<br />

Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei zu<br />

e<strong>in</strong>er Situation wachsen<strong>der</strong> sozialer Spannungen<br />

führen. Daraus kann e<strong>in</strong>e Zunahme<br />

fundamentalistischer Strömungen erwachsen,<br />

was erhebliche Gefahren für die <strong>in</strong>nere<br />

Stabilität <strong>der</strong> Türkei verursachen wird.<br />

Die <strong>SPD</strong> befürchtet, daû <strong>der</strong> heute schon<br />

groûe Wan<strong>der</strong>ungsdruck von Türken <strong>in</strong> die<br />

Europäische Union aufgrund zunehmen<strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit noch zunehmen wird.<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich daher dafür e<strong>in</strong>, die<br />

deutschen und <strong>in</strong>ternationalen Entwick-<br />

56<br />

lungsanstrengungen für die Türkei zu verstärken<br />

und diese <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zur L<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen und sozialen<br />

Probleme e<strong>in</strong>zusetzen. Die Türkei ihrerseits<br />

sollte die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen verbessern,<br />

damit durch mehr Investitionen aus<br />

Europa neue Arbeitsplätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei<br />

geschaffen werden können.<br />

4. Verhältnis Türkei und Griechenland<br />

Die <strong>SPD</strong> ist <strong>der</strong> Ansicht, daû sowohl die<br />

Türkei, als auch Griechenland, die beide<br />

seit Jahrzehnten Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Behandlung ihrer<br />

Grenzkonflikte gegen den Geist und die<br />

Regeln des Bündnisses verstoûen. Der<br />

Streit um kle<strong>in</strong>e unbewohnte Inseln, um<br />

Umfang und Nutzung <strong>der</strong> Hoheitsgebiete<br />

vor den Küsten und die Eskalation gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

gerichteter militärischer Manöver<br />

hat e<strong>in</strong>e Dimension angenommen, die zu<br />

e<strong>in</strong>em Sicherheitsrisiko im östlichen Mittelmeer<br />

geworden ist.<br />

Die <strong>SPD</strong> begrüût, daû die beiden M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />

Yilmaz und Simitis nun <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en konstruktiven Dialog e<strong>in</strong>getreten<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Wir ermuntern die Führung bei<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>,<br />

die auf <strong>der</strong> Konferenz von Kreta begonnenen<br />

Gespräche weiterzuführen und schrittweise<br />

die anstehenden Probleme e<strong>in</strong>er<br />

Lösung zuzuführen.<br />

5. Das Zypern-Problem<br />

Die <strong>SPD</strong> anerkennt die Mitverantwortung<br />

<strong>der</strong> Türkei und Griechenlands zusammen<br />

mit Groûbritannien im Entkolonialisierungsprozeû<br />

<strong>der</strong> Insel Zypern. Der E<strong>in</strong>satz<br />

<strong>der</strong> Türkei im Jahr 1974 für den Schutz<br />

<strong>der</strong> türkisch-zypriotischen Bevölkerungsteile<br />

war pr<strong>in</strong>zipiell zulässig und völkerrechtlich<br />

unumstritten.<br />

Die <strong>SPD</strong> hält aber Art und Umfang <strong>der</strong><br />

seitherigen türkischen Besetzung Nord-<br />

Zyperns für überzogen und e<strong>in</strong>em friedlichen<br />

Zusammenwachsen <strong>der</strong> beiden Inselteile<br />

abträglich. Auch die türkische Siedlungspolitik<br />

und die e<strong>in</strong>seitige, von ke<strong>in</strong>em<br />

an<strong>der</strong>en Land als <strong>der</strong> Türkei anerkannte


Ausrufung e<strong>in</strong>er ¹Türkischen Republik<br />

Nord-Zypernª diente eher <strong>der</strong> Spaltung als<br />

<strong>der</strong> Zusammenführung. Die <strong>SPD</strong> kritisiert<br />

die Rüstungsanstrengungen auf beiden Seiten.<br />

Dazu gehört sowohl die unverhältnismäûige<br />

türkische Militärpräsenz, als auch<br />

die Aufrüstung <strong>der</strong> griechischen Seite,<br />

dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die geplante Stationierung<br />

von russischen Luftabwehr-Raketen<br />

und griechischen Kampfflugzeugen.<br />

Die <strong>SPD</strong> begrüût das Treffen von Denktash<br />

und Klerides sowie alle <strong>in</strong>ternationalen<br />

Initiativen, das Zypern-Problem zu entschärfen<br />

und e<strong>in</strong>er Lösung zuzuführen.<br />

Unserer Me<strong>in</strong>ung nach kann nur e<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>tes<br />

Zypern Mitglied <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union werden, <strong>in</strong> dem beide Bevölkerungsgruppen<br />

gleichberechtigt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von<br />

ihnen gewählten fö<strong>der</strong>alistischen Staatsform<br />

zusammenleben.<br />

Die <strong>SPD</strong> ermuntert daher alle Verantwortlichen<br />

sowohl auf beiden Seiten Zyperns,<br />

als auch <strong>in</strong> Ankara und Athen, alles zu<br />

unternehmen, um die Voraussetzungen zu<br />

schaffen, Zypern als ganzes ¹europafähigª<br />

zu machen. Dazu gehören als erstes vertrauensbildende<br />

Maûnahmen durch konkrete<br />

Schritte im Bereich <strong>der</strong> militärischen<br />

Abrüstung.<br />

(Überwiesen an die Kommission ¹Auûenund<br />

Sicherheitspolitikª beim Parteivorstand)<br />

Initiativantrag: 9<br />

Zur Lage <strong>in</strong> Belarus<br />

Aufgrund <strong>der</strong> aktuellen Entwicklung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Republik Belarus sieht <strong>der</strong> <strong>Parteitag</strong> sich <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Verantwortung, deutlich Stellung zu<br />

beziehen und sich solidarisch h<strong>in</strong>ter die<br />

sozialdemokratischen Genoss<strong>in</strong>nen und<br />

Genossen zu stellen.<br />

1. Die Sozialdemokratische Partei<br />

Deutschlands betrachtet mit Sorge die<br />

Entwicklung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik Belarus,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

± die fortschreitenden Repressionen <strong>der</strong><br />

Regierung gegen demokratische Parteien,<br />

Gewerkschaften und die unabhängige<br />

Presse,<br />

± die willkürliche, rechtswidrige Verurteilung<br />

gewählter Abgeordneter zu<br />

Gefängnis- und hohen Geldstrafen.<br />

2. Die <strong>SPD</strong> erklärt sich solidarisch mit den<br />

demokratischen Kräften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik<br />

Belarus und for<strong>der</strong>t den Präsidenten <strong>der</strong><br />

Republik Alexan<strong>der</strong> Lukaschenko auf,<br />

zu Rechtsstaatlichkeit, Wahrung <strong>der</strong><br />

Menschenrechte und Demokratie<br />

zurückzukehren.<br />

3. Unsere beson<strong>der</strong>e Solidarität gilt den<br />

sozialdemokratischen Genoss<strong>in</strong>nen und<br />

Genossen <strong>in</strong> Belarus. Viele von ihnen<br />

haben ihren Arbeitsplatz verloren, weil<br />

sie sich für die Wahrung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

und für rechtsstaatliche Grundsätze<br />

e<strong>in</strong>setzten; an<strong>der</strong>e wurden aus diesen<br />

Gründen zu hohen Geldstrafen o<strong>der</strong><br />

zu Gefängnisstrafen verurteilt.<br />

4. Die <strong>SPD</strong> ruft ihre Parteiglie<strong>der</strong>ungen<br />

auf, durch konkrete Hilfeleistungen<br />

praktische Solidarität zu üben, zum Beispiel<br />

durch Partnerschaften mit Ortsvere<strong>in</strong>en<br />

(Parteiglie<strong>der</strong>ungen) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik<br />

Belarus.<br />

(Angenommen)<br />

57


Europapolitik<br />

Antrag: Eu 26<br />

Parteivorstand<br />

Unsere Perspektive: Europa ±<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>iger Kont<strong>in</strong>ent des<br />

Friedens, des Wohlstands und<br />

<strong>der</strong> sozialen Sicherheit<br />

I. Die Chance für e<strong>in</strong>e neue Europapolitik<br />

II. Europa im Interesse <strong>der</strong> Menschen<br />

gestalten<br />

III. Der Vertrag von Amsterdam: Schritte<br />

<strong>in</strong> die richtige Richtung ± aber nicht<br />

weit genug<br />

IV. Wir wollen die Wirtschafts- und<br />

Währungsunion<br />

Die Wirtschafts- und Währungsunion<br />

gestalten ± unsere aktuelle politische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

V. Europa als Partner des Südens<br />

VI. Die kommenden Herausfor<strong>der</strong>ungen:<br />

Die Erweiterung <strong>der</strong> EU und die notwendigen<br />

Reformen<br />

I. Die Chance für e<strong>in</strong>e neue Europapolitik<br />

In Europa erkennen immer mehr Menschen,<br />

daû <strong>der</strong> soziale Rechtsstaat europäischer<br />

Prägung ± <strong>der</strong> <strong>in</strong> vielen Generationen<br />

von <strong>der</strong> Arbeiterbewegung erkämpft<br />

worden ist und dessen soziale Sicherungsfunktion<br />

die wirtschaftliche Entfaltung<br />

Europas <strong>in</strong> diesem Jahrhun<strong>der</strong>t überhaupt<br />

erst möglich gemacht hat ± <strong>der</strong> erfolgreichste<br />

Weg ist, um die Vorteile <strong>der</strong> Marktsteuerung<br />

zu nutzen und gleichzeitig<br />

soziale Sicherheit für alle zu gewährleisten.<br />

Auf dieser Erkenntnis gründet <strong>der</strong> Erfolg<br />

<strong>der</strong> sozialdemokratischen Parteien <strong>in</strong><br />

Europa.<br />

Die Sozialdemokratie ist heute die bestimmende<br />

politische Kraft <strong>in</strong> Europa. Seit den<br />

58<br />

Mai-Wahlen <strong>in</strong> Groûbritannien und Frankreich<br />

s<strong>in</strong>d die Sozialdemokraten und Sozialisten<br />

<strong>in</strong> Europa erstmals seit dem<br />

Abschluû <strong>der</strong> Römischen Verträge die<br />

bestimmende politische Kraft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mehrzahl<br />

<strong>der</strong> EU-Mitgliedstaaten. Immer mehr<br />

Menschen spüren am eigenen Leib, daû die<br />

Politik <strong>der</strong> Neoliberalen ke<strong>in</strong> humaner und<br />

zivilisierter Weg für die Mehrheit <strong>der</strong><br />

Menschen auf <strong>der</strong> Welt se<strong>in</strong> kann.<br />

Wenn man wie die neoliberalen Ideologen<br />

den Primat demokratischer Politik über die<br />

ökonomischen Interessen aufgibt und<br />

glaubt, an <strong>der</strong>en Stelle den sozial und ökologisch<br />

bl<strong>in</strong>den Steuerungsmechanismus<br />

Markt setzen zu können, dann führt das<br />

nicht alle<strong>in</strong> zu immer mehr Ungleichheit<br />

und sozialer Polarisierung unter den Menschen<br />

und Völkern ± auch <strong>in</strong> Europa ±, son<strong>der</strong>n<br />

auch zur Gefährdung und Auflösung<br />

<strong>der</strong> Demokratie. Das setzt nicht zuletzt den<br />

bei uns <strong>in</strong> Generationen erreichten Wohlstand<br />

aufs Spiel. Es gilt zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû<br />

Europa <strong>in</strong> Zukunft geprägt wird durch völlige<br />

Deregulierung und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />

Zerschlagung hart erkämpfter sozialer<br />

Sicherungssysteme. Die Ausrichtung auf e<strong>in</strong><br />

ausschlieûlich quantitatives Wachstum steht<br />

im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em sozial und ökologisch<br />

verantwortlichen Europa.<br />

Angesichts <strong>der</strong> neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

kann erfolgreiche Wirtschaftspolitik nicht<br />

alle<strong>in</strong> auf nationaler Ebene betrieben werden.<br />

Die humanen und demokratisch verfaûten<br />

Gesellschaften <strong>in</strong> Europa, die sich<br />

am Leitbild des sozialen Rechtsstaates<br />

orientieren, können nur bewahrt und weiterentwickelt<br />

werden, wenn sie zu europäischer<br />

E<strong>in</strong>heit f<strong>in</strong>den und damit aus eigener<br />

Kraft zu e<strong>in</strong>em machtvollen Akteur des<br />

politischen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />

Weltgeschehens werden.<br />

E<strong>in</strong> so verfaûtes und handlungsfähiges<br />

Europa, das schon heute den gröûten


Markt <strong>der</strong> Welt darstellt, kann entscheidend<br />

dazu beitragen, <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

e<strong>in</strong>en Ordnungsrahmen zu geben, <strong>der</strong> die<br />

E<strong>in</strong>führung und Beachtung sozialer und<br />

ökologischer Maûstäbe för<strong>der</strong>t und <strong>der</strong><br />

Kern für e<strong>in</strong>en sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag<br />

se<strong>in</strong> könnte, <strong>der</strong> zum Vorteil<br />

aller Menschen auf <strong>der</strong> Welt ausgedehnt<br />

werden könnte.<br />

Deshalb ist heute Europa das entscheidende<br />

Projekt sozialdemokratischer Politik.<br />

Sozialdemokratische Politik im nächsten<br />

Jahrtausend muû europäisch se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> sie<br />

wird nicht se<strong>in</strong>, weil sie sonst ihre politische<br />

Gestaltungskraft und damit das Vertrauen<br />

<strong>der</strong> Menschen verliert.<br />

Um das freie, gerechte, soziale und demokratisch<br />

legitimierte Europa zu erhalten<br />

und weiterzuentwickeln, für das Generationen<br />

vor uns gekämpft und gelitten haben,<br />

und das e<strong>in</strong>e bedeutende Hoffnung für<br />

Menschen <strong>in</strong> allen Teilen <strong>der</strong> Welt se<strong>in</strong><br />

könnte, bedarf es e<strong>in</strong>er sozialdemokratisch<br />

geführten Bundesregierung <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Sie wird alles das mit frischer Kraft und<br />

mit freiem Blick <strong>in</strong> Angriff nehmen, wozu<br />

die jetzige Bundesregierung nicht fähig ist.<br />

Die Bundesregierung aus CDU/CSU und<br />

FDP hat, wo immer sie konnte, ihre fehlerhafte<br />

Politik mit angeblich vorhandenen<br />

europäischen Zwängen zu bemänteln und<br />

zu verschleiern versucht. Dies und unbestreitbar<br />

vorhandene Mängel <strong>der</strong> EU und<br />

ihrer Institutionen haben bei vielen Menschen<br />

verständliche Skepsis und Besorgnis<br />

gegenüber <strong>der</strong> Europäischen Integration<br />

verstärkt. Die Sozialdemokratie stellt sich<br />

ihrer Verantwortung für die Menschen <strong>in</strong><br />

Deutschland und Europa: Sie will die<br />

wichtigsten Reformen vollziehen, die die<br />

Europäische Union heute braucht, um <strong>der</strong><br />

Zukunft gewachsen zu se<strong>in</strong> und um das<br />

Vertrauen <strong>der</strong> Menschen wie<strong>der</strong>herzustellen.<br />

Wir stellen die Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

an die erste Stelle <strong>der</strong> politischen<br />

Agenda. Wir wollen die Europäische<br />

Wirtschafts- und Währungsunion vollenden<br />

und die Europäische Union auch zu<br />

e<strong>in</strong>er Politischen Union, e<strong>in</strong>er Sozial- und<br />

Umweltunion weiterentwickeln.<br />

Wir wollen helfen, die E<strong>in</strong>heit Europas<br />

wie<strong>der</strong>herzustellen, die nach <strong>der</strong> deutschen<br />

Vere<strong>in</strong>igung und <strong>der</strong> Beendigung <strong>der</strong><br />

Blockkonfrontation möglich geworden ist.<br />

Es ist unsere Verantwortung, die Aufnahme<br />

neuer Mitglie<strong>der</strong> aus Mittel- und Osteuropa<br />

<strong>in</strong> die Europäische Union zu verwirklichen.<br />

Wir wollen die notwendigen Reformen <strong>der</strong><br />

EU-Institutionen, <strong>der</strong> Agrar- und Strukturpolitik<br />

<strong>der</strong> EU und ihrer F<strong>in</strong>anzierung<br />

vollziehen.<br />

Wir s<strong>in</strong>d bereit:<br />

Die <strong>SPD</strong>-geführte Deutsche Bundesregierung<br />

wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Hälfte des Jahres<br />

1999 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen,<br />

die mit den Wahlen zum Europäischen<br />

Parlament und <strong>der</strong> Neubestimmung<br />

<strong>der</strong> Europäischen Kommission endet.<br />

Wir werden unsere Reformziele Arbeit,<br />

Umweltschutz, Gleichstellung <strong>der</strong> Frauen<br />

und Schutz <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>teressen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> EU absichern.<br />

Im Jahr 2007 wird die Europäische Union<br />

50 Jahre bestehen. Es gilt, die nächsten 10<br />

Jahre zu nutzen, damit die Europäische<br />

Union auch für kommende Generationen<br />

ihre Aufgaben erfüllen kann.<br />

II. Europa im Interesse <strong>der</strong> Menschen<br />

gestalten<br />

1. Arbeitslosigkeit untergräbt die Grundlagen<br />

unserer demokratischen Gesellschaften<br />

<strong>in</strong> Europa. Auch das Projekt <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union kann sich auf Dauer nicht<br />

legitimieren, wenn es ihr nicht gel<strong>in</strong>gt,<br />

e<strong>in</strong>en erkennbaren Beitrag zum Abbau<br />

<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit zu leisten.<br />

Mit <strong>der</strong> Verankerung des Beschäftigungskapitels<br />

im Vertrag von Amsterdam ist es<br />

gelungen, e<strong>in</strong>en Anfangserfolg im Kampf<br />

um die Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> neoliberalen<br />

Ideologie zu erreichen.<br />

Die Position ¹Beschäftigungspolitik geht<br />

die EU nichts anª ist überwunden worden.<br />

59


Damit beg<strong>in</strong>nt sich das bestehende<br />

Ungleichgewicht zwischen <strong>der</strong> Vollendung<br />

des B<strong>in</strong>nenmarktes, <strong>der</strong> Währungsunion<br />

und <strong>der</strong> bisher nur unzureichend entwikkelten<br />

Politischen und Sozialen Union auszupendeln.<br />

Das Beschäftigungskapitel gibt<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union die Möglichkeit,<br />

beschäftigungsför<strong>der</strong>nde Politiken <strong>in</strong> den<br />

Mitgliedstaaten anzuregen, diese zu überprüfen<br />

und ggfs. ergänzende Maûnahmen<br />

zu ergreifen. Die Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

ist damit künftig e<strong>in</strong>e<br />

geme<strong>in</strong>same Aufgabe <strong>der</strong> Union und ihrer<br />

Mitgliedstaaten. Es besteht damit die<br />

Chance, durch e<strong>in</strong>e neue Politik <strong>der</strong> sozialen<br />

Stabilität <strong>in</strong> Europa die gleiche Bedeutung<br />

e<strong>in</strong>zuräumen wie <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Stabilität.<br />

Dies ist e<strong>in</strong> Erfolg <strong>der</strong> europäischen<br />

Sozialdemokratie und das positivste Signal<br />

des Gipfels von Amsterdam.<br />

Zur Konkretisierung <strong>der</strong> <strong>in</strong> Amsterdam<br />

beschlossenen Verpflichtung zu e<strong>in</strong>er europäischen<br />

Beschäftigungspolitik und entsprechend<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> Amsterdam gefaûten Entschlieûung<br />

über Wachstum und<br />

Beschäftigung schlägt die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e programmatische<br />

Initiative <strong>der</strong> EU und ihrer<br />

Mitgliedstaaten vor, die als ¹Beschäftigungspolitisches<br />

Aktionsprogramm <strong>der</strong><br />

EUª auch die noch nicht umgesetzten<br />

Empfehlungen des Weiûbuches zu Wachstum,<br />

Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit<br />

von Jacques Delors aufgreift und die<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen auf Wachstum und<br />

Beschäftigung ausrichtet:<br />

± Wir wollen, daû die Regierungen <strong>der</strong><br />

EU-Mitgliedstaaten e<strong>in</strong>e Ausbildungsund<br />

Beschäftigungsgarantie für Jugendliche<br />

vere<strong>in</strong>baren. Diese sollen sich<br />

verpflichten, ihre Wirtschafts- und<br />

Beschäftigungspolitik und ihre Ausbildungssysteme<br />

so auszurichten, daû ke<strong>in</strong><br />

Jugendlicher nach <strong>der</strong> Schulzeit <strong>in</strong> die<br />

Arbeitslosigkeit geschickt wird;<br />

± Die Regierungen s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, im<br />

Rat <strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister<br />

ihre ¹Grundzüge zur Wirtschaftspolitikª<br />

(Art. 103, Absatz 2 EG-Vertrag) zu<br />

e<strong>in</strong>em effektiven Instrument zur Koord<strong>in</strong>ierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />

zu entwickeln und die<br />

60<br />

¹Beschäftigungspolitische Ausrichtungª<br />

zu verstärken, wie es die beschäftigungspolitische<br />

Entschlieûung des Amsterdamer<br />

Gipfels verlangt. Das betrifft <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Bereiche <strong>der</strong> Infrastruktur<br />

(Transeuropäische Netze), <strong>der</strong> Forschungs-<br />

und Entwicklungspolitik, <strong>der</strong><br />

Strukturfonds, aber auch <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzpolitik.<br />

In <strong>der</strong> im Juli 1997 vom Rat<br />

verabschiedeten Verordnung zur ¹haushaltspolitischen<br />

Überwachungª wird ausdrücklich<br />

festgestellt, daû die Haushaltspolitik<br />

im E<strong>in</strong>klang mit den vom Rat<br />

beschlossenen ¹Grundzügen <strong>der</strong> Wirtschaftspolitikª<br />

stehen muû;<br />

± In <strong>der</strong> EU sollen endlich die zukunftsfähigen<br />

Infrastrukturmaûnahmen auf den<br />

Weg gebracht werden. Wir wollen e<strong>in</strong>e<br />

adäquate F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> transeuropäischen<br />

Netze (TEN) erreichen, wobei<br />

zunächst Planungskosten und Anschubf<strong>in</strong>anzierung<br />

aus dem EU-Haushalt<br />

gedeckt werden können;<br />

± Zwischen den EU-Mitgliedstaaten sollen<br />

Schritte zur Entlastung des Faktors<br />

Arbeit verabredet werden sowie <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> die ökologische Steuerreform,<br />

die e<strong>in</strong>en groûen Mo<strong>der</strong>nisierungsschub<br />

und Neu<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> Energieeffizienz<br />

auslösen wird;<br />

± Notwendig ist ebenso e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung<br />

<strong>der</strong> Mitgliedstaaten zur Beendigung des<br />

ru<strong>in</strong>ösen Wettlaufs um niedrige Unternehmenssteuern.<br />

Die bestehenden Steueroasen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> EU müssen endlich beseitigt<br />

werden;<br />

± EU-weite Regelungen zur Ordnung des<br />

Arbeitsmarktes sollen im H<strong>in</strong>blick auf<br />

die entstehende Informationsgesellschaft<br />

die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Arbeitszeitordnung<br />

und Arbeitsorganisation unter<br />

Wahrung arbeitsrechtlicher und Arbeitsschutz-Standards<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er hohen<br />

Beschäftigungswirkung entwickeln. Auch<br />

müssen wirksame Regelungen gegen die<br />

weitere Ausbreitung <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />

und an<strong>der</strong>er Formen ungesicherter<br />

Arbeitsverhältnisse erreicht werden;<br />

± Die Europäische Investitionsbank soll<br />

zukünftig auch über den Europäischen


Investitionsfonds Eigenkapitalersatz für<br />

<strong>in</strong>novative Betriebe bereitstellen und<br />

Zukunftstechnologieprojekte kle<strong>in</strong>er und<br />

mittlerer Unternehmen unterstützen.<br />

Dabei sollen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong>novative<br />

umwelttechnologische Entwicklungen<br />

geför<strong>der</strong>t werden;<br />

± Die Mitgliedstaaten sollen e<strong>in</strong>e Erklärung<br />

verabschieden, die die EU künftig<br />

zur Aufnahme sozialer M<strong>in</strong>deststandards<br />

<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationale Handelsverträge (Verbot<br />

<strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung, Verbot <strong>der</strong><br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit, Koalitionsfreiheit) verpflichtet;<br />

± Um mehr Druck <strong>der</strong> Europäischen<br />

Arbeitnehmerschaft <strong>in</strong> Richtung auf<br />

aktive Beschäftigungspolitik und Arbeitnehmer<strong>in</strong>teressen<br />

zu ermöglichen, müssen<br />

endlich auch soziale Grundrechte,<br />

wie z.B. die grenzüberschreitende Koalitionsfreiheit,<br />

verankert werden. Wir wollen<br />

dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Charta <strong>der</strong> europäischen<br />

Grundrechte verwirklichen.<br />

2. Der Erhalt e<strong>in</strong>er an dem Leitziel des<br />

sozialen Rechtsstaats europäischer Prägung<br />

orientierten Gesellschaft ist e<strong>in</strong>e Notwendigkeit.<br />

Die Menschen werden nämlich<br />

nur dann auf Dauer bereit se<strong>in</strong>, die unter<br />

den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Globalisierung nötigen<br />

Verän<strong>der</strong>ungen zu akzeptieren, wenn<br />

sie sich auf die Gewährleistung sozialer<br />

Sicherheit verlassen können. Die Soziale<br />

Markwirtschaft bedarf heute e<strong>in</strong>es neuen<br />

und gröûeren Ordnungsrahmens, <strong>der</strong> sich<br />

an den Grundsätzen <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />

und des sozialen Ausgleichs orientiert.<br />

Soziale und gesellschaftliche Stabilität<br />

wird daher künftig <strong>in</strong> zunehmendem<br />

Maûe über die europäische Ebene zu erreichen<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Daher ist es e<strong>in</strong> Fortschritt, daû das Sozialabkommen,<br />

das bisher nur <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es<br />

Protokolls Bestandteil des Maastricht-Vertrages<br />

war, nun von Groûbritannien voll<br />

angewandt wird und vollständig <strong>in</strong> den<br />

Amsterdamer Vertrag überführt worden ist.<br />

Damit wird endlich die Rechtsgrundlage<br />

für die Durchsetzung sozialer M<strong>in</strong>deststandards<br />

<strong>in</strong> allen Mitgliedstaaten <strong>der</strong> EU<br />

gelegt.<br />

Die Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

werden darauf h<strong>in</strong> arbeiten, für alle<br />

Mitgliedstaaten die demokratischen, sozialen<br />

und rechtsstaatlichen Grundlagen weiter<br />

zu entwickeln, um Wettbewerbs- und<br />

Chancengleichheit zu för<strong>der</strong>n und <strong>der</strong> Ausbeutung<br />

von Arbeitsmigranten durch sozial<br />

ungesicherte Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>en<br />

Riegel vorzuschieben Soziale M<strong>in</strong>deststandards<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Schwächung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit,<br />

son<strong>der</strong>n sie stärken den<br />

Standort Europa <strong>in</strong>sgesamt. Wir treten für<br />

e<strong>in</strong>e Novellierung des deutschen Entsendegesetzes<br />

e<strong>in</strong> mit dem Ziel, Generalunternehmer<br />

haftbar zu machen, wenn <strong>der</strong>en<br />

Subunternehmer die Vorschriften <strong>der</strong> Entsen<strong>der</strong>egelungen<br />

miûachten. Die europäische<br />

E<strong>in</strong>igung darf nicht mit Entdemokratisierung<br />

e<strong>in</strong>hergehen. Es muû<br />

sichergestellt werden, daû das Niveau <strong>der</strong><br />

Mitbestimmung durch europäische Regelungen<br />

nicht unterlaufen wird. Nur e<strong>in</strong><br />

Europa, <strong>in</strong> das die beschäftigten ihre Interessen<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können, ist mit sozialdemokratischen<br />

Zielvorstellungen vere<strong>in</strong>bar.<br />

Deswegen treten wir für e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />

<strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie zur E<strong>in</strong>führung europäischer<br />

Betriebsräte e<strong>in</strong> und verwahren uns<br />

gegen e<strong>in</strong>e Reduzierung <strong>der</strong> Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Ausarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es europäischen Gesellschaftsrechts.<br />

3. E<strong>in</strong>e wirkungsvolle und die Menschen<br />

überzeugende Umweltpolitik muû grenzübergreifend<br />

organisiert werden. Hohe<br />

Umweltstandards <strong>in</strong> Europa s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong><br />

Wettbewerbsnachteil. Sie sichern im<br />

Gegenteil die Zukunft Europas im weltweiten<br />

Wettbewerb.<br />

Gerade <strong>in</strong> Deutschland haben strenge<br />

Umweltauflagen Arbeitsplätze gebracht.<br />

E<strong>in</strong>e konsequente europäische Umweltpolitik<br />

ist e<strong>in</strong> Beschäftigungsfaktor, die daraus<br />

resultierenden Technologien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wertvolles<br />

Exportgut. Deshalb ist es gut, daû<br />

das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Präambel als Leitpr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> EU-<br />

Politik verankert wurde. Dies darf ke<strong>in</strong>e<br />

folgenlose Ankündigung bleiben. In <strong>der</strong><br />

Umweltpolitik muû die EU zukünftig bei<br />

allen Maûnahmen e<strong>in</strong> hohes Maû an<br />

Umweltschutz und die Verbesserung <strong>der</strong><br />

61


Qualität <strong>der</strong> Umwelt sicherstellen. Hier<br />

besteht weiterer Reformbedarf. Die <strong>SPD</strong><br />

will als wirksames Steuerungsmittel zum<br />

Schutz <strong>der</strong> Umwelt die E<strong>in</strong>führung von<br />

umweltorientierten, verbrauchsabhängigen<br />

Steuern im EU-Rahmen. E<strong>in</strong>e am Umweltschutz<br />

orientierte Steuerpolitik muû<br />

gewährleisten, daû Unternehmen und Bürger<br />

<strong>in</strong> allen EU-Län<strong>der</strong>n gleichermaûen<br />

belastet werden.<br />

4. Um e<strong>in</strong>e Klimakatastrophe mit zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

darf <strong>der</strong> Ausstoû von CO 2 und<br />

an<strong>der</strong>en Klimagasen im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

nicht weiter steigen, son<strong>der</strong>n muû kont<strong>in</strong>uierlich<br />

reduziert werden. E<strong>in</strong>e Neuorientierung<br />

<strong>der</strong> Energiepolitik ist daher<br />

unumgänglich. Im Energie-Mix <strong>der</strong><br />

Zukunft muû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren<br />

Energiequellen erheblich gesteigert werden.<br />

Neben e<strong>in</strong>er Politik zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Energieeffizienz ist e<strong>in</strong>e konsequente<br />

Politik zur Verbreitung <strong>der</strong> erneuerbaren<br />

Energien notwendig. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Industrielän<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d aufgerufen, den E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> das Solarzeitalter zu beg<strong>in</strong>nen.<br />

Die Umstellung <strong>der</strong> Energieerzeugung auf<br />

erneuerbare Energiequellen ist daher e<strong>in</strong>e<br />

umwelt-, forschungs-, technologie- und<br />

<strong>in</strong>dustriepolitische Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

Mit Blick auf das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t ist e<strong>in</strong><br />

neuer Abschnitt <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen europäischen<br />

Energiepolitik notwendig. Europa<br />

muû zu e<strong>in</strong>em weltweiten Modell für e<strong>in</strong>e<br />

nachhaltige Entwicklung werden. Der E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> das Solarzeitalter ist dabei e<strong>in</strong> strategischer<br />

Punkt zur Erreichung von<br />

Zukunftsfähigkeit.<br />

Der Ausbau <strong>der</strong> erneuerbaren Energien<br />

bietet mehrere Vorteile: Neue Technologien<br />

geben Impulse für die europäische<br />

Wirtschaft, die dezentrale Nutzung dieser<br />

Energien för<strong>der</strong>t die mittelständische Industrie<br />

und das Handwerk, die Schaffung von<br />

Arbeitsplätzen ist höher als bei an<strong>der</strong>en<br />

Energiearten und die erneuerbaren Energien<br />

bieten wachsende Exportchancen. So<br />

haben ca. 2 Milliarden Menschen auf <strong>der</strong><br />

Welt ke<strong>in</strong>en Zugang zu Elektrizität. Erneuerbare<br />

Energien s<strong>in</strong>d deshalb e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />

für Europa, noch enger mit den<br />

62<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n zusammenzuarbeiten.<br />

Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d von Natur aus<br />

unerschöpfliche und heimische Energiequellen.<br />

In den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union s<strong>in</strong>d die Potentiale von W<strong>in</strong>d, Wasser,.<br />

Solarthermie, Photovoltaik, Biomasse,<br />

Erdwärme, Gezeiten- und Wellenenergie<br />

um e<strong>in</strong> Mehrfaches gröûer als <strong>der</strong> jährliche<br />

Energieverbrauch.<br />

E<strong>in</strong> klares Ziel zur umfassenden För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> erneuerbaren Energien ist e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Botschaft an die Wissenschaft und die<br />

Wirtschaft, an die Investoren und Kreditgeber<br />

sowie an die gesamte Bevölkerung<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die junge Generation.<br />

Die Europäische Union soll aus unserer<br />

Sicht dieses klare Ziel vorgeben: Die Energieversorgung<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union<br />

muû bis zum Jahre 2050 zu 50 % auf<br />

erneuerbare Energien umgestellt werden.<br />

Als erster Schritt sollte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

erneuerbaren Energien am Energieverbrauch<br />

von <strong>der</strong>zeit 5 % auf 15 % am Energieverbrauch<br />

im Jahre 2010 gesteigert werden.<br />

5. Die Öffnung <strong>der</strong> Grenzen und <strong>der</strong> freie<br />

Warenverkehr haben bei vielen Menschen<br />

die Sorge ausgelöst, daû Qualitäts- und<br />

Gesundheitsschutz bee<strong>in</strong>trächtigt würden.<br />

Lebensmittelskandale wie BSE und unzureichende<br />

Schutzregelungen wie z.B. bei<br />

<strong>der</strong> Bestrahlung o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Genmanipulation<br />

beschädigen das Vertrauen <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />

und Verbraucher <strong>in</strong> die<br />

Europäische Politik. Die <strong>SPD</strong> will, daû <strong>in</strong><br />

Zukunft Verbraucherschutz und Gesundheitsschutz<br />

absolute Priorität erhalten.<br />

Die <strong>SPD</strong> begrüût daher, daû <strong>der</strong> Vertrag<br />

von Amsterdam die EU und ihre Mitgliedstaaten<br />

auf e<strong>in</strong> hohes Niveau des Verbraucherschutzes<br />

und des Gesundheitsschutzes<br />

verpflichtet.<br />

Zum ersten Mal wird Bürgern und Bürger<strong>in</strong>nen<br />

auf <strong>der</strong> Europäischen Ebene e<strong>in</strong><br />

Recht auf Information, Aufklärung und Bildung<br />

von Verbrauchervere<strong>in</strong>igungen zur<br />

Wahrung ihrer Interessen zugebilligt.


Damit wird endlich e<strong>in</strong>e eigenständige Verbraucherpolitik<br />

möglich, die nicht mehr<br />

nur e<strong>in</strong>e Begleitmaûnahme des B<strong>in</strong>nenmarktes<br />

se<strong>in</strong> muû. Die Verbraucherpolitik<br />

wird jetzt, ähnlich wie die Umweltpolitik,<br />

e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe <strong>der</strong> EU se<strong>in</strong>.<br />

Jetzt kommt es darauf an, die neuen Regelungen<br />

mit Leben zu erfüllen und die<br />

Rechte und Interessen <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />

und Verbraucher durchzusetzen. Dazu<br />

gehört die Wahrung <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>teressen<br />

bei F<strong>in</strong>anzdienstleistungen, bei Überschuldung<br />

und zum Schutz ihrer Gesundheit.<br />

Die Menschen werden sich dabei auf<br />

die <strong>SPD</strong> verlassen können.<br />

6. Obwohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit die Europäischen<br />

Rechtssetzungen oft das Schutzniveau<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Län<strong>der</strong>n verbesserten,<br />

muûten wir erleben, daû <strong>der</strong> Europäische<br />

Gerichtshof fortschrittliche Län<strong>der</strong>gesetze<br />

zur Gleichstellung von Frauen im Berufsleben<br />

als unvere<strong>in</strong>bar mit dem Europäischen<br />

Recht bezeichnete und ¾n<strong>der</strong>ungen<br />

verlangte. Daher ist es richtig, daû jetzt<br />

e<strong>in</strong>e unmiûverständliche Regelung <strong>in</strong> den<br />

EU-Vertrag aufgenommen wurde, die die<br />

Rechtmäûigkeit dieser För<strong>der</strong>mechanismen<br />

festschreibt und das gesellschaftliche Ziel<br />

<strong>der</strong> Gleichstellung ausdrücklich verankert.<br />

Entschiedenes sozialdemokratisches Engagement<br />

aus den EU-Mitgliedslän<strong>der</strong>n hat<br />

erreicht, daû Gleichstellungspolitik mit<br />

dem Amsterdamer Vertrag auch EU-Vertragsgrundlage<br />

wird. Der Vertrag schreibt<br />

nunmehr vor, ¹Ungleichheiten zu beseitigen<br />

und die Gleichstellung von Männern<br />

und Frauen zu för<strong>der</strong>nª.<br />

Die <strong>SPD</strong> will mithelfen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU durch<br />

e<strong>in</strong>e progressive Politik <strong>der</strong> Gleichstellung<br />

von Männern und Frauen e<strong>in</strong> Modell zu<br />

entwickeln, das restaurativen Tendenzen <strong>in</strong><br />

manchen Nationalstaaten entgegen wirkt.<br />

7. Das Europäische Parlament muû aus<br />

unserer Sicht alle Rechte erhalten, die<br />

e<strong>in</strong>er von <strong>der</strong> europäischen Bevölkerung<br />

gewählten parlamentarischen Vertretung<br />

zukommen. Mit dem Vertrag von Amsterdam<br />

s<strong>in</strong>d die Rechte des Europäischen Parlamentes<br />

deutlich erweitert worden. Das<br />

Verfahren <strong>der</strong> Mitentscheidung <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU-<br />

Gesetzgebung wurde um 14 politische Fel<strong>der</strong><br />

erweitert. Diese erweiterten Rechte des<br />

Parlaments müssen jetzt im Interesse <strong>der</strong><br />

Menschen <strong>in</strong> Europa wirkungsvoll e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden.<br />

Die Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

setzen sich für e<strong>in</strong>e Europäische<br />

Union im Interesse <strong>der</strong> Menschen e<strong>in</strong>. Sie<br />

haben durch beharrliche Arbeit Verbesserungen<br />

auf vielen politischen Gebieten wie<br />

<strong>der</strong> Sozialpolitik (z.B. durch die Entsen<strong>der</strong>ichtl<strong>in</strong>ie)<br />

und beim Gesundheitsschutz<br />

(z. B. durch scharfe Kontrollen zum Schutz<br />

vor <strong>der</strong> Ausbreitung <strong>der</strong> R<strong>in</strong><strong>der</strong>seuche<br />

BSE) erreicht. Die Unterstützung <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong>-Abgeordneten bei den Wahlen zum<br />

Europäischen Parlament ist e<strong>in</strong>e Garantie<br />

für e<strong>in</strong>e an den Interessen <strong>der</strong> Menschen<br />

orientierte Europapolitik.<br />

8. Die EU sollte den Städten und<br />

Geme<strong>in</strong>den und den Län<strong>der</strong>n und Regionen<br />

die Aufgaben überlassen, die diese besser<br />

wahrnehmen können. Diese Perspektive<br />

ist im Subsidiaritäts-Protokoll, das im<br />

Rahmen des Vertrages von Amsterdam<br />

vere<strong>in</strong>bart wurde, verankert. Auf viele<br />

Fragen können die Mitgliedstaaten und<br />

die Regionen aber alle<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e wirkungsvolle<br />

Antwort mehr geben. Vielen Anliegen<br />

<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger kann<br />

nur noch durch e<strong>in</strong> europäisches Vorgehen<br />

entsprochen werden.<br />

Ebenso wie die <strong>SPD</strong> allen Ansätzen zu<br />

e<strong>in</strong>er Renationalisierung europäischer Politik<br />

e<strong>in</strong>e Absage erteilt, tritt sie nachdrücklich<br />

für den Erhalt und die Stärkung des<br />

Handlungs- und Gestaltungsspielraums <strong>der</strong><br />

Regionen e<strong>in</strong>. Die Stärkung <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union und die Stärkung <strong>der</strong> Regionen<br />

s<strong>in</strong>d zwei Seiten <strong>der</strong>selben Medaille.<br />

Nur bei gleichzeitiger Stärkung <strong>der</strong> bürgernahen<br />

Politik und damit <strong>der</strong> Partizipation<br />

<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger an politischen<br />

Entscheidungen werden die Menschen die<br />

fortschreitende Europäisierung und Internationalisierung<br />

politischer Strukturen<br />

akzeptieren und teilen können. Dazu<br />

gehört auch, daû bürokratische Verfahren<br />

63


o<strong>der</strong> auch Überregulierungen <strong>in</strong> den EU-<br />

Institutionen beendet werden.<br />

Grenzüberschreitende Zusammenhänge<br />

gew<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>e immer gröûere<br />

Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, daû die<br />

Menschen, gesellschaftliche Gruppen,<br />

Kommunen und Regionen <strong>in</strong> Europa<br />

immer stärker den Dialog mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufnehmen.<br />

Ziel ist es, durch den Aufbau demokratischer<br />

Arbeits- und Entscheidungsstrukturen<br />

<strong>in</strong> grenzüberschreitenden Zusammenhängen<br />

geme<strong>in</strong>same Politik orts- und<br />

zeitnah zu ermöglichen und nachvollziehbar<br />

zu gestalten.<br />

III. Der Vertrag von Amsterdam: Schritte<br />

<strong>in</strong> die richtige Richtung ± aber nicht<br />

weit genug<br />

Im Vertrag von Amsterdam wurden, wie<br />

dargestellt, zahlreiche positive Verän<strong>der</strong>ungen<br />

gegenüber dem Vertrag von Maastricht<br />

verankert. Die Europäische Union hat stärkere<br />

Kompetenzen für Beschäftigung, das<br />

Sozialabkommen ist <strong>in</strong>tegriert, das Profil<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union konnte im<br />

Umweltschutz, beim Gesundheits- und<br />

Verbraucherschutz und bei <strong>der</strong> Geschlechtergleichstellung<br />

geschärft werden. Das<br />

Europäische Parlament ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />

Gew<strong>in</strong>ner <strong>der</strong> Vertragsrevision. Das weiterh<strong>in</strong><br />

bestehende Demokratiedefizit <strong>der</strong><br />

Europäischen Union konnte damit gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

werden.<br />

Diese Gesamtbewertung führt dazu, daû<br />

die Sozialdemokratie den Vertrag von<br />

Amsterdam im Deutschen Bundestag und<br />

im Bundesrat ratifizieren wird. Diese Ratifizierung<br />

bedarf e<strong>in</strong>er Zweidrittelmehrheit.<br />

Wir kritisieren am Vertrag von Amsterdam,<br />

daû nicht zuletzt aufgrund des Verhaltens<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung die Reform <strong>der</strong> europäischen<br />

Institutionen nicht im notwendigen<br />

Umfang vollzogen wurde. Die Europäische<br />

Kommission konnte nicht verkle<strong>in</strong>ert,<br />

die Stimmgewichtung im Rat nicht verän<strong>der</strong>t,<br />

e<strong>in</strong> echter Durchbruch zu mehr<br />

Mehrheitsentscheidungen nicht erreicht<br />

werden. Der Vertrag von Amsterdam<br />

macht die EU damit noch nicht erweite-<br />

64<br />

rungsfähig. Es besteht damit die Gefahr,<br />

daû sich <strong>der</strong> Beitritt <strong>der</strong> mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten verzögert, da sich nun<br />

erneut e<strong>in</strong>e Regierungskonferenz mit den<br />

notwendigen Reformen <strong>der</strong> EU-Institutionen<br />

wird beschäftigen müssen.<br />

Aber den Vertrag von Amsterdam wegen<br />

dieses gravierenden Mangels nicht zu ratifizieren,<br />

würde den Mangel nicht beseitigen:<br />

Der Vertrag von Maastricht bliebe unverän<strong>der</strong>t.<br />

Die <strong>SPD</strong> bedauert, daû sich die Europäischen<br />

Staats- und Regierungschefs nicht<br />

darauf gee<strong>in</strong>igt haben, dem Europäischen<br />

Parlament und den nationalen Parlamenten<br />

den Auftrag zur Ausarbeitung e<strong>in</strong>er Europäischen<br />

Grundrechtscharta zu erteilen.<br />

Mit e<strong>in</strong>em solchen Auftrag wäre e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Etappe e<strong>in</strong>geleitet worden, die bisherige<br />

Wirtschaftsgeme<strong>in</strong>schaft auf e<strong>in</strong>e Wertegeme<strong>in</strong>schaft<br />

h<strong>in</strong> zu entwickeln. Auch<br />

nach dem neuen Art. F des EU-Vertrages<br />

bezieht sich <strong>der</strong> Grundrechtsgehalt des<br />

Vertrages auf die Achtung <strong>der</strong> Grundrechte<br />

nach <strong>der</strong> Europäischen Konvention zum<br />

Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten.<br />

In Bezug auf den Grundrechtsteil<br />

des Kapitel 1 im ersten Abschnitt des<br />

Amsterdamer Vertrages ist jedoch positiv<br />

hervorzuheben, daû neue, geson<strong>der</strong>te<br />

Grundrechtsartikel formuliert wurden, die<br />

eigene, für die EU verb<strong>in</strong>dliche Grundrechte,<br />

z.B. bei <strong>der</strong> Gleichstellung von<br />

Frauen, bestimmen.<br />

Die <strong>SPD</strong> hat sich immer für die Vergeme<strong>in</strong>schaftung<br />

<strong>der</strong> Bereiche Asyl, Visa,<br />

E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung und Kontrolle an den<br />

Auûengrenzen e<strong>in</strong>gesetzt. Daher ist es<br />

s<strong>in</strong>nvoll, daû diese Aufgaben <strong>in</strong> den sogenannten<br />

ersten Pfeiler des Vertrages übertragen<br />

werden. An<strong>der</strong>erseits hat e<strong>in</strong>e Mehrheit<br />

<strong>der</strong> Mitgliedstaaten unter aktiver<br />

Beteiligung <strong>der</strong> Bundesregierung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,<br />

daû <strong>in</strong> diesem Bereich Mehrheitsentscheidungen<br />

zur Anwendung kommen und<br />

damit auch Mitentscheidungsrechte des<br />

Europäischen Parlamentes verwirklicht<br />

werden. Der Deutsche Bundestag und <strong>der</strong><br />

Bundesrat müssen daher im Verfahren <strong>der</strong><br />

Ratifizierung sicherstellen, daû zukünftig


die Bundesregierung bei den Abstimmungen<br />

im M<strong>in</strong>isterrat, die weiterh<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stimmigkeit<br />

erfor<strong>der</strong>n, nur Entscheidungen<br />

treffen kann, die zuvor im Deutschen Bundestag<br />

e<strong>in</strong> positives Votum gefunden<br />

haben. Dies gilt auch bei den sogenannten<br />

Quasi-Richtl<strong>in</strong>ien für den Bereich <strong>der</strong> zwischenstaatlichen<br />

Zusammenarbeit im Dritten<br />

Pfeiler des EU-Vertrags.<br />

Dem Europäischen Parlament müssen <strong>in</strong><br />

Bezug auf die Tätigkeit von Europol fundierte<br />

parlamentarische Kontrollbefugnisse<br />

gewährt werden. Dies ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die anstehenden Beratungen,<br />

Europol weitere operative Befugnisse bzw.<br />

langfristig auch hoheitliche Aufgaben mit<br />

exekutiven Befugnissen zu verleihen, von<br />

entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. Um e<strong>in</strong>e auch<br />

rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende<br />

Kontrolle dieses Strafverfolgungsorgans<br />

zu gewährleisten, ist es erfor<strong>der</strong>lich,<br />

allen betroffenen Bürgern die Möglichkeit<br />

zu eröffnen, Entscheidungen dieser Polizeibehörde<br />

gerichtlich überprüfen zu lassen.<br />

Es bedarf demnach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />

Individualklagerechts <strong>der</strong> Betroffenen zum<br />

Europäischen Gerichtshof. Die Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> EU-Mitgliedstaaten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Rechtspolitik muû kont<strong>in</strong>uierlich weiter<br />

ausgebaut werden. Wirksame Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alität setzt zügiges Handeln voraus.<br />

Notwendig ist daher e<strong>in</strong>e stärkere<br />

Kooperation u.a. <strong>in</strong> den Bereichen <strong>der</strong><br />

Bekämpfung des Mädchen- und Frauenhandels,<br />

<strong>der</strong> Schleuserbanden, des Drogenhandels,<br />

<strong>der</strong> Umweltkrim<strong>in</strong>alität, des organisierten<br />

Verbrechens, des illegalen<br />

Handels und des Diebstahls radioaktiven<br />

nuklearen Materials.<br />

Die im Vertrag von Amsterdam erzielten<br />

Bestimmungen im Bereich <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>samen<br />

Auûen- und Sicherheitspolitik (GASP)<br />

gehen aus unserer Sicht nicht weit genug.<br />

Die Kompetenzen s<strong>in</strong>d nicht erweitert, die<br />

Handlungsfähigkeit <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union ist nicht grundlegend gestärkt, die<br />

Integration nicht vertieft worden. Im<br />

Grunde verbleibt die Geme<strong>in</strong>same Auûenund<br />

Sicherheitspolitik <strong>in</strong> <strong>der</strong> zwischenstaatlichen<br />

Zusammenarbeit.<br />

E<strong>in</strong>zelne Schritte, die im neuen Vertrag<br />

enthalten s<strong>in</strong>d, f<strong>in</strong>den unsere ausdrückliche<br />

Unterstützung, wie die E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong><br />

vorgesehenen Planungs- und Analysee<strong>in</strong>heit,<br />

die e<strong>in</strong>en Beitrag zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

von Krisen, Konflikten und möglichen<br />

Kriegen leisten soll.<br />

Es bleibt die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Europäischen Politischen Union<br />

die Geme<strong>in</strong>same Auûen- und Sicherheitspolitik<br />

zu vergeme<strong>in</strong>schaften. Dies kann letztlich<br />

auch europäisch <strong>in</strong>tegrierte Streitkräfte<br />

bedeuten. Damit würde <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Mitgliedstaaten e<strong>in</strong>e drastische Abrüstung<br />

möglich werden, die Zahl <strong>der</strong> Soldaten<br />

gegenüber dem heutigen Stand würde<br />

erheblich reduziert und die Militärausgaben<br />

könnten drastisch reduziert werden. Es ist<br />

nicht e<strong>in</strong>zusehen, daû <strong>in</strong> den westeuropäischen<br />

NATO-Mitgliedstaaten etwa zwei<br />

Millionen Soldaten Waffendienst leisten,<br />

wenn demnächst die mittel- und osteuropäischen<br />

Staaten Teil <strong>der</strong> EU werden. E<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong>artig hohe Zahl von Soldaten stellt e<strong>in</strong>en<br />

Anachronismus dar. E<strong>in</strong>e europäische<br />

Atomstreitmacht lehnen wir ab. Wir verlangen<br />

e<strong>in</strong>e umfassende atomare Abrüstung.<br />

IV. Wir wollen die Wirtschafts- und Währungsunion.<br />

Die Wirtschafts- und<br />

Währungsunion gestalten ± unsere<br />

aktuelle politische Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

Die Wirtschafts- und Währungsunion ist<br />

e<strong>in</strong>e Antwort auf die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

globalisierten F<strong>in</strong>anzmärkte. Sie läût <strong>in</strong><br />

Europa schon durch die Gröûe des Wirtschaftsraumes<br />

e<strong>in</strong>en relevanten Machtfaktor<br />

auf den globalisierten F<strong>in</strong>anzmärkten entstehen.<br />

Damit ist die EWWU e<strong>in</strong>e Chance<br />

für ausgewogenere Weltwährungsbeziehungen,<br />

<strong>in</strong>dem die Abhängigkeit <strong>der</strong> Teilnehmerlän<strong>der</strong><br />

von den real- und geldwirtschaftlichen<br />

Entwicklungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Welthandelsregionen s<strong>in</strong>kt. Die Europäische<br />

Wirtschafts- und Währungsunion ist<br />

daher e<strong>in</strong> Instrument für e<strong>in</strong> neues Gleichgewicht<br />

gegenüber <strong>der</strong> US-amerikanischen<br />

Konjunktur- und F<strong>in</strong>anzpolitik sowie<br />

gegenüber Japan und <strong>der</strong> südostasiatischen<br />

Wachstumsregion und trägt so zu e<strong>in</strong>er<br />

gröûeren Selbstbehauptung Europas bei.<br />

65


Zwischen Regierung und Opposition<br />

besteht E<strong>in</strong>igkeit darüber, die Währungsunion<br />

als weiteren Schritt <strong>der</strong> Europäischen<br />

Integration zu befürworten. E<strong>in</strong><br />

scharfer Wi<strong>der</strong>spruch besteht aber darüber,<br />

was mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>samen<br />

Währung erreicht werden soll. Die<br />

Bundesregierung benutzt die Europäische<br />

Wirtschafts- und Währungsunion als Mittel,<br />

um Sozialkürzungen durchzusetzen.<br />

Damit verschärft sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz die<br />

Massenarbeitslosigkeit und erhöht die<br />

Staatsverschuldung. Diese Politik fortzusetzen,<br />

kann zum Verfall <strong>der</strong> EU und zu weiterer<br />

Renationalisierung führen sowie zu<br />

weiterem Verlust des Vertrauens <strong>der</strong> Menschen<br />

<strong>in</strong> die Europäische Union. Diese<br />

Politik verstellt damit den e<strong>in</strong>zigen Ausweg,<br />

<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Situation des drohenden<br />

Verlustes <strong>der</strong> Handlungsfähigkeit unter den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Globalisierung überhaupt<br />

existiert. Die falsche Wirtschaftspolitik <strong>der</strong><br />

Bundesregierung kann nicht durch die Verschiebung<br />

<strong>der</strong> Dritten Stufe <strong>der</strong> Europäischen<br />

Wirtschafts- und Währungsunion<br />

korrigiert werden, son<strong>der</strong>n nur durch die<br />

Ablösung <strong>der</strong> Bundesregierung selbst.<br />

Unsere Alternative besteht dar<strong>in</strong>, den<br />

EURO als Instrument e<strong>in</strong>er auf Beschäftigung<br />

orientierten Währungs- und Wirtschaftspolitik<br />

e<strong>in</strong>zusetzen und zu nutzen.<br />

Für die Geldpolitik ist die Europäische<br />

Zentralbank zuständig. E<strong>in</strong>e wirkungsvolle<br />

europäische Beschäftigungspolitik bedarf<br />

<strong>der</strong> vorausschauenden Koord<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong><br />

nationalen Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-und<br />

Beschäftigungspolitik gemäû den Vorgaben<br />

des Vertrags von Amsterdam. Der Rat <strong>der</strong><br />

Sozial-, Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister<br />

muû hierfür unter Beteiligung des Europäischen<br />

Parlamentes Leitl<strong>in</strong>ien erarbeiten.<br />

Die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um die Auslegung<br />

<strong>der</strong> Konvergenzkriterien wird so gleichsam<br />

zu e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um die<br />

Zukunft des sozialstaatlichen Gesellschaftsvertrags.<br />

Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und<br />

Sozialdemokraten wollen die Europäische<br />

Wirtschafts- und Währungsunion für<br />

Wachstum und Beschäftigung nutzen. Die<br />

66<br />

Europäische Wirtschafts- und Währungsunion<br />

ist e<strong>in</strong>e Chance, unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

globalisierter F<strong>in</strong>anzmärkte Steuerungsfähigkeit<br />

zurückzugew<strong>in</strong>nen.<br />

Denn <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmarkt als e<strong>in</strong>zig wirklich<br />

globalisierter Markt schränkt heute die<br />

Souveränität <strong>der</strong> Nationalstaaten durch das<br />

Zusammenwirken <strong>der</strong> hoch verflochtenen<br />

Geld- und Währungsmärkte e<strong>in</strong>.<br />

Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion<br />

ist auch e<strong>in</strong> Instrument gegen<br />

Währungsspekulation und Wechselkursschwankungen.<br />

Wechselkursschwankungen s<strong>in</strong>d nach Aussagen<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts<strong>in</strong>stitute <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

für den Verlust von tausenden<br />

von Arbeitsplätzen <strong>in</strong> Deutschland verantwortlich.<br />

Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion<br />

wird den europäischen B<strong>in</strong>nenmarkt<br />

vollenden und somit verbesserte<br />

Chancen für exportorientierte Volkswirtschaften<br />

wie die <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland schaffen. Ohne e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

Währung lassen sich nicht alle Vorteile<br />

aus dem Geme<strong>in</strong>samen Markt entwikkeln.<br />

Diese Vorteile bestehen nicht nur <strong>in</strong><br />

den dann wegfallenden Umtauschkosten.<br />

Die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Währung wird auch dazu führen, daû<br />

Wechselkursschwankungen nicht mehr zur<br />

Verfälschung <strong>der</strong> wahren Wettbewerbsverhältnisse<br />

führen. Dies kann sich positiv auf<br />

die Auûenhandelsbeziehungen und das mittel-<br />

und langfristige Investitionsverhalten<br />

auswirken. Es verlangt aber auch b<strong>in</strong>nenwirtschaftliche<br />

Anpassungsmaûnahmen,<br />

damit bei sektoralen o<strong>der</strong> gesamtwirtschaftlichen<br />

Störungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedslän<strong>der</strong>n<br />

nicht die gesamten Lasten von den<br />

Arbeitnehmern und Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

durch Bee<strong>in</strong>trächtigung ihrer Beschäftigungs-<br />

und E<strong>in</strong>kommenschancen getragen<br />

werden müssen.<br />

Für die Verwirklichung <strong>der</strong> dritten Stufe<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts- und Währungsunion gibt<br />

<strong>der</strong> Maastricht-Vertrag Konvergenzkriterien<br />

vor, die Inflationsbegrenzung, Z<strong>in</strong>sstabilität,<br />

verantwortliche Haushaltsführung


und maûvolle Staatsverschuldung be<strong>in</strong>halten.<br />

Im Prozeû <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> im<br />

Maastricht-Vertrag festgehaltenen Konvergenzkriterien<br />

ist viel für die Währungsstabilität<br />

<strong>in</strong> den Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union erreicht worden. Der durch<br />

den Maastricht-Vertrag e<strong>in</strong>geleitete Konvergenzprozeû<br />

hat zu e<strong>in</strong>er stark verbesserten<br />

Preisstabilität <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Europäischen Union geführt. Das Z<strong>in</strong>sniveau<br />

hat sich <strong>in</strong> ähnlich positiver Form<br />

entwickelt. Ebenso s<strong>in</strong>d heute die Wechselkurse<br />

zwischen vielen EU-Mitgliedstaaten<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohem Maû stabil. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

dieser monetären Kriterien ist <strong>in</strong>zwischen<br />

e<strong>in</strong>e so weitgehende Konvergenz zwischen<br />

e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von EU-Mitgliedstaaten<br />

erreicht, wie sie durch den Maastricht-<br />

Vertrag verwirklicht werden sollte.<br />

Die Bundesregierung <strong>in</strong>terpretiert jedoch<br />

das Defizitkriterium nicht vertragsgerecht,<br />

<strong>in</strong>dem sie den im Vertrag angelegten möglichen<br />

Spielraum nicht ausreichend ausschöpft.<br />

Die <strong>SPD</strong> befürwortet die vertragsgerechte<br />

Verwirklichung <strong>der</strong> Dritten Stufe <strong>der</strong><br />

Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion<br />

e<strong>in</strong>schlieûlich des Zeitplans. Die vertragsgerechte<br />

Verwirklichung <strong>der</strong> dritten<br />

Stufe <strong>der</strong> Europäischen Wirtschafts- und<br />

Währungsunion e<strong>in</strong>schlieûlich des Zeitplanes<br />

ist von zentraler Bedeutung. Bisher<br />

wurde meist nur über den Schaden gesprochen,<br />

<strong>der</strong> bei e<strong>in</strong>er zu weichen Auslegung<br />

<strong>der</strong> Konvergenzkriterien entstehen könnte.<br />

Der Stellenwert <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung des Zeitplans<br />

ergibt sich aber aus <strong>der</strong> Tatsache, daû<br />

e<strong>in</strong>e Verschiebung <strong>der</strong> Währungsunion<br />

deutlichen politischen und ökonomischen<br />

Schaden zur Konsequenz hätte.<br />

Wenn die Bundesregierung die Dritte Stufe<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts- und Währungsunion verschieben<br />

will, weil sie nicht im Stande ist,<br />

die von ihr selbst formulierten Kriterien zu<br />

erfüllen, muû sie dies gegenüber den Bürgern<br />

und Bürger<strong>in</strong>nen offen bekennen. Sie<br />

trägt dann auch die Verantwortung für den<br />

entstehenden politischen und ökonomischen<br />

Schaden.<br />

Wir wollen sicherstellen, daû <strong>der</strong> nationalen<br />

Stabilisierungspolitik mehr Spielraum<br />

<strong>in</strong> konjunkturellen Schwächephasen zugestanden<br />

wird und gleichzeitig Anreize<br />

geboten o<strong>der</strong> Vorgaben gemacht werden<br />

zur Rückführung <strong>der</strong> Staatsverschuldung<br />

im Falle e<strong>in</strong>er anhaltenden Wachstumsphase.<br />

Gerade weil die <strong>SPD</strong> für die Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Europäischen Wirtschafts- und<br />

Währungsunion ist, setzen wir uns dafür<br />

e<strong>in</strong>, daû alle diejenigen, die sich heute Sorgen<br />

machen, umfassend über die praktischen<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> Währungsumstellung<br />

<strong>in</strong>formiert werden: Die Rentner<strong>in</strong>nen<br />

und Rentner, die Sparer, die Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />

und Verbraucher. Die Umstellung<br />

auf den EURO kann nur dann Akzeptanz<br />

f<strong>in</strong>den, wenn die vorhandenen Befürchtungen<br />

frühzeitig ausgeräumt werden. Die<br />

Diskussion über den EURO nur aus <strong>der</strong><br />

Sicht <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

erreicht die meisten Menschen nicht.<br />

Die <strong>SPD</strong> tritt daher dafür e<strong>in</strong>, daû die<br />

F<strong>in</strong>anzmittel, die die Bundesregierung mit<br />

Werbung für den EURO ausgibt<br />

(17 Mio. DM <strong>in</strong> 1997), den Städten und<br />

Geme<strong>in</strong>den sowie den Verbraucherzentralen<br />

zur Verfügung gestellt werden, um<br />

damit wirkliche Information für Bürger<br />

und Bürger<strong>in</strong>nen vor Ort über die praktischen<br />

Fragen <strong>der</strong> Umstellung zu leisten<br />

(EURO-Ombudsmann).<br />

Es existieren bei den Menschen berechtigte<br />

Befürchtungen, daû es im Rahmen <strong>der</strong><br />

Währungsumstellung zu verdeckten Erhöhungen<br />

von Preisen und Gebühren kommt.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist es verständlich,<br />

daû die Verbraucherverbände für e<strong>in</strong>e<br />

Übergangsphase von sechs Monaten vor<br />

<strong>der</strong> Umstellung und sechs Monaten nach<br />

<strong>der</strong> Umstellung e<strong>in</strong>e doppelte Preisauszeichnung<br />

vorschlagen, damit die Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />

und Verbraucher das neue Preisgefüge<br />

nachvollziehen können. Wir wollen,<br />

daû gesetzlich unmiûverständlich sichergestellt<br />

ist, daû die EURO-E<strong>in</strong>führung ke<strong>in</strong>e<br />

¾n<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> langfristigen Verträge o<strong>der</strong><br />

Darlehen nach sich ziehen darf. Wir wollen,<br />

daû vor allem die kle<strong>in</strong>en und mittle-<br />

67


en Betriebe umfassende Informationen<br />

und Hilfe zur Vorbereitung auf die E<strong>in</strong>führung<br />

des Euro erhalten. Kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />

Unternehmen haben es schwerer als<br />

groûe Unternehmen, sich auf den Beg<strong>in</strong>n<br />

<strong>der</strong> 3. Stufe <strong>der</strong> Europäischen Wirtschaftsund<br />

Währungsunion vorzubereiten. Gerade<br />

die kle<strong>in</strong>en und mittleren Unternehmen als<br />

Träger von zusätzlichen Beschäftigungsund<br />

Innovationspotentialen dürfen aber<br />

ke<strong>in</strong>en Wettbewerbsnachteil erleiden. Wir<br />

verlangen deshalb schnelle und umfassende<br />

Unterstützung dieser kle<strong>in</strong>en und mittleren<br />

Unternehmen bei ihrer Vorbereitung auf<br />

den EURO durch die Bundesregierung.<br />

Die Währungsunion muû sozial- und<br />

beschäftigungspolitisch flankiert werden.<br />

Dies ist mit den Vorschlägen <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> europäischen Sozial- und Beschäftigungspolitik<br />

gewährleistet.<br />

Auûerdem muû endlich <strong>der</strong> Wettlauf um<br />

niedrige Unternehmenssteuern zwischen<br />

den EU-Mitgliedstaaten beendet werden.<br />

Wer dies verkennt, höhlt die Steuergrundlage<br />

<strong>der</strong> Mitgliedstaaten aus. Wir brauchen<br />

geme<strong>in</strong>same M<strong>in</strong>destregelungen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei den Unternehmenssteuern und bei<br />

<strong>der</strong> Besteuerung von Kapitalerträgen.<br />

Unverzichtbar ist e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Regelung<br />

gegen Steuerdump<strong>in</strong>g sowie die Auflösung<br />

von Steueroasen <strong>in</strong> Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Europäischen Union.<br />

Um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû sich Län<strong>der</strong> durch<br />

e<strong>in</strong>e Politik des Lohndump<strong>in</strong>gs Wettbewerbsvorteile<br />

zu verschaffen suchen, ist<br />

e<strong>in</strong>e weitergehende Koord<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong><br />

Tarifpolitik auf <strong>der</strong> EU-Ebene erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Auch wenn M<strong>in</strong>deststandards und sozialpolitische<br />

Fortschritte mit e<strong>in</strong>em überarbeiteten<br />

EU-Vertrag erreicht werden, so bleiben<br />

doch die sozialen Sicherungssysteme an<br />

den nationalstaatlichen Rahmen gekoppelt.<br />

E<strong>in</strong>ige Mitgliedstaaten könnten versuchen,<br />

sich durch e<strong>in</strong>en überdurchschnittlichen<br />

Abbau ihrer Ausgaben für die sozialen<br />

Sicherungssysteme Wettbewerbsvorteile zu<br />

verschaffen. Um dies zu vermeiden, soll<br />

zwischen den EU-Mitgliedstaaten e<strong>in</strong><br />

sozialer Stabilitätspakt verabredet werden,<br />

68<br />

<strong>in</strong> dem sich die Mitgliedslän<strong>der</strong> verpflichten,<br />

ke<strong>in</strong> Dump<strong>in</strong>g bei den sozialen Sicherungssystemen<br />

zu praktizieren. Dazu können<br />

die europäischen Mitgliedstaaten<br />

Bandbreiten bei den Sozialleistungsquoten<br />

festlegen, die sich nach dem wirtschaftlichen<br />

Entwicklungsstand <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Län<strong>der</strong> richten, wobei die E<strong>in</strong>haltung<br />

sozialer Standards auf nationaler Ebene<br />

wirksam überprüft wird. Damit soll dreierlei<br />

erreicht werden: E<strong>in</strong>er Politik des<br />

Sozialdump<strong>in</strong>gs wird auf diese Weise e<strong>in</strong><br />

Riegel vorgeschoben, die schwächer entwickelten<br />

Volkswirtschaften werden durch<br />

diese Form <strong>der</strong> sozialpolitischen Regulierung<br />

ökonomisch nicht überfor<strong>der</strong>t und im<br />

Zuge des ökonomischen Aufholprozesses<br />

<strong>der</strong> schwächer entwickelten Län<strong>der</strong> können<br />

sich die Sozialleistungsquoten <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />

annähern.<br />

V. Europa als Partner des Südens<br />

Koord<strong>in</strong>ation und Kohärenz europäischer<br />

Entwicklungszusammenarbeit<br />

Die Entwicklungspolitik <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union hat sich zum Ziel gesetzt, die nachhaltige<br />

wirtschaftliche und soziale Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> und ihre harmonische<br />

und schrittweise E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> die Weltwirtschaft zu för<strong>der</strong>n sowie die<br />

Armut <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n zu<br />

bekämpfen.<br />

Der geltende EU-Vertrag sieht e<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ierung<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelstaatlichen und <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>schaftspolitik vor, um diese Ziele<br />

zu erreichen. Bisher ist man über Ansätze<br />

nicht h<strong>in</strong>aus gekommen. Programme und<br />

Projekte <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

wurden bisher zwischen den Mitgliedstaaten,<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsebene und <strong>in</strong>ternationalen<br />

Organisationen nicht effektiv<br />

koord<strong>in</strong>iert. Entwicklungsvorhaben sollten<br />

gezielter auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong><br />

ausgerichtet werden, <strong>in</strong>dem die<br />

EU-Län<strong>der</strong> ihre Maûnahmen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

und mit <strong>der</strong> EU-Ebene entsprechend<br />

<strong>der</strong> eigenen komparativen Vorteile abstimmen<br />

und auf wenige Län<strong>der</strong> und Sektoren<br />

konzentrieren.


Der EU-Vertrag schreibt schon seit 1993<br />

vor, daû die Ziele <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

bei an<strong>der</strong>en Politiken, welche<br />

die Entwicklungslän<strong>der</strong> berühren können,<br />

berücksichtigt werden müssen. Dieses<br />

Kohärenzgebot wird häufig nicht beachtet,<br />

wie beispielsweise europäische R<strong>in</strong>dfleischexporte<br />

nach West- und Südafrika gezeigt<br />

haben. Vor allem Maûnahmen <strong>der</strong> Agrar-,<br />

Auûenwirtschafts-, F<strong>in</strong>anz- und Sicherheitspolitik<br />

von nationaler wie europäischer<br />

Ebene konterkarieren Entwicklungsfortschritte.<br />

Um kontraproduktive Überschneidungen<br />

zu vermeiden, wollen wir<br />

dafür sorgen, daû entwicklungsrelevante<br />

Aufgaben auf nationaler und auf europäischer<br />

Ebene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hand gebündelt<br />

werden.<br />

Zukünftige Beziehungen zu den AKP-<br />

Staaten<br />

1998 werden die Verhandlungen über die<br />

Zusammenarbeit <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

mit den Staaten des afrikanischen, karibischen<br />

und pazifischen Raums beg<strong>in</strong>nen.<br />

Die <strong>SPD</strong> spricht sich für e<strong>in</strong>e Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit im Rahmen <strong>der</strong><br />

LomØ-Abkommen nach Ablauf des LomØ-<br />

IV-Vertrags im Februar 2000 aus.<br />

Trotz <strong>der</strong> Defizite e<strong>in</strong>iger Elemente des<br />

Abkommens stellt Lome IV die bisher<br />

weit-. gehendste Form <strong>der</strong> Kooperation<br />

zwischen e<strong>in</strong>er Staatengruppe des Nordens<br />

und e<strong>in</strong>er Staatengruppe des Südens zur<br />

Herstellung partnerschaftlicher und gleichberechtigter<br />

Beziehungen dar. Im zukünftigen<br />

LomØ-Abkommen müssen solidarische<br />

struktur- und handelspolitische Maûnahmen<br />

festgeschrieben werden, welche an<br />

den strukturellen Problemen <strong>der</strong> Unterentwicklung<br />

ansetzen und Armutsbekämpfung<br />

und die Deckung <strong>der</strong> Grundbedürfnisse <strong>in</strong><br />

den Vor<strong>der</strong>grund stellen. Die positiven<br />

Aspekte <strong>der</strong> bisherigen Abkommen müssen<br />

übernommen, Verbesserungen e<strong>in</strong>gearbeitet<br />

werden.<br />

Die Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten<br />

muû bei e<strong>in</strong>er künftigen Vertragsreform <strong>in</strong><br />

den EG-Vertrag aufgenommen und <strong>der</strong><br />

Europäische Entwicklungsfonds <strong>in</strong> den<br />

EU-Haushalt überführt werden.<br />

VI. Die kommenden Herausfor<strong>der</strong>ungen:<br />

Die Erweiterung <strong>der</strong> EU und die notwendigen<br />

Reformen<br />

Die Erweiterung <strong>der</strong> EU<br />

Mit dem Ende des Kalten Krieges und <strong>der</strong><br />

demokratischen Transformation <strong>in</strong> den<br />

Län<strong>der</strong>n Mittel- und Osteuropas ergibt<br />

sich am Ende dieses Jahrhun<strong>der</strong>ts die<br />

Chance, die unnatürliche Spaltung Europas<br />

zu überw<strong>in</strong>den und e<strong>in</strong>e tragfähige Grundlage<br />

für e<strong>in</strong>en dauerhaften Frieden <strong>in</strong><br />

Europa zu schaffen. Die EU bietet ihren<br />

Mitgliedstaaten die Gewähr für den Ausbau<br />

von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und<br />

wirtschaftlichem Wohlstand. Auch aus diesen<br />

Gründen ist die Erweiterung <strong>der</strong> EU<br />

politisch gewollt. Sie ist zudem langfristig<br />

ökonomisch, sozialpolitisch und ökologisch<br />

vernünftig und liegt im deutschen, aber<br />

auch im europäischen Interesse.<br />

Damit die Osterweiterung <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union e<strong>in</strong> Erfolg wird, muû sie<br />

sorgfältig vorbereitet werden.<br />

Dazu s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>stitutionelle und politische<br />

Reformen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> EU notwendig,<br />

um auch bei e<strong>in</strong>er höheren Anzahl von<br />

Mitglie<strong>der</strong>n handlungsfähig zu bleiben. Die<br />

EU muû die Voraussetzungen für e<strong>in</strong> reibungsloses<br />

Funktionieren ihrer Institutionen<br />

schaffen und gleichzeitig den erreichten<br />

Grad <strong>der</strong> Integration bewahren.<br />

An<strong>der</strong>erseits müssen sich die beitrittswilligen<br />

Län<strong>der</strong> gesellschaftlich, wirtschaftlich<br />

und sozial so weiterentwickeln, daû sie den<br />

im Vertrag festgelegten Anfor<strong>der</strong>ungen des<br />

Beitritts genügen können. Der von <strong>der</strong><br />

EU-Kommission vorgelegte Vorschlag,<br />

1998 Beitrittsverhandlungen mit fünf mittel-<br />

und osteuropäischen Län<strong>der</strong>n (Polen,<br />

Tschechien, Ungarn, Slowenien, Estland)<br />

und Zypern aufzunehmen, orientiert sich<br />

an den auf dem Kopenhagener EU-Gipfel<br />

beschlossenen objektiven Kriterien. Die<br />

neuen Mitgliedstaaten müssen demokratische<br />

und rechtsstaatliche Ordnungen aufgebaut<br />

haben, sie müssen e<strong>in</strong>e funktionsfä-<br />

69


hige soziale Marktwirtschaft vorweisen und<br />

dem <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU vorhandenen Wettbewerbsdruck<br />

standhalten können.<br />

S<strong>in</strong>nvoll gestaltet und gut vorbereitet, kann<br />

die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten aus<br />

Mittel- und Osteuropa <strong>in</strong> die Europäische<br />

Union e<strong>in</strong>en neuen Schub für Wachstum<br />

und wirtschaftliche Entwicklung bieten.<br />

Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche und<br />

soziale Situation <strong>der</strong> beitrittswilligen Staaten<br />

bedarf es langer Übergangsfristen bis<br />

zur vollständigen Integration. Dies gilt<br />

auch für den Bereich <strong>der</strong> Freizügigkeit.<br />

E<strong>in</strong>e auch f<strong>in</strong>anziell ausgestattete ¹Vor-Beitrittsstrategieª<br />

soll die Heranführung auch<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Staaten gewährleisten, <strong>der</strong>en<br />

späterer Beitritt durch die Entscheidung<br />

<strong>der</strong> Kommission nicht <strong>in</strong> Frage gestellt<br />

wird. Weitere politische Unterstützung,<br />

regelmäûige Prüfung <strong>der</strong> Beitrittsfähigkeit<br />

und die Ausgestaltung <strong>der</strong> bestehenden<br />

Assoziierungsabkommen (¹Europaverträgeª)<br />

muû sicherstellen, daû ke<strong>in</strong>e neuen<br />

Grenzen <strong>in</strong> Europa gezogen werden.<br />

Zur Unterstützung <strong>der</strong> Staaten Mittel- und<br />

Osteuropas hält die <strong>SPD</strong> bereits heute e<strong>in</strong>e<br />

verstärkte För<strong>der</strong>ung für notwendig. So<br />

kann <strong>der</strong> Strukturwandel wirkungsvoll<br />

unterstützt werden, um die Grundlagen für<br />

den Beitritt dieser Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Europäische<br />

Union zu schaffen. Die <strong>SPD</strong> schlägt<br />

für die Unterstützung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Mittelund<br />

Osteuropas die Zusammenfassung <strong>der</strong><br />

bereitgestellten f<strong>in</strong>anziellen Mittel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

neuen Fonds vor, <strong>der</strong> die bestehenden<br />

Maûnahmen zusammenfaût und mit dessen<br />

Hilfe die Län<strong>der</strong> bereits vor ihrem Beitritt<br />

zur Union gezielt beim Aufbau von Verwaltungsstrukturen,<br />

ihrer Wirtschaften und<br />

<strong>der</strong> Umwandlung <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />

geför<strong>der</strong>t werden können.<br />

Mit ihrem Beitritt <strong>in</strong> die EU sollten die<br />

Staaten Mittel- und Osteuropas mit e<strong>in</strong>er<br />

geeigneten Übergangsregelung <strong>in</strong> die EU-<br />

Strukturpolitik <strong>in</strong>tegriert werden, die ihre<br />

Aufnahmefähigkeit berücksichtigt.<br />

70<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> EU<br />

Neben den notwendigen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> vertraglichen Grundlagen <strong>der</strong> EU ist<br />

aus sozialdemokratischer Sicht die Neuordnung<br />

<strong>der</strong> EU-F<strong>in</strong>anzierung dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich,<br />

um die Zukunft Europas gestalten<br />

zu können. Die Neuordnung <strong>der</strong> EU-<br />

F<strong>in</strong>anzierung muû dabei die kommenden<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen,. nämlich die Verwirklichung<br />

des Amsterdam-Vertrages, die konsequente<br />

Reform <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>samen Agrarpolitik<br />

und die Erweiterung <strong>der</strong> EU um<br />

zunächst fünf Staaten Mittel- und Osteuropas<br />

sowie Zyperns, berücksichtigen.<br />

Die Debatte über die F<strong>in</strong>anzen <strong>der</strong> EU<br />

muû rational geführt werden: Für die Bundesrepublik<br />

Deutschland als e<strong>in</strong> Land, das<br />

erheblich von den Vorteilen e<strong>in</strong>es B<strong>in</strong>nenmarktes<br />

profitiert, errechnet sich unser<br />

Nettobeitrag nicht alle<strong>in</strong> aus den E<strong>in</strong>- und<br />

Rückzahlungen <strong>in</strong> und aus dem Haushalt<br />

<strong>der</strong> EU. Die ¹Nettozahlerdebatteª <strong>in</strong><br />

Deutschland tut so, als ob die E<strong>in</strong>zahlungen<br />

<strong>in</strong> den Haushalt und Rückflüsse klar<br />

saldierbar s<strong>in</strong>d. Dem ist nicht so. Im Agrarbereich<br />

(47 % <strong>der</strong> Ausgaben <strong>der</strong> EU) s<strong>in</strong>d<br />

die Rückflüsse weitgehend zuzuordnen.<br />

Schon bei den Strukturfonds wird dies problematisch.<br />

Die Kommission hat <strong>in</strong> ihrem<br />

Kohäsionsbericht darauf verwiesen, daû<br />

z. B. von 100 ECU Strukturhilfen für Portugal<br />

46 ECU für Exporte an an<strong>der</strong>e Mitgliedstaaten<br />

zurückflieûen. Solche Importe<br />

o<strong>der</strong> Dienstleistungen können nicht e<strong>in</strong>deutig<br />

zugeordnet werden. E<strong>in</strong>e Aufteilung<br />

<strong>der</strong> Mittel <strong>in</strong> den Innen- und Auûenpolitiken<br />

(etwa 15 % <strong>der</strong> Ausgaben des Haushaltes<br />

<strong>der</strong> EU) läût sich nahezu überhaupt<br />

nicht erreichen.<br />

Die dieser Situation zugrunde liegenden<br />

Regelungen s<strong>in</strong>d im Jahre 1992 von Bundeskanzler<br />

Kohl und Bundesf<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister<br />

Waigel formuliert und im Europäischen<br />

Rat e<strong>in</strong>stimmig beschlossen worden.<br />

Für die Bundesrepublik ist <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenmarkt<br />

Europa von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />

Seit 1985 ist <strong>in</strong> Deutschland <strong>der</strong><br />

Anteil des <strong>in</strong>nergeme<strong>in</strong>schaftlichen Exports<br />

am Brutto<strong>in</strong>landsprodukt kont<strong>in</strong>uierlich<br />

gestiegen. Damit hängen viele Millionen


Arbeitsplätze <strong>in</strong> Deutschland von diesen<br />

Exporten ab. Daû Län<strong>der</strong> wie Griechenland,<br />

Spanien, Portugal und Irland, aber<br />

auch die Bundesrepublik für die neuen<br />

Län<strong>der</strong>, deshalb auf Strukturmaûnahmen<br />

bestehen, liegt nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Logik des<br />

Vertrages, son<strong>der</strong>n ist die zweite Seite <strong>der</strong><br />

Medaille des offenen Marktes. Vorschläge<br />

zu mehr Beitragsgerechtigkeit auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>nahmeseite<br />

müssen entwickelt und diskutiert<br />

werden.<br />

Wer aber wie wir e<strong>in</strong>e schnelle Entlastung<br />

<strong>der</strong> deutschen Steuerzahler will, muû dafür<br />

sorgen, daû auf <strong>der</strong> Ausgabenseite und bei<br />

den EU-Politiken reformiert wird. Dazu<br />

müssen vor allem die Subventionen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>samen Agrarpolitik <strong>der</strong> EU drastisch<br />

gesenkt werden. Im Rahmen <strong>der</strong> notwendigen<br />

Agrarreform müssen Produktsubventionen<br />

und Exporterstattungen<br />

abgeschmolzen werden und muû sich die<br />

Agrarpolitik auf Strukturpolitik und direkte<br />

E<strong>in</strong>kommensbeihilfen mit ökologischer<br />

und sozialer Komponente konzentrieren.<br />

Dadurch würde auch die Gerechtigkeitslücke<br />

zwischen den reichen Län<strong>der</strong>n<br />

geschlossen, die dar<strong>in</strong> besteht, daû EU-<br />

Län<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em groûen Agrarsektor<br />

übermäûig vom System profitieren. Dagegen<br />

haben Län<strong>der</strong> wie Deutschland und<br />

Groûbritannien relativ niedrige Agrarrückflüsse.<br />

Es ist nicht h<strong>in</strong>nehmbar, daû reiche<br />

Mitgliedstaaten wie Dänemark und Luxemburg<br />

Nettoempfänger s<strong>in</strong>d, Län<strong>der</strong> wie<br />

Frankreich e<strong>in</strong>en relativ ger<strong>in</strong>gen Nettobeitrag<br />

leisten. Dieses Problem entsteht aber<br />

nicht auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zahlerseite, son<strong>der</strong>n auf<br />

<strong>der</strong> Ausgabenseite.<br />

Für die Übergangszeit schlagen wir e<strong>in</strong>e<br />

Ausgleichszahlung zwischen den reichen<br />

Mitgliedstaaten <strong>der</strong> EU vor, die für mehr<br />

Gerechtigkeit beim deutschen EU-Beitrag<br />

sorgen soll. Die Höhe <strong>der</strong> Ausgleichszahlungen<br />

würde sich aus dem Wohlstandsfaktor<br />

(BSP o<strong>der</strong> BIP pro Kopf <strong>in</strong> Kaufkraftstandards)<br />

und Agrarrückflüssen errechnen.<br />

Die Reform <strong>der</strong> Agrarpolitik<br />

Die Agrarausgaben, die weiterh<strong>in</strong> nahezu<br />

die Hälfte des EU-Haushalts ausmachen,<br />

müssen durch die notwendige Reform<br />

deutlich gesenkt werden. Die Reduzierung<br />

<strong>der</strong> Agrarkosten im EU-Haushalt ist auch<br />

die wichtigste Voraussetzung für die Entlastung<br />

Deutschlands bei se<strong>in</strong>en Nettozahlungen<br />

und macht auch den Beitragsrabatt<br />

für Groûbritannien überflüssig.<br />

E<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> EU-Agrarpolitik ist auch<br />

im Interesse <strong>der</strong> Landwirte notwendig, bei<br />

denen e<strong>in</strong> Groûteil <strong>der</strong> EU-Agrarsubventionen<br />

gar nicht ankommt. Kommt es nicht<br />

zu umfassenden ¾n<strong>der</strong>ungen, so ist für das<br />

Jahr 2000 wie<strong>der</strong> mit erheblichen Marktstörungen<br />

zur rechnen. Diese wirken sich<br />

zwangsläufig negativ auf die E<strong>in</strong>kommen<br />

<strong>der</strong> Landwirte aus.<br />

Wir wollen, daû den Landwirten durch<br />

Direktzahlungen E<strong>in</strong>kommensverluste ausgeglichen<br />

werden.<br />

Die <strong>SPD</strong> begrüût, daû die von <strong>der</strong> Europäischen<br />

Kommission vorgeschlagene Reform<br />

<strong>der</strong> Agrarpolitik auch strukturpolitische<br />

Aufgaben berücksichtigt. Wir wollen, daû<br />

letztlich diese strukturpolitischen Aufgaben<br />

<strong>in</strong> die Strukturfonds überführt werden, um<br />

e<strong>in</strong>e kohärente Politik für die ländlichen<br />

Räume entwickeln zu können. Trotz <strong>der</strong><br />

Agrarreform von 1992 werden noch erhebliche<br />

f<strong>in</strong>anzielle Mittel für die Marktordnungen<br />

und damit für die Subventionierung<br />

<strong>der</strong> Agrarüberschüsse ausgegeben.<br />

E<strong>in</strong>e nachhaltige und kostensenkende<br />

Agrarpolitik ist bislang nur <strong>in</strong> Ansätzen zu<br />

erkennen. Verän<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d vor allem<br />

im Bereich <strong>der</strong> Markt- und Preispolitik<br />

sowie <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommens- und Umweltpolitik<br />

notwendig, um die durch die WTO-<br />

Vere<strong>in</strong>barungen vorgegebene weitere Integration<br />

<strong>der</strong> europäischen Agrarpolitik <strong>in</strong><br />

die Weltagrarmärkte und die anstehende<br />

Osterweiterung <strong>der</strong> EU erfolgreich umzusetzen,<br />

denn die östlichen Agrarlän<strong>der</strong> werden<br />

nie zu vernünftigen Haushaltskosten <strong>in</strong><br />

den heutigen grünen Markt <strong>in</strong>tegriert werden<br />

können.<br />

E<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Agrarpolitik ist deshalb<br />

dr<strong>in</strong>gend geboten. Gegenüber diesen Notwendigkeiten<br />

nehmen sich die Vorschläge<br />

<strong>der</strong> Europäischen Kommission eher<br />

71


escheiden aus. Die <strong>SPD</strong> kämpft für e<strong>in</strong>e<br />

Politik, die E<strong>in</strong>kommensaspekte sowie<br />

hohe Umwelt- und hohe Verbraucherstandards<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abstimmt.<br />

Als grundlegende Perspektive für e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> EU-Agrarpolitik schlagen<br />

wir e<strong>in</strong>e Teilliberalisierung <strong>der</strong> Agrarmärkte,<br />

d.h. das Abschmelzen von<br />

Marktordnungen und Exportsubventionen,<br />

vor. Um die zu erwartenden E<strong>in</strong>kommensverluste<br />

<strong>der</strong> Landwirte abzufe<strong>der</strong>n, müûte<br />

diese Teilliberalisierung mit e<strong>in</strong>er Flächenprämie<br />

komb<strong>in</strong>iert werden, wobei e<strong>in</strong><br />

bestimmter, festzulegen<strong>der</strong> Betrag pro<br />

Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche<br />

gezahlt würde.<br />

Alternativ könnte die weitere Liberalisierung<br />

<strong>der</strong> Agrarmärkte mit e<strong>in</strong>er Arbeitsprämie<br />

verbunden werden, d.h. es würde statt<br />

e<strong>in</strong>er Flächenprämie e<strong>in</strong> festzulegen<strong>der</strong><br />

Betrag je Vollzeitarbeitskraft gezahlt.<br />

Die Entlastung für den EU-Haushalt liegt<br />

bei e<strong>in</strong>er Teilliberalisierung bei etwa ca. 7,6<br />

Milliarden DM, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>sparungseffekt für<br />

Deutschland bei ca. 2,3 Milliarden DM.<br />

Bei e<strong>in</strong>er vollen Liberalisierung betrüge<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>spareffekt für den EU-Haushalt<br />

sogar 28,5 Mrd. DM, auf Deutschland<br />

berechnet 8,6 Mrd. DM.<br />

E<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> EU-Agrarpolitik muû<br />

umwelt- und verbraucherorientiert se<strong>in</strong>. So<br />

könnte jegliche Art <strong>der</strong> Agrarför<strong>der</strong>ung an<br />

die Erfüllung umweltorientierter M<strong>in</strong>deststandards<br />

durch die Empfänger gebunden<br />

se<strong>in</strong>, wie beispielsweise die E<strong>in</strong>haltung von<br />

Höchstgrenzen beim Viehbestand je Flächene<strong>in</strong>heit<br />

o<strong>der</strong> die Bereitstellung von<br />

Fläche für Naturschutz und Biotopvernetzung.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus könnten Investitionshilfen<br />

verstärkt dort e<strong>in</strong>gesetzt werden, wo<br />

Investitionen zur Verbesserung des<br />

Umweltschutzes o<strong>der</strong> zur Umstellung auf<br />

e<strong>in</strong>e umweltfreundliche Wirtschaftsweise<br />

getätigt werden.<br />

Die anstehenden WTO-Verhandlungen<br />

und die Osterweiterung <strong>der</strong> EU verlangen<br />

schon heute e<strong>in</strong>e konsequente und gründliche<br />

Reform <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen EU-Agrarpolitik.<br />

Die im Zusammenhang mit den<br />

72<br />

WTO-Verhandlungen beabsichtigte Liberalisierung<br />

wird zwangsläufig auch für die<br />

Agrarmärkte gravierende Konsequenzen<br />

haben. Die vergleichsweise hohen ökologischen,<br />

sozialen und hygienischen Standards<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Union dürfen durch die weitere<br />

Reform und <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> WTO-Verhandlungen<br />

nicht bee<strong>in</strong>trächtigt werden, son<strong>der</strong>n<br />

müssen <strong>in</strong> vollem Umfang erhalten<br />

bleiben. Die Belastung von Boden, Wasser<br />

und Luft s<strong>in</strong>d durch noch sorgsameren<br />

Umgang mit Düngemitteln und Pestiziden<br />

zurückzuführen, um diese lebenswichtigen<br />

Ressourcen auch für nachfolgende Generationen<br />

verfügbar zu halten.<br />

Die Reform <strong>der</strong> EU-Strukturpolitik<br />

Das vertragliche Ziel <strong>der</strong> EU ist nicht nur<br />

die Schaffung e<strong>in</strong>es europäischen B<strong>in</strong>nenmarktes<br />

und die Verwirklichung <strong>der</strong> Wirtschafts-<br />

und Währungsunion, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Sicherung des wirtschaftlichen und<br />

sozialen Zusammenhalts. Um dieses Ziel<br />

e<strong>in</strong>er sozial verträglichen und regional ausgewogenen<br />

Wirtschaftsentwicklung zu<br />

erreichen, s<strong>in</strong>d nationale und europäische<br />

Anstrengungen notwendig.<br />

Die Strukturfonds haben sich zum wichtigen<br />

Solidar<strong>in</strong>strument <strong>der</strong> EU entwickelt.<br />

Mit ihrer Hilfe werden Maûnahmen zur<br />

Wirtschaftsentwicklung rückständiger<br />

Regionen und zur Bewältigung regionaler<br />

Strukturkrisen europäisch geför<strong>der</strong>t. Diese<br />

umfangreichen Mittel müssen <strong>in</strong> Zukunft<br />

noch gezielter und wirksamer e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden.<br />

Der erste Kohäsionsbericht <strong>der</strong> Kommission<br />

hat gezeigt, daû es zwar vielen Regionen<br />

<strong>in</strong> den wirtschaftlich schwächeren<br />

Mitgliedstaaten gelungen ist, den Entwicklungsrückstand<br />

zu den Wirtschaftszentren<br />

<strong>der</strong> Union zu verr<strong>in</strong>gern, gleichzeitig hat<br />

aber regionale Arbeitslosigkeit und soziale<br />

Spaltung ± auch als Folge verfehlter nationaler<br />

Politik ± <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den entwikkelten<br />

Industriestaaten und -regionen <strong>der</strong><br />

Union zugenommen.<br />

Nach Auffassung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> muû sich die<br />

europäische Strukturpolitik daher noch<br />

stärker auf die Schaffung dauerhafter


Arbeitsplätze konzentrieren Auûerdem<br />

muû die EU-Erweiterung und die Wirtschafts-<br />

und Währungsunion bei <strong>der</strong> Neugestaltung<br />

<strong>der</strong> Strukturfonds berücksichtigt<br />

werden. Um diese zu stärken, sollten die<br />

Mittel aus dem Kohäsionsfonds, <strong>der</strong> den<br />

Mitgliedstaaten mit e<strong>in</strong>em Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt<br />

von weniger als 90 % des<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsdurchschnitts zur Erfüllung<br />

<strong>der</strong> Konvergenzkriterien zugute kommt,<br />

nach Beitritt <strong>der</strong> bisherigen Empfängerlän<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> die Währungsunion den Strukturfonds<br />

zugeleitet werden.<br />

E<strong>in</strong>e grundlegende Reform <strong>der</strong> Strukturfonds<br />

ist mit Blick auf das 1999 auslaufende<br />

EU-F<strong>in</strong>anzsystem und die beabsichtigte<br />

Erweiterung <strong>der</strong> EU von <strong>der</strong><br />

Europäischen Kommission vorgeschlagen<br />

worden. Heute beträgt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Bevölkerung, <strong>der</strong> <strong>in</strong> EU-För<strong>der</strong>gebieten<br />

lebt, 51 Prozent. Die nachhaltige Konzentration<br />

<strong>der</strong> Strukturfondsmittel auf die<br />

beson<strong>der</strong>s benachteiligten Regionen ist<br />

daher jetzt erfor<strong>der</strong>lich, damit e<strong>in</strong>e wirksame<br />

Strukturpolitik f<strong>in</strong>anzierbar bleibt.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird sich aber dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />

für Regionen, die aus <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung herausfallen<br />

± wo notwendig ± Übergangsregelungen<br />

vorzusehen, die allerd<strong>in</strong>gs zeitlich<br />

klar begrenzt se<strong>in</strong> müssen. Die weitere<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Neuen Län<strong>der</strong> ist für uns<br />

unverzichtbar. Für die Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Bevölkerung ist es allerd<strong>in</strong>gs notwendig,<br />

daû sich die EU auch mit den Regionen<br />

solidarisch zeigt, die von Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />

beson<strong>der</strong>s stark betroffen s<strong>in</strong>d. Die<br />

<strong>SPD</strong> wird sich dafür e<strong>in</strong>setzen, bei den<br />

weniger benachteiligten För<strong>der</strong>regionen<br />

e<strong>in</strong>e Reduzierung <strong>der</strong> Höhe für Zuschüsse<br />

durch Übergang zu Darlehensleistungen<br />

mit Z<strong>in</strong>ssubventionen abzufe<strong>der</strong>n.<br />

Diese Reform sollte mit e<strong>in</strong>er Entbürokratisierung<br />

verbunden se<strong>in</strong>. Zum Beispiel sollen<br />

die Geme<strong>in</strong>schafts<strong>in</strong>itiativen deutlich<br />

gestrafft und mit den Zielen <strong>der</strong> Strukturfonds<br />

abgeglichen werden.<br />

Perspektiven <strong>der</strong> AGENDA 2000<br />

Die AGENDA 2000 ist <strong>der</strong> Vorschlag <strong>der</strong><br />

Europäischen Kommission. Er legt M<strong>in</strong>-<br />

destbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Reformen dar, die<br />

notwendig s<strong>in</strong>d, damit die Erweiterung <strong>der</strong><br />

Europäischen Union gel<strong>in</strong>gen kann. Diese<br />

Erweiterung <strong>der</strong> EU, die wir befürworten,<br />

darf nicht durch die Unfähigkeit zu Reformen<br />

<strong>in</strong> den EU-Mitgliedstaaten vertan<br />

werden Die europäische Sozialdemokratie<br />

steht dafür, daû die groûe Aufgabe <strong>der</strong><br />

Osterweiterung s<strong>in</strong>nvoll vorbereitet und<br />

vollendet werden kann.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag: 8<br />

Bewertung des EU-Beschäftigungsgipfels<br />

Das Beschäftigungskapitel im Vertrag von<br />

Amsterdam muûte gegen den massiven<br />

Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Bundesregierung durchgesetzt<br />

werden. Ebenso war es beim Beschäftigungsgipfel<br />

vom 20./21. November 1997.<br />

Gegen den massiven Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

haben die an<strong>der</strong>en EU-Mitgliedsregierungen<br />

e<strong>in</strong>e europäische<br />

Beschäftigungsstrategie verankert und<br />

dabei das Konvergenzpr<strong>in</strong>zip auch für den<br />

Bereich <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

festgelegt.<br />

Die Bundesregierung fürchtet offensichtlich,<br />

daû sie sich mit ihrer verfehlten Wirtschafts-<br />

und F<strong>in</strong>anzpolitik auf EU-Ebene<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Bewertung und Kritik aussetzt.<br />

Sie hat deshalb versucht, die Festlegung<br />

konkreter Ziele mit allen Mitteln zu<br />

bekämpfen und z.B. bei den Zielen zur<br />

Bekämpfung von Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit<br />

unvertretbar lange Fristen<br />

verankert.<br />

Die Vere<strong>in</strong>barungen zur Bekämpfung <strong>der</strong><br />

Jugendarbeitslosigkeit s<strong>in</strong>d zu begrüûen,<br />

nach denen Jugendlichen nach sechs<br />

Monaten Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e beschäftigungsför<strong>der</strong>nde Maûnahme<br />

angeboten werden muû. Nicht<br />

akzeptabel ist aber <strong>der</strong> Zeitraum von fünf<br />

Jahren zur Umsetzung. Wer heute arbeitslos<br />

ist, muû diese Frist als Hohn empf<strong>in</strong>den.<br />

Wir for<strong>der</strong>n die Bundesregierung<br />

73


daher auf, umgehend dem Deutschen Bundestag<br />

e<strong>in</strong> Maûnahmebündel zur E<strong>in</strong>lösung<br />

dieser Verpflichtung vorzulegen.<br />

Vere<strong>in</strong>bart wurde, daû nach e<strong>in</strong>em Jahr<br />

Arbeitslosigkeit je<strong>der</strong> Langzeitarbeitslose<br />

Anspruch auf e<strong>in</strong>e beschäftigungsför<strong>der</strong>nde<br />

Maûnahme hat. Das Ziel, Arbeit statt<br />

Arbeitslosigkeit zu f<strong>in</strong>anzieren, entspricht<br />

den For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>. Die Bundesregierung<br />

hat aber durchgesetzt, daû zu den<br />

beschäftigungsför<strong>der</strong>nden Maûnahmen bei<br />

Langzeitarbeitslosen bereits ¹<strong>in</strong>dividuelle<br />

Berufsberatungª zählt. E<strong>in</strong>e solche Mogelpackung<br />

ist aber ke<strong>in</strong> Konzept zur<br />

Bekämpfung struktureller Arbeitslosigkeit.<br />

Dafür s<strong>in</strong>d beschäftigungsför<strong>der</strong>nde, qualifikationssichernde<br />

Maûnahmen das M<strong>in</strong>deste,<br />

um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû Langzeitarbeitslose<br />

gänzlich <strong>in</strong>s soziale Abseits abrutschen.<br />

Daû die Europäische Investitionsbank<br />

zusätzliches Risikokapital und z<strong>in</strong>sbegünstigte<br />

Darlehen für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />

Unternehmen bereitstellen wird, ist positiv.<br />

Wir begrüûen beson<strong>der</strong>s, daû die Sozialistische<br />

Fraktion im Europäischen Parlament<br />

e<strong>in</strong>en eigenen Beitrag <strong>der</strong> EU zur<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit im EU-<br />

Haushalt verankert hat.<br />

Bis zum nächsten Europäischen Rat <strong>in</strong><br />

Cardiff im Juni 1998 unter britischer EU-<br />

Ratspräsidentschaft müssen alle EU-Mitgliedsregierungen<br />

ihren nationalen beschäftigungspolitischen<br />

Aktionsplan zur Umsetzung<br />

<strong>der</strong> festgelegten Ziele vorlegen. Die<br />

Bundesregierung wird dies erneut als<br />

lästige Pflichtübung behandeln. Die <strong>SPD</strong><br />

wird deshalb e<strong>in</strong>en eigenen nationalen<br />

beschäftigungspolitischen Aktionsplan im<br />

Rahmen ihrer europäischen Beschäftigungsstrategie<br />

vorlegen, um die beschäftigungspolitischen<br />

Ziele <strong>in</strong> Deutschland<br />

umzusetzen. Dabei werden wir e<strong>in</strong>en<br />

Schwerpunkt zugunsten <strong>der</strong> Bekämpfung<br />

von Jugendarbeitslosigkeit und <strong>der</strong> Langzeitarbeitslosigkeit<br />

setzen.<br />

Wir wollen die Chancen <strong>der</strong> EU für die<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

nutzen. Wir verlangen die Koord<strong>in</strong>ierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />

74<br />

mit dem Ziel von mehr Beschäftigung.<br />

Solange diese Bundesregierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />

blockiert, können die Chancen <strong>der</strong> EU nur<br />

unzureichend genutzt werden.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag: Eu 29<br />

Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong><br />

Europäische Währungsunion<br />

Die <strong>SPD</strong> wird mit e<strong>in</strong>em klaren Bekenntnis<br />

zum EURO <strong>in</strong> den Bundestagswahlkampf<br />

1998 gehen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag: Eu 33<br />

Landesverband Bayern<br />

Chancengleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union<br />

In den 15 Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union s<strong>in</strong>d rund 190 Mio. <strong>der</strong> 370<br />

Mio. E<strong>in</strong>wohner weiblich. Frauen müûten<br />

also m<strong>in</strong>destens die Hälfte <strong>der</strong> politischen<br />

und gesellschaftlichen Verantwortung <strong>der</strong><br />

Europäischen Union tragen. Das ist aber<br />

<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Land verwirklicht. Es gibt nur<br />

unterschiedlich ausgeprägte Benachteiligungen<br />

von Frauen, gewachsen <strong>in</strong> patriarchalischen<br />

Strukturen <strong>in</strong> Jahrhun<strong>der</strong>ten ± ja<br />

Jahrtausenden ± von männlicher Dom<strong>in</strong>anz.<br />

Das ist <strong>in</strong> Bayern nicht an<strong>der</strong>s.<br />

In <strong>der</strong> Aktionsplattform <strong>der</strong> IV. Weltfrauenkonferenz<br />

von Pek<strong>in</strong>g wurden nur sehr<br />

langsame Verbesserungen an <strong>der</strong> Situation<br />

von Frauen festgestellt. Der Frauenanteil<br />

<strong>in</strong> den nationalen Parlamenten schwankt<br />

beträchtlich ± auch <strong>in</strong> Europa ± von knapp<br />

6 % <strong>in</strong> Griechenland und Frankreich bis zu<br />

41 % <strong>in</strong> Schweden! Das Europäische Parlament<br />

nimmt mit rund 27 % Frauenanteil<br />

e<strong>in</strong>e Spitzenposition e<strong>in</strong>. Je nach Fraktion<br />

und nationaler Delegation gibt es jedoch<br />

erhebliche Unterschiede. Tendenziell ist zu<br />

bemerken, daû <strong>in</strong> den l<strong>in</strong>ken Fraktionen


mehr Frauen vertreten s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> den rechten.<br />

Die sozialdemokratische Fraktion hat sich<br />

zum Ziel gesetzt, Frauen <strong>in</strong> alle Entscheidungsprozesse<br />

paritätisch e<strong>in</strong>zubeziehen,<br />

was weit mehr heiût als ¹nurª die Hälfte<br />

<strong>der</strong> Parlamentssitze. Parität und<br />

Geschlechterdemokratie heiût gleichberechtigte<br />

Beteiligung von Frauen <strong>in</strong> Kontroll-<br />

und Aufsichtsgremien aller Art, <strong>in</strong><br />

den Führungsetagen von Wirtschaft, Universitäten,<br />

Verwaltungen und Medien, <strong>in</strong><br />

den Gewerkschaften, den Gerichtshöfen,<br />

usw. Mit unserer Fraktionsvorsitzenden<br />

Paul<strong>in</strong>e Green und e<strong>in</strong>em Vorstand, <strong>der</strong> zu<br />

über 60 % aus Frauen besteht, gibt die<br />

<strong>SPD</strong>-Fraktion e<strong>in</strong>e glaubwürdiges Beispiel<br />

für Gleichstellung ab.<br />

Unsere Regierungen haben sich verpflichtet,<br />

die 350 Artikel <strong>der</strong> Aktionsplattform<br />

<strong>der</strong> IV. Weltfrauenkonferenz umzusetzen.<br />

Wir wollen nun konkrete Maûnahmen<br />

sehen, angefangen von Gesetzesän<strong>der</strong>ungen<br />

mit Elim<strong>in</strong>ierung von Geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierung<br />

je<strong>der</strong> Art bis zur Festlegung von<br />

positiven Aktionen, um Frauen zu för<strong>der</strong>n.<br />

Das 4. Aktionsprogramm zur Chancengleichheit<br />

und das Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d die<br />

Hauptpfeiler <strong>der</strong> europäischen Gleichstellungspolitik.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

1. Die Verankerung und Präzisierung <strong>der</strong><br />

Chancengleichheit im Vertrag über die<br />

Europäische Union wurde von <strong>der</strong> Regierungskonferenz<br />

<strong>in</strong> Amsterdam beschlossen.<br />

Neben <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierungsklausel<br />

muû e<strong>in</strong>e Offensive<br />

zur Gleichstellung von Männern und<br />

Frauen gestartet werden. Die Ergänzung<br />

von Artikel 119 EU-Vertrag, Absatz 4,<br />

muû positive Maûnahmen zur Frauenför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> allen Bereichen des Arbeitsund<br />

Erwerbslebens eröffnen. Das Sozialprotokoll,<br />

das Bestandteil des EU-Vertrages<br />

wird, und die EU-Beschäftigungs<strong>in</strong>itiative<br />

müssen mit dem Ziel <strong>der</strong><br />

Verankerung <strong>der</strong> Chancengleichheit <strong>in</strong><br />

allen Politikbereichen, konsequent für<br />

Gleichstellung genutzt werden.<br />

2. E<strong>in</strong> Mitglied <strong>der</strong> Europäischen Kommission<br />

muû für Gleichstellung zuständig<br />

se<strong>in</strong> und die neue Politik <strong>der</strong> Chancengleichheit<br />

<strong>in</strong> allen Politikbereichen,<br />

das sogenannte Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g, durch<br />

alle Ressorts koord<strong>in</strong>ieren.<br />

3. Frauen- bzw. Gleichstellungsm<strong>in</strong>isterräte<br />

müssen m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Ratspräsidentschaft<br />

tagen, d.h. m<strong>in</strong>destens<br />

zweimal jährlich.<br />

4. Die Mittel des 4. Aktionsprogramms für<br />

die Chancengleichheit wurden im M<strong>in</strong>isterrat<br />

auf Betreiben Deutschlands von<br />

60 Mio. ECU auf 30 Mio. ECU<br />

halbiert! Zudem wurden die Vergabekriterien<br />

so geän<strong>der</strong>t, daû jetzt e<strong>in</strong> ¹Beraten<strong>der</strong><br />

Ausschuûª, gebildet aus Regierungsvertretern,<br />

über die zu för<strong>der</strong>nden<br />

Projekte entscheidet. Wir verurteilen die<br />

Renationalisierung durch die H<strong>in</strong>tertür<br />

und for<strong>der</strong>n transparente und nachvollziehbare<br />

Vergabeentscheidungen.<br />

5. Die Mittel aus den Strukturfonds werden<br />

<strong>in</strong> Deutschland von den. Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

verwaltet. Sie müssen dem<br />

Grundsatz <strong>der</strong> Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung<br />

entsprechen. Das ist nicht <strong>in</strong> allen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Fall. Manche Landesregierungen<br />

erschweren den Mittelabfluû<br />

durch unnötige Bürokratisierung.<br />

6. Alle EU-Institutionen müssen nach den<br />

Grundsätzen <strong>der</strong> Geschlechterdemokratie<br />

stärker mit Frauen besetzt se<strong>in</strong>.<br />

Diese Demokratisierung be<strong>in</strong>haltet<br />

Quotenregelungen ± auch für den Europäischen<br />

Gerichtshof und den Europäischen<br />

Rechnungshof. Beide Institutionen<br />

haben ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Frau <strong>in</strong><br />

Spitzenpositionen! Da die Nom<strong>in</strong>ierungen<br />

national erfolgen, müssen die Kriterien<br />

entsprechend geän<strong>der</strong>t werden.<br />

7. Bei allen Rahmenabkommen und Programmen<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union mit<br />

Drittstaaten müssen die Interessen <strong>der</strong><br />

Frauen stärker programmatisch und<br />

f<strong>in</strong>anziell berücksichtigt werden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

mit den Staaten Mittel- und<br />

Osteuropas und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />

75


8. Die Rahmenrichtl<strong>in</strong>ie zum Elternurlaub<br />

muû auch <strong>in</strong> Deutschland als <strong>in</strong>dividuelles<br />

Recht von Vätern und Müttern<br />

umgesetzt werden, mit Anrecht auf<br />

dreimonatige Unterbrechung <strong>der</strong><br />

Erwerbsarbeit. Die Bundesregierung<br />

muû ihre Vorbehalte diesbezüglich aufgeben,<br />

notfalls auf dem Klageweg über<br />

den Europäischen Gerichtshof dazu<br />

gezwungen werden.<br />

9. Die Richtl<strong>in</strong>ien zur Umkehr <strong>der</strong><br />

Beweislast bei Diskrim<strong>in</strong>ierung und zur<br />

Regelung <strong>der</strong> atypischen Arbeitsverhältnissen<br />

d.h. Teilzeitarbeit, müssen im<br />

M<strong>in</strong>isterrat verabschiedet werden. Die<br />

Bundesregierung muû unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Vorschläge des Europäischen<br />

Parlaments e<strong>in</strong>e aktive Rolle für<br />

diese Gesetzes<strong>in</strong>itiativen <strong>der</strong> Europäischen<br />

Kommission übernehmen.<br />

10. Die Gruppe <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Europaabgeordneten,<br />

<strong>SPD</strong>-Bundestags- und -Landtagsfraktion<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, <strong>in</strong><br />

ihrer Öffentlichkeitsarbeit die Interessen<br />

und Belange von Frauen wie<strong>der</strong><br />

mehr <strong>in</strong>s Zentrum zu rücken und die<br />

Geschlechterdemokratie für die<br />

Wähler<strong>in</strong>nen als attraktive Zukunftsperspektive<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratie darzustellen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag Eu 38<br />

Kreisverband Emmend<strong>in</strong>gen<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Erweiterung <strong>der</strong> Kompetenzen<br />

des Europäischen Parlaments<br />

Um das Demokratiedefizit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union abzubauen, müssen die<br />

Rechte des Europäischen Parlaments ± als<br />

die von den Völkern <strong>der</strong> EU-Mitgliedstaaten<br />

direkt gewählte Volksvertretung ±<br />

wesentlich gestärkt und die Entscheidungsverfahren<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong>facher und für<br />

je<strong>der</strong>mann durchschaubar gestaltet werden.<br />

Dazu s<strong>in</strong>d notwendig:<br />

1. Das Europäische Parlament muû an <strong>der</strong><br />

Verabschiedung von Gesetzen und des<br />

76<br />

Haushalts <strong>in</strong> vollem Umfange gleichberechtigt<br />

mit dem M<strong>in</strong>isterrat beteiligt<br />

werden. Notwendig ist die Mitentscheidung<br />

des Europäischen Parlaments bei<br />

allen Rechtsvorschriften, die vom M<strong>in</strong>isterrat<br />

mit qualifizierter Mehrheit angenommen<br />

wurden.<br />

2. Wenn die Europäische Union gesetzgeberisch<br />

tätig wird, müssen Mehrheitsentscheidungen<br />

im M<strong>in</strong>isterrat die Regel<br />

werden.<br />

3. Das Europäische Parlament muû e<strong>in</strong><br />

Gesetzgebungsrecht erhalten.<br />

4. Diese komplizierten und verwirrend<br />

vielfältigen europäischen Gesetzgebungsverfahren<br />

müssen vere<strong>in</strong>facht werden.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> legislativen Entscheidungsverfahren<br />

ist auf e<strong>in</strong>e notwendige,<br />

für die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger verständliche<br />

Zahl zu reduzieren.<br />

5. Zu sämtlichen <strong>in</strong>ternationalen Verträgen<br />

und Vertragsän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union ist die Zustimmung des<br />

Europäischen Parlaments notwendig.<br />

6. In <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Aussen- und<br />

Sicherheitspolitik bedarf es <strong>der</strong> Kontrolle<br />

durch das Europäische Parlament.<br />

7. Das Europäische Parlament wählt den<br />

Präsidenten <strong>der</strong> Kommission aufgrund<br />

e<strong>in</strong>er vom M<strong>in</strong>isterrat vorgelegten Vorschlagsliste.<br />

Die Kommissionsmitglie<strong>der</strong><br />

werden vom Präsidenten und den nationalen<br />

Regierungen ernannt, die endgültige<br />

Zustimmung obliegt dem Europaparlament.<br />

8. Das Europaparlament hat das Recht, die<br />

Amtsenthebung e<strong>in</strong>es Kommissionsmitgliedes<br />

zu beantragen.<br />

9. Das Europäische Parlament muû allen<br />

Ernennungen im EuGH, im Europäischen<br />

Rechnungshof, beim Europol<br />

und im Direktorium des Europäischen<br />

Zentralbanksystems zustimmen können.<br />

Bei Vorschlägen und Ernennungen müssen<br />

Frauen gleichberechtigt berücksichtigt<br />

werden.<br />

(Überwiesen an die Kommission Europapolitik<br />

beim Parteitvorstand)


Antrag: Eu 39<br />

Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Verfassung <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union/Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />

für Volksabstimmung<br />

Die Landtagsfraktionen und die Bundestagsfraktion<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

1. auf die Bundesregierung dah<strong>in</strong>gehend<br />

e<strong>in</strong>zuwirken, daû <strong>in</strong> <strong>der</strong> am 29. März<br />

1998 <strong>in</strong> Tur<strong>in</strong> beg<strong>in</strong>nenden Regierungskonferenz<br />

zur Überprüfung des Vertrages<br />

von Maastricht nicht nur e<strong>in</strong> Kapitel<br />

Beschäftigungspolitik <strong>in</strong> den EU-Vertrag<br />

aufgenommen wird und diesem<br />

e<strong>in</strong>e Charta <strong>der</strong> Bürgerrechte und Sozialen<br />

Grundrechte vorangestellt wird, son<strong>der</strong>n<br />

festgelegt wird, daû bei <strong>der</strong> nächsten<br />

Fortentwicklung des europäischen<br />

Vertragswerks e<strong>in</strong>e Verfassung für die<br />

Europäische Union ausgearbeitet wird,<br />

die den Grundsätzen des demokratischen<br />

Rechts- und Sozialstaats und e<strong>in</strong>er<br />

fö<strong>der</strong>ativen Ordnung e<strong>in</strong>es Europäischen<br />

Bundesstaates gerecht wird.<br />

2. E<strong>in</strong>e Verfassung <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union muû <strong>in</strong> Deutschland durch e<strong>in</strong>e<br />

Volksabstimmung bestätigt werden.<br />

(Ziffer 1: Überwiesen an die Kommission<br />

Europapolitik beim Parteivorstand<br />

Ziffer 2: Angenommen)<br />

Antrag: Eu 40<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />

Frauen<br />

Europäisches Jahr gegen<br />

Rassismus und Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit:<br />

Frauenrechte<br />

s<strong>in</strong>d Menschenrechte<br />

Die Europäische Konvention zum Schutz<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

von 1950 schreibt <strong>in</strong> Artikel 14 vor, daû<br />

alle geltenden Rechte und Freiheiten ohne<br />

Unterschied des Geschlechts, <strong>der</strong> Rasse,<br />

Hautfarbe, Religion, politischen o<strong>der</strong> sonstigen<br />

Anschauungen, nationaler o<strong>der</strong><br />

sozialer Herkunft, Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er<br />

nationalen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit, des Vermögens, <strong>der</strong><br />

Geburt o<strong>der</strong> des sonstigen Status gewährleistet<br />

se<strong>in</strong> müssen. Für 1997 wurde das<br />

¹Europäische Jahr gegen Rassismus und<br />

Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeitª ausgerufen, um sich<br />

mit <strong>der</strong> Bedrohung ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen,<br />

die von Rassismus und Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

gegen Menschenrechte und Demokratie<br />

ausgeht.<br />

Der Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte und<br />

Grundfreiheiten ist e<strong>in</strong> herausragen<strong>der</strong><br />

Wert europäischer Identität. Es vergeht<br />

jedoch ke<strong>in</strong> Tag, an dem nicht grob gegen<br />

diesen Grundwert verstoûen wird. Darunter<br />

zu leiden haben vor allem die rund sieben<br />

Millionen Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>,<br />

die <strong>in</strong> Deutschland leben. Etwa 43<br />

Prozent davon s<strong>in</strong>d Frauen, die oft zusätzliche<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierungen erdulden müssen.<br />

Frauenrechte werden häufig nicht als Menschenrechte<br />

def<strong>in</strong>iert. Menschenrechtsverletzungen<br />

gegen Frauen gelten daher <strong>in</strong><br />

Deutschland im Gegensatz zu den USA<br />

und Kanada nicht als asylbegründend. Die<br />

US-E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsbehörde erkennt h<strong>in</strong>gegen<br />

an, daû es Verfolgungsarten gibt, <strong>der</strong>en<br />

Opfer nur Frauen werden können. In<br />

Deutschland dagegen darf mit Schutz<br />

jedoch nur rechnen, wer unmittelbar von<br />

staatlicher Verfolgung betroffen ist. Hier<br />

zählt nicht das Schicksal von Frauen,<br />

± die als Mütter, Partner<strong>in</strong>nen, Schwestern<br />

o<strong>der</strong> sonstige Nahestehende von Oppositionellen<br />

auch dann verfolgt werden,<br />

wenn sie selbst politisch nicht aktiv s<strong>in</strong>d<br />

bzw. waren<br />

± Frauen, die Opfer von Massenvergewaltigungen<br />

werden<br />

± Frauen, die Opfer von Folter und sexuellen<br />

Übergriffen durch Polizei und an<strong>der</strong>e<br />

Hoheitsträger im Herkunftsland werden<br />

± Frauen, die fliehen, um genitalen Verstümmelungen,<br />

Zwangsverheiratungen,<br />

Mitgiftmorden, grausamen Unterdrückungen<br />

und Bestrafungen zu entgehen<br />

77


± Frauen, die Opfer von Menschenhändlern<br />

und <strong>der</strong> Zwangsprostitution zugeführt<br />

werden.<br />

Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> bekräftigt se<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ung,<br />

daû frauenspezifische Fluchtgründe<br />

als Asylgrund anerkannt werden müssen.<br />

Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> spricht sich für e<strong>in</strong> spezifisches<br />

Schatz- und Bleiberecht für Frauenhandelsopfer<br />

aus, das mit <strong>der</strong> EU- und<br />

Europaratsebene koord<strong>in</strong>iert und abgestimmt<br />

werden muû.<br />

Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die sozialdemokratischen<br />

Innenm<strong>in</strong>ister auf, geme<strong>in</strong>sam<br />

mit den Frauenm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>nen und den<br />

Justizm<strong>in</strong>ister(<strong>in</strong>nen) unter H<strong>in</strong>zuziehung<br />

von Expert<strong>in</strong>nen und Experten von Polizei,<br />

Justiz, Auslän<strong>der</strong>behörden, Nichtregierungsorganisationen<br />

usw. e<strong>in</strong> Handlungskonzept<br />

zu entwickeln, das e<strong>in</strong>erseits Maûnahmen<br />

enthält, die auch ohne Beteiligung<br />

<strong>der</strong> Bundesebene durchgeführt werden<br />

können, und an<strong>der</strong>erseits Handlungsschritte<br />

aufzeigt, die ergriffen werden sollen,<br />

wenn <strong>in</strong> Bonn e<strong>in</strong> Machtwechsel herbeigeführt<br />

ist.<br />

Als Sofortmaûnahme ist e<strong>in</strong>e Korrektur des<br />

§ 19 des Auslän<strong>der</strong>gesetzes vorzunehmen,<br />

um ausländischen Ehefrauen auch nach<br />

kurzer Ehedauer e<strong>in</strong> eigenständiges Aufenthaltsrecht<br />

ohne die E<strong>in</strong>schränkungen <strong>der</strong><br />

jetzt geltenden Härtefallklausel zu ermöglichen,<br />

wenn sie Opfer ehelicher Gewalt<br />

werden.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag: EU 41<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Bonn-Poppelsdorf/Südstadt<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

Europol<br />

Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratisch<br />

geführten Landesregierungen<br />

auf, <strong>der</strong> Ratifizierung des Immunitätsproto-<br />

78<br />

kolls zur EUROPOL-Konvention im Bundestag<br />

und Bundesrat <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Fassung nicht zuzustimmen.<br />

Beim Aufbau von Polizeiorganen, die E<strong>in</strong>griffsrechte<br />

<strong>in</strong> bürgerliche Grundfreiheiten<br />

erhalten sollen bzw. ± wie bei Europol<br />

geplant ± langfristig eigene Ermitlungszuständigkeiten<br />

erhalten werden, ist e<strong>in</strong>e<br />

Rechtsgrundlage erfor<strong>der</strong>lich, die allen<br />

rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt.<br />

Sowohl bei <strong>der</strong> Europolkonvention selbst,<br />

als auch beim Immunitätsprotokoll für<br />

Europol-Beamte gilt, daû die Rechtsweggarantie<br />

durch die Zuständigkeit des EuGH<br />

für Europol gewährleistet werden muû.<br />

Ebenso ist e<strong>in</strong>e umfassende parlamentarische<br />

Kontrolle sowohl auf nationaler als<br />

auch auf europäischer Ebene zur Zeit nicht<br />

gewährleistet. Ohne e<strong>in</strong>e solche Kontrolle<br />

ist Europol jedoch nicht ausreichend<br />

demokratisch legitimiert.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag: Eu 42<br />

Unterbezirk Groû-Gerau<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

EU-Bürger als ehrenamtliche<br />

Arbeits-und Sozialrichter<br />

Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die Bundespartei auf,<br />

e<strong>in</strong>e gesetzliche Regelung zu bewirken, die<br />

künftig die Berufung von ausländischen<br />

bzw. EU-Bürger<strong>in</strong>nen und -Bürgern zu<br />

ehrenamtlichen Arbeits- und Sozialrichtern<br />

ermöglicht.<br />

(Angenommen und überwiesen an die Bundestagsfraktion)


Antrag Eu 43<br />

Landesverband Baden-Württemberg<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Stühl<strong>in</strong>ger<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Europäische Integration<br />

und gesamteuropäische<br />

Friedensordnung<br />

Mit dem Ende des Kalten Krieges und <strong>der</strong><br />

Blockkonfrontation, mit <strong>der</strong> Auflösung des<br />

¹Warschauer Paktesª und <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

und mit den tiefgreifenden Reform- und<br />

Transformationsprozessen <strong>in</strong> Ost- und<br />

Südosteuropa hat sich das Bild Europas <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren stark verän<strong>der</strong>t. Acht<br />

Jahre nach dem Fall <strong>der</strong> Mauer und dem<br />

Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> tiefgreifenden europäischen<br />

Wandlungsprozesse muû e<strong>in</strong>e kritische<br />

Bilanz gezogen werden: Gibt es Gefahren<br />

für den europäischen Integrationsprozeû,<br />

und wie können wir ihnen begegnen? S<strong>in</strong>d<br />

wir auf dem richtigen Weg zu e<strong>in</strong>er<br />

Gesamteuropäischen Friedensordnung, wie<br />

sie die <strong>SPD</strong> schon frühzeitig gefor<strong>der</strong>t hat?<br />

Verfügen wir über die richtigen Instrumente<br />

und Methoden, um neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

für den Frieden <strong>in</strong> Europa<br />

begegnen zu können? Und welche Prioritäten<br />

s<strong>in</strong>d beim Aufbau e<strong>in</strong>es neuen Europa<br />

ohne Systemgrenzen und ohne soziale Verwerfungen<br />

zu setzen?<br />

NATO-Erweiterung und Gefährdung <strong>der</strong><br />

Europäische Integration<br />

Europa hat nach Jahrzehnten <strong>der</strong> Spaltung<br />

die Chance, e<strong>in</strong>e ungeteilte Geme<strong>in</strong>schaft<br />

von Staaten zu werden, getragen von<br />

geme<strong>in</strong>samen Werten und Pr<strong>in</strong>zipien sowie<br />

von wechselseitiger Solidarität und <strong>in</strong>ternationaler<br />

Verantwortung. Der Weg <strong>in</strong> die<br />

europäische Integration muû dabei e<strong>in</strong>hergehen<br />

mit dem Aufbau e<strong>in</strong>er Gesamteuropäischen<br />

Friedensordnung. Dieser Weg<br />

bleibt weiterh<strong>in</strong> bedroht, wie <strong>der</strong> zerstörerische<br />

Krieg <strong>in</strong> Jugoslawien mit se<strong>in</strong>en Folgen<br />

und <strong>der</strong> Zusammenbruch <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Ordnung <strong>in</strong> Albanien als warnende<br />

Beispiele gezeigt haben.<br />

Der NATO-Gipfel <strong>in</strong> Madrid hat die über<br />

die Jahre geführte Diskussion über e<strong>in</strong>e<br />

Osterweiterung <strong>der</strong> westlichen Allianz mit<br />

dem Aufnahmeangebot an die osteuropäischen<br />

Reformstaaten Polen, Tschechien<br />

und Ungarn zu e<strong>in</strong>em vorläufigen<br />

Abschluû geführt. Noch <strong>in</strong> diesem Jahr sollen<br />

die Beitrittsverträge mit den drei neuen<br />

Mitgliedsstaaten ausgehandelt werden,<br />

damit 1998 die notwendigen Ratifizierungsprozesse<br />

beg<strong>in</strong>nen können.<br />

Die Erweiterung des westlichen Bündnisses<br />

verfolgt das erklärte Ziel, mehr Sicherheit<br />

und Stabilität <strong>in</strong> ganz Europa zu schaffen.<br />

Aus heutiger Sicht ersche<strong>in</strong>t aber ke<strong>in</strong>eswegs<br />

sicher, ob dieses Ziel tatsächlich<br />

erreicht werden kann. Denn die Art und<br />

Weise, wie die Entscheidungsprozesse<br />

dabei abliefen, hat <strong>der</strong> gesamteuropäischen<br />

Integration und dem Zusammenhalt des<br />

Bündnisses selbst geschadet.<br />

Die <strong>SPD</strong> kritisiert <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

folgende Fehlentwicklungen:<br />

± Jahrelang gehörte es zu den Liebl<strong>in</strong>gsbeschäftigungen<br />

westlicher Politiker, sich<br />

<strong>in</strong> den Hauptstädten <strong>der</strong> Transformationsstaaten<br />

Ost- und Südosteuropas dafür<br />

feiern zu lassen, daû sie sich vor Ort mit<br />

Nachdruck für die Aufnahme des Gaststaates<br />

<strong>in</strong> die EU und <strong>in</strong> die NATO aussprachen;<br />

± E<strong>in</strong>e ernsthafte Diskussion darüber, ob<br />

e<strong>in</strong>e NATO-Osterweiterung überhaupt<br />

s<strong>in</strong>nvoll ist und wie man sie gestalten<br />

muû, ohne dabei Europa erneut zu spalten<br />

und ohne neue Rüstungsschübe auszulösen,<br />

hat dagegen we<strong>der</strong> im Bundestag<br />

noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

stattgefunden;<br />

± Die Staaten des Westens lieûen es zu,<br />

daû e<strong>in</strong> regelrechtes Wettrennen unter<br />

den beitrittswilligen Staaten entstand,<br />

das diese jungen Demokratien <strong>in</strong> die<br />

Rolle von Bittstellern vor den Toren <strong>der</strong><br />

NATO drängte;<br />

± Als die Entscheidungsphase näherrückte,<br />

platzten die geweckten Erwartungen,<br />

während Taktik und egoistische Motive<br />

das Verhalten <strong>der</strong> NATO-Staaten prägte:<br />

79


Frankreich unterstützte Rumänien, um<br />

das frankophone Element <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allianz<br />

zu stärken, zahlreiche amerikanische<br />

Politiker favorisierten Slowenien wegen<br />

se<strong>in</strong>er strategischen Bedeutung auf dem<br />

Balkan, die Bundesregierung legte sich<br />

aus taktischen Gründen bis zum Ende<br />

nicht fest, und schlieûlich faûte Präsident<br />

Cl<strong>in</strong>ton den vielfach als ¹Diktatª empfundenen<br />

Beschluû, die erste Runde auf<br />

Warschau, Prag und Budapest zu<br />

begrenzen;<br />

± Die NATO-Län<strong>der</strong> haben es zugelassen,<br />

daû parallel dazu von den politischen<br />

Klassen und Regierungen <strong>in</strong> den beitrittswilligen<br />

Reformlän<strong>der</strong>n stellenweise<br />

e<strong>in</strong>e regelrechte NATO-Hysterie entfacht<br />

wurde, wobei die Frage des E<strong>in</strong>lasses<br />

<strong>in</strong> das Bündnis schon gelegentlich<br />

zur Existenzfrage <strong>der</strong> jungen Demokratien<br />

hochstilisiert wurde;<br />

± Die Tatsache, daû die Alle<strong>in</strong>entscheidung<br />

Wash<strong>in</strong>gtons schlieûlich den Ausschlag<br />

gab und dabei u. a. das Votum von 9 <strong>der</strong><br />

16 NATO-Mitglie<strong>der</strong> zugunsten e<strong>in</strong>er<br />

Aufnahme Rumäniens beiseite schob, hat<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Reform des Bündnisses<br />

geschadet und jene Kritiker bestätigt, die<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO bis heute <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />

e<strong>in</strong> Macht- und E<strong>in</strong>fluû<strong>in</strong>strument <strong>der</strong><br />

Vere<strong>in</strong>igten Staaten auf europäischem<br />

Boden sehen und die sogenannte ¹Stärkung<br />

des europäischen Pfeilersª für<br />

blanke Illusion halten;<br />

± Die Madri<strong>der</strong> Entscheidung enttäuscht 9<br />

von 12 NATO-Bewerbern, die jetzt verstärkt<br />

für ihre baldige Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

2. o<strong>der</strong> 3. Erweiterungsrunde werben<br />

und dabei erheblichen Druck auf die<br />

Allianz ausüben werden.<br />

Die NATO betont zwar den ¹offenen Prozeûª<br />

ihrer Erweiterung und damit die<br />

Chancen aller Bewerber, auch später noch<br />

dem Bündnis beizutreten, hat aber die Voraussetzungen<br />

für künftige Erweiterungsrunden<br />

bisher nicht schaffen können: Wie<br />

soll die Zustimmung Ruûlands zu weiteren<br />

Beitrittsrunden gewonnen werden, o<strong>der</strong><br />

will man notfalls das jetzt mühsam<br />

erreichte Agreement mit Moskau über die<br />

80<br />

Grundakte für die nächste Erweiterungsrunde<br />

aufs Spiel setzen? Wie läût sich vermeiden,<br />

daû jede weitere Mitglie<strong>der</strong>aufnahme<br />

das Ausgrenzungsproblem<br />

verschärft, <strong>in</strong>dem dann immer weniger<br />

europäische Län<strong>der</strong> auûerhalb <strong>der</strong> NATO<br />

bleiben, bis schlieûlich alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> komplett<br />

isoliertes Ruûland übrigbleibt?<br />

Im achten Jahr nach dem Ende <strong>der</strong> Blockkonfrontationen<br />

ist durch Fahrlässigkeit<br />

e<strong>in</strong>e Situation entstanden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich das<br />

¹Fenster <strong>der</strong> Gelegenheitª für e<strong>in</strong>e gesamteuropäische<br />

Integration und e<strong>in</strong>e echte<br />

Partnerschaft mit Ruûland zu schlieûen<br />

droht und damit die Hoffnung <strong>der</strong> Jugend<br />

Europas auf e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gesicherten<br />

und umfassenden Friedensordnung enttäuscht<br />

werden könnte.<br />

Den Europäischen Integrationsprozeû<br />

absichern<br />

Die <strong>SPD</strong> sieht e<strong>in</strong>en dr<strong>in</strong>genden Handlungsbedarf,<br />

um weiteren Schaden für den<br />

europäischen Integrationsprozeû durch die<br />

NATO-Erweiterung abzuwehren und wird<br />

im e<strong>in</strong>zelnen dabei folgende Ziele verfolgen:<br />

1) Wir brauchen e<strong>in</strong> Gesamtkonzept für<br />

die europäische Integration mit e<strong>in</strong>em verläûlichen<br />

und berechenbaren Fahrplan für<br />

alle europäischen Län<strong>der</strong>, <strong>der</strong> den Staaten,<br />

die bisher noch ausgeschlossen bleiben von<br />

den europäischen Institutionen, e<strong>in</strong>e<br />

sichere Perspektive bietet, ohne sie dabei <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Korsett unflexibler und dogmatischer<br />

For<strong>der</strong>ungen zu zw<strong>in</strong>gen.<br />

2) Europa darf nicht zulassen, daû die<br />

NATO und die Staaten, die ihre Aufnahme<br />

<strong>in</strong> das Bündnis anstreben, weiterh<strong>in</strong> ihre<br />

Hauptressourcen für das R<strong>in</strong>gen um die<br />

Erweiterung verbrauchen. Stattdessen muû<br />

die NATO sich jetzt darauf konzentrieren,<br />

ihren Wandel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ¹Neue NATOª, <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong> Madrid bedauerlicherweise zu wenig<br />

vorangekommen ist, mit entschlossenen<br />

Schritten fortzusetzen, e<strong>in</strong>e vernünftige<br />

Arbeitsteilung mit den übrigen europäischen<br />

Sicherheits<strong>in</strong>stitutionen zu def<strong>in</strong>ieren<br />

und sich den drängenden Sicherheits-


problemen <strong>in</strong>nerhalb des Bündnisses und<br />

<strong>in</strong> Europa zuzuwenden.<br />

3) Der <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundakte NATO-Ruûland<br />

und <strong>der</strong> Charta NATO-Ukra<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geschlagene<br />

Weg, bei den europäischen<br />

Integrationsprozessen den fairen Interessensausgleich<br />

und den Konsens mit <strong>der</strong><br />

Russischen Fö<strong>der</strong>ation und <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e<br />

zu suchen, muû unbed<strong>in</strong>gt fortgesetzt<br />

werden. Es war richtig und notwendig,<br />

bei <strong>der</strong> ersten Erweiterungsrunde <strong>der</strong><br />

NATO durch e<strong>in</strong> Paket von gegenseitigen<br />

Vere<strong>in</strong>barungen und Verpflichtungen das<br />

Vertrauen <strong>in</strong> Moskau und Kiew <strong>in</strong> die<br />

Sicherheits- und Stabilitätsziele des<br />

Westens so weit es g<strong>in</strong>g zu verstärken. Bei<br />

den weiteren Integrationsschritten darf es<br />

ke<strong>in</strong>e Abweichung von diesem Weg<br />

geben.<br />

4) Der Wettlauf zwischen den beitrittswilligen<br />

Reformstaaten Ost-und Südosteuropas<br />

um e<strong>in</strong>e NATO-Aufnahme, <strong>der</strong> diese<br />

Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Rolle von Bittstellern<br />

drängt, darf sich nach dem Gipfel von<br />

Madrid nicht fortsetzen. Diese Län<strong>der</strong><br />

haben e<strong>in</strong> Recht auf e<strong>in</strong>e verläûliche und<br />

berechenbare Perspektive für ihre Aufnahme<br />

<strong>in</strong> den europäischen Integrationsprozeû,<br />

für die sowohl die EU wie die<br />

NATO die notwendigen Voraussetzungen<br />

schaffen müssen.<br />

5) Die Defizite bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />

EU auf ihre Erweiterung, die beklagenswerterweise<br />

auch nach dem Amsterdamer<br />

Gipfel weiterbestehen, müssen schon deshalb<br />

jetzt entschlossen beseitigt werden,<br />

weil sonst das Drängen <strong>der</strong> Transformationsstaaten<br />

Ost-und Südosteuropas <strong>in</strong> die<br />

NATO als Ersatz<strong>in</strong>tegrations<strong>in</strong>stitution<br />

noch zunehmen wird. Die EU, die jahrelang<br />

über Assoziationsverträge, Weiûbücher<br />

und Fragebögen die Reformlän<strong>der</strong> zu<br />

umfangreichen Assimilationsleistungen<br />

getrieben hat, muû jetzt endlich wie versprochen<br />

ihre eigene Integrationsfähigkeit<br />

herstellen und den entwürdigenden Streit<br />

um Kommissarposten und Stimmengewichte<br />

beenden.<br />

Die Chancen <strong>der</strong> Grundakte NATO-Ruûland<br />

nutzen<br />

Ohne die Grundakte NATO-Ruûland und<br />

die Charta NATO-Ukra<strong>in</strong>e kann die<br />

NATO ihr Ziel bei dem Erweiterungsprozeû,<br />

nämlich mehr Sicherheit und Stabilität<br />

<strong>in</strong> Europa zu schaffen, nicht erreichen. Die<br />

NATO-Ruûland-Akte enthält groûe Chancen<br />

und Möglichkeiten, das alte Konfrontationsverhältnis<br />

def<strong>in</strong>itiv zu beenden und<br />

e<strong>in</strong>e echte Partnerschaft mit Ruûland aufzubauen.<br />

Ob dieser ¹Quantensprungª <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> europäischen Sicherheitspolitik (Javier<br />

Solana) aber tatsächlich stattf<strong>in</strong>den wird,<br />

hängt von <strong>der</strong> praktischen Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Absichtserklärungen ab, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Grundakte zum Ausdruck gebracht wurden.<br />

Um die Grundakte mit Leben zu füllen<br />

und ihre Chancen zu nutzen, hält die <strong>SPD</strong><br />

folgende konkreten Maûnahmen und Initiativen<br />

für erfor<strong>der</strong>lich:<br />

1) Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundakte vere<strong>in</strong>barte Stärkung<br />

<strong>der</strong> OSZE, <strong>der</strong> nach dem Dokument<br />

als e<strong>in</strong>ziger gesamteuropäischer Sicherheitsorganisation<br />

e<strong>in</strong>e ¹Schlüsselrolle für<br />

Frieden und Stabilität <strong>in</strong> Europaª<br />

zukommt, muû tatsächlich ohne Verzug<br />

erfolgen. Die <strong>SPD</strong> verlangt seit langem,<br />

die Fähigkeiten <strong>der</strong> OSZE zur Krisenprävention<br />

und zur nichtmilitärischen Konfliktlösung<br />

auszubauen und stärker zu nutzen.<br />

Die <strong>SPD</strong> erwartet von <strong>der</strong><br />

Bundesregierung, daû diese noch im Jahr<br />

1997 e<strong>in</strong>en Bericht darüber vorlegt, wie sie<br />

<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit den an<strong>der</strong>en europäischen<br />

Regierungen den Ausbau und die<br />

Funktionserweiterung <strong>der</strong> OSZE vorantreiben<br />

wird.<br />

2) Der neuzubildende ¹Ständige Geme<strong>in</strong>same<br />

NATO-Ruûland-Ratª muû tatsächlich<br />

das Gremium werden, <strong>in</strong> dem alle<br />

Friedens-und Sicherheitsprobleme <strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>samer Verantwortung beraten werden.<br />

Die <strong>SPD</strong> wendet sich gegen schon<br />

jetzt erkennbare Tendenzen konservativer<br />

Bedenkenträger, die Kompetenzverlagerungen<br />

auf den ohne Ruûland tagenden Nordatlantikrat<br />

anstreben, um die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grund-<br />

81


akte vorgesehenen Mitspracherechte Ruûlands<br />

bei europäischen Sicherheitsfragen zu<br />

beschneiden.<br />

3) Die <strong>SPD</strong> ist darüber besorgt, daû auch<br />

nach Unterzeichnung <strong>der</strong> Grundakte durch<br />

Präsident Jelz<strong>in</strong> <strong>in</strong> Paris am 27. Mai 1997<br />

<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Russischen Staatsduma<br />

und im Fö<strong>der</strong>ationsrat gegen die<br />

NATO-Osterweiterung und die Kritik an<br />

dem Grundakten-Dokument anhalten. Wir<br />

nehmen die russische Demokratie ernst<br />

und warnen davor, sich im weiteren alle<strong>in</strong><br />

auf das E<strong>in</strong>verständnis mit <strong>der</strong> russischen<br />

Führung zu stützen. Der Westen muû<br />

se<strong>in</strong>e Kontakte und se<strong>in</strong>en Dialog mit den<br />

Abgeordneten von Staatsduma und Fö<strong>der</strong>ationsrat<br />

verstärken und für den <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Grundakte angelegten Vertrauensprozeû<br />

aktiv werben. Dasselbe gilt für den ¹Obersten<br />

Ratª <strong>in</strong> Kiew, das Parlament <strong>der</strong><br />

Ukra<strong>in</strong>e.<br />

4) Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Russische Staatsduma<br />

auf, endlich den START II-Vertrag,<br />

das Chemiewaffenübere<strong>in</strong>kommen und den<br />

Open-Skies-Vertrag zu ratifizieren. Die<br />

Zustimmung zu diesen Abrüstungs- und<br />

Rüstungskontrollverträgen von weltweiter<br />

Bedeutung, die z.T. schon länger als vier<br />

Jahre auf ihre Verwirklichung warten, entspricht<br />

dem Geiste <strong>der</strong> Grundakte. Nach<br />

Unterzeichnung <strong>der</strong> Grundakte läût sich<br />

e<strong>in</strong>e Verweigerung <strong>der</strong> Ratifizierung mit<br />

dem H<strong>in</strong>weis auf die Osterweiterung des<br />

westlichen Bündnisses nicht länger rechtfertigen.<br />

5) Ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Reformlän<strong>der</strong> Ost- und Südosteuropas<br />

wird <strong>der</strong>zeit von auûen bedroht.<br />

Dies gilt auch für die jetzt zum NATO-<br />

Beitritt e<strong>in</strong>geladenen Län<strong>der</strong> Polen, Tschechien<br />

und Ungarn. Spannungen zwischen<br />

Nachbarlän<strong>der</strong>n konnten <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren durch e<strong>in</strong> Netz bilateraler Verträge<br />

<strong>in</strong> erfreulicher Weise abgebaut werden. Vor<br />

dem H<strong>in</strong>tergrund dieser positiven Entwicklung<br />

läût sich ke<strong>in</strong>e zusätzliche Rüstungsmaûnahme<br />

im Kontext mit <strong>der</strong> NATO-<br />

Osterweiterung rechtfertigen. Wie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Grundakte vorgesehen, muû die Erweiterung<br />

<strong>der</strong> Allianz den Weg zu weiteren<br />

Abrüstungszielen ebnen und über die<br />

82<br />

geme<strong>in</strong>same Organisation von Sicherheit<br />

zu E<strong>in</strong>sparungen bei den Verteidigungshaushalten<br />

<strong>der</strong> NATO und ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />

fahren.<br />

6) Die <strong>SPD</strong> unterstützt e<strong>in</strong>en dauerhaften<br />

und verb<strong>in</strong>dlichen Verzicht auf die Stationierung<br />

von Atomwaffen und Truppenverbänden<br />

des Bündnisses <strong>in</strong> den neuen Mitgliedslän<strong>der</strong>n.<br />

Um die Beistandsgarantien<br />

nach dem Wash<strong>in</strong>gtoner Vertrag erfüllen<br />

zu können, reichen die <strong>der</strong>zeitigen militärischen<br />

Mittel <strong>der</strong> Allianz aus und bedürfen<br />

ke<strong>in</strong>er Erweiterung. Die <strong>SPD</strong> wendet sich<br />

gegen amerikanische Pläne, <strong>in</strong> gröûerem<br />

Umfang schnell bewegliche Verstärkungskräfte<br />

und zusätzliche Staffeln von Kampfflugzeugen<br />

<strong>in</strong> Westeuropa zur Bekräftigung<br />

<strong>der</strong> Beistandsgarantien bereitzustellen. Solche<br />

Rüstungsmaûnahmen f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>zeitigen Bedrohungssituation ke<strong>in</strong>erlei<br />

Rechtfertigung und provozieren Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

über die Kostenfrage <strong>der</strong><br />

NATO-Erweiterung. Die <strong>SPD</strong> lehnt auch<br />

die rasche Ausrüstung <strong>der</strong> neuen Mitgliedsstaaten<br />

mit mo<strong>der</strong>nen und teuren westlichen<br />

Kampfflugzeugen und Luftabwehrsystemen,<br />

wie sie die US-Regierung for<strong>der</strong>t,<br />

entschieden ab. Das massive Auftreten von<br />

Aquisiteuren westlicher Rüstungskonzerne<br />

<strong>in</strong> Osteuropa, um sich im Zuge <strong>der</strong> Osterweiterung<br />

<strong>der</strong> Allianz rechtzeitig Anteile an<br />

e<strong>in</strong>em künftig lukrativen Rüstungsmarkt zu<br />

sichern, schadet dem Ansehen des Westens,<br />

den Reformen <strong>in</strong> den Beitrittslän<strong>der</strong>n und<br />

den Zielen <strong>der</strong> europäischen Integration.<br />

7) Die NATO-Ruûland-Akte widmet Fragen<br />

<strong>der</strong> konventionellen Abrüstung <strong>in</strong><br />

Europa breitesten Raum. Tatsächlich entscheidet<br />

sich <strong>in</strong> Wien bei den KSE-Anpassungsverhandlungen,<br />

die im Januar 1997<br />

begonnen haben, ob die Osterweiterung<br />

<strong>der</strong> NATO neue Rüstungswellen auslöst<br />

o<strong>der</strong> neue Ziele für den bisher so erfolgreichen<br />

Prozeû <strong>der</strong> konventionellen Abrüstung<br />

vorgibt. Die <strong>SPD</strong> unterstützt Vorschläge,<br />

die von <strong>der</strong> veralteten, aus <strong>der</strong> Zeit<br />

des Kalten Krieges stammenden Gruppenzählweise<br />

wegführen. Die westlichen Vorschläge<br />

dürfen sich aber nicht alle<strong>in</strong> darauf<br />

beschränken, den KSE-Prozeû mit den<br />

Interessen <strong>der</strong> NATO-Osterweiterung


kompatibel zu machen. Pr<strong>in</strong>zipien wie Stabilität<br />

durch Gleichgewicht und technische<br />

Nichtangriffsfähigkeit dürfen nicht aufgegeben<br />

werden. Das KSE-Vertragswerk muû<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft luftbewegliche Kräfte<br />

begrenzen und darf <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wirksamkeit<br />

nicht durch die Bildung massiver, schnell<br />

beweglicher Verstärkungskräfte unterlaufen<br />

werden. Die Bundesregierung wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

noch vor Jahresende ihre Vorstellungen<br />

zur Zukunft des KSE-Prozesses im<br />

Deutschen Bundestag und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />

zur Diskussion zu stellen.<br />

Die gefährliche Reduktion <strong>der</strong> europäischen<br />

Sicherheitspolitik aufbrechen<br />

Die bisherigen Kontroversen um die<br />

NATO-Osterweiterung haben die europäische<br />

Sicherheitspolitik <strong>in</strong> gefährlicher<br />

Weise auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Thema reduziert<br />

und dabei erhebliche Ressourcen gebunden,<br />

die dadurch für an<strong>der</strong>e Aufgaben nicht<br />

zur Verfügung standen. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Europa<br />

und im Bündnisgebiet (von an<strong>der</strong>en Weltregionen<br />

ganz zu schweigen) haben sich<br />

aber <strong>in</strong>zwischen ernste Probleme aufgetürmt.<br />

Der erschreckende Stillstand im<br />

bosnischen Friedensprozeû, das Chaos <strong>in</strong><br />

Albanien, die politischen Wirren <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Türkei, das auf Entschärfung wartende<br />

Pulverfaû Zypern ± das s<strong>in</strong>d alles Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die sich durch die Erweiterung<br />

<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> NATO-Mitglie<strong>der</strong> nicht<br />

lösen lassen. Die <strong>SPD</strong> ist besorgt über das<br />

Versagen <strong>der</strong> Krisenprävention, über den<br />

Mangel an Autorität, um e<strong>in</strong>mal beschlossene<br />

Friedensverträge auch durchzusetzen,<br />

und über die Gefahren, die aus dem Verhalten<br />

e<strong>in</strong>iger Bündnismitglie<strong>der</strong> resultieren.<br />

Ohne Sofortmaûnahmen, die noch <strong>in</strong><br />

diesem Jahr greifen müssen, wird <strong>der</strong> Dayton-Prozeû<br />

scheitern und damit <strong>der</strong><br />

gesamte europäische Integrationsprozeû <strong>in</strong><br />

Frage gestellt.<br />

Um aus dieser Lage herauszukommen, for<strong>der</strong>t<br />

die <strong>SPD</strong>:<br />

1) Sicherheitspolitik <strong>in</strong> Europa muû sich<br />

endlich wie<strong>der</strong> mit Sicherheitsfragen statt<br />

mit Beitrittsfragen beschäftigen. Die<br />

Reduktion auf die NATO und das Beitrittsthema<br />

muû aufgebrochen werden.<br />

2) Europa muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e wirksamere Krisenprävention<br />

<strong>in</strong>vestieren, wie <strong>der</strong> Flächenbrand<br />

<strong>der</strong> Instabilitäten <strong>in</strong> ganz Südosteuropa<br />

und beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Albanien gezeigt<br />

hat. Die besten Voraussetzungen zur wirksamen<br />

Früherkennung von Sicherheitsrisiken<br />

und zur Krisenprävention br<strong>in</strong>gt die<br />

OSZE mit sich. In Umkehrung <strong>der</strong><br />

bestehenden Trends müssen Mittel aus<br />

Rüstungsetats zugunsten <strong>der</strong> Friedensforschung<br />

und Friedenserziehung sowie zur<br />

Ausbildung von Fachleuten für nichtmilitärische<br />

Konfliktlösungen und zur Aufstellung<br />

von zivilen Friedenscorps umgewidmet<br />

werden.<br />

3) Die Entwicklung <strong>in</strong> Südosteuropa läût<br />

sich nicht länger durch die Entsendung<br />

von bewaffneten Expeditionscorps zur<br />

Schadensbegrenzung beantworten. Notwendig<br />

ist die Entwicklung e<strong>in</strong>er politischen<br />

Gesamtstrategie für Südosteuropa,<br />

die Wirkungen wie e<strong>in</strong>e Art regionaler<br />

Marshall-Plan entfaltet, um das politische,<br />

ökonomische und soziale Abdriften dieses<br />

Teils von Europa aufzuhalten.<br />

4) Die EU muû das gefährliche Autoritäts-<br />

Vakuum <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen Auûen- und<br />

Sicherheitspolitik beseitigen und mit <strong>der</strong><br />

Entwicklung e<strong>in</strong>er ¹Geme<strong>in</strong>samen Auûenund<br />

Sicherheitspolitikª (GASP) endlich die<br />

Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

europäische Friedens- und Integrationspolitik<br />

schaffen.<br />

5) Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen müssen <strong>in</strong> ihrer<br />

Verantwortung und Fähigkeit zur Durchführung<br />

friedenserhalten<strong>der</strong> Maûnahmen<br />

gestärkt werden.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Kommission Auûen- und Sicherheitspolitik<br />

beim Parteivorstand)<br />

83


Innovations-, Wirtschafts-, Beschäftigungsund<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

Antrag I44<br />

Parteivorstand<br />

Innovationen für Deutschland<br />

A Innovationen für Deutschland<br />

1. Wir setzen auf Innovation <strong>in</strong> Wirtschaft,<br />

Staat und Gesellschaft<br />

2. Die Wachstumskräfte stärken ± wir<br />

brauchen e<strong>in</strong>e Innovationspolitik für<br />

die Zukunft<br />

3. Innovationspolitik mit breitem<br />

B<br />

Ansatz und langem Atem<br />

Innovationsfel<strong>der</strong> für die Zukunft<br />

1. Forschung und Technologie stärken<br />

2. Bildung ist die Schlüsselressource<br />

für die Zukunft<br />

3. Arbeitsorganisation und Arbeitsmarkt<br />

weiterentwickeln<br />

4. Den Mittelstand als Innovationsträger<br />

stärken, Existenzgründungen<br />

för<strong>der</strong>n<br />

5. Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

voranbr<strong>in</strong>gen<br />

6. Den Dienstleistungssektor systematisch<br />

entwickeln<br />

7. Staat und Verwaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Gesellschaft<br />

8. Neuen Konsens für e<strong>in</strong>e neue<br />

Sozialstaatlichkeit organisieren<br />

Die Bewältigung <strong>der</strong> vor uns liegenden<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen ist nicht durch Festhalten<br />

am Hergebrachten möglich. Wir<br />

Sozialdemokraten wollen zukunftsorientierte<br />

Antworten geben. Wir wollen Visionen<br />

formulieren, Kräfte bündeln und<br />

Anstöûe für die Entfaltung privater Initiative<br />

geben. Wir wollen Mut machen, die<br />

neuen Aufgaben zu lösen und dabei soziale<br />

Gerechtigkeit, Sicherheit und Arbeit für<br />

84<br />

alle schaffen. Wir wollen die Innovationskräfte<br />

<strong>in</strong> Technik, Wissenschaft und Qualifikation<br />

mobilisieren und die Bereitschaft<br />

für Verän<strong>der</strong>ungen stärken.<br />

Innovationen <strong>in</strong> Wirtschaft, Staat und<br />

Gesellschaft s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Schlüssel für die<br />

Schaffung neuer Arbeitsplätze, für die<br />

Sicherung <strong>der</strong> sozialen Stabilität und für<br />

e<strong>in</strong>e zukunftsfähige Entwicklung Deutschlands:<br />

± Mit <strong>der</strong> Stärkung von Forschung und<br />

Wissenschaft wollen wir dafür sorgen,<br />

daû Deutschland mit neuen Zukunftstechnologien<br />

die Zukunftsmärkte<br />

erobert. Spitzenprodukte zu wettbewerbsfähigen<br />

Preisen, das ist die Chance<br />

<strong>der</strong> deutschen Wirtschaft im globalen<br />

Wettbewerb.<br />

± Mit e<strong>in</strong>er groûangelegten Bildungsoffensive<br />

wollen wir erreichen, daû die<br />

Deutschen wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e führende Bildungsnation<br />

werden. Ausbildung und<br />

Qualifikation s<strong>in</strong>d die wichtigste Investition<br />

für die Zukunft unseres Landes.<br />

± Mit e<strong>in</strong>er Mo<strong>der</strong>nisierung des Arbeitsmarktes<br />

und e<strong>in</strong>er beschäftigungsorientierten<br />

Tarifpolitik s<strong>in</strong>d mehr Wachstum<br />

und mehr Beschäftigung zu schaffen.<br />

Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik<br />

müssen geme<strong>in</strong>sam neue Wege gehen,<br />

um die Arbeitslosigkeit zu überw<strong>in</strong>den.<br />

± Mit e<strong>in</strong>er gezielten Mittelstandspolitik<br />

wollen wir Innovation, Ausbildung und<br />

Beschäftigung stärken. Deutschland<br />

braucht e<strong>in</strong>e neue Grün<strong>der</strong>welle.<br />

± Mit e<strong>in</strong>er ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft schaffen wir zukunftssichere<br />

Arbeitsplätze und sichern die<br />

natürlichen Lebensgrundlagen für kommende<br />

Generationen. E<strong>in</strong>e marktwirtschaftliche<br />

Innovations- und Umweltpolitik<br />

gibt Anreize für neue Technologien<br />

und für neue Märkte.


± Mit e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung des Dienstleistungssektors<br />

wollen wir neue<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten erschlieûen.<br />

E<strong>in</strong>e neue Dienstleistungskultur schafft<br />

nicht nur neue Arbeitsplätze, son<strong>der</strong>n<br />

auch neue Lebensqualität.<br />

± Mit dem Abbau überflüssiger Bürokratie<br />

und e<strong>in</strong>er Neubestimmung staatlicher<br />

Leistungen wollen wir die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für neue Arbeitsplätze<br />

verbessern. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher und bürgernaher<br />

Staat ist unverzichtbare Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong>e leistungsfähige Wirtschaft.<br />

± Mit e<strong>in</strong>er Reform des Sozialstaates wollen<br />

wir die sozialen Sicherungssysteme<br />

stabilisieren und die Zielgenauigkeit<br />

staatlicher Hilfen verbessern. Die solidarische<br />

Gesellschaft braucht e<strong>in</strong> Gleichgewicht<br />

von sozialer Sicherung und Eigenverantwortung.<br />

A. Innovationen für Deutschland<br />

1. Wir setzen auf Innovation <strong>in</strong> Wirtschaft,<br />

Staat und Gesellschaft<br />

Deutschland ist Teil e<strong>in</strong>es weltweiten Wandels<br />

<strong>der</strong> Arbeits- und Lebensbed<strong>in</strong>gungen.<br />

Wie immer wir die Gesellschaft von morgen<br />

bezeichnen ± ob als Informations-,<br />

Wissens- o<strong>der</strong> Dienstleistungsgesellschaft ±<br />

e<strong>in</strong>es ist schon heute sicher: Mit e<strong>in</strong>er bloûen<br />

Fortschreibung <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

Politik werden wir die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts nicht meistern können.<br />

Dies gilt für alle gesellschaftlichen<br />

Bereiche, für das Beschäftigungssystem<br />

ebenso wie für das Bildungs- und Wissenschaftssystem<br />

und die soziale Sicherheit.<br />

Deutschland braucht e<strong>in</strong>en Aufbruch nach<br />

vorne und e<strong>in</strong>en Politikwechsel. Wir setzen<br />

auf Innovationen <strong>in</strong> Wirtschaft, Staat und<br />

Gesellschaft. Nur so werden wir die Chancen<br />

des technologischen, ökonomischen<br />

und gesellschaftlichen Wandels nutzen<br />

können. Wir haben Chancen zur Sicherung<br />

und Mehrung des erreichten Wohlstands,<br />

Chancen für neue Arbeitsplätze und für<br />

e<strong>in</strong>en verantwortlichen Umgang mit <strong>der</strong><br />

Natur, Chancen für e<strong>in</strong>en neuen sozialen<br />

Konsens, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> Gerechtigkeit und<br />

Sicherheit schafft. Diese Chancen wollen<br />

wir nutzen.<br />

An <strong>der</strong> Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t stellen<br />

sich <strong>der</strong> Sozialdemokratie neue Aufgaben.<br />

Erneut geht es darum, Verän<strong>der</strong>ungen<br />

und ihre Auswirkungen so zu gestalten,<br />

daû Menschenwürde, Wohlstand, Bildung<br />

und Sicherheit für alle gewährleistet s<strong>in</strong>d.<br />

Mit e<strong>in</strong>er neuen Politik wollen wir die<br />

Ziele <strong>der</strong> europäischen Aufklärung und <strong>der</strong><br />

europäischen Sozialdemokratie Freiheit,<br />

Gerechtigkeit, Solidarität und Teilhabe verwirklichen.<br />

Ökonomische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

und soziale Mo<strong>der</strong>nität müssen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang<br />

stehen.<br />

Für diese Ziele wollen wir arbeiten. Um<br />

sie zu erreichen, müssen wir Deutschlands<br />

Stellung im Bereich wichtiger Spitzentechnologien<br />

verbessern und unser Bildungssystem<br />

e<strong>in</strong>schlieûlich <strong>der</strong> Hochschulen und<br />

<strong>der</strong> Weiterbildung effektiver und beweglicher<br />

gestalten. Wir wollen helfen, daû<br />

Erf<strong>in</strong>dungen schneller <strong>in</strong> Produkte und<br />

Dienstleistungen umgesetzt werden, Unternehmensgründungen<br />

<strong>in</strong> <strong>in</strong>novativen Bereichen<br />

för<strong>der</strong>n, effizienter mit Energie und<br />

Rohstoffen umgehen, und die Organisationsstrukturen<br />

von Unternehmen und Staat<br />

verbessern. Deutschland und Europa haben<br />

gute Voraussetzungen, um im weltweiten<br />

Wettbewerb erfolgreich zu se<strong>in</strong> ± vor allem<br />

die Qualifikationen <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer.<br />

Innovationen bedeuten oft Abkehr vom<br />

Gewohnten. In den letzten Jahren wurde<br />

die Diskussion um Globalisierung <strong>in</strong>strumentalisiert,<br />

um den Reichtum unserer<br />

Gesellschaft umzuverteilen, um soziale Leistungen<br />

zu kürzen, um an Forschung und<br />

Ausbildung zu sparen. Die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft wird<br />

nicht mit konservativen Konzepten von<br />

gestern gel<strong>in</strong>gen. Deutschland kann se<strong>in</strong>e<br />

Wettbewerbsfähigkeit nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Kostensenkungswettlauf sichern. Wir müssen<br />

uns vielmehr auf unsere Stärken und<br />

Tugenden bes<strong>in</strong>nen: Erf<strong>in</strong><strong>der</strong>geist und Leistungsbereitschaft,<br />

Qualifikation und tech-<br />

85


nologischer Vorsprung, Diszipl<strong>in</strong> und<br />

Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n.<br />

Die Antwort auf die Globalisierung erfor<strong>der</strong>t<br />

aktive Pionierarbeit auf neuen Gütermärkten,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Produkt- und Verfahrens<strong>in</strong>novation<br />

und bei <strong>der</strong> Reform des Staates<br />

sowie des Bildungs- und Forschungssystems.<br />

Notwendig ist zudem e<strong>in</strong>e bessere<br />

und <strong>in</strong>tensivere europäische Zusammenarbeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Handels- und Währungs- sowie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungs- und Technologiepolitik.<br />

Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik<br />

setzt auch auf e<strong>in</strong>e solidarische <strong>in</strong>ternationale<br />

Zusammenarbeit. Wir plädieren dafür,<br />

die soziale und ökologische Marktwirtschaft<br />

zur Grundlage zu machen. Denn wo<br />

<strong>der</strong> Verlust nationaler Kompetenz nicht<br />

durch <strong>in</strong>ternationale Regeln ausgeglichen<br />

wird, gilt das Recht des Stärkeren. Deshalb<br />

brauchen wir <strong>in</strong>ternationale Vere<strong>in</strong>barungen<br />

auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union, <strong>der</strong> OECD, auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />

Welthandelsorganisation und des <strong>in</strong>ternationalen<br />

Währungsfonds sowie <strong>der</strong> Internationalen<br />

Arbeitsorganisation (ILO).<br />

Vor allem aber braucht e<strong>in</strong>e erfolgversprechende<br />

Innovationsstrategie e<strong>in</strong>e dialogorientierte<br />

Wirtschaftspolitik, die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

verbessert und die Teilhabe<br />

breiter Schichten <strong>der</strong> arbeitenden Bevölkerung<br />

am Haben und Sagen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

ermöglicht.<br />

Die Erfolge <strong>der</strong> sozialdemokratischen Parteien<br />

<strong>in</strong> Frankreich und Groûbritannien<br />

zeigen, daû immer mehr Bürger<strong>in</strong>nen und<br />

Bürger Europas <strong>der</strong> Sozialdemokratie vertrauen,<br />

die groûen Verän<strong>der</strong>ungen des<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>ts nach den Pr<strong>in</strong>zipien Freiheit,<br />

Gerechtigkeit, Solidarität und Teilhabe<br />

aktiv zu gestalten.<br />

2. Die Wachstumskräfte stärken ± wir<br />

brauchen e<strong>in</strong>e Innovationspolitik für die<br />

Zukunft<br />

Wirtschaftswachstum ist für die Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen unverzichtbar. Deshalb<br />

müssen die Wachstumskräfte gestärkt werden.<br />

Umwelt- und Ressourcenschutz s<strong>in</strong>d<br />

dabei <strong>in</strong>tegraler Bestandteil wirtschaftlichen<br />

86<br />

Wachstums und selbst Quelle von Innovationen<br />

für die Märkte <strong>der</strong> Welt. Dazu<br />

bedarf es<br />

± e<strong>in</strong>er konjunkturgerechten Fiskalpolitik:<br />

Die aktuellen Probleme <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Haushalte und Sozialversicherungssysteme<br />

werden sich nur dann lösen lassen,<br />

wenn wie<strong>der</strong> mehr Beschäftigung<br />

geschaffen wird. Deshalb erfor<strong>der</strong>t die<br />

Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte<br />

den Abbau struktureller Haushaltsdefizite<br />

und e<strong>in</strong> hohes Investitionsniveau<br />

vor allem für Bildung, Forschung,<br />

öffentliche Infrastruktur und die Bewahrung<br />

<strong>der</strong> Lebensgrundlagen. Notwendig<br />

ist e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Konjunktur<br />

und e<strong>in</strong>e Stärkung von Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen.<br />

± e<strong>in</strong>er ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

Wirtschaft und Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten:<br />

Wir wollen unsere Wirtschaft nachhaltig<br />

entwickeln. Der Faktor Arbeit soll e<strong>in</strong>erseits<br />

durch schrittweise Senkung von<br />

Abgaben und Steuern entlastet werden,<br />

um die Nachfrage nach Arbeit zu<br />

erhöhen. Auûerdem sollen marktwirtschaftliche<br />

Anreize für die Entwicklung<br />

ressourcenschonen<strong>der</strong> Produkte und<br />

Produktionsverfahren, für Umweltschutz<br />

und Energiee<strong>in</strong>sparung durch maûvolle<br />

und schrittweise Belastung des umweltschädlichen<br />

Energie- und Ressourcenverbrauchs<br />

geschaffen werden. Auch die<br />

öffentlichen Investitionen s<strong>in</strong>d am Ziel<br />

<strong>der</strong> Nachhaltigkeit auszurichten.<br />

± e<strong>in</strong>er Stärkung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenmärkte:<br />

Die Unternehmen werden nur <strong>in</strong> neue<br />

Arbeitsplätze <strong>in</strong>vestieren, wenn auch die<br />

B<strong>in</strong>nennachfrage wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Schwung<br />

kommt. Dazu ist die Kaufkraft <strong>der</strong> Normalverdiener<br />

zu stärken. Die Konsumquote<br />

unterer und mittlerer E<strong>in</strong>kommensbezieher<br />

ist am höchsten. Deshalb<br />

wird die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e Steuer- und Abgabenreform<br />

durchsetzen, die nicht nur aus<br />

sozialen, son<strong>der</strong>n auch aus wirtschaftspolitischen<br />

Gründen die Entlastungen auf<br />

die normalverdienenden Arbeitnehmer<br />

und Familien sowie auf die mittelständische<br />

Wirtschaft konzentriert. Darüber


h<strong>in</strong>aus brauchen wir e<strong>in</strong>e neue E<strong>in</strong>kommenspolitik<br />

durch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Beteiligung am Produktivkapital und<br />

e<strong>in</strong>e neue Tarifpolitik.<br />

± e<strong>in</strong>er Sicherung <strong>der</strong> Märkte von morgen:<br />

Bedeutende Zukunftsmärkte liegen <strong>in</strong><br />

den dynamischen Industrieregionen Ostasiens<br />

und <strong>in</strong> Osteuropa. Wenn sich die<br />

osteuropäischen Län<strong>der</strong> entwickeln, entsteht<br />

Nachfrage nach Investitionsgütern,<br />

also Produkten, <strong>in</strong> denen Deutschland<br />

beson<strong>der</strong>s stark ist. Hier liegen gewaltige<br />

Wachstumspotentiale. In absehbarer Zeit<br />

können wir mit osteuropäischen Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>e Handelsverflechtung wie<br />

heute mit den Benelux-Län<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> mit<br />

Frankreich haben. Zur Unterstützung<br />

dieses Prozesses ist das vorhandene<br />

Know-how <strong>in</strong> Ostdeutschland <strong>in</strong> Bezug<br />

auf die osteuropäischen Märkt zu nutzen.<br />

Die neuen Län<strong>der</strong> können dabei die<br />

Rolle e<strong>in</strong>er Brückenfunktion e<strong>in</strong>nehmen.<br />

Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er europäischen<br />

Währung wird vorhandene Markte<strong>in</strong>trittsbarrieren<br />

weiter abbauen.<br />

± e<strong>in</strong>er Stabilisierung <strong>der</strong> Wechselkurse:<br />

Die hohen Schwankungen <strong>der</strong> Wechselkurse<br />

gefährden die <strong>in</strong>ternationale<br />

Arbeitsteilung und verursachen enorme<br />

Wohlstandsverluste. Notwendig s<strong>in</strong>d<br />

Instrumente zur Stabilisierung <strong>der</strong><br />

Wechselkurse und damit kalkulierbare<br />

Austauschbeziehungen. E<strong>in</strong> wichtiger<br />

Beitrag kann die Europäische Währungsunion<br />

se<strong>in</strong>.<br />

± e<strong>in</strong>er wachstumsgerechten Z<strong>in</strong>spolitik:<br />

Niedrige Realz<strong>in</strong>sen s<strong>in</strong>d zugleich e<strong>in</strong>e<br />

wesentliche Voraussetzung für mehr Investitionen<br />

und für mehr Beschäftigung.<br />

Deshalb müssen <strong>in</strong> enger Zusammenarbeit<br />

zwischen <strong>der</strong> amerikanischen, <strong>der</strong><br />

japanischen und den europäischen Zentralbanken<br />

alle Spielräume genutzt werden,<br />

um die Realz<strong>in</strong>sen konjunktur- und<br />

beschäftigungsorientiert zu gestalten.<br />

± e<strong>in</strong>er Harmonisierung <strong>der</strong> Steuerpolitik<br />

<strong>in</strong> Europa:<br />

Die EU-Kommission for<strong>der</strong>t <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> EU und darüber h<strong>in</strong>aus auch für die<br />

gesamte OECD e<strong>in</strong>e Steuerharmonisie-<br />

rung mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er effektiven<br />

M<strong>in</strong>destbesteuerung im Bereich <strong>der</strong><br />

Unternehmens- und Kapitalertragssteuern.<br />

Diese Initiative unterstützen wir.<br />

Zudem s<strong>in</strong>d Maûnahmen zur E<strong>in</strong>dämmung<br />

e<strong>in</strong>es unfairen Steuerwettbewerbs<br />

zu ergreifen, damit die <strong>in</strong>ternationale<br />

Steuerflucht wirksamer bekämpft werden<br />

kann.<br />

Dieser makroökonomische Rahmen bedarf<br />

e<strong>in</strong>er mikroökonomischen Unterfütterung<br />

durch e<strong>in</strong>e bessere Nutzung des Knowhows<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer,<br />

durch mo<strong>der</strong>nste betriebliche<br />

Organisation und auch e<strong>in</strong> effektives und<br />

effizientes Zusammenspiel von Wirtschaft,<br />

Gewerkschaften, Staat und Verwaltung<br />

gerade auch auf e<strong>in</strong>zelwirtschaftlicher/<br />

betrieblicher Ebene.<br />

3. Innovationspolitik mit breitem Ansatz<br />

und langem Atem<br />

Das deutsche Innovationsproblem ist nicht<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> technisches Problem,<br />

obwohl es auch hier Defizite gibt. Die<br />

¹weichenª Standortfaktoren gew<strong>in</strong>nen an<br />

Bedeutung. Innovationspolitik muû daher<br />

an den Strukturen hochentwickelter Industriestaaten<br />

ansetzen, also bei Bildung, Forschung<br />

und Entwicklung, Organisation,<br />

Kultur, <strong>der</strong> Infrastruktur und dem Zusammenspiel<br />

von Staat, Wirtschaft, Tarifparteien<br />

und Verwaltung.<br />

Innovationspolitik ist ke<strong>in</strong> Feld für kurzfristige<br />

Modeprojekte. Das schnell Machbare<br />

und leicht Verkaufbare ist oft nicht sehr<br />

zukunftsträchtig. Wer langfristig etwas<br />

bewegen will, darf also nicht zu kurz treten:<br />

± Die gesamte Wertschöpfungskette im<br />

Auge haben:<br />

Innovation muû an <strong>der</strong> gesamten Wertschöpfungskette,<br />

angefangen von <strong>der</strong><br />

Erf<strong>in</strong>dung bis h<strong>in</strong> zum Verkauf von Produkten<br />

o<strong>der</strong> Dienstleistungen, ansetzen,<br />

und kann sich nicht nur auf E<strong>in</strong>zelelemente<br />

konzentrieren. E<strong>in</strong>e technische<br />

Neuerung nutzt wenig, wenn sie nicht<br />

marktfähig gemacht wird. Dieser ganzheitliche<br />

Ansatz ist vor allem für die ost-<br />

87


deutschen Län<strong>der</strong> von überragen<strong>der</strong><br />

Bedeutung, da durch den Transformationsprozeû<br />

ehemals vorhandene Netzwerke<br />

bzw. Wertschöpfungsketten fast<br />

vollständig zerstört worden s<strong>in</strong>d.<br />

± Innovationskulturen <strong>in</strong> Gesellschaft und<br />

Unternehmen schaffen:<br />

Innovationen hängen immer mehr von<br />

<strong>der</strong> Bereitschaft und <strong>der</strong> Motivation <strong>der</strong><br />

Beschäftigten und ihres gesellschaftlichen<br />

Umfelds ab, sich auf etwas Neues e<strong>in</strong>zulassen.<br />

Diese Bereitschaft kann sich nur<br />

<strong>in</strong> kreativen Milieus entwickeln, die dem<br />

E<strong>in</strong>zelnen Anregungen und Entfaltungsspielraum<br />

bieten. Innovation bedeutet<br />

nicht alle<strong>in</strong> die För<strong>der</strong>ung von Spitzentechnologien,<br />

son<strong>der</strong>n die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

<strong>der</strong> gesamten Wirtschaft e<strong>in</strong>schlieûlich<br />

<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />

sowie des gesellschaftlichen Umfelds.<br />

± Der Bildung e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung<br />

geben:<br />

Bildung wird immer stärker zur kulturellen,<br />

sozialen und ökonomischen Schlüsselressource<br />

des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />

Mo<strong>der</strong>ne Gesellschaftspolitik muû daher<br />

viel konsequenter die Bildungs- und<br />

Qualifikationspotentiale entwickeln. Die<br />

Verbreitung vieler technischer Entwicklungen<br />

wird zudem über die Aus- und<br />

Weiterbildung angestoûen, die gegenüber<br />

<strong>der</strong> technischen Hardware an<br />

Bedeutung gew<strong>in</strong>nt.<br />

± An<strong>der</strong>s arbeiten und lernen:<br />

Die Flexibilitätspotentiale neuer Technologien<br />

können nicht <strong>in</strong> den alten Unternehmensstrukturen<br />

entfaltet werden,<br />

son<strong>der</strong>n erfor<strong>der</strong>n neue Formen <strong>der</strong> Ausbildung,<br />

<strong>der</strong> Arbeitsorganisation und <strong>der</strong><br />

Arbeitszeit. Das Arbeitsleben wird <strong>in</strong><br />

Zukunft nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> überkommenen<br />

starren Abfolge von Bildung und<br />

Arbeit organisiert se<strong>in</strong>; notwendig s<strong>in</strong>d<br />

flexiblere Erwerbsverläufe, die lebenslanges<br />

Lernen ermöglichen. Es müssen jetzt<br />

Brücken <strong>in</strong> die mo<strong>der</strong>ne Arbeitsgesellschaft<br />

von morgen gebaut werden.<br />

± Die Möglichkeiten <strong>der</strong> technischen<br />

Produktpalette nutzen:<br />

Mit se<strong>in</strong>er breiten Produktionspalette<br />

und se<strong>in</strong>em groûen Forschungspotential<br />

88<br />

kann die Bundesrepublik nicht wie kle<strong>in</strong>e<br />

Län<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Nischenstrategie verfolgen<br />

o<strong>der</strong> nur auf e<strong>in</strong>zelne Zukunftstechnologien<br />

setzen, son<strong>der</strong>n muû <strong>in</strong> den Kernbereichen<br />

aller neuen Innovationsfel<strong>der</strong><br />

± angefangen von den Bio- und Gen- bis<br />

h<strong>in</strong> zu den Informationstechnologien ±<br />

vertreten se<strong>in</strong>. Dort, wo nationale<br />

Märkte zu kle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, müssen die Chancen<br />

des Weltmarktes, des europäischen<br />

B<strong>in</strong>nenmarktes und europäischer Kooperationsformen<br />

gezielt genutzt werden.<br />

± Grundlagen- und anwendungsorientierte<br />

Forschung verknüpfen:<br />

Innovationspolitik muû am unmittelbar<br />

Machbaren ansetzen, also anwendungsorientierte<br />

Forschung und die Umsetzung<br />

ihrer Ergebnisse för<strong>der</strong>n und Freiräume<br />

für Grundlagenforschung<br />

schaffen, die auf Erkenntnisgew<strong>in</strong>n<br />

abzielt wie auch den Menschen hilft, sich<br />

im gesellschaftlichen Wandlungsprozeû<br />

zu orientieren.<br />

± Kooperation zwischen Wissenschaft und<br />

Praxis för<strong>der</strong>n:<br />

Neue Produktideen entstehen zunehmend<br />

<strong>in</strong> Grenzbereichen zwischen den<br />

Wissenschaften, die neue Formen <strong>der</strong><br />

Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern<br />

unterschiedlicher Diszipl<strong>in</strong>en und<br />

zwischen Praktikern und Wissenschaftlern<br />

bed<strong>in</strong>gen. Dazu bieten die europäischen<br />

Netzwerke und <strong>in</strong>dustrielle<br />

Kooperationen e<strong>in</strong>en Vielzahl von Möglichkeiten.<br />

± Nicht nur Forschung, son<strong>der</strong>n auch<br />

Nachfrage nach neuen Lösungen unterstützen:<br />

Neue Märkte expandieren dort sehr<br />

rasch, wo Marktimpuls, Produktion und<br />

Forschungskompetenz zusammenfallen.<br />

Viele neue Produkte ± wie zum Beispiel<br />

die Solartechnik o<strong>der</strong> viele Umweltschutzprodukte<br />

± werden sich nur verbreiten,<br />

wenn <strong>der</strong> Staat auch ausreichende<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die<br />

Startnachfrage schafft.<br />

± Mobilisierende Leitprojekte formulieren:<br />

Innovationspolitik kann nicht auf die<br />

Verteilung von f<strong>in</strong>anziellen Mitteln<br />

begrenzt werden, son<strong>der</strong>n muû auch


Anstöûe geben und Aufbruchstimmung<br />

erzeugen. Wir benötigen gesellschaftliche<br />

Leitprojekte, <strong>der</strong>en Bezug zum<br />

gesellschaftlichen Fortschritt klar<br />

ersichtlich ist und die öffentlich kommunizierbar<br />

und nachvollziehbar s<strong>in</strong>d.<br />

Innovationspolitik ist e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe<br />

und nicht auf e<strong>in</strong>zelne Fachpolitiken<br />

begrenzbar. Notwendig s<strong>in</strong>d daher Innovationsallianzen<br />

von Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Politik, die auch Handeln jenseits<br />

überkommener Strukturen ermöglichen<br />

und dabei nationale und europäische Formen<br />

nutzen. Angesichts des sich <strong>in</strong>tensivierenden<br />

Strukturwandels durch Globalisierung<br />

und <strong>der</strong> Restriktionen <strong>in</strong> den<br />

öffentlichen Haushalten ist e<strong>in</strong>e neue Qualität<br />

<strong>der</strong> regionalisierten Strukturpolitik<br />

gefragt. Es geht um die konsequente Nutzung<br />

<strong>der</strong> Chancen neuer Produkte, Verfahren<br />

und Qualifikationen für neue Märkte<br />

und <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnisse.<br />

B. Innovationsfel<strong>der</strong> für die Zukunft<br />

1. Forschung und Technologie stärken<br />

Unser hoch<strong>in</strong>dustrialisiertes Land sichert<br />

se<strong>in</strong>en Wohlstand im wesentlichen durch<br />

Produktion und Export von Gütern und<br />

Dienstleistungen <strong>der</strong> Hoch- und Spitzentechnologie.<br />

Die Forschungs- und Technologiepolitik<br />

muû deshalb zentrales Element<br />

e<strong>in</strong>er aktiven Innovationspolitik se<strong>in</strong>. Sie<br />

muû <strong>in</strong> Deutschland wie<strong>der</strong> den herausragenden<br />

Stellenwert erhalten, <strong>der</strong> ihr für<br />

Wohlstandssicherung und Wettbewerbsfähigkeit<br />

unserer Volkswirtschaft zukommt.<br />

Notwendig ist<br />

± e<strong>in</strong>e Erhöhung des Anteils <strong>der</strong> privaten<br />

und öffentlichen F. u. E.-Ausgaben:<br />

Erfor<strong>der</strong>lich ist e<strong>in</strong>e Steigerung <strong>der</strong><br />

öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben.<br />

E<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> privaten<br />

Forschungs- und Entwicklungsausgaben<br />

soll durch e<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Forschungsför<strong>der</strong>ung angestoûen werden.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund des dramatischen<br />

E<strong>in</strong>bruchs bei den privaten und<br />

öffentlichen Forschungsaktivitäten <strong>in</strong><br />

den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n ist hier e<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Handlungsbedarf gegeben.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts muû<br />

Deutschland wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Spitzenplatz<br />

bei den F. u. E.-Ausgaben e<strong>in</strong>nehmen.<br />

± e<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Organisationsstrukturen<br />

<strong>in</strong> den F. u. E.-E<strong>in</strong>richtungen:<br />

E<strong>in</strong>e durchgreifende Reform <strong>der</strong> Organisationsstrukturen<br />

<strong>in</strong> den F. u. E. E<strong>in</strong>richtungen<br />

ist erfor<strong>der</strong>lich, die die Flexibilität<br />

und die Eigenverantwortung <strong>der</strong><br />

öffentlichen F. u. E.-E<strong>in</strong>richtungen stärkt<br />

und ihnen Spielräume für Innovationsverbünde<br />

von Wissenschaft, Wirtschaft<br />

und öffentlicher Verwaltung eröffnet.<br />

± e<strong>in</strong>e Verbesserung des Transfers von<br />

Forschungsergebnissen:<br />

Die Erleichterung von technologieorientierten<br />

Unternehmensgründungen ist <strong>der</strong><br />

effizienteste Beitrag zum Technologietransfer.<br />

Ansatzpunkte liegen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gründung von Forschungs- und Verwertungsgesellschaften<br />

an den Hochschulen<br />

wie auch <strong>in</strong> auûeruniversitären Forschungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

<strong>in</strong> denen <strong>in</strong>novative<br />

Verfahren und Produkte zur<br />

Marktreife gebracht werden. Patentanmeldungen<br />

aus dem Wissenschaftsbereich<br />

müssen erleichtert werden; dazu<br />

s<strong>in</strong>d auch die Instrumente des europäischen<br />

Patentsystems stärker zu nutzen.<br />

± e<strong>in</strong>e bessere Nachwuchsför<strong>der</strong>ung für<br />

junge Wissenschaftler/Wissenschaftler<strong>in</strong>nen<br />

und Hochschulabsolventen/Hochschulabsolvent<strong>in</strong>nen:<br />

Das wichtigste Transfer<strong>in</strong>strument ist<br />

immer noch <strong>der</strong> ¹Transfer über Köpfen.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Studienanfänger <strong>in</strong> Mathematik,<br />

Natur- und Ingenieurwissenschaft<br />

ist wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Neue<strong>in</strong>stellungen<br />

<strong>in</strong> den letzten vier Jahren überproportional<br />

von 104 000 auf 82000 zurückgegangen.<br />

Erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d deshalb neue<br />

Instrumente für e<strong>in</strong>e schnelle E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<br />

junger Akademiker<strong>in</strong>nen und Akademiker<br />

<strong>in</strong> Forschungse<strong>in</strong>richtungen und<br />

-projekte und <strong>in</strong> Betriebe. Innovation ist<br />

nicht zuletzt e<strong>in</strong> Produkt des Zusammenwirkens<br />

von jungen mit erfahrenen<br />

Forschern und Entwicklern. Deshalb<br />

s<strong>in</strong>d Überalterung und <strong>der</strong> Verzicht auf<br />

die Heranbildung qualifizierten Nachwuchses<br />

unverantwortlich. Vor allem für<br />

89


die neuen Bundeslän<strong>der</strong> ist es erfor<strong>der</strong>lich,<br />

daû dort ausgebildete, hoch qualifizierte<br />

Nachwuchskräfte durch attraktive<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vor Ort gehalten<br />

werden.<br />

± e<strong>in</strong>e Bündelung <strong>der</strong> Forschungsför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> zukunftsweisenden Leitprojekten:<br />

Um die Treffsicherheit <strong>der</strong> gegenwärtig<br />

unkoord<strong>in</strong>ierten Forschungsför<strong>der</strong>ung zu<br />

verbessern, schlagen wir e<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ierung<br />

durch Leitprojekte vor. Es sollten<br />

För<strong>der</strong>schwerpunkte e<strong>in</strong>gerichtet werden,<br />

die durch Programme <strong>der</strong> Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />

flankiert werden.<br />

± Innovationen nicht nur anschieben,<br />

son<strong>der</strong>n auch freisetzen:<br />

Es gibt auf Län<strong>der</strong>ebene bereits heute<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl von Initiativen zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> technologischen Infrastruktur<br />

und des Angebots an mo<strong>der</strong>nsten Technologien.<br />

Doch das alle<strong>in</strong> reicht nicht.<br />

Denn viele Innovationen können erst<br />

durch Demonstrationsprogramme und<br />

e<strong>in</strong>e Starthilfe mittels <strong>der</strong> Sicherung<br />

e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destnachfrage die kritische<br />

E<strong>in</strong>stiegsschwelle zur Marktreife überschreiten.<br />

± mit Zukunftstechnologien Märkte von<br />

morgen schaffen:<br />

Es fehlt an neuen Märkten ± Märkte, die<br />

e<strong>in</strong>e Investitionsneigung stimulieren, die<br />

die Grundlage für e<strong>in</strong>e neue ¹lange<br />

Welleª <strong>der</strong> Konjunktur bieten können.<br />

Wir müssen Basis<strong>in</strong>novationen für neue<br />

Produkte realisieren, die unseren <strong>in</strong>dustriellen<br />

Paradebranchen <strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>en-,<br />

Fahrzeug- und Ablagenbau, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elektrotechnik<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen Industrie<br />

Wachstumsperspektiven über zwei<br />

bis drei Dekaden eröffnen.<br />

Die Sicherung von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit<br />

ist ohne technischen<br />

Fortschritt nicht denkbar. Erf<strong>in</strong><strong>der</strong>geist<br />

und herausragende Ingenieurleistungen<br />

s<strong>in</strong>d es gewesen, die im ausgehenden<br />

20. Jahrhun<strong>der</strong>t die deutsche Spitzenstellung<br />

<strong>in</strong> den <strong>in</strong>dustriellen Leitbranchen<br />

ermöglicht und damit das Fundament<br />

für unseren Wohlstand gelegt haben.<br />

90<br />

± Die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

annehmen:<br />

Jede Industriegesellschaft, die die <strong>in</strong>formationstechnologische<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

versäumt o<strong>der</strong> beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, wird nicht nur<br />

ihr Beschäftigungsniveau nicht halten<br />

können, son<strong>der</strong>n sie wird darüber h<strong>in</strong>aus<br />

enorme Arbeitsplatzverluste h<strong>in</strong>nehmen<br />

müssen. Das gilt für Volkswirtschaften<br />

ebenso wie für e<strong>in</strong>zelne Unternehmen<br />

und Branchen. Die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>in</strong>formationstechnologisch<br />

gestützter Innovationen<br />

ist gleichbedeutend mit e<strong>in</strong>em<br />

Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und<br />

e<strong>in</strong>em Rückgang beschäftigungswirksamen<br />

Wachstums. Was not tut, ist e<strong>in</strong>e<br />

mittel- und langfristige Strategie <strong>in</strong><br />

Deutschland und Europa, mit <strong>der</strong> wir<br />

die Position unserer Unternehmen auf<br />

den globalen Märkten <strong>der</strong> Medien- und<br />

Telekommunikationswirtschaft festigen.<br />

± Biotechnologie und Gentechnologie<br />

verantwortlich entwickeln:<br />

Die Bio- und Gentechnologie ist e<strong>in</strong>e<br />

Basis<strong>in</strong>novation mit vielfältigen neuen<br />

Produkt- und Beschäftigungschancen.<br />

Sie br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Innovationsschub <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Mediz<strong>in</strong> für die Herstellung neuer, wirksamerer<br />

Medikamente. Sie br<strong>in</strong>gt Chancen<br />

im landwirtschaftlichen Bereich. Sie<br />

br<strong>in</strong>gt zudem e<strong>in</strong>en Innovationsschub<br />

zur Optimierung von Rohstoffen und<br />

Ausgangsstoffen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Produktion<br />

und kann dazu beitragen, Schadstoffe<br />

durch unbedenkliche Produkte zu<br />

ersetzen. Wir brauchen e<strong>in</strong>e Informationsoffensive<br />

zu Fragen <strong>der</strong> Bio- und<br />

Gentechnologie, zu <strong>der</strong>en Möglichkeiten<br />

und Chancen und zu den Grenzen des<br />

Verantwortbaren dieser Technik. Gentechnik<br />

muû fehlerfreundlich und rückholbar<br />

und von künftigen Generationen<br />

zu revidieren se<strong>in</strong>. Die Anwendung <strong>der</strong><br />

Gentechnik darf die Würde des Menschen<br />

nicht verletzten und muû demokratisch<br />

kontrollierbar bleiben. E<strong>in</strong> Land<br />

wie die Bundesrepublik muû die verantwortbaren<br />

Potentiale, die <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich liegen, systematisch entwickeln<br />

und ausbauen. Dabei müssen im E<strong>in</strong>zelfall<br />

bestehende gesundheitliche und öko-


logische Risiken und ethische Konflikte<br />

berücksichtigt werden.<br />

Dafür müssen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

geschaffen werden, damit diese Wachstumsbranche<br />

am Standort Deutschland<br />

<strong>in</strong>ternational wettbewerbsfähig ist.<br />

Wir wollen die Chancen <strong>der</strong> Biotechnologie<br />

offensiv nutzen. Diese dürfen aber<br />

nicht auf die Gentechnologie verengt<br />

werden. Nur e<strong>in</strong> Bruchteil des wirtschaftlich<br />

auf vielfältige Weise nutzbaren<br />

Potentials des vorhandenen Pflanzenreichtums<br />

<strong>der</strong> Erde ist bisher erforscht.<br />

Dieses Potential an nachwachsenden<br />

Rohstoffen, Wirk- und Wertstoffen muû<br />

erschlossen werden. Gerade deshalb ist<br />

e<strong>in</strong>e Erhaltung <strong>der</strong> biologischen Vielfalt<br />

von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung auch für<br />

unsere wirtschaftliche Zukunft. Dazu<br />

gehört die Sicherung <strong>der</strong> freien Verfügbarkeit<br />

zu dem natürlichen Reichtum <strong>der</strong><br />

Erde durch den Aufbau von öffentlichen<br />

Genbanken und die Beschränkung des<br />

Patentrechts auf technische Erf<strong>in</strong>dungen<br />

statt auf die Entdeckung des von <strong>der</strong><br />

Natur bereitgestellten Materials.<br />

± Synergien zwischen Chemie, Physik und<br />

Biologie ausschöpfen:<br />

Wir brauchen nicht weniger, son<strong>der</strong>n<br />

mehr Innovationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Physik, Biologie<br />

und Chemie. Wir stehen am Beg<strong>in</strong>n<br />

e<strong>in</strong>er ¾ra, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich die Naturwissenschaften<br />

und die technische Anwendung<br />

und Umsetzung zunehmend überlagern<br />

und die Chance auf neue Synergien<br />

eröffnet. Die von <strong>der</strong> Physik u. a. angestoûene<br />

Entwicklung h<strong>in</strong> zu neuen<br />

Werkstoffen, dem E<strong>in</strong>satz von Supra-<br />

Leitung sowie <strong>der</strong> immer wirkungsvoller<br />

werdenden Verkle<strong>in</strong>erung technischer<br />

Apparate, die von <strong>der</strong> Chemie u.a. angestoûene<br />

dynamische Entwicklung <strong>der</strong><br />

Pharmazie, die von <strong>der</strong> Biologie und<br />

Chemie u.a. ausgelösten Entwicklungssprünge<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bio- und Gentechnologie<br />

ergeben die Chance, das Deutschland<br />

hier im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t mit an <strong>der</strong><br />

Spitze steht. Über die Hälfte <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Innovationen bis zum Jahre 2020<br />

wird von diesen Bereichen getragen.<br />

± Den ökologischen Strukturwandel voranbr<strong>in</strong>gen:<br />

Die Umstellung unserer Wirtschaft auf<br />

e<strong>in</strong>e nachhaltige, umweltverträgliche<br />

Entwicklung bleibt Daueraufgabe. Ohne<br />

den sparsamen und effizienten Umgang<br />

mit natürlichen Ressourcen und umweltverträglichen<br />

Technologien ist das nicht<br />

zu erreichen. Wir müssen deshalb mit<br />

Umweltschutzmaûnahmen und Umwelttechnologien<br />

die Stagnation <strong>der</strong> globalen<br />

und nationalen Umweltpolitik überw<strong>in</strong>den.<br />

Umwelttechnologien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />

Wachstumsmarkt, wenn die Umweltstandards<br />

auf hohem Niveau schrittweise<br />

<strong>in</strong>ternational harmonisiert werden. Wir<br />

müssen dafür sorgen, daû die Europäische<br />

Geme<strong>in</strong>schaft hier e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle<br />

übernimmt. Dann werden wir<br />

überdurchschnittliche jährliche Wachstumsraten<br />

dieses Industriezweiges aufweisen,<br />

wie es Untersuchungen <strong>der</strong><br />

OECD voraussagen. Diese Entwicklung<br />

wird durch die Schaffung e<strong>in</strong>er Ökosozialproduktstatistik<br />

unterstützt. Der<br />

Markt für Umweltgüter und -technologien<br />

muû auch wachsen, um die zunehmende<br />

Industrialisierung <strong>in</strong> Entwicklungs-<br />

und Schwellenlän<strong>der</strong>n ökologisch<br />

zu gestalten. Die früheren Fortschritte <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> nationalen Umweltpolitik <strong>der</strong> 70er<br />

und 80er Jahre mit Spitzenplätzen beim<br />

Export s<strong>in</strong>d zwischenzeitlich verspielt<br />

worden. Wir wollen diesen Spitzenplatz<br />

beim Export von Umwelttechnologien<br />

zurückgew<strong>in</strong>nen.<br />

Der Schwerpunkt muû <strong>in</strong> Zukunft auf<br />

<strong>in</strong>tegrierten Umwelttechniken liegen, die<br />

zur Vermeidung von Umweltbelastungen<br />

den Produktionsprozeû unter dem<br />

Gesichtspunkt <strong>der</strong> Energie- und Stoffeffizienz<br />

optimieren. Neues Produktdesign<br />

muû die Nutzungsdauer und Wie<strong>der</strong>verwertbarkeit<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Materialien<br />

erhöhen, damit im Interesse künftiger<br />

Generationen Rohstoffe und Ressourcen<br />

<strong>der</strong> Erde geschont werden.<br />

± Mobilitätswirtschaft mit neuen Verkehrstechnologien<br />

voranbr<strong>in</strong>gen:<br />

Auto und LKW werden auf absehbare<br />

Zeit den gröûten Anteil <strong>der</strong> Verkehrslei-<br />

91


92<br />

stungen erbr<strong>in</strong>gen. Ihre Bedeutung wird<br />

<strong>in</strong> den Schwellen- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

sogar noch zunehmen. Sie müssen<br />

deshalb sicherer, sparsamer und umweltverträglicher<br />

gemacht werden. Die Fahrzeugemissionen<br />

können noch entscheidend<br />

gesenkt werden. Dies gilt ebenso<br />

für den Kraftstoffverbrauch. Mit e<strong>in</strong>em<br />

abgasarmen, sparsamen und umweltverträglichen<br />

Auto können wir uns an die<br />

Spitze des technologischen Fortschritts<br />

setzen und die Wettbewerbsposition <strong>der</strong><br />

deutschen Wirtschaft entscheidend stärken.<br />

Um unser Verkehrssystem <strong>in</strong> Deutschland<br />

auf Dauer leistungsfähig und<br />

umweltverträglich zu machen, ist e<strong>in</strong>e<br />

gezielte Politik <strong>der</strong> Verkehrsvermeidung<br />

und <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung auf<br />

umweltverträgliche Verkehrswege wie<br />

Schiene und Wasserstraûen erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Hier bedarf es <strong>in</strong>telligenter Lösungen<br />

mit deutlichem Schwerpunkt auf<br />

Telekommunikation, Ausbau <strong>der</strong> Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />

und Nutzung von<br />

Technologien zur Verknüpfung <strong>der</strong><br />

Transportketten. Durch Ausbau <strong>der</strong><br />

Güterverkehrs<strong>in</strong>frastruktur ist mittelund<br />

langfristig e<strong>in</strong>e Trennung des langsamen<br />

Güterverkehrs vom schnelleren<br />

Personenverkehr vorzunehmen. Zur Vernetzung<br />

<strong>der</strong> unterschiedlichen Verkehrsträger<br />

muû <strong>der</strong> komb<strong>in</strong>ierte Verkehr ausgebaut<br />

werden. Durch Telematik <strong>in</strong> allen<br />

Verkehrsbereichen muû die Nutzung <strong>der</strong><br />

Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur effizienter gestaltet<br />

werden.<br />

± Effizienzrevolution <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Energiepolitik:<br />

Aus Gründen des Klimaschutzes und <strong>der</strong><br />

Ressourcenschonung muû <strong>der</strong> umweltschädliche<br />

Energieverbrauch absolut<br />

gesenkt werden. Nur dann kann <strong>der</strong><br />

zügige Abbau <strong>der</strong> durch den Verbrauch<br />

fossiler Energien hervorgerufenen ökologischen<br />

Belastungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />

CO 2-Emissionen, erfolgreich se<strong>in</strong>. Über<br />

die Wege <strong>der</strong> rationellen Energienutzung,<br />

des Ausbaus und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

erneuerbarer Energien und e<strong>in</strong>es energiebewuûten<br />

Konsumverhaltens ist die<br />

Effizienzrevolution <strong>in</strong> <strong>der</strong> Energiepolitik<br />

erreichbar. Dazu muû <strong>der</strong> neue Wettbewerbsrahmen<br />

ökologische Flankierungen<br />

enthalten und <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren<br />

Energien an <strong>der</strong> Stromerzeugung bis<br />

zum Jahre 2010 verdoppelt werden.<br />

Diese langfristige Strategie hat hohe<br />

Akzeptanz bei <strong>der</strong> Bevölkerung. Mit<br />

e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation von high-tech- und<br />

low-tech-Maûnahmen, die von <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

Spitzentechnologie z.B.<br />

im Solarbereich bis zu Handwerksleistungen<br />

aus e<strong>in</strong>er Hand bei <strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>sparung<br />

und Wärmedämmung reichen,<br />

werden auch neue Arbeitsplätze<br />

geschaffen.<br />

Technikalternativen, die wirkungsvoll zur<br />

Kohlendioxid-Entlastung beitragen, s<strong>in</strong>d<br />

verstärkt weiterzuentwickeln, dies gilt<br />

zum Beispiel für die Brennstoffzelle, die<br />

Photovoltaik und die Wasserstofftechnologie.<br />

Über den Aufbau von Pilot- und<br />

Demonstrationsprojekten muû <strong>der</strong> technische<br />

Durchbruch zur Wirtschaftlichkeit<br />

angestrebt werden.<br />

2. Bildung ist die Schlüsselressource für die<br />

Zukunft<br />

Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit<br />

hängen immer mehr von Kreativität, Kompetenz<br />

und Wissensvorsprüngen ab. Dem<br />

Bildungssystem kommt e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Innovationspolitik zu.<br />

Die Trennung <strong>der</strong> Lebensabschnitte Bildung<br />

und Arbeit entspricht nicht mehr den<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gesellschaft. Bildung<br />

und Ausbildung werden vielmehr e<strong>in</strong>e dauernde<br />

Aufgabe. Auf diese Notwendigkeit<br />

lebensbegleitenden Lernens müssen wir<br />

uns <strong>in</strong> Schulen, Hochschulen, beruflicher<br />

Bildung und Weiterbildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

e<strong>in</strong>stellen. Die Weiterbildung als vierte<br />

Säule des Bildungssystems ist zu stärken.<br />

Chancengleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildung muû<br />

auch für Erwachsene gelten: beson<strong>der</strong>s för<strong>der</strong>ungsbedürftig<br />

s<strong>in</strong>d bildungsungewohnte<br />

und benachteiligte Bevölkerungsschichten.<br />

Die öffentliche und öffentlich geför<strong>der</strong>te<br />

Erwachsenenbildung auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong>


Volkshochschule, Erwachsenenbildungsund<br />

Bildungsurlaubsgesetzes s<strong>in</strong>d unverzichtbare<br />

Bestandteile <strong>der</strong> vierten Säule des<br />

Bildungswesens. Lebenslanges Lernen ist<br />

e<strong>in</strong> wichtiger Beitrag zum Zusammenhalt<br />

von Wirtschaft und Gesellschaft.<br />

Die Schulen und Hochschulen brauchen<br />

mehr Selbständigkeit, um e<strong>in</strong> eigenes Profil<br />

aufzubauen und durch mo<strong>der</strong>ne Führungsund<br />

Organisationsstrukturen die Unterrichtsqualität<br />

und den Lernerfolg zu verbessern.<br />

Die Schulen und die Lehrenden<br />

müssen <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, angemessen<br />

auf neue Herausfor<strong>der</strong>ungen ± wie<br />

z.B. die Entwicklung von Medienkompetenz,<br />

Mehrsprachigkeit und Vertrautheit im<br />

Umgang mit fremden Kulturen ± zu reagieren.<br />

Wichtige Ansatzpunkte s<strong>in</strong>d:<br />

± Die Schulen müssen gröûere Selbständigkeit<br />

erhalten:<br />

Der Staat ist verpflichtet, durch Investitionen<br />

und zentrale Vorgaben die<br />

Gleichheit <strong>der</strong> Bildungschancen für alle<br />

Schüler zu gewährleisten. Die Schulen<br />

sollen mehr Gestaltungsfreiheit im pädagogischen<br />

Bereich erhalten. Grundlage<br />

dazu ist e<strong>in</strong>e angemessene Ausstattung<br />

und auch zusätzliche Entscheidungskompetenzen<br />

<strong>in</strong> den Bereichen Personal,<br />

F<strong>in</strong>anzen und Mittelbewirtschaftung.<br />

Die Eigenständigkeit <strong>der</strong> Schulen muû<br />

durch Beratung unterstützt werden, die<br />

sich auf die gesamte Schule und weniger<br />

auf den e<strong>in</strong>zelnen Lehrer bezieht, so daû<br />

sich die Schulen als lernende Organisation<br />

entwickeln können.<br />

± Mehrsprachigkeit för<strong>der</strong>n:<br />

Die Beherrschung e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehrerer<br />

Fremdsprachen ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er globalen<br />

Ökonomie immer wichtiger. Der Fremdsprachenunterricht<br />

sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundschule<br />

beg<strong>in</strong>nen, wenn die Schüler am<br />

leichtesten e<strong>in</strong>e Sprache lernen und <strong>in</strong><br />

den weiterführenden Schulen als fremdsprachiger<br />

Unterricht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Fächern ausgebaut werden. Ziel muû es<br />

se<strong>in</strong>, daû ab dem Jahre 2010 alle Schulabgänger<br />

e<strong>in</strong>e Fremdsprache beherrschen<br />

und möglichst e<strong>in</strong>e weitere verstehen.<br />

± Medienkompetenz als Leitbild verankern:<br />

In <strong>der</strong> von Informationstechnologien<br />

und <strong>der</strong> weltweiten schnellen Erreichbarkeit<br />

von Informationen bestimmten<br />

Gesellschaft ist Medienkompetenz e<strong>in</strong>e<br />

zentrale Schlüsselkompetenz für alle<br />

Lebensbereiche. Diese ist stets mehr als<br />

technische Beherrschung <strong>der</strong> Computer<br />

und <strong>der</strong> elektronischen Netze. Erst die<br />

Fähigkeit, Informationen auszuwählen,<br />

zu bewerten und autonom damit umzugehen,<br />

befähigt zu voller gesellschaftlicher<br />

Teilhabe. Dazu bedarf es mehr als<br />

<strong>der</strong> Initiative ¹Schulen ans Netzª, nämlich<br />

e<strong>in</strong>er auf Dauer angelegten Bildungspartnerschaft<br />

zwischen Staat,<br />

Medien und Telekommunikationswirtschaft<br />

sowie <strong>der</strong> Entwicklung pädagogischer<br />

Konzepte und Lernmittel (Software).<br />

Der Hochschulzugang muû für alle Schichten<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung offen bleiben. Wir<br />

haben nicht zu viele Studierende, son<strong>der</strong>n<br />

± im Gegenteil ± zu wenig qualifizierte<br />

Arbeitsplätze. Allen Beschäftigungsprognosen<br />

zur Folge wird <strong>der</strong> Bedarf an Hochschulabsolventen<br />

weiter steigen. Die E<strong>in</strong>führung<br />

von Studiengebühren lehnen wir<br />

daher ab. Notwendig ist e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte<br />

Ausbildungsför<strong>der</strong>ung.<br />

Unser Hochschulsystem erbr<strong>in</strong>gt hervorragende<br />

Forschungsleistungen, aber die<br />

Lehre ist verbesserungswürdig. Die Lehrbefähigung<br />

spielt bei Berufungen kaum<br />

e<strong>in</strong>e Rolle. Die Defizite bei <strong>der</strong> Studienorganisation<br />

und die generell viel zu langen<br />

Zeiträume für die Erneuerung von Prüfungs-<br />

und Studienordnungen s<strong>in</strong>d unübersehbar.<br />

Unsere Hochschulen s<strong>in</strong>d im Detail<br />

¹übersteuertª und im Ergebnis ¹untersteuertª.<br />

Wir werden e<strong>in</strong>e zukunftsorientierte, <strong>in</strong>novative<br />

Hochschulreform fortsetzen und verstärken.<br />

Wir streben dabei folgende Ziele<br />

an:<br />

± Die Selbststeuerungskapazität <strong>der</strong> Hochschulen<br />

muû erhöht werden:<br />

Entscheidungsträger an den Hochschulen<br />

(Hochschullehrer, Dekane, Instituts-<br />

93


leiter) müssen mehr professionelle, personelle<br />

und f<strong>in</strong>anzielle Verantwortlichkeit<br />

erhalten. E<strong>in</strong> professionelles Hochschulmanagement,<br />

das eng mit den<br />

Kollegialorganen zusammenwirkt, muû<br />

ermöglicht werden, um mehr Flexibilität,<br />

Selbstregulierung und mehr wissenschaftliche<br />

Exzellenz zu erreichen.<br />

± Wir wollen e<strong>in</strong>e erfolgsorientierte Hochschulf<strong>in</strong>anzierung:<br />

Um eigenes wissenschaftliches Profil<br />

entwickeln und transparent darlegen zu<br />

können, benötigen Hochschulen e<strong>in</strong>e<br />

starke Haushaltsautonomie. Die Mittel<br />

sollen den Hochschulen global zugeteilt<br />

und differenziert nach Erfolgskriterien<br />

verteilt werden.<br />

± Forschung und Lehre evaluieren:<br />

F<strong>in</strong>anzautonomie <strong>der</strong> Hochschulen<br />

macht zugleich Maûnahmen <strong>der</strong> Qualitätssicherung<br />

und <strong>der</strong> Evaluierung von<br />

Forschung und Lehre notwendig. Die<br />

Ergebnisse dieses Evaluierungsprozesses<br />

müssen auch <strong>der</strong> Öffentlichkeit zugänglich<br />

se<strong>in</strong>. Diese Evaluierungsmaûnahmen<br />

erfor<strong>der</strong>n die Entwicklung professioneller<br />

Standards für den Qualitätswettbewerb<br />

<strong>in</strong>nerhalb und zwischen den Hochschulen<br />

und objektivierter Kriterien für<br />

leistungsgerechte Mittelvergabe.<br />

± För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen<br />

Hochschule und Wirtschaft:<br />

Lehr- und Forschungskooperation zwischen<br />

Hochschulen und Wirtschaft muû<br />

im Interesse <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Lehre,<br />

<strong>der</strong> schnelleren Umsetzung von Forschungsergebnissen<br />

<strong>in</strong> neue Produkte<br />

und Verfahren geför<strong>der</strong>t werden. Dazu<br />

gehört <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Möglichkeit,<br />

zwischen Hochschulen, auûeruniversitären<br />

Forschungse<strong>in</strong>richtungen, <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

und Verwaltungen häufiger und<br />

selbstverständlicher Personal auszutauschen.<br />

Die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />

voranbr<strong>in</strong>gen<br />

E<strong>in</strong> breites Angebot qualifizierter Arbeitskräfte<br />

ist das Rückgrat unserer auf technische<br />

Spitzenleistungen orientierten Volkswirtschaft.<br />

Das duale System <strong>der</strong><br />

94<br />

beruflichen Bildung war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

Garant des hohen Qualifikationsniveaus<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer <strong>in</strong> Deutschland.<br />

Die Stärke dieses Systems liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Komb<strong>in</strong>ation von theoretischem und praktischem<br />

Lernen, im Berufspr<strong>in</strong>zip mit se<strong>in</strong>en<br />

Qualifikationsstandards und dem Konsenspr<strong>in</strong>zip,<br />

nach dem Arbeitgeber,<br />

Gewerkschaften und <strong>der</strong> Staat sich auf<br />

neue Ausbildungsordnungen verständigen.<br />

Dennoch steht das duale System angesichts<br />

des raschen Strukturwandels <strong>in</strong> Wirtschaft<br />

und Arbeitsleben gegenwärtig vor entscheidenden<br />

quantitativen und qualitativen Herausfor<strong>der</strong>ungen:<br />

Auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite unzureichendes<br />

Lehrstellenangebot wegen des<br />

Rückzugs <strong>der</strong> Wirtschaft aus <strong>der</strong> Ausbildungsverantwortung,<br />

Rückständigkeit <strong>in</strong><br />

Organisation und Ausbildungs<strong>in</strong>halten auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.<br />

Wir wollen am dualen System <strong>der</strong> beruflichen<br />

Bildung festhalten, d. h. wir reklamieren<br />

die unternehmerische Verantwortung.<br />

Wir müssen das duale System mo<strong>der</strong>nisieren,<br />

damit die Berufsbildung an <strong>der</strong><br />

Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t unserer<br />

Volkswirtschaft weiterh<strong>in</strong> Vorsprung durch<br />

Qualifikation sichert. Und wir müssen wie<strong>der</strong><br />

dah<strong>in</strong> kommen, daû alle jungen Menschen,<br />

die ausgebildet werden wollen, auch<br />

ausgebildet werden. Wenn wir die Zahl <strong>der</strong><br />

betrieblichen Ausbildungsplätze wie<strong>der</strong><br />

steigern wollen, dann geht das nur <strong>in</strong> enger<br />

Kooperation mit <strong>der</strong> Wirtschaft. Um die<br />

heranwachsende Generation bestmöglich<br />

zu qualifizieren und die Chancen <strong>der</strong><br />

Beschäftigten wie <strong>der</strong> Arbeitslosen zu verbessern,<br />

durch Qualifizierung mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />

Schritt zu halten, werden folgende<br />

Maûnahmen vorgeschlagen:<br />

± Aktionsprogramm 2005 ± mehr Ausbildungsplätze<br />

schaffen:<br />

Die steigende Zahl <strong>der</strong> Schulabgänger<br />

erfor<strong>der</strong>t <strong>in</strong> den nächsten Jahren e<strong>in</strong>e<br />

deutliche Steigerung des Angebots an<br />

Ausbildungsplätzen. Neben e<strong>in</strong>em solidarischen<br />

F<strong>in</strong>anzausgleich und e<strong>in</strong>em<br />

Son<strong>der</strong>programm ¹Ostdeutschlandª ist<br />

e<strong>in</strong> Bündel von Aktivitäten erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Wir müssen die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />

steigern. Das ist wegen <strong>der</strong> <strong>in</strong> den


nächsten Jahren steigenden Nachfrage<br />

nach Lehrstellen erfor<strong>der</strong>lich. E<strong>in</strong>e enge<br />

Kooperation mit <strong>der</strong> Wirtschaft ist dafür<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Die Wirtschaft muû <strong>in</strong><br />

eigener Verantwortung für e<strong>in</strong> ausreichendes<br />

Lehrstellenangebot sorgen.<br />

Erfüllt sie ihre Verpflichtung nicht, wird<br />

e<strong>in</strong>e faire Lastenteilung zwischen ausbildenden<br />

und nichtausbildenden Betrieben<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage des Gesetzentwurfes<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion notwendig.<br />

Die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsberater <strong>in</strong> den<br />

Kammerbezirken muû erhöht werden,<br />

auf regionaler Ebene müssen Ausbildungskonferenzen<br />

durchgeführt und e<strong>in</strong><br />

regionaler Konsens zur Vermehrung von<br />

Ausbildungsstellen gefunden werden.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus sollen Ausbildungsverbünde<br />

geför<strong>der</strong>t werden, überbetriebliche<br />

Ausbildungsstätten mo<strong>der</strong>nisiert und<br />

zusätzliche Ausbildungsstellen an berufsbildenden<br />

Schulen bereitgestellt werden.<br />

± Erhöhung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Auszubildenden<br />

im Dienstleistungssektor:<br />

Bis heute liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Auszubildenden<br />

im Dienstleistungssektor<br />

deutlich unter dem entsprechenden<br />

Beschäftigungsanteil. Das Ausbildungsengagement<br />

des Dienstleistungssektors<br />

muû verbessert werden. Unerläûlich ist,<br />

den Umgang mit neuen Medien <strong>in</strong><br />

bestehende Berufsbil<strong>der</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren<br />

bzw. die heute bereits Beschäftigten<br />

durch Weiterbildung für den Umgang<br />

mit den neuen technischen Möglichkeiten<br />

zu qualifizieren.<br />

± Schnellere Anpassung und höhere Flexibilität<br />

<strong>der</strong> Berufsordnungen:<br />

Berufsausbildung wird e<strong>in</strong>erseits immer<br />

stärker zur hochqualifizierten Fachausbildung;<br />

sie setzt an<strong>der</strong>erseits aber<br />

zugleich die Fähigkeit zu übergreifendem<br />

Denken, eigenverantwortlichem<br />

Handeln und e<strong>in</strong>e breite Palette an Wissen<br />

und sozialen Qualifikationen voraus.<br />

Notwendig s<strong>in</strong>d daher kürzere, aber kont<strong>in</strong>uierliche<br />

Verfahren zur Weiterentwicklung<br />

bestehen<strong>der</strong> und Erarbeitung<br />

neuer Ausbildungsordnungen. Dazu<br />

gehört auch e<strong>in</strong>e neue Gewichtung e<strong>in</strong>er<br />

Grundbildung im Berufsfeld und e<strong>in</strong>er<br />

auf die beson<strong>der</strong>en betrieblichen Aufgaben<br />

bezogene Spezialisierung. Das macht<br />

die Verständigung <strong>der</strong> Sozialpartner und<br />

des Staates auf Leitbil<strong>der</strong> und Zielgröûen<br />

künftiger Arbeits- und Unternehmensstrukturen<br />

unverzichtbar.<br />

± Flexibilitätsspielräume ausschöpfen:<br />

Angesichts <strong>der</strong> wachsenden Bedeutung<br />

von Sprache, Mathematik, Systemkenntnissen<br />

und politischer Bildung ist e<strong>in</strong>e<br />

Reduzierung des Berufsschulunterrichts<br />

nicht s<strong>in</strong>nvoll. Die Klagen vieler<br />

Betriebe über die berufsschulbed<strong>in</strong>gte<br />

Unterbrechung <strong>der</strong> Ausbildung ¹on the<br />

jobª s<strong>in</strong>d oft berechtigt. Die richtige<br />

Antwort liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vor Ort von<br />

Betrieben, Berufsschulen und überbetrieblichen<br />

Ausbildungsstätten abgestimmten<br />

zeitlichen Organisation des<br />

Berufsschulunterrichts <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Ausbildungsabschnitten.<br />

± Lebenslanges Lernen för<strong>der</strong>n:<br />

Weiterbildung wird nur dann e<strong>in</strong> lebensbegleiten<strong>der</strong><br />

Prozeû, wenn sie am<br />

Arbeitsplatz ansetzt und die Arbeit e<strong>in</strong>bezieht<br />

und stets die Zusammenhänge<br />

von Lernen, Arbeiten und Leben<br />

bewahrt. Qualifizierungsbauste<strong>in</strong>e<br />

erleichtern es dem E<strong>in</strong>zelnen, Anschluû<br />

zu halten, wenn se<strong>in</strong>e Ausbildung länger<br />

zurückliegt, o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Aufstieg zu realisieren.<br />

Berufs<strong>in</strong>tegrierte Studien sollen<br />

beruflich Qualifizierten den Aufstieg <strong>in</strong><br />

Führungspositionen ermöglichen. Weiterbildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

Betriebe,<br />

Fachhochschulen und Universitäten werden<br />

hierfür neue Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

entwickeln müssen.<br />

± Berufliche Weiterbildung als 4. Säule<br />

des Bildungssystems verankern:<br />

Die Weiterbildung wird im Verlauf des<br />

Berufslebens immer wichtiger. Staat und<br />

Tarifpartner s<strong>in</strong>d gefor<strong>der</strong>t, Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

und Möglichkeiten für Weiterbildung<br />

und Qualifikation <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />

zu verbessern. Kle<strong>in</strong>e und<br />

mittlere Unternehmen können dies nicht<br />

immer aus eigener Kraft leisten. Sie<br />

müssen dabei unterstützt werden. Dazu<br />

brauchen wir leistungsstarke überbetriebliche<br />

Ausbildungsstätten, regionale<br />

95


96<br />

Ausbildungsverbünde und e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere<br />

Zusammenarbeit zwischen Berufsschule<br />

und Weiterbildungsträgern.<br />

3. Arbeitsorganisation und Arbeitsmarkt<br />

weiterentwickeln<br />

Mit den herkömmlichen Strukturen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Arbeitswelt lassen sich die anstehenden<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen nicht bewältigen. Notwendig<br />

s<strong>in</strong>d neue Formen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation,<br />

flexiblere, kürzere und differenziertere<br />

Arbeitszeit und neue Ansätze <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik. Die Unternehmen<br />

müssen das Potential ihrer Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeiter an Wissen, Erfahrungen,<br />

Verantwortungsbewuûtse<strong>in</strong> und<br />

Kooperationsfähigkeit ausschöpfen und<br />

daher ihre Organisationsstrukturen gründlich<br />

än<strong>der</strong>n. Zu diesem Zweck muû die<br />

gleichberechtigte Beteiligung und qualifizierte<br />

Mitbestimmung <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften<br />

bei wirtschaftlichen und sozialen<br />

Entscheidungen gesichert, ausgebaut und<br />

qualitativ weiter entwickelt werden: am<br />

Arbeitsplatz, im Betrieb, <strong>in</strong> den Leitungsund<br />

Führungsstrukturen <strong>der</strong> groûen Unternehmen.<br />

Chancen <strong>der</strong> Gleichstellung von Männern<br />

und Frauen im Berufsleben nutzen:<br />

Der grundlegende Strukturwandel <strong>der</strong><br />

Wirtschafts- und Arbeitswelt ist für die<br />

Zukunft <strong>der</strong> Frauenerwerbsarbeit von groûer<br />

Bedeutung. Der Wandel <strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur<br />

mit e<strong>in</strong>em Trend zur Infrastruktur<br />

und Dienstleistungstätigkeiten <strong>in</strong><br />

allen Branchen wird sich verstärkt fortsetzen.<br />

Dies begünstigt die Hauptbeschäftigungsbereiche<br />

von Frauen. Aber auch <strong>der</strong><br />

demographische Wandel verbessert die<br />

Startchancen nachwachsen<strong>der</strong> Generationen<br />

von Frauen. Aufgrund gleicher<br />

Qualifikationen, zurückgehen<strong>der</strong> Erfahrungsdefizite<br />

und allgeme<strong>in</strong> steigenden<br />

Fachkräftebedarfs erhalten sie bessere Weiterbildungs-<br />

und Aufstiegschancen. Auch<br />

Flexibilisierungstendenzen bei Arbeitszeiten<br />

und neuen Variationen von Arbeitszeitgestaltungen<br />

kommen Gleichstellungs<strong>in</strong>teressen<br />

entgegen. Die Chancen zur<br />

Überw<strong>in</strong>dung von Benachteiligungen und<br />

überkommenen Arbeitsteilungen zwischen<br />

den Geschlechtern müssen deshalb zukünftig<br />

stärker genutzt werden.<br />

Zur Verwirklichung dieser Ziele gehören<br />

die Gewährung gleichen Lohnes für gleiche<br />

bzw. gleichwertige Arbeit, die Überprüfung<br />

von Kriterien <strong>der</strong> Bewertung von<br />

Tätigkeiten und <strong>der</strong> Festsetzungen von<br />

Löhnen und Gehältern, die Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie und Beruf<br />

sowie von gesellschaftlichen Aktivitäten für<br />

Frauen und Männer durch flexible Arbeitszeitmodelle,<br />

familienfreundliche Freistellungsregelungen<br />

und geteilten Erziehungsurlaub<br />

und Erziehungsgeld <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe,<br />

die es auch für Väter attraktiv macht, die<br />

Erwerbstätigkeit zu unterbrechen.<br />

Die Beseitigung <strong>der</strong> Schwierigkeiten bei<br />

<strong>der</strong> Existenzgründung von Frauen gehört<br />

ebenso zu den Maûnahmen dazu wie die<br />

Schaffung gesetzlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

zur För<strong>der</strong>ung frauenfreundlicher<br />

Betriebe und die B<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Vergabe<br />

öffentlicher Aufträge an Betriebe, die frauenför<strong>der</strong>nde<br />

Maûnahmen nachweisen können.<br />

Die Arbeitslosigkeit wird ohne e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligentere<br />

und flexiblere Organisation von<br />

Arbeit kaum deutlich verr<strong>in</strong>gert werden<br />

können. Überstunden müssen abgebaut<br />

und Personalabbau soweit wie möglich<br />

durch beschäftigungssichernde Arbeitszeitmodelle<br />

vermieden werden. Weiterh<strong>in</strong><br />

benötigen wir mehr Teilzeitarbeitsplätze<br />

und beweglichere Lebensarbeitszeiten mit<br />

flexibleren Übergängen zwischen Arbeit<br />

e<strong>in</strong>erseits und Bildung, Nichterwerbstätigkeit<br />

und Ruhestand an<strong>der</strong>erseits.<br />

Durch e<strong>in</strong>e aktive Innovationspolitik wird<br />

<strong>der</strong> Strukturwandel beschleunigt, und es<br />

werden <strong>in</strong> verstärktem Maû Arbeitsplatzwechsel<br />

notwendig. Daher müssen Übergänge<br />

zwischen alter und neuer Beschäftigung<br />

vor allem durch e<strong>in</strong>e aktive<br />

Qualifizierungspolitik, beson<strong>der</strong>e Vermittlungsbemühungen<br />

sowie Hilfe zur Selbsthilfe<br />

über Beratung und Umorientierung<br />

begleitet werden.


± E<strong>in</strong> Programm Innovation durch<br />

Arbeit:<br />

Die Tarifpartner und die betrieblichen<br />

Verhandlungsparteien stehen <strong>in</strong> den<br />

nächsten Jahren vor verschiedenen<br />

Groûprojekten, wie zum Beispiel die<br />

Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> überkommenen Aufteilung<br />

<strong>in</strong> Arbeiter und Angestellte, die<br />

Anpassung <strong>der</strong> Lohn- und Gehaltsstrukturen<br />

an neue Formen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation,<br />

die Dezentralisierung <strong>der</strong><br />

Unternehmensorganisationen, die Vere<strong>in</strong>barung<br />

flexibler Modelle von Jahresund<br />

Lebensarbeitszeiten und des lebenslangen<br />

Lernens sowie die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Gleichstellung von Männern und Frauen<br />

im Berufsleben. Der Staat kann die<br />

Sozialpartner bei diesen Gestaltungsaufgaben<br />

unterstützen, <strong>in</strong>dem er Modellversuche<br />

for<strong>der</strong>t, Entwicklungstrends analysiert<br />

und vor allem KMU©s bei <strong>der</strong><br />

betrieblichen Reorganisation berät. Die<br />

bislang weitgehend auf betriebliche<br />

Modellversuche und auf E<strong>in</strong>zelthemen<br />

begrenzten Forschungs- und Entwicklungsprogramme<br />

sollten gebündelt und,<br />

ähnlich wie wir das bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

neuer Berufsbil<strong>der</strong> kennen, auch um<br />

überbetriebliche Analysen erweitert werden.<br />

± Reform des Flächentarifvertrages:<br />

Die Tarifautonomie, d.h. die Regelung<br />

von Arbeitse<strong>in</strong>kommen, Arbeitszeiten<br />

und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen durch die Tarifparteien<br />

ohne staatlichen E<strong>in</strong>fluû, ist <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft und e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>novativen Wirtschaft unverzichtbar.<br />

Tarifverträge <strong>der</strong> Zukunft sollen Wahlund<br />

Gestaltungsmöglichkeiten für differenzierte<br />

Gegebenheiten zwischen den<br />

Betrieben und unterschiedliche Wünsche<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten enthalten. Die Flächentarifverträge<br />

müssen durch die<br />

Tarifvertragsparteien reformiert werden,<br />

wenn ihre Schutz- und Ordnungsfunktion<br />

erhalten werden soll. Flächentarifverträge<br />

sollen auch <strong>in</strong> Zukunft M<strong>in</strong>destbed<strong>in</strong>gungen<br />

regeln, z.B. bei<br />

E<strong>in</strong>kommen und Arbeitszeiten, die verb<strong>in</strong>dlich<br />

gelten, aber darüber h<strong>in</strong>aus<br />

Möglichkeiten eröffnen, die wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Betriebe diffe-<br />

renziert zu berücksichtigen. Solche<br />

Regelungen dürfen aber ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>bahnstraûe<br />

se<strong>in</strong>: Wenn Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer <strong>in</strong> schwierigen Phasen<br />

ihren Solidarbeitrag zum Erhalt von<br />

Arbeitsplätzen und Unternehmen leisten,<br />

müssen sie <strong>in</strong> guten Zeiten auch <strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Weise am Unternehmensertrag<br />

beteiligt werden.<br />

± Beschäftigungsorientierte Arbeitszeitpolitik<br />

entwickeln:<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Wirtschaft braucht e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>telligente Organisation <strong>der</strong> Arbeit und<br />

e<strong>in</strong>e flexibel ausgestaltete, nach Betriebsgröûen<br />

und Branchen differenzierte Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit, um das enorme<br />

Wachstum <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit (Produktivität)<br />

mit <strong>der</strong> Sicherung von<br />

Arbeitsplätzen und dem Aufbau neuer<br />

Arbeit <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen. Neue<br />

Wachstums- und Beschäftigungsfel<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Produktion und Dienstleistung alle<strong>in</strong><br />

werden nicht ausreichen, um die Arbeitslosigkeit<br />

entscheidend zu verr<strong>in</strong>gern.<br />

Wir for<strong>der</strong>n die Unternehmer auf, die<br />

vorhandenen tarifvertraglichen Flexibilisierungsmöglichkeiten<br />

umfassend zu nutzen.<br />

Bei kürzeren und flexiblen Arbeitszeiten<br />

können teure Masch<strong>in</strong>en und<br />

Anlagen länger laufen, ohne daû Menschen<br />

länger arbeiten müssen. Im Rahmen<br />

flexibler Arbeitszeiten s<strong>in</strong>d aber<br />

auch Vere<strong>in</strong>barungen mit den Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmern möglich,<br />

die mehr Zeitsouveränität verwirklichen.<br />

Anstelle von dauern<strong>der</strong> Mehrarbeit s<strong>in</strong>d<br />

mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Mit<br />

Arbeitszeitkonten, die sich auf die Jahres-<br />

und Lebensarbeit beziehen, können<br />

die Interessen <strong>der</strong> Betriebe und die<br />

Belange <strong>der</strong> Beschäftigten <strong>in</strong> vielen Fällen<br />

gleichermaûen berücksichtigt werden.<br />

Gesamtwirtschaftlich s<strong>in</strong>d Arbeitszeitverlängerungen<br />

<strong>in</strong> allen Sektoren <strong>der</strong><br />

Wirtschaft <strong>der</strong> falsche Weg zur Sicherung<br />

vorhandener und zum Aufbau<br />

zukunftsfähiger Arbeitsplätze.<br />

Die Novellierung des Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzes<br />

muû es ermöglichen, den Tarifparteien<br />

und Betrieben f<strong>in</strong>anzielle<br />

Anreize für Arbeitszeitverkürzungen mit<br />

97


E<strong>in</strong>stellungsgarantien zu geben. Wir<br />

wollen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch die Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Bildungs- Qualifizierungsmaûnahmen<br />

mit Arbeitszeitverkürzung för<strong>der</strong>n.<br />

± Neue Arbeitszeitmodelle för<strong>der</strong>n und<br />

Erfahrungen verbreiten:<br />

Viele Betriebe experimentieren mit<br />

neuen Arbeitszeitmodellen. Der Transfer<br />

dieser Erfahrungen muû verbessert werden.<br />

E<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Transferansatz ist die<br />

För<strong>der</strong>ung von Verbünden zwischen<br />

Betrieben, Wissenschaftlern und Sozialpartnern<br />

zu neuen Arbeitszeitmodellen<br />

mit unterschiedlichen thematischen<br />

Schwerpunkten, wie elternfreundliche<br />

Arbeitszeiten, Abbau von Überstunden,<br />

flexibler Übergang <strong>in</strong> den Ruhestand,<br />

temporäre Arbeitszeitverkürzungen zur<br />

Vermeidung von Entlassungen o<strong>der</strong> neue<br />

Arbeitszeitmodelle <strong>in</strong> bestimmten Branchen.<br />

± Neue Selbständigkeit för<strong>der</strong>n:<br />

Erwerbsarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

wird zu e<strong>in</strong>em groûen Teil selbständige<br />

Arbeit se<strong>in</strong>. Bis zum Jahr 2010<br />

wird sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Selbständigen<br />

voraussichtlich verdoppeln. Wir Sozialdemokraten<br />

wollen selbständige Arbeit<br />

als immer wichtiger werdende Erwerbsquelle<br />

för<strong>der</strong>n. Wir wollen dazu beitragen,<br />

e<strong>in</strong> gesellschaftliches Bewuûtse<strong>in</strong> zu<br />

erzeugen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> beruflichen Selbständigkeit<br />

zuerst die Chance und nicht<br />

das Risiko erblickt. Unsere Gesellschaft<br />

braucht e<strong>in</strong>e neue Aufgeschlossenheit für<br />

<strong>in</strong>dividuellen Mut zu <strong>in</strong>dividuellem<br />

Risiko.<br />

± Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Teilzeit<br />

verbessern:<br />

Die Teilzeitoffensiven <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

s<strong>in</strong>d weitgehend <strong>in</strong>s Leere gelaufen.<br />

Die rechtlichen und faktischen Benachteiligungen<br />

von Teilzeitarbeit müssen<br />

daher abgebaut werden. Im Rahmen flexibler<br />

Jahres- und Lebensarbeitszeiten<br />

sollen neue Formen <strong>der</strong> Teilzeitarbeit,<br />

die nur knapp unter <strong>der</strong> Arbeitszeit von<br />

Vollzeitarbeit liegen, angeboten werden,<br />

um auch für Kernbeschäftigte Teilzeitarbeit<br />

attraktiv zu machen. Bewährt haben<br />

98<br />

sich. etliche Teilzeitarbeitsmodelle im<br />

öffentlichen Dienst. Diese könnten nach<br />

<strong>der</strong> ¾n<strong>der</strong>ung des Dienstrechtes ausgebaut<br />

und noch flexibler ausgestaltet werden.<br />

± Miûstände auf dem Arbeitsmarkt beseitigen<br />

± für e<strong>in</strong>en fairen Wettbewerb<br />

Auf dem Arbeitsmarkt haben sich während<br />

<strong>der</strong> vergangenen Jahre gravierende<br />

Miûstände breitgemacht. Zu den Miûständen<br />

zählen vor allem die betrieblichen<br />

Strategien zur Umwandlung von<br />

Vollzeitarbeitsplätzen <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gfügige<br />

Beschäftigung (610-DM- o<strong>der</strong> 520-DM-<br />

Jobs), die Entlassung <strong>in</strong> die Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />

sowie die illegale Beschäftigung.<br />

In all diesen Fällen geht die Initiative<br />

für Miûstände nicht von den<br />

Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmern<br />

aus.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird dem Miûbrauch <strong>der</strong><br />

ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigung energisch<br />

entgegentreten. Die Beitragsausfälle führen<br />

dazu, daû <strong>der</strong> Beitragssatz für die<br />

sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />

und ihre Arbeitgeber um mehr als e<strong>in</strong>en<br />

Prozentpunkt höher ausfällt. Die Akzeptanz<br />

für die Sozialversicherung schw<strong>in</strong>det<br />

weiter. Die Gesetzentwürfe <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-<br />

Bundestagsfraktion wollen dem entgegenwirken.<br />

Die betriebliche Flexibilität<br />

bei Saisonbeschäftigungen und kurzfristigen<br />

Aushilfen soll erhalten bleiben.<br />

Das Problem würde zusätzlich entschärft,<br />

wenn die Entlastung von Sozialversicherungsbeiträgen<br />

für entlohnte<br />

Arbeitsplätze h<strong>in</strong>zukäme.<br />

± Arbeitsmarktpolitik stärker mit Struktur-<br />

und betrieblicher Personalpolitik<br />

verknüpfen:<br />

Die <strong>SPD</strong> hat hierzu den Entwurf zu<br />

e<strong>in</strong>em Arbeits- und Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetz<br />

vorgelegt. Dar<strong>in</strong> werden Vorschläge<br />

zur Umschichtung von passiven<br />

<strong>in</strong> aktive Maûnahmen <strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ung<br />

entwickelt. Dies soll u.a. durch e<strong>in</strong>e<br />

Komb<strong>in</strong>ation von Mitteln <strong>der</strong> Arbeitsmarkt-<br />

mit <strong>der</strong> Strukturpolitik <strong>in</strong> den<br />

Regionen und e<strong>in</strong>e präventive Qualifizierungspolitik<br />

zum Schutz vor dem Verlust<br />

des Arbeitsplatzes erreicht werden.


± Die passive F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

umwandeln <strong>in</strong> aktive För<strong>der</strong>ung<br />

neuer Arbeit:<br />

Zu viele Menschen s<strong>in</strong>d zu lange ohne<br />

Arbeit. Um dem Verfall an Freiheit,<br />

Selbstbewuûtse<strong>in</strong> und Qualifikation entgegenzuwirken,<br />

wollen wir ger<strong>in</strong>g Qualifizierte<br />

und Langzeitarbeitslose qualifizieren<br />

und ihnen für neue Arbeitsplätze<br />

± beispielsweise <strong>in</strong> sozialen Diensten,<br />

privaten Dienstleistungen o<strong>der</strong> im<br />

Umweltschutz ± entsprechende Hilfen<br />

zur Verfügung stellen. Befristete und<br />

degressiv gestaltete Lohnkostenzuschüsse<br />

s<strong>in</strong>d dafür e<strong>in</strong> Mittel, um im Rahmen<br />

tariflich abgesicherter Arbeitsplätze neue<br />

Arbeit zu för<strong>der</strong>n. Dafür setzen wir jene<br />

Mittel e<strong>in</strong>, die bisher zur F<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit verwendet wurden.<br />

± Flexible Übergänge <strong>in</strong>s Erwerbsleben<br />

für Arbeitslose schaffen:<br />

Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren zunehmend verfestigt.<br />

Notwendig s<strong>in</strong>d zusätzliche Instrumente<br />

des schrittweisen Übergangs von Langzeitarbeitslosen<br />

<strong>in</strong> den ersten Arbeitsmarkt.<br />

Erfolgreiche Ansätze, die ausgebaut<br />

werden sollen, s<strong>in</strong>d die nicht<br />

gew<strong>in</strong>norientierte Arbeitnehmerüberlassung<br />

(z. B. Start NRW), Existenzgründungen<br />

über soziale Betriebe o<strong>der</strong><br />

beson<strong>der</strong>e Vermittlungsagenturen für<br />

Langzeitarbeitslose (z.B. Maatwerk).<br />

¾hnlich wie <strong>in</strong> Skand<strong>in</strong>avien sollte man<br />

langfristig bei Freistellungen für Elternschaftsurlaub<br />

o<strong>der</strong> Weiterbildung den<br />

Betrieben Langzeitarbeitslose als Vertreter<br />

vermitteln (Jobrotationsprogramme).<br />

± Entlastung von Sozialversicherungsbeiträgen<br />

für ger<strong>in</strong>g entlohnte Arbeitsplätze:<br />

Die hohe Langzeitarbeitslosigkeit ger<strong>in</strong>g<br />

Qualifizierter zeigt, daû wir auch mehr<br />

e<strong>in</strong>fache Arbeitsplätze brauchen. Seriösen<br />

Prognosen zu Folge wird sich <strong>der</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> Arbeitsplätze für ger<strong>in</strong>g Qualifizierte<br />

bis zum Jahr 2010 auf etwa 10<br />

Prozent halbieren. Zugleich weist<br />

Deutschland schon heute e<strong>in</strong>e groûe<br />

Beschäftigungslücke im Bereich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />

und personenbezogenen Dienst-<br />

leistungen auf, die gröûtenteils für<br />

unsere im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich nur<br />

mäûige Beschäftigungsbilanz verantwortlich<br />

ist.<br />

Deshalb müssen wir neue Wege f<strong>in</strong>den,<br />

um den Kostendruck auf weniger produktive<br />

Arbeitsplätze zu l<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />

gleichzeitig die E<strong>in</strong>kommenssituation<br />

ger<strong>in</strong>g Qualifizierter verbessern, um den<br />

Anreiz für reguläre Erwerbsarbeit auf<br />

beiden Seiten des Arbeitsmarktes zu stärken.<br />

Wir wollen ke<strong>in</strong>en amerikanischen<br />

Arbeitsmarkt, ke<strong>in</strong> ¹hire und fireª und<br />

ke<strong>in</strong>e ¹Verarmung trotz Arbeitª. Für uns<br />

gilt <strong>der</strong> Grundsatz:<br />

Es gehört zur menschlichen Würde je<strong>der</strong><br />

und jedes E<strong>in</strong>zelnen, den Lebensunterhalt<br />

aus eigener Kraft bestreiten zu können<br />

± ggf. mit Hilfe des Staates, aber<br />

nicht <strong>in</strong> langwähren<strong>der</strong> Abhängigkeit<br />

von staatlichen Transferzahlungen.<br />

Für neue Arbeitsplätze mit niedrigen<br />

Stundenlöhnen sollen die Mittel, die bisher<br />

für die F<strong>in</strong>anzierung von Arbeitslosigkeit<br />

verwendet werden, zur Entlastung<br />

von Sozialversicherungsbeiträgen genutzt<br />

werden. Diese Maûnahme kommt<br />

Arbeitgebern und Arbeitnehmers gleichermaûen<br />

zu Gute und kann vor allem<br />

bei personenbezogenen Dienstleistungen<br />

neue Arbeitsplätze schaffen.<br />

± Arbeitsaufnahme für Sozialhilfeempfänger<br />

erleichtern:<br />

Die Sozialhilfe soll das Existenzm<strong>in</strong>imum<br />

für diejenigen sichern, die ihren<br />

Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten<br />

können. Sozialhilfe kann und darf aber<br />

nur subsidiär e<strong>in</strong>greifen. Der Sozialstaat<br />

hat primär die Aufgabe, den Menschen<br />

e<strong>in</strong>e eigenständige Existenzsicherung zu<br />

ermöglichen.<br />

Bereits heute stellen viele Kommunen<br />

für Sozialhilfeempfänger (befristete)<br />

Arbeitsstellen zur Verfügung. Trotz teilweise<br />

beachtlicher Erfolge greift dieses<br />

Mittel oft zu kurz, vor allem erschwert<br />

die mangelnde Abstimmung zwischen<br />

Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz (demnächst<br />

SGB III) und Bundessozialhilfegesetz<br />

99


e<strong>in</strong>e zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen<br />

Arbeitsamt und Sozialamt. Beson<strong>der</strong>e<br />

Probleme entstehen für diejenigen,<br />

die Leistungen aus beiden Systemen<br />

erhalten.<br />

Für Sozialhilfeempfänger ist <strong>der</strong> Übergang<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> existenzsicherndes Beschäftigungsverhältnis<br />

angesichts <strong>der</strong> Lage am<br />

Arbeitsmarkt nur schwer möglich. Unbefriedigend<br />

ist auch die Möglichkeit,<br />

durch Teilzeitbeschäftigung o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>g<br />

bezahlte Jobs zum<strong>in</strong>dest den Kontakt<br />

zum Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten.<br />

Bei <strong>der</strong> Sozialhilfe ist nämlich Erwerbse<strong>in</strong>kommen<br />

im Regelfall bis zur Höhe<br />

von ca. 265,± DM (halber Regelsatz)<br />

monatlich frei, darüber h<strong>in</strong>aus wird es<br />

voll angerechnet (Kappungsgrenze).<br />

Für Sozialhilfeempfänger sollen die<br />

f<strong>in</strong>anziellen Bed<strong>in</strong>gungen zur Aufnahme<br />

e<strong>in</strong>er Beschäftigung gesteigert werden.<br />

Das Lohnabstandsgebot muû erhalten<br />

bleiben. Schon gar nicht sollen Ger<strong>in</strong>gverdiener<strong>in</strong>nen<br />

zusätzlich <strong>in</strong> die Sozialhilfe<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wachsen. Zu prüfen ist, ob<br />

Leistungsempfänger vorübergehend<br />

ergänzende E<strong>in</strong>kommenszuschüsse erhalten,<br />

wenn sie e<strong>in</strong>e Arbeit aufnehmen<br />

(Kombi-E<strong>in</strong>kommen). Bei <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung<br />

darf es für Kommunen ke<strong>in</strong>e<br />

zusätzliche Belastung geben.<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich langfristig für e<strong>in</strong><br />

gesetzliches Modell e<strong>in</strong>, nach dem<br />

schrittweise allen Sozialhilfeempfängern<br />

angemessene Arbeitsangebote <strong>in</strong> neuen<br />

und zusätzlichen Arbeitsfel<strong>der</strong>n angeboten<br />

werden. Im Zusammenhang mit diesen<br />

positiven Anreizen werden wir dafür<br />

sorgen, daû Sozialhilfeempfänger angebotene<br />

Arbeitsplätze auch annehmen.<br />

Sollten angebotene Arbeitsplätze ohne<br />

wichtigen Grund nicht angenommen<br />

werden, so müssen die bestehenden<br />

gesetzlichen Vorschriften zur Kürzung<br />

<strong>der</strong> Sozialhilfe angewandt werden.<br />

4. Den Mittelstand als Innovationsträger<br />

stärken, Existenzgründungen för<strong>der</strong>n<br />

Die Unternehmenslandschaft ist im<br />

Umbruch, Groûunternehmen dezentralisie-<br />

100<br />

ren und lagern Teilfunktionen aus. Unterhalb<br />

<strong>der</strong> Ebene weltumspannen<strong>der</strong> Konzerne<br />

entstehen mittelständische<br />

Strukturen. Dieser Prozeû <strong>der</strong> Restrukturierung<br />

und des Reeng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Groûunternehmen<br />

hat maûgeblich zur heutigen<br />

Massenarbeitslosigkeit beigetragen.<br />

Beschäftigungszuwächse haben <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren wesentlich <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetrieben<br />

(KMU) stattgefunden. Beschäftigungs-<br />

und Innovationspolitik müssen sich<br />

deshalb wesentlich stärker als bisher auf<br />

KMU konzentrieren.<br />

Neue Unternehmen und neue Arbeitsplätze<br />

im Mittelstand entstehen dort, wo neue<br />

Technologien <strong>in</strong> neue Produkte und neue<br />

Märkte umgesetzt werden und wo sich<br />

Wachstumsmärkte aus e<strong>in</strong>stigen Marktnischen<br />

für spezialisierte Produkte und<br />

Dienstleistungen entwickeln. Die Politik<br />

hat bisher auf diese neuen Entwicklungen<br />

nicht o<strong>der</strong> nicht sachgerecht reagiert. Auf<br />

die Mittelstandsför<strong>der</strong>ung entfallen z. B.<br />

nur zwischen 2 und 4 % aller Subventionen.<br />

Der Mittelstand ist nach wie vor auch<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Politikbereichen wie <strong>der</strong> Steuerpolitik,<br />

<strong>der</strong> Technologie- und Wirtschaftspolitik<br />

benachteiligt. Notwendig ist deshalb<br />

für die Zukunft e<strong>in</strong> neuer ganzheitlicher<br />

Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittelstandspolitik. Die<br />

grundlegende Aufgabe besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wettbewerbs- und Steuerpolitik, <strong>der</strong> staatlichen<br />

För<strong>der</strong>politik für Forschung, Entwicklung<br />

und Markterschlieûung sowie vor<br />

allem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Existenzgründungs<strong>in</strong>itiative<br />

zur Erneuerung und Verbreiterung <strong>der</strong><br />

Unternehmenslandschaft. E<strong>in</strong> Schwerpunkt<br />

muû dabei für die technologie- und dienstleistungsorientierten<br />

Unternehmen gesetzt<br />

werden. Hier liegen die gröûten Wachstumspotentiale<br />

zur Schaffung zukunftsorientierter<br />

Arbeitsplätze.<br />

Wir schlagen folgende Maûnahmen vor:<br />

± Mittelstandsfreundliche Wettbewerbspolitik:<br />

E<strong>in</strong>e Novellierung des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen muû wirksame<br />

Kontrollen und Maûnahmen gegen<br />

die Entstehung und miûbräuchliche Aus-


übung von Marktmacht verwirklichen.<br />

Das nationale und europäische Wettbewerbsrecht<br />

müssen besser harmonisiert<br />

und mittelstandsfreundlich weiterentwikkelt<br />

werden.<br />

± E<strong>in</strong>e Gründungs- und Wachstumsoffensive:<br />

Dazu gehört die Bündelung <strong>der</strong> zahlreichen<br />

Programme <strong>der</strong> Mittelstandsför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> übersichtliche Bauste<strong>in</strong>e. Deren<br />

Kernelemente müssen se<strong>in</strong>: För<strong>der</strong>ung<br />

von Existenzgründungen und Betriebsübernahmen,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Beratung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> schwierigen Startphase, Unterstützung<br />

bestehen<strong>der</strong> Unternehmen bei <strong>der</strong><br />

Entwicklung neuer Technologien, bei<br />

zukunftsträchtigen Investitionen zur<br />

Markterschlieûung und für neue Arbeitsplätze<br />

und beim Schritt <strong>in</strong> wichtige Auslandsmärkte.<br />

Die deutschen Banken<br />

müssen ihre bisher an den Tag gelegte<br />

Unbeweglichkeit ablegen und mit <strong>der</strong><br />

Bereitstellung von Chancen-Kapital <strong>der</strong><br />

anstehenden Gründungswelle und dem<br />

Wachstum den notwendigen Schub<br />

verleihen. Gleichzeitig müssen die<br />

bestehenden öffentlichen Programme <strong>der</strong><br />

Eigenkapitalhilfe zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen,<br />

leistungsfähigen und mittelstandsgerechten,<br />

subsidiären zusätzlichen Chancen-<br />

Kapitalfonds zusammengefaût werden.<br />

Fehlendes Eigenkapital und Vermögen<br />

<strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n und die damit verbundenen<br />

Schwächen im unternehmerischen<br />

Bereich verdeutlichen die Dr<strong>in</strong>glichkeit<br />

dieser Maûnahme vor allem auch<br />

<strong>in</strong> den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />

Zur Flankierung e<strong>in</strong>er technologieorientierten<br />

Existenzgründungs- und Mittelstandsoffensive<br />

soll das von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

e<strong>in</strong>gestellte Programm<br />

¹För<strong>der</strong>ung technologieorientierter<br />

Unternehmensgründungen (TOU)ª,<br />

erneut aufgelegt werden. Ziel ist, technologieorientierteUnternehmensgründungen<br />

beson<strong>der</strong>s zu unterstützen und zu<br />

för<strong>der</strong>n und so auch risikoreiche Produktionsverfahren<br />

und Produktentwicklungen<br />

zu ermöglichen. Steuerliche Erleichterungen<br />

s<strong>in</strong>d für diese Unternehmen<br />

ke<strong>in</strong> geeignetes Instrument, da Steuerab-<br />

zugsmodelle ± <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch bei<br />

Unternehmen <strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n ±<br />

angesichts <strong>der</strong> vielfach ungünstigen<br />

Ertragssituationen <strong>in</strong> absehbarer Zeit<br />

nicht greifen werden.<br />

± Bereitstellung von Chancenkapital für<br />

junge wachstums<strong>in</strong>tensive High-Tech-<br />

Unternehmen:<br />

Junge Technologieunternehmen verfügen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht über ausreichende<br />

Eigenmittel. Ihnen wird auûerdem <strong>der</strong><br />

Börsenzugang unnötig erschwert. Alle<br />

Bestrebungen <strong>der</strong> Börsen, wie die Initiative<br />

¹Neuer Marktª <strong>in</strong> Frankfurt, die<br />

<strong>in</strong>novativen Jungunternehmen den<br />

Zugang zum Aktienmarkt öffnet, sollen<br />

unterstützt werden. Die H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse im<br />

Bereich des Steuerrechts, das Kreditf<strong>in</strong>anzierung<br />

bevorzugt und Eigenkapital<br />

benachteiligt, müssen beseitigt werden.<br />

Die deutschen Banken müssen zu Partnern<br />

für <strong>in</strong>novative Unternehmensgründungen<br />

werden und bereit se<strong>in</strong>, solchen<br />

Unternehmen unbürokratisch und flexibel<br />

den Marktzugang zu ermöglichen.<br />

Wir wollen, daû das reichlich vorhandene<br />

Anlagekapital künftig stärker <strong>in</strong><br />

produktive Investitionen im Inland flieût.<br />

Um das Angebot an Beteiligungskapital<br />

zu verbessern,<br />

± brauchen wir e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> Aktie<br />

als F<strong>in</strong>anzierungs<strong>in</strong>strument, z.B. im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Arbeitnehmerbeteiligung<br />

am Produktivkapital;<br />

± wollen wir die Entwicklung unternehmerisch<br />

arbeiten<strong>der</strong> Kapitalbeteiligungsgesellschaften<br />

voranbr<strong>in</strong>gen, um<br />

zu mehr Transparenz über Risiken<br />

und Chancen von Beteiligung und<br />

Investment beizutragen;<br />

± wollen wir Jungunternehmen den<br />

Zugang zum Aktienmarkt eröffnen<br />

und erleichtern;<br />

± wollen wir Kapitalsammelstellen wie<br />

z.B. Pensionskassen und Lebensversicherungen<br />

den Zugang zu Risikokapitalfonds<br />

erleichtern,<br />

± wollen wir ± unter Beteiligung <strong>der</strong><br />

Kreditwirtschaft ± e<strong>in</strong>en Chancenkapitalfonds<br />

gründen, um <strong>in</strong>novativen,<br />

101


unkonventionellen Pionierunternehmen<br />

Chancen am Markt zu eröffnen.<br />

Dieser Fonds muû nach professionellen<br />

Maûstäben geführt werden. E<strong>in</strong>e<br />

öffentliche Risikoabstützung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Anfangsphase kann entfallen, wenn<br />

solche Fonds sich am Markt etabliert<br />

haben.<br />

Wir wollen Ostdeutschland zu e<strong>in</strong>er<br />

Innovationswerkstatt machen. Zentrale<br />

wirtschaftspolitische Zielorientierung für<br />

die neuen Bundeslän<strong>der</strong> kann nur <strong>der</strong><br />

Aufbau e<strong>in</strong>es Produktionspotentials mit<br />

leistungsstarken Industrie- und produktionsnahen<br />

Dienstleistungsunternehmen <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Zentrum se<strong>in</strong>. Der För<strong>der</strong>ung<br />

von <strong>in</strong>novativen Unternehmen, von Forschung<br />

und Entwicklung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> betriebsnahen Forschung und Entwicklung,<br />

kommt deshalb e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Entwicklungsstufe<br />

des wirtschaftlichen Aufbaus zu.<br />

± Forschungs- Peronalkostenzuschuû-Programm<br />

für kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen:<br />

Für forschungs<strong>in</strong>tensive Unternehmen<br />

stellen die Forschungspersonalkosten<br />

e<strong>in</strong>en kritischen Kostenfaktor dar. Das<br />

Programm soll die Forschungsbereitschaft<br />

junger Unternehmen erhöhen und<br />

gleichzeitig neue Beschäftigungschancen<br />

für junge Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler<br />

eröffnen. Die För<strong>der</strong>ung soll<br />

als Zulage ausgestaltet werden, da<br />

Abschreibungs- o<strong>der</strong> Steuerabzugsmodelle<br />

bei jungen Technologieunternehmen<br />

nicht greifen. Vorgeschlagen wird<br />

e<strong>in</strong>e Zulage <strong>in</strong> Höhe von 20 Prozent <strong>der</strong><br />

Kosten für FuE-Personal mit degressiver<br />

Ausgestaltung und e<strong>in</strong>er Laufzeit von<br />

sechs Jahren. Antragsberechtigt s<strong>in</strong>d<br />

Unternehmen, die die Kriterien <strong>der</strong> EU<br />

für kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen<br />

erfüllen.<br />

± Vere<strong>in</strong>fachung und Beschleunigung von<br />

Genehmigungsverfahren:<br />

Bei vielen Groûansiedlungen und Groûprojekten<br />

s<strong>in</strong>d Genehmigungsverfahren<br />

schnell umgesetzt worden. Im Mengengeschäft<br />

mit den Kle<strong>in</strong>en tun sich die<br />

Behörden jedoch schwer. Hier ist e<strong>in</strong><br />

102<br />

Umdenken notwendig. Das Zusammenspiel<br />

zwischen den Behörden muû<br />

beschleunigt, Dienstleistungen müssen<br />

aus e<strong>in</strong>er Hand angeboten und den<br />

Betrieben aufwendige Wege zwischen<br />

den Behörden erspart werden. In vielen<br />

Fällen ist es möglich, auch den Behörden<br />

die Arbeit zu erleichtern und Genehmigungen<br />

nach bestimmten Fristen automatisch<br />

wirksam werden zu lassen, wenn<br />

die Behörde nicht begründet Auflagen<br />

formuliert.<br />

± Verselbständigung aus Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />

unterstützen:<br />

Mitarbeiter aus Forschungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

die sich auf <strong>der</strong> Basis ihres technologischen<br />

Wissens selbständig machen<br />

und e<strong>in</strong> Unternehmen gründen wollen,<br />

s<strong>in</strong>d zu unterstützen. Der Gesetzgeber<br />

kann helfen und vor e<strong>in</strong>em endgültigen<br />

Ausscheiden aus <strong>der</strong> Sozialversicherung<br />

Übergangs- und Wartezeiten während<br />

<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s risikoreichen Startzeit e<strong>in</strong>führen.<br />

± Regulierungen prüfen, straffen, entrümpeln:<br />

Bei gewerblichen Baugenehmigungen<br />

s<strong>in</strong>d bis zu 500 Gesetze, Verordnungen<br />

und DIN-Vorschriften zu beachten.<br />

Viele dieser Regelungen haben ihren<br />

S<strong>in</strong>n verloren und bremsen ± wie etwa<br />

das Handwerksrecht ± die Entfaltungsmöglichkeiten<br />

kle<strong>in</strong>er und mittlerer<br />

Betriebe. Gerade im Dienstleistungsbereich<br />

gibt es zahlreiche Regulierungen,<br />

die nicht mehr zeitgemäû s<strong>in</strong>d und die<br />

Innovation, Wettbewerb und Transparenz<br />

für die Verbraucher mehr beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

als för<strong>der</strong>n. Entrümpelung und Vere<strong>in</strong>fachung<br />

müssen auf <strong>der</strong> Tagesordnung <strong>der</strong><br />

Politik e<strong>in</strong>en Spitzenplatz erhalten.<br />

5. Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung voranbr<strong>in</strong>gen:<br />

Zur Bewahrung <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen<br />

brauchen wir für die kommenden<br />

Jahrzehnte e<strong>in</strong>e nachhaltige, umweltverträgliche<br />

Form des Wirtschaftens. Das<br />

erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>en ökologischen Ordnungsrahmen<br />

ebenso wie die Formulierung von


Umweltqualitätszielen. Dazu zählen beispielsweise:<br />

± die Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> von den Menschen<br />

verursachten Klimagase zum Schutz <strong>der</strong><br />

Erdatmosphäre,<br />

± die Sanierung <strong>der</strong> natürlichen Grundund<br />

Oberflächengewässer,<br />

± die Sicherung <strong>der</strong> vielfältigen Funktionen<br />

<strong>der</strong> Böden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ihrer<br />

Fruchtbarkeit und Produktivität,<br />

± die Erhaltung <strong>der</strong> biologischen Vielfalt<br />

und des Artenschutzes.<br />

Sparsamer Umgang mit Rohstoffen und<br />

Bodenschätzen, Schonung von Luft, Boden<br />

und Wasser, Senkung des Energieverbrauchs<br />

und e<strong>in</strong>e Organisation von Produktion<br />

und Verbrauch, die aus den e<strong>in</strong>gesetzten<br />

Stoffen gröûtmöglichen Nutzen<br />

zieht, ist Gebot <strong>der</strong> Zukunft.<br />

Diese Form nachhaltigen Wirtschaftens ist<br />

nötig. Der Energieverbrauch kann selbst<br />

bei allgeme<strong>in</strong>em Wachstum absolut gesenkt<br />

werden, weil groûe E<strong>in</strong>sparpotentiale <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Industrie, im Verkehr und bei den<br />

Gebäuden ebenso ungenutzt s<strong>in</strong>d, wie Effizienzsteigerungen<br />

bei <strong>der</strong> Energienutzung.<br />

Die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e soziale und<br />

ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft nicht schlecht. Es gibt e<strong>in</strong><br />

hohes Umweltbewuûtse<strong>in</strong>. Zahlreiche wissenschaftliche<br />

E<strong>in</strong>richtungen und Universitäten<br />

beschäftigen sich mit diesen Fragen<br />

und Konzepten. In Betrieben und Verwaltungen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren die<br />

Anstrengungen für Umweltschutz und<br />

Energiee<strong>in</strong>sparung deutlich verstärkt worden.<br />

Die Steigerung <strong>der</strong> Nutzungseffizenz<br />

ermöglicht vielen Unternehmen Kostensenkungen<br />

und Innovationschancen, weil <strong>in</strong><br />

vielen Bereichen Vermeiden wirtschaftlicher<br />

ist als e<strong>in</strong> steigen<strong>der</strong> Material- und<br />

Energiee<strong>in</strong>satz.<br />

Wir orientieren uns an folgenden Zielen:<br />

± den umweltpolitischen Instrumentenmix<br />

erweitern:<br />

Neben ordnungsrechtlichen Vorgaben<br />

bedarf es hierzu <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ökonomischer<br />

Anreize und e<strong>in</strong>er aktiven Beteili-<br />

gung aller gesellschaftlichen Kräfte.<br />

Selbstverpflichtungen <strong>der</strong> Wirtschaft mit<br />

kontrollierbaren Zielen s<strong>in</strong>d dabei e<strong>in</strong><br />

wichtiges Mittel. Wichtig ist es auch, das<br />

Eigen<strong>in</strong>teresse des Herstellers durch entsprechende<br />

Rahmensetzungen zu steigern.<br />

Von zentraler Bedeutung ist auch e<strong>in</strong>e<br />

ökologische Steuerreform, die zu e<strong>in</strong>er<br />

Kostenentlastung des Faktors Arbeit<br />

führt und den umweltschädlichen Verbrauch<br />

von Energie und natürlichen Ressourcen<br />

schrittweise stärker belastet,<br />

damit Anreize für e<strong>in</strong>en ökologischen<br />

Strukturwandel gesetzt werden, <strong>der</strong> auch<br />

groûe Beschäftigungschancen eröffnet.<br />

Sie wird auch auf die Kostenbelastung<br />

<strong>der</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb stehenden<br />

Unternehmen Rücksicht nehmen.<br />

± Öffentliche Investitionen am Schutz <strong>der</strong><br />

Lebensgrundlagen orientieren:<br />

Wir wollen die Investitionen <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hand am Ziel des nachhaltigen<br />

Wirtschaftens und an <strong>der</strong> Bewahrung <strong>der</strong><br />

Lebensgrundlagen orientieren und auf<br />

e<strong>in</strong>em möglichst hohen Niveau bündeln.<br />

Angesichts <strong>der</strong> seit Jahren erfolgenden<br />

Kürzungen öffentlicher Investitionen<br />

gibt es viele zurückgestellte und daher<br />

schnell umsetzbare Projekte. Um qualitatives<br />

Wachstum sicherzustellen, werden<br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen auf den Gebieten<br />

<strong>der</strong> ökologischen Erneuerung sowie von<br />

Hochschulen, Wissenschaft und Forschung<br />

<strong>der</strong> Vorrang gegeben.<br />

Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

± Ausbau und Mo<strong>der</strong>nisierung des<br />

ÖPNV und leistungsfähigere Schienennetze<br />

± Maûnahmen <strong>der</strong> Stadtentwicklung und<br />

Stadtsanierung<br />

± Verbesserung <strong>der</strong> kommunalen Infrastruktur<br />

± vor allem <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

± Sanierung von Altlasten<br />

± Ersatz<strong>in</strong>vestitionen im Bereich <strong>der</strong><br />

Entsorgung und Kanalisation<br />

± Maûnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong><br />

Umweltbelastungen zur För<strong>der</strong>ung<br />

103


von Energiee<strong>in</strong>sparung und erneuerbarer<br />

Energien, Aufbau e<strong>in</strong>er effizienten<br />

Stoffwirtschaft<br />

± Investitionen für Hochschule, Wissenschaft<br />

und Forschung und Aufgaben<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> Studienbed<strong>in</strong>gungen.<br />

Mit diesen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen können<br />

bis zu 750 000 Arbeitsplätze geschaffen<br />

werden.<br />

± die arbeitsplatzschaffenden Potentiale<br />

<strong>der</strong> Umweltschutzgüter<strong>in</strong>dustrie nutzen:<br />

Wir brauchen zukunftsfähige Arbeitsplätze.<br />

Zukunftsfähig <strong>in</strong> doppelter H<strong>in</strong>sicht:<br />

Sie müssen ökologisch zukunftsfähig<br />

se<strong>in</strong> und sie müssen ökonomisch<br />

zukunftsfähig se<strong>in</strong>, also unsere <strong>in</strong>ternationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit steigern.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Umweltschutz<strong>in</strong>dustrie<br />

am nationalen Bruttosozialprodukt stagniert<br />

seit Jahren bei unter 2 %. Beim<br />

Export von Umweltgütern s<strong>in</strong>d wir im<br />

<strong>in</strong>ternationalen Vergleich auf den dritten<br />

Platz zurückgefallen. Bis heute s<strong>in</strong>d<br />

4000 Unternehmen im Bereich <strong>der</strong><br />

Umwelttechnik tätig, es werden rund<br />

1 Million Menschen direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt<br />

im Umweltschutz beschäftigt. Bei allen<br />

Patentanmeldungen für Umwelttechnik<br />

entfielen zwischen 1985 und 1990 knapp<br />

über 30 % auf die Bundesrepublik. Das<br />

Weltmarktpotential <strong>der</strong> Umweltschutz<strong>in</strong>dustrie<br />

wird im Jahre 2000 um rund<br />

30 % höher als heute geschätzt. Noch<br />

gröûer wären die wirtschaftlichen und<br />

beschäftigungspolitischen Potentiale,<br />

wenn es zu e<strong>in</strong>em forcierten Wandel h<strong>in</strong><br />

zu e<strong>in</strong>em produktions- und produkt<strong>in</strong>tegrierten<br />

Umweltschutz und zur systematischen<br />

Erschlieûung neuer Märkte<br />

käme. Umfangreiche neue Anwendungschancen<br />

ergeben sich dabei aus <strong>der</strong> Integration<br />

von Solar- und Informationsund<br />

an<strong>der</strong>en Elektroniktechnologien.<br />

Öko-Produktivität und die weitgehende<br />

Schlieûung von Stoffkreisläufen führen<br />

nicht nur zu e<strong>in</strong>er quantitativen Verr<strong>in</strong>gerung<br />

und höherwertigen Zusammensetzung<br />

<strong>der</strong> Stoffströme, son<strong>der</strong>n auch<br />

zur Entwicklung e<strong>in</strong>es produktionsorien-<br />

104<br />

tierten Dienstleistungssektors. Produktionsorientierte<br />

Dienstleistungen stärken<br />

wie<strong>der</strong>um regionale Wirtschaftstätigkeiten,<br />

die auch für die Zukunft des <strong>in</strong>dustriellen<br />

Sektors Bedeutung haben. Sie<br />

erfor<strong>der</strong>n spezifische Fähigkeiten für den<br />

E<strong>in</strong>satz von E<strong>in</strong>spar- und Solartechniken,<br />

neue Werkstoffe und Reparaturkompetenz.<br />

± ökologischen Fortschritt und Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft zu Konsensthemen<br />

machen:<br />

Wir müssen ökologischen Fortschritt<br />

und die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

zu Konsensthemen machen. Dazu gehört<br />

e<strong>in</strong> offener Dialog über die damit verbundenen<br />

Chancen und Risiken. Verantwortbarer<br />

Fortschritt ist ohne Risikobewertung<br />

bei <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong><br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zukunft nicht<br />

denkbar. Die <strong>SPD</strong> bekräftigt ihre Haltung<br />

zur Atompolitik. Wir wollen ke<strong>in</strong>e<br />

neuen Anlagen und mit dem Ausstieg so<br />

schnell wie möglich beg<strong>in</strong>nen. E<strong>in</strong>e ökologische<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung braucht e<strong>in</strong>e<br />

verstärkte Kooperation <strong>der</strong> Akteure aus<br />

Politik, Wirtschaft, gesellschaftlichen<br />

Gruppen, Gewerkschaften und Wissenschaft<br />

und muû durch staatliche Rahmensetzungen<br />

geför<strong>der</strong>t und abgesichert<br />

werden.<br />

6. Den Dienstleistungssektor systematisch<br />

entwickeln<br />

Deutschland braucht e<strong>in</strong>e neue Dienstleistungskultur.<br />

Im Dienstleistungsbereich liegen<br />

weiterh<strong>in</strong> die gröûten Potentiale für<br />

künftiges Beschäftigungswachstum, selbst<br />

wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bereichen die Beschäftigung<br />

zurückgehen wird.<br />

Diese Potentiale müssen ausgeschöpft werden.<br />

Deutschland darf nicht die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

se<strong>in</strong>es Dienstleistungssektors verpassen.<br />

Mehr und bessere Qualifizierung,<br />

die Nutzung mo<strong>der</strong>ner Technik, neue<br />

Organisationskonzepte und mehr Kundenorientierung<br />

s<strong>in</strong>d die Schlüsselherausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

vor denen Wirtschaft, Politik und<br />

Verwaltung bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />

Dienstleistungswirtschaft stehen.


Die Gestaltungsanfor<strong>der</strong>ungen, aber auch<br />

die Gestaltungschancen für Dienstleistungspolitik<br />

s<strong>in</strong>d vielfältig:<br />

± Impulse geben und mo<strong>der</strong>ieren:<br />

Viele Innovationen im Dienstleistungssektor<br />

werden nur im Verbund zwischen<br />

verschiedenen Akteuren zu bewältigen<br />

se<strong>in</strong>. Zusammenarbeit kommt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wirtschaft aber oftmals nicht von selbst<br />

zustande. Politik, Verwaltung und auch<br />

Wissenschaft können hierfür <strong>in</strong>haltliche<br />

Impulse geben und die notwendigen<br />

Begegnungen und Dialoge organisieren<br />

und mo<strong>der</strong>ieren. Zusätzlich können über<br />

öffentliche Leitnachfrage o<strong>der</strong> über<br />

öffentlich unterstützte Pilotprojekte<br />

Anstöûe gegeben werden.<br />

± Synergiepotentiale von Technik und<br />

Dienstleistungen besser nutzen:<br />

Industrielle Erzeugnisse lassen sich oftmals<br />

nur noch dann verkaufen, wenn<br />

komplementär Dienstleistungen mitgeliefert<br />

werden. Es zeigt sich, daû sich<br />

viele neue und attraktive Angebote nur<br />

durch Nutzung mo<strong>der</strong>ner Technologie<br />

entwickeln lassen. Viele Beispiele für den<br />

Bedeutungsgew<strong>in</strong>n solcher ¹servo-<strong>in</strong>dustriellerª<br />

Kompetenzen liefert <strong>der</strong><br />

Bereich <strong>der</strong> Gesundheits- und Mediz<strong>in</strong>technik.<br />

Neue technische Angebote können<br />

sich hier erfolgreich etablieren,<br />

wenn sie Bestandteil umfassen<strong>der</strong>, ganzheitlicher<br />

Versorgungskonzepte s<strong>in</strong>d.<br />

Diese synergetischen Potentiale zwischen<br />

Technik und Dienstleistungen müssen<br />

gezielt entwickelt werden.<br />

± Haushaltsnahe Dienste professionalisieren:<br />

Angesichts des sozio-demographischen<br />

Wandels ± Altern <strong>der</strong> Gesellschaft, wachsende<br />

Frauenerwerbstätigkeit, Bedeutungsverlust<br />

<strong>der</strong> familiären B<strong>in</strong>dungen ±<br />

besteht e<strong>in</strong> zunehmen<strong>der</strong> Bedarf an ±<br />

professionellen ± Haushaltsdienstleistungen.<br />

Vielfach reicht die Nachfrage e<strong>in</strong>es<br />

Haushaltes allerd<strong>in</strong>gs nicht e<strong>in</strong>mal für<br />

e<strong>in</strong>e Teilzeitbeschäftigung aus und es<br />

fehlen die f<strong>in</strong>anziellen Mittel. Notwendig<br />

s<strong>in</strong>d deshalb Konzepte, die die<br />

Beschäftigung von Haushaltsdienstleistungen<br />

<strong>in</strong> gewerblich tätigen o<strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong>nützigen Agenturen bündeln und<br />

die Dienstleistungen soweit verbilligen,<br />

daû sich die Nachfrage auch entfalten<br />

kann. Ziel e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>ung muû se<strong>in</strong>,<br />

daû möglichst viele, sozialversicherungspflichtige<br />

Arbeitsplätze mit existenzsicherndem<br />

Lohn entstehen, daû Normalverdiener-Haushalte<br />

die Dienstleistungen<br />

tatsächlich bezahlen können und daû<br />

auch Langzeitarbeitslose neue Integrationschancen<br />

erhalten.<br />

± Die wirtschaftlichen Chancen bei<br />

Gesundheit und Soziales nutzen:<br />

Gesundheits- und soziale Dienste waren<br />

die wichtigste Wachstumsbranche <strong>der</strong><br />

letzten 20 Jahre. In den nächsten Jahren<br />

können hier neue Arbeitsplätze entstehen,<br />

wenn es gel<strong>in</strong>gt, die Leistungen<br />

effizienter zu erbr<strong>in</strong>gen. Bei e<strong>in</strong>em<br />

kostengünstigen Angebot läût sich auch<br />

zusätzliche private Nachfrage mobilisieren.<br />

± Wachstumpotentiale im Fremdenverkehr<br />

und Freizeitsektor beschäftigungswirksam<br />

nutzen:<br />

In Deutschland arbeiten <strong>der</strong>zeit etwa<br />

2 Mio. Menschen im Bereich Freizeit<br />

und Tourismus. Das deutsche Leistungsbilanzdefizit<br />

von fast 50 Mrd. DM pro<br />

Jahr <strong>in</strong> diesem Bereich kann nur verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

werden, wenn sich deutsche Anbieter<br />

entscheidend verbessern. Voraussetzung<br />

dafür ist die Entwicklung von<br />

Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten<br />

und des Tourismus.<br />

7. Den Staat mo<strong>der</strong>nisieren<br />

Die Verbesserung <strong>der</strong> Qualität des Staatshandelns<br />

ist e<strong>in</strong>e wichtige Zukunftsaufgabe.<br />

Um diese zu bewältigen, bedarf es e<strong>in</strong>er<br />

grundlegenden Mo<strong>der</strong>nisierung des Staates.<br />

Diese kann sich nicht im Kostenmanagement<br />

(¹schlanker Staatª) und Deregulierung<br />

erschöpfen. Es geht vielmehr um e<strong>in</strong>e<br />

Neudef<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Kernaufgaben staatlichen<br />

Handelns, das auch <strong>in</strong> Zukunft gesellschafts-<br />

und wirtschaftspolitische Ziele und<br />

Standards zu gewährleisten hat. Die Neudef<strong>in</strong>ition<br />

staatlichen Handelns muû nach<br />

den Grundsätzen <strong>der</strong> Effizenz und <strong>der</strong><br />

Wirtschaftlichkeit, <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

105


Akzeptanz und <strong>der</strong> demokratischen Teilhabe<br />

entschieden werden. Unsere Leitl<strong>in</strong>ien<br />

zur Mo<strong>der</strong>nisierung des Staates müssen<br />

vor den hier formulierten Grundsätzen<br />

verstanden werden:<br />

± Neubestimmung <strong>der</strong> Aufgaben zwischen<br />

Staat und Gesellschaft:<br />

Grundsätzlich gilt: Wo Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

und Selbstregulierungskräfte <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

greifen, ist <strong>der</strong> Staat nicht gefor<strong>der</strong>t.<br />

Umgekehrt steht auûer Frage, daû<br />

die hoheitlichen Aufgaben <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren<br />

und äuûeren Sicherheit, die Rechtsprechung,<br />

e<strong>in</strong> funktionsfähiges Bildungswesen<br />

und e<strong>in</strong>e leistungsfähige Infrastruktur<br />

staatlicherseits bereitgestellt werden<br />

müssen. Die gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

und die immer enger werdenden<br />

F<strong>in</strong>anzspielräume erfor<strong>der</strong>n aber, staatliche<br />

Leistungen auf den Prüfstand zu<br />

stellen. Dazu gehören Teilbereiche des<br />

Ordnungsrechts, bei denen die Verantwortung<br />

ggf. unter Verschärfung <strong>der</strong><br />

Gewährleistungs- und Produkthaftung<br />

Privaten übertragen werden kann. Auch<br />

bei öffentlicher Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />

kann und muû die Privat<strong>in</strong>itiative stärker<br />

geför<strong>der</strong>t werden. Müllabfuhr und Wasserwirtschaft,<br />

die Pflege von Parks, Straûenre<strong>in</strong>igung<br />

und Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />

können im Wettbewerb von privaten<br />

Unternehmen o<strong>der</strong> von Regiebetrieben<br />

erbracht werden.<br />

± Wirtschaftlichkeit und Effizienz<br />

verbessern:<br />

Die Bürger haben e<strong>in</strong> Recht darauf, daû<br />

mit ihren Steuermitteln so sparsam und<br />

wirtschaftlich wie möglich umgegangen<br />

wird. Deswegen ist e<strong>in</strong>e Reform des<br />

Haushaltsrechts erfor<strong>der</strong>lich: Durch<br />

Globalhaushalte und Controll<strong>in</strong>gverfahren<br />

kann für e<strong>in</strong>e effizientere Mittelverwendung<br />

gesorgt werden, durch Umgestaltung<br />

des öffentlichen<br />

Haushaltswesens nach kaufmännischen<br />

Gesichtspunkten mit Kosten- und Leistungsanrechnung<br />

können Spielräume<br />

für wirtschaftliche Optimierung geschaffen<br />

werden. Dezentrale Steuerungsmechanismen<br />

mit klaren Kompetenzregeln<br />

und mo<strong>der</strong>ne Management<strong>in</strong>strumente,<br />

106<br />

weniger Hierarchiestufen und ergebnisorientierte<br />

Aufbau- und Ablauforganisationen<br />

s<strong>in</strong>d Maûnahmen, die Effizienz<br />

und Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Verwaltung<br />

steigern.<br />

± Motivation und Leistungsanreize für<br />

den öffentlichen Dienst:<br />

Eigenverantwortung und Leistungsanreize<br />

s<strong>in</strong>d unverzichtbare Elemente für<br />

die Motivation von Mitarbeitern im<br />

öffentlichen Dienst. Die Besoldung im<br />

öffentlichen Sektor muû sich deshalb<br />

stärker an <strong>der</strong> Leistung orientieren. Re<strong>in</strong><br />

zeitablaufbezogene Beför<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d<br />

zu vermeiden, Dienstalterszulagen durch<br />

befristete Leistungszulagen zu ersetzen.<br />

E<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Verwaltung kann nur mit<br />

den dort Beschäftigten und nicht gegen<br />

sie geschaffen werden. Leistungsanreize<br />

und Dezentralisierung bedeuten auch,<br />

daû mehr Verantwortung <strong>in</strong> die Verwaltung<br />

verlagert wird. E<strong>in</strong> Dienstrecht, das<br />

Eigenverantwortung schafft, stärkt und<br />

belohnt, muû schrittweise entwickelt<br />

werden. E<strong>in</strong>e unkritische Übertragung<br />

privatwirtschaftlicher Methoden wird<br />

den Beson<strong>der</strong>heiten e<strong>in</strong>er öffentlichen<br />

Verwaltung nicht gerecht. Wir brauchen<br />

deshalb e<strong>in</strong>e breite Palette von Modellvorhaben,<br />

um neue Wege auszuprobieren.<br />

Wir brauchen leistungsfähige Fortbildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

und<br />

Verwaltungswissenschaften neuen Stils.<br />

Wir wollen die Erkenntnisse <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Arbeitswissenschaften nutzen, um<br />

mit <strong>der</strong> Verwaltung zusammen neue leistungsfähige<br />

Strukturen und Verfahren<br />

zu schaffen.<br />

± Innovationsspielräume erweitern:<br />

Die staatliche Rechtsetzung erfaût heute<br />

alle wesentlichen Lebensbereiche. Dabei<br />

hat die Regulierungsdichte e<strong>in</strong> Ausmaû<br />

angenommen, das oft als Belastung o<strong>der</strong><br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Eigen<strong>in</strong>itiative empfunden<br />

wird. Das hohe Tempo <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> Wirtschaft und Gesellschaft<br />

erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e permanente<br />

Überprüfung und Anpassung <strong>der</strong> Rechtsvorschriften<br />

an heutige Verhältnisse und<br />

künftige Anfor<strong>der</strong>ungen. Dazu kann die<br />

Befristung von Gesetzen e<strong>in</strong> Instrument


se<strong>in</strong>. In diesem S<strong>in</strong>ne haben wir das Ziel,<br />

mehr Freiräume für neue Entwicklungen,<br />

gröûere Eigen<strong>in</strong>itiative und schnellere<br />

Reaktionsmöglichkeiten auf die sich<br />

wandelnden Lebensverhältnisse zu schaffen.<br />

± Entbürokratisierung für mehr Bürgernähe:<br />

Die öffentliche Verwaltung <strong>in</strong> Deutschland<br />

ist besser als ihr Ruf. Viele Län<strong>der</strong><br />

beneiden uns um die Leistungsfähigkeit<br />

des öffentlichen Dienstes. Um die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Zukunft zu bewältigen,<br />

muû die öffentliche Verwaltung<br />

aber permanent verbessert werden. Leitbild<br />

<strong>der</strong> Verwaltungstätigkeit muû <strong>der</strong><br />

Dienst am Bürger se<strong>in</strong>. Servicedenken<br />

und Kundenfreundlichkeit müssen auch<br />

<strong>in</strong> den Amtsstuben E<strong>in</strong>zug halten. Verfahrensabläufe<br />

müssen entbürokratisiert<br />

und ergebnisorientiert ausgestaltet werden.<br />

Im Interesse <strong>der</strong> Bürger müssen die<br />

wichtigsten Dienstleistungsangebote <strong>in</strong><br />

Dienstleistungszentren zusammengefaût<br />

werden (¹bürgernahes Rathausª), wobei<br />

kundenfreundliche Öffnungszeiten sowie<br />

e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Bearbeitungszeiten<br />

erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d.<br />

8. Neuen Konsens für e<strong>in</strong>e neue Sozialstaatlichkeit<br />

organisieren<br />

Die Innovationsoffensive muû sich auch<br />

auf den Sozialstaat selbst beziehen. Gerade<br />

weil das Sozialstaatspr<strong>in</strong>zip bewahrt werden<br />

soll, müssen die sozialpolitischen Leistungen<br />

und Institutionen an die verän<strong>der</strong>ten<br />

ökonomischen, demographischen und<br />

sozial-strukturellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

angepaût werden.<br />

E<strong>in</strong>e Offensive für Innovation und Beschäftigung<br />

setzt e<strong>in</strong>en neuen gesellschaftlichen<br />

Konsens voraus. Ohne sozialen Ausgleich<br />

und e<strong>in</strong>e Sicherung gegen die sozialen Risiken<br />

gew<strong>in</strong>nt Innovationspolitik nur<br />

begrenzte Akzeptanz auch <strong>in</strong> diesem Feld.<br />

Aber es ist nicht alles f<strong>in</strong>anzierbar, was<br />

wünschenswert ist. Wir brauchen deshalb<br />

e<strong>in</strong> richtiges Verhältnis von Eigenverantwortung<br />

und Solidarität und e<strong>in</strong>en effektiveren<br />

und zielgenaueren Ressourcene<strong>in</strong>satz.<br />

Bei <strong>der</strong> Leistungsgestaltung müssen die<br />

verän<strong>der</strong>ten Lebenslagen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie berücksichtigt werden.<br />

Wir stehen vor <strong>der</strong> Aufgabe, e<strong>in</strong>en neuen<br />

sozialen Konsens herzustellen.<br />

Die Verknüpfung von Individualität und<br />

Solidarität dokumentiert sich vor allem <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sozialversicherung. Das deutsche<br />

Modell <strong>der</strong> Sozialversicherung mit se<strong>in</strong>en<br />

Elementen <strong>der</strong> am Lohn ausgerichteten<br />

Beitragsf<strong>in</strong>anzierung, Lebensstandardsicherung,<br />

Leistungsdynamik, sozialen Ausgleich,<br />

paritätischer Mittelaufbr<strong>in</strong>gung und<br />

Selbstverwaltung ist besser als alle an<strong>der</strong>en<br />

Modelle geeignet, die soziale Sicherheit zu<br />

schaffen und den Zusammenhalt <strong>der</strong> Generationen<br />

zu organisieren. Der Abbau <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit und e<strong>in</strong> hohes Beschäftigungsniveau<br />

verbessert die Voraussetzungen<br />

für die Reform unserer sozialstaatlichen<br />

Strukturen und <strong>der</strong>en zukunftsfähige<br />

Weiterentwicklung. Die Grundstrukturen<br />

unseres Sozialstaates haben sich bewährt<br />

und müssen erhalten bleiben.<br />

Der Sozialstaat ist nicht alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kostenfaktor,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e unverzichtbare Produktivkraft<br />

<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaften.<br />

Sie wirkt positiv auf die wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit zurück. Die soziale<br />

Marktwirtschaft ist die Erfolgsgarantie für<br />

die Verb<strong>in</strong>dung von ökonomischer Effizienz,<br />

wachsendem Wohlstand, sozialer<br />

Sicherheit und Demokratie. Notwendig ist:<br />

± Den Sozialstaat e<strong>in</strong>facher und überschaubarer<br />

gestalten:<br />

Überflüssige Bürokratie muû abgebaut<br />

und Rationalisierungs- und Wirtschaftlichkeitsreserven<br />

aufgespürt werden.<br />

Ökonomisches Denken und sozialstaatliche<br />

Orientierung s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Gegensätze.<br />

Wenn es gel<strong>in</strong>gt, die knappen Ressourcen<br />

zielgenauer und effizienter e<strong>in</strong>zusetzen,<br />

lassen sich Qualitätsverbesserung<br />

und Kostensenkung s<strong>in</strong>nvoll mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

verb<strong>in</strong>den. So werden Mittel frei, um<br />

auch auf neue sozialpolitische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

reagieren zu können.<br />

± Prävention stärken:<br />

E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>ner Sozialstaat zielt erst nachrangig<br />

auf den Ausgleich sozialer Risi-<br />

107


ken. Vorrang muû die Vermeidung von<br />

Schäden haben. Auch wenn soziale<br />

Risiko- und Bedarfslagen bereits e<strong>in</strong>getreten<br />

s<strong>in</strong>d, darf sich Sozialpolitik nicht<br />

darauf beschränken, die betroffenen<br />

Menschen lediglich als passive Empfänger<br />

von Transfers zu behandeln.<br />

± Sozialpolitik muû aktivieren:<br />

Hilfe zur Selbsthilfe muû das Ziel sozialstaatlichen<br />

Handelns se<strong>in</strong>. Es ist wi<strong>der</strong>s<strong>in</strong>nig,<br />

Arbeitslosigkeit statt Arbeit zu<br />

f<strong>in</strong>anzieren. Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik<br />

müssen vielmehr <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>greifen,<br />

um <strong>der</strong> groûen Zahl von<br />

arbeitsfähigen und arbeitswilligen Leistungsempfängern<br />

e<strong>in</strong>en Zugang zur<br />

Arbeit zu verschaffen.<br />

± Die Zielgenauigkeit sozialer Transferleistungen<br />

erhöhen:<br />

E<strong>in</strong> leistungsfähiger und gesellschaftlich<br />

akzeptierter Sozialstaat beruht auf e<strong>in</strong>er<br />

Balance zwischen solidarischer Sicherung<br />

und Eigenverantwortung. Es ist stets ±<br />

vor dem H<strong>in</strong>tergrund von F<strong>in</strong>anzierungsfähigkeit<br />

und sozialen Problemlagen<br />

± aufs Neue abzuwägen, was privat<br />

und was solidarisch zu lösen ist. Dort wo<br />

Menschen <strong>in</strong>dividuelle Vorsorge leisten<br />

können, sollen sie dazu ermutigt werden.<br />

± Solidarische Potentiale <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

stärken:<br />

Solidarität, Selbsthilfe und Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n<br />

müssen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachbarschaft,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de entfalten<br />

können. Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />

müssen befähigt und motiviert werden,<br />

Verantwortung für sich und das Geme<strong>in</strong>wohl<br />

zu übernehmen und soziale Aufgaben<br />

auf freiwilliger Basis zu erfüllen. Es<br />

geht nicht nur um die wirtschaftliche<br />

Produktivität e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>wesens, son<strong>der</strong>n<br />

auch um die soziale Produktivität.<br />

± Die Sozialversicherung auf breitere<br />

Basis stellen:<br />

Wir müssen das Ziel verfolgen, die<br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />

auf breitere Basis zu stellen. Die<br />

Ordnung auf dem Arbeitsmarkt muû<br />

wie<strong>der</strong> hergestellt werden. Dazu gehört<br />

zunächst die Bekämpfung von Sche<strong>in</strong>-<br />

108<br />

selbständigkeit und die Sozialversicherungspflicht<br />

ger<strong>in</strong>gfügiger Beschäftigung.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 25<br />

¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu 144<br />

Teil B, Kapitel 2, ¹Bildung ist die ¹Schlüsselressource<br />

für die Zukunftª<br />

Der erste Spiegelstrich soll wie folgt<br />

ergänzt werden: ¹Dies erfor<strong>der</strong>t auch e<strong>in</strong>e<br />

grundlegende Reform <strong>der</strong> Unterrichts- und<br />

Stundenplanstrukturª.<br />

E<strong>in</strong> neuer Spiegelstrich soll e<strong>in</strong>gefügt werden:<br />

¹Die pädagogische und fachspezifische<br />

Fortbildung ist, verpflichtend für alle Lehrer/<strong>in</strong>nen,<br />

neu zu organisieren und bedarfsgerecht<br />

zu systematisieren. Die Vernetzung<br />

von Praxis und wissenschaftlicher Entwicklung<br />

ist <strong>in</strong> Zusammenarbeit zwischen allen<br />

Schulformen und Hochschule dauerhaft zu<br />

gewährleisten. Die Lehreraus- und -fortbildung<br />

muû darauf ausgerichtet se<strong>in</strong>, das<br />

Schulsystem <strong>in</strong>sgesamt weiterzuentwickeln<br />

und angesichts <strong>der</strong> europäischen Integration<br />

den Austausch zwischen den Bildungssystemen,<br />

vor allem <strong>der</strong> unmittelbaren<br />

Nachbarlän<strong>der</strong>, zu ermöglichen.ª<br />

Nach dem 10. Spiegelstrich ¹Schnellere<br />

Anpassung ...ª sollen zwei weitere angefügt<br />

werden:<br />

± ¹In e<strong>in</strong>er Reihe von Branchen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Wachstumsbranchen, gibt es e<strong>in</strong>en<br />

deutlichen Bedarf für die Entwicklung<br />

neuer Berufsbil<strong>der</strong>. Damit eröffnet sich<br />

e<strong>in</strong> neues Potential für qualifizierte Ausbildungsplätze.<br />

Die Entwicklung neuer<br />

Berufsbil<strong>der</strong> und <strong>der</strong> entsprechenden<br />

Ausbildungsordnungen, muû daher,<br />

gemäû dem schnellen Wandlungsprozeû<br />

<strong>in</strong> Wirtschaft und Verwaltung, zügig<br />

erfolgen. Die Erprobung neuer Ausbildungsgänge<br />

muû bei Bedarf im Vorgriff<br />

auf den Erlaû von Ausbildungsverordnungen<br />

ermöglicht werden.ª


± ¹Rund 15 Prozent e<strong>in</strong>es Altersjahrgangs<br />

bleiben <strong>der</strong>zeit ohne Berufsabschluû.<br />

Diese Jugendlichen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

und Perspektivlosigkeit ausgesetzt,<br />

von sozialem Abstieg und gesellschaftlicher<br />

Ausgrenzung bedroht. Es<br />

besteht daher e<strong>in</strong> dr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Handlungsbedarf,<br />

für lernschwache und benachteiligte<br />

Jugendliche differenzierte Lösungen<br />

anzubieten. In dafür geeigneten Berufen<br />

s<strong>in</strong>d, bedarfsgerecht, Ausbildungsgänge<br />

<strong>in</strong> Stufenform (Beispiel: Kle<strong>in</strong>er Gesellenbrief)<br />

zu entwickeln. Dabei muû die<br />

Zertifizierung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Stufen und<br />

ihre Durchlässigkeit gesichert se<strong>in</strong>. So<br />

eröffnen sie auch für diesen Personenkreis<br />

Möglichkeiten e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen<br />

beruflichen Qualifizierung mit<br />

anerkannten Abschlüssen.ª<br />

Teil B, Kap. 5, letzter Spiegelstrich<br />

Anstatt ¹und des Tourismusª soll <strong>der</strong><br />

Schluû lauten: ¹... sowie zukunftsfähiger<br />

Tourismuskonzepte.ª<br />

Teil B, Kap. 6, ¹Arbeitsplätze durch Innovationenª:<br />

In die Fassung <strong>der</strong> Antragskommission<br />

sollte an entsprechen<strong>der</strong> Stelle e<strong>in</strong>gefügt<br />

werden:<br />

¹Wir wollen die Konsensbereitschaft zwischen<br />

den Sozialpartnern und <strong>der</strong> Politik<br />

herstellen. Wir werden e<strong>in</strong> ,Bündnis für<br />

Arbeitª & realisierenª.<br />

(Überwiesen an Kommission Bildung und<br />

Wissenschaft beim Parteivorstand)<br />

Initiativantrag 26<br />

¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu IA 25<br />

(zu I 44)<br />

Im drittletzten Ansatz wird <strong>der</strong> vierte Satz<br />

wie folgt gefaût:<br />

¹In dafür geeigneten Berufen s<strong>in</strong>d, bedarfsgerecht,<br />

Ausbildungsgänge <strong>in</strong> Stufenform<br />

zu entwickeln, die <strong>in</strong> jedem Fall zu e<strong>in</strong>em<br />

vollwertigen Abschluû zur Erlangung <strong>der</strong><br />

beruflichen Qualifikation führen müssen.ª<br />

Die im letzten Absatz enthaltene Passage<br />

kann <strong>in</strong> den Punkt B 3 <strong>der</strong> Antragskommission<br />

im ersten Absatz nach dem zweiten<br />

Satz e<strong>in</strong>gefügt werden.<br />

(Überwiesen an Kommission Bildung und<br />

Wissenschaft beim Parteivorstand)<br />

Initiativantrag 45<br />

Innovationspolitik<br />

± Stafettenmodelle sozial absichern<br />

Stafettenmodelle als e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Form von Arbeitszeitverkürzung und<br />

-teilung zwischen den Generationen<br />

können e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit leisten.<br />

Berufse<strong>in</strong>steiger/<strong>in</strong>nen, die mit e<strong>in</strong>er<br />

reduzierten Arbeitszeit beg<strong>in</strong>nen, müssen<br />

dabei die Möglichkeit haben, spätestens<br />

nach 5 Jahren die normale Wochenarbeitszeit<br />

zu erreichen. Aufgrund <strong>der</strong> verkürzten<br />

Arbeitszeit und des reduzierten<br />

E<strong>in</strong>kommens ergeben sich für im Stafettenmodell<br />

bef<strong>in</strong>dliche Beschäftigte E<strong>in</strong>buûen<br />

bei <strong>der</strong> Renten- und Arbeitslosenversicherung.<br />

Um diese auszugleichen,<br />

wird im Falle <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit das<br />

Vollzeite<strong>in</strong>kommen zur Berechnungsgrundlage<br />

genommen. Die Kosten müssen<br />

als versicherungsfremde Leistungen<br />

steuerf<strong>in</strong>anziert werden.<br />

Neben den Anpassungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenund<br />

Arbeitslosenversicherung sollte die<br />

Unterstützung von Vorruhestand, Altersteilzeit<br />

u. ä. durch öffentliche Gel<strong>der</strong> an<br />

e<strong>in</strong>e Ersetzung durch jüngere Arbeitnehmer/-<strong>in</strong>nen<br />

gebunden werden, um so die<br />

Verb<strong>in</strong>dlichkeit von Stafettenmodellen<br />

zu erhöhen. Gleiche Chancen für Frauen<br />

und Männer müssen gewährleistet se<strong>in</strong>.<br />

Die Durchsetzung <strong>der</strong> tariflichen Altersteilzeit<br />

durch die IG Metall war e<strong>in</strong> groûer<br />

Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung.<br />

Dies wollen wir durch die Absenkung <strong>der</strong><br />

Beitragsätze zur Arbeitslosenversicherung<br />

für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber entspre-<br />

109


chend <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit. Mit<br />

dieser dynamischen Arbeitspolitik entstehen<br />

f<strong>in</strong>anzielle Anreize für Beschäftigte<br />

und Unternehmen, Arbeitszeit zur verkürzen<br />

und auf mehr Arbeitnehmer/-<strong>in</strong>nen zu<br />

verteilen. Wer gleichviel arbeitet wie bisher,<br />

zahlt weiter die gleichen Arbeitslosenversicherungsbeiträge.<br />

Wer 32 Stunden<br />

Wochenarbeitszeit o<strong>der</strong> weniger arbeitet,<br />

dessen Beitragssätze s<strong>in</strong>ken dementsprechend.<br />

Dies setzt e<strong>in</strong>e effektive Durchsetzung<br />

<strong>der</strong> neuen tarifvertraglich gebundenen<br />

Arbeitszeit voraus. Ebenso müssen Umgehungsmöglichkeiten<br />

auf tariflichem und<br />

gesetzlichem Weg ausgeschlossen se<strong>in</strong>.<br />

Alle Beschäftigten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Sozialversicherung<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen. Für die Durchführung<br />

ger<strong>in</strong>gfügiger Beschäftigungsverhältnisse<br />

schlagen wir Dienstleistungs- und<br />

Beschäftigungsschecks vor. Mit ihnen wird<br />

das zu versteuernde und zu versichernde<br />

E<strong>in</strong>kommen erfaût. Dabei trägt <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />

die Sozialversicherungskosten ganz.<br />

Im Gegenzug dazu entfällt die Pauschalbesteuerung<br />

für diese Beschäftigungssparte.<br />

Im übrigen können heilberufliche und<br />

soziale Dienstleistungen (Pflege etc.) schon<br />

nach geltendem Recht bzw. nach e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />

Anpassung mehrwertsteuerfrei<br />

gestellt werden. Dadurch kann die vielgefürchtete<br />

Kostensteigerung und die daraus<br />

folgende Arbeitsplatzvernichtung beim<br />

Übergang <strong>in</strong> die Sozialversicherungspflichtigkeit<br />

vermieden werden.<br />

Für die Abwicklung von mehreren ger<strong>in</strong>gfügigen<br />

Beschäftigungsverhältnissen des/<br />

<strong>der</strong>selben Arbeitnehmer<strong>in</strong> bietet sich die<br />

E<strong>in</strong>richtung von z.B. den Arbeitsämtern<br />

zugeordneten Dienstleistungsagenturen an,<br />

die solche Arbeitsangebote bündeln und an<br />

die <strong>in</strong>teressierte Arbeitnehmer/-<strong>in</strong>nen vermitteln.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

110<br />

Antrag I 45<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen<br />

und Juristen (ASJ)<br />

¾n<strong>der</strong>ungsantrag zum<br />

Leitantrag des Parteivorstandes<br />

¹Innovationen für<br />

Deutschlandª<br />

In den Leitantrag des <strong>SPD</strong>-Parteivorstands<br />

¹Innovationen für Deutschland für den<br />

<strong>Parteitag</strong> 2.±4. Dezember <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong>ª<br />

ist an den Text des ersten Glie<strong>der</strong>ungspunktes<br />

¹Mittelstandsfreundliche Wettbewerbspolitikª<br />

folgen<strong>der</strong> Satz anzufügen:<br />

¹Mittelständischer E<strong>in</strong>zelhandel und Handwerk<br />

s<strong>in</strong>d auch durch e<strong>in</strong>en wirksamen<br />

Geschäftsraum-Mieterschutz vor dem <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren stark angestiegenen Verdrängungswettbewerb<br />

durch unzumutbare<br />

und ungerechtfertigte Mieterhöhungen zu<br />

bewahren.ª<br />

(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 49<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Düsseldorf-Stadtmitte<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Für e<strong>in</strong>e zukunftsgerichtete<br />

Politik<br />

I<br />

Frieden, Freiheit, Sozialismus ± das waren<br />

(und s<strong>in</strong>d?) die klassischen Zielsetzungen<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratie. Frieden gedeiht auf<br />

<strong>der</strong> Basis von Freiheit und Gerechtigkeit,<br />

er bedeutet mehr als die Abwesenheit von<br />

Krieg. Er setzt vor allem die Wahrung <strong>der</strong><br />

Menschenrechte voraus, im Innern wie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> auswärtigen Politik. Freiheit ist auch<br />

die Freiheit von materieller Not. Sozialismus<br />

als wi<strong>der</strong>spruchsvolle Verb<strong>in</strong>dung von


Gleichheit und Gerechtigkeit bedarf e<strong>in</strong>er<br />

neuen umfassenden Def<strong>in</strong>ition, die auch<br />

die Brauchbarkeit des Begriffs für unsere<br />

Zeit mitprüft.<br />

II<br />

Um die notwendige Kurskorrektur zu<br />

erreichen, muû sich die alltägliche politische<br />

Arbeit beson<strong>der</strong>s an folgenden Themen<br />

orientieren:<br />

± Respektierung <strong>der</strong> Menschenwürde<br />

± Soziale Gerechtigkeit<br />

± Zukunftsfähigkeit<br />

± Möglichkeiten politischer Alternativen<br />

Dazu e<strong>in</strong>ige Anmerkungen.<br />

III<br />

1.<br />

Die Menschenwürde wird täglich ± weltweit<br />

und auch bei uns ± vielfach verletzt,<br />

nicht zuletzt durch unwürdige Lebensbed<strong>in</strong>gungen.<br />

Hierzulande trifft es vor allem<br />

± aber nicht nur ± sogenannte Randgruppen<br />

und Auslän<strong>der</strong>.<br />

Beschämen<strong>der</strong>weise werden Menschen, die<br />

vor Verfolgung an<strong>der</strong>swo Schutz bei uns<br />

gesucht haben, an Leib und Leben bedroht<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> vielen Fällen ungerechten<br />

bürokratischen Abschiebeverfahren ausgesetzt.<br />

In den Stadtteilen erleben wir täglich,<br />

daû die Preisgabe des Asylrechts nicht die<br />

versprochene Wirkung hat. Nur die tatsächlich<br />

politisch Verfolgten haben kaum<br />

noch Chancen. Hier hat auch unsere Partei<br />

e<strong>in</strong>en schrecklichen Fehler begangen, <strong>der</strong><br />

korrigiert werden muû.<br />

Die Würde des Menschen (Artikel 1<br />

Grundgesetz) bed<strong>in</strong>gt auch dessen Teilhabe<br />

an den Entscheidungen, die über ihn und<br />

se<strong>in</strong>e Lebensumstände getroffen werden.<br />

¹No taxation without representationª ±<br />

ke<strong>in</strong>e Besteuerung ohne (parlamentarische)<br />

Vertretung ± die Losung <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Revolution bleibt aktuell. Hier heiût<br />

das: aktives und passives Kommunal- und<br />

Landtagswahlrecht für jeden gleich welcher<br />

Herkunft, <strong>der</strong> legal länger als fünf Jahre <strong>in</strong><br />

Folge se<strong>in</strong>en Wohnsitz <strong>in</strong> Deutschland hat,<br />

e<strong>in</strong> erster Schritt wäre die Umsetzung<br />

unserer bereits seit langem gefaûten<br />

Beschlüsse zum Kommunalwahlrecht für<br />

Auslän<strong>der</strong>. Dies muû begleitet werden von<br />

e<strong>in</strong>er auf Integration statt Ghettobildung<br />

abzielenden Politik. Integration bedeutet<br />

Verän<strong>der</strong>ung bei allen Beteiligten. Die bei<strong>der</strong>seitige<br />

Bereitschaft hierfür zu stärken<br />

und diesen Prozeû behutsam zu för<strong>der</strong>n,<br />

muû unser Anliegen se<strong>in</strong>.<br />

Sozialhilfeempfänger haben e<strong>in</strong> Recht auf<br />

e<strong>in</strong> an den Maûstäben unserer Gesellschaft<br />

orientiertes menschenwürdiges Leben, was<br />

mehr ist als bloûes Überleben. Menschen<br />

dürfen nicht durch e<strong>in</strong>e verfehlte Drogenpolitik<br />

noch tiefer <strong>in</strong>s Elend gestoûen und<br />

e<strong>in</strong>er gewalttätigen krim<strong>in</strong>ellen Szene ausgeliefert<br />

werden. Die Rechtsprechung hat<br />

die menschliche Würde voranzustellen.<br />

Nicht nur das private Eigentum <strong>der</strong> Bürger<br />

ist zu sichern, und zwar auch gegenüber<br />

dem Staat und mächtigen Wirtschafts<strong>in</strong>teressen,<br />

son<strong>der</strong>n zuvor<strong>der</strong>st <strong>der</strong>en Leben und<br />

Gesundheit.<br />

Jugendlichen ist e<strong>in</strong>e Perspektive zu bieten<br />

durch die Teilnahme am gesellschaftlichen<br />

Geschehen, die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Ausbildung<br />

und e<strong>in</strong>es Starts <strong>in</strong>s Berufsleben.<br />

Erwerbsarbeit <strong>in</strong> Form abhängiger Lohnarbeit<br />

ist für e<strong>in</strong>e Mehrheit nach wie vor<br />

Hauptquelle des E<strong>in</strong>kommens zur Bestreitung<br />

des Lebensunterhalts, Grundlage des<br />

Selbstwertgefühls und Voraussetzung für<br />

dauerhafte soziale Kontakte auûerhalb des<br />

Familienbereichs. Es gilt, Arbeitszeitenund<br />

Formen den neuen Bedürfnissen <strong>der</strong><br />

Menschen anzupassen, vorhandene Arbeitsmöglichkeiten<br />

gerecht zu verteilen. Durch<br />

rechtzeitige Umstellung muû Politik die<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen dafür setzen, daû für<br />

Frauen und Männer zukunftsträchtige,<br />

menschengerechte Arbeitsplätze geschaffen<br />

und Erwerbstätige nebst ihren Familien<br />

etwa bei <strong>der</strong> Betreuung und Erziehung von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>n entlastet. werden. Die Schaffung<br />

von wohnortnahen, umweltfreundlichen<br />

Arbeitsplätzen kann durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligente<br />

Kommunalpolitik, die Verkehr, Wohnen,<br />

Arbeiten und Umwelt zusammen sieht,<br />

unterstützt werden.<br />

111


Es berührt die Menschenwürde des aktiven<br />

und leistungsbereiten Kerns <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />

wenn immer mehr Menschen die<br />

Möglichkeit genommen wird, ihren<br />

Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu<br />

bestreiten; und daû diejenigen, die (noch)<br />

abhängig beschäftigt s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> ¹ihrenª<br />

Betrieben e<strong>in</strong>en weitgehend demokratiefreien<br />

und oft auch rechtsfreien Raum vorf<strong>in</strong>den,<br />

verletzt die Menschenwürde gleichermaûen.<br />

2.<br />

Gerechtigkeit <strong>in</strong> den menschlichen Beziehungen<br />

zu schaffen, ist e<strong>in</strong>e ständige Aufgabe<br />

<strong>der</strong> ganzen Gesellschaft. Der Staat<br />

hat hier Hilfestellung zu geben und die<br />

entsprechenden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu<br />

schaffen. Beson<strong>der</strong>er Wert ist auf die<br />

Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14<br />

GG) zu legen.<br />

Die e<strong>in</strong>seitige Abwälzung <strong>der</strong> Krisenlasten<br />

auf die abhängig Beschäftigten und die<br />

sozial Schwachen wi<strong>der</strong>spricht eklatant<br />

dem Gebot <strong>der</strong> Gerechtigkeit. Die Lasten<br />

müssen von allen getragen werden, und<br />

zwar nach Maûgabe <strong>der</strong> jeweiligen <strong>in</strong>dividuellen<br />

Leistungsfähigkeit. Unter diesem<br />

Gebot <strong>der</strong> Gerechtigkeit ist <strong>der</strong> Generationenvertrag<br />

neu zu verhandeln.<br />

Genaue Abwägung und Vorsicht bei E<strong>in</strong>schnitten<br />

<strong>in</strong> das soziale Netz, Erhaltung<br />

e<strong>in</strong>er für alle zugänglichen kulturellen<br />

Sphäre, Schaffung e<strong>in</strong>es gerechten und<br />

übersichtlichen Steuerrechts (Vorschläge<br />

dazu liegen längst vor), das Stopfen von<br />

Steuerschlupflöchern, aktive Beschäftigungspolitik<br />

± das s<strong>in</strong>d die aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Die Themen Arbeit und<br />

soziale Gerechtigkeit werden für die<br />

Zukunft <strong>der</strong> Sozialdemokratie entscheidend<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Sozialdemokraten können nicht h<strong>in</strong>ter die<br />

Erkenntnis des Kirchenlehrers August<strong>in</strong><br />

zurückfallen, nach <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Staat, <strong>in</strong> dem es<br />

ke<strong>in</strong>e Gerechtigkeit gibt, nichts als e<strong>in</strong>e<br />

Räuberbande ist.<br />

3.<br />

Zukunftsfähigkeit heiût, Politik und Wirtschaft<br />

so auszurichten, daû Raubbau an<br />

112<br />

den natürlichen Ressourcen vermieden<br />

wird und daû den zukünftigen Generationen<br />

die Voraussetzungen für e<strong>in</strong> menschenwürdiges<br />

Leben für alle erhalten bleiben.<br />

Das erfor<strong>der</strong>t die Abkehr von alten<br />

Gewohnheiten und e<strong>in</strong>e vorausschauende<br />

Politik, wobei die Kommunen ebenso ihren<br />

Beitrag leisten müssen und können wie die<br />

Weltgeme<strong>in</strong>schaft als Ganzes. ¹Nachhaltigesª<br />

Wirtschaften, Teilen als Gebot <strong>in</strong>ternationaler<br />

Solidarität ± auch je<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne<br />

ist hier gefor<strong>der</strong>t.<br />

E<strong>in</strong>ige Stichworte: Energiewende (die Klimawende<br />

setzt <strong>in</strong> den Kommunen an ±<br />

Düsseldorf z.B. ist immer noch nicht Mitglied<br />

im Klimabündnis), weitgehende<br />

Abkehr vom Verbrauch fossiler Energieträger,<br />

(rechtzeitige Umstrukturierung betroffener<br />

Regionen hilft Härten vermeiden ± s.<br />

diverse Kohlekrisen, Lausitz, Garzweiler<br />

II), stufenweise Reduzierung <strong>der</strong> Subventionierung<br />

für die För<strong>der</strong>ung fossiler Energien,<br />

dagegen För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nung<br />

regenerativer Energien, Ausstieg aus <strong>der</strong><br />

Atomwirtschaft ± nachhaltiges Wirtschaften:<br />

Das Leitbild ¹susta<strong>in</strong>able developmentª<br />

(nachhaltige, besser: zukunftsfähige)<br />

Entwicklung wurde 1987 von <strong>der</strong> UN-Son<strong>der</strong>kommission<br />

für Umwelt und Entwicklung<br />

(Brundlandt-Kommission) geprägt,<br />

also schon vor ¹Rioª. Im Schluûbericht<br />

dieser Kommission heiût es: ¹Dauerhafte<br />

Entwicklung ist Entwicklung, die die<br />

Bedürfnisse <strong>der</strong> Gegenwart befriedigt, ohne<br />

zu riskieren, daû künftige Generationen<br />

ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen<br />

können.ª<br />

Das setzt unter u. a. voraus: faire Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />

für ökologisch orientierte<br />

Unternehmen, gezielte Auftragsvergabe<br />

und -kontrolle <strong>der</strong> öffentlichen Hand,<br />

Umorientierung <strong>der</strong> Landwirtschaft. Hier<br />

lohnt es sich, Entwicklungen <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten<br />

Staaten, den Nie<strong>der</strong>landen, Dänemark<br />

zu verfolgen und mit aufgeschlossenen<br />

Unternehmern und Managern zu<br />

kooperieren.<br />

IV<br />

E<strong>in</strong> neues Reformbündnis (über die parteipolitische<br />

Perspektive Rot-Grün h<strong>in</strong>aus)


muû von <strong>der</strong> Basis aus wachsen. E<strong>in</strong> neues<br />

gesellschaftliches Klima (Offenheit für neue<br />

Lösungen statt diffuser ¾ngste) kann von<br />

<strong>der</strong> Politik geför<strong>der</strong>t werden, wenn sie dem<br />

bewuûtlosen ¹weiter soª <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

Regierung und dem aggressiven Machtanspruch<br />

<strong>der</strong> tatsächlich Herrschenden e<strong>in</strong>e<br />

klar formulierte Alternative gegenüberstellt.<br />

Für uns muû es heiûen,<br />

± Politik bedenkt die Zukunft, wenn sie<br />

heute Probleme löst, die Menschen müssen<br />

ihre Geme<strong>in</strong>samkeiten entdecken,<br />

statt gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geführt zu werden,<br />

± die Wirtschaft hat e<strong>in</strong>e dienende Funktion,<br />

± die Würde des Menschen muû <strong>der</strong> Maûstab<br />

für alle Entscheidungen <strong>in</strong> Politik<br />

und Wirtschaft se<strong>in</strong>.<br />

Das geht kaum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er groûen Koalition,<br />

klare Abgrenzung ± durchaus bei geme<strong>in</strong>samen<br />

Sachentscheidungen, wo es s<strong>in</strong>nvoll<br />

und notwendig ist ± und die Darstellung<br />

e<strong>in</strong>er glaubhaften Alternative werden uns<br />

befähigen, für unsere eigene Mehrheit zu<br />

arbeiten. Unter den gegebenen Umständen<br />

müssen wir uns darüber im klaren se<strong>in</strong>, daû<br />

angesichts <strong>der</strong> realistischen Wahlchancen<br />

<strong>der</strong>zeit nur die Perspektive e<strong>in</strong>es rot-grünen<br />

Reformbündnisses bleibt. Im übrigen<br />

gilt: Politik ± d.h., das Zusammenleben <strong>der</strong><br />

Menschen bewuût (möglichst vernünftig)<br />

zu organisieren ± ist Sache aller und f<strong>in</strong>det<br />

im Alltag statt. Daû die bewuûte Teilhabe<br />

S<strong>in</strong>n hat und Freude machen kann, hoffen<br />

wir geme<strong>in</strong>sam zu erfahren.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 50<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

Viel mehr Zukunft!<br />

Lebensentwürfe junger Frauen<br />

absichern<br />

1. Frauenpolitik <strong>in</strong> den 90ern:<br />

Die fem<strong>in</strong>istische Debatte: Zurück zur Differenz?<br />

Die Jugend-Debatte: Mädchen als Gew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong>nen?<br />

2. Lebensansprüche junger Frauen: Der<br />

Doppelte Lebensentwurf ± Wir wollen<br />

alles!<br />

3. Den ¹Doppelten Lebensentwurfª lebbar<br />

machen:<br />

Gesellschaftliche Lösungsmodelle<br />

¹Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ungª ± E<strong>in</strong> Projekt für<br />

e<strong>in</strong>e neue sozialdemokratische Reformpolitik<br />

3.1. Arbeit an<strong>der</strong>s bewerten<br />

3.2 Arbeit an<strong>der</strong>s verteilen<br />

A. Teilzeitarbeit?<br />

B. Allgeme<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />

Erwerbsarbeitszeit!<br />

3.3 Sozialstaat umbauen<br />

3.4 Ausbildung<br />

4. Wer, wenn nicht wir?<br />

1. Frauenpolitik <strong>in</strong> den 90ern:<br />

Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen<br />

an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />

Prozessen ist nicht gewährleistet. Zwar<br />

eröffnete sich für Frauen durch qualifiziertere<br />

Bildung und Ausbildung verstärkt <strong>der</strong><br />

Zugang zur Erwerbsarbeit. Die Übernahme<br />

familiärer Aufgaben durch den<br />

Sozialstaat und <strong>der</strong>en Entwicklung zu professionalisierten<br />

Frauenerwerbstätigkeiten<br />

erleichterte es Frauen, aus <strong>der</strong> ökonomischen<br />

Abhängigkeit von Männern zu entfliehen,<br />

die geschlechtsspezifische Arbeits-<br />

113


teilung und die ihnen zugewiesene Rolle<br />

als Hausfrau, Mutter und <strong>der</strong> je<strong>der</strong>zeit verfügbaren<br />

Ehefrau zum Teil aufzubrechen<br />

und eigenständig ihr Leben gestalten zu<br />

können. Die zunehmende Erwerbsarbeit<br />

von Frauen, die sich hauptsächlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Zunahme an Teilzeitarbeit nie<strong>der</strong>schlägt,<br />

hat jedoch nicht dazu geführt, daû die<br />

geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufgehoben<br />

wird. Gleichberechtigte Partizipationsmöglichkeiten<br />

für Frauen im Erwerbsleben<br />

können nur auf Grundlage von<br />

Vollbeschäftigung und e<strong>in</strong>es umfassenden<br />

Ausbaus sozialstaatlicher Leistungen erzielt<br />

werden.<br />

Derzeit gerät die Frauenpolitik von verschiedenen<br />

Seiten unter Druck. Zum e<strong>in</strong>en<br />

trifft die Krise des Arbeitsmarktes Frauen<br />

stärker als Männer, und Frauen haben auch<br />

stärker unter dem Kahlschlag des Sozialstaates<br />

zu leiden. Zu nennen s<strong>in</strong>d hier z. B.<br />

die Heraufsetzung des Rentene<strong>in</strong>trittsalters<br />

für Frauen und die weitere Auflockerung<br />

des Kündigungsschutzes. Zum an<strong>der</strong>en gibt<br />

es aber auch auf <strong>der</strong> ¹kulturellenª Ebene<br />

zunehmend wie<strong>der</strong> Rückdrängungsversuche.<br />

Oftmals greifen natürlich auch die<br />

materiellen Interessen <strong>der</strong> ¹old boysª und<br />

die Propagierung traditioneller Frauenbil<strong>der</strong><br />

zusammen und verstärken sich gegenseitig.<br />

Die fem<strong>in</strong>istische Debatte: Zurück zur<br />

Differenz?<br />

Frauenpolitik bef<strong>in</strong>det sich (wie jede<br />

an<strong>der</strong>e fortschrittliche Politik zur Zeit) <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Defensive. Dies ist vielleicht auch e<strong>in</strong>er<br />

<strong>der</strong> Gründe, warum es <strong>in</strong> <strong>der</strong> fem<strong>in</strong>istischen<br />

Debatte auch zu heftigen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

über Ziel und Weg <strong>der</strong> Frauenpolitik<br />

kommt. Neuerd<strong>in</strong>gs flammt <strong>in</strong><br />

diesem Zusammenhang e<strong>in</strong> Streit aus den<br />

80er Jahren wie<strong>der</strong> auf: Die Frage nämlich,<br />

ob eher die Gleichheit o<strong>der</strong> die Differenz<br />

<strong>der</strong> Geschlechter Ausgangspunkt aller<br />

emanzipatorischer Politik sei.<br />

Während sich die <strong>SPD</strong> bereits Mitte <strong>der</strong><br />

80er Jahre darauf verständigte, daû das<br />

Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Gleichheit von Frau und Mann<br />

zentral für die Entwicklung fem<strong>in</strong>istischer<br />

114<br />

und sozialdemokratischer Strategie sei,<br />

greifen <strong>in</strong> den letzten Jahren wie<strong>der</strong> mehr<br />

Wissenschaftler<strong>in</strong>nen diesen ¹traditionellen<br />

Fem<strong>in</strong>ismusª an. Sie beziehen sich dabei<br />

auf Debatten <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne sowie des<br />

Poststrukturalismus, d.h. sie machen die<br />

Differenz <strong>der</strong> Erfahrungen von Frauen und<br />

Männern zum Ausgangspunkt ihrer politischen<br />

Strategie. Dieser neue Differenzensatz<br />

postuliert nicht die Unterschiedlichkeit<br />

<strong>der</strong> Geschlechter, son<strong>der</strong>n schon die totale<br />

Verschiedenheit <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />

Geschlechts. Dies führt zu e<strong>in</strong>em neuen<br />

Politikansatz, <strong>der</strong> nicht mehr auf die<br />

Gleichstellung zielt, son<strong>der</strong>n auf die Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Differenzen. Den traditionellen<br />

Ansätzen unterstellen die ¹Post-Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nenª,<br />

Differenzen zwischen Frauen<br />

zu leugnen und zu verwischen und damit<br />

neue Herrschaftsansprüche zu formulieren.<br />

Sie erklären damit das Gleichheitspr<strong>in</strong>zip<br />

im Fem<strong>in</strong>ismus, das se<strong>in</strong>e politische Entsprechung<br />

<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionalisierten Formen ±<br />

z. B. <strong>in</strong> den (kommunalen) Gleichstellungsstellen<br />

und) Frauenför<strong>der</strong>plänen ± f<strong>in</strong>det,<br />

für gescheitert.<br />

Die Erfolge dieser Politik <strong>der</strong> Gleichberechtigung<br />

schlagen sich aber deutlich <strong>in</strong><br />

gesetzlichen Regelungen und ihren Konsequenzen<br />

nie<strong>der</strong>. Daher halten wir weiterh<strong>in</strong><br />

an <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong> Gleichheit als e<strong>in</strong>em wichtigen<br />

emanzipativen Begriff fest. Dabei<br />

geht es ke<strong>in</strong>eswegs um die Negierung aller<br />

Individualität. Vielmehr ist die Gleichheit<br />

<strong>der</strong> Lebenschancen überhaupt erst die Voraussetzung,<br />

um dann Verschiedenartiges<br />

leben zu können.<br />

Die Jugend-Debatte: Mädchen als<br />

Gew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong>nen?<br />

Die aktuelle Jugend-Debatte wird von<br />

Schlagwörtern wie Individualisierung und<br />

Pluralisierung bestimmt. Dabei gelten<br />

junge Frauen zum e<strong>in</strong>en als die Vorreiter<strong>in</strong>nen<br />

dieses Prozesses, so z. B. als Gew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> ¹Bildungsexpansionª. Zum<br />

an<strong>der</strong>en ersche<strong>in</strong>en sie aber immer wie<strong>der</strong><br />

als rückständig, da sie ihre Biographie nicht<br />

ausschlieûlich am Erwerbsleben orientieren.


Absehbar ist schon jetzt, daû sich die weiblichen<br />

Lebensentwürfe pluralisieren. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

s<strong>in</strong>d die Frauen mit den sich daraus<br />

ergebenden Problemen alle<strong>in</strong> gelassen und<br />

müssen diese je <strong>in</strong>dividuell lösen.<br />

Mit <strong>der</strong> Individualisierungsthese wird oftmals<br />

die Behauptung verbunden, daû sich<br />

traditionelle B<strong>in</strong>dungen mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

aufgelöst haben und politisches Handeln<br />

von Gruppen daher immer unwahrsche<strong>in</strong>licher<br />

wird. Die Frauenperspektive zeigt:<br />

Frauen wurde schon immer vermittelt, ihre<br />

privaten Probleme seien alle<strong>in</strong> ihre eigenen<br />

und nur sie selbst könnten sie auch lösen.<br />

Bei jungen Frauen kommt nun aber e<strong>in</strong><br />

entscheiden<strong>der</strong> Aspekt h<strong>in</strong>zu: In 14 Jahren<br />

konservativer Hegemonie hatten sie weniger<br />

denn je die Chance, Erfolge kollektiver<br />

Lösungsmodelle zu erleben. Deshalb<br />

sche<strong>in</strong>t bei ihnen <strong>der</strong> Bruch zwischen <strong>in</strong>dividuellen<br />

Problemlagen und kollektiven<br />

Lösungen noch gröûer zu se<strong>in</strong> als bei<br />

männlichen Jugendlichen. Die Tendenz zur<br />

Entsolidarisierung wirkt sich bei Männern<br />

alle<strong>in</strong> auf den Erwerbsarbeitsbereich aus,<br />

während bei Frauen die Lösung des Problems<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barkeit endgültig <strong>in</strong>dividuellen<br />

Strategien unterliegt.<br />

Zeitgleich gibt es vielfach die Behauptung,<br />

die Girlie-Bewegung zeige e<strong>in</strong>en Trendwechsel<br />

unter jungen Frauen an: Weg vom<br />

verstaubten Emanzen-Image h<strong>in</strong> zu peppiger<br />

Women-Power. Das kurze Leben dieser<br />

¹Bewegungª zeigt an, daû es sich hierbei<br />

vor allen D<strong>in</strong>gen um e<strong>in</strong> Medien-<br />

Konstrukt handelte.<br />

Dennoch stellt sich die Frage, ob sich h<strong>in</strong>ter<br />

<strong>der</strong> medialen Vermarktung e<strong>in</strong>zelner<br />

Vorzeige-Girlies e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung im<br />

Bewuûtse<strong>in</strong> junger Frauen abzeichnet.<br />

Umstritten bleibt, ob sich dah<strong>in</strong>ter wirklich<br />

e<strong>in</strong> neues Selbstverständnis von unabhängigen,<br />

aber lustbetonten jungen Frauen f<strong>in</strong>det,<br />

das e<strong>in</strong>e etwas überdimensionierte<br />

mediale Vermarktung erfahren hat, o<strong>der</strong> ob<br />

die Girlie-Welle <strong>in</strong> den männlich geprägten<br />

Medien e<strong>in</strong>e bewuûte und beson<strong>der</strong>s<br />

raff<strong>in</strong>ierte Variante des Backlash war.<br />

Woran soll also fem<strong>in</strong>istische und (jung)sozialistische<br />

Frauenpolitik heute anknüpfen?<br />

Es ist an <strong>der</strong> Zeit, sich nicht nur mit <strong>der</strong><br />

Ideologie über Frauen zu beschäftigen,<br />

son<strong>der</strong>n zu betrachten, welche Erwartungen<br />

und Ansprüche Frauen selbst formulieren<br />

und wie sich die gesellschaftliche Sicht<br />

<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge aus Frauenperspektive darstellt.<br />

Dies ist um so erfor<strong>der</strong>licher, weil mit<br />

e<strong>in</strong>em neuen Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frauenpolitik<br />

zwei D<strong>in</strong>ge gleichzeitig erreicht werden<br />

sollen: Zum e<strong>in</strong>en müssen die schon<br />

erkämpften Rechte und Positionen verteidigt<br />

werden. Zum an<strong>der</strong>en müssen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

junge Frauen neu motiviert werden,<br />

sich für Frauenpolitik und ihre<br />

ureigensten Belange zu <strong>in</strong>teressieren. Dazu<br />

müssen die Verän<strong>der</strong>ungen, die sich im<br />

Selbstverständnis <strong>der</strong> jungen Frauen <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahren ergeben haben, ernst<br />

genommen werden. Sie s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong>e<br />

Anfrage an unsere Politikkonzepte.<br />

2. Lebensansprüche junger Frauen:<br />

¹Der Doppelte Lebensentwurfª ±<br />

Wir wollen alles!<br />

War es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik Adenauers die<br />

milde lächelnde Hausfrau, die unablässig <strong>in</strong><br />

Werbekampagnen und Sonntagsreden<br />

erschien, so dom<strong>in</strong>ierte <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR schon<br />

recht früh das Leitbild <strong>der</strong> ¹berufstätigen<br />

Muttiª die öffentliche Wahrnehmung, was<br />

aber ke<strong>in</strong>e Gleichberechtigung zur Folge<br />

hatte, son<strong>der</strong>n für die Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR<br />

zur Dreifach-Belastung als Mutter, Hausfrau<br />

und Berufstätige führte.<br />

Seit gut 20 Jahren s<strong>in</strong>d diese starren Weiblichkeitsbil<strong>der</strong><br />

allerd<strong>in</strong>gs alte Hüte. In den<br />

70er Jahren war die formale Gleichstellung<br />

im Osten, z.B. gemessen an <strong>der</strong> Frauenerwerbsquote,<br />

bereits viel weiter fortgeschritten<br />

als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik. Aber auch<br />

im Westen eröffnete <strong>in</strong> dieser Zeit vor<br />

allem die sozialdemokratische Bildungsreform<br />

jungen Frauen gröûere Wahlmöglichkeiten.<br />

Fortan konnten sie ihr Recht auf<br />

Bildung und Erwerbsarbeit wahrnehmen<br />

und muûten nicht mehr zwangsläufig dem<br />

Hausfrauenvorbild ihrer Mütter folgen.<br />

115


Der entscheidende Unterschied zu früheren<br />

Generationen ist heute die ausgesprochen<br />

hohe Berufsorientierung unter jungen<br />

Frauen <strong>in</strong> Ost- und Westdeutschland.<br />

Dabei haben im Osten die Töchter schon<br />

ihre Mütter zum Vorbild, im Westen differieren<br />

hier Tochter- und Muttergeneration<br />

erheblich.<br />

Junge Frauen wollen genau wie junge<br />

Männer e<strong>in</strong>e gute Ausbildung erhalten und<br />

e<strong>in</strong>en Beruf erlernen und ergreifen, <strong>der</strong><br />

ihren Fähigkeiten und Kompetenzen angemessen<br />

ist und sie f<strong>in</strong>anziell unabhängig<br />

macht.<br />

Dennoch gibt es e<strong>in</strong>en ganz entscheidenden<br />

Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensplanung<br />

junger Frauen und Männer. Wichtigstes<br />

Merkmal <strong>der</strong> Vorstellung von Selbstverwirklichung<br />

junger Frauen ist ihr ¹Doppelter<br />

Lebensentwurfª, d.h. sie stellen Beruf<br />

und Privatleben gleichberechtigt nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Der Wunsch nach Vere<strong>in</strong>barkeit bei<strong>der</strong><br />

Bereiche mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> prägt ihre<br />

Lebensgestaltung.<br />

Dabei umfaût die e<strong>in</strong>e Säule das Streben<br />

nach Bildung und Erwerbstätigkeit und die<br />

an<strong>der</strong>e Säule den gesamten privaten<br />

Bereich (Pflege zwischenmenschlicher<br />

Beziehungen, Hobbies, politisches Engagement,<br />

Haus- und Familienarbeit, etc.).<br />

Damit entwickeln junge Frauen e<strong>in</strong>en<br />

umfassen<strong>der</strong>en Lebensanspruch als Männer.<br />

Männliche Lebensentwürfe orientieren<br />

sich nach wie vor fast ausschlieûlich an <strong>der</strong><br />

Erwerbstätigkeit. Zwar haben natürlich<br />

auch junge Männer e<strong>in</strong> Privatleben. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

hat dies <strong>in</strong> ihrer Lebensplanung<br />

e<strong>in</strong>en deutlich ger<strong>in</strong>geren Stellenwert.<br />

Natürlich s<strong>in</strong>d die Lebenspläne junger<br />

Frauen sehr unterschiedlich. Junge Frauen<br />

wählen ganz verschiedenartige Wege, ihr<br />

Leben zu gestalten. Trotzdem existiert e<strong>in</strong><br />

grundlegen<strong>der</strong> Unterschied zwischen den<br />

Geschlechtern: Während Männer <strong>in</strong> ihrer<br />

Lebensplanung davon ausgehen, daû das<br />

Private automatisch <strong>in</strong> ihre Erwerbsbiographie<br />

e<strong>in</strong>fügen läût, bauen es Frauen <strong>in</strong> ihre<br />

Lebensgestaltung von Beg<strong>in</strong>n an bewuût<br />

e<strong>in</strong>.<br />

116<br />

Im ¹Doppelten Lebensentwurfª ist die<br />

Erwerbsarbeit ebenso zentral wie <strong>der</strong> private<br />

Bereich und bestimmend für das<br />

Selbstverständnis von Menschen. Erwerbsarbeit<br />

kann ohne den privaten Bereich<br />

nicht stattf<strong>in</strong>den: die Erledigung <strong>der</strong> Hausund<br />

Familienarbeit und die Pflege zwischenmenschlicher<br />

Beziehungen ermöglichen<br />

erst den beruflichen Lebensweg und<br />

haben darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e eigene Lebensqualität.<br />

Wer sich nur auf den beruflichen<br />

o<strong>der</strong> nur auf den privaten Lebensbereich<br />

beschränkt, vernachlässigt jeweils e<strong>in</strong>en<br />

entscheidenen Teil des Lebens. Die <strong>SPD</strong><br />

hält dagegen an e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Bild<br />

von Lebensgestaltung fest. Danach ist die<br />

Vere<strong>in</strong>barung bei<strong>der</strong> Lebensbereiche Ausgangspunkt<br />

für jede Emanzipation des<br />

Menschen und Voraussetzung für die Entwicklung<br />

gleichberechtigter Lebensverhältnisse<br />

für alle Menschen.<br />

Doch nach 14 Jahren Kohl-Regierung hat<br />

e<strong>in</strong> ganzheitlicher Lebensentwurf ke<strong>in</strong>erlei<br />

Chance auf Verwirklichung:<br />

± In Zeiten anhalten<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

werden Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

zunehmend <strong>in</strong> den Bereich <strong>der</strong> Hausund<br />

Familienarbeit und <strong>in</strong> nicht sozial<br />

abgesicherte Jobs zurückgedrängt, während<br />

immer weniger männliche Beschäftigte<br />

immer mehr an Erwerbsarbeit leisten.<br />

± Immer weniger junge Menschen haben<br />

noch e<strong>in</strong>e Chance auf e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz,<br />

wobei junge Frauen nach wie<br />

vor vor <strong>der</strong> Entscheidung stehen, entwe<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>en schlecht bezahlten Beruf o<strong>der</strong><br />

gar ke<strong>in</strong>en zu erlernen.<br />

± Teilweise zuvor vergesellschaftete Reproduktionsarbeiten,<br />

wie z. B. die K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung<br />

o<strong>der</strong> die Pflege alter Menschen,<br />

werden wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die kostenlosen Hände<br />

<strong>der</strong> Mütter und (Schwieger-)Töchter<br />

zurückgegeben.<br />

Daher haben die meisten Frauen die<br />

¹Kompromiûl<strong>in</strong>ieª schon gleich mit im<br />

Kopf. Obwohl sich viele Männer wie<br />

Frauen gleichermaûen K<strong>in</strong><strong>der</strong> wünschen,<br />

verb<strong>in</strong>den sich damit unterschiedliche Aufgaben<br />

und Ansprüche. Die Aufgaben, die


nach <strong>der</strong> Familiengründung entstehen, s<strong>in</strong>d<br />

auch <strong>in</strong> den 90ern klar verteilt: Nach wie<br />

vor s<strong>in</strong>d Frauen hauptsächlich für die<br />

Reproduktionsarbeit verantwortlich. Im<br />

Westen so, daû es meist zu e<strong>in</strong>er Berufsunterbrechung<br />

kommt, im Osten ehemals mit<br />

<strong>der</strong> doppelt- und dreifach Belastung und<br />

staatlicher Unterstützung.<br />

Zudem ist <strong>der</strong> Arbeits- und Ausbildungsmarkt<br />

<strong>in</strong> Ost wie West nach wie vor<br />

geschlechtsspezifisch geteilt. Junge Frauen<br />

haben oft gar ke<strong>in</strong>e Berufs¹wahlª, son<strong>der</strong>n<br />

müssen auf das vorhandene Angebot<br />

zurückgreifen, was ihnen die schlechter<br />

bezahlten Berufe meist ohne Aufstiegschancen<br />

zuweist. Junge Frauen ¹wählenª diese<br />

Jobs, auch <strong>in</strong> dem Glauben, hier besser<br />

Familie und Beruf koord<strong>in</strong>ieren zu können.<br />

(Wo man ke<strong>in</strong>e Karriere machen kann,<br />

führt auch e<strong>in</strong>e Berufsunterbrechung nicht<br />

zum Karriereknick!)<br />

Diese doppelte Orientierung ist lange Zeit<br />

(auch von Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nen) als Hemmnis auf<br />

dem Weg zur Gleichstellung verstanden<br />

worden. Diese Bewertung wandelt sich nun<br />

grundlegend. Denn defizitär ersche<strong>in</strong>en<br />

Frauen nur dann, wenn sie an den männlichen<br />

(Erwerbs-)Biographien gemessen werden,<br />

die fast ausschlieûlich am Erwerbsleben<br />

ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Verstehen wir die<br />

Doppelorientierung aber nicht als Mo<strong>der</strong>nisierungsrückstand,<br />

son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>en<br />

an<strong>der</strong>en, ebenso s<strong>in</strong>nvollen Lebensentwurf,<br />

ergibt sich e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>es Bild: Diese<br />

Doppelorientierung kann dann zum Maûstab<br />

für Um- und Ausbau unseres (Sozial-)<br />

Staates werden.<br />

Zwar reagieren junge Frauen mit diesem<br />

Anspruch des ¹doppelten Lebensentwurfsª<br />

zunächst auf den Druck des geschlechtshierarchisch<br />

geteilten Arbeitsmarktes und<br />

suchen <strong>in</strong>dividuelle Lösungen. Auch wollen<br />

sie sich mit ihren umfassenden Ansprüchen<br />

an Leben und Arbeit nicht bewuût dem<br />

Bild des Menschen als Ware im kapitalistischen<br />

Produktionsprozeû wi<strong>der</strong>setzen.<br />

Genau an dieser Stelle jedoch kann die<br />

<strong>SPD</strong> mit e<strong>in</strong>em sozialistischen Reformprojekt<br />

anknüpfen, <strong>in</strong>dem wir diese Zusam-<br />

menhänge aufdecken und geme<strong>in</strong>sam mit<br />

jungen Frauen nach kollektiven Lösungsmodellen<br />

suchen, die dem ¹doppelten<br />

Lebensentwurfª junger Frauen, die autonome<br />

Gestalter<strong>in</strong>nen aller Lebensbereiche<br />

se<strong>in</strong> wollen, gerecht werden.<br />

Zur Zeit ist <strong>der</strong> Lebensentwurf junger<br />

Frauen nur sehr bed<strong>in</strong>gt lebbar. Aber e<strong>in</strong><br />

re<strong>in</strong>es Anpassen und Qualifizieren <strong>der</strong><br />

Frauen für das Erwerbsleben greift zu kurz.<br />

Der gesamte Arbeitsmarkt muû umgebaut<br />

werden, damit Frauen wirklich gleichberechtigt<br />

mit ihren Lebenswünschen daran<br />

teilnehmen können.<br />

3. Den ¹Doppelten Lebensentwurfª lebbar<br />

machen: Gesellschaftliche Lösungsmodelle<br />

Die <strong>in</strong>dividuellen Ansprüche junger Frauen<br />

an e<strong>in</strong>en ¹Doppelten Lebensentwurfª<br />

haben e<strong>in</strong>e Reihe von notwendigen politischen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zur Folge:<br />

± Bildung und Ausbildung müssen vermitteln,<br />

daû Privates gleichberechtigt neben<br />

<strong>der</strong> Erwerbsarbeit steht.<br />

± Die Erwerbsarbeit selbst muû so organisiert<br />

se<strong>in</strong>, daû beruflicher und privater<br />

Lebensbereich vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d.<br />

± Tätigkeiten <strong>der</strong> Haus- und Familienarbeit<br />

müssen vergesellschaftet werden.<br />

Dies gilt vor allem für die Betreuung<br />

von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und alten Menschen, welche<br />

bei weitem <strong>in</strong> Quantität und Qualität<br />

noch nicht ausreichend gewährleistet<br />

ist.<br />

± Sozialstaatliche Konzepte dürfen nicht<br />

mehr an <strong>der</strong> männlichen Erwerbsbiographie<br />

ausgerichtet se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n den<br />

Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe<br />

an Erwerbsarbeit und Privatleben z. B.<br />

mit <strong>der</strong> Anerkennung von Erziehungszeiten<br />

für die Rente absichern.<br />

Im Mittelpunkt dieser For<strong>der</strong>ungen steht<br />

jedoch <strong>der</strong> Umbau <strong>der</strong> Erwerbsarbeit, da<br />

hier die gröûten Hemmnisse für e<strong>in</strong>e Realisierung<br />

des ¹Doppelten Lebensentwurfesª<br />

existieren.<br />

117


¹Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ungª ± e<strong>in</strong> Projekt für<br />

e<strong>in</strong>e neue sozialdemokratische Reformpolitik<br />

Arbeit wird <strong>in</strong> dieser Gesellschaft nur nach<br />

Profitgesetzen def<strong>in</strong>iert. Wir h<strong>in</strong>gegen<br />

haben e<strong>in</strong>en umfassen<strong>der</strong>en Arbeitsbegriff:<br />

Arbeit bedeutet nicht nur bezahlte, öffentlich<br />

sichtbare und gesellschaftlich anerkannte<br />

Erwerbsarbeit, son<strong>der</strong>n auch die<br />

Reproduktion des Lebens ± also unbezahlte,<br />

private und gesellschaftlich unterbewertete<br />

Haus-, Familien- und Beziehungsarbeit.<br />

Darum for<strong>der</strong>n wir nicht e<strong>in</strong>e<br />

Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit, son<strong>der</strong>n eher<br />

e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung: Die durchschnittliche<br />

Erwerbsarbeitszeit muû für alle verkürzt<br />

werden. Da wir aber vor allem mehr<br />

Frauen <strong>in</strong> die Erwerbsarbeit br<strong>in</strong>gen wollen,<br />

wird sich die durchschnittliche<br />

Erwerbsarbeitszeit für Frauen erhöhen.<br />

Gleichzeitig wollen wir die Haus- und<br />

Familienarbeit gleichmäûig auf beide<br />

Geschlechter verteilen. Auch wenn wir das<br />

noch ungenutzte Potential vergesellschafteter<br />

Reproduktionsarbeit ausschöpfen,<br />

bedeutet dies für Männer e<strong>in</strong>e durchschnittliche<br />

Verlängerung <strong>der</strong> Haus- und<br />

Familienarbeit, da immer e<strong>in</strong> Rest an<br />

Reproduktionsarbeit bleiben wird. Natürlich<br />

wird durch e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />

Erwerbsarbeitszeit nicht automatisch<br />

erreicht, daû Männer die gewonnene freie<br />

Zeit für die Erledigung von Reproduktionsarbeit<br />

nutzen. Aber damit ist zum<strong>in</strong>dest<br />

die Rahmenbed<strong>in</strong>gung dafür geschaffen!<br />

Darum müûten wir eigentlich von e<strong>in</strong>er<br />

Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ung sprechen, denn es<br />

geht uns um die For<strong>der</strong>ung nach dem<br />

Sechs-Stunden-Tag für alle. Ansonsten laufen<br />

wir Gefahr, <strong>in</strong> <strong>der</strong> gewerkschaftlich ±<br />

und damit meist männlich ± besetzten<br />

Debatte um kürzere Erwerbsarbeitszeiten<br />

für Männer steckenzubleiben. Für Frauen<br />

bedeutete dies dann: Die Hausarbeit, die<br />

ihre Männer <strong>in</strong> <strong>der</strong> gröûeren Freizeit produzieren,<br />

dürfen sie auch noch erledigen!<br />

3.1. Arbeit an<strong>der</strong>s bewerten<br />

E<strong>in</strong>e Neubewertung <strong>der</strong> Arbeit wollen wir<br />

durch e<strong>in</strong>e Umstrukturierung <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

erreichen, die nicht nur Arbeitsverkür-<br />

118<br />

zung mit vollem Lohnausgleich <strong>in</strong> den<br />

Mittelpunkt stellt, son<strong>der</strong>n auch versucht,<br />

geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten<br />

zu verän<strong>der</strong>n und zu überkommen. Über<br />

Sozialisation und Motivation, über Berufsberatung,<br />

Quoten und Frauenför<strong>der</strong>ungsmaûnahmen<br />

muû und kann Frauen e<strong>in</strong> verstärkter<br />

Zugang zu sog. männertypischen<br />

Berufen ermöglicht werden, die v. a. im<br />

gewerbl.-techn. Bereich angesiedelt s<strong>in</strong>d.<br />

Gleichzeitig müssen auch Berufe im sozialen<br />

und pflegerischen Bereich und Dienstleistungsberufe<br />

für Männer attraktiv<br />

gemacht werden.<br />

Die Herausbildung sogenannter ¹Frauenberufeª,<br />

die grundsätzlich schlechter<br />

bezahlt werden als sogenannte ¹Männerberufeª<br />

reproduziert die geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung im Produktionsbereich<br />

und begründet sich e<strong>in</strong>erseits auf Eigenschaften<br />

und Fähigkeiten, die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Frauen zugeschrieben werden (Helfen,<br />

Dienen, Erziehen, Zuarbeiten), an<strong>der</strong>erseits<br />

auf Tätigkeiten, die als Funktionen aus <strong>der</strong><br />

Familie ausdifferenziert worden s<strong>in</strong>d und<br />

beruflich organisiert werden (K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner<strong>in</strong>,<br />

Erzieher<strong>in</strong>, Kranken- und Altenpflege).<br />

In <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Berufe hat<br />

sich die Ungleichheit zwischen den<br />

Geschlechtern nicht verr<strong>in</strong>gert. Zwar hat<br />

<strong>der</strong> Tertiarisierungsprozeû die Disparitäten<br />

zwischen den Geschlechtern tendenziell<br />

verkle<strong>in</strong>ert, doch diese Fortschritte s<strong>in</strong>d<br />

durch e<strong>in</strong>e rigi<strong>der</strong> gewordene geschlechtsspezifische<br />

Typisierung <strong>der</strong> Berufe wie<strong>der</strong><br />

verlorengegangen.<br />

Die Hälfte <strong>der</strong> berufstätigen Frauen ist auf<br />

nur sieben Berufe verteilt. Darunter dom<strong>in</strong>ieren<br />

<strong>der</strong> Beruf <strong>der</strong> Verkäufer<strong>in</strong> und<br />

Bürofachkräfte. 1990 verteilten sich rund<br />

55 Prozent <strong>der</strong> weiblichen Auszubildenden<br />

auf 10 Berufe. In den klassischen Männerberufen<br />

gelten Frauen immer noch als<br />

Exot<strong>in</strong>nen. Bemühungen zur Öffnung dieser<br />

Berufsfel<strong>der</strong> durch Modellversuche zur<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ausbildung von Mädchen <strong>in</strong><br />

gewerblich-technischen Berufen konnten<br />

nur ger<strong>in</strong>ge ¾n<strong>der</strong>ungen bewirken. Zwar<br />

hat sich <strong>der</strong> Anteil von jungen Frauen <strong>in</strong><br />

männerdom<strong>in</strong>ierten Berufen <strong>in</strong> den alten


Bundeslän<strong>der</strong>n während <strong>der</strong> letzten 15<br />

Jahre mehr als verdreifacht, jedoch konzentrieren<br />

sich Frauen <strong>in</strong>nerhalb dieses Feldes<br />

wie<strong>der</strong>um auf sehr wenige, frauentypische<br />

Aufgaben, während ihnen gerade die<br />

mo<strong>der</strong>nen, entwicklungsfähigen Bereiche<br />

weiterh<strong>in</strong> verschlossen bleiben.<br />

In <strong>der</strong> ehemaligen DDR, wo die Berufsstruktur<br />

nicht ganz so geschlechtsspezifisch<br />

bestimmt war, gleicht sich die Berufswahl<br />

<strong>der</strong> Frauen mittlerweile dem Westen an.<br />

Obwohl die Herausbildung neuer Berufe<br />

vor allem im Dienstleistungsbereich die<br />

Zugangschancen für Frauen im mittleren<br />

Qualifikationsbereich des Erwerbssystems<br />

erhöht haben, bleiben Führungspositionen<br />

für Frauen <strong>in</strong> sämtlichen Arbeitsmarktsegmenten<br />

immer noch schwer erreichbar.<br />

Frauen verbleiben <strong>in</strong> sehr viel höherem<br />

Maûe als Männer <strong>in</strong> jenen Positionen, <strong>in</strong><br />

denen sie ihre Erwerbstätigkeit begonnen<br />

haben. Umgekehrt s<strong>in</strong>d Frauen häufiger<br />

vom Risiko des beruflichen Abstiegs<br />

bedroht. Die geschlechtshierarchische<br />

Arbeitsteilung <strong>in</strong> Familie und Erwerbsarbeitsbereich<br />

korrespondiert eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>,<br />

bed<strong>in</strong>gt sich wechselseitig und wird<br />

immer wie<strong>der</strong> über den jeweils an<strong>der</strong>en<br />

Bereich hergestellt.<br />

Trotz des gesetzlichen Verbotes <strong>der</strong> Lohndiskrim<strong>in</strong>ierung<br />

fand bisher ke<strong>in</strong>e Angleichung<br />

<strong>der</strong> Lebensverhältnisse von Frauen<br />

und Männern statt. Dies liegt e<strong>in</strong>erseits<br />

daran, daû Maûstäbe zur Bewertung von<br />

gleicher und gleichwertiger Arbeit fehlen.<br />

Die Arbeitsbewertung ist nach wie vor e<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>fallstor für die relative Abwertung typischer<br />

¹Frauenª-Tätigkeiten.<br />

E<strong>in</strong>e gerechte Entlohnung von Frauen und<br />

Männern kann nur gel<strong>in</strong>gen, wenn durch<br />

e<strong>in</strong>e konsequent betriebene Umverteilungspolitik<br />

von oben nach unten, Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>e verstärkte Teilhabe an erzielten<br />

Produktivitätszugew<strong>in</strong>nen ermöglicht wird.<br />

Kurzfristig sollen Lohnerhöhungen <strong>in</strong><br />

Tarifverträgen nicht mehr nur prozentual,<br />

son<strong>der</strong>n auch durch Sockelbeträge für<br />

untere E<strong>in</strong>kommen erfolgen. Diese Umverteilungspolitik<br />

muû verbunden se<strong>in</strong> mit<br />

e<strong>in</strong>er Umstrukturierung des Berufswahlver-<br />

haltens und wenn Karriereblockaden für<br />

Frauen abgebaut werden, um ihnen e<strong>in</strong>en<br />

Aufstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> betrieblichen Hierarchie zu<br />

ermöglichen.<br />

3.2. Arbeit an<strong>der</strong>s verteilen<br />

Nach etlichen Jahren Reallohnverzicht ist<br />

es zwar traurige Wahrheit, daû so mancher<br />

Monatslohn nur durch die Aufstockung<br />

von bis zu 80 Überstunden zum Leben<br />

reicht. Dieser Überstunden-Rekord ist aus<br />

Sicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen ± zumeist männlichen ±<br />

Beschäftigten zwar verständlich, trotzdem<br />

gesamtwirtschaftlich nicht mehr h<strong>in</strong>zunehmen.<br />

Wo die Erwerbsarbeit im Unternehmen<br />

für hun<strong>der</strong>te von Überstunden reicht,<br />

dort reicht sie auch für die E<strong>in</strong>stellung von<br />

zusätzlichen Arbeitskräften.<br />

In <strong>der</strong> Bundesrepublik beschreibt das Vollzeitarbeitsverhältnis<br />

als sogenanntes Normalarbeitsverhältnis<br />

die Standards und<br />

Normen, die zu e<strong>in</strong>em ausreichend abgesicherten<br />

Beschäftigungsverhältnis gehören.<br />

Es s<strong>in</strong>d dar<strong>in</strong> elementare Schutzfunktionen<br />

h<strong>in</strong>sichtlich des Bestands des Arbeitsverhältnisses<br />

und e<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>reichenden sozialen<br />

Absicherung e<strong>in</strong>geschlossen. Jede(r)<br />

Beschäftigte im Normalarbeitsverhältnis<br />

kann somit an den gesetzlichen und tarifvertraglichen<br />

Absicherungen, angefangen<br />

vom Arbeitsschutz bis zur Mitbestimmung,<br />

une<strong>in</strong>geschränkt partizipieren. Am Normalarbeitsverhältnis<br />

kann <strong>der</strong> Grad von Absicherung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Arbeitsverhältnisse<br />

gemessen werden. Darüberh<strong>in</strong>aus ist<br />

das öffentliche Leben, angefangen von den<br />

Öffnungszeiten von Behörden und<br />

Geschäften bis h<strong>in</strong> zu Veranstaltungen im<br />

kulturellen o<strong>der</strong> politischen o<strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Bereich mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

stark auf das Normalarbeitsverhältnis, als<br />

Regelfall für den Rhythmus von Arbeitszeit<br />

und Freizeit, ausgerichtet. Die Teilnahme<br />

am öffentlichen Leben ist somit nicht<br />

zuletzt durch die Qualität des jeweiligen<br />

Arbeitsverhältnisses def<strong>in</strong>iert.<br />

Bei dem öffentlichen Angebot an sozialen<br />

Diensten, wie z. B. den Öffnungszeiten von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen und Schulen,<br />

wird allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e Rücksicht auf die<br />

119


Regelarbeitszeit genommen. Diese Situation<br />

wird durch den krassen Fehlbestand<br />

an Betreuungsplätzen weiter verschärft, so<br />

daû Frauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die Aufnahme<br />

e<strong>in</strong>es Normalarbeitsverhältnisses <strong>in</strong> den<br />

meisten Fällen verwehrt ist.<br />

Die kollektive Regelung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />

stellt neben <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach höheren<br />

Löhnen und Gehältern e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Instrumentarien <strong>der</strong> Gewerkschaften dar,<br />

sich gegen die Ausweitung <strong>der</strong> Konkurrenz<br />

auf dem Arbeitsmarkt zu schützen. Um die<br />

Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten<br />

im Arbeitsprozeû zu begrenzen, muûte den<br />

Unternehmen die Möglichkeit genommen<br />

werden, die Arbeitskräfte zeitlich nahezu<br />

unbegrenzt auszunutzen. Um Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

vor e<strong>in</strong>em allzu schnellen Gesundheitsverschleiû<br />

zu schützen und ihnen ausreichend<br />

Zeit für Ruhe und Regeneration<br />

zu verschaffen, war e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />

täglichen Arbeitszeit notwendig. Durch<br />

e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Lebensarbeitszeit<br />

konnten sich eigenständige Lebensphasen<br />

wie Jugend und Alter herausbilden. Durch<br />

e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit bleibt aber<br />

auch Zeit zur Befriedigung persönlicher<br />

Bedürfnisse, für soziale, politische und kulturelle<br />

Tätigkeiten.<br />

Neben dem Humanisierungspekt und <strong>der</strong><br />

Erfüllung von Lebens<strong>in</strong>teressen und<br />

-bedürfnissen verbessert die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit nicht nur die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Lebenslage <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen, son<strong>der</strong>n<br />

ist auch e<strong>in</strong> wesentliches Instrument,<br />

durch e<strong>in</strong>e Umverteilung von Arbeit für<br />

e<strong>in</strong>e Ausweitung von Beschäftigung zu sorgen<br />

und die Konkurrenz zwischen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>zuschränken. Um die<br />

geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufbrechen<br />

zu können, ist die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

30-Stunden-Woche und die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit auf 6 Stunden<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Voraussetzung. Mit <strong>der</strong> Festlegung<br />

e<strong>in</strong>er verkürzten Normalarbeitszeit<br />

begründet sich sowohl <strong>der</strong> Maûstab für die<br />

Arbeitsbelastungen, die ohne Gesundheitsgefährdungen<br />

und Überbeanspruchungen<br />

ertragen werden können, als auch <strong>der</strong><br />

Anspruch auf e<strong>in</strong> regelmäûig zu zahlendes<br />

Arbeitsentgelt, das zur <strong>in</strong>dividuellen Exi-<br />

120<br />

stenzsicherung ausreicht. Voraussetzung<br />

dafür, daû die verkürzte Normalarbeitszeit<br />

die Garantiefunktion für das E<strong>in</strong>kommen<br />

übernimmt, ist <strong>der</strong> Lohnausgleich. Bei<br />

e<strong>in</strong>er Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich<br />

bliebe für die breite Mehrheit <strong>der</strong><br />

Beschäftigten die angestrebte Teilhabe am<br />

sozialen, politischen und kulturellen Leben<br />

unerreichbar. Aus dem Wunsch, mehr<br />

Raum für persönliche Bedürfnisse zu<br />

haben, entsteht bei Lohne<strong>in</strong>buûen <strong>der</strong><br />

Zwang zur subsistenzsichernden Eigenarbeit,<br />

zur Nebenerwerbstätigkeit o<strong>der</strong> zur<br />

Mehrarbeit.<br />

Aktive Arbeitsmarktpolitik: Aufhebung <strong>der</strong><br />

Benachteiligung von Frauen<br />

Frauen s<strong>in</strong>d auf dem Arbeitsmarkt beson<strong>der</strong>s<br />

benachteiligt. Hier ist die aktive<br />

Arbeitsmarktpolitik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, aktiv die<br />

Qualifizierung und Beschäftigung von<br />

Frauen zu för<strong>der</strong>n. Dazu müssen verb<strong>in</strong>dliche<br />

Zielvorgaben zur Beteiligung von<br />

Frauen an allen Maûnahmen <strong>der</strong> aktiven<br />

Arbeitsmarktpolitik e<strong>in</strong>geführt werden, die<br />

sicherstellen, daû Frauen m<strong>in</strong>destens entsprechend<br />

ihres Anteils an den Erwerbsarbeitslosen<br />

berücksichtigt werden. Familienbed<strong>in</strong>gte<br />

Erwerbsunterbrechungen und<br />

Teilzeitarbeit dürfen für Faruen und Männer<br />

ke<strong>in</strong>e Benachteiligung beim Zugang zu<br />

Leistungen <strong>der</strong> aktiven Arbeitsmarktpolitik<br />

se<strong>in</strong>.<br />

A. Teilzeitarbeit?<br />

Teilzeitarbeit als Instrument <strong>der</strong> Umverteilung<br />

von Erwerbsarbeit birgt jedoch gerade<br />

für Frauen e<strong>in</strong>e Menge Risiken, und bereits<br />

jetzt ist Teilzeitarbeit mit e<strong>in</strong>em Anteil von<br />

90 % e<strong>in</strong>e ¹Frauendomäneª. Teilzeitarbeit<br />

br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel dauerhafte E<strong>in</strong>kommensverluste<br />

mit sich, so daû e<strong>in</strong>e eigenständige<br />

Existenzsicherung, aber auch die<br />

soziale Sicherung nicht immer gewährleistet<br />

ist. Teilzeitarbeit wird darüber h<strong>in</strong>aus<br />

gesellschaftlich nicht son<strong>der</strong>lich hoch<br />

bewertet, was wohl zum e<strong>in</strong>en an dem nach<br />

wie vor männlich dom<strong>in</strong>ierten Leitbild <strong>der</strong><br />

Vollzeitbeschäftigung liegt, aber auch an<br />

dem ger<strong>in</strong>gen Anteil (10 %) <strong>der</strong> Männer <strong>in</strong><br />

Teilzeitarbeitsverhältnissen. Teilzeitarbeit


wird zumeist nur <strong>in</strong> den unteren Hierarchieebenen<br />

e<strong>in</strong>es Unternehmens o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Institution möglich gemacht, d.h. bei e<strong>in</strong>er<br />

Teilzeitstrategie zur Umverteilung <strong>der</strong><br />

Arbeit im Interesse <strong>der</strong> Frauen blieben diese<br />

weiterh<strong>in</strong> von Führungspositionen ausgeschlossen.<br />

Und die Praxis <strong>der</strong> Teilzeitarbeit<br />

hat gezeigt, daû das Abgeben von Arbeitsstunden<br />

von e<strong>in</strong>zelnen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

häufig lediglich zur ersatzlosen Streichung<br />

von Stellen geführt hat, und nicht etwa zur<br />

Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />

Die gröûte Gefahr liegt jedoch dar<strong>in</strong>, daû<br />

die <strong>in</strong>dividuelle Teilzeitarbeitslösung vielfach<br />

als ultimatives und kollektives Modell<br />

zur Vere<strong>in</strong>barung von Beruf und Familie<br />

gesehen wird. So nämlich haben dann alle<br />

Frauen Platz auf dem Arbeitsmarkt und<br />

kommen erst gar nicht auf die Idee, das<br />

Leitbild <strong>der</strong> männlichen Erwerbsbiographie<br />

aufbrechen zu wollen. Alles bleibt<br />

beim alten, <strong>der</strong> Mann als Hauptverdienerund<br />

Familienversorger, <strong>der</strong> Frau bleibt <strong>der</strong><br />

Status <strong>der</strong> Zuverdiener<strong>in</strong> ± und damit auch<br />

die Abhängigkeit. Teilzeitarbeit kann also<br />

ke<strong>in</strong>e längerfristige Strategie se<strong>in</strong>, um<br />

Umverteilungsprozesse <strong>in</strong> Gang zu setzen,<br />

die e<strong>in</strong>e strukturelle Verän<strong>der</strong>ung im<br />

Geschlechterverhältnis zur Folge haben.<br />

Frauen können vom ¹M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsstatus <strong>der</strong><br />

Teilzeitbeschäftigten her Strukturen, die<br />

sich Männer (ohne Verantwortung für K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

an<strong>der</strong>e Familienangehörige, ja nicht<br />

mal für ihre eigene Versorgung) so und<br />

nicht an<strong>der</strong>s geschaffen haben nicht verän<strong>der</strong>nª<br />

(Ursula Knapp, 1995).<br />

Die zur Zeit diskutierten Entwürfe zu Teilzeitausbildungen<br />

lehnen wir entschieden<br />

ab. Diese sollen zu neudef<strong>in</strong>ierten Berufsabschlüssen<br />

mit m<strong>in</strong><strong>der</strong>er Qualifikation<br />

führen und den Berufse<strong>in</strong>stieg für Frauen<br />

angeblich erleichtern. Tatsächlich drängen<br />

sie Frauen <strong>in</strong> Niedriglohngruppen, die sie<br />

nicht wie<strong>der</strong> verlassen können, und die<br />

nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />

ausreichen. Daher verfestigen sie<br />

bestehende Diskrim<strong>in</strong>ierungen, anstatt sie<br />

aufzuheben.<br />

Teilzeitarbeit zeichnet sich dadurch aus,<br />

daû häufig nicht nur die Dauer <strong>der</strong><br />

Arbeitszeit variabel gestaltet ist, son<strong>der</strong>n<br />

zugleich die Lage und Verteilung <strong>der</strong><br />

Arbeitszeit. Teilzeitarbeit ist e<strong>in</strong> Experimentier-<br />

und Exerzierfeld für die umfassende<br />

Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit.<br />

Teilzeitarbeit bedeutet <strong>in</strong>dividuelle Arbeitszeitverkürzung<br />

ohne Lohnausgleich. Nur<br />

die kont<strong>in</strong>uierlich geleistete, tarifvertraglich<br />

festgelegte Normalarbeitszeit bietet e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>dividuelle Existenzsicherungs- und<br />

soziale Schutzfunktion, sowohl <strong>in</strong> aktueller<br />

Perspektive als auch im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

längerfristige Absicherung bei Arbeitslosigkeit<br />

und im Alter. Das heiût, daû e<strong>in</strong> Teilzeite<strong>in</strong>kommen<br />

<strong>in</strong> aller Regel nicht zum<br />

eigenständigen Lebensunterhalt ausreicht<br />

und erst recht nicht geeignet ist, ausreichende<br />

Sozialversicherungsansprüche aufzubauen.<br />

Für bestehende und zukünftige Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />

for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e vollständige<br />

Absicherung <strong>in</strong> den Sozialversicherungen<br />

und die betriebliche Gleichstellung<br />

von Teilzeit- und Vollzeitarbeitsplätzen<br />

(Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot bei Beför<strong>der</strong>ungen,<br />

etc.)<br />

B. Allgeme<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit!<br />

Durch die Zunahme <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

werden Frauen wie<strong>der</strong> aus dem<br />

Erwerbsleben gedrängt und an den Herd<br />

o<strong>der</strong> <strong>in</strong> prekäre Beschäftigungsverhältnisse<br />

abgeschoben. Insbeson<strong>der</strong>e von Langzeitarbeitslosigkeit<br />

s<strong>in</strong>d Frauen überproportional<br />

betroffen. Durch die gegenwärtige wirtschaftliche<br />

Krise und 7 Millionen Arbeitslosen<br />

verstärkt sich die Konkurrenzsituation<br />

auf dem Arbeitsmarkt. Frauen werden<br />

als sogenannte Doppelverdiener<strong>in</strong>nen diffamiert,<br />

Frauenarbeitsschutzrechte werden<br />

abgebaut und regulierte Arbeitsbeziehungen<br />

mit dem H<strong>in</strong>weis auf Flexibilisierung<br />

und Wettbewerbsfähigkeit drastisch gelokkert.<br />

Die E<strong>in</strong>führung spezieller ungeschützter<br />

Niedriglohnbereiche v. a. im<br />

sozialen und ökologischen Dienstleistungsbereich<br />

bedeutet vor allem für Frauen, daû<br />

ihnen e<strong>in</strong>e existenzsichernde und emanzipatorische<br />

Erwerbsarbeit verwehrt bleiben<br />

wird. An <strong>der</strong> sozialen Situation von Frauen,<br />

121


<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong> den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n,<br />

wird deutlich, wie wenig die<br />

gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik mit zivilgesellschaftlichen<br />

Errungenschaften, vergröûerten<br />

<strong>in</strong>dividuellen Handlungsspielräumen und<br />

e<strong>in</strong>er demokratischen Lebensweise zu tun<br />

hat. Im Mittelpunkt steht für uns die<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

und die Ausweitung von Beschäftigungsverhältnissen.<br />

Um den Zugang von Frauen <strong>in</strong><br />

zukunftssichere Beschäftigungsfel<strong>der</strong> zu<br />

öffnen, muû Frauenför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>tegraler<br />

Bestandteil von Beschäftigungsprogrammen<br />

werden. So muû über Quoten und Auflagen<br />

sowie über differenzierte Qualifikationsprogramme<br />

sichergestellt werden, daû<br />

<strong>der</strong> Anteil von Frauen erhöht wird. Vordr<strong>in</strong>glich<br />

ist e<strong>in</strong>e beschäftigungspolitische<br />

Offensive im sozialen Dienstleistungsbereich.<br />

Die soziale Infrastruktur steht<br />

zunehmend im eklatanten Wi<strong>der</strong>spruch zu<br />

den gewachsenen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Bevölkerung. Die traditionelle geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung kann nur überwunden<br />

werden, wenn qualitativ hochwertige<br />

humane Dienstleistungen zur<br />

Verfügung stehen. Schwerpunkte e<strong>in</strong>es solchen<br />

Beschäftigungsprogramms müssen die<br />

Versorgung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aller Altersstufen<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>krippen, K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Horte, Freizeitheime),<br />

<strong>der</strong> Ausbau auf lokale Bedürfnisse<br />

zugeschnittener Altenpflegee<strong>in</strong>richtungen,<br />

zum Beispiel ambulante<br />

Pflegedienste, sowie <strong>der</strong> qualitative Ausbau<br />

des Bildungs- und Gesundheitswesens se<strong>in</strong>.<br />

Um Frauen e<strong>in</strong>e gleichberechtigte Teilhabe<br />

am Erwerbsprozeû zu ermöglichen und<br />

gleichzeitig dem ¹Doppelten Lebensentwurfª<br />

junger Frauen Rechnung zu tragen,<br />

ist e<strong>in</strong>e radikale Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />

nötig, wobei sich diese nicht auf die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit beschränken<br />

darf. Dauer und Zeitpunkt <strong>der</strong> Arbeit<br />

sollten dabei ± so weit wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> arbeitsteiligen<br />

Gesellschaft möglich ± selbstbestimmt<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Dabei existieren pr<strong>in</strong>zipiell drei Ansatzpunkte<br />

zur Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit:<br />

122<br />

± Tarifpolitisch:<br />

Nach den Kämpfen für die 35-Stunden-<br />

Woche steht für die Gewerkschaften nun<br />

<strong>der</strong> nächste Schritt an: Die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden<br />

bei vollem Lohnausgleich. Dabei muû<br />

die Lage <strong>der</strong> Arbeitszeit so ausgestaltet<br />

se<strong>in</strong>, daû sie den Bedürfnissen <strong>der</strong><br />

Beschäftigten Rechnung trägt und die<br />

Vere<strong>in</strong>barung mit privaten Lebensbereichen<br />

möglich macht.<br />

± Gesetzlich:<br />

Das Arbeitszeitgesetz ist so zu än<strong>der</strong>n,<br />

daû<br />

± die Höchstgrenze <strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit<br />

auf maximal 8 Stunden und <strong>der</strong><br />

wöchentlichen Arbeitszeit auf maximal<br />

40 Stunden reduziert wird<br />

± die Verpflichtung von zeitnahem Freizeitausgleich<br />

bei Überstunden besteht<br />

± Arbeit auf Abruf (Kapazitätsorientierte<br />

variable Arbeitszeit (Kapovaz) verboten<br />

wird<br />

± Sonntags- und Nachtarbeit auf e<strong>in</strong><br />

unbed<strong>in</strong>gt nötiges Maû reduziert wird.<br />

± Betrieblich:<br />

Flexible Arbeitszeitmodelle, wie z.B.<br />

Zeitkonten o<strong>der</strong> Sabbatjahr, müssen nach<br />

den Wünschen <strong>der</strong> Beschäftigten und <strong>in</strong><br />

enger Kooperation mit den Betriebsund<br />

Personalräten ausgehandelt werden.<br />

Entscheidend ist, daû die Zeitsouveränität<br />

<strong>in</strong> den Händen, <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen<br />

bleibt.<br />

An dieser Stelle müssen die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Modelle und Verteilungsmuster sehr genau<br />

unter dem Aspekt <strong>der</strong> Lebensentwürfe von<br />

jungen Frauen geprüft werden.<br />

Entscheidend ist die tarifliche Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit, wobei die mögliche<br />

Zahl neu entstehen<strong>der</strong> Beschäftigungsverhältnisse<br />

we<strong>der</strong> gegen vollen Lohnausgleich<br />

noch gegen die Ansprüche junger<br />

Frauen ausgespielt werden darf. Pr<strong>in</strong>zip<br />

e<strong>in</strong>er Politik <strong>der</strong> Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ung<br />

muû zukünftig se<strong>in</strong>: Jede Person ist selbst<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, ihren Lebensunterhalt zu verdienen<br />

und gleichzeitig die zu ihrer Repro-


duktion notwendigen Arbeiten erledigen zu<br />

können.<br />

Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen selbstbestimmter<br />

Erwerbsarbeit und Freizeit müssen<br />

geschaffen werden. Dabei stehen die<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Erwerbsarbeit und <strong>der</strong> Freizeit<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen Zusammenhang.<br />

Gerade junge Frauen streben e<strong>in</strong>en ganzheitlichen<br />

Lebensentwurf an und formulieren<br />

Ansprüche an die Qualität von<br />

Erwerbsarbeit und Freizeit.<br />

3.3. Sozialstaat umbauen!<br />

Auch wenn die Neubewertung und Umverteilung<br />

von Arbeit <strong>der</strong> strategisch wichtigste<br />

Ansatzpunkt für die Umgestaltung e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft ist, die auch den Lebensentwürfen<br />

junger Frauen gerecht wird, s<strong>in</strong>d<br />

flankierende Maûnahmen im sozialstaatlichen<br />

Bereich ebenso notwendig. Denn<br />

auch die <strong>der</strong>zeitige Konstruktion des<br />

Sozialstaats fuût auf den Elementen<br />

geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, d. h.<br />

die männliche Erwerbsbiographie und die<br />

Ehe als Versorgungs<strong>in</strong>stitut für Frauen s<strong>in</strong>d<br />

die geltenden Normen des westlichen<br />

Sozialstaatsmodells, die nicht nur aus Sicht<br />

<strong>der</strong> Frauen längst überholt se<strong>in</strong> sollten.<br />

Die Folgen <strong>der</strong> Politik des Abbaus sozialer<br />

Leistungen durch die Bundesregierung s<strong>in</strong>d<br />

gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e drastische<br />

Zunahme von Armut. Armut zeigt sich <strong>in</strong><br />

massiver Unterversorgung <strong>in</strong> zentralen<br />

Lebensbereichen wie Arbeit, Bildung,<br />

Wohnen, Gesundheit und Teilhabe am<br />

gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen<br />

Leben.<br />

Wesentliche For<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>es frauenorientierten<br />

Umbau des Sozialstaates bleiben:<br />

± Öffentliche Dienstleistungen zur K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung<br />

und K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung müssen<br />

bedarfsdeckend zur Verfügung gestellt<br />

werden. Jedes K<strong>in</strong>d muû ± nicht nur im<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenalter ± e<strong>in</strong>en Rechtsanspruch<br />

auf wohnortnahe, bezahlbare,<br />

öffentliche, h<strong>in</strong>reichend personell und<br />

mit Sachmitteln ausgestattete Betreuung<br />

haben.<br />

± Öffentliche E<strong>in</strong>richtungen und ambulante<br />

Angebote zur Betreuung und<br />

Pflege kranker und alter Menschen s<strong>in</strong>d<br />

quantitativ und qualitativ so auszubauen,<br />

daû die Pflegebedürftigen e<strong>in</strong> selbstbestimmtes<br />

und aktives Leben führen können.<br />

± Das K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld ist auf e<strong>in</strong> Niveau anzuheben,<br />

welches den tatsächlichen Kosten<br />

des Unterhalts, <strong>der</strong> Erziehung und <strong>der</strong><br />

Ausbildung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Rechnung<br />

trägt.<br />

± Ehegattensplitt<strong>in</strong>g und K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge<br />

s<strong>in</strong>d zugunsten e<strong>in</strong>es dreijährigen Elternurlaubs<br />

mit Elterngeld und Arbeitsplatzgarantie<br />

abzuschaffen. Da Frauen <strong>in</strong> vielen<br />

Partnerschaften noch immer die<br />

schlechter Verdienenden s<strong>in</strong>d, müssen<br />

Anreize und gesetzliche Regelungen<br />

geschaffen werden, damit die traditionelle<br />

Arbeitsteilung, nach <strong>der</strong> Frauen<br />

den ganzen o<strong>der</strong> den gröûten Teil des<br />

Erziehungsurlaubs nehmen, überwunden<br />

wird und damit Männer sich m<strong>in</strong>destens<br />

zur Hälfte am Erziehungsurlaub beteiligen.<br />

± Als Kernelement e<strong>in</strong>er umfassenden<br />

Reform <strong>der</strong> sozialen Sicherung ist e<strong>in</strong>e<br />

bedarfsorientierte M<strong>in</strong>destsicherung als<br />

erster Schritt e<strong>in</strong>zuführen. Sie kommt<br />

dann zum Zuge, wenn die Existenzsicherung<br />

durch Erwerbsarbeit <strong>in</strong> bestimmten<br />

Lebenslagen, wie z.B. Studium, Ausbildung,<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung, nicht möglich<br />

ist. Notwendig ist die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />

sozialen Grundsicherung für alle. Sie<br />

ermöglicht allen Menschen unabhängig<br />

von Lohnarbeit die Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben.<br />

Die sozialen Sicherungssysteme dürfen<br />

sich nicht mehr an dem traditionellen,<br />

schon längst überkommenen Bild <strong>der</strong><br />

Familie mit männlichem Erwerbstätigen,<br />

<strong>der</strong> das Familiene<strong>in</strong>kommen verdient,<br />

orientieren. Das Konzept <strong>der</strong> sozialen<br />

Grundsicherung ± für alle unabhängig<br />

von <strong>der</strong> Erwerbsarbeit ± ermöglicht<br />

Frauen die volle Gleichberechtigung und<br />

e<strong>in</strong>e selbstbestimmte Lebensgestaltung.<br />

123


3.4. Ausbildung<br />

¹Beson<strong>der</strong>s wichtig ist für uns die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Ausbildungssituation von jungen<br />

Frauen. (...) Unser Ziel ist es deshalb,<br />

durch Frauenför<strong>der</strong>ung und gleichstellungspolitische<br />

Maûnahmen Benachteiligungen<br />

aufzuheben und ihnen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Zugang zu gewerblich-technischen<br />

Berufen zu ermöglichen.ª<br />

H<strong>in</strong>zugefügt werden muû, daû Berufsberatung<br />

darauf h<strong>in</strong>zuwirken hat, daû junge<br />

Frauen über Chancen und Risiken auf dem<br />

Arbeitsmarkt qualifiziert <strong>in</strong>formiert werden.<br />

Notwendiges Element all dieser gleichstellungspolitischen<br />

Maûnahmen muû e<strong>in</strong>e<br />

verb<strong>in</strong>dliche Quotierung entsprechend <strong>der</strong><br />

Anzahl <strong>der</strong> Bewerbungen bei <strong>der</strong> Vergabe<br />

von Ausbildungsplätzen se<strong>in</strong>.<br />

Um diese Quote auch <strong>in</strong> Bereichen, die für<br />

junge Frauen bisher noch nicht ¹attraktivª<br />

gemacht wurden, durchzuhalten, müssen<br />

verstärkte Anstrengungen und ¹Werbungª<br />

sowie e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Situation am<br />

Arbeitsplatz <strong>in</strong> Angriff genommen werden.<br />

4. Wer, wenn nicht wir?<br />

Die <strong>SPD</strong> muû das <strong>in</strong>novative Potential für<br />

e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesellschaft, das <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Lebensentwurf liegt,<br />

erkennen und aufgreifen. Das bedeutet auch,<br />

Frauenleben als Indikator für die Richtigkeit<br />

unserer Umbaukonzepte zu begreifen.<br />

Frauen haben e<strong>in</strong> elementares Interesse an<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung von Erwerbsarbeit, Sozialstaat<br />

und Gesellschaft. Dar<strong>in</strong> liegt die e<strong>in</strong>zige<br />

Chance, ihre <strong>in</strong>dividuellen Lösungsmöglichkeiten<br />

zugunsten kollektiver zu<br />

überw<strong>in</strong>den. Hierfür die entsprechenden<br />

Angebote zu machen, Frauen für politische<br />

Projekte und Kampagnen <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

zu gew<strong>in</strong>nen, ist unsere Aufgabe.<br />

Glaubwürdig wird dies aber nur gel<strong>in</strong>gen,<br />

wenn wir auch unsere eigenes Politikverständnis<br />

und unsere Arbeitsweise an den<br />

Ansprüchen junger Frauen ausrichten.<br />

Denn zugespitzt läût sich sagen, daû das<br />

männliche Erwerbsarbeitsmodell auf die<br />

Strukturen politischer Arbeit übertragen<br />

124<br />

wurde. Politik wird denjenigen erschwert,<br />

die nicht im H<strong>in</strong>tergrund personelle und/<br />

o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen haben, um die<br />

Reproduktionsarbeit von sich abzuwenden.<br />

Für Frauen aber bedeutet die Entscheidung<br />

für Politik e<strong>in</strong>en bedeutenden Bruch <strong>in</strong><br />

ihrer Lebensplanung. So läût sich bei<br />

Betrachtung <strong>der</strong> aktiven Mitgliedschaft bei<br />

den JUSOS und <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> feststellen,<br />

daû Frauen zwischen 25 und 40 zwar noch<br />

<strong>in</strong> den Statistiken auftauchen, jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

konkreten Arbeit vor Ort und v. a. <strong>in</strong><br />

machtvollen und gestalterischen Positionen<br />

nicht mehr präsent s<strong>in</strong>d. In dieser Lebensphase<br />

s<strong>in</strong>d für Frauen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das<br />

Berufsleben sowie die Festlegung auf Partner<strong>in</strong>nenschaften<br />

und evtl. Familiengründung<br />

beson<strong>der</strong>s virulent, während Männer<br />

<strong>in</strong> dieser Phase sche<strong>in</strong>bar kaum Probleme<br />

mit <strong>der</strong> Verknüpfung verschiedener<br />

Lebensbereiche haben.<br />

Damit besteht für die <strong>SPD</strong>, wenn sie wirklich<br />

junge Frauen für sich gew<strong>in</strong>nen will,<br />

e<strong>in</strong> Reformbedürfnis, das konkret angegangen<br />

werden muû.<br />

Wir benötigen <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> Gleichstellungskonzept,<br />

das ähnlich wie Frauenför<strong>der</strong>-Pläne<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft Maûnahmen<br />

enthält, die über die Quotierung h<strong>in</strong>ausgehen.<br />

Hierzu gehören z.B. auch Überlegungen<br />

zum gezielten Aufbau von Frauen für<br />

Führungspositionen.<br />

<strong>SPD</strong>-Spitzengenossen muû endlich die<br />

Schere <strong>in</strong> ihrem Kopf klar werden, wenn<br />

sie an 60 Stunden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche für<br />

Arbeitszeitverkürzung kämpfen ± während<br />

ihre Reproduktionsarbeit von ihrer Frau/<br />

Freund<strong>in</strong> gemacht wird.!<br />

Der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung<br />

wird seit Mitte <strong>der</strong> achtziger Jahre geführt.<br />

E<strong>in</strong> wesentlicher Durchbruch ist bislang<br />

aufgrund <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anz neoliberaler<br />

Standortideologie nicht gelungen. Er kann<br />

letztlich auch nur gel<strong>in</strong>gen, wenn e<strong>in</strong><br />

gesellschaftliches Bündnis aus Gewerkschaften,<br />

Sozialdemokratie, l<strong>in</strong>ken Jugendlichen<br />

und kritischen Wissenschaftler<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong> ausstrahlungsfähiges Projekt zur<br />

Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>itiiert. In e<strong>in</strong>em


solchen Reformprojekt liegt neben <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

nach e<strong>in</strong>er Bildungsoffensive und<br />

<strong>der</strong> Stärkung des Sozialstaates das Potential<br />

für die Ablösung <strong>der</strong> konservativen Regierung<br />

1998. Insbeson<strong>der</strong>e die Zielgruppe<br />

junger Frauen ist aber mit e<strong>in</strong>em solchen<br />

Projekt wie<strong>der</strong> für sozialdemokratische<br />

Reformpolitik zu begeistern, da es ihre<br />

ureigensten Lebenswünsche zum Maûstab<br />

für allgeme<strong>in</strong>e Politik erhebt und damit<br />

tatsächlich e<strong>in</strong>en ¹Vertrag mit <strong>der</strong> Jugendª<br />

schlieût.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Initiativantrag 33<br />

¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 50<br />

bei Punkt 3.1 Arbeit an<strong>der</strong>s bewerten<br />

1. Absatz<br />

¹Dies liegt e<strong>in</strong>erseits daran, daû Maûstäbe<br />

zur Bewertung von gleicher und gleichwertiger<br />

Arbeit fehlen.ª streichen<br />

stattdessen e<strong>in</strong>fügen:<br />

Die ÖTV hat durch e<strong>in</strong> wissenschaftliches<br />

Gutachten feststellen lassen, daû die<br />

Bewertung von Frauenarbeit tarifvertraglich<br />

diskrim<strong>in</strong>iert wird. Wir unterstützen<br />

gewerkschaftliche Kampagnen, die Tätigkeiten<br />

von Frauen <strong>in</strong> Tarifverträgen aufwerten.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Initiativantrag 49<br />

Zur aktuellen Lage <strong>der</strong><br />

Wirtschaft und auf dem<br />

Arbeitsmarkt<br />

Der erneute Anstieg <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit,<br />

<strong>der</strong> Rückgang sozialversicherungspflichtiger<br />

Arbeitsplätze und <strong>der</strong> starke Anstieg<br />

von Arbeit auûerhalb <strong>der</strong> sozialen Sicherheit<br />

vertiefen die Spaltung des Arbeitsmarktes<br />

und <strong>der</strong> Gesellschaft. Arbeitslos zu<br />

se<strong>in</strong>, beschneidet persönliche Freiheit, verletzt<br />

das Selbstbewuûtse<strong>in</strong> und wird zu<br />

e<strong>in</strong>er ernsten Gefahr für die politische Stabilität<br />

unseres Landes.<br />

Wir werden die Arbeitslosigkeit besiegen.<br />

Wohlstand, Arbeit und Ausbildung für alle,<br />

Solidarität zwischen den Generationen und<br />

Vorsorge für die Zukunft durch e<strong>in</strong> nachhaltiges<br />

Wirtschaften ± diese kluge und<br />

zukunftsweisende Verb<strong>in</strong>dung aus wirtschaftlicher<br />

Kraft, sozialer Verantwortung<br />

und Zukunftsvorsorge für Mensch und<br />

Umwelt bleibt unser Ziel.<br />

Auf <strong>der</strong> Grundlage unseres Beschlusses zur<br />

Erneuerung unseres Landes ¹Innovationen<br />

für Deutschlandª wollen wir sofort mit folgenden<br />

Maûnahmen beg<strong>in</strong>nen:<br />

1) In Übere<strong>in</strong>stimmung mit den Leitl<strong>in</strong>ien<br />

des europäischen Beschäftigungsgipfels<br />

werden wir<br />

± jedem Jugendlichen e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />

ermöglichen,<br />

± die Ausstattung <strong>der</strong> Hochschulen verbessern<br />

und das Studium reformieren,<br />

± arbeitslosen Jugendlichen spätestens<br />

sechs Monate nach E<strong>in</strong>tritt <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong>e Umschulung,<br />

e<strong>in</strong>e Weiterbildung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Arbeitsplatz anbieten sowie<br />

± die dramatisch wachsende Zahl <strong>der</strong><br />

Langzeitarbeitslosen durch entsprechende<br />

Angebote ± auch im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>er lokal verantworteten, von den<br />

Tarifpartnern mitbestimmten Arbeitsmarktpolitik<br />

± verr<strong>in</strong>gern.<br />

2) Wir werden die Weichen stellen auf<br />

nachhaltiges Wachstum und die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

dafür verbessern durch<br />

± e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

durch Herausnahme versicherungsfrem<strong>der</strong><br />

Leistungen aus <strong>der</strong> Beitragsf<strong>in</strong>anzierung;<br />

± die Verbreiterung <strong>der</strong> Steuerbasis<br />

durch die Beseitigung ungerechtfertigter<br />

Steuersubventionen, um die<br />

Erosion <strong>der</strong> Steuerbasis aller Gebietskörperschaften<br />

zu stoppen;<br />

125


± steuerliche Entlastung von Arbeitnehmern,<br />

Familien und Mittelstand durch<br />

verbesserte Leistungen und e<strong>in</strong>e deutliche<br />

Absenkung <strong>der</strong> Steuersätze über<br />

den gesamten Tarifverlauf;<br />

± e<strong>in</strong>e auf Wachstum und Stabilität<br />

orientierte Wirtschafts-, Haushaltsund<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik e<strong>in</strong>schlieûlich <strong>der</strong><br />

vertragsgerechten E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong>samen europäischen Währung.<br />

Die <strong>SPD</strong> ist bereit, sofort entsprechende<br />

Entscheidungen zu treffen.<br />

3) Wir werden die Gründung neuer Unternehmen<br />

sowie die berufliche Selbständigkeit<br />

erleichtern und die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />

Unternehmen gezielt verbessern durch<br />

± die Bereitstellung von Wagniskapital,<br />

± die Stärkung von Technologie- und<br />

Innovationsför<strong>der</strong>ung.<br />

4) Wir werden Recht und Ordnung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wirtschaft und auf den Arbeitsmärkten<br />

durchsetzen durch<br />

± e<strong>in</strong>e entschlossene Bekämpfung<br />

sowohl <strong>der</strong> Steuerh<strong>in</strong>terziehung als<br />

auch durch e<strong>in</strong> energisches Vorgehen<br />

gegen illegale Beschäftigung; die <strong>SPD</strong><br />

ist bereit, die notwendigen gesetzgeberischen<br />

Entscheidungen zur<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> wachsenden illegalen<br />

Beschäftigung und gegen die Aushöhlung<br />

regulärer Arbeit durch Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />

zu treffen.<br />

± e<strong>in</strong>e Begrenzung <strong>der</strong> versicherungsfreien<br />

Beschäftigung auf re<strong>in</strong>e Aushilfs-<br />

und Saisonarbeiten, mit dem<br />

Ziel, daû reguläre Teilzeitarbeitsplätze<br />

ausgebaut und <strong>der</strong> Miûbrauch <strong>der</strong><br />

versicherungsfreien Tätigkeiten unterbunden<br />

wird. Dabei sollen die Flexibilitätsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

von kle<strong>in</strong>en und<br />

mittleren Unternehmen berücksichtigt<br />

werden.<br />

5) Wir werden für e<strong>in</strong> hohes Investitionsniveau<br />

auch <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte<br />

sorgen durch<br />

± e<strong>in</strong>e Stärkung und Konzentration <strong>der</strong><br />

öffentlichen Investitionen auf Bildung<br />

und Wissenschaft, Forschung und<br />

Entwicklung, umweltfreundliche<br />

126<br />

Infrastruktur und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für nachhaltiges Wirtschaften;<br />

± die Verstetigung des Aufbaus im<br />

Osten Deutschlands über e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für<br />

Investitionen und mehr Beschäftigung;<br />

± die Wie<strong>der</strong>anwendung des Stabilitätsund<br />

Wachstumsgesetzes, um Konjunkturschwankungen<br />

abzumil<strong>der</strong>n<br />

sowie Wachstum und Beschäftigung<br />

zu för<strong>der</strong>n. Wir werden es durch<br />

Regelungen ergänzen, die Län<strong>der</strong> und<br />

Kommunen befähigen, Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />

schnell und beschäftigungswirksam<br />

<strong>in</strong> Gang zu setzen sowie ihre<br />

solide F<strong>in</strong>anzierung verb<strong>in</strong>dlich<br />

sicherzustellen.<br />

E<strong>in</strong> wesentliches Element e<strong>in</strong>er längerfristigen<br />

F<strong>in</strong>anzierung von<br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen und des weiterh<strong>in</strong><br />

notwendigen Aufbau Ost ist<br />

± die Streichung von steuerlichen<br />

Subventionen im Bereich <strong>der</strong> Atomenergie<br />

und des M<strong>in</strong>eralölsektors;<br />

± die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er angemessenen<br />

Beteiligung groûer Vermögen<br />

(Lastenausgleich);<br />

± den Abbau überflüssiger Bürokratie<br />

sowie die konsequente Reduzierung<br />

von Subventionen mit dem Ziel, den<br />

Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern e<strong>in</strong>e<br />

kostengünstige, zuverlässige und<br />

effiziente Dienstleistung preiswert zur<br />

Verfügung zu stellen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 55<br />

Landesverband Bayern<br />

Wege aus <strong>der</strong> Krise<br />

Die <strong>SPD</strong> hat e<strong>in</strong>en radikalen Kurswechsel<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>in</strong><br />

Deutschland angemahnt. 4,7 Millionen<br />

registrierte Arbeitslose im Januar 1997 s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>e Bankrotterklärung für die Politik <strong>der</strong><br />

Regierung Kohl/Waigel.


Nach 15 Jahren verfehlter angebotsorientierter<br />

konservativ-liberaler Politik, die<br />

immer höhere Massenarbeitslosigkeit und<br />

mehr Unternehmenszusammenbrüche produziert<br />

hat, for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e radikale<br />

Umkehr:<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e antizyklische Wirtschafts-<br />

und F<strong>in</strong>anzpolitik, die auf dem<br />

Arbeitsmarkt e<strong>in</strong>e sichtbare Trendwende<br />

e<strong>in</strong>läutet, den Arbeitslosen e<strong>in</strong>e reale<br />

Beschäftigungsperspektive eröffnet, mehr<br />

nachhaltiges Wachstum erzeugt und<br />

dadurch die Staatshaushalte und Sozialkassen<br />

konsolidiert.<br />

E<strong>in</strong>e solche Politik ist e<strong>in</strong> notwendiger und<br />

überfälliger Schritt, um die Massenarbeitslosigkeit<br />

zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Deswegen schlägt die <strong>SPD</strong> das Aktionsprogramm<br />

¹Wege aus <strong>der</strong> Krise ± Vorschläge<br />

für mehr Wachstum, Beschäftigung und<br />

zur Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen F<strong>in</strong>anzenª<br />

vor:<br />

Wege aus <strong>der</strong> Krise<br />

Vorschläge für mehr Wachstum, Beschäftigung<br />

und zur Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen<br />

F<strong>in</strong>anzen<br />

1. DIE LAGE VON WIRTSCHAFT UND<br />

ARBEITSMARKT<br />

1. Auch 1997 gibt es ke<strong>in</strong> Zeichen <strong>der</strong><br />

Hoffnung für die Millionen von Arbeitslosen<br />

<strong>in</strong> Deutschland und Europa ± im<br />

Gegenteil:<br />

Bleibt es bei <strong>der</strong> bisherigen Politik <strong>in</strong><br />

Deutschland und <strong>in</strong> Europa, wie sie auf<br />

dem Dubl<strong>in</strong>er Gipfel beschlossen wurde;<br />

wird es nach Prognosen des DIW auch<br />

1997 e<strong>in</strong>en neuen deutschen Rekord <strong>in</strong><br />

Massenarbeitslosigkeit geben: 4155000<br />

Männer und Frauen (10,8 v. H.) werden im<br />

Jahresdurchschnitt als Arbeitslose registriert<br />

se<strong>in</strong>. Über 2,9 Millionen (9,4 v. H.)<br />

<strong>in</strong> Westdeutschland und 1,2 Millionen<br />

(16,4 v. H.) <strong>in</strong> Ostdeutschland.<br />

2. Dabei hat sich die Konjunktur <strong>in</strong><br />

Deutschland von ihrem Schwächeanfall zu<br />

Beg<strong>in</strong>n des letzten Jahres erholt ± wenn<br />

auch nur zögerlich.<br />

± Die Exporte haben kräftig zugelegt und<br />

werden im kommenden Jahr auf 5,5 v. H.<br />

Zuwachs geschätzt. Sie werden auch <strong>in</strong><br />

diesem Jahr die entscheidende Stütze <strong>der</strong><br />

Konjunktur se<strong>in</strong>. Aber nur die Ausfuhren<br />

<strong>in</strong> die stetig wachsenden USA, die aufstrebenden<br />

Län<strong>der</strong> Asiens und die expandierenden<br />

Reformstaaten Mittelosteuropas<br />

nehmen zu, bei <strong>der</strong> Exportnachfrage<br />

aus <strong>der</strong> Europäischen Union bewegt sich<br />

nur wenig.<br />

± Die Inlandsnachfrage <strong>in</strong> Deutschland ±<br />

aber auch <strong>in</strong> den meisten an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> EU ± hat bisher vom Export<br />

ke<strong>in</strong>e sichtbaren Impulse erhalten. Die<br />

Massene<strong>in</strong>kommen werden auch 1997<br />

real zurückgehen und <strong>der</strong> private Verbrauch<br />

mit 1,5 v. H. nur dann se<strong>in</strong>e<br />

schwache aber entscheidende Stützfunktion<br />

für die Konjunktur spielen können,<br />

wenn die Sparquote zurückgenommen<br />

wird und er durch kräftig steigende entnommene<br />

Gew<strong>in</strong>ne und Vermögense<strong>in</strong>kommen<br />

gestützt wird.<br />

± Das Wachstum des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts<br />

(BIP) wird deswegen mit 2 v. H.<br />

schwach ausfallen. Die Investitionslethargie<br />

mit gerade 4,0 v. H. bei den Ausrüstungs<strong>in</strong>vestitionen<br />

ist weiterh<strong>in</strong> nicht<br />

überwunden. Der Produktionse<strong>in</strong>bruch<br />

im Bau, <strong>der</strong> sich bereits 1996 um<br />

2,5 v. H. vergröûerte, wird sich auch<br />

1997 fortsetzen, weil e<strong>in</strong>e weitere<br />

Abnahme <strong>der</strong> öffentlichen Investitionen<br />

um 2 v.H. bei Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen<br />

erfolgte.<br />

± E<strong>in</strong> solches Wachstumstempo ist we<strong>der</strong><br />

ausreichend, e<strong>in</strong>e Entlastung auf dem<br />

Arbeitsmarkt zu br<strong>in</strong>gen, noch genügend,<br />

um mit den Konsequenzen <strong>der</strong><br />

deutschen E<strong>in</strong>heit fertig zu werden. Ostdeutschland<br />

bräuchte über 10 Jahre lang<br />

Wachstumsraten von 4±5 v.H., um<br />

Anschluû zu f<strong>in</strong>den und ohne groûen<br />

Transferbedarf auf eigenen Be<strong>in</strong>en stehen<br />

zu können.<br />

Tatsächlich ist <strong>der</strong> Aufholprozeû <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

zum Stillstand gekommen,<br />

127


nicht zuletzt auch deshalb, weil die öffentlichen<br />

Investitionen dort seit 1993 rückläufig<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Bei dem schwachen Wachstum und den<br />

hohen Arbeitslosenzahlen wurde 1996<br />

das Ziel <strong>der</strong> Haushaltskonsolidierung nach<br />

den Maastrichtkriterien nicht erreicht:<br />

Das Staatsdefizit war mit 140 Mrd. DM<br />

(= 3,9 v.H. BIP) so hoch wie nie zuvor.<br />

Trotz aller scharfen E<strong>in</strong>schnitte, unsozialen<br />

Kürzungen und Haushaltskosmetik wird<br />

das Defizit <strong>in</strong> 1997 nur knapp auf<br />

135 Mrd. DM o<strong>der</strong> 3,4 v.H. Anteil am BIP<br />

abnehmen und damit auch 1997 das selbstgesetzte<br />

Ziel nicht erreicht.<br />

3. Das angeblich sparsame Verhalten <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister und F<strong>in</strong>anzverantwortlichen<br />

fahrt nur zum negativen Schuldenparadox:<br />

Je schärfer die Kürzungen, um so schwächer<br />

das Wachstum, desto höher die<br />

Arbeitslosigkeit und umso gröûer die<br />

Löcher <strong>in</strong> den Haushalten von Bund, Län<strong>der</strong>n<br />

und Geme<strong>in</strong>den. Sie ¹sparenª am<br />

Anfang des Jahres bei den öffentlichen<br />

Investitionen ± nur um im Laufe des Jahres<br />

mehr für Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe zu<br />

bezahlen und ihre Steuere<strong>in</strong>nahmen ger<strong>in</strong>ger<br />

als erwartet zu f<strong>in</strong>den. Die von allen<br />

gewünschte Konsolidierung <strong>der</strong> Staatshaushalte<br />

rückt damit <strong>in</strong> immer weitere Ferne.<br />

II. URSACHEN DER KRISE UND DIE<br />

POLITIK DER BUNDESREGIE-<br />

RUNG<br />

4. Die Gründe für diese Schwäche liegen<br />

nicht im globalen Wettbewerb ± ansonsten<br />

gabe es ke<strong>in</strong>e deutschen Exportrekorde und<br />

vor allem ke<strong>in</strong>e Handelsbilanzüberschüsse<br />

mit den Niedriglohnlän<strong>der</strong>n unserer östlichen<br />

Nachbarn und Asiens.<br />

Was ist also die Ursache für die Investitionsschwäche<br />

und den bisher nicht überspr<strong>in</strong>genden<br />

Funken von <strong>der</strong> Exportkonjunktur<br />

auf die wirtschaftliche Entwicklung<br />

im Inneren? Warum gibt es e<strong>in</strong>e Investitionsschwäche<br />

<strong>in</strong> Westeuropa und <strong>in</strong><br />

Deutschland?<br />

128<br />

Nach dem Lehrbuch <strong>der</strong> Neoliberalen und<br />

<strong>der</strong> Standorttheoretiker dürfte es ke<strong>in</strong>e<br />

geben, denn<br />

± die E<strong>in</strong>kommensverteilung hat sich <strong>in</strong><br />

Deutschland wie <strong>in</strong> Europa massiv<br />

zugunsten <strong>der</strong> Unternehmen verbessert;<br />

<strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Reallöhne ist weit h<strong>in</strong>ter<br />

dem Anstieg <strong>der</strong> Arbeitsproduktivität<br />

zurückgeblieben. Die Quote <strong>der</strong> Arbeitse<strong>in</strong>kommen<br />

ist <strong>in</strong> Westdeutschland auf<br />

das Niveau <strong>der</strong> 60er Jahre zurückgefallen.<br />

± Die Steuerquote am Bruttoe<strong>in</strong>kommen<br />

aus Unternehmertätigkeit und Vermögen<br />

liegt mittlerweile unter 25 v. H., während<br />

sie zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 80er Jahre über<br />

35 v.H. betrug.<br />

± Das Preisniveau ist stabil.<br />

Trotz dieser hervorragenden Angebotsbed<strong>in</strong>gungen<br />

hat es ke<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Beschleunigung <strong>der</strong> Investitionsdynamik <strong>in</strong><br />

Deutschland und <strong>in</strong> Europa gegeben. Im<br />

Gegenteil: <strong>in</strong> Westeuropa f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong><br />

den neunziger Jahren sogar die schlechteste<br />

Investitionsentwicklung seit dem 2. Weltkrieg.<br />

5. Die Politik <strong>der</strong> Bundesregierung setzt<br />

seit 15 Jahren auf e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />

Angebotsbed<strong>in</strong>gungen und den Export.<br />

Beide Strategien s<strong>in</strong>d offensichtlich nicht<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, das Problem <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

zu lösen ± im Gegenteil:<br />

Nach jedem Konjunkturaufschwung waren<br />

das Heer <strong>der</strong> Arbeitslosen gröûer und die<br />

Defizite <strong>der</strong> Staatskassen höher.<br />

Die konservativ-liberale Wirtschafts-,<br />

F<strong>in</strong>anz- und Sozialpolitik ist gescheitert.<br />

Die Gründe dafür liegen nicht <strong>in</strong> unzureichen<strong>der</strong><br />

Anpassung an die Globalisierung,<br />

sie s<strong>in</strong>d hausgemacht. Die Umverteilung<br />

von unten nach oben, die seit Jahren s<strong>in</strong>kenden<br />

Reale<strong>in</strong>kommen breiter Schichten<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung und <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong><br />

staatlichen Investitionen haben zu e<strong>in</strong>em<br />

extrem schwachen Wachstum, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Inlandsnachfrage geführt. Dazu kommen<br />

die Fehler <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> deutschen<br />

E<strong>in</strong>heit sowie e<strong>in</strong>e unfähige Wirtschafts-<br />

und F<strong>in</strong>anzpolitik, die die


Wirtschaftsschwankungen verschärfte und<br />

noch immer verschärft, statt die ihr nach<br />

dem Stabilitäts-und Wachstumsgesetz<br />

obliegende Aufgabe zu erfüllen, sie abzumil<strong>der</strong>n<br />

bzw. auszugleichen und für mehr<br />

Beschäftigung zu sorgen.<br />

III. WAS TUN?<br />

Deswegen ist e<strong>in</strong>e radikale Umkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik<br />

dr<strong>in</strong>glich, sonst vers<strong>in</strong>ken <strong>in</strong> Deutschland<br />

und Europa weit mehr als 18 Millionen<br />

Arbeitslose <strong>in</strong> Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung,<br />

höhlt die zunehmende F<strong>in</strong>anzkrise<br />

des Staates die Grundlagen des<br />

Sozialstaates aus und wird das Vertrauen <strong>in</strong><br />

die Fähigkeit zur Lösung <strong>der</strong> drängenden<br />

Fragen durch die demokratische gewählten<br />

Führungen bei immer breiteren Schichten<br />

unseres Volkes und <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Unternehmer<br />

unrettbar zerstört.<br />

Deflationspolitik, weitere Sozialkürzungen<br />

und e<strong>in</strong>e Politik des Verschiebens o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Formelkompromisse bzw. wechselseitige<br />

Blockaden durch die wichtigsten sozialen<br />

und politischen Kräfte s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> falsche<br />

Weg.<br />

Deutschland und Europa brauchen e<strong>in</strong>e<br />

groûe, geme<strong>in</strong>same Anstrengung, um aus<br />

<strong>der</strong> Krise hoher und steigen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

und schwachen Wachstums herauszukommen<br />

und wie<strong>der</strong> auf den Pfad e<strong>in</strong>er<br />

hohen wirtschaftlichen Dynamik, kräftigen<br />

Wachstums und damit auch steigen<strong>der</strong><br />

Beschäftigung, gesun<strong>der</strong> Sozialkassen und<br />

konsolidierter Staatsf<strong>in</strong>anzen zu gelangen.<br />

Dafür braucht es e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung über sechs<br />

zentrale Richtungsentscheidungen:<br />

1. Deutschland braucht e<strong>in</strong>e starke, politische<br />

Führung, die den Menschen wie<strong>der</strong><br />

Selbstvertrauen und Elan gibt. Das<br />

Land muû merken, daû es verläûlich<br />

regiert wird und daû die zentralen wirtschafts-,<br />

sozial- und f<strong>in</strong>anzpolitischen<br />

Entscheidungen nicht jedes halbe Jahr<br />

willkürlich geän<strong>der</strong>t werden. E<strong>in</strong>e Konzertierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anz-,<br />

<strong>der</strong> Geld- und <strong>der</strong> Lohnpolitik <strong>der</strong><br />

Tarifparteien ist unabweisbar. Die bishe-<br />

rigen Versuche des Regierung Kohl s<strong>in</strong>d<br />

gescheitert, weil Geld- und Lohnpolitik<br />

nicht mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmt wurden<br />

und die F<strong>in</strong>anzpolitik die Krise verschärft<br />

hat. Unternehmen brauchen<br />

Berechenbarkeit für ihre Investitionsentscheidungen<br />

und die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer Sicherheit für ihre<br />

Entscheidungen <strong>in</strong> ihrer Alterssicherung,<br />

im Wohnungsbau und für die<br />

Ausbildung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Die zunehmende<br />

Unsicherheit über die Zuverlässigkeit<br />

und längerfristige Kalkulierbarkeit<br />

staatlicher Entscheidungen<br />

bewirken Verunsicherung und Investitionslethargie.<br />

2. Wir brauchen <strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong><br />

Europa e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> niedrigen Realz<strong>in</strong>sen,<br />

um Investitionen <strong>in</strong> Arbeitsplätze<br />

lohnen<strong>der</strong> zu machen als <strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzanlagen.<br />

Hier steht die Bundesbank als führende<br />

Zentralbank Europas <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung,<br />

ihre Pflichten endlich<br />

ernstzunehmen und ihren Beitrag zur<br />

wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung<br />

wirksam zu leisten. Preisstabilität<br />

ist erreicht. Die Gewerkschaften fahren<br />

e<strong>in</strong>en wirtschaftlich vernünftigen Kurs,<br />

<strong>der</strong> sicherstellt, daû auch künftig die<br />

Preisstabilität nicht gefährdet ist ± nun<br />

müssen auch Wachstum und das<br />

Beschäftigungsziel wichtig se<strong>in</strong>.<br />

3. Wir brauchen e<strong>in</strong>e Haushalts- und<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik, die Massenarbeitslosigkeit<br />

und Wachstumsschwäche zielgerichtet<br />

bekämpft und nicht h<strong>in</strong>nimmt bzw. wie<br />

die Politik <strong>der</strong> Bundesregierung und <strong>der</strong><br />

Bundesbank durch eigenes Handeln<br />

massiv verschärft. Nur so können Staatshaushalte<br />

mittelfristig konsolidiert und<br />

<strong>der</strong> Staat im Interesse se<strong>in</strong>er Bürger<br />

wie<strong>der</strong> handlungsfähig gemacht werden.<br />

Das erfor<strong>der</strong>t mehr öffentliche Infrastrukturausgaben.<br />

Dies geschieht am<br />

besten, <strong>in</strong>dem öffentliche Infrastrukturausgaben<br />

<strong>in</strong> Höhe von 1 v. H. des BIP,<br />

d. h. 35 Mrd. DM durch e<strong>in</strong>e erhöhte<br />

Kreditaufnahme aller staatlichen Ebenen<br />

vorf<strong>in</strong>anziert werden. Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

ist e<strong>in</strong>e Aufstockung <strong>der</strong><br />

129


Infrastruktur<strong>in</strong>vestitionen dr<strong>in</strong>gend<br />

erfor<strong>der</strong>lich.<br />

4. Wir brauchen <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>e Steigerung<br />

<strong>der</strong> Massenkaufkraft. Je<strong>der</strong> weitere<br />

Rückgang <strong>der</strong> Reale<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong><br />

breiten Schichten ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />

und absehbaren wirtschaftlichen<br />

Lage kontraproduktiv und schwächt die<br />

B<strong>in</strong>nennachfrage und die Ausrüstungs<strong>in</strong>vestitionen<br />

<strong>in</strong> die b<strong>in</strong>nenmarktorientierten<br />

Industrien: Deswegen verbieten sich<br />

e<strong>in</strong>e Lohnpause, weitere Sozialkürzungen<br />

z. B. beim Arbeitslosengeld o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialhilfe, weitere Erhöhungen <strong>der</strong><br />

Sozialversicherungsbeiträge o<strong>der</strong> weitere<br />

Steuerbelastungen breiter E<strong>in</strong>kommensschichten.<br />

Wir schlagen deswegen e<strong>in</strong><br />

fünfjähriges Moratorium gegen alle weiteren<br />

Belastungen <strong>der</strong> Massene<strong>in</strong>kommen<br />

vor.<br />

5. Wir brauchen e<strong>in</strong>e Steuerreform, die ±<br />

zusammengerechnet mit den Sozialabgaben<br />

± die unteren Schichten netto nicht<br />

belastet, son<strong>der</strong>n entlastet. Wir lehnen<br />

alle Vorschläge für e<strong>in</strong>e ¹Sche<strong>in</strong>-Steuerreformª<br />

ab, die die Staatskassen zugunsten<br />

<strong>der</strong> obersten E<strong>in</strong>kommensschichten<br />

und <strong>der</strong> mult<strong>in</strong>ationalen Unternehmen<br />

weiter ausplün<strong>der</strong>t zu Lasten <strong>der</strong><br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> Bildung, Wissenschaft<br />

und Forschung, Infrastruktur<br />

<strong>in</strong> Städten und Geme<strong>in</strong>den, Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Umwelt und <strong>der</strong> Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen.<br />

Üppige Steuergeschenke für<br />

die oberen und Tr<strong>in</strong>kgel<strong>der</strong> für den<br />

Normalsteuerzahler lehnen wir ab.<br />

6. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen und<br />

zur gerechten Verteilung des vorhandenen<br />

Arbeitsvolumens bleibt e<strong>in</strong>e Politik<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung unverzichtbar.<br />

Dazu gehören <strong>der</strong> Abbau von Überstunden<br />

und <strong>der</strong> Freizeitausgleich von<br />

unvermeidbarer Mehrarbeit; die Schaffung<br />

von gesicherten Jahres- und<br />

Lebens-Arbeitszeitkonten, die den<br />

Arbeitnehmern mehr Zeitsouveränität<br />

geben; die Schaffung von mehr sozialversicherungspflichtigenTeilzeitarbeitsplätzen,<br />

d.h. auch Sozialversicherungspflicht<br />

für die ¹ger<strong>in</strong>gfügigen<br />

Beschäftigungsverhältnisseª; neue For-<br />

130<br />

men <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Lebensarbeitszeit<br />

im Rahmen <strong>der</strong> gesetzlich verankerten<br />

Altersteilzeit und die bessere<br />

Verknüpfung von Vollzeitarbeit mit Zeiten<br />

<strong>der</strong> Nichterwerbstätigkeit z. B.<br />

wegen K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung, Pflege von<br />

Angehörigen, Fortbildung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Übernahme von Ehrenämtern. Dazu<br />

bedarf es gesetzlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,<br />

z.B. durch e<strong>in</strong>e Neuregelung des<br />

Arbeitszeitgesetzes und <strong>der</strong> Sozialversicherungspflicht<br />

bei ger<strong>in</strong>gfügiger<br />

Beschäftigung. Entsprechend ist dabei<br />

die Flankierung <strong>der</strong> gewerkschaftlichen<br />

Initiativen bei <strong>der</strong> tariflichen Arbeitszeitverkürzung.<br />

Ebenso unverzichtbar- ist e<strong>in</strong>e aktive<br />

Arbeitsmarktpolitik. Das neue Arbeitsför<strong>der</strong>ungsreformgesetz<br />

(AFRG) <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

wird zusammen mit den immer<br />

mehr e<strong>in</strong>geschränkten f<strong>in</strong>anziellen Mitteln<br />

für die aktive Arbeitsmarktpolitik die<br />

Zukunftsperspektiven für Langzeitarbeitslose<br />

o<strong>der</strong> für ger<strong>in</strong>gfügig Qualifizierte verschlechtern.<br />

Unser Vorschlag e<strong>in</strong>es Arbeitsund<br />

Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetzes will e<strong>in</strong>e<br />

Verstetigung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> aktiven<br />

Arbeitsmarktpolitik, e<strong>in</strong>e Zusammenführung<br />

regionaler Strukturpolitik mit<br />

Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen e<strong>in</strong>e<br />

gezielte För<strong>der</strong>ung durch Beschäftigung<br />

von Langzeitarbeitslosen <strong>in</strong> sozialen Betrieben,<br />

e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche För<strong>der</strong>ung von<br />

Frauen und die Schaffung von wirtschaftsnahen<br />

Instrumenten wie Projektför<strong>der</strong>ung,<br />

E<strong>in</strong>arbeitungszuschüssen, <strong>in</strong>nerbetrieblichen<br />

Qualifizierung, Existenzgründungshilfen<br />

im Rahmen des ASFG.<br />

Deswegen brauchen wir <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e<br />

antizyklische Politik, die für mehr Dynamik<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft und für deutlich<br />

mehr Arbeitsplätze sorgt. E<strong>in</strong>e solche antizyklische<br />

Politik ist machbar. Dazu müssen<br />

Geldpolitik und F<strong>in</strong>anzpolitik zusammenarbeiten.<br />

Das Maastrichtkriterium über die<br />

öffentliche Verschuldung muû konjunkturgerecht<br />

angewandt werden. Sobald <strong>der</strong><br />

Wachstumsprozeû <strong>in</strong> Europa <strong>in</strong> Gang<br />

kommt, müssen die teilnehmenden Län<strong>der</strong><br />

ihre Haushalte verb<strong>in</strong>dlich konsolidieren.<br />

Entzieht sich die Geldpolitik dieser Auf-


gabe, ist die F<strong>in</strong>anzpolitik umso mehr<br />

gefor<strong>der</strong>t. E<strong>in</strong>e solche Politik führt schon<br />

bald zu höherem Wachstum, ger<strong>in</strong>gerer<br />

Arbeitslosigkeit, e<strong>in</strong>er spürbaren Konsolidierung<br />

<strong>der</strong> Sozialkassen, verbesserten<br />

öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen und per Saldo zu<br />

e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren Schuldenstand als die<br />

Fortsetzung <strong>der</strong> gegenwärtigen Politik.<br />

IV. WARUM WIRD EINE SOLCHE<br />

VERNÜNFTIGE POLITIK NCIHT<br />

GEMACHT?<br />

Sie wäre heute schon möglich, wenn nicht<br />

die Bundesregierung die Interessen kle<strong>in</strong>er<br />

vermögensstarker Klientelgruppen über die<br />

Not von Millionen Arbeitslosen und hun<strong>der</strong>ttausen<strong>der</strong><br />

konkursbedrohter Existenzen<br />

stellen und alle staatlichen Entscheidungsträger<br />

von Bund, Län<strong>der</strong>n und Geme<strong>in</strong>den<br />

ihrer wirtschaftspolitischen Verantwortung<br />

nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz<br />

gerecht würden. Dafür gibt es aber<br />

<strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong>e Anreize im Staatssystem <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik Deutschland.<br />

Der Bund hat zwar die stabilitätspolitische<br />

Verantwortung, die Konjunktur zu stabilisieren<br />

und damit auch die Kostenlast, aber<br />

Nutzen, d. h. die Mehre<strong>in</strong>nahmen, flieûen<br />

überwiegend <strong>in</strong> die Kassen von Län<strong>der</strong>n<br />

und Kommunen.<br />

Deutschlands F<strong>in</strong>anzsystem bef<strong>in</strong>det sich<br />

daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fö<strong>der</strong>alen Dilemma: Wer<br />

sich von den 16000 F<strong>in</strong>anzverantwortlichen<br />

im Interesse <strong>der</strong> Stabilisierung <strong>der</strong><br />

Volkswirtschaft vernünftig verhält und<br />

mehr ausgibt, um die Konjunktur anzukurbeln,<br />

riskiert, daû die an<strong>der</strong>en Trittbrettfahrer<br />

spielen und nicht mitmachen, weil<br />

sie fürchten müssen, daû die positiven<br />

Effekte überwiegend nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />

Region verbleiben und sie bei kaum verbesserter<br />

Beschäftigungssituation auf höheren<br />

Schulden sitzen bleiben. Weil je<strong>der</strong> so<br />

denkt und dem an <strong>der</strong>en nicht über den<br />

Weg traut, denkt je<strong>der</strong> nur an se<strong>in</strong>en Haushalt,<br />

spart <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise und destabilisiert so<br />

weiter die Gesamtwirtschaft und den eigenen<br />

Haushalt zugleich. So bleibt das Vernünftige<br />

und Machbare, die Stabilisierung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft und die Schaffung von<br />

Arbeitsplätzen ungetan. Die Bundesregierung<br />

hat sich <strong>in</strong> ihrer sehr engen Auslegung<br />

<strong>der</strong> Budgetkriterien des Maastricht<br />

Vertrages <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Sackgasse manövriert.<br />

Es ist im Interesse <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft<br />

und von Millionen von Arbeitslosen,<br />

die f<strong>in</strong>anzpolitischen Spielräume von Maastricht<br />

<strong>der</strong> konjunkturellen Lage angemessen<br />

zu nutzen und die europäischen Partnerlän<strong>der</strong><br />

nicht zu e<strong>in</strong>er Deflationspolitik<br />

zu zw<strong>in</strong>gen.<br />

Deswegen schlagen wir Sozialdemokraten<br />

folgende Maûnahmen vor:<br />

1. Es wird e<strong>in</strong> Fond zur Stabilisierung und<br />

Konsolidierung von Wirtschaft und<br />

Arbeitsmarkt errichtet. Wenn das<br />

gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht<br />

verfehlt ist, d.h. bei steigen<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

und signifikanter Wachstumsschwäche<br />

erhalten Bund, Län<strong>der</strong><br />

und Kommunen aus diesem Fond z<strong>in</strong>slose<br />

Kredite zur F<strong>in</strong>anzierung zusätzlicher<br />

öffentlicher Investitionen und <strong>der</strong><br />

Defizite <strong>der</strong> Bundesanstalt für Arbeit.<br />

Als Basis für die Berechnung <strong>der</strong> Investitionen<br />

gilt <strong>der</strong> Durchschnitt <strong>der</strong> letzten<br />

zwei Haushaltjahre <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Gebietskörperschaft.<br />

2. Die Verz<strong>in</strong>sung und Tilgung des Konjunkturstabilisierungsfonds<br />

muû nach<br />

beg<strong>in</strong>nen<strong>der</strong> wirtschaftlicher Dynamik<br />

und abnehmen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit automatisch<br />

und vorweg aus den stärker flieûenden<br />

Steuere<strong>in</strong>nahmen bedient werden.<br />

Die Tilgung <strong>der</strong> Defizite <strong>der</strong><br />

Bundesanstalt für Arbeit erfolgt aus dem<br />

Bundeshaushalt. Als Bezugsgröûe für die<br />

Aufteilung unter den Gebietskörperschaften<br />

wird von jeweiligen Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />

plus/m<strong>in</strong>us den Übertragungen<br />

im Rahmen des vertikalen und horizontalen<br />

Steuerausgleichs ausgegangen.<br />

3. Der Zeitpunkt <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> Stabilisierungskredite<br />

und <strong>der</strong>en genaue<br />

Höhe sowie <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Tilgung<br />

bestimmt <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzplanungsrat unter<br />

Beteiligung <strong>der</strong> Kommunen. Sachverständigenrat<br />

und Wirtschaftsforschungs<strong>in</strong>stitute<br />

werden beauftragt, jeweils dazu<br />

e<strong>in</strong>en Vorschlag zu machen. Die Errich-<br />

131


132<br />

tung des Fonds zu Stabilisierung und<br />

Konsolidierung von Wirtschaft und<br />

Arbeitsmarkt und se<strong>in</strong>e Handhabung<br />

wird im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz<br />

b<strong>in</strong>dend geregelt.<br />

4. Angesichts <strong>der</strong> dauernden Kürzungen<br />

öffentlicher Investitionen liegen <strong>der</strong>zeit<br />

genügend gut geplante und rasch<br />

umsetzbare Projekte <strong>in</strong> den Schubladen<br />

und angesichts <strong>der</strong> hohen Baufacharbeiterarbeitslosigkeit<br />

und unausgelasteter<br />

Baukapazitäten dürften Preissteigerungen<br />

unwahrsche<strong>in</strong>lich se<strong>in</strong>. Um sicherzustellen,<br />

daû aus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong><br />

Projekte mittel- und langfristig volkswirtschaftlich<br />

vernünftige Investitionen<br />

vorrangig zum Zuge kommen, wird<br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen auf den Gebieten<br />

<strong>der</strong> ökologischen Erneuerung und von<br />

Wissenschaft und Forschung <strong>der</strong> Vorrang<br />

gegeben. Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

± Ausbau und Mo<strong>der</strong>nisierung des ÖPNV<br />

und Ausbau leistungsfähiger Schienennetze<br />

sowie Investitionen <strong>in</strong> den Ausbau<br />

des komb<strong>in</strong>ierten Verkehrs und energieoptimierende<br />

Informations- und<br />

Kommunikationssysteme. Maûnahmen<br />

<strong>der</strong> Stadtentwicklung und Stadtsanierung<br />

mit Schwerpunkt auf Verbesserung <strong>der</strong><br />

Energieeffizienz durch kommunale Investitionen<br />

und Investitionszuschüsse bzw.<br />

verbilligte Kredite an private Haushalte.<br />

± Verbesserung <strong>der</strong> kommunalen Infrastruktur<br />

± vor allem <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung und Ersatz<strong>in</strong>vestitionen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Entsorgung<br />

(z. B. überalterte Kanalisation, Sanierung<br />

von Abfall-, Abwasser und Kläranlagen)<br />

Maûnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong><br />

Umweltbelastung und Energiee<strong>in</strong>sparung.<br />

± Investitionen für Wissenschaft und Forschung,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Hochschulbau<br />

und bei materiellen Ausstattung.<br />

5. Wenn alle zur Konzertierung notwendigen<br />

Schritte <strong>in</strong> diesem Frühjahr unternommen<br />

werden, führt e<strong>in</strong>e solche Politik<br />

zu e<strong>in</strong>em dynamischen Prozeû <strong>der</strong><br />

Erholung <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft mit<br />

deutlich wachsen<strong>der</strong> Beschäftigung bei<br />

stabilen Preisen.<br />

Nach den Berechnungen des DIW führt<br />

bereits e<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />

<strong>in</strong> Höhe von 35 Mrd. DM jährlich, das<br />

durch e<strong>in</strong>e zusätzliche Kreditaufnahme<br />

f<strong>in</strong>anziert wird, selbst wenn es alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland zum Tragen kommt, zu folgenden<br />

Verbesserungen gegenüber <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />

Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik:<br />

± e<strong>in</strong> spürbar höheres Wachstum<br />

des Sozialprodukts (+ 1,8 v. H.)<br />

± etwa 500 000 zusätzliche Arbeitsplätze<br />

± E<strong>in</strong>sparungen bei <strong>der</strong> Arbeitslosenunterstützung<br />

und <strong>der</strong> Sozialhilfe <strong>in</strong><br />

Höhe von 6±9 Mrd. DM<br />

± e<strong>in</strong>e merkliche mittelfristige Konsolidierung<br />

<strong>der</strong> Staatshaushalte mit e<strong>in</strong>er<br />

ger<strong>in</strong>geren Schuldenquote am BIP<br />

und e<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>squote unterhalb <strong>der</strong><br />

Z<strong>in</strong>sbelastung, wie sie bei <strong>der</strong> Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> jetzigen Politik zwangsläufig<br />

ist.<br />

6. Beteiligen sich die Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union an e<strong>in</strong>em solchen<br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionspakt für mehr<br />

Wachstum und Beschäftigung könnten<br />

noch höhere Wachstumsraten erzielt,<br />

mehr Arbeitsplätze <strong>in</strong> Deutschland und<br />

Europa geschaffen und e<strong>in</strong>e realistische<br />

und solide Konsolidierung <strong>der</strong> öffentliche<br />

F<strong>in</strong>anzen erreicht werden.<br />

Die Europäische Union ist wirtschaftlich<br />

zu e<strong>in</strong>er groûen Volkswirtschaft mit e<strong>in</strong>em<br />

relativ ger<strong>in</strong>gen Auûenanteil vergleichbar<br />

dem Wirtschaftsraum <strong>der</strong> USA zusammengewachsen.<br />

Weil die Bundesregierung<br />

Wirtschaftspolitik auf nationale Standortpolitik<br />

reduziert, blockiert sie jeden Ansatz<br />

zu e<strong>in</strong>er kooperativen Politik für mehr<br />

Wachstum und Beschäftigung <strong>in</strong> Europa<br />

und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t damit auch e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte.<br />

E<strong>in</strong>e europäische Alternative für Aufschwung<br />

und Arbeitsplätze ist denkbar und<br />

machbar ± sie muû <strong>in</strong> Deutschland beg<strong>in</strong>nen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)


Antrag I 58<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />

Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e<br />

Arbeitszeitoffensive ±<br />

Neue Strategien e<strong>in</strong>er<br />

Vollbeschäftigungspolitik<br />

I. Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Etwa 4,2 Millionen Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

s<strong>in</strong>d zur Zeit arbeitslos.<br />

1,3 Millionen Frauen und Männer gelten<br />

davon als Langzeitarbeitslose. Rechnet man<br />

die stille Reserve, die <strong>in</strong> Maûnahmen<br />

bef<strong>in</strong>dlichen Menschen und <strong>der</strong> sogenannten<br />

verdeckten Arbeitslosigkeit h<strong>in</strong>zu, fehlen<br />

<strong>der</strong>zeit faktisch 7 Millionen Arbeitsplätze.<br />

Die negativen Folgen dieser Beschäftigungskrise<br />

s<strong>in</strong>d enorm:<br />

± die Zwänge <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit verspielen<br />

die ökonomischen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

zu e<strong>in</strong>er ¹nachhaltigen Entwicklungª.<br />

Riesige Mengen von<br />

s<strong>in</strong>nvoller Arbeit liegen brach, mögliche<br />

Wohlstandsproduktion wird nicht geleistet.<br />

± Arbeitslosigkeit kostet gewaltige Summen.<br />

Die fiskalischen Kosten <strong>der</strong> AL liegen<br />

1996 bei 159 Milliarden DM, 1997<br />

werden es 180 Milliarden DM se<strong>in</strong> (e<strong>in</strong>gerechnet<br />

Aufwendungen für die<br />

Leistungen <strong>der</strong> Bundesanstalt für Arbeit<br />

und Steuerausfälle bei Bund, Län<strong>der</strong>n<br />

und Kommunen, nicht e<strong>in</strong>gerechnet<br />

die nicht zurechenbaren Kosten von<br />

Armut/Sozialhilfe, Krankheiten, Devianz<br />

und Gewalt). 1981 waren es lediglich<br />

31 Mrd. DM, 1990 noch 54,71 Mrd.<br />

DM. Nach Schätzungen des Instituts für<br />

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

werden es 1997 180 Milliarden se<strong>in</strong>.<br />

Zum Vergleich: Die gesamte jährliche<br />

Staatsverschuldung <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

beträgt demgegenüber 138 Mrd. DM.<br />

E<strong>in</strong>/e ¹Durchschnittsarbeitslose/rª<br />

kostete 1996 im Westen ca. 49000 DM<br />

bei Bezug von Arbeitslosengeld, bei<br />

Arbeitslosenhilfe s<strong>in</strong>d es 40000 DM.<br />

Im Osten s<strong>in</strong>d es jeweils DM 38000/<br />

33000.<br />

± Arbeitslosigkeit treibt die Betroffenen <strong>in</strong><br />

die Isolation, entwertet ihre Qualifikationen<br />

und Kompetenzen, raubt ihnen<br />

S<strong>in</strong>nbeziehungen, macht sie krank.<br />

± Arbeitslosigkeit belastet sämtliche sozialen<br />

Sicherungssysteme. Ohne sie hätten<br />

wir ke<strong>in</strong>e Probleme damit, Renten,<br />

Gesundheit und an<strong>der</strong>es zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

Sie ist das gesellschafts- und sozialpolitische<br />

Basisproblem.<br />

± Arbeitslosigkeit för<strong>der</strong>t Entsolidarisierung,<br />

Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong>, Rassismus und die<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> Frauen. Auslän<strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dlichkeit<br />

und Rechtsradikalismus<br />

wären zwar nicht beseitigt, aber weniger<br />

explosiv ohne den fruchtbaren gesellschaftlichen<br />

Boden des Entsolidarisierungsdrucks.<br />

± Arbeitslosigkeit erschwert den Betroffenen<br />

die Möglichkeiten demokratischer<br />

Teilhabe, sie blockiert die Erweiterung<br />

von Demokratie <strong>in</strong> Gesellschaft und<br />

Wirtschaft.<br />

± Arbeitslosigkeit erschwert die Gleichstellung<br />

<strong>der</strong> Frauen und die E<strong>in</strong>beziehung<br />

<strong>der</strong> Männer <strong>in</strong> die Reproduktionsarbeit.<br />

± Arbeitslosigkeit belastet die Lohnabhängigen<br />

mit Leistungsdruck und Existenzangst,<br />

sie verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die Humanisierung<br />

<strong>der</strong> Arbeit und die Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

neuen Begriffs von Erwerbsarbeit.<br />

± Arbeitslosigkeit schwächt die Kampfkraft<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaften (und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

sozialen Bewegungen und Gruppierungen).<br />

Sie ist das ideologische und machtpolitische<br />

Haupt<strong>in</strong>strument konservativer<br />

bzw. neoliberaler Herrschaft. Sie ist das<br />

Vehikel, mit dem sich national organisierte<br />

Lohnabhängige gegenüber transnationalem<br />

Kapital global gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

ausspielen lassen.<br />

133


II. Arbeitszeitverkürzung und geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung<br />

Ziel e<strong>in</strong>er Politik für Frauen ist die Aufhebung<br />

<strong>der</strong> geschlechtsspezifischen Teilung<br />

<strong>der</strong> Arbeit. Diese Arbeitsteilung funktioniert<br />

<strong>in</strong> dreifacher H<strong>in</strong>sicht: Zuerst s<strong>in</strong>d<br />

Frauen für die Reproduktionsarbeit zuständig,<br />

Männer für die Produktionsarbeit.<br />

Daneben existiert e<strong>in</strong>e geschlechtshierarchische<br />

Segmentierung des Arbeitsmarkts<br />

(Frauen und Männer s<strong>in</strong>d jeweils <strong>in</strong><br />

bestimmten Arbeitsfel<strong>der</strong>n überrepräsentiert),<br />

wobei drittes im gleichen Bereich<br />

Frauenarbeitsplätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die<br />

schlechter bezahlten und mit den ger<strong>in</strong>geren<br />

Aufstiegsmöglichkeiten ausgestattet<br />

s<strong>in</strong>d (so z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankenpflege).<br />

Um dies aufzubrechen, s<strong>in</strong>d zwei verschiedene<br />

Ansätze notwendig. Zum e<strong>in</strong>en muû<br />

es zu e<strong>in</strong>er massiven Arbeitszeitverkürzung<br />

im Erwerbsbereich kommen, zum an<strong>der</strong>en<br />

geht es auch um e<strong>in</strong>e Neubewertung <strong>der</strong><br />

(bezahlten) Arbeit.<br />

Insgesamt ist unser Ziel eher e<strong>in</strong>e Arbeitzeitverän<strong>der</strong>ung<br />

als e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung.<br />

Damit ist geme<strong>in</strong>t, daû im Bereich<br />

<strong>der</strong> Reproduktionsarbeit Frauen <strong>in</strong> Zukunft<br />

weniger leisten müssen, während Männern<br />

endlich ihren Anteil daran übernehmen sollen.<br />

In <strong>der</strong> Erwerbsarbeit wird e<strong>in</strong>e Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit <strong>der</strong> mehrheitlich<br />

männlichen Vollzeitarbeiter angestrebt,<br />

während Frauen vermehrt Zugang zur<br />

Erwerbstätigkeit erhalten sollen.<br />

Um e<strong>in</strong>e wirklich relevante Neuverteilung<br />

von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit zu<br />

erreichen, muû es e<strong>in</strong>e Abkehr von <strong>der</strong><br />

männlich zentrierten Normalarbeitsbiographie<br />

und dem Modell des männlichen<br />

Familienernährers geben. Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>er<br />

neuen Struktur muû es se<strong>in</strong>, daû jede Person<br />

selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, ihren Lebensunterhalt<br />

zu verdienen und gleichzeitig die zu<br />

ihrer Reproduktion notwendigen Aufgaben<br />

erledigen zu können. Dabei ist die Arbeitszeitverkürzung<br />

e<strong>in</strong> wichtiges Mittel.<br />

Genauso entscheidend wird aber auch e<strong>in</strong>e<br />

Neubewertung von Arbeit se<strong>in</strong>, mit e<strong>in</strong>er<br />

134<br />

Abkehr vom bisher herrschenden Leistungspr<strong>in</strong>zip.<br />

Über die AZV h<strong>in</strong>aus geht<br />

es jedoch um e<strong>in</strong>en grundlegenden Paradigmenwechsel,<br />

<strong>der</strong> das bisher herrschende<br />

Leistungspr<strong>in</strong>zip ersetzt. Bisher wird die<br />

Arbeit hoch entlohnt, die hohe Profite<br />

abwirft. Wir wollen dagegen e<strong>in</strong>e Entlohnung<br />

entsprechend <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Notwendigkeit <strong>der</strong> Arbeit. Diese besteht<br />

dann, wenn e<strong>in</strong>e Gesellschaft diese Tätigkeit<br />

für ihr soziales Zusammenleben und<br />

zum Überleben braucht. Die Logik des<br />

bisherigen Leistungspr<strong>in</strong>zips führt des weiteren<br />

dazu, daû Arbeitsplätze häufig nicht<br />

dort entstehen, wo Arbeit überlebensnotwendig<br />

ist, wie z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankenpflege<br />

o<strong>der</strong> im Umweltbereich. Ziel ist, daû je<strong>der</strong><br />

Mensch e<strong>in</strong>er existenzsichernden Vollbeschäftigung<br />

(Individuallohn) nachgeht.<br />

Derzeit besteht die- Tendenz die gesellschaftlichen<br />

und wirtschaftlichen Unsicherheiten<br />

(Stichwort: ¹Globalisierungª) dem<br />

e<strong>in</strong>zelnen Individuum immer mehr zu<br />

überlassen (Stichwort: ¹Individualisierungª).<br />

Diese Politik unterliegt e<strong>in</strong>em zentralen<br />

und gravierenden Denkfehler. Die<br />

Auflösung traditioneller B<strong>in</strong>dungen (z. B.<br />

Die Ehe als soziale Absicherung von<br />

Frauen) erzw<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e verstärkte soziale<br />

Sicherung von Menschen durch staatliche/<br />

gesellschaftliche Strukturen und nicht<br />

e<strong>in</strong>en Abbau staatlicher Sicherungssysteme.<br />

Dies bedeutet ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>engung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />

Wahlmöglichkeiten, son<strong>der</strong>n überhaupt<br />

erst <strong>der</strong>en Voraussetzung!<br />

Insbeson<strong>der</strong>e für junge Frauen ist dieser<br />

Ansatz relevant. In ihrem ¹Doppelten<br />

Lebensentwurfª stellen sie Beruf und Privatleben<br />

gleichberechtigt nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Im ¹Doppelten Lebensentwurfª ist die<br />

Erwerbsarbeit ebenso zentral wie <strong>der</strong> private<br />

Bereich und bestimmend für das<br />

Selbstverständnis von Menschen. Erwerbsarbeit<br />

kann ohne den privaten Bereich<br />

nicht stattf<strong>in</strong>den: Die Erledigung <strong>der</strong><br />

Haus- und Familienarbeit und die Pflege<br />

zwischenmenschlicher Beziehungen ermöglichen<br />

erst den beruflichen Lebensweg und<br />

haben darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e eigene Lebensqualität.<br />

Wer sich nur auf den beruflichen<br />

o<strong>der</strong> nur auf den privaten Lebensbereich


eschränkt, vernachlässigt jeweils e<strong>in</strong>en<br />

entscheidenden Teil des Lebens.<br />

Um diesen ¹Doppelten Lebensentwurfª<br />

lebbar zu machen, ist e<strong>in</strong>e radikale Arbeitszeitverkürzung<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Denn das bisherige<br />

¹Normalarbeitszeitverhältnisª macht<br />

die Übernahme <strong>der</strong> eigenen Reproduktionspflichten<br />

oft zu e<strong>in</strong>er Überfor<strong>der</strong>ung.<br />

Damit zeigt sich, daû AZV gleich zweimal<br />

e<strong>in</strong> zentrales Instrument zur Durchsetzung<br />

wichtiger politischer Ziele ist: Zum e<strong>in</strong>en<br />

kann damit e<strong>in</strong> Schritt zur Gleichberechtigung<br />

<strong>der</strong> Geschlechter getan werden, zum<br />

an<strong>der</strong>en kann nur so am Ziel <strong>der</strong> Vollbeschäftigung<br />

festgehalten werden.<br />

III. Vollbeschäftigung und Normalarbeitsverhältnis<br />

Zunächst ist festzuhalten: Arbeit geht ke<strong>in</strong>eswegs<br />

aus! Im Gegenteil, sie liegt millionenfach<br />

brach und es entstehen permanent<br />

neue Bedarfsfel<strong>der</strong> und Bedürfnisse, die<br />

bearbeitet werden müûten (z.B. im<br />

Umweltbereich, Sozialbereich, Gesundheit<br />

und Kultur ± von den globalen Problemen<br />

ganz zu schweigen).<br />

Realität ist aber auch: Es vollzieht sich e<strong>in</strong>e<br />

irreversible faktische Erosion des traditionellen<br />

¹Normalarbeitsverhältnissesª: E<strong>in</strong><br />

Vollzeit-Familienernährer, männlich, 8-<br />

Stunden-Tag, Frau und K<strong>in</strong><strong>der</strong> daheim.<br />

E<strong>in</strong>e Rückkehr zu Verhältnissen wie im<br />

Wirtschaftswun<strong>der</strong>zeitraum ist we<strong>der</strong> möglich<br />

noch wünschenswert. E<strong>in</strong> allerd<strong>in</strong>gs<br />

modifizierter Begriff von Vollbeschäftigung<br />

und damit verbunden e<strong>in</strong>e Neudef<strong>in</strong>ition<br />

des Normalarbeits- und Normalarbeitszeitverhältnisses<br />

ist sowohl s<strong>in</strong>nvoll als auch<br />

als Zielvorstellung realisierbar. Folgende<br />

Elemente s<strong>in</strong>d wichtig (Hier werden <strong>in</strong><br />

aller Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit sowohl wünschenswerte<br />

wie bloû realistisch erwartbare<br />

Aspekte gereiht):<br />

± Allgeme<strong>in</strong> werden und müssen die <strong>in</strong>dividuellen<br />

Erwerbsarbeitszeiten massiv<br />

s<strong>in</strong>ken (Lebens-, Jahres-, Wochen- und<br />

Tagesarbeitszeiten).<br />

± Erwerbsarbeit, E<strong>in</strong>kommen und soziale<br />

Absicherung wird zwischen Männern<br />

und Frauen gerechter verteilt werden<br />

müssen.<br />

± Ausbildungs- und Qualifizierungszeiten<br />

werden zunehmen und sich auf e<strong>in</strong>e<br />

ganze Erwerbsbiographie verteilen.<br />

± E<strong>in</strong> Mensch wird bei lebenslangem Lernen<br />

und vielfachen Anpassungsleistungen<br />

e<strong>in</strong>e Kette von Jobs durchlaufen, mit<br />

Unterbrechungen, Ortswechseln, Qualifizierungszeiten.<br />

± Gesellschaftliche und staatliche Maûnahmen<br />

müssen die Risiken <strong>der</strong> flexiblen<br />

Erwerbsbiographien absichern, im<br />

Bereich <strong>der</strong> Qualifzierungs- und Sozialpolitik<br />

die Aufgaben erhöhen und generell<br />

e<strong>in</strong>e soziale M<strong>in</strong>destabsicherung vorhalten.<br />

± Es steht e<strong>in</strong>e Zunahme von ± allerd<strong>in</strong>gs<br />

diskrim<strong>in</strong>ierungsfreier, <strong>in</strong>dividuell wählbarer<br />

und auf beide Geschlechter verteilter<br />

± Teilzeitarbeit an. Die Teilzeitquote<br />

ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD relativ niedrig. E<strong>in</strong>e<br />

sozial abgesicherte För<strong>der</strong>ung von Teilzeitarbeit<br />

könnte hun<strong>der</strong>ttausende<br />

Arbeitsplätze schaffen, bei Annäherung<br />

an Verhältnisse wie <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />

bis zu 2 Millionen.<br />

± Die Zunahme von flexiblen Arbeitszeiten<br />

allgeme<strong>in</strong> liegt nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Logik<br />

von AZV, son<strong>der</strong>n auch zunehmend im<br />

Interesse e<strong>in</strong>es verän<strong>der</strong>ten gesellschaftlichen<br />

und <strong>in</strong>dividuellen Zeitmanagements<br />

und natürlich grundsätzlich im Interesse<br />

<strong>der</strong> Kapazitätsauslastungspolitik <strong>der</strong><br />

Unternehmen. Freilich macht es e<strong>in</strong>en<br />

Unterschied, ob <strong>der</strong> Arbeitgeber anruft,<br />

und dem/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn flexible<br />

Arbeitszeit verordnet (¹Tach, Frau<br />

Schmidt, an <strong>der</strong> Kasse ist gerade viel zu<br />

tun, könnten Sie mal vorbeikommen?ª)<br />

o<strong>der</strong> ob die Zeitsouveränität geregelt ist<br />

bzw. mit den Interessen des/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn<br />

vere<strong>in</strong>bar ist.<br />

± E<strong>in</strong>e soziale und ökonomische Neu- und<br />

Höherbewertung <strong>der</strong> Reproduktionsarbeit:<br />

Haushalt, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung ist<br />

längst überfällig, wenngleich noch kaum<br />

im Gange ± und damit auch e<strong>in</strong>e Umverteilung<br />

<strong>der</strong> Arbeit und Reproduktionsarbeit<br />

zwischen den Geschlechtern.<br />

135


± Sowohl die Zunahme von Belastungen<br />

(Streû, Arbeits<strong>in</strong>tensität? als auch die<br />

Humanisierung <strong>der</strong> Arbeit (Wegfall von<br />

monotonen Jobs durch Automation,<br />

kommunikationsorientierte und sozial<br />

kompetente neue Jobs, <strong>in</strong>teressante<br />

Diversifizierung <strong>der</strong> Arbeit) laufen<br />

gleichzeitig und wi<strong>der</strong>sprüchlich ab.<br />

Insgesamt bef<strong>in</strong>det sich die gesellschaftliche<br />

Debatte nicht jenseits e<strong>in</strong>er ¾ra <strong>der</strong> Vollbeschäftigung,<br />

son<strong>der</strong>n sie steht am Neuanfang<br />

<strong>der</strong> Debatte um die Zukunft <strong>der</strong><br />

Arbeit und <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es Erwerbsarbeitsbegriffes,<br />

<strong>der</strong> sicherstellt, daû die ökonomische<br />

Absicherung jedes E<strong>in</strong>zelnen, von<br />

Männern und Frauen über die Komb<strong>in</strong>ation<br />

von Arbeitszeitverkürzung, Erwerbsarbeit<br />

und sozialer M<strong>in</strong>deststandards und<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen abläuft.<br />

IV. Strategien gegen Arbeitslosigkeit<br />

Grundsätzlich gibt es systematisch nur zwei<br />

Strategien <strong>der</strong> Bekämpfung von Arbeitslosigkeit:<br />

± durch Wachstum <strong>der</strong> Wirtschaft und<br />

damit des Arbeitsvolumens und<br />

± durch Verteilung des Arbeitsvolumens<br />

(durch Steuerung des Erwerbspersonenpotentials<br />

und AZV <strong>in</strong> allen Varianten).<br />

Alle wachstumsorientierten Strategien<br />

haben drei Grenzen. Zunächst ist die<br />

Schaffung e<strong>in</strong>es neuen Arbeitsplatzes <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Industrie und bei hochtechnisierten<br />

Dienstleistungen sehr teuer (Kosten von<br />

e<strong>in</strong>igen Hun<strong>der</strong>ttausend bis zu Millionen<br />

DM). Zweitens ist nicht jedes Wachstum,<br />

son<strong>der</strong>n nur noch ¹nachhaltigesª Wachstum<br />

wünschenswert. Dies bedeutet, daû<br />

e<strong>in</strong>e qualifizierte Wachstumspolitik generell<br />

mit niedrigeren Raten rechnen müûte.<br />

Drittens schlieûlich müûte es trotzdem<br />

dauerhaft zu Wachstumsraten von über<br />

2,3 % kommen, um zur Erhöhung von<br />

Beschäftigung und vermittelt zum Abbau<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit beizutragen. Ab diesem<br />

Satz beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik zur<br />

Zeit erst die Arbeitsmarktwirksamkeit. Das<br />

Ifo-Institut gibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Mitteilungen ¹ifo<br />

im Juniª 1997 an, daû bei 1 % Wachstum<br />

136<br />

über 2,3 %, also ab 3,3 % mit e<strong>in</strong>em Rückgang<br />

<strong>der</strong> AL um e<strong>in</strong> halbes Prozent<br />

gerechnet werden könnte. Rudolf Hickel<br />

(1994, 166) hat dargelegt, daû e<strong>in</strong>e Wachstumsrate<br />

von 3,5 % jährlich von 1994 bis<br />

2000 die registrierte Arbeitslosigkeit nur<br />

um e<strong>in</strong>e Million zurückgehen lassen würde<br />

und bei e<strong>in</strong>em Wachstum von immerh<strong>in</strong><br />

2,2 % die Arbeitslosigkeit sogar weiter<br />

deutlich zunehmen würde.<br />

Selbstverständlich ist Wachstum zur Ausweitung<br />

von Beschäftigung erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Anstatt aber auf die bloûe Steigerung des<br />

Wirtschaftsproduktes zu starren, muû<br />

Wachstum starker qualitativ ± d.h. ökologisch<br />

und <strong>in</strong>tensiv an qualifizierter menschlicher<br />

Arbeit ± ausgestaltet werden. Dies<br />

wird nur durch gesellschaftliche E<strong>in</strong>griffe<br />

zu bewerkstelligen se<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs kann<br />

Wachstum alle<strong>in</strong> das Arbeitsvolumen nicht<br />

soweit erhöhen, um auch nur <strong>in</strong> die Nähe<br />

e<strong>in</strong>er Vollbeschäftigung zu gelangen.<br />

Arbeitszeitverkürzung ± und zwar <strong>in</strong> radikaler<br />

Form ± könnte sehr schnell deutliche<br />

Beschäftigungseffekte zeigen, die für e<strong>in</strong>e<br />

Vollbeschäftigungspolitik unabd<strong>in</strong>gbar s<strong>in</strong>d.<br />

Rechnerisch könnten bei e<strong>in</strong>er 10%igen<br />

AZV bei e<strong>in</strong>em Arbeitsvolumen (1995) von<br />

44 413 Millionen Arbeitsstunden West/<br />

10 714 Millionen Stunden Ost <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesamtwirtschaft und 1561 bzw. 1670<br />

Durchschnittsarbeitsstunden pro Beschäftigten<br />

etwa 3,5 Millionen Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden. Je nach Umsetzung <strong>der</strong><br />

AZV wären das real 1,7 bis etwa 2,5 Millionen<br />

Beschäftigte mehr. Die E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> 30-Stundenwoche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

käme grob e<strong>in</strong>er 20%igen AZV gleich und<br />

würde real 3,5 bis 5 Millionen Arbeitsplätze<br />

neu schaffen. E<strong>in</strong> zweiter ± genauso<br />

wichtiger ± Grund spricht für AZV: Das<br />

Festhalten an <strong>der</strong> 3540 Stunden-Woche<br />

trägt zur Ausgrenzung <strong>der</strong> Frauen aus dem<br />

Arbeitsmarkt bei. Die Frauenerwerbsquote<br />

<strong>in</strong> Westdeutschland liegt mit 60 % deutlich<br />

unter <strong>der</strong> Männererwerbsquote von 81,8 %<br />

und damit auch im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />

weit unten. Wenn Erwerbs- und<br />

Reproduktionsarbeit auf beide Geschlechter<br />

gerecht verteilt werden soll, muû auch<br />

<strong>der</strong> männliche Arbeitstag kürzer werden.


V. Die Aktualität von Arbeitszeitpolitik<br />

Kürzer arbeiten ja ± weniger<br />

verdienen ne<strong>in</strong><br />

Immer wie<strong>der</strong> wird behauptet, daû e<strong>in</strong>e<br />

kürzere Arbeitszeit von den meisten<br />

Beschäftigten gar nicht gewünscht wird.<br />

Belegt wird dies mit den nicht von <strong>der</strong><br />

Hand zu weisenden Mobilisierungsschwierigkeiten<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaften für die For<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>er Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit,<br />

sieht man e<strong>in</strong>mal von akuten Bedrohungssituationen<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten (wie bei VW)<br />

ab. Dies bedeutet allerd<strong>in</strong>gs nicht, daû die<br />

Beschäftigten e<strong>in</strong>e kürzere Arbeitszeit pr<strong>in</strong>zipiell<br />

ablehnen. E<strong>in</strong>e Untersuchung des<br />

Instituts zur Erforschung sozialer Chancen<br />

(ISO) im Auftrag des MAGS NRW aus<br />

dem Jahr 1995 hat bestätigt, daû die meisten<br />

Beschäftigten kürzer arbeiten wollen,<br />

als sie bislang müssen:<br />

Tabelle 1: Tatsächliche Wochenarbeitszeit:<br />

Frauen Männer Gesamt<br />

West 32,4<br />

Stunden<br />

Ost 38,4<br />

Stunden<br />

Quelle: ISO<br />

42,0<br />

Stunden<br />

43,8<br />

Stunden<br />

38,1<br />

Stunden<br />

41,3<br />

Stunden<br />

Tabelle 2: Gewünschte Wochenarbeitszeit:<br />

Frauen Männer Gesamt<br />

West 28,5 37,1 34,1<br />

Stunden Stunden Stunden<br />

Ost 34,9 38,5 37,2<br />

Stunden Stunden Stunden<br />

Quelle: ISO<br />

Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> tatsächlichen<br />

Arbeitszeit ist darauf zu achten, daû diese<br />

über <strong>der</strong> tariflich vere<strong>in</strong>barten Arbeitszeit<br />

liegt und damit auch die Mehrarbeit erfaût.<br />

Es zeigt sich, daû Frauen vor allem im<br />

Westen zwar bereits weitaus weniger arbeiten<br />

als Männer, aber darüber h<strong>in</strong>aus weitere<br />

Verkürzungswünsche haben. Insgesamt<br />

ergibt sich für West und Ost e<strong>in</strong> durchschnittlicher<br />

Verkürzungswunsch von rund<br />

4 Stunden. Dies würde e<strong>in</strong>en (allerd<strong>in</strong>gs<br />

nur re<strong>in</strong> rechnerischen) Beschäftigungsef-<br />

fekt von 3,2 Mio. zur Folge haben. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

läût die o.g. Studie den Aspekt des<br />

Lohnausgleiches auûer acht. Zu vermuten<br />

ist daher: wenn weitere AZV von den<br />

Beschäftigten abgelehnt wird, dann weil die<br />

Beschäftigten verständlicherweise angesichts<br />

seit Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre stagnieren<strong>der</strong><br />

Nettoreallöhne ke<strong>in</strong>e Lohne<strong>in</strong>buûen<br />

h<strong>in</strong>nehmen wollen.<br />

Arbeitszeitverkürzung br<strong>in</strong>gt mehr<br />

Beschäftigung<br />

E<strong>in</strong>e vor allem von <strong>der</strong> Unternehmerseite<br />

und <strong>der</strong> Bundesregierung vorgebrachte<br />

Behauptung lautet, daû AZV ke<strong>in</strong>e<br />

Beschäftigungseffekte nach sich ziehe.<br />

Diese These ist we<strong>der</strong> logisch begründbar,<br />

noch empirisch haltbar. Die bisherigen<br />

Ergebnisse von Untersuchungen über<br />

Beschäftigungswirkungen durch AZV<br />

gehen je nach Methode und Interessenlage<br />

weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. So ist <strong>der</strong> Beschäftigungseffekt<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Metall<strong>in</strong>dustrie bei <strong>der</strong><br />

Verkürzung von <strong>der</strong> 40- auf die 38,5-Stunden-Woche<br />

von Gesamtmetall mit 35 %,<br />

von <strong>der</strong> IG-Metall mit 70 % und vom<br />

DIW sogar mit 80 % beziffert worden. Es<br />

kann aber davon ausgegangen werden, daû<br />

die 3,2 Mio. Arbeitsplätze, die im Zeitraum<br />

1983±1992 geschaffen wurden, zum<strong>in</strong>dest<br />

zu e<strong>in</strong>em Drittel auf die Verkürzung <strong>der</strong><br />

Wochenarbeitszeit und e<strong>in</strong>e gestiegene<br />

Teilzeitquote zurückgehen. Pr<strong>in</strong>zipiell kann<br />

gelten: je gröûer die Verkürzungsschritte,<br />

desto höher auch <strong>der</strong> Beschäftigungseffekt.<br />

Da die Beschäftigungseffekte aber stets<br />

unter 100 % liegen, muû auch <strong>der</strong> Tatsache<br />

Rechnung getragen werden, daû die Verkürzung<br />

von Arbeitszeit Leistungsverdichtung<br />

und Produktivitätssteigerungen zur<br />

Folge hat. Die Auswirkungen <strong>der</strong> AZV auf<br />

die Sicherung bzw. Schaffung von neuer<br />

Beschäftigung hängen <strong>in</strong> hohem Maûe von<br />

den Tätigkeiten <strong>der</strong> Beschäftigten, den<br />

angewendeten Arbeitszeitregelungen und<br />

weiteren Rahmenbed<strong>in</strong>gungen ab, die<br />

Gegenstand <strong>der</strong> tarifvertraglichen und<br />

betrieblichen Aushandlungsprozesse s<strong>in</strong>d.<br />

Aktuelle Modellrechnungen und Maûnahmenkataloge<br />

prognostizieren ebenfalls die<br />

137


Schaffung neuer Beschäftigung im Falle<br />

von weiterer AZV. Das Berl<strong>in</strong>er Memorandum<br />

zur Arbeitszeitpolitik schlägt e<strong>in</strong> Maûnahmenbündel<br />

vor, das 2,9±3,4 Mio.<br />

Arbeitsplätze schaffen soll. E<strong>in</strong>e Modellrechnung<br />

des WSI (Absenkung <strong>der</strong> tariflichen<br />

Arbeitszeit um 9 % bis zum Jahr<br />

2005, Halbierung <strong>der</strong> Überstunden, Erhöhung<br />

Teilzeit um 25 %) verspricht e<strong>in</strong>en<br />

Effekt von 2,9 Millionen und e<strong>in</strong>e Modellrechnung<br />

des IAB (Verkürzung des Jahresarbeitszeit<br />

von 1996±2000 um 1,1 % p. a.<br />

und von 2000±2005 um 0,3 % p. a.)<br />

behauptet immerh<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>en Effekt von<br />

713 000 (ohne vollen Lohnausgleich) bzw.<br />

425 000 (mit vollem Lohnausgleich)<br />

Arbeitsplätzen.<br />

Flexibilisierung alle<strong>in</strong> schafft noch ke<strong>in</strong>e<br />

Arbeit<br />

In jüngster Zeit s<strong>in</strong>d Arbeitszeitverkürzungen<br />

immer mit Zugeständnissen an e<strong>in</strong>e<br />

Flexibilisierung von Dauer, Lage und Verteilung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit verbunden gewesen.<br />

Vielfach steht auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> nicht mehr<br />

die Verteilung, son<strong>der</strong>n die Flexibilisierung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit im Vor<strong>der</strong>grund (siehe<br />

Manifest ¹Innovationen für Deutschlandª<br />

v. 21. 5. 1997). Diese mittlerweile populäre<br />

These muû zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> ihrer undifferenzierten<br />

Form zurückgewiesen werden. Das<br />

Interesse <strong>der</strong> Unternehmer an e<strong>in</strong>er<br />

Arbeitszeitflexibilisierung bezieht sich auf<br />

die Ausweitung <strong>der</strong> Betriebszeiten, <strong>der</strong><br />

Anpassung <strong>der</strong> Arbeitszeit an konjunkturelle<br />

und jahreszeitliche Schwankungen <strong>der</strong><br />

Kapazitätsauslastung sowie die Verbilligung<br />

<strong>der</strong> Arbeit (z. B. Abbau von Überstundenzuschlägen<br />

durch Wegdef<strong>in</strong>ition). E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>lassen<br />

auf diese Logik hätte Leistungsverdichtung<br />

und ggf. Lohne<strong>in</strong>buûen für die<br />

ArbeitnehmerInnen zur Folge. Die erwarteten<br />

Beschäftigungseffekte beziehen sich<br />

auf die Hoffnung, daû die Absatzerwartungen<br />

durch die hervorgerufenen Produktivitätssteigerungen<br />

steigen. Wahrsche<strong>in</strong>licher<br />

ist jedoch, daû die Beschäftigung stagnieren<br />

bzw. sogar s<strong>in</strong>ken wird, wenn durch<br />

optimalere Kapazitätsauslastung Arbeitskräfte<br />

überflüssig werden.<br />

138<br />

Sicherlich kann angesichts gewandelter<br />

Ansprüche <strong>der</strong> Beschäftigten an die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Arbeitszeit nicht am<br />

Konzept <strong>der</strong> standardisierten Tages- und<br />

Wochenarbeitszeit festgehalten werden.<br />

Jedoch ist fraglich, ob die Destandardisierung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit per se mit <strong>der</strong> von den<br />

Beschäftigten gewünschten Zeitsouveränität<br />

übere<strong>in</strong>stimmt. So wird beispielsweise die<br />

E<strong>in</strong>beziehung des Samstags als regulären<br />

Arbeitstag von <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong><br />

ArbeitnehmerInnen abgelehnt. Die Flexibilisierung<br />

muû daher von den Beschäftigten<br />

bzw. ihren Interessenvertretungen mitbestimmt<br />

werden können.<br />

Wer e<strong>in</strong>e deutliche Verkürzung <strong>der</strong><br />

Arbeitszeit e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>t, wird nicht an neuen<br />

und flexibleren Modellen <strong>der</strong> Verteilung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit vorbeikommen, wenn nicht<br />

gleichzeitig Geschäfts- und Betriebszeiten<br />

mit reduziert werden sollen. Mehr Beschäftigung<br />

wird also nicht durch ¹Flexi ohne<br />

allesª son<strong>der</strong>n durch ¹Verkürzung plus<br />

Flexiª geschaffen. Neue Modelle <strong>der</strong><br />

Arbeitszeitgestaltung müssen verbunden<br />

werden mit dem Abbau von Überstunden<br />

und <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

Wochenarbeitszeit. Entscheidend wird es<br />

se<strong>in</strong>, klare tarifliche Rahmensetzungen für<br />

maximale und m<strong>in</strong>imale Arbeitszeiten am<br />

Tag sowie im Wochendurchschnitt, Ausgleichszeiträume,<br />

Anspruchsrechte <strong>der</strong><br />

ArbeitnehmerInnen, Verz<strong>in</strong>sung <strong>der</strong> Guthaben,<br />

etc. vorzunehmen. Ebenso müssen<br />

die Rechte <strong>der</strong> Betriebsräte gestärkt werden.<br />

Überstundenabbau<br />

Im Jahr 1996 haben deutsche Arbeitnehmer<br />

1,8 Milliarden Überstunden geleistet.<br />

Das entspricht bei e<strong>in</strong>er Durchschnittsjahresarbeitszeit<br />

im Jahr 1996 von 1 519 Stunden<br />

pro Beschäftigten (Ost: 1593, West:<br />

1 502) re<strong>in</strong> rechnerisch rund 1185 000<br />

Arbeitsplätzen. Müûte jede Überstunde<br />

strikt mit Freizeit abgegolten werden und<br />

zieht man Produktivitätseffekte bei e<strong>in</strong>em<br />

Überstundenabbau und an<strong>der</strong>e Wirkungsdämpfungen<br />

ab, könnten sicher zwischen<br />

e<strong>in</strong>em Drittel und <strong>der</strong> Hälfte des Volumens<br />

Beschäftigungseffekte zeigen ± also zwi-


schen 400000 und 600 000 Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden. Allerd<strong>in</strong>gs wäre dies<br />

e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung ohne jeden<br />

Lohnausgleich, und dies würde e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige<br />

F<strong>in</strong>anzierung von neuer Beschäftigung<br />

aus dem Erwerbse<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> abhängig<br />

Beschäftigten bedeuten.<br />

Der IG Metall-Vorschlag <strong>der</strong> 32-Stundenwoche<br />

¹Gemäû dem Grundsatz, besser Arbeit als<br />

Arbeitslosigkeit f<strong>in</strong>anzieren, ist auch die<br />

Bundesanstalt für Arbeit an den Kosten <strong>der</strong><br />

Arbeitszeitverkürzung zu beteiligen.ª<br />

(Klaus Zwickel 1997)<br />

Der aktuelle Vorstoû des IG Metall-Chefs<br />

Zwickel auf dem Beschäftigungskongreû<br />

des DGB <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> 32-<br />

Stundenwoche bis 1999 und Verzicht auf<br />

vollen Lohnausgleich, hat e<strong>in</strong>e mögliche<br />

Offensive <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitszeitfrage e<strong>in</strong>geleitet.<br />

Zwickel knüpfte an Überlegungen<br />

e<strong>in</strong>es Vorschlages vom Januar 1996 für e<strong>in</strong><br />

spezielles Bündnis für Arbeit Ost an.<br />

Damals sollte im Osten die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

35-Stundenwoche vorgezogen werden (dort<br />

gilt immer noch die 38-Stundenwoche bis<br />

Ende 1998). Damit sollten bis zu 33 000<br />

zusätzliche Stellen geschaffen werden. Die<br />

F<strong>in</strong>anzierung sollte drittelparitätisch erfolgen<br />

(1 Stunde durch die Arbeitgeber;<br />

1 Stunde durch die ArbeitnehmerInnen,<br />

1 Stunde durch die Bundesanstalt für<br />

Arbeit). Die IG Metall hatte für Ostdeutschland<br />

ausgerechnet, daû die Bundesanstalt<br />

für Lohnkostenzuschüsse für 33 000<br />

Beschäftigte 500 Millionen DM ausgeben<br />

müûte, gleichzeitig aber e<strong>in</strong>e Milliarde DM<br />

an Lohnersatzleistungen sparen könnte.<br />

Der Gedanke <strong>der</strong> Drittelparität bei <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzierung von AZV ist nunmehr wie<strong>der</strong>gekehrt<br />

und enthält als strategisch neues<br />

Element die E<strong>in</strong>beziehung des Staates <strong>in</strong><br />

die Tarifpolitik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e als Unterstützung<br />

für AZV und als Garant für e<strong>in</strong>en Teil<br />

des Lohnausgleiches.<br />

Arbeitszeitverkürzung und Lohnausgleich<br />

Beim Begriff des (vollen) Lohnausgleiches<br />

herrscht e<strong>in</strong> heilloses Durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Es<br />

wird meist nicht unterschieden zwischen<br />

Nom<strong>in</strong>al-, Real- und Effektive<strong>in</strong>kommen<br />

e<strong>in</strong>erseits und dem zur Verfügung stehenden<br />

tariflichen Verteilungs-¹Kuchenª (die<br />

Höhe <strong>der</strong> Inflationsrate, das Produktivitätswachstum<br />

± sowie e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

<strong>in</strong> Vergessenheit geratene Umverteilungskomponente)<br />

an<strong>der</strong>erseits. Meist g<strong>in</strong>g<br />

es <strong>der</strong> gewerkschaftlichen Tarifpolitik<br />

nolens volens um die Absicherung <strong>der</strong><br />

Nom<strong>in</strong>allöhne. D.h. die Stundenlöhne<br />

wurden soweit angehoben, daû mit ihnen<br />

nach <strong>der</strong> AZV das nom<strong>in</strong>ale Lohne<strong>in</strong>kommen<br />

gesichert wurde. Faktisch muûten<br />

stets AZV mit ger<strong>in</strong>geren Lohnsteigerungen<br />

bezahlt werden, was stets ¹Verzichtª<br />

bedeutete, bzw. ¹Solidarität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Klasseª war und dennoch als AZV mit vollem<br />

Lohnausgleich bezeichnet werden<br />

konnte. Worum es nunmehr geht, ist, daû<br />

bei rascheren Schritten <strong>der</strong> AZV das Verteilungsvolumen<br />

nicht mehr für den vollen,<br />

sprich den Nom<strong>in</strong>allohnausgleich reicht<br />

und e<strong>in</strong>e Umverteilung zuungunsten <strong>der</strong><br />

Unternehmerseite bei den <strong>der</strong>zeitigen<br />

Kräfteverhältnissen recht unwahrsche<strong>in</strong>lich<br />

ist. Trotzdem soll AZV mit tarifpolitischen<br />

Mitteln weitergeführt werden. Die s<strong>in</strong>d<br />

allerd<strong>in</strong>gs mehrfach begrenzt:<br />

± durch Überlastung und Überfrachtung<br />

<strong>der</strong> Tarifpolitik,<br />

± durch die Interessenlage von Unternehmen<br />

(Verlust des Druckmittels bei Abbau<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit) aber auch <strong>der</strong><br />

Beschäftigten (<strong>der</strong> Eigennutz e<strong>in</strong>er<br />

Lohnsteigerung steht gegen das objektive<br />

Interesse an Arbeitsplatzsicherheit),<br />

± durch die Begrenztheit des Verteilungsspielraumes,<br />

solange die gesellschaftlichen<br />

Kräfteverhältnisse sich nicht grundlegend<br />

än<strong>der</strong>n,<br />

± durch die Erfahrung, daû AZV zu E<strong>in</strong>kommense<strong>in</strong>buûen<br />

und Arbeitsverdichtung<br />

geführt hat (das bedeutet psychologisch<br />

e<strong>in</strong>e Motivationsgrenze und<br />

ökonomisch e<strong>in</strong>e reale E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />

± bei den unteren Gruppen).<br />

± Schlieûlich hat AZV ohne E<strong>in</strong>kommensausgleich<br />

(wenn die reale Lohnsumme<br />

nach <strong>der</strong> AZV <strong>in</strong>klusive neuer Beschäfti-<br />

139


140<br />

gung gesunken ist) nachfragepolitisch<br />

kontraproduktive Wirkung und ru<strong>in</strong>iert<br />

die arbeitsmarktpolitischen Effekte <strong>der</strong><br />

AZV.<br />

VII. Nötig s<strong>in</strong>d öffentliche Beiträge zur<br />

Arbeitszeitverkürzung<br />

Zuviel Last liegt also auf <strong>der</strong> Tarifpolitik,<br />

e<strong>in</strong>e gesellschaftspolitische Entlastung <strong>der</strong><br />

Tarifpolitik ist gefor<strong>der</strong>t, nicht nur um die<br />

Erfolgsbed<strong>in</strong>gung von tarifpolitischer<br />

Beschäftigungspolitik zu verbessern, son<strong>der</strong>n<br />

um den Schritt zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tegralen<br />

Vollbeschäftigungspolitik zu vollziehen, die<br />

Wachstums- und Verteilungspolitik, Strukturwandel,<br />

Qualifikation und Bildung, E<strong>in</strong>richtung<br />

öffentlicher Beschäftigung und<br />

AZV komb<strong>in</strong>iert.<br />

Es geht strategisch um drei nur gleichzeitig<br />

funktionierende Aufgaben:<br />

± E<strong>in</strong>e radikale Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />

zu erreichen<br />

± AZV mit Lohnausgleich im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

Vermeidung von Nachfrageausfällen<br />

(Gleichbleiben <strong>der</strong> realen Lohnsumme)<br />

zu vere<strong>in</strong>baren. Die letzten Jahre hatten<br />

e<strong>in</strong>e massive Umverteilung zuungunsten<br />

<strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen zur Folge. Die<br />

strukturbere<strong>in</strong>igte Bruttolohnquote ist<br />

1982±94 von 72,5 % auf 66,1 % gesunken.<br />

Während die Bruttoe<strong>in</strong>kommen aus<br />

Arbeit von 1982±95 nur um 57 % gestiegen<br />

s<strong>in</strong>d, g<strong>in</strong>gen die E<strong>in</strong>kommen aus<br />

Unternehmertätigkeit und Vermögen um<br />

182 % nach oben. Es gibt also für die<br />

sozialistische L<strong>in</strong>ke ke<strong>in</strong>en volkswirtschaftlichen<br />

und verteilungspolitischen<br />

Grund, von <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>em<br />

vollen Lohnausgleich Abstand zu nehmen,<br />

zumal e<strong>in</strong>em Groûteil <strong>der</strong> Beschäftigten<br />

Lohne<strong>in</strong>buûen nicht zuzumuten<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

± den begrenzten Spielraum <strong>der</strong> Tarifpolitik<br />

auszuweiten im H<strong>in</strong>blick auf den Verteilungsaspekt<br />

und das Kräfteverhältnis<br />

<strong>der</strong> Tarifparteien.<br />

E<strong>in</strong>e Erweiterung des Verteilungsspielraums<br />

für radikale AZV ist nur durch das<br />

vollständige Ausschöpfen des ¹Tarifku-<br />

chensª e<strong>in</strong>erseits und durch zusätzliche<br />

f<strong>in</strong>anzielle Beteiligung von Gesellschaft<br />

und Staat zu erzielen. Der ehemalige französische<br />

Premier Rocard hat 1996 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten<br />

und Beschäftigung des Europa-<br />

Parlamentes als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> ersten auf europäischer<br />

Ebene darauf verwiesen, daû es<br />

die bereits existierenden fiskalischen<br />

Kosten <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit s<strong>in</strong>d, <strong>der</strong>en<br />

umgewidmetes Volumen den verteilungspolitisch<br />

neutralen Rahmen e<strong>in</strong>es relevanten<br />

Mittele<strong>in</strong>satzes für Beschäftigung def<strong>in</strong>iert.<br />

Die Frage ist allerd<strong>in</strong>gs, wie dieses<br />

F<strong>in</strong>anzvolumen mit staatlichen Instrumenten<br />

arbeitszeitpolitisch e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />

könnte.<br />

VIII. Für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Strategie von<br />

öffentlicher und tariflicher Politik<br />

Arbeitszeitverkürzung statt<br />

Arbeitslosigkeit f<strong>in</strong>anzieren<br />

E<strong>in</strong> Kerngedanke ist wichtig: Mittlerweile<br />

hat sich die Überzeugung recht weit verbreitet,<br />

daû es besser sei, Arbeit statt<br />

Arbeitslosigkeit zu f<strong>in</strong>anzieren. E<strong>in</strong> wichtiger<br />

Schritt wäre weiterzugehen: Arbeitszeitverkürzung<br />

muû statt Arbeitslosigkeit<br />

f<strong>in</strong>anziert werden! Alle beschäftigungspolitisch<br />

angelegten Lohnsubventionierungsmodelle<br />

± jüngst wurde von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

die vollständige Entlastung<br />

von Sozialabgaben. für ¹e<strong>in</strong>facheª Arbeitsplätze<br />

vorgeschlagen ± s<strong>in</strong>d systematisch<br />

F<strong>in</strong>anzierung von Arbeit ± ohne daû das<br />

Arbeitszeit<strong>in</strong>strument genutzt würde. Sie<br />

teilen jedoch die erheblichen Mängel <strong>der</strong><br />

Lohnsubvention (Mitnahmeeffekte, Lohndump<strong>in</strong>g),<br />

ohne die Vorteile <strong>der</strong> AZV zu<br />

nutzen. Logisch wäre jedoch immerh<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Schritt von <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Arbeit<br />

zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> AZV nicht mehr<br />

groû. Die strittige Debatte um die kontroversen<br />

und z.T. wenig hilfreichen Vorschläge<br />

e<strong>in</strong>es Bürgergeldes, e<strong>in</strong>er Negativsteuer<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es garantierten (zweiten,<br />

staatlichen) Grunde<strong>in</strong>kommens, könnte<br />

e<strong>in</strong>en entscheidenden Schritt weitergebracht<br />

bzw. aufgelöst werden, wenn man<br />

statt Lohn- o<strong>der</strong> Sozialsubventionen AZV-<br />

Subventionen diskutieren würde. Dieses


Modell könnten weit akzeptabler se<strong>in</strong>, da<br />

es die Mängel <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Subventions- und<br />

Ersatzleistungsmodelle nicht aufweisen.<br />

Beispiele existieren<strong>der</strong> öffentlich f<strong>in</strong>anzierter<br />

Arbeitszeitverkürzungsmodelle<br />

Ohne daû es als das bezeichnet wird, was<br />

es real ist, existiert bereits e<strong>in</strong>e Vielfalt faktischer<br />

staatlicher Subventionierungen von<br />

Arbeitszeitverkürzungen. Zu nennen wären<br />

(mittlerweile gekürzt o<strong>der</strong> abgeschafft)<br />

Altersteilzeit, Frühverrentungen, Kurzarbeitergeld,<br />

Schlechtwettergeld. Auch<br />

Arbeitslosengeld und -hilfe, zum Teil<br />

Sozialhilfe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> gewisser Weise zynische<br />

För<strong>der</strong>ung von AZV ± nämlich auf Null<br />

mit Teillohnausgleich und ohne jede<br />

Beschäftigungswirkung.<br />

Robien-Gesetz <strong>in</strong> Frankreich<br />

Im August 1996 trat <strong>in</strong> Frankreich das<br />

nach se<strong>in</strong>em Schöpfer, dem liberalkonservativen<br />

(!) UDF-Abgeordneten Gilles de<br />

Robien benannte ¹Gesetz de Robienª <strong>in</strong><br />

Kraft. In se<strong>in</strong>er ¹offensivenª Variante sieht<br />

das Gesetz e<strong>in</strong>e Subventionierung von<br />

AZV bei <strong>der</strong> Schaffung neuer Stellen vor:<br />

E<strong>in</strong>em Unternehmen, das die Arbeitszeit<br />

um 10 % senkt und für m<strong>in</strong>destens 2 Jahre<br />

10 % mehr Beschäftigte neu e<strong>in</strong>stellt, wird<br />

vom Staat im Ausgleich für 7 Jahre e<strong>in</strong><br />

Anteil <strong>der</strong> Sozialabgaben für die Beschäftigten<br />

erlassen. Im ersten Jahr beträgt die<br />

Entlastung 40 % des Arbeitgeberanteils,<br />

danach 30 %. Nach Schätzungen subventioniert<br />

<strong>der</strong> Staat dadurch jeden neuen<br />

Arbeitsplatz mit umgerechnet rund<br />

23700 DM (FAZ 29. 10. 96; Wirtschaftswoche<br />

12/97), was verglichen mit den hiesigen<br />

Kosten alle<strong>in</strong> für die F<strong>in</strong>anzierung<br />

e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Arbeitslosen nicht dramatisch<br />

ersche<strong>in</strong>t. Viele Beobachter gehen <strong>in</strong><br />

Frankreich von e<strong>in</strong>er weitgehenden Selbstf<strong>in</strong>anzierung<br />

des Gesetzes aus, da das Aufkommen<br />

späterer Beitragszahler die Ausgaben<br />

für das Gesetz ausgleichen könnten.<br />

Bislang haben über 200 Unternehmen <strong>in</strong><br />

Frankreich das Gesetz angewendet ± allerd<strong>in</strong>gs<br />

auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ¹defensivenª Variante,<br />

wo über AZV und Subventionierung ledig-<br />

lich Entlassungen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden konnten.<br />

So geschehen z.B. bei dem Groûunternehmen<br />

Moul<strong>in</strong>ex, wo 750 Arbeitsplätze<br />

gerettet werden konnten. Mittlerweile gerät<br />

das Gesetz beim Unternehmerlager unter<br />

Beschuû, nicht etwa weil es wirkungslos<br />

wäre, son<strong>der</strong>n gerade wegen <strong>der</strong> Wirksamkeit.<br />

Die Unternehmer befürchten neben<br />

den langfristigen Kosten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e, daû<br />

die Löhne zu sehr steigen könnten. Hony<br />

soit qui mal y pense. Erstaunlicherweise<br />

wurde dieses Gesetz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

bisher von ke<strong>in</strong>er Seite beachtet und diskutiert.<br />

Das sollte sich dr<strong>in</strong>gend än<strong>der</strong>n.<br />

Michel Rocard hat aktuell <strong>in</strong> Frankreich<br />

e<strong>in</strong> weiteres Arbeitszeitverkürzungsmodell<br />

vorgeschlagen, wonach die Sozialabgaben<br />

bei 30 Stunden Arbeit um e<strong>in</strong> Drittel<br />

gesenkt, bei mehr Arbeit um e<strong>in</strong> Drittel<br />

erhöht werden. Auch diese Idee könnte<br />

<strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>: die Lohnnebenkosten<br />

unterliegen e<strong>in</strong>er arbeitszeitabhängigen<br />

Progression. D.h. jede Stunde über e<strong>in</strong>em<br />

bestimmten Arbeitszeitpensum (z.B. orientiert<br />

an <strong>der</strong> Halbtagsarbeit e<strong>in</strong>er 17o<strong>der</strong><br />

15-Stundenwoche) wird stärker und progressiv<br />

belastet, darunter gilt das Umgekehrte.<br />

Die Berechnung muû je Erwerbstätigen<br />

erfolgen, damit nicht mehrere<br />

gleichzeitige Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />

günstiger als e<strong>in</strong> arbeitszeitreduziertes Vollzeitarbeitsverhältnis<br />

s<strong>in</strong>d. Die Leistungsansprüche<br />

sollen sich aber weiterh<strong>in</strong> nach<br />

den Normalsätzen berechnen. Das Verfahren<br />

belastet ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen<br />

gleich und för<strong>der</strong>t AZV und<br />

entlastet gleichzeitig diverse Formen von<br />

¹Teilzeitª. Insgesamt würde so e<strong>in</strong> marktwirtschaftliches<br />

Interesse an AZV stimuliert.<br />

Und verteilungsneutral umsetzbar<br />

wäre dieses Vorgehen ebenfalls.<br />

Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Erstmalig kamen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

immerh<strong>in</strong> ähnliche Überlegungen wie beim<br />

¹Loi de Robienª auf, als das spätere VW-<br />

Modell verhandelt wurde. Zahlungen <strong>der</strong><br />

Bundesanstalt für Arbeit sollten die Umsetzung<br />

erleichtern. Natürlich kam es nicht<br />

dazu und die Belegschaft muûte die ¹Solidarität<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Firmaª selbst bezahlen.<br />

141


IX. Vorschlag für e<strong>in</strong>e politische Arbeitszeitoffensive<br />

Grundsätze e<strong>in</strong>er öffentlichen Flankierung<br />

von Arbeitszeitverkürzung<br />

± Zum<strong>in</strong>dest die Kosten von mittlerweile<br />

180 Mrd. DM p.a. zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit, sollen soweit wie möglich<br />

<strong>in</strong> die F<strong>in</strong>anzierung von Arbeit bzw.<br />

Arbeitszeitverkürzung gesteckt werden.<br />

± Die Arbeitszeitoffensive wird e<strong>in</strong>gebettet<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> politisches Gesamtkonzept (z. B.<br />

Arbeitszeitgesetz und Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz,<br />

Qualifizierungsoffensive, öffentlich<br />

geför<strong>der</strong>te Beschäftigung, Reform<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialversicherungen).<br />

± Pr<strong>in</strong>zipiell werden die Arbeitszeitregelungen<br />

tarifvertraglich und betrieblich<br />

ausgestaltet. Die politischen Maûnahmen<br />

sollen allerd<strong>in</strong>gs die Verhandlungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Gewerkschaften verbessern.<br />

± Geför<strong>der</strong>t werden sollen vorwiegend kollektive<br />

Arbeitszeitverkürzungen <strong>in</strong> möglichst<br />

groûen Schritten.<br />

± Es müssen Anreize für die Beschäftigten<br />

geschaffen werden, die zum<strong>in</strong>dest bis zu<br />

e<strong>in</strong>er bestimmten E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />

Lohne<strong>in</strong>buûen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

± Die Anreize für die Unternehmen sollten<br />

dar<strong>in</strong> liegen, daû die Sicherung bzw.<br />

Schaffung von Beschäftigten positiv<br />

sanktioniert und das Qualifikationsniveau<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten erhöht wird. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

sollten Mitnahmeeffekte vermieden werden.<br />

X. Maûnahmen zur öffentlichen Flankierung<br />

von Arbeitszeitverkürzung<br />

1. E<strong>in</strong> neues Arbeitszeitgesetz<br />

Zu den Merkwürdigkeiten <strong>der</strong> deutschen<br />

Debatte gehört, daû an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> Frankreich<br />

niemand über die e<strong>in</strong>fachste Variante<br />

e<strong>in</strong>er adm<strong>in</strong>istrativen Flankierung von AZV<br />

nachzudenken sche<strong>in</strong>t ± e<strong>in</strong> neues Arbeitszeitgesetz.<br />

Das gültige, von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

1994 novellierte Arbeitszeitgesetz<br />

bietet den Rahmen für Arbeitszeitverlänge-<br />

142<br />

rungen. Erlaubt wurde nicht nur die 48-<br />

Stundenwoche mit e<strong>in</strong>er täglichen Arbeitszeit<br />

von 8 Stunden, son<strong>der</strong>n auch die 60-<br />

Stundenwoche mit e<strong>in</strong>er täglichen Arbeitszeit<br />

von 10 Stunden <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es halbjährlichen<br />

Ausgleichszeitraumes.<br />

E<strong>in</strong> neues Arbeitszeitgesetz müûte demgegenüber<br />

e<strong>in</strong>e mittelfristige Rahmenbed<strong>in</strong>gung<br />

für AZV bieten. E<strong>in</strong> neues ArbZG<br />

könnte 37-Stunden im Wochendurchschnitt<br />

ab sofort festschreiben, die 35-<br />

Stundenwoche ab dem Jahr 2000 und die<br />

30-Stundenwoche ab 2005 als Regel-<br />

Wochenarbeitszeit e<strong>in</strong>er Vollzeitbeschäftigung.<br />

Dies würde durchaus verteilungspolitisch<br />

neutral erfolgen können ± ganz <strong>in</strong><br />

Anlehnung an die strukturell ähnlichen<br />

Debatten um e<strong>in</strong>e Öko(be)steuerung <strong>der</strong><br />

Ökonomie. Sozialversicherungsfreie Arbeit<br />

dürfte es nicht mehr geben (ger<strong>in</strong>gfügige<br />

Beschäftigung etc.) Die Höchstgrenze für<br />

Überstunden könnte z. B. bei 5 Stunden<br />

über <strong>der</strong> Wochenarbeitszeit liegen. Überstunden<br />

müûten ± ggf. nach e<strong>in</strong>em Übergangszeitraum<br />

± grundsätzlich durch Freizeit<br />

ausgeglichen werden. Mit e<strong>in</strong>em<br />

Arbeitszeitgesetz kann auch geregelt werden,<br />

wie familien(un)- bzw. beziehungs(un)freundlich<br />

die Arbeitszeit ist. Aus Frauenperspektive<br />

ist dr<strong>in</strong>gend auf e<strong>in</strong>e<br />

Absenkung <strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit zu<br />

drängen.<br />

2. Vorreiterrolle im öffentlichen Dienst<br />

wahrnehmen<br />

Glaubwürdig ist <strong>der</strong> Staat nur dann, wenn<br />

er Vorbild ist. Daher muû die Arbeitszeit<br />

im öffentlichen Dienst verkürzt und mit<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung neuer Beschäftigter verbunden<br />

werden.<br />

3. Die Kampfkraft <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

stärken<br />

E<strong>in</strong>erseits ist es erfor<strong>der</strong>lich, über politische<br />

Kampagnen und Stellungnahmen e<strong>in</strong>e<br />

¹Kulturª bzw. Akzeptanz für AZVen zu<br />

schaffen. Wenn auch die Politik AZV ausdrücklich<br />

e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>t, wird sie eher als nötiges<br />

beschäftigungspolitisches Projekt anerkannt.<br />

An<strong>der</strong>erseits ist es Aufgabe <strong>der</strong><br />

Politik, die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die


etriebliche und gewerkschaftliche Aktion<br />

(d.h. auch nötigenfalls Streiks) zu verbessern.<br />

Hierzu gehört v. a. die ¾n<strong>der</strong>ung des<br />

(ehem.) § 116 AFG <strong>in</strong> den ursprünglichen<br />

Zustand, die Rücknahme des Sozialabbaus<br />

(Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung) und<br />

die Ausweitung <strong>der</strong> betrieblichen Mitbestimmungsrechte.<br />

4. Absicherung von Teilzeitarbeit<br />

E<strong>in</strong>e (wie die aktuellen Erfahrungen <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n wie <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande zeigen)<br />

beschäftigungswirksame Möglichkeit<br />

ist die Ausweitung von Teilzeitarbeit. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

wird Teilzeit von den Betrieben <strong>der</strong>zeit<br />

nur <strong>in</strong> bestimmten Bereichen und auf<br />

niedrigen Hierarchieebenen angeboten.<br />

90 % <strong>der</strong> Teilzeitbeschäftigten s<strong>in</strong>d Frauen,<br />

die als Konsequenz Benachteiligung im<br />

Betrieb fürchten müssen und ger<strong>in</strong>ge<br />

Sozialversicherungsansprüche haben werden.<br />

Pr<strong>in</strong>zipiell muû <strong>der</strong> Ansatz dar<strong>in</strong><br />

bestehen, Arbeitszeit nicht <strong>in</strong>dividuell, son<strong>der</strong>n<br />

kollektiv zu verkürzen und schon gar<br />

nicht auf die erwerbstätigen Frauen abzuschieben.<br />

Wenn es darüber h<strong>in</strong>aus weitere<br />

<strong>in</strong>dividuelle Verkürzungswünsche gibt,<br />

muû diese Teilzeitarbeit zum<strong>in</strong>dest besser<br />

abgesichert werden. Eckpunkte könnten<br />

se<strong>in</strong>:<br />

± Recht auf <strong>in</strong>dividuelle AZV mit Rückkehroption<br />

<strong>in</strong> Vollzeit<br />

± Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot von Teilzeitarbeit<br />

im Betrieb<br />

± Der Staat übernimmt m<strong>in</strong>destens 50 %<br />

<strong>der</strong> Differenz <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />

zwischen Teilzeit und tariflich vere<strong>in</strong>barter<br />

Arbeitszeit.<br />

Derzeit ist Teilzeit e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> gröûten Stabilisierungsfaktoren<br />

des geschlechtshierarchischen<br />

Arbeitsmarktes. Daher muû nochmals<br />

ausdrücklich betont werden, daû e<strong>in</strong>er<br />

kollektiven Arbeitszeitverkürzung absoluter<br />

Vorrang vor <strong>in</strong>dividuellen Teilzeitlösungen<br />

e<strong>in</strong>zuräumen ist. Teilzeit ist nur dann für<br />

uns akzeptabel, wenn sie existenzsichernd<br />

ist.<br />

5. E<strong>in</strong> abgewandeltes deutsches ¹Robien-<br />

Gesetzª<br />

Die f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung von tariflich<br />

bzw. betrieblich vere<strong>in</strong>barter Arbeitszeitverkürzung<br />

ist <strong>in</strong> vielen Varianten denkbar.<br />

E<strong>in</strong>ige davon sehen die Staffelung von<br />

Sozialabgaben und E<strong>in</strong>kommensteuer nach<br />

<strong>der</strong> jeweiligen Arbeitszeit vor. Neben steuersystematischen<br />

und sozialpolitischen<br />

Erwägungen spricht jedoch die mögliche<br />

Subventionierung von Produktivitätsgew<strong>in</strong>nen<br />

und die Individualisierung <strong>der</strong> Verkürzung<br />

gegen e<strong>in</strong>en <strong>der</strong>artigen Ansatz. Statt<br />

dessen halten wir folgende Variante für die<br />

schlüssigste:<br />

Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tarifvertrag o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Betriebsvere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung<br />

mit vollem Reallohnausgleich festgelegt<br />

wird und sich e<strong>in</strong> Betrieb zu unbefristeten<br />

Neue<strong>in</strong>stellungen <strong>in</strong> Höhe von<br />

m<strong>in</strong>destens 50 % des verkürzten Arbeitsvolumens<br />

verpflichtet, übernimmt die öffentliche<br />

Hand die Hälfte <strong>der</strong> zusätzlich entstehenden<br />

Lohnkosten für e<strong>in</strong> Jahr. Im Falle<br />

betrieblicher Krisen könnte ähnliches auch<br />

zur Sicherung des Beschäftigungsstandes<br />

vere<strong>in</strong>bart werden.<br />

6. Verknüpfung von AZV mit e<strong>in</strong>er staatlich<br />

f<strong>in</strong>anzierten Weiterbildungsoffensive<br />

E<strong>in</strong>e Möglichkeit, die f<strong>in</strong>anzielle Flankierung<br />

von AZV so zu gestalten, daû die<br />

Beschäftigten während <strong>der</strong> öffentlichen<br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> direkten Verfügung <strong>der</strong><br />

Unternehmen entzogen s<strong>in</strong>d, wäre die<br />

Unterstützung von Qualifizierungszeiten.<br />

Weiterbildungsmaûnahmen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />

für die Umverteilung von<br />

Arbeit vor allem auf den mittleren und<br />

oberen Ebenen im Betrieb. Die Verknüpfung<br />

von AZV mit Weiterbildung konnte<br />

auûerdem e<strong>in</strong>en erheblichen Innovationsschub<br />

mit sich br<strong>in</strong>gen. Dies gilt erst recht<br />

für kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen,<br />

<strong>der</strong>en Weiterbildungsverhalten unzureichend<br />

ist. E<strong>in</strong> konkretes Modell könnte<br />

wie folgt aussehen: Wenn die Tarifparteien<br />

AZV e<strong>in</strong>er bestimmten Höhe pro Jahr vere<strong>in</strong>baren,<br />

bekommt die/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn<br />

für e<strong>in</strong> Jahr e<strong>in</strong>en Qualifizierungsbonus<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Höhe <strong>der</strong> verkürzten<br />

143


Arbeitszeit, den sie/er für Maûnahmen <strong>der</strong><br />

beruflichen Bildung nutzen kann. Die<br />

Lohnkosten, Sozialbeiträge und Maûnahmekosten<br />

werden öffentlich f<strong>in</strong>anziert. Beispiel:<br />

Es wird e<strong>in</strong>e tarifliche Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit um 30 M<strong>in</strong>uten vere<strong>in</strong>bart.<br />

Dann bekommt jede/r ArbeitnehmerIn-<br />

weitere 30 M<strong>in</strong>uten für berufliche<br />

Bildungsmaûnahmen, die <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />

von <strong>der</strong> Arbeitszeitregelung auch als Block<br />

genutzt werden können. Die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit verdoppelt sich somit auf<br />

e<strong>in</strong>e Stunde pro Woche.<br />

7. Die Steuer- und Abgabenpolitik<br />

Die Steuer- und Abgabenpolitik ist aus<br />

unserer Sicht zur Zeit das e<strong>in</strong>zig realistische<br />

Instrumentarium, nicht nur e<strong>in</strong>e<br />

Neuverteilung, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>e Neubewertung<br />

<strong>der</strong> Arbeit e<strong>in</strong>zuleiten. Die ¹klassischeª<br />

Bewertung <strong>der</strong> Arbeit anhand <strong>der</strong><br />

Produktivität, bzw. des erzielbaren Gew<strong>in</strong>nes<br />

ist wie mehrfach begründet e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er<br />

Nachteil für Frauen, die <strong>in</strong> groûer<br />

Mehrzahl <strong>in</strong> zwar gesellschaftlich notwendigen,<br />

aber gleichzeitig unterbezahlten<br />

Bereichen tätig s<strong>in</strong>d. Ebenso wird dr<strong>in</strong>gend<br />

benötigte Arbeit z.B. im ökologischen<br />

Bereich, Forschungssektor, etc. durch das<br />

herrschende Entlohnungssystem blockiert.<br />

Zwei Beispiele: Zur Zeit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auto<strong>in</strong>dustrie<br />

hohe Gew<strong>in</strong>ne und verhältnismäûig<br />

hohe Löhne zu erzielen. Würden die<br />

produzierenden Betriebe auch nur annähernd<br />

an den ökologischen Folgekosten<br />

ihrer Produkte beteiligt, könnten diese<br />

Gew<strong>in</strong>ne nicht mehr erzielt werden. Die<br />

freiwerdenden Mittel könnten <strong>in</strong> Forschung,<br />

Renaturierung ÖPNV u.v. m. <strong>in</strong>vestiert<br />

werden und gesellschaftlich notwendige<br />

Arbeit f<strong>in</strong>anzieren und schaffen<br />

helfen! Parallelen lassen sich im Gesundheitssektor<br />

f<strong>in</strong>den: sowohl die Arbeit von<br />

¾rzten, wie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch Chemieund<br />

Pharmaunternehmern ist überbewertet.<br />

Gleichzeitig wird gerade Pflegearbeit<br />

sehr schlecht bezahlt. Begründet wird dies<br />

oftmals mit dem unterschiedlichen Status<br />

<strong>der</strong> Arbeitenden (häufig umschrieben mit<br />

<strong>der</strong> Länge o<strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Ausbildung). Dies<br />

144<br />

ist aber ke<strong>in</strong> ausreichendes Maû für den<br />

Wert <strong>der</strong> Arbeit.<br />

Uns ist klar, daû diese Koppelung an qualitative<br />

Kriterien e<strong>in</strong>en begrenzten Bruch<br />

mit <strong>der</strong> Logik des kapitalistischen Wirtschaftens<br />

darstellt und schwer formulierbar<br />

ist. Allerd<strong>in</strong>gs glauben wir auch, daû die<br />

Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Debatte um e<strong>in</strong>e Neuverteilung<br />

von Arbeit mit e<strong>in</strong>er Neubewertung<br />

e<strong>in</strong>hergehen muû und vermittelbar ist, daû<br />

<strong>der</strong> freie Markt nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist,<br />

Arbeit gerecht zu entlohnen.<br />

8. Problematische Ansätze <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />

Wir halten e<strong>in</strong>en weiteren zeitlichen Ausbau<br />

des Erziehungsurlaubs <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigen<br />

Form für ke<strong>in</strong>e geeignete Maûnahme<br />

zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. De facto<br />

bedeutet dies nämlich e<strong>in</strong> weiteres Herausdrängen<br />

<strong>der</strong> Frauen aus dem Arbeitsmarkt.<br />

Nach wie vor halten wir die obligatorische<br />

Teilung des Erziehungs¹urlaubsª für s<strong>in</strong>nvoll.<br />

Insgesamt wollen wir lieber von Erziehungszeiten<br />

anstelle Erziehungsurlaub<br />

sprechen. Letzterer deutet nämlich an, daû<br />

die betreffende Person (<strong>in</strong> den meisten Fällen<br />

die Mutter) völlig aus dem Erwerbsleben<br />

ausscheidet.<br />

9. Ergänzungen <strong>der</strong> vorgeschlagenen Maûnahmen<br />

Um das zu Beg<strong>in</strong>n genannte Ziel <strong>der</strong> Aufhebung<br />

<strong>der</strong> geschlechterspezifischen<br />

Arbeitsteilung zu erreichen, bedarf es weiterer<br />

Überlegungen zur gesetzlichen Frauenför<strong>der</strong>ung.<br />

Neben unseren bisherigen<br />

For<strong>der</strong>ungen zum Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz<br />

müssen auch diese staatlichen Maûnahmen<br />

<strong>der</strong> AZV-Flankierung auf ihre<br />

Gleichstellungs-Wirkungen befragt werden.<br />

Wenn <strong>der</strong> Staat (o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Sozialversicherungssysteme)<br />

Geld <strong>in</strong> die AZV und<br />

Neue<strong>in</strong>stellung von bisher Arbeitslosen<br />

steckt, muû darauf geachtet werden, daû<br />

Frauen dabei nicht übersehen werden. So<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Ostdeutschland <strong>in</strong> den ABM-Maûnahmen<br />

vielfach Männer viel stärker als<br />

Frauen vertreten, obwohl die ganz überwiegende<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Arbeitslosen<br />

Frauen s<strong>in</strong>d. Hier ist e<strong>in</strong>e Quote e<strong>in</strong>zufüh-


en, so daû die neugeschaffenen Arbeitsplätze<br />

beiden Geschlechtern gleichermaûen<br />

zu Gute kommen.<br />

Ausdrücklich muû festgehalten werden, daû<br />

es (lei<strong>der</strong>) ke<strong>in</strong>en Automatismus zwischen<br />

<strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Regelarbeitszeit und<br />

e<strong>in</strong>em verstärkten E<strong>in</strong>satz von Männern im<br />

Reproduktionsbereich gibt. Die Übernahme<br />

ihres Pflichtanteils hängt nicht nur an <strong>der</strong><br />

Länge ihrer Erwerbstätigkeit. DA vermutlich<br />

Appelle auch nicht viel weiter führen,<br />

müssen wir uns vermehrt Gedanken<br />

machen, wie Männer ¹motiviertª werden<br />

können, die Reproduktion des menschlichen<br />

Lebens auch als ihre Aufgabe zu begreifen.<br />

(Überweisung an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 59<br />

Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />

Arbeit und Umwelt<br />

1. Die konservativ-liberale Bundesregierung<br />

hat bei <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit versagt. Mit dem Abbau<br />

des Sozialstaats, mit <strong>der</strong> Beschneidung<br />

von Arbeitnehmerrechten, mit e<strong>in</strong>em<br />

Rückzug des Staates aus vielen politischen<br />

Handlungsfel<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong>e verhängnisvolle<br />

Spirale <strong>in</strong> Gang gesetzt<br />

worden: Mehr Arbeitslosigkeit bedeutet<br />

rückläufige E<strong>in</strong>nahmen bei Steuern und<br />

Sozialversicherungsbeiträgen. Kürzungen<br />

bei den Sozialleistungen und bei<br />

den öffentlichen Investitionen bedeuten<br />

mehr Arbeitslosigkeit. Es droht die<br />

Gefahr, daû aus <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Krise e<strong>in</strong>e politische Krise wird.<br />

2. In dieser Situation ist e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Nachfrage dr<strong>in</strong>gend<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Sie muû die Schaffung von<br />

Arbeitsplätzen mit dem notwendigen<br />

ökologischen Strukturwandel verb<strong>in</strong>den.<br />

Nur wenn es gel<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>e neue wirtschaftliche<br />

Dynamik zur Erschlieûung<br />

von Zukunftsmärkten <strong>in</strong> Gang zu setzen,<br />

kann e<strong>in</strong>e nachhaltige, ökologisch ver-<br />

antwortbare Entwicklung und gleichzeitig<br />

mehr Beschäftigung erreicht werden.<br />

Die <strong>SPD</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> for<strong>der</strong>t deshalb<br />

e<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm für<br />

Arbeit und Umwelt. Wir wollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

groûen Geme<strong>in</strong>schaftsanstrengung die<br />

Wirtschaft ökologisch mo<strong>der</strong>nisieren, die<br />

Qualifikation und Ausbildung <strong>der</strong> Menschen<br />

verbessern, Forschung und Entwicklung<br />

für neue wettbewerbsfähige und ökologisch<br />

verträgliche Verfahren und<br />

Produkte för<strong>der</strong>n, Wohnungen, Städte und<br />

Geme<strong>in</strong>den erneuern, <strong>in</strong>novative kle<strong>in</strong>e und<br />

mittlere Unternehmen stärken, den öffentlichen<br />

Personennahverkehr und die Schienenwege<br />

ausbauen und die öffentliche<br />

Infrastruktur umweltgerecht mo<strong>der</strong>nisieren.<br />

Die För<strong>der</strong>ung aus dem Programm muû<br />

sich auf fünf Schwerpunkte konzentrieren:<br />

± Erhöhung <strong>der</strong> Energieproduktivität,<br />

± ökologische Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen,<br />

± ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Infrastruktur,<br />

± Innovationsforschung und Ausbau <strong>der</strong><br />

Bildungs- und Hochschul<strong>in</strong>frastruktur,<br />

± nachhaltige Wohnungs- und Städtebauför<strong>der</strong>ung.<br />

2.1. Erhöhung <strong>der</strong> Energieproduktivität<br />

und Ausbau <strong>der</strong> Solarenergie<br />

Die Bundesregierung kann ihre Selbstverpflichtung<br />

zum Klimaschutz ± Verr<strong>in</strong>gerung<br />

<strong>der</strong> CO2-Emissionen um 25 Prozent<br />

im Vergleich zu 1990 ± nicht e<strong>in</strong>halten.<br />

Deshalb s<strong>in</strong>d umfassende Investitionen bei<br />

<strong>der</strong> Energieversorgung, speziell im Gebäudestand,<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Geför<strong>der</strong>t werden<br />

± Anlagen <strong>der</strong> kommunalen und <strong>in</strong>dustriellen<br />

Kraft-Wärme-Kopplung sowie <strong>der</strong><br />

Nah- und Fernwärme,<br />

± Modellprojekte und Energiesparmaûnahmen<br />

für Gebäude (z.B. Niedrigenergiehäuser),<br />

zur Prozeûwärmeerzeugung und<br />

für Wärmedämmung und Isolierung.<br />

Das gilt auch für öffentliche Gebäude,<br />

± Erforschung und Markte<strong>in</strong>führung<br />

erneuerbarer Energieträger. Ihr Anteil an<br />

<strong>der</strong> Energieversorgung soll <strong>in</strong>nerhalb<br />

145


von zehn Jahren vervierfacht werden.<br />

Die Solarzellentechnologie ist durch e<strong>in</strong><br />

Hun<strong>der</strong>ttausend-Dächer- und Fassadenprogramm<br />

zum <strong>in</strong>dustriellen Durchbruch<br />

zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Durch diese Maûnahmen soll <strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>satz<br />

pro BSP-E<strong>in</strong>heit halbiert werden.<br />

2.2. Ökologische Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen<br />

Die heutigen Verkehrssysteme verschwenden<br />

Energie, Fläche und Zeit. Sie belasten<br />

die Umwelt nachhaltig. Der Verkehrssektor<br />

ist mit 25 Prozent an den nationalen CO2- Emissionen beteiligt. Se<strong>in</strong>e gesellschaftlichen<br />

Folgekosten s<strong>in</strong>d groû. Bis 2010 werden<br />

Zuwächse von 30 bis 40 Prozent des<br />

heutigen Verkehrsaufkommens erwartet.<br />

Gemäû dem Verursacherpr<strong>in</strong>zip müssen<br />

deshalb die Mobilitätssubventionen verr<strong>in</strong>gert<br />

und die Folgen des Verkehrs den Verursachern<br />

angerechnet werden. Für e<strong>in</strong>e<br />

Verkehrswende ist die Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />

schwerpunktmäûig auszubauen (z.B. <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Anb<strong>in</strong>dung von Häfen). Dazu zählen<br />

folgende Maûnahmen:<br />

± Ausbau <strong>der</strong> Güterverkehrs<strong>in</strong>frastruktur,<br />

um den langsamen Güterverkehr vom<br />

schnellen Personennah- und Fernverkehr<br />

zu trennen. Dazu ist neben organisatorischen<br />

Maûnahmen im bestehenden Netz<br />

<strong>der</strong> Neubau von Parallelgleisen für den<br />

Güterverkehr notwendig.<br />

± Ausbau des komb<strong>in</strong>ierten Verkehrs und<br />

von 40 Term<strong>in</strong>alstandorten, wie dies die<br />

Deutsche Bahn AG vorgeschlagen hat,<br />

<strong>der</strong> Telematik im Schienenverkehr, von<br />

Lärmschutz an bestehenden Schienenwegen<br />

und Maûnahmen zur Beseitigung<br />

niveaugleicher Bahnübergänge.<br />

± Erhöhung <strong>der</strong> Etatansätze für den kommunalen<br />

öffentlichen Personennahverkehr<br />

im Geme<strong>in</strong>deverkehrsf<strong>in</strong>anzierungsgesetz.<br />

± Verr<strong>in</strong>gerung des Energieverbrauchs im<br />

Straûenverkehr. Hier wird bis zum Jahr<br />

2005 die Halbierung <strong>der</strong> Kraftstoffverbräuche<br />

bei Neuwagen angestrebt. Für<br />

die Modellvorhaben sowie für Forschungs-<br />

und Entwicklungsarbeiten werden<br />

Zuschüsse von zehn Prozent<br />

gewährt.<br />

146<br />

± Nutzung <strong>der</strong> ökologischen Vorteile von<br />

See- und B<strong>in</strong>nenschiffahrt und <strong>der</strong> maritimen<br />

Verbundwirtschaft.<br />

Die ökologischen Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen<br />

werden für die ersten zwei Jahre über<br />

Zuschüsse vorf<strong>in</strong>anziert und dann über das<br />

Aufkommen aus e<strong>in</strong>er Vignette f<strong>in</strong>anziert.<br />

2.3. Ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

Infrastruktur<br />

Wir wollen den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die ökologische<br />

Stoffwirtschaft durch Investitionszuschüsse<br />

für Vermeidung und bessere Verwertung<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Ressourcen jetzt beg<strong>in</strong>nen.<br />

Dazu gehören ferner Pilotprojekte zur Produktions-<br />

und Produktumstellung ebenso<br />

wie Markte<strong>in</strong>führungshilfen für ökologische<br />

Produkte.<br />

Durch den Rückgang <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Investitionen hat sich e<strong>in</strong> Stau bei <strong>der</strong><br />

Sanierung von Abfall-, Abwasser- sowie<br />

von Kläranlagen angesammelt. Um die<br />

hohen Umweltbelastungen und Umweltschäden<br />

zu beseitigen, müssen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong> Ostdeutschland die Investitionen<br />

aufgestockt werden. Insgesamt wird <strong>der</strong><br />

Sanierungsbedarf auf über 200 Mrd. DM<br />

veranschlagt.<br />

Auch muû e<strong>in</strong> Programm zum nachhaltigen<br />

Schutz des Bodens, zum Flächenrecycl<strong>in</strong>g<br />

und zur Sanierung von Altlasten aufgelegt<br />

werden. Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> von<br />

Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen durchzuführenden<br />

Maûnahmen zur Beseitigung <strong>der</strong><br />

gesundheitsgefährdenden Altlastenflächen,<br />

zur Dekontam<strong>in</strong>ation und zur Beschränkung<br />

von Schadstoffe<strong>in</strong>trägen <strong>in</strong> Boden<br />

und Grundwasser verr<strong>in</strong>gert auch den viel<br />

zu hohen Flächenverbrauch. Durch Entsiegelungsmaûnahmen<br />

können Böden rekultiviert<br />

und ihre natürlichen Funktionen wie<strong>der</strong><br />

sichergestellt werden.<br />

2.4. Sozialökologische Forschung und Ausbau<br />

<strong>der</strong> Bildungs- und Hochschul<strong>in</strong>frastruktur<br />

Die Forschungs- und Technologiepolitik<br />

muû genauso wie die Wirtschaftspolitik im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> nachhaltigen Wirtschaftsweise<br />

ökologisch ausgerichtet werden. Schwer-


punkte s<strong>in</strong>d die verstärkte För<strong>der</strong>ung von<br />

Energiespar- und Umwelttechnologien,<br />

von Werkstoff-Forschung, Biotechnologie,<br />

von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

und Umweltbildungsforschung.<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e Qualifizierungsoffensive<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erstausbildung und<br />

<strong>der</strong> Weiterbildung <strong>in</strong> ressourcenschonenden<br />

Technologien.<br />

Für diese Bereiche muû <strong>der</strong> Bund die Mittel<br />

für Forschung und Hochschulbau aufstocken.<br />

Das gilt auch für die Erforschung<br />

<strong>der</strong> globalen Konsequenzen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />

Wirtschaftsweise und die För<strong>der</strong>ung<br />

angepaûter Technologien für Entwicklungslän<strong>der</strong>.<br />

2.5. Umweltverträgliche Wohnungs- und<br />

Städtebauför<strong>der</strong>ung<br />

Die Städtebauför<strong>der</strong>ung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong><br />

den neuen Län<strong>der</strong>n, ist auszuweiten.<br />

Gegenwärtig werden etwa 1,5 Mrd. DM<br />

von Bund und Län<strong>der</strong>n bereitgestellt,<br />

obwohl <strong>der</strong> Sanierungsbedarf, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong> Mischgebieten, historischen Innenstädten,<br />

für Denkmalschutzmaûnahmen, aber<br />

auch <strong>in</strong> re<strong>in</strong>en Wohngebieten und im<br />

Wohnumfeld erheblich höher ist. Die Bundesmittel<br />

für die Städtebauför<strong>der</strong>ung müssen<br />

deshalb m<strong>in</strong>destens verdoppelt werden.<br />

Zugleich muû die künftige Planung versuchen,<br />

die Trennung von Arbeiten und<br />

Wohnen wie<strong>der</strong> aufzuheben, um Berufspendlerströme<br />

zu reduzieren.<br />

3. Für das vorgeschlagene Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />

für Arbeit und Umwelt<br />

und die weiteren Maûnahmen für e<strong>in</strong>e<br />

aktive Innovations- und Strukturpolitik<br />

schlagen wir e<strong>in</strong>en Fonds vor, <strong>der</strong> mit<br />

rund 35 Mrd. DM ausgestattet ist und<br />

bei <strong>der</strong> Kreditanstalt für Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

verwaltet wird. Dieser Fonds wird<br />

gesetzlich im ¹Stabilitäts- und Wachstumsgesetzª<br />

verankert, damit er zweckbestimmt<br />

von privaten Unternehmen<br />

und öffentlicher Hand ausschlieûlich für<br />

den Strukturwandel und die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Infrastruktur e<strong>in</strong>gesetzt wird.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige antizyklische Strukturpolitik<br />

zielt auf mehr Stabilität und Dyna-<br />

mik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft und schafft neue<br />

Arbeitsplätze.<br />

Wenn das gesamtgesellschaftliche Gleichgewicht<br />

verfehlt ist, d. h. bei steigen<strong>der</strong><br />

Massenarbeitslosigkeit und anhalten<strong>der</strong><br />

Investitionsschwäche, erhalten Bund, Län<strong>der</strong><br />

und Geme<strong>in</strong>den sowie private Unternehmen<br />

aus dem Fonds z<strong>in</strong>slose o<strong>der</strong> z<strong>in</strong>sverbilligte<br />

Kredite für Investitionen <strong>in</strong><br />

Schwerpunktbereichen. Die Verz<strong>in</strong>sung<br />

und Tilgung des Fonds muû nach beg<strong>in</strong>nen<strong>der</strong><br />

selbsttragen<strong>der</strong> Wirtschaftsdynamik<br />

aus den stärker flieûenden Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />

zurückflieûen. Damit unterscheidet<br />

sich dieser strukturpolitische Ansatz <strong>in</strong> zwei<br />

wichtigen Punkten von den früheren Konjunkturprogrammen:<br />

Es flieût gezielt <strong>in</strong><br />

den Strukturwandel, und <strong>der</strong> Fonds muû<br />

bei konjunktureller Erholung zurückgezahlt<br />

werden.<br />

E<strong>in</strong>e solche antizyklische Politik ist machbar.<br />

Dazu müssen Geldpolitik und F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

koord<strong>in</strong>iert und <strong>der</strong> ökologische<br />

Strukturwandel angegangen werden. Entzieht<br />

sich die Politik dieser Verantwortung,<br />

trägt sie zur Verschärfung <strong>der</strong> Probleme<br />

bei. Orientiert sie sich an diesen Zielgaben,<br />

kann dies schnell zu e<strong>in</strong>em qualitativen<br />

Wachstum, Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und<br />

e<strong>in</strong>er spürbaren Konsolidierung von Sozialkassen<br />

und öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen führen.<br />

Per Saldo bedeutet das e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren<br />

Schuldenstand, <strong>der</strong> künftigen Generationen<br />

ihre Entwicklungschancen bewahrt.<br />

E<strong>in</strong> <strong>der</strong>artiges Programm hat e<strong>in</strong>e hohe<br />

Selbstf<strong>in</strong>anzierung mit sehr positiven Wirkungen<br />

auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.<br />

Zur f<strong>in</strong>anziellen Grundausstattung<br />

kommen mehrere Quellen <strong>in</strong> Frage:<br />

Umschichtungen im Haushalt, Abbau<br />

umweltschädlicher Investitionen, die Verz<strong>in</strong>sung<br />

aus den Rücklagen <strong>der</strong> Atomkraftwerke,<br />

Kreditaufnahmen des Bundes.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />

147


Antrag I 61<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

Antrag zur aktiven<br />

Beschäftigungspolitik<br />

1. Die Situation<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> Arbeitslosen beträgt über<br />

4,6 Millionen und die Arbeitslosenquote<br />

rd. 12 % ± e<strong>in</strong> Negativ-Rekord. Die<br />

Arbeitslosigkeit ist das drängendste gesellschaftliche<br />

Problem. In e<strong>in</strong>er Gesellschaft,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> nach wie vor <strong>der</strong> soziale Status von<br />

<strong>der</strong> Erwerbstätigkeit abhängt, ist die<br />

Arbeitslosigkeit nicht nur e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles,<br />

son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> soziales Problem.<br />

Die bisherigen Maûnahmen <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

haben ke<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />

Situation bewirkt, die Lage hat sich vielmehr<br />

ständig verschlechtert. Das liegt vor<br />

allem daran, daû nicht Ursachen<br />

bekämpft werden, son<strong>der</strong>n nur Flickschusterei<br />

an Symptomen betrieben wird. Zur<br />

Verr<strong>in</strong>gerung des Haushaltsdefizits werden<br />

ständig die Leistungen <strong>der</strong> öffentlicher<br />

Hand, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Sozialversicherungen,<br />

gekürzt und die Belastungen (Steuern<br />

und Abgaben) erhöht. Das geschieht<br />

aber nicht ausgewogen, son<strong>der</strong>n zu<br />

Lasten <strong>der</strong> Bürger mit kle<strong>in</strong>en und mittleren<br />

E<strong>in</strong>kommen. Die Bundesregierung<br />

betreibt e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> sozialen Ungerechtigkeit.<br />

Ferner führt die Sparpolitik,<br />

die durch die re<strong>in</strong> stabilitätsorientierte<br />

Politik <strong>der</strong> Bundesbank noch unterstützt<br />

wird, zu ger<strong>in</strong>gerer Inlandsnachfrage, da<br />

gerade den Beziehern niedriger E<strong>in</strong>kommen<br />

durch die zunehmenden staatlichen<br />

Belastungen das Geld für den Konsum<br />

fehlt. Diese Deflationspolitik bremst das<br />

Wirtschaftswachstum und ist daher<br />

geradezu kontraproduktiv für die Schaffung<br />

von mehr Arbeitsplätzen.<br />

Die Argumentation <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

wird durch die Schlagworte ¹Standortsicherungª<br />

und ¹Globalisierungª geprägt.<br />

Mit dem H<strong>in</strong>weis auf die Standortsicherung<br />

wird <strong>der</strong> Sozialstaat als wesentlicher<br />

Standortnachteil kritisiert und se<strong>in</strong> Umbau<br />

148<br />

gefor<strong>der</strong>t. Die Kosten des sozialen Standards<br />

seien viel zu hoch und müûten deutlich<br />

reduziert werden. Für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

ist aber nicht die absolute<br />

Höhe <strong>der</strong> Kosten <strong>der</strong> richtige Vergleichsmaûstab,<br />

son<strong>der</strong>n die Kosten im Verhältnis<br />

zur Stundenproduktivität. Hier aber zeigt<br />

sich, daû die Lohnstückkosten <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren <strong>in</strong> Westdeutschland durchschnittlich<br />

ger<strong>in</strong>ger gestiegen s<strong>in</strong>d als im<br />

Durchschnitt <strong>der</strong> wichtigsten Handelspartner.<br />

Von e<strong>in</strong>er Kostenkrise ± hervorgerufen<br />

durch den sozialen Standard ± kann also<br />

ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>.<br />

Die Globalisierung des Wettbewerbs wird<br />

als Begründung dafür angegeben, daû <strong>in</strong><br />

Deutschland ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Arbeitsplätze<br />

entstehen. Bei den hohen Arbeitskosten<br />

<strong>in</strong> Deutschland seien die Unternehmen<br />

geradezu gezwungen, <strong>in</strong> das Ausland<br />

zu gehen, weil es viel billiger sei, dort<br />

(Osteuropa, Fernost) zu produzieren.<br />

Die Haltlosigkeit dieser Argumentation für<br />

die deutsche Wirtschaft <strong>in</strong>sgesamt zeigen<br />

die Handelsbilanzüberschüsse, die<br />

Deutschland gerade gegenüber allen ¹billigenª<br />

osteuropäischen Län<strong>der</strong>n aufweist.<br />

Was an Arbeitsplätzen durch Verlagerung<br />

verlorengeht wird <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Unternehmen<br />

o<strong>der</strong> Branchen durch höhere Exporte wie<strong>der</strong><br />

ausgeglichen. Diese Strukturverschiebungen<br />

mit ihren negativen Beschäftigungswirkungen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Branchen<br />

s<strong>in</strong>d zwar e<strong>in</strong>e Folge <strong>der</strong> Internationalisierung<br />

<strong>der</strong> Märkte, stellen aber nicht die<br />

Hauptursache <strong>der</strong> Beschäftigungsprobleme<br />

dar.<br />

Die entscheidenden Ursachen s<strong>in</strong>d vielmehr:<br />

Durch die unausgewogene und ungerechte<br />

Spar- und Verteilungspolitik ± höhere Belastungen<br />

für Bezieher kle<strong>in</strong>er und mittlerer<br />

E<strong>in</strong>kommen bei gleichzeitiger Entlastung<br />

hoher E<strong>in</strong>kommen und groûer Vermögen ±<br />

wird <strong>der</strong> soziale Konsens aufgekündigt und<br />

damit die Grundlage für den Erfolg <strong>der</strong><br />

sozialen Marktwirtschaft zerstört. Die<br />

überzogene e<strong>in</strong>seitige Belastung des Produktionsfaktors<br />

Arbeit mit Abgaben und


Steuern führt dazu, daû Arbeit immer<br />

weniger bezahlbar ist. Das gilt vor allem<br />

für den Dienstleistungsbereich, <strong>in</strong> dem<br />

reguläre Leistungen zu teuer s<strong>in</strong>d und<br />

nicht nachgefragt werden o<strong>der</strong> als Schwarzarbeit<br />

ausgeführt werden.<br />

Die konzeptionslose Wirtschaftspolitik <strong>der</strong><br />

Bundesregierung bietet ke<strong>in</strong>e verläûliche<br />

Grundlage für längerfristige Unternehmensentscheidungen.<br />

Sie ist das gröûte<br />

Hemmnis für Investitionen.<br />

Forschung und Entwicklung, Bildungswesen<br />

und Existenzgründungen s<strong>in</strong>d die<br />

notwendige Innovationsbasis zur Erhaltung<br />

und Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />

Trotz dieser Erkenntnis wird die För<strong>der</strong>ung<br />

dieser Bereiche immer stärker e<strong>in</strong>geschränkt.<br />

Von e<strong>in</strong>er aktiven Beschäftigungspolitik <strong>der</strong><br />

Bundesregierung zum Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

kann ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Die durchgeführten<br />

Maûnahmen führen vielmehr zu<br />

negativen Beschäftigungseffekten, wie deutlich<br />

an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

zu erkennen ist.<br />

2. Maûnahmen zum nachhaltigen Abbau<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

2.1. Steigerung des Wirtschaftswachstums<br />

Das Bruttosozialprodukt <strong>in</strong> Westdeutschland<br />

ist <strong>in</strong> den 35 Jahren von 1960 bis 1995<br />

zwar real um 270 % und durchschnittlich<br />

um 2,9 % pro Jahr gestiegen.<br />

Diese Steigerung hat aber gerade dazu ausgereicht,<br />

die laufenden Produktivitätsverbesserungen<br />

(2,7 % pro Jahr) auszugleichen,<br />

die zur Erhaltung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit beson<strong>der</strong>s im <strong>in</strong>dustriellen<br />

Bereich notwendig s<strong>in</strong>d und die<br />

letztlich durch die hohe Qualifikation <strong>der</strong><br />

Mitarbeiter erreicht wurden. Die Zahl <strong>der</strong><br />

Erwerbstätigen lag 1995 mit 28,5 Mio. nur<br />

um 8 % höher als 1960 mit 26,4 Mio. Das<br />

durchschnittliche Wirtschaftswachstum<br />

führte also nicht zu e<strong>in</strong>er nennenswerten<br />

Steigerung des Beschäftigungsvolumens. Es<br />

ist aber unbed<strong>in</strong>gt erfor<strong>der</strong>lich zum Ausgleich<br />

<strong>der</strong> Produktivitätssteigerungen. Erst<br />

bei e<strong>in</strong>er Wachstumsrate von mehr als 3 %<br />

ist mit zusätzlichen Arbeitsplätzen zu rechnen.<br />

Solche Wachstumsraten s<strong>in</strong>d aber <strong>in</strong><br />

den letzten Jahren nicht erreicht worden<br />

und werden auch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Prognoserechnung<br />

erwartet. Es müssen daher Maûnahmen<br />

ergriffen werden, die nachhaltig e<strong>in</strong>e<br />

Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit bewirken.<br />

2.2. Direktmaûnahmen zum Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

Die vorhandene hohe Arbeitslosigkeit kann<br />

nur durch e<strong>in</strong> Bündel von Maûnahmen<br />

reduziert werden, die geme<strong>in</strong>sam von den<br />

Tarifpartnern und dem Gesetzgeber durchzuführen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die beiden Schwerpunkte dieser Maûnahmen<br />

s<strong>in</strong>d die Arbeitszeitverkürzung zur<br />

Verteilung des vorhandenen Arbeitsvolumens<br />

auf mehr Beschäftigte sowie die<br />

Beschäftigungsprogramme, <strong>der</strong>en Ziel die<br />

Vergröûerung des Arbeitsvolumens darstellt.<br />

Begleitet werden müssen sie durch<br />

Maûnahmen, die e<strong>in</strong>e Verstärkung <strong>der</strong><br />

Nachfrage im Inland zum Ziel haben, um<br />

e<strong>in</strong> überdurchschnittliches Wachstum zu<br />

erreichen.<br />

Um die Bedeutung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Maûnahmen<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Zielsetzung<br />

Vollbeschäftigung zu veranschaulichen, ist<br />

e<strong>in</strong>e Quantifizierung vorgenommen worden,<br />

die sich im wesentlichen an die Auswertungen<br />

des Instituts für Arbeitsmarktund<br />

Berufsforschung (IAB) anlehnen. Die<br />

Zahlen s<strong>in</strong>d stets nur auf Westdeutschland<br />

bezogen, weil entsprechende Rechnungen<br />

für Gesamtdeutschland noch<br />

nicht vorliegen.<br />

Maûnahmen Zusätzliche Arbeitsplätze<br />

bis zum Jahr 2000<br />

A. Arbeitszeitverkürzung<br />

± Halbierung <strong>der</strong> Überstunden,<br />

Ausgleich durch Freizeit 350000<br />

± Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit,<br />

Steigerung <strong>der</strong> Teilzeitquote<br />

von 19 % auf 24 % 500000<br />

149


± Reduzierung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />

(Wochen- o<strong>der</strong> Jahresarbeitszeit)<br />

um 8 % bei<br />

Lohnausgleich entsprechend<br />

<strong>der</strong> Produktivitätssteigerung 1000 000<br />

± Begleitende Maûnahme:<br />

Unterstützung und Beratung<br />

von kle<strong>in</strong>en und mittleren<br />

Betrieben, die die Arbeitszeit<br />

auf bis zu 30 Stunden/Woche<br />

senken.<br />

B. Arbeitskostensenkung<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Lohnzusatzkosten,<br />

Senkung <strong>der</strong> Beiträge<br />

für die Sozialversicherungen<br />

durch Herausnahme <strong>der</strong><br />

versicherungsfremden Leistungen.<br />

Bei Senkung <strong>der</strong> Beitragssätze<br />

um 1%-Punkt können etwa<br />

100 000 zusätzliche Arbeitsplätze<br />

entstehen. Bei Senkung um rd.<br />

5%-Punkte durch die Herausnahme<br />

<strong>der</strong> versicherungsfremden<br />

Leistungen s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sgesamt 500 000<br />

C. Programme zur Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen<br />

± Investitionsprogramm; mit<br />

10 Mrd. DM Investitionen<br />

können etwa 140 000 Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden.<br />

Bei 35 Mrd. DM entsprechend<br />

1 Prozent<br />

des Brutto<strong>in</strong>landsproduktes 500 000<br />

± Überführen von unbezahlter<br />

Arbeit <strong>in</strong> bezahlte<br />

Arbeit durch kommunale und<br />

regionale Beschäftigungsprogramme,<br />

die ke<strong>in</strong>e<br />

Konkurrenz zu kle<strong>in</strong>en und<br />

mittelständischen Unternehmen<br />

darstellen. Projekte<br />

mit sozialen und ökologischen<br />

Zielen 1000 000<br />

± Begleitende Maûnahmen:<br />

Lohnkostenzuschüsse vor<br />

allem für junge Facharbeiter,<br />

die nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />

ke<strong>in</strong>en Arbeitsplatz f<strong>in</strong>den<br />

150<br />

± f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />

von Existenzgründungen<br />

durch Bereitstellung von<br />

Risikokapital und Bürgschaften.<br />

Anzahl <strong>der</strong> zusätzlichen<br />

Arbeitsplätze <strong>in</strong>sgesamt 3850000<br />

Die Maûnahmen gelten grundsätzlich auch<br />

für Ostdeutschland, auch wenn aufgrund<br />

struktureller Unterschiede die zahlenmäûige<br />

Wirkung dort im E<strong>in</strong>zelfall nicht<br />

genau <strong>der</strong> Entwicklung <strong>in</strong> Westdeutschland<br />

entspricht.<br />

2.3. F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Maûnahmen<br />

Die Maûnahmen zur Erhöhung des<br />

Arbeitsvolumens (Punkt B. und C.) s<strong>in</strong>d<br />

mit erheblichem f<strong>in</strong>anziellen Aufwand verbunden.<br />

Die Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />

sowie die Maûnahmen <strong>der</strong> Beschäftigungsprogramme<br />

s<strong>in</strong>d durch Steuern zu<br />

f<strong>in</strong>anzieren (z.B. Lastenausgleich und Ökosteuern-<br />

nicht Mehrwertsteuer).<br />

Bei den Beschäftigungsprogrammen wird<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Arbeit statt Arbeitslosigkeit<br />

f<strong>in</strong>anziert. Wenn bisher Arbeitslose e<strong>in</strong><br />

Monatse<strong>in</strong>kommen von brutto DM 3000,±<br />

erhalten (z.B. aus e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>etat <strong>der</strong><br />

Bundesanstalt für Arbeit), so können über<br />

1 Million Arbeitsplätze mit e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>anzaufwand<br />

von rd. 7 Mrd. DM geschaffen<br />

werden. Den Maûnahmekosten <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hand stehen Entlastungen gegenüber,<br />

die durch vermiedene Kosten <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit entstehen sowie durch<br />

Mehre<strong>in</strong>nahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.<br />

Die Investitionen werden durch z<strong>in</strong>slose<br />

Kredite f<strong>in</strong>anziert, die nach Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es<br />

Aufschwungs vorneweg aus den dann stärker<br />

flieûenden Steuere<strong>in</strong>nahmen zurückzuzahlen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die Aufwendungen für Investitionen f<strong>in</strong>anzieren<br />

sich mittelfristig zum gröûten Teil<br />

selbst. Die Berechnungen vom WSI ergaben<br />

rd. 70 % und vom IAB sogar 100 %


Rückflüsse <strong>der</strong> aufgewendeten Mittel. Hier<br />

gilt h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Kosten und Entlastungen<br />

dasselbe wie bei den Beschäftigungsprogrammen<br />

mit zusätzlichen positiven<br />

Beschäftigungswirkungen aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>duzierten<br />

Wachstumssteigerung im Inland.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 62<br />

Unterbezirk München<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Wege zur Vollbeschäftigung<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1. Wirtschaftspolitische Problemlage Seite<br />

2. Wege zur Vollbeschäftigung Seite<br />

2.1 Mo<strong>der</strong>nisierungs- und<br />

Beschäftigungsprogramm Seite<br />

2.2 Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

für mehr Beschäftigung Seite<br />

2.3 Europäische Wirtschaftspolitik<br />

Seite<br />

Für uns SozialdemokratInnen kann das<br />

Wirtschaftsleben niemals Selbstzweck se<strong>in</strong>.<br />

Es soll dem Wohlstand aller Menschen<br />

e<strong>in</strong>es Wirtschaftsraumes dienen. Es versorgt<br />

die gesamte Bevölkerung mit materiellen<br />

und immateriellen Gütern. Je<strong>der</strong><br />

Mensch soll <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, sich selbst<br />

e<strong>in</strong> menschenwürdiges E<strong>in</strong>kommen zu<br />

erarbeiten. E<strong>in</strong> Wirtschaftssystem, das<br />

immer mehr Menschen durch erniedrigende<br />

Arbeitslosigkeit ausgrenzt, damit<br />

Reiche reicher werden, ist zu bekämpfen<br />

und zu verän<strong>der</strong>n.<br />

1. Wirtschaftspolitische Problemlage<br />

1.1 Vom ¹Nutzenª <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

In diesem W<strong>in</strong>ter meldete die Bundesanstalt<br />

für Arbeit e<strong>in</strong>en Rekordwert für die<br />

Arbeitslosigkeit. 4,6 Millionen Arbeitssuchende<br />

waren im Februar bei den Arbeitsämtern<br />

gemeldet. Im Jahresdurchschnitt<br />

s<strong>in</strong>d ca. 4,3 Millionen gemeldete Arbeits-<br />

lose zu erwarten. Mit mehr als zwei Millionen<br />

Menschen <strong>in</strong> verdeckter Arbeitslosigkeit<br />

s<strong>in</strong>d mittlerweile wohl ca. 7 Millionen<br />

Menschen ohne bezahlte Arbeit o<strong>der</strong> unterbeschäftigt.<br />

Die Bundesregierung führt mit Verweis auf<br />

diese Entwicklung die Standortdebatte: Die<br />

Löhne müûten runter, die Sozialleistungen<br />

zurückgeschraubt, die Steuern gesenkt, und<br />

ökologische und soziale Auflagen auf e<strong>in</strong><br />

M<strong>in</strong>imum beschränkt werden, um das<br />

¹gesundeª Gew<strong>in</strong>nstreben <strong>der</strong> Unternehmer<br />

nicht zu beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n und die abhängig<br />

Beschäftigten und die Unterbeschäftigten<br />

wie<strong>der</strong> zur Leistung zu motivieren ± die sie<br />

angeblich verloren hätten.<br />

Mit <strong>der</strong> ideologischen Unterstützung durch<br />

neoliberale Wirtschaftstheorien hat die<br />

Bundesregierung die groûe Umverteilungsmasch<strong>in</strong>e<br />

angeworfen. Der Anteil am<br />

Volkse<strong>in</strong>kommen, den die abhängig<br />

Beschäftigten erhielten, ist seit Amtsantritt<br />

<strong>der</strong> Regierung Kohl gefallen, <strong>der</strong> Anteil für<br />

die Vermögensbesitzer, Unternehmen,<br />

Selbständigen gestiegen. Das reichste<br />

Zehntel <strong>der</strong> deutschen Haushalte verfügt<br />

über die Hälfte des Volksvermögens. Und<br />

die Entwicklung hält an. Für 1997 sagen<br />

die Fünf Weisen e<strong>in</strong>en Zuwachs <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen<br />

aus Unternehmertätigkeit, Kapital<br />

und Selbständigkeit von ca. 10 Prozent voraus.<br />

Die abhängig Beschäftigten können<br />

mit ke<strong>in</strong>erlei Zuwächsen rechnen. Hohe<br />

Arbeitslosigkeit und krasse Ungleichverteilung:<br />

Die Entwicklungen stehen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung.<br />

Indem die Bundesregierung vorgibt,<br />

die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, setzt sie<br />

genau diejenigen Maûnahmen durch, die<br />

Geld <strong>in</strong> die Taschen <strong>der</strong> Vermögenden<br />

schaufeln. So wird das soziale Elend von<br />

Millionen <strong>in</strong>strumentalisiert.<br />

1.2 Die wirtschaftlichen Fakten<br />

Diese Dynamik übersehen viele SozialdemokratInnen<br />

und GewerkschafterInnen,<br />

wenn sie sich auf die Argumente <strong>der</strong> Standortunlogik<br />

e<strong>in</strong>lassen. Sie stimmen e<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

das Klagelied.<br />

151


Wenn es e<strong>in</strong>e Maûzahl für die erfolgreiche<br />

Teilnahme am ¹globalisiertenª Welthandel<br />

gibt, dann die Auûenhandelsbilanz: Im Jahr<br />

1996 erwirtschaftete die Bundesrepublik<br />

trotz angeblicher Standort- und Konkurrenzprobleme<br />

e<strong>in</strong>en Auûenhandelsüberschuû<br />

von über 100 Mrd. DM. Für das<br />

erste Halbjahr 1997 ist e<strong>in</strong> weiterer<br />

Zuwachs des Auûenhandels von 5,5 Prozent<br />

vorhergesagt. Deutsche Auûen<strong>in</strong>vestitionen<br />

(die angebliche Kapitalflucht) s<strong>in</strong>d<br />

da nur e<strong>in</strong> schwacher Ausgleich e<strong>in</strong>es<br />

Ungleichgewichts auf den Weltmärkten,<br />

das unsere Wirtschaft begünstigt. Sie s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong> Zeichen für die Stärke deutscher<br />

Unternehmen, nicht für e<strong>in</strong>en schwachen<br />

Standort.<br />

Trotz massiver deutscher Erfolge auf dem<br />

Weltmarkt ist die Lohnquote jedoch gefallen<br />

und nicht gestiegen. Hatten die abhängig<br />

Beschäftigten 1982 noch e<strong>in</strong>en Anteil<br />

von knapp über 70 Prozent am Volkse<strong>in</strong>kommen<br />

(bere<strong>in</strong>igte Lohnquote), so war er<br />

bis 1994 um ca. 4 Prozent auf knapp über<br />

66 Prozent gefallen. Auch die Lohnstückkosten<br />

s<strong>in</strong>d im Vergleich mit an<strong>der</strong>en Industrielän<strong>der</strong>n<br />

(den Hauptkonkurrenten im<br />

<strong>in</strong>ternationalen Handel) ke<strong>in</strong>eswegs gestiegen,<br />

son<strong>der</strong>n gefallen. Doch diese Entwicklung<br />

hat uns nicht ± wie versprochen ± vor<br />

steigen<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit bewahrt.<br />

Auch die Sozialquote ist nicht höher als<br />

Mitte <strong>der</strong> 70er Jahre. Richtig ist jedoch,<br />

daû sich nicht alle Bevölkerungsschichten<br />

gleichmäûig an <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung von<br />

Rente, Arbeitslosigkeit und Gesundheitsfürsorge<br />

beteiligen müssen.<br />

E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Mythos ist die Behauptung,<br />

deutsche Unternehmenssteuern nähmen im<br />

<strong>in</strong>ternationalen Vergleich die Spitzenstellung<br />

e<strong>in</strong>. In Wirklichkeit s<strong>in</strong>d die realen<br />

Steuern <strong>der</strong> Unternehmen im Vergleich<br />

mit an<strong>der</strong>en Industriestaaten durchschnittlich.<br />

Die Abschaffung <strong>der</strong> Vermögenssteuern<br />

hat zudem die Vermögensbesitzer ganz<br />

und gar aus <strong>der</strong> sozialen Verantwortung<br />

entlassen. Überdurchschnittlich hoch s<strong>in</strong>d<br />

h<strong>in</strong>gegen die Steuern und Abgaben auf die<br />

E<strong>in</strong>künfte <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten.<br />

152<br />

Fallende Lohnquote, immense Steuergeschenke<br />

an Wohlhabende und Unternehmen,<br />

ständige Auûenhandelsüberschüsse,<br />

gleichbleibende Sozialquote ± wenn man<br />

die Aussagen <strong>der</strong> Bundesregierung ernst<br />

nimmt, dürfte es die Massenarbeitslosigkeit<br />

längst nicht mehr geben. Daû sich die<br />

Arbeitslosenzahlen nach 15 Jahren konservativer<br />

Wirtschaftspolitik <strong>in</strong> die Höhe<br />

schrauben, spricht nicht gerade für die<br />

Rezepte <strong>der</strong> Bundesregierung. Die <strong>SPD</strong><br />

muû deshalb endlich eigenständige Lösungen<br />

anbieten.<br />

Dazu gehört auch, sich selbstbewuût zu<br />

den Stärken des eigenen Standortes zu<br />

bekennen und sie zu erhalten. Deutschland<br />

gehört immer noch zu den führenden<br />

Industrienationen. Die Bundesregierung<br />

fixiert sich auf Kostenargumente und vernachlässigt<br />

wichtigere Standortfaktoren<br />

sträflich: Bildung, Forschung und Entwicklung,<br />

stabile soziale Verhältnisse, Sicherung<br />

<strong>der</strong> Massenkaufkraft und gute Infrastruktur.<br />

Schwächen auf diesen Gebieten bekämpft<br />

sie nicht o<strong>der</strong> verstärkt sie sogar. Letztendlich<br />

ist die Bundesregierung mit Bundeskanzler<br />

Kohl, F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister Waigel und<br />

Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister Rexrodt voran das<br />

gröûte Problem für den Standort Deutschland.<br />

1.3 Alternative Erklärungen<br />

Der technische und <strong>der</strong> wissenschaftliche<br />

Fortschritt haben uns e<strong>in</strong>en an sich erfreulichen<br />

Zustand beschert: Wir müssen<br />

immer weniger arbeiten, um über dieselben<br />

o<strong>der</strong> sogar steigende Mengen an Gütern<br />

und Dienstleistungen verfügen zu können.<br />

Jahr für Jahr könnten wir mit <strong>der</strong>selben<br />

Zahl an Arbeitskräften <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Zahl<br />

von Stunden ca. 2,5 Prozent mehr Wohlstand<br />

erwirtschaften. Doch dieses ständige<br />

Mehr an Gütern und Diensten f<strong>in</strong>det nicht<br />

den nötigen Absatz. Unsere Produktivität<br />

überholt unseren Verbrauch. Ohne Verbrauch<br />

aber gibt es ke<strong>in</strong> Wirtschaftswachstum;<br />

denn niemand produziert auf Dauer<br />

Waren für die Lagerhalle. Weil <strong>der</strong> Konsum<br />

stockt, blieb das reale Wachstum <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> vergangenen Jahre unterhalb<br />

<strong>der</strong> Schwelle, von <strong>der</strong> an wirklich


mehr Arbeitskräfte nachgefragt werden (2,5<br />

bis 3 Prozent). Seit Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre<br />

wuchs das Brutto<strong>in</strong>landsprodukt real um<br />

nicht mehr als durchschnittlich 1,8 Prozent.<br />

Jedes Zehntel Prozent unterhalb des<br />

Produktivitätszuwachses bedeutet aber den<br />

Verlust von mehr als 35 000 Arbeitsplätzen.<br />

Die Inlandsnachfrage wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

gedämpft wenn Wirtschaft und Staat e<strong>in</strong>en<br />

rigiden Sparkurs fahren, <strong>der</strong> gerade die<br />

Gruppen trifft, die gerne mehr konsumieren<br />

würden. Das real (im Verhältnis zur<br />

niedrigen Inflationsrate) immer noch hohe<br />

Z<strong>in</strong>sniveau hemmt auûerdem die Investitionen<br />

und übt zusätzlichen Druck auf Löhne<br />

und Transfere<strong>in</strong>kommen aus. Zur Zeit<br />

trägt die unnötig strikte Auslegung <strong>der</strong><br />

Maastricht-Kriterien ihren Teil zur Konjunkturzügelung<br />

bei.<br />

1.4 For<strong>der</strong>ungen<br />

Wir for<strong>der</strong>n deshalb alle <strong>SPD</strong>-Funktionäre<br />

und -Mandatsträger <strong>in</strong> Kommunen, Län<strong>der</strong>n,<br />

auf Bundesebene und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europapolitik<br />

auf, sich die wirtschaftlichen<br />

Zusammenhänge bewuût zu machen und<br />

<strong>der</strong> neoliberalen Ungleichheitsideologie<br />

e<strong>in</strong>e Absage zu erteilen. Der E<strong>in</strong>satz von<br />

nachfragestützenden Maûnahmen und<br />

Investitionsprogrammen muû Schwerpunkt<br />

e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik<br />

se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligente Verteilungspolitik,<br />

die wie<strong>der</strong> für e<strong>in</strong>en Ausgleich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen<br />

und Besitzstände e<strong>in</strong>tritt, muû<br />

den Konsum beleben und so Arbeit schaffen.<br />

Daneben ist <strong>der</strong> öffentliche Konsum<br />

<strong>der</strong>maûen zu organisieren, daû ökologische,<br />

soziale, kulturelle, Gesundheits- und<br />

Bildungsbedürfnisse breiter Schichten<br />

befriedigt werden und <strong>der</strong> öffentliche Sektor<br />

weitere Arbeitskräfte absorbiert. Doch<br />

nicht nur Waren und Dienste (ausgedrückt<br />

<strong>in</strong> Gelde<strong>in</strong>kommen) s<strong>in</strong>d gerecht zu verteilen;<br />

verteilt werden muû auch Arbeitszeit.<br />

Nur so geraten die enormen Produktivitätsfortschritte<br />

unserer Volkswirtschaft zum<br />

Nutzen aller.<br />

Die Abwärtsspirale aus Sparpolitik, Entlassungen,<br />

Nachfragedämpfung, Konjunkturzügelung<br />

und Steuerausfällen muû unterbrochen<br />

werden. Investitionsprogramme<br />

müssen das schleppende Wachstum anheizen.<br />

F<strong>in</strong>anzierungsquellen für staatliche<br />

Investitionen und für e<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Beschäftigungspolitik müssen durch e<strong>in</strong>e<br />

gezielte Steuerpolitik konsequent genützt<br />

werden. Die rigide Geldpolitik <strong>der</strong> Bundesbank<br />

muû von e<strong>in</strong>er europäischen Geldpolitik<br />

abgelöst werden, die demokratischer<br />

Steuerung zugänglich gemacht werden soll.<br />

Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik<br />

muû die Gewerkschaften im Kampf um<br />

Arbeitszeitverkürzung und Kaufkrafterhalt<br />

unterstützen und sich gegen den Abbau des<br />

Sozialstaates stellen. Die europäische Wirtschaftspolitik<br />

muû es sich zum Ziel<br />

machen, das e<strong>in</strong>seitige Maastricht-Abkommen<br />

durch Übere<strong>in</strong>künfte zur Sozial- und<br />

Beschäftigungspolitik und durch e<strong>in</strong>e europäische<br />

Steuerharmonisierung auf ausreichend<br />

hohem Niveau zu ergänzen.<br />

2. Wege zur Vollbeschäftigung<br />

2.1 Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Beschäftigungsprogramm<br />

(MOB)<br />

Sozialdemokratische Beschäftigungspolitik<br />

kann schnell entscheidende Fortschritte <strong>in</strong><br />

Richtung Vollbeschäftigung bewerkstelligen.<br />

Als effektives Mittel haben sich Investitionsprogramme<br />

erwiesen, die die Nachfrage<br />

beleben und zugleich die<br />

Investitionsschwäche bekämpfen. Die steigende<br />

Massenarbeitslosigkeit ist seit langem<br />

kaum mehr konjunkturell zu erklären,<br />

denn nach je<strong>der</strong> Konjunkturflaute blieb e<strong>in</strong><br />

höherer Sockel an Arbeitslosen zurück.<br />

Deswegen halten wir kurzfristige, antizyklische<br />

Maûnahmen für nicht ausreichend<br />

und plädieren für e<strong>in</strong> mittelfristiges Programm:<br />

Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsund<br />

Beschäftigungsprogramm mit e<strong>in</strong>er<br />

Laufzeit von 10 Jahren und e<strong>in</strong>em Gesamtvolumen<br />

von m<strong>in</strong>destens 400 Mrd. DM,<br />

d. h. den E<strong>in</strong>satz von 40 Mrd. DM jährlich.<br />

E<strong>in</strong> solches Programm hat das Wirtschaftsund<br />

Sozialwissenschaftliche Institut des<br />

DGB konzipiert und bereits durchgerechnet.<br />

Im Rahmen dieses Programmes tritt <strong>der</strong><br />

Staat als Investor auf. Er verwendet die<br />

153


Gel<strong>der</strong> als Investitionen <strong>in</strong> den Bedarfsfel<strong>der</strong>n<br />

Umwelt, Transport und Verkehr, Bildung,<br />

Gesundheit, Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur<br />

und zur Vorbereitung deutscher<br />

Unternehmen auf zukunftsträchtige<br />

Marktsegmente für gesellschaftlich nützliche<br />

Produkte und Dienstleistungen z.B. im<br />

Bereich Ökologie (alternative Energiegew<strong>in</strong>nung,<br />

Abfallentsorgung,...). Insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong> folgende Bereiche sollen die veranschlagten<br />

Geldmittel <strong>in</strong>vestiert werden:<br />

Ausbau <strong>der</strong> Telekommunikations-, Energie-<br />

, und Verkehrsnetze, Erhöhung <strong>der</strong> Ausgaben<br />

für Forschung und Entwicklung,<br />

Reduktion des CO 2-Ausstoûes, Sozialer<br />

Wohnungsbau, Sanierung ökologischer Altlasten,<br />

Ausbau des kommunalen Nahverkehrs,<br />

Ausbau <strong>der</strong> Hochgeschw<strong>in</strong>digkeitsstrecken<br />

<strong>der</strong> Deutschen Bahn AG,<br />

kommunale Abwassersanierung, Aufstokkung<br />

des Pflegepersonals <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesundheitsversorgung.<br />

Damit steigen nicht nur<br />

Bruttosozialprodukt und Beschäftigung, die<br />

Maûnahmen sorgen auch dafür, daû notwendige<br />

strukturelle Anpassungen vorgenommen<br />

werden. Gesellschaftliche Bedürfnisse,<br />

die sich nicht privat f<strong>in</strong>anzieren<br />

lassen, werden gedeckt.<br />

Das Programm wird beson<strong>der</strong>s effektiv,<br />

wenn es durch bestimmte Maûnahmen<br />

flankiert wird. Die durchschnittliche<br />

Wochenarbeitszeit wird <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

ersten fünf Jahre des Programms auf<br />

35 Stunden abgesenkt. Auch an<strong>der</strong>e Formen<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung werden<br />

genutzt. Die Bundesbank begleitet das<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Beschäftigungsprogramm<br />

unterstützend. Die Investitionen<br />

des Programms ziehen private Investitionen<br />

nach sich. Insgesamt kann so mit<br />

e<strong>in</strong>em Beschäftigungseffekt von ca. 2 Mio.<br />

Arbeitsplätzen gerechnet werden. Der Interimsmultiplikator<br />

des <strong>in</strong>vestiven Paketes<br />

wird dann zunächst bei 1,3 liegen und sich<br />

bis auf den Faktor 2,2 erhöhen.<br />

Folgen wir den Vorschlägen des sogenannten<br />

MOB (Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Beschäftigungsprogramm),<br />

werden die Staatsf<strong>in</strong>anzen<br />

langfristig nicht weiter belastet. Die<br />

Maûnahmen f<strong>in</strong>anzieren sich zunächst aus<br />

öffentlicher Kreditaufnahme und <strong>der</strong> kon-<br />

154<br />

sequenten Besteuerung hoher E<strong>in</strong>kommen<br />

und Vermögen ± im Verlauf des Programmes<br />

aber zunehmend aus dem durch das<br />

Wachstum bed<strong>in</strong>gten höheren Steueraufkommen<br />

und aus <strong>der</strong> Ersparnis, die e<strong>in</strong>tritt,<br />

wenn Leistungsempfänger zu Beitragszahlern<br />

werden. Die Kosten <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

beliefen sich 1993 bereits auf<br />

153,1 Mrd. DM (Direkte Kosten wie ALG/<br />

ALH (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe),<br />

Sozialhilfe, ABM/U&B (Arbeitsbeschaffungsmaûnahmen,<br />

Umschulungen und<br />

Bildung) 99,5 Mrd, <strong>in</strong>direkte Kosten, entgangene<br />

Steuern, entgangene Sozialversicherungsbeiträge<br />

53,6 Mrd.). Die Kosten<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen aufgrund <strong>der</strong> Verschlechterung<br />

<strong>der</strong> Situation weiter gestiegen. Dabei<br />

s<strong>in</strong>d die gesellschaftlichen Kosten (entgangene<br />

Nettoe<strong>in</strong>kommen ca. 87 Mrd) noch<br />

nicht e<strong>in</strong>gerechnet.<br />

2.2 Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik für mehr Beschäftigung<br />

Steuerpolitik ist e<strong>in</strong> zentrales Element <strong>der</strong><br />

Beschäftigungspolitik. Sie sorgt für e<strong>in</strong>e<br />

gerechte und volkswirtschaftlich s<strong>in</strong>nvolle<br />

Verteilung von Vermögen und E<strong>in</strong>kommen<br />

und trägt zur F<strong>in</strong>anzierung staatlicher<br />

Maûnahmen (wie z.B. des MOB o<strong>der</strong> europäischer<br />

Programme) bei. Die <strong>SPD</strong> muû<br />

mit e<strong>in</strong>em schlüssigen Reformkonzept an<br />

die Öffentlichkeit treten und ihre Kompetenz<br />

offen zur Schau stellen.<br />

Die steuerliche Umverteilung von unten<br />

nach oben hat nach 14 Jahren konservativliberaler<br />

Regierung e<strong>in</strong> unerträgliches Ausmaû<br />

erreicht. Von 1990 bis 1995 stieg die<br />

Lohnsteuer, also die Steuer <strong>der</strong> nicht selbständig<br />

Tätigen, von 181 Milliarden DM<br />

im Jahr 1990 auf 283 Milliarden DM im<br />

Jahre 1995, das ist e<strong>in</strong> Anstieg um 56 %.<br />

Die veranlagte E<strong>in</strong>kommensteuer sank von<br />

1990 bis 1995 von 36,5 Milliarden auf<br />

gerade noch 14 Milliarden DM, das ist e<strong>in</strong><br />

Rückgang um 62 %. Die Körperschaftssteuer<br />

(Die Ertragssteuer <strong>der</strong> Kapitalgesellschaften)<br />

g<strong>in</strong>g von 1990 bis 1995 um 40 %<br />

zurück.<br />

Die Bonner Regierung hat <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren zahlreiche gröûere o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>ere<br />

¾n<strong>der</strong>ungen des Steuerrechts durchgeführt.


Ende Januar hat sie das Vorhaben e<strong>in</strong>er<br />

umfassenden E<strong>in</strong>kommensteuerreform<br />

bekanntgegeben, die folgende Ziele verfolgt:<br />

Das Wirrwar von Bestimmungen soll<br />

gelichtet und das Steuersystem radikal vere<strong>in</strong>facht<br />

werden. Die Steuerquote soll<br />

gesenkt werden, BezieherInnen hoher E<strong>in</strong>kommen<br />

sollen durch die Reduzierung des<br />

Spitzensteuersatzes, die Unternehmen<br />

durch die Senkung <strong>der</strong> Körperschaftssteuer<br />

entlastet werden; damit möchte man die<br />

Investitionen ankurbeln. Bislang sprechen<br />

die Ergebnisse konservativ-liberaler Politik<br />

nicht dafür, daû diese Ziele erreicht werden:<br />

Denn das Ergebnis <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong><br />

Regierung s<strong>in</strong>d wegen <strong>der</strong> steigenden<br />

Abgabenbelastung stagnierende o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>kende<br />

Massene<strong>in</strong>kommen, zerrüttete<br />

Staatsf<strong>in</strong>anzen und e<strong>in</strong> wachsendes Heer<br />

von Arbeitslosen. Dem setzen wir erfolgversprechende<br />

sozialdemokratische<br />

Reformvorschläge entgegen.<br />

2.2.1 Leitl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>es sozialdemokratischen<br />

Reformkonzeptes<br />

* Gerechtigkeit und E<strong>in</strong>fachheit<br />

Hauptanliegen e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen<br />

Steuerreformpolitik ist und bleibt es, das<br />

Steuerrecht gerechter und e<strong>in</strong>facher zu<br />

machen. Die oben dargestellte Entwicklung<br />

des Anteils <strong>der</strong> Lohnsteuer, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

und <strong>der</strong> Körperschaftssteuer am<br />

Steueraufkommen muû rückgängig<br />

gemacht werden. Das Steuerrecht muû<br />

grundlegend vere<strong>in</strong>facht werden. E<strong>in</strong> kompliziertes<br />

und undurchschaubares Steuersystem<br />

nutzt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />

Gruppe von cleveren Spitzenverdienern.<br />

Die Komplizierung unseres Steuersystems<br />

ruft <strong>in</strong>zwischen schwerwiegende Steuerungerechtigkeiten<br />

hervor, die das Vertrauen<br />

<strong>der</strong> Bürger <strong>in</strong> unser Geme<strong>in</strong>wesen erschüttern.<br />

* Besteuerung nach <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Besteuerung nach <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />

bedeutet, daû mit steigendem<br />

E<strong>in</strong>kommen auch die steuerliche Belastung<br />

wächst. Die Nichterfassung von<br />

E<strong>in</strong>kommen o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteilen stellt<br />

deshalb bereits e<strong>in</strong>en Verstoû gegen den<br />

Grundsatz <strong>der</strong> Besteuerung nach <strong>der</strong> Lei-<br />

stungsfähigkeit dar. Unhaltbar ist es, wenn<br />

schon Arbeitnehmer mit mittleren E<strong>in</strong>kommen<br />

durch Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />

für jede zusätzlich verdiente<br />

Mark mehr abführen müssen als<br />

Bezieher hoher E<strong>in</strong>kommen. Inakzeptabel<br />

ist es auûerdem, daû Möglichkeiten zur<br />

Steuergestaltung umso besser genutzt werden<br />

können, je höher das E<strong>in</strong>kommen ist.<br />

* Transparenz und Akzeptanz <strong>der</strong> Besteuerung<br />

Die meisten Steuerpflichtigen verstehen die<br />

Steuergesetze nicht mehr und miûtrauen<br />

ihnen deshalb. Und selbst Steuerbeamte<br />

und Steuerberater s<strong>in</strong>d zunehmend nicht<br />

mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, das steuerrechtliche<br />

Regelungsdickicht zu durchschauen. Wenn<br />

<strong>der</strong> Bürger das Steuersystem nicht mehr<br />

akzeptiert, wan<strong>der</strong>t er leichter <strong>in</strong> die Schattenwirtschaft<br />

ab und die Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />

greift um sich. Steuervere<strong>in</strong>fachung<br />

und konsequente Bekämpfung <strong>der</strong> Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />

s<strong>in</strong>d deshalb fester Bestandteil<br />

e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen Steuerreformpolitik.<br />

* Bedeutung für die Wirtschaftspolitik<br />

Staatliche Maûnahmen bedürfen e<strong>in</strong>er soliden<br />

F<strong>in</strong>anzierung. In <strong>der</strong> sozialen Marktwirtschaft<br />

übernimmt <strong>der</strong> Staat diejenigen<br />

Aufgaben, <strong>der</strong>er sich die Privatwirtschaft<br />

nicht ausreichend widmet (Beschäftigung<br />

sichern, ausreichende E<strong>in</strong>kommen garantieren,<br />

Umweltschutz gewährleisten und<br />

soziale Sicherheit schaffen). Es macht deswegen<br />

ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, den Umfang <strong>der</strong><br />

öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen zu verr<strong>in</strong>gern.<br />

E<strong>in</strong>kommen, das von se<strong>in</strong>en BezieherInnen<br />

nicht <strong>in</strong> den Kreislauf zurückgeschleust<br />

und damit zur effektiven Nachfrage wird,<br />

sollte vom Staat stärker abgeschöpft und<br />

für gesellschaftlich nützliche Zwecke und<br />

die Unterstützung von Unternehmen verwendet<br />

werden.<br />

* Bedeutung für die Verteilungspolitik<br />

Angesichts <strong>der</strong> Zunahme von E<strong>in</strong>kommensarmut<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik besteht aller<br />

Grund, die unteren Erwerbse<strong>in</strong>kommen<br />

steuerlich zu entlasten. An<strong>der</strong>erseits gibt es<br />

angesichts zunehmen<strong>der</strong> Konzentration<br />

155


von E<strong>in</strong>kommen und Vermögen bei e<strong>in</strong>er<br />

kle<strong>in</strong>en Schicht von Reichen ke<strong>in</strong>erlei<br />

Grund, die Steuern für die oberen E<strong>in</strong>kommen<br />

durch Herabsetzung des Spitzensteuersatzes<br />

zu senken o<strong>der</strong> sie für Vermögen<br />

sogar ganz abzuschaffen.<br />

2.2.2 Vorschläge für die sozialdemokratische<br />

Gestaltung e<strong>in</strong>er Steuerreform<br />

* Ertragssteuern<br />

Zu den Ertragssteuern gehören vor allem<br />

die Lohnsteuer, die veranlagte E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />

und die Körperschaftssteuer.<br />

Die Entwicklung h<strong>in</strong> zum ¹Lohnsteuerstaatª<br />

(s.o.) muû rückgängig gemacht werden.<br />

Hierzu muû e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kommensteuerreform<br />

mit folgenden Prämissen durchgeführt werden.<br />

± Entlastung <strong>der</strong> unteren und mittleren<br />

E<strong>in</strong>kommen<br />

± Gegenf<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> unteren und<br />

mittleren E<strong>in</strong>kommen durch Abbau<br />

ungerechtfertigter Vergünstigungen<br />

(Steuerschlupflöcher)<br />

Dies wird durch folgende Maûnahmen<br />

erreicht:<br />

± Anhebung des Grundfreibetrages und<br />

e<strong>in</strong>en niedrigeren E<strong>in</strong>gangssteuersatz<br />

deutlich unter dem bisherigen, möglichst<br />

unter 20 %.<br />

± Beibehaltung des Spitzensteuersatzes.<br />

± Verbreiterung <strong>der</strong> Bemessungsgrundlage<br />

durch verstärkten Abbau ungerechtfertigter<br />

Vergünstigungen:<br />

± im Bereich stiller Reserven,<br />

± bei <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Abschreibungsmöglichkeiten<br />

± durch volle Besteuerung <strong>der</strong> Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />

aus F<strong>in</strong>anzanlagen.<br />

* Substanzsteuern<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Substanzsteuern am Steueraufkommen<br />

wird durch den Wegfall <strong>der</strong><br />

Vermögenssteuer ger<strong>in</strong>ger. E<strong>in</strong> höherer<br />

Anteil <strong>der</strong> Besteuerung von Vermögen am<br />

Gesamtsteueraufkommen ist aus verteilungspolitischer<br />

Sicht notwendig.<br />

156<br />

Deshalb s<strong>in</strong>d folgende konkrete For<strong>der</strong>ungen<br />

notwendig:<br />

* E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Solidarbeitrags <strong>der</strong> groûen<br />

Vermögensbesitzer. Folgende Abgaben<br />

sollen jährlich (10 Jahre lang) erhoben werden:<br />

1 % bei e<strong>in</strong>em Nettovermögen von 2,5 bis<br />

10 Millionen DM<br />

2 % bei 10 bis 100 Millionen DM<br />

3 % bei mehr als 100 Millionen DM<br />

Es gilt somit e<strong>in</strong> Freibetrag von 2,5 Millionen<br />

DM<br />

Alternativ dazu könnte e<strong>in</strong>e verfassungskonforme<br />

Revitalisierung <strong>der</strong> Vermögenssteuer<br />

erfolgen. Bei e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>artigen<br />

Besteuerung (beispielsweise 1 v.H. auf<br />

Marktwerte) könnte man pro Jahr ca.<br />

47 Milliarden DM erzielen.<br />

* Verbrauchsteuern<br />

Die bedeutendste Verbrauchsteuer ist die<br />

Mehrwertsteuer. Sie ist aus sozialdemokratischer<br />

Sicht tendenziell ungerecht: Die<br />

Unternehmen wälzen höhere Mehrwertsteuern<br />

über den Preis auf den Endverbraucher<br />

ab; Menschen mit wenig E<strong>in</strong>kommen,<br />

die e<strong>in</strong>en groûen Teil ihres<br />

E<strong>in</strong>kommen für die Lebenshaltung ausgeben<br />

müssen, s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />

Besteuerung vergleichsweise stärker betroffen<br />

als die Bezieher hoher E<strong>in</strong>kommen, die<br />

mehr sparen können. Die Erhöhung <strong>der</strong><br />

Mehrwertsteuer ist deshalb abzulehnen.<br />

2.3 Europäische Wirtschaftspolitik<br />

Der Begriff ¹Globalisierungª für <strong>in</strong>ternationale<br />

wirtschaftliche Entwicklungen verfälscht<br />

die realen Gegebenheiten. Denn es<br />

handelt sich nicht wirklich um globale,<br />

alle Län<strong>der</strong> und Regionen <strong>der</strong> Erde gleichermaûen<br />

betreffende Trends. Intensiviert<br />

hat sich vielmehr <strong>der</strong> Austausch und<br />

die Konkurrenz <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> und zwischen<br />

den <strong>in</strong>dustriellen Kernregionen <strong>der</strong><br />

Erde: Europa, die Nafta und die ostasiatische<br />

Region. Für die Bundesrepublik ist<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsraum EU wichtiger als alle<br />

Schwellenlän<strong>der</strong> Südostasiens o<strong>der</strong> die<br />

Reformstaaten Mittel- und Osteuropas


zusammen. Die Zahlen belegen dies:<br />

55 Prozent des deutschen Auûenhandels<br />

werden mit EU-Staaten abgewickelt,<br />

67 Prozent betreffen die G7-Staaten. Von<br />

den deutschen Direkt<strong>in</strong>vestitionen bleiben<br />

immerh<strong>in</strong> 62 Prozent <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU, <strong>in</strong> die<br />

mittel- und osteuropäischen Reformlän<strong>der</strong><br />

gehen gerade 4,3 Prozent, nach Asien nur<br />

1,6 Prozent <strong>der</strong> Mittel.<br />

Deutschland ist aufgrund se<strong>in</strong>er wirtschaftlichen<br />

Führungsstellung <strong>in</strong> Europa <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage, den wirtschaftspolitischen Kurs <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> EU entscheidend zu bee<strong>in</strong>flussen. Die<br />

deutsche Politik muû diesen E<strong>in</strong>fluû geltend<br />

machen und kooperative Strategien<br />

verfolgen: Wir wollen e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />

europäische Wirtschaftspolitik, die sich<br />

zum Ziel setzt, Steuern und Sozialstandards<br />

zu harmonisieren und Wachstum und<br />

Beschäftigung durch konzertierte Investitionsprogramme<br />

zu sichern. Wir s<strong>in</strong>d auûerdem<br />

für e<strong>in</strong>e Währungsunion, die Berechenbarkeit<br />

schafft, ohne durch<br />

unangemessene Stabilitätskriterien Konjunktur<br />

und Beschäftigung zu gefährden.<br />

2.3.1 Europäische Steuerpolitik<br />

Wenn alle an<strong>der</strong>en Voraussetzungen gleich<br />

s<strong>in</strong>d, wan<strong>der</strong>n Unternehmen an den Standort<br />

ab, <strong>der</strong> mit den niedrigsten Steuern<br />

wirbt. Deswegen zw<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>seitige Steuersenkungen<br />

e<strong>in</strong>er Nation vergleichbare<br />

Standorte ihrerseits zu Senkungen. Zwei<br />

Jahrzehnte europäischer Steuersenkungswettlauf<br />

haben so dazu geführt, daû die<br />

Belastungen auf den Produktionsfaktor<br />

Kapital ständig zurückgegangen, die auf<br />

den Faktor Arbeit jedoch gestiegen s<strong>in</strong>d.<br />

Zwischen 1980 und 1994 wachsen Steuern<br />

und Abgaben auf Arbeit von 34,7 auf<br />

40,5 Prozent, diejenigen auf Kapital, selbständige<br />

Arbeit, Energie und natürliche<br />

Ressourcen sanken h<strong>in</strong>gegen von 44,1 auf<br />

35,2 Prozent. Damit verteuert <strong>der</strong> Steuerwettbewerb<br />

Beschäftigung und ist auf diesem<br />

Weg für Arbeitslosigkeit mitverantwortlich.<br />

Auch um den nötigen staatlichen<br />

F<strong>in</strong>anzspielraum zu erhalten, ist e<strong>in</strong>e ausreichende<br />

Besteuerung von Unternehmensgew<strong>in</strong>nen<br />

unverzichtbar. Die Standortfaktoren<br />

Infrastruktur und Bildung,<br />

Forschung, sozialer Friede und e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>takte<br />

Umwelt müssen f<strong>in</strong>anziert werden. Um die<br />

Drehung <strong>der</strong> Abwärtsspirale zu stoppen,<br />

müssen die europäischen Unternehmenssteuern<br />

harmonisiert werden. Die effektiven<br />

Steuersätze müssen dazu angeglichen,<br />

Steueroasen müssen ausgetrocknet werden.<br />

Die wirkungsvolle Besteuerung von Vermögense<strong>in</strong>künften<br />

kann bislang umgangen<br />

werden, weil Z<strong>in</strong>sen <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen<br />

Union nicht e<strong>in</strong>heitlich besteuert werden<br />

und das Bankgeheimnis Steuerflüchtige<br />

schützt. E<strong>in</strong>e effektive nationale Besteuerung<br />

von Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künften muû also durch<br />

europäische Maûnahmen flankiert werden.<br />

Wir for<strong>der</strong>n deshalb Kontrollmitteilungen<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute an die F<strong>in</strong>anzbehörden<br />

des Heimatlandes <strong>der</strong> Geldanleger und<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche europäische Quellensteuer.<br />

Diese Quellensteuer sollte nicht<br />

unter den deutschen Quellensteuersätzen<br />

liegen. E<strong>in</strong> Steuersatz von nur 15 Prozent<br />

(wie von <strong>der</strong> europäischen Kommission<br />

vorgeschlagen) ersche<strong>in</strong>t uns zu niedrig<br />

und damit <strong>in</strong>effizient.<br />

Der Preis für e<strong>in</strong>e Harmonisierung von<br />

Unternehmens- und Z<strong>in</strong>ssteuern könnte<br />

für die Bundesrepublik e<strong>in</strong>e Anhebung <strong>der</strong><br />

Mehrwertsteuern se<strong>in</strong>. Im Rahmen <strong>der</strong><br />

europäischen Mehrwertsteuerharmonisierung,<br />

<strong>in</strong>sb. mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung des<br />

Ursprungslandpr<strong>in</strong>zips, wird <strong>der</strong> Druck auf<br />

Deutschland wachsen, se<strong>in</strong>en Normalsatz<br />

von 15 Prozent weiter anzuheben. Auch<br />

aus e<strong>in</strong>em zweiten Grund wird es e<strong>in</strong>en<br />

Trend h<strong>in</strong> zu den <strong>in</strong>direkten Steuern<br />

geben: Die Mehrwertsteuer ist an den<br />

Marktplatz gebunden und damit schwerer<br />

zu umgehen als Steuern auf Vermögenso<strong>der</strong><br />

Unternehmere<strong>in</strong>künfte. Als Sozialdemokraten<br />

müssen wir for<strong>der</strong>n, daû e<strong>in</strong>e<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer als allerletzte<br />

Maûnahme <strong>der</strong> europäischen Steuerharmonisierung<br />

und nur dann erfolgt,<br />

wenn Vermögense<strong>in</strong>künfte und Unternehmensgew<strong>in</strong>ne<br />

ausreichend besteuert wurden.<br />

Sie müûte für die Empfänger von<br />

Sozialtransfers und für die Bezieher von<br />

kle<strong>in</strong>eren und mittleren E<strong>in</strong>kommen kompensiert<br />

werden. Dies kann durch die<br />

Erhöhung von Sozialhilfe, Rentenzahlun-<br />

157


gen, K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld, Wohngeld und BAföG<br />

und die zusätzliche Senkung <strong>der</strong> Lohnsteuer<br />

im unteren Bereich geschehen. E<strong>in</strong><br />

Teil <strong>der</strong> erzielten Mehre<strong>in</strong>nahmen s<strong>in</strong>d auf<br />

diesem Wege an die Bevölkerung zurückzugeben;<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Teil sollte für staatliche<br />

Investitionen, für Bildung und Forschung<br />

und für die Arbeitsför<strong>der</strong>ung<br />

verwendet werden. Güter, die von e<strong>in</strong>kommensschwachen<br />

Haushalten <strong>in</strong> gröûerem<br />

Maûe konsumiert werden, sollten weiterh<strong>in</strong><br />

nur niedrig besteuert werden. Der vorgegebene<br />

Rahmen muû nach unten voll ausgeschöpft<br />

werden. Schon jetzt liegt <strong>der</strong><br />

erniedrigte Mehrwertsteuersatz für Güter<br />

des täglichen Bedarfs mit 7 Prozent über<br />

dem möglichen europäischen M<strong>in</strong>imalwert<br />

von 5 Prozent. Das EU-Recht muû auûerdem<br />

so geän<strong>der</strong>t werden, daû Luxussteuern<br />

erhoben werden können. Mit e<strong>in</strong>er erhöhten<br />

Mehrwertsteuer sollen diejenigen<br />

Güter und Dienste belegt werden, die verstärkt<br />

von Beziehern höherer E<strong>in</strong>kommen<br />

nachgefragt werden.<br />

2.3.2 Investitions<strong>in</strong>itiative<br />

Als groûer B<strong>in</strong>nenmarkt mit e<strong>in</strong>em Auûenhandelsanteil<br />

von wenig über 10 Prozent<br />

ist die EU das ideale Feld für e<strong>in</strong>e breitangelegte<br />

Investitions<strong>in</strong>itiative. Wenn sich<br />

mehrere groûe Mitgliedslän<strong>der</strong> an Aktionen<br />

wie dem MOB (s. 2.2) beteiligen,<br />

kann e<strong>in</strong> höherer Multiplikator (jede <strong>in</strong>vestierte<br />

Mark brächte dann ca. 3 bis<br />

4 Mark) angesetzt werden, als wenn nur<br />

die Bundesrepublik alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Investitionsprogramm<br />

auflegt. E<strong>in</strong> vielversprechendes<br />

Konzept besteht schon seit 1993 im Weiûbuch<br />

¹Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit,<br />

Beschäftigungª <strong>der</strong> Kommission <strong>der</strong> Europäischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaften. Der sogenannte<br />

¹Delors-Planª regt Investitionen <strong>in</strong> transeuropäische<br />

Netze, Entwicklung, Forschung,<br />

Bildung und Ökologie an. E<strong>in</strong><br />

vergleichbares Programm ± auf e<strong>in</strong>en neueren<br />

Stand gebracht ± muû e<strong>in</strong> Kernstück<br />

sozialdemokratischer Europapolitik se<strong>in</strong>.<br />

2.3.3 Währungsunion<br />

Gedeihliche Wirtschaftsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union bedürfen<br />

e<strong>in</strong>er berechenbaren Währungspolitik.<br />

158<br />

Deshalb for<strong>der</strong>n wir die pünktliche E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Währungsunion. Überdacht werden<br />

müssen jedoch die Kriterien, die im<br />

Vertrag von Maastricht für den Beitritt<br />

festgelegt wurden. Als Bed<strong>in</strong>gungen für<br />

e<strong>in</strong>e Teilnahme dürfen e<strong>in</strong>zig e<strong>in</strong>e niedrige<br />

Inflationsrate und die Stabilität <strong>der</strong> Währung<br />

im europäischen Vergleich gelten. Das<br />

Verschuldungskriterium schlieût nicht nur<br />

Län<strong>der</strong> aus, <strong>der</strong>en Geldwert sich seit e<strong>in</strong>iger<br />

Zeit stabilisiert hat, es verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t darüber<br />

h<strong>in</strong>aus Beschäftigungsprogramme, die<br />

wir gerade jetzt angesichts <strong>der</strong> hohen<br />

Arbeitslosigkeit für nötig halten. Geradezu<br />

katastrophal werden sich die Vere<strong>in</strong>barungen<br />

des Stabilitätspaktes (sog. Waigel-Pakt)<br />

auswirken. Sie würden den Regierungen<br />

jegliche Möglichkeit nehmen, auf Konjunkture<strong>in</strong>brüche<br />

angemessen zu reagieren. Wir<br />

for<strong>der</strong>n deswegen regelmäûige Konferenzen,<br />

auf denen das Defizit- und das Verschuldungskriterium<br />

je nach Wirtschaftsund<br />

Beschäftigungslage differenziert festgesetzt<br />

werden.<br />

Der Vertrag von Maastricht muû auûerdem<br />

um e<strong>in</strong>e beschäftigungspolitische Komponente<br />

ergänzt werden. Da es konkurrenzschwächeren<br />

Län<strong>der</strong>n nicht mehr möglich<br />

se<strong>in</strong> wird, Wettbewerbsfähigkeit durch<br />

Abwertung <strong>der</strong> Landeswährung herbeizuführen,<br />

wird sich <strong>der</strong> Druck im sozialen<br />

und ökologischen Bereich verstärken. Die<br />

teilnehmenden Län<strong>der</strong> müssen deshalb darauf<br />

festgelegt werden, die jetzigen Niveaus<br />

<strong>in</strong> den genannten Politikfel<strong>der</strong>n beizubehalten.<br />

E<strong>in</strong> ¹Verschlechterungsverbotª <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sozial- und Ökologiepolitik muû also<br />

die Währungsunion flankieren.<br />

Die Währungsunion ist auch deswegen<br />

wünschenswert, um die geldpolitische<br />

Hegemonie <strong>der</strong> Bundesbank zu beenden.<br />

Bislang bestimmt die Bundesbank de facto<br />

die europäische Geldpolitik, ohne daû die<br />

betroffenen Län<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Chance hätten,<br />

die Haltung <strong>der</strong> deutschen Zentralbank zu<br />

bee<strong>in</strong>flussen. Der rigide Kurs <strong>der</strong> Bundesbank<br />

hemmt durch relativ hohe Realz<strong>in</strong>sen<br />

die Investitionen und verschärft die<br />

Beschäftigungslage zusätzlich. E<strong>in</strong>e europäische<br />

Zentralbank sollte verpflichtet werden,<br />

neben <strong>der</strong> Geldwertstabilität an<strong>der</strong>e


gleichrangige wirtschaftspolitische Ziele<br />

(<strong>in</strong>sb. Wachstum und Vollbeschäftigung) zu<br />

verfolgen. Wir unterstützen deshalb den<br />

Antrag des Juso-Landesbezirks, <strong>der</strong> folgendes<br />

vorsieht: Die EZB wird dem Europa-<br />

Parlament rechenschaftspflichtig. Das Parlament<br />

wählt die Direktoriumsmitglie<strong>der</strong>.<br />

Für beson<strong>der</strong>e Konfliktfälle <strong>in</strong> Phasen <strong>der</strong><br />

Rezession entscheidet e<strong>in</strong>e Schiedskommission<br />

± zusammengesetzt aus Mitglie<strong>der</strong>n<br />

des europäischen Parlamentes und <strong>der</strong><br />

Zentralbank, aus Arbeitgeber- und<br />

Gewerkschaftsvertretern ± über die geeignete<br />

Geldpolitik.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 63<br />

Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Sozialdemokratische Wege<br />

aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />

Erfor<strong>der</strong>lich ist . . . 1. E<strong>in</strong> neuer Gesellschaftsvertrag<br />

Wir wollen. . . . . . . 2. Die neoliberale<br />

Globalisierung<br />

politisch bekämpfen.<br />

Die . . . . . . . . . . . . . 3. Krise <strong>der</strong> Erwerbsarbeit<br />

ist e<strong>in</strong>e . . . . . . . . . . 4. Bedrohung <strong>der</strong> sozialen<br />

Sicherheit<br />

Wir schlagen . . . . . 5. Wege aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />

vor und wollen, daû 6. Europa als sozialer<br />

Kont<strong>in</strong>ent<br />

gestaltet wird.<br />

Dazu brauchen wir 7. E<strong>in</strong>e neue soziale<br />

Bewegung<br />

1. E<strong>in</strong> neuer Gesellschaftsvertrag<br />

1.1. Kohl und die Koalition aus CDU,<br />

CSU und F.D.P. haben bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />

<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit kläglich<br />

versagt. Noch nie gab es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

mehr Erwerbslose als im Januar<br />

1997, die Tendenz ist weiter steigend. Die-<br />

ser traurige Nachkriegsrekord von etwa<br />

4,7 Millionen wurde zuletzt im Deutschen<br />

Reich im Jahr 1933 überschritten. ...<br />

1.2. Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik<br />

<strong>der</strong> Regierung Kohl ist gescheitert.<br />

Auch mit e<strong>in</strong>er Erhöhung <strong>der</strong> Massenkaufkraft<br />

und <strong>der</strong> Erschlieûung neuer Wachstumsfel<strong>der</strong><br />

alle<strong>in</strong> wird sich die Arbeitslosigkeit<br />

nicht beseitigen lassen. Das<br />

ökonomisch erreichbare und ökologisch<br />

verantwortbare Wachstum wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regel h<strong>in</strong>ter dem Anstieg <strong>der</strong> Produktivität<br />

zurückbleiben.<br />

1.3. Diese Entwicklung hebelt den <strong>in</strong>dustriellen<br />

Gesellschaftsvertrag aus. Immer<br />

mehr Waren und Dienstleistungen werden<br />

erzeugt, ohne daû entsprechendes E<strong>in</strong>kommen<br />

auf <strong>der</strong> Nachfrageseite entsteht. Wenn<br />

die alte Industriegesellschaft an ihrer<br />

Fähigkeit scheitert, gesellschaftlichen<br />

Wohlstand mit immer weniger menschlicher<br />

Arbeitskraft zu schaffen, muû e<strong>in</strong><br />

neuer Gesellschaftsvertrag zur Sicherung<br />

von E<strong>in</strong>kommen und Beschäftigung für alle<br />

geschlossen werden.<br />

1.4. Diese Aufgabe ist von existenzieller<br />

Bedeutung für die Zukunft, sie ist e<strong>in</strong>e<br />

politische Geme<strong>in</strong>schaftsaufgabe, die nicht<br />

alle<strong>in</strong> von den Tarifvertragspartnern bewältigt<br />

werden kann. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />

und Sozialdemokraten wollen uns dieser<br />

Aufgabe stellen: Es geht um die<br />

demokratische Neugestaltung <strong>der</strong> Arbeit<br />

und um die Teilhabe an E<strong>in</strong>kommen.<br />

2. Die neoliberale Globalisierung<br />

2.1. Die Globalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Lohnm<strong>in</strong>imierung<br />

und des Abbaus von Arbeitnehmerrechten<br />

führt zur sozialen Krise und untergräbt<br />

die Grundlagen <strong>der</strong> sozialen<br />

Sicherungssysteme. Dabei ist nicht die<br />

<strong>in</strong>ternationale Integration <strong>der</strong> Produktionsund<br />

Dienstleistungssysteme das eigentliche<br />

Problem, son<strong>der</strong>n diese Form <strong>der</strong> Globalisierung,<br />

durch die kulturelle, soziale und<br />

politische Strukturen aufgelöst werden.<br />

2.2. Die Begrenzung des ru<strong>in</strong>ösen <strong>in</strong>ternationalen<br />

Wettbewerbs, solange er unter<br />

159


ungleichen sozialen und ökologischen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen stattf<strong>in</strong>det, ist e<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />

zur langfristigen Sicherung unseres<br />

Sozialstaates. Wir werden uns deshalb<br />

dafür e<strong>in</strong>setzen, daû <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Abkommen Sozial- und Umweltnormen<br />

e<strong>in</strong>geführt werden, die unerläûliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />

darstellen, um die soziale Sicherheit<br />

und die Natur zu erhalten und gleichzeitig<br />

akzeptable Standards <strong>in</strong> den heutigen<br />

Billiglohnlän<strong>der</strong>n aufzubauen.<br />

2.3. E<strong>in</strong>e sozialdemokratische Alternative<br />

zur neoliberalen Wirtschaftspolitik muû<br />

weiter vor allem auch Unternehmen schützen<br />

und för<strong>der</strong>n, die bereit s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>novative<br />

Produkte zu entwickeln. Dieser produktive<br />

Teil <strong>der</strong> Wirtschaft wird bedroht durch die<br />

kurzfristigen und spekulativen Interessen<br />

auf den globalisierten Geld- und F<strong>in</strong>anzmärkten.<br />

Grundsätzlich kann diesem Problem<br />

nur <strong>in</strong>ternational durch die E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>er Transaktionssteuer <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auf F<strong>in</strong>anzspekulationen begegnet werden.<br />

3. Krise <strong>der</strong> Erwerbsarbeit<br />

3.1. In neoliberalen Politik- und Wirtschaftszirkeln<br />

wird davon ausgegangen, daû<br />

künftig nur noch e<strong>in</strong> Fünftel <strong>der</strong> arbeitsfähigen<br />

Bevölkerung für den Erwerbsarbeitsmarkt<br />

benötigt wird, die verbleibenden<br />

80 Prozent müûten durch Unterhaltung<br />

und gerade ausreichende Ernährung ruhiggestellt<br />

werden. Diese ¹Visionª e<strong>in</strong>er<br />

Zukunftsgesellschaft ist menschenverachtend,<br />

sie spaltet die Gesellschaft und verabschiedet<br />

sich letztlich vom demokratisch<br />

verfuûten Sozialstaat.<br />

3.2. Auch wir erkennen, daû <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft das Erwerbsarbeitsvolumen<br />

ständig ger<strong>in</strong>ger wird. Die Arbeitsplatzverluste<br />

können auch nicht durch neue<br />

Beschäftigung im Dienstleistungssektor<br />

ausgeglichen werden, weil die Produktivitätssprünge<br />

gerade im tertiären Bereich zu<br />

gravierenden neuen Beschäftigungse<strong>in</strong>brüchen<br />

führen werden.<br />

3.3. Gleichwohl treten wir für e<strong>in</strong>e ökologische<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Wirtschaft e<strong>in</strong>,<br />

mit <strong>der</strong> Arbeitsplätze durch qualitatives<br />

160<br />

Wachstum gesichert o<strong>der</strong> geschaffen werden<br />

können. Dabei soll <strong>der</strong> Schwerpunkt<br />

bei <strong>der</strong> Unterstützung kle<strong>in</strong>erer und mittlerer<br />

Betriebe gesetzt werden, weil dort die<br />

Chance für zusätzliche Arbeitsplätze am<br />

gröûten ist.<br />

3.4. Wir wollen ke<strong>in</strong>en Abbau, son<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>en Ausbau <strong>der</strong> arbeitsmarktpolitischen<br />

Instrumente und e<strong>in</strong>e grundlegende<br />

Reform <strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ung, durch die<br />

e<strong>in</strong>e aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik<br />

gesetzlich vorgeschrieben wird. Die<br />

Träger von Maûnahmen im sogenannten<br />

2. Arbeitsmarkt und die TeilnehmerInnen<br />

benötigen längerfristige Planungssicherheiten.<br />

Deshalb müssen die För<strong>der</strong>ungs<strong>in</strong>strumente<br />

verstetigt werden. Die F<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> aktiven Arbeitsmarktpolitik ist e<strong>in</strong>e<br />

staatliche Aufgabe und muû aus allgeme<strong>in</strong>en<br />

Steuermitteln erfolgen.<br />

3.5. Aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für sozial<br />

benachteiligte Menschen wichtige und<br />

unverzichtbare sozialpolitische Instrumente,<br />

durch sie kann die Erwerbsarbeitskrise<br />

aber nicht bewältigt werden. Prognosen<br />

gehen davon aus, daû <strong>in</strong> wenigen<br />

Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union zusätzlich<br />

15 Millionen Erwerbsarbeitsplätze fehlen<br />

werden, was e<strong>in</strong>er Verdoppelung <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong>zeitigen Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> Europa entsprechen<br />

würde. Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

kann Vollbeschäftigung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />

35-Stundenwoche für alle, die erwerbsarbeiten<br />

wollen und können, nicht dargestellt<br />

werden. Diese Entwicklung verän<strong>der</strong>t die<br />

Gesellschaft so grundlegend und radikal<br />

wie die Industrialisierung. Wir müssen lernen,<br />

über die traditionelle Erwerbsarbeitsgesellschaft<br />

h<strong>in</strong>auszudenken.<br />

4. Bedrohung <strong>der</strong> sozialen Sicherheit<br />

4.1. Durch die enge B<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Absicherung<br />

allgeme<strong>in</strong>er Lebensrisiken an die<br />

durch Erwerbsarbeit erzielbaren E<strong>in</strong>kommen<br />

ist unser System <strong>der</strong> sozialen Sicherung<br />

unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

gefährdet.


Die konservativ-liberale Bundesregierung<br />

führt <strong>der</strong>zeit vor, wie ihre Problemlösung<br />

aussieht: Leistungskürzungen <strong>in</strong> allen<br />

Sozialversicherungsbereichen, Privatisierung<br />

<strong>der</strong> Risikoabsicherung und Abschaffung<br />

<strong>der</strong> paritätischen Beitragsf<strong>in</strong>anzierung.<br />

Diese Politik stellt unseren erfolgreichen<br />

Sozialstaat <strong>in</strong> Frage und gefährdet die<br />

Demokratie.<br />

4.2. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

wollen die solidarische Absicherung<br />

<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Lebensrisiken für<br />

alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft erhalten<br />

und ausbauen. Durch die Strategie <strong>der</strong><br />

weitgehenden Arbeitszeitverkürzungen<br />

bekämpfen wir wirksam die Massenarbeitslosigkeit<br />

und sichern zugleich die F<strong>in</strong>anzierungsgrundlagen<br />

<strong>der</strong> Sicherungssysteme.<br />

4.3. Kurzfristig müssen die Sozialversicherungssysteme<br />

von allen versicherungsfremden<br />

Leistungen entlastet werden. Die<br />

F<strong>in</strong>anzierung dieser Aufgaben muû aus allgeme<strong>in</strong>en<br />

Steuermitteln erfolgen.<br />

4.4. Unsere Sozialpolitik muû von e<strong>in</strong>er<br />

nachträglich auszugleichenden zu e<strong>in</strong>er<br />

vorbeugenden Sozialpolitik weiterentwikkelt<br />

werden. Die Institutionen des Sozialstaates<br />

müssen effizienter organisiert werden.<br />

Wir setzen uns daher für e<strong>in</strong>e<br />

Verstärkung <strong>der</strong> Prävention auf allen Ebenen<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />

des Arbeitsschutzes e<strong>in</strong>. Die Wirtschafts-,<br />

Verkehrs- und Städtebaupolitik<br />

muû an sozial- und gesundheitspolitischen<br />

Zielen orientiert se<strong>in</strong>, um die Schädigung<br />

<strong>der</strong> Menschen und die Verursachung<br />

gesellschaftlicher und <strong>in</strong>dividueller Kosten<br />

zu m<strong>in</strong>imieren.<br />

5. Wege aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />

5.1. Die <strong>SPD</strong> f<strong>in</strong>det sich nicht ab mit den<br />

gesellschafts- und geme<strong>in</strong>schaftszerstörenden<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> strukturellen<br />

Erwerbsarbeitskrise. Sie begreift die künftige<br />

soziale Gestaltung und Anerkennung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Dimensionen menschlicher<br />

Tätigkeit und die solidarische Absicherung<br />

allgeme<strong>in</strong>er Lebensrisiken als ihre<br />

zentralen politischen Aufgaben. Die sozial-<br />

demokratische Alternative ist e<strong>in</strong>e solidarische<br />

Gesellschaft, die die Produktivitätsgew<strong>in</strong>ne<br />

für Arbeitszeitverkürzungen und<br />

E<strong>in</strong>kommenssicherung verwendet.<br />

5.2. Die Lösung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />

erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e grundsätzliche Neuorientierung<br />

und e<strong>in</strong>e Handlungsstrategie, die längerfristige<br />

Zielsetzungen für e<strong>in</strong>e künftige<br />

Gesellschaft mit pragmatischen sozial- und<br />

arbeitsmarktpolitischen Konzepten verknüpft.<br />

Die <strong>SPD</strong> will dabei auch die Verengung<br />

des Arbeitsbegriffes auf den Aspekt<br />

<strong>der</strong> Erwerbsarbeit überw<strong>in</strong>den. Die<br />

Erwerbsarbeit als marktvermittelte Tätigkeit<br />

gegen Entgelt ist nur e<strong>in</strong>e geschichtliche<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsform <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustrialisierten<br />

Gesellschaften. Sie ist ke<strong>in</strong><br />

existenzielles Merkmal des Menschen,<br />

obwohl sie häufig so bewertet wird. Eigenarbeit<br />

ohne Tauschbeziehungen und freie<br />

Tätigkeiten müssen als gesellschaftlich<br />

gleichwertig neben die Erwerbsarbeit treten.<br />

5.3. Die notwendige gesellschaftliche Aufwertung<br />

<strong>der</strong> Eigenarbeit (z. B. Hausarbeit,<br />

Erziehungsarbeit) und <strong>der</strong> freien Tätigkeiten<br />

(ehrenamtliche Arbeit) muû verbunden<br />

werden mit e<strong>in</strong>er fairen Verteilung und<br />

e<strong>in</strong>er gerechten Bewertung dieser Nichterwerbsarbeiten<br />

zwischen Frauen und Männern.<br />

Die Ausweitung von schlecht bezahlten<br />

und sozial ungesicherten Dienstleistungen<br />

stellt ke<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> Krise des Erwerbsarbeitssystems<br />

dar. E<strong>in</strong>e solche Strategie<br />

führt zu e<strong>in</strong>er Dualgesellschaft: Der e<strong>in</strong>e<br />

Teil gehört zu denjenigen, die durch immer<br />

mehr Erwerbsarbeit immer mehr verdienen,<br />

um sich die Dienste e<strong>in</strong>er wachsenden<br />

Armee schlecht bezahlter Dienstboten zum<br />

persönlichen Vergnügen leisten zu können.<br />

Dieses Lebens- und Erwerbsmodell entspricht<br />

nicht unseren Zielvorstellungen von<br />

e<strong>in</strong>er gerechten Gesellschaft und von e<strong>in</strong>er<br />

gerechten Verteilung <strong>der</strong> bezahlten und<br />

unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und<br />

Männern.<br />

5.4. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

wollen, daû alle Menschen an<br />

161


den Produktivitätsfortschritten teilhaben<br />

und setzen uns im Rahmen des neuen<br />

Gesellschaftsvertrages dafür e<strong>in</strong>, die <strong>in</strong>dividuelle<br />

Zeitautonomie, d.h. die Verfügbarkeit<br />

über die eigene Lebensarbeitszeit, zu<br />

erhöhen. Die Verwirklichung dieser allgeme<strong>in</strong>en<br />

Zielsetzung erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e neue<br />

Arbeitszeit- und E<strong>in</strong>kommenspolitik, durch<br />

die e<strong>in</strong> Recht auf immer weniger Erwerbsarbeit<br />

für alle verbunden wird mit e<strong>in</strong>em<br />

Recht auf zeitweilige Nichtarbeit und entsprechende<br />

Transferleistungen für erwerbsarbeitsfreie<br />

Perioden.<br />

5.5. Die Produktivitätssteigerungen<br />

ermöglichen objektiv weitgehende<br />

Erwerbsarbeitszeitverkürzungen, durch die<br />

die Massenarbeitslosigkeit von Millionen<br />

Menschen transformiert werden könnte zu<br />

e<strong>in</strong>em Recht auf weniger Erwerbsarbeit für<br />

alle. Die bisher von den Gewerkschaften<br />

erkämpften Arbeitszeitverkürzungen haben<br />

nachweisbar positive Beschäftigungseffekte<br />

gehabt. Sie s<strong>in</strong>d vergleichsweise ger<strong>in</strong>g ausgefallen,<br />

weil sie <strong>in</strong> zu kle<strong>in</strong>en Schritten<br />

und über zu lange Zeiträume realisiert<br />

wurden und so teilweise durch Rationalisierungen<br />

neutralisiert werden konnten.<br />

5.6. E<strong>in</strong>e gesamtwirtschaftliche Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit um etwa 20 %<br />

<strong>in</strong> vier Stufen, verbunden mit e<strong>in</strong>er aktiven<br />

Beschäftigungspolitik, führt zu e<strong>in</strong>er weitgehenden<br />

Lösung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise.<br />

Der technologische Fortschritt und <strong>der</strong><br />

wirtschaftliche Strukturwandel sowie die<br />

immer kürzer werdende Halbwertzeit des<br />

erlernten Wissens machen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

e<strong>in</strong> ständiges Um-, Weiter- und Neulernen<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Lebenslanges Lernen<br />

erhält für die Beschäftigten und <strong>der</strong>en Entwicklungsmöglichkeiten<br />

am Arbeitsplatz<br />

e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung. In e<strong>in</strong>em ressourcenarmen<br />

Land ist daher die Qualifizierung<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen, also die ¹Investition<br />

<strong>in</strong> die Köpfe <strong>der</strong> Menschenª e<strong>in</strong>e zentrale<br />

Aufgabe. Angesichts <strong>der</strong> weltwirtschaftlichen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen im<br />

<strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb und <strong>der</strong> Entwicklung<br />

<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Informations- und<br />

Kommunikationstechnologie brauchen wir<br />

e<strong>in</strong>e bundesweite Bildungsoffensive. Daher<br />

162<br />

s<strong>in</strong>d Zeiten <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung auch<br />

verstärkt für Weiterbildung zu nutzen.<br />

E<strong>in</strong>e Politik des ¹Weiterbilden und E<strong>in</strong>stellenª,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschäftigte, auch über längere<br />

Zeiträume, ihre Arbeitszeit verkürzen<br />

und an Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen,<br />

soll gleichzeitig dazu beitragen,<br />

daû Arbeitslose im Rahmen <strong>der</strong> für<br />

Beschäftigung freigewordenen Zeit e<strong>in</strong>gestellt<br />

und <strong>in</strong> die Unternehmen <strong>in</strong>tegriert<br />

werden können. Auf diesem Weg lieûen<br />

sich auch kont<strong>in</strong>uierliche Weiterbildungsprozesse<br />

<strong>in</strong> rollierenden Systemen von<br />

Arbeit und Weiterbildung organisieren.<br />

Diese Strategie <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />

und Weiterbildung muû abgestützt werden<br />

durch die Zahlung von Lohnersatzleistungen<br />

zum teilweisen Ausgleich <strong>der</strong> Nettolohnverluste.<br />

Durch e<strong>in</strong>e solche Strategie<br />

würden E<strong>in</strong>kommen und Erwerbsarbeitszeit<br />

teilweise entkoppelt. Wir wollen vielfältige<br />

Formen <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzungen<br />

ermöglichen, die den spezifischen Notwendigkeiten<br />

<strong>der</strong> Betriebe ebenso wie den<br />

lebensgeschichtlichen Situationen <strong>der</strong><br />

Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen gerecht werden.<br />

Durch die Schaffung von mehr sozialversicherten<br />

Teilzeitarbeitsplätzen kann die<br />

Politik <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung ergänzt<br />

werden. In Dänemark erhalten z. B. nach<br />

dem 1993 beschlossenen Urlaubsgesetz<br />

Beschäftigte, die sich bei vollem Rückkehrrecht<br />

<strong>in</strong> beliebigen Zeitabschnitten für <strong>in</strong>sgesamt<br />

e<strong>in</strong> Jahr freistellen lassen, für diese<br />

Zeit e<strong>in</strong>en Lohnausgleich etwa <strong>in</strong> Höhe<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosenhilfe <strong>in</strong> Deutschland. Diese<br />

Möglichkeit konnte <strong>in</strong> Dänemark <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />

Betrieben so umgesetzt werden, daû<br />

die Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten um bis zu 25 %<br />

stieg.<br />

5.7. Zum teilweisen Ausgleich <strong>der</strong> Nettolohnverluste<br />

muû bei <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />

Arbeit e<strong>in</strong> ¹Arbeitszeitverkürzungs- und<br />

Qualifizierungsfondsª gebildet werden, <strong>der</strong><br />

aus ihren Mitteln mitf<strong>in</strong>anziert wird. Mittelfristig<br />

muû auch <strong>der</strong> Produktionsfaktor<br />

Kapital zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik<br />

herangezogen werden. Wir erwarten<br />

von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> auf Bundesebene, daû sie entsprechende<br />

Konzepte entwickelt. Kurzfri-


stig wollen wir die Lohnnebenkosten und<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Beiträge zur Bundesanstalt<br />

für Arbeit durch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />

ökologische Steuerreform senken. Wir<br />

schlagen vor, weitere F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten,<br />

mit denen vor allem bisher steuerlich<br />

nicht erfaûte Gew<strong>in</strong>ne und Erträge<br />

herangezogen werden sollen, <strong>in</strong> die Diskussion<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

6. Europa als sozialer Kont<strong>in</strong>ent<br />

6.1. Wir wissen, daû die sozialen und wirtschaftlichen<br />

Probleme <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

nicht losgelöst von europäischen und globalen<br />

Zusammenhängen betrachtet werden<br />

können. Daher darf das Ziel <strong>der</strong> E<strong>in</strong>igung<br />

Europas nicht nur <strong>der</strong> freie Waren- und<br />

Geldverkehr se<strong>in</strong>. Viel stärker als bisher<br />

muû die soziale Komponente betont werden:<br />

Wie Menschenrechte müssen auch<br />

soziale Absicherungen für alle Menschen <strong>in</strong><br />

Europa gelten.<br />

6.2. Die E<strong>in</strong>igung Europas bietet die<br />

Chance, hohe Sozialstandards auch dort zu<br />

erreichen, wo bisher ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> unzureichende<br />

Absicherungen bestehen.<br />

Derzeit versuchen Kräfte <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

und neoliberale Politiker das Gegenteil<br />

durchzusetzen: Senkung <strong>der</strong> sozialen Standards<br />

vom hohen auf das niedrigst mögliche<br />

Niveau. Dieser gefährlichen Entwicklung<br />

muû die Politik auf europäischer<br />

Ebene entgegenwirken. Denkbar wäre u. a.<br />

± wie kürzlich von <strong>der</strong> Internationalen<br />

Arbeitsorganisation gefor<strong>der</strong>t ± die E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>es kontrollierten <strong>in</strong>ternationalen<br />

¹Soziallabelsª, das den Verbrauchern die<br />

E<strong>in</strong>haltung sozialer und arbeitsrechtlicher<br />

Standards bei <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong> angebotenen<br />

Waren und Dienstleistungen garantiert.<br />

6.3 Europapolitik muû heute mehr denn je<br />

e<strong>in</strong>e Politik se<strong>in</strong>, die soziale Rechte, wo sie<br />

nicht europäisch zu verankern s<strong>in</strong>d, zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong> den Teilstaaten erhält. Wer nicht<br />

bereit ist, e<strong>in</strong> soziales Europa mitzugestalten,<br />

son<strong>der</strong>n an nationalen niedrigen<br />

Sozialstandards festhält, verfolgt e<strong>in</strong>e anti-<br />

europäische Politik, e<strong>in</strong>e Politik gegen die<br />

Menschen <strong>in</strong> Europa.<br />

7. E<strong>in</strong>e neue soziale Bewegung<br />

7.1. Die <strong>SPD</strong> will mit ihren alternativen<br />

¹Wegen aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskriseª den<br />

Primat e<strong>in</strong>er sozialen Politik gegen den<br />

gesellschaftszerstörenden neoliberalen<br />

Marktradikalismus durchsetzen. Unsere<br />

Vorschläge für e<strong>in</strong>en neuen Gesellschaftsvertrag<br />

zur Arbeitszeitverkürzung und zur<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> programmatisches Angebot, e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Verständigung<br />

über e<strong>in</strong>e Neuorientierung <strong>der</strong><br />

Politik.<br />

7.2. Die geschichtlichen Erfahrungen auch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik zeigen, daû e<strong>in</strong><br />

grundsätzlicher Richtungswechsel <strong>der</strong> Politik<br />

und die Durchsetzung neuer Ziele möglich<br />

s<strong>in</strong>d, wenn die Inhalte von e<strong>in</strong>er breiten<br />

sozialen Bewegung getragen werden.<br />

Deshalb streben wir e<strong>in</strong> weitgefuûtes Bündnis<br />

für den neuen Gesellschaftsvertrag an<br />

und wenden uns mit diesen Vorschlägen an<br />

Gewerkschaften, Unternehmensverbände,<br />

Betriebe, an Wohlfahrts-und Sozialverbände,<br />

an Kirchen und an die Wissenschaft.<br />

Wir wenden uns <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch an die<br />

junge Generation, an Arbeitslose, an die<br />

¾lteren, an sozial benachteiligte, an Menschen,<br />

die ke<strong>in</strong>er politischen Partei angehören,<br />

und laden alle dazu e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e neue solidarische<br />

Gesellschaft aktiv mitzugestalten.<br />

7.3. Durch die Entkoppelung von<br />

Erwerbsarbeitszeit und E<strong>in</strong>kommen ergeben<br />

sich auch qualitativ neue Chancen für<br />

e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung geme<strong>in</strong>nütziger<br />

und lebensweltbezogener Tätigkeiten. Die<br />

vergröûerten Zeitbudgets ermöglichen es<br />

wesentlich mehr Menschen als vorher, sich<br />

<strong>in</strong> ehrenamtliche Arbeit, <strong>in</strong> nachbarschaftliche,<br />

solidarische Hilfen und persönliche<br />

Dienstleistungen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Die Bürgergesellschaft<br />

als neue Geme<strong>in</strong>schaftlichkeit<br />

kann gesellschaftliche Integration und<br />

sozialen Zusammenhalt entwickeln und<br />

festigen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />

163


Antrag I 64<br />

Unterbezirk München<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Arbeit für alle<br />

Fortwährend steigende Massenarbeitslosigkeit<br />

ist das deutlichste Anzeichen für das<br />

Scheitern <strong>der</strong> angebotsorientierten, alle<strong>in</strong><br />

auf den Markt fixierten Politik.<br />

Steuerentlastungen für Unternehmen und<br />

vermögende Schichten, massiver Sozialabbau<br />

und die Deregulierung <strong>der</strong> Arbeitsbeziehungen<br />

haben we<strong>der</strong> die Massenarbeitslosigkeit<br />

gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t, noch zu e<strong>in</strong>em stabilen<br />

und befriedigenden Wachstum geführt.<br />

Im Januar 1997 waren 4,7 Millionen Menschen<br />

offiziell als arbeitslos registriert. Fast<br />

e<strong>in</strong> Drittel davon s<strong>in</strong>d Langzeitarbeitslose.<br />

Alles <strong>in</strong> allem fehlten 1996 etwa 7,4 Millionen<br />

dauerhafte Arbeitsplätze. Die Gesamtkosten<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit, also die Kosten<br />

für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe<br />

sowie die Ausfälle bei Steuern und Sozialbeiträgen,<br />

lagen 1996 bei etwa 160 Millionen<br />

DM.<br />

Die Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

ist das Schlüsselproblem <strong>in</strong> den hochentwickelten<br />

Industriestaaten.<br />

Für uns Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

s<strong>in</strong>d öffentliche Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />

<strong>in</strong> gesellschaftlichen Bedarfsfel<strong>der</strong>n,<br />

allgeme<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzungen<br />

und e<strong>in</strong>e reformierte aktive Arbeitsmarktpolitik<br />

zentrale Lösungsansätze zur Überw<strong>in</strong>dung<br />

<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit auf<br />

nationaler Ebene. Diese müssen durch wirkungsvolle<br />

struktur- und f<strong>in</strong>anzpolitische<br />

Maûnahmen ermöglicht und ergänzt werden.<br />

Wir wissen, daû Beschäftigungspolitik<br />

ebenso auf <strong>in</strong>ternationaler und europäischer<br />

Ebene ansetzen muû.<br />

1. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

setzen auf öffentliche Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />

<strong>in</strong> Bereichen, <strong>in</strong> denen gesellschaftlicher<br />

Bedarf besteht.<br />

164<br />

Trotz massiver Steuersenkungen für<br />

gewerbliche E<strong>in</strong>künfte und e<strong>in</strong>er auf<br />

durchschnittlich 18 Prozent gesunkenen<br />

Steuerbelastung für Unternehmensgew<strong>in</strong>ne<br />

gehen die arbeitsplatzschaffenden Investitionen<br />

<strong>der</strong> privaten Wirtschaft weiter<br />

zurück.<br />

Mit den Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen wollen wir<br />

e<strong>in</strong>e grundsätzliche, konjunkturunabhängige<br />

Aufstockung von beschäftigungsorientierten<br />

öffentlichen und öffentlich <strong>in</strong>itiierten<br />

Investitionen, die mit etwa 10 Jahren<br />

längerfristig auszurichten s<strong>in</strong>d.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d gesellschaftliche Bedarfsfel<strong>der</strong><br />

zu för<strong>der</strong>n, die durch privatkapitalistische<br />

Unternehmen und über den Markt nicht<br />

o<strong>der</strong> nur teilweise berücksichtigt werden.<br />

Die Bedarfsfel<strong>der</strong> liegen vor allem <strong>in</strong> den<br />

Bereichen des sozialen Wohnungsbaus, des<br />

Ausbaus des öffentlichen Personen- und<br />

Güterverkehrs, des Hochschulausbaus, <strong>der</strong><br />

Forschung und Entwicklung, des Gesundheitswesens<br />

bzw. <strong>der</strong> Pflege und des Erziehungswesens,<br />

<strong>der</strong> Altlasten- und Abwassersanierung,<br />

<strong>der</strong> Reduzierung des CO 2-<br />

Ausstoûes und <strong>der</strong> Energieversorgung aus<br />

erneuerbaren Quellen. E<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ation<br />

auf Ebene <strong>der</strong> Europäischen Union ist<br />

anzustreben.<br />

Investitionen <strong>in</strong> gesellschaftlichen Bedarfsfel<strong>der</strong>n<br />

erzeugen Wachstum und Beschäftigung.<br />

Es entstehen Erwerbsarbeitsplätze<br />

etwa <strong>in</strong> den sozial-kulturellen und ökologischen<br />

Dienstleistungsbereichen und <strong>in</strong><br />

Bereichen mo<strong>der</strong>ner Technologien. Öffentliche<br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen s<strong>in</strong>d mit dem<br />

sozial-ökologischen Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft<br />

gekoppelt und begünstigen<br />

e<strong>in</strong>e beschäftigungs- und <strong>in</strong>dustriepolitische<br />

Weichenstellung: Umwelt-, Verkehrs-,<br />

und Energie- und Informationstechnologien<br />

werden erwartungsgemäû die ersten<br />

Jahrzehnte des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts bestimmen.<br />

Nach Berechnungen des Wirtschafts- und<br />

Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI)<br />

können mit öffentlichen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />

<strong>in</strong> Höhe von jährlich real 40 Milliarden<br />

DM über 500 000 Arbeitsplätze <strong>in</strong> etwa


10 Jahren geschaffen werden. Die Memoranden-Gruppe<br />

geht davon aus, daû mit<br />

e<strong>in</strong>em jährlichen Investitionsprogramm von<br />

100 Milliarden DM rund e<strong>in</strong>e Million<br />

zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden<br />

können.<br />

2. Um die Beschäftigungseffekte e<strong>in</strong>er<br />

öffentlichen Investitionsoffensive erheblich<br />

zu erhöhen, setzen wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />

und Sozialdemokraten auf e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />

Arbeitszeitverkürzung.<br />

Im Mittelpunkt steht hierbei die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> tariflichen Wochenarbeitszeit.<br />

Nach e<strong>in</strong>er Untersuchung des Deutschen<br />

Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)<br />

hat alle<strong>in</strong> die Verkürzung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

Wochenarbeitszeit um etwa 3 Stunden<br />

von 1985 bis 1991 über e<strong>in</strong>e Million<br />

Arbeitsplätze geschaffen und gesichert.<br />

Frühere Erfahrungen zeigen, daû Arbeitszeitverkürzung<br />

e<strong>in</strong>e bestimmte Gröûe<br />

erreichen muû, damit sie beschäftigungswirksam<br />

ist. Die Arbeitsgruppe Alternative<br />

Wirtschaftspolitik führt <strong>in</strong> ihrem Memorandum<br />

©97 an, daû rechnerisch bei e<strong>in</strong>er<br />

Arbeitszeitverkürzung um 10 Prozent <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> gesamten Wirtschaft 3,5 Millionen<br />

Arbeitsplätze entstehen könnten. Würden<br />

nur die Hälfte dieser Arbeitsplätze geschaffen<br />

werden, wären dies immerh<strong>in</strong> 1,75 Millionen.<br />

Nach Berechnungen WSI ergäbe<br />

e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung auf durchschnittlich<br />

35 Stunden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Zeitraum von etwa 5 Jahren über<br />

e<strong>in</strong>e Million Arbeitsplätze. Diese Modellrechnungen<br />

verdeutlichen das enorme<br />

Beschäftigungspotential e<strong>in</strong>er Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit.<br />

Mit <strong>der</strong> Festlegung e<strong>in</strong>er verkürzten Normalarbeitszeit<br />

werden nicht nur Arbeitsplätze<br />

geschaffen. Die Belastungen und <strong>der</strong><br />

Verschleiû <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />

Arbeitnehmer nehmen ab, und durch die<br />

gewonnene freie Zeit erhöht sich die Möglichkeit<br />

zur Befriedigung persönlicher<br />

Bedürfnisse und zur Teilhabe am sozialen,<br />

kulturellen und politischen Leben. E<strong>in</strong>e<br />

gerechte Verteilung <strong>der</strong> Arbeit im privaten<br />

Bereich wird möglich. Bed<strong>in</strong>gung hierfür<br />

ist die Existenzsicherung für die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer und damit <strong>der</strong><br />

Lohnausgleich. Die Sicherung <strong>der</strong> Kaufkraft<br />

<strong>der</strong> privaten Haushalte ist auch aus<br />

gesamtwirtschaftlicher Sicht notwendig,<br />

um die B<strong>in</strong>nenmarktnachfrage zu erhöhen.<br />

Angesichts <strong>der</strong> extremen Umverteilung zu<br />

Lasten <strong>der</strong> Löhne und Gehälter und zu<br />

Gunsten <strong>der</strong> Unternehmensgew<strong>in</strong>ne seit<br />

Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> achtziger Jahre, kann nicht<br />

davon die Rede se<strong>in</strong>, daû es ke<strong>in</strong>en Verteilungsspielraum<br />

gibt. Im Memorandum ©97<br />

wird festgestellt: Wäre die Verteilung des<br />

Volkse<strong>in</strong>kommens auf Nettolöhne und<br />

Nettogew<strong>in</strong>ne noch genauso wie 1980,<br />

dann wären 1996 die Löhne um 190,4 Milliarden<br />

DM höher und die Gew<strong>in</strong>ne um<br />

170 Milliarden DM niedriger ausgefallen.<br />

Wir bekräftigen die For<strong>der</strong>ung unseres<br />

Berl<strong>in</strong>er Programms. Wir streben zunächst<br />

die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich<br />

an. Für uns ist dies e<strong>in</strong>e Maûnahme,<br />

im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong><br />

gestiegenen und ständig steigenden Produktivität<br />

für die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />

Arbeitnehmer zu nutzen.<br />

Flexible Arbeitszeitmodelle s<strong>in</strong>d als Mittel<br />

zur Durchsetzung gröûerer Zeitsouveränität<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten zu gestalten. Vere<strong>in</strong>barte<br />

Arbeitszeitverkürzungen dürfen nicht<br />

unterlaufen werden. Vielmehr müssen über<br />

die Zeitmodelle Arbeitsplätze geschaffen<br />

werden.<br />

Wir wollen, daû die Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis<br />

mit verkürzter Normalarbeitszeit<br />

tätig s<strong>in</strong>d.<br />

Das Normalarbeitsverhältnis beschreibt die<br />

Standards und Normen, die zu e<strong>in</strong>em ausreichend<br />

abgesicherten Beschäftigungsverhältnis<br />

gehören. Es ist e<strong>in</strong>e stabile, sozial<br />

abgesicherte, abhängige Vollzeitbeschäftigung,<br />

<strong>der</strong>en Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wie<br />

Arbeitszeit, Löhne und Transferleistungen<br />

kollektivvertraglich o<strong>der</strong> arbeits- bzw.<br />

sozialrechtlich auf e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destniveau<br />

geregelt s<strong>in</strong>d. Alle Beschäftigten im Normalarbeitszeitverhältnis<br />

können somit an<br />

den gesetzlichen und tarifvertraglichen<br />

Absicherungen ± von Arbeitsschutz bis<br />

165


Mitbestimmung ± une<strong>in</strong>geschränkt teilhaben.<br />

Deshalb ist für uns e<strong>in</strong>e Strategie zur<br />

Ausweitung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit nicht die<br />

Lösung des Problems Massenarbeitslosigkeit.<br />

Teilzeitarbeitsplätze haben lediglich<br />

den Charakter e<strong>in</strong>es Zusatzverdienstes und<br />

s<strong>in</strong>d häufig sozial schlecht geschützt. Sie<br />

s<strong>in</strong>d vorwiegend Frauenarbeitsplätze und<br />

festigen somit die geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung.<br />

Wir wollen für Frauen und Männer<br />

Arbeitsplätze, die e<strong>in</strong>e eigenständige ökonomische<br />

Absicherung garantieren und<br />

genügend Raum für Erholung und Freizeit<br />

lassen. Vorhandene Teilzeitarbeitsplätze<br />

s<strong>in</strong>d sozial- und tarifrechtlich den Vollzeitarbeitsplätzen<br />

gleichzustellen. Ebenso ist<br />

mit ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigungsverhältnissen<br />

bzw. 610-DM-Beschäftigungsverhältnissen<br />

zu verfahren. Befristete Arbeitsverhältnisse<br />

lehnen wir ab. (Ausnahmen<br />

können Befristungen für sogenannte vorübergehende<br />

Aufgaben wie Vertretung für<br />

Mutterschutz se<strong>in</strong>.)<br />

Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

wollen, daû die maximal zulässigen<br />

Überstunden gesetzlich begrenzt werden.<br />

Es ist nicht h<strong>in</strong>nehmbar, daû Beschäftigte<br />

Überstunden leisten müssen, während diejenigen,<br />

die arbeiten wollen, ke<strong>in</strong>e Arbeitsplätze<br />

f<strong>in</strong>den. Betrieblich notwendige<br />

Überstunden s<strong>in</strong>d mit Zuschlägen vor<br />

allem <strong>in</strong> Freizeit auszugleichen. Rechnerisch<br />

ergeben sich aus den knapp 2 Milliarden<br />

Überstunden, die 1994 geleistet wurden,<br />

1,3 Millionen Arbeitsplätze.<br />

3. Für uns Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und<br />

Sozialdemokraten ist e<strong>in</strong>e aktive Arbeitsmarktpolitik<br />

unverzichtbar, die die öffentlichen<br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen begleitet. Wir<br />

brauchen e<strong>in</strong>en völlig reformierten Rahmen<br />

<strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ungspolitik und<br />

<strong>der</strong>en Ausbau. Wir wollen Arbeit anstatt<br />

Arbeitslosigkeit f<strong>in</strong>anzieren.<br />

Anstatt immer weitergehende Kürzungen<br />

vorzunehmen, müssen arbeitsmarktpolitische<br />

Maûnahmen ausgeweitet werden und<br />

e<strong>in</strong>en zeitlich längerfristigen Charakter<br />

haben. Langzeitarbeitslose müssen gezielt<br />

166<br />

durch Beschäftigung <strong>in</strong> geeigneten Betrieben<br />

geför<strong>der</strong>t werden. Frauen müssen gleiche<br />

Beschäftigungschancen haben.<br />

In den letzten zwei Jahren sank die Zahl<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong> arbeitsmarktpolitischen Maûnahmen<br />

Beschäftigten um etwa 400 000. Gemäû<br />

dem Memorandum ©97 könnten mit<br />

15 Milliarden DM etwa 500 000 befristete<br />

Arbeitsplätze zur Umschulung, Qualifizierung<br />

und ähnlichen Maûnahmen geschaffen<br />

werden.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus muû öffentlich geför<strong>der</strong>te<br />

Beschäftigung mit den regulären Bed<strong>in</strong>gungen<br />

des ¹ersten Arbeitsmarktsª gleichgestellt<br />

werden und auf Qualifizierung zielen.<br />

D. h. öffentlich geför<strong>der</strong>te Beschäftigung<br />

muû teil des allgeme<strong>in</strong>en Arbeitsmarkts<br />

werden und kollektiven tarifrechtlichen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen unterliegen. Öffentlich geför<strong>der</strong>te<br />

Beschäftigung hat das Ziel, im E<strong>in</strong>klang<br />

mit den öffentlichen Investitionen <strong>in</strong><br />

gesellschaftlichen Bedarfsfel<strong>der</strong>n die technologische,<br />

regionale, soziale und ökologische<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Infrastruktur zur<br />

staatlich-gesellschaftlichen Aufgabe zu<br />

machen und dafür notwendige Beschäftigung<br />

zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

Das Wissenschaftszentrum Berl<strong>in</strong> beziffert<br />

das mögliche Potential <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

auf 4,3 Millionen Arbeitsplätze. Gemäû<br />

dem Memorandum ©97 könnten mit<br />

45 Milliarden DM etwa 750 000 Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden.<br />

Wesentliche Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />

und vorbeugende Arbeitsmarktpolitik<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e zuverlässige F<strong>in</strong>anzierungsbasis<br />

sowie e<strong>in</strong>e Verknüpfung mit regionaler<br />

Strukturför<strong>der</strong>ung und mit e<strong>in</strong>er beschäftigungsorientierten<br />

Betriebspolitik (¹Qualifizierung<br />

statt Entlassungª).<br />

Der komb<strong>in</strong>ierte und konsequente E<strong>in</strong>satz<br />

von öffentlichen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen,<br />

Arbeitszeitverkürzung und aktiver Arbeitsmarktpolitik<br />

hätte erhebliche Beschäftigungseffekte.<br />

Je nach Höhe <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmittel<br />

und Gröûe <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />

sowie <strong>der</strong>en zeitlichen Umsetzungsvorgaben<br />

könnten mittelfristig 2,5 bis 5 Millionen<br />

Arbeitsplätze entstehen und somit die


Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen drastisch verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

werden. In längerer Frist wird Vollbeschäftigung<br />

möglich. E<strong>in</strong>e beschäftigungsorientierte<br />

F<strong>in</strong>anz-und Steuerpolitik ist hierzu<br />

unabd<strong>in</strong>gbar.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 67<br />

Kreis Ahrweiler<br />

(Bezirk Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-Nassau)<br />

Massenarbeitslosigkeit<br />

Grundlage für e<strong>in</strong> menschenwürdiges<br />

Leben ist ganz wesentlich auch Arbeit.<br />

Die Massenarbeitslosigkeit nimmt immer<br />

dramatischere Ausmaûe an. E<strong>in</strong> Ende <strong>der</strong><br />

bedrohlichen Talfahrt ist nicht <strong>in</strong> Sicht.<br />

Diese Entwicklung stellt e<strong>in</strong>e Gefahr für<br />

den sozialen Frieden <strong>in</strong> unserem Lande<br />

dar, sie bereitet den Nährboden für Krim<strong>in</strong>alität<br />

und Rechtsradikalismus.<br />

Auch an<strong>der</strong>e Industrielän<strong>der</strong> leiden unter<br />

e<strong>in</strong>er Beschäftigungskrise, dennoch unterscheiden<br />

sie sich durch ihre beschäftigungspolitischen<br />

Anstrengungen und<br />

Erfolge. Die Regierung Kohl jedenfalls hat<br />

sich als unfähig erwiesen, die Massenarbeitslosigkeit<br />

zu bekämpfen. Schlimmer<br />

noch: Charakteristisch für sie ist e<strong>in</strong> Engagementdefizit,<br />

sie f<strong>in</strong>det sich mit <strong>der</strong> hohen<br />

Arbeitslosigkeit ab und sucht die Ursachen<br />

e<strong>in</strong>seitig <strong>in</strong> zu hohen Lohn(zusatz)kosten,<br />

sprich: <strong>in</strong> zu hohen Lohnfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

Arbeitnehmer. Das Vollbeschäftigungsziel<br />

wird erst gar nicht mehr verfolgt.<br />

Seit 15 Jahren setzt die Bundesregierung<br />

die falschen Mittel zur Bekämpfung <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong> und verschärft dadurch<br />

se<strong>in</strong>e Krise:<br />

Steuersenkungen für private Spitzene<strong>in</strong>kommen,<br />

Steuer- und Abgabenerhöhungen<br />

für mittlere E<strong>in</strong>kommen, Kürzungen bei<br />

den Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik usw.<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> adäquaten Antworten auf die<br />

ökonomischen und sozialen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Mit diesen Maûnahmen werden<br />

kurze konjunkturelle Strohfeuer erreicht, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong>en Folge wächst die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen,<br />

Insolvenzen nehmen zu und das Defizit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Staatskasse steigt.<br />

Die <strong>SPD</strong> muû überzeugende Alternativen,<br />

eigene Strategien und Konzepte sowie vorhandene<br />

wirtschaftspolitische Kompetenz<br />

nach auûen vermitteln und sich von den<br />

Regierungsparteien abgrenzen. (Der wirtschaftspolitische<br />

Sprecher <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

ist selbst unter Parteigenossen<br />

weitgehend unbekannt.)<br />

Wir beantragen daher:<br />

± Entwicklung bzw. offensive Darstellung<br />

e<strong>in</strong>er sozialdemokratisch geprägten Strategie<br />

für mehr Beschäftigung und ökologisch<br />

verträgliches Wachstum.<br />

± Öffentlichkeitsarbeit zur Sichtbarmachung<br />

sozialdemokratischer Kompetenz<br />

auf dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschafts- und<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik.<br />

± Schaffung des Vertrauens <strong>in</strong> die wirtschaftspolitische<br />

Handlungsfähigkeit <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> und die Gestaltungsfähigkeit sozialdemokratischer<br />

Politik.<br />

± Klare Abgrenzung von Positionen <strong>der</strong><br />

Regierungskoalition und an<strong>der</strong>er Parteien.<br />

± E<strong>in</strong>heitlichere öffentliche Positionsdarstellung<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, auch bei <strong>in</strong>nerparteilichen<br />

Differenzen.<br />

Zu berücksichtigende Instrumente beim<br />

Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit:<br />

± F<strong>in</strong>anzierung von Beschäftigung, statt<br />

Arbeitslosigkeit. Ausgaben für Arbeitslosengeld<br />

und -hilfe von 160 Milliarden<br />

DM umschichten zu Gunsten e<strong>in</strong>er aktiven<br />

Arbeitsmarktpolitik.<br />

± Konjunkturpolitische Impulse, z.B.<br />

durch Vorziehen öffentlicher Investitionen,<br />

För<strong>der</strong>ung des Wohnungsbaus,<br />

Investitionszulagen zur Schaffung neuer<br />

Arbeitsplätze.<br />

± Die Kreditwirtschaft muû endlich ihrer<br />

Aufgabe nachkommen, Existenzgrün<strong>der</strong><br />

und junge Unternehmer besser zu unterstützen.<br />

Eventuell auch staatliche Unter-<br />

167


stützung bei <strong>der</strong> Bereitstellung von Risikokapital,<br />

ganz beson<strong>der</strong>s bei zukunftsträchtigen<br />

Technologien.<br />

± Stärkung <strong>der</strong> Innovationskraft <strong>der</strong> deutschen<br />

Industrie, Verbesserung <strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Investitionstätigkeit<br />

<strong>der</strong> mittelständischen Wirtschaft,<br />

Ausbau des Dienstleistungssektors.<br />

± Steuer- und Abgabensenkung für kle<strong>in</strong>e<br />

und mittlere E<strong>in</strong>kommen zur Stärkung<br />

<strong>der</strong> B<strong>in</strong>nennachfrage ± hier mangelt es<br />

ganz erheblich.<br />

± Mehr bildungspolitische Investitionen<br />

und Forschung statt Etatreduzierungen.<br />

± Wirtschaftlichen Stillstand <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

durch öffentliche Investitionen<br />

überw<strong>in</strong>den, z.B. durch Vorziehen<br />

geplanter Umweltsanierungen, Verkehrswege-<br />

und Städtebau.<br />

± Ökologische Steuerreform zur steuerlichen<br />

Entlastung beim E<strong>in</strong>satz von<br />

Arbeitskräften (und zur Belastung des<br />

Energie- und Materialverbrauchs).<br />

± Ausbau öffentlich geför<strong>der</strong>ter Beschäftigung<br />

bei gesellschaftlich nützlichen<br />

Dienstleistungen als Alternative zur<br />

Arbeitslosigkeit.<br />

± Über den Abbau von Überstunden h<strong>in</strong>aus,<br />

<strong>der</strong> gesetzlich geregelt werden muû,<br />

wird e<strong>in</strong>e konsequente Verkürzung <strong>der</strong><br />

Wochenarbeitszeit gefor<strong>der</strong>t als wichtigen<br />

erfolgversprechenden Weg, <strong>in</strong> kurzer<br />

Zeit Arbeitsplätze zu schaffen.<br />

Ausgabenneutrale F<strong>in</strong>anzierung durch<br />

strukturelle Reformen und Abbau von<br />

Privilegien und sozialen Ungerechtigkeiten:<br />

± e<strong>in</strong>e Arbeitsmarktabgabe für alle Berufstätigen,<br />

z.B. auch für Beamte, Abgeordnete,<br />

Regierungsmitglie<strong>der</strong> und Selbständige<br />

(gleichzeitig Beitrag zur Senkung<br />

<strong>der</strong> Lohnzusatzkosten).<br />

± Beteiligung von Beamten, Abgeordneten<br />

und Regierungsmitglie<strong>der</strong>n an ihrer<br />

Altersversorgung.<br />

± E<strong>in</strong>bezug von (nebenberuflich) ger<strong>in</strong>gfügig<br />

Beschäftigten und Sche<strong>in</strong>selbständigen<br />

<strong>in</strong> die Sozialversicherung. Für die<br />

168<br />

Bekämpfung von Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />

bedarf es <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung gesetzlicher<br />

Kontroll- und Sanktions<strong>in</strong>strumente.<br />

± Bekämpfung <strong>der</strong> illegalen Beschäftigung<br />

(Schwarzarbeit und Lohndump<strong>in</strong>g),<br />

dadurch Abbau <strong>der</strong> Defizite <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialversicherung.<br />

± Abbau ungerechtfertigter Steuervorteile<br />

und Erhalt <strong>der</strong> Steuerprogression bei<br />

Private<strong>in</strong>kommen.<br />

± Verbesserung <strong>der</strong> Steuerkontrolle durch<br />

Personalaufstockung.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag I 68<br />

Unterbezirk Goslar<br />

(Bezirk Braunschweig)<br />

Perspektiven für Arbeit und<br />

Beschäftigung<br />

Auf rauhen Pfaden zu den Sternen:<br />

9 Vorschläge zur Halbierung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

So unrealistisch das Ziel e<strong>in</strong>er Halbierung<br />

<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit bis zum Jahr<br />

2000 auch kl<strong>in</strong>gen mag, es bleibt e<strong>in</strong> richtiges<br />

Ziel gerade für sozialdemokratische<br />

Politik. Das Institut für Arbeitsmarkt und<br />

Berufsforschung <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />

Arbeit hat dazu e<strong>in</strong>e Studie vorgelegt, die<br />

lei<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bundesregierung nicht zur<br />

Kenntnis genommen wird.<br />

Statt isolierter E<strong>in</strong>zelmaûnahmen wird e<strong>in</strong><br />

Bündel von Maûnahmen benötigt, dessen<br />

wesentliche Komponenten s<strong>in</strong>d:<br />

1. Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

Jahresarbeitszeit vor allen über den<br />

Abbau von 40 % <strong>der</strong> Überstunden und<br />

<strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitquote von <strong>der</strong>zeit<br />

19 % auf etwa 24 %.<br />

Ziel: Flexible und kostengünstige Form<br />

<strong>der</strong> Beschäftigung bei Auftragsspitzen.<br />

2. Arbeitszeitverkürzung im höheren<br />

Dienst des öffentlichen Dienstes ohne<br />

Lohnausgleich.


Ziel: Neue<strong>in</strong>stellungen durch Umverteilung<br />

von Arbeit (siehe: VW-Modell)<br />

3. Öffnung <strong>der</strong> öffentlichen Dienstangebote<br />

für den <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb.<br />

(So können Universitäten gegen<br />

kostendeckende Studiengebühren im<br />

Ausland Studenten anwerben und damit<br />

F<strong>in</strong>anzquellen erschlieûen und Lehrpersonal<br />

beschäftigen. Universitätskl<strong>in</strong>iken<br />

könnten <strong>in</strong>ternational Angebote im<br />

Gesundheitssektor veröffentlichen und<br />

neue E<strong>in</strong>nahmen erzielen.)<br />

Ziel: Global-Sourc<strong>in</strong>g für die öffentlich<br />

f<strong>in</strong>anzierten Dienstleistungsangebote<br />

nutzen und neue Arbeitsplätze schaffen.<br />

4. Reform <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung mit<br />

dem Ziel, Aufgaben abzubauen, kostenrechnende<br />

E<strong>in</strong>heiten zu bilden und<br />

Wettbewerb mit privaten Anbietern zu<br />

ermöglichen o<strong>der</strong> auch Kooperation mit<br />

privaten Dienstleistungsanbietern zu<br />

för<strong>der</strong>n (public & privat partnership).<br />

Ziel: Effizienzsteigerung, Personalabbau,<br />

Umwidmung konsumptiver (Personal-)<br />

Kosten <strong>in</strong> die Investitionsför<strong>der</strong>ung.<br />

5. Verbesserung <strong>der</strong> direkten För<strong>der</strong>ung<br />

von Forschung, Entwicklung und Innovation<br />

<strong>in</strong> Unternehmen statt lang angelegter<br />

staatlicher Forschungsprogramme.<br />

Ziel: Innovationsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Betrieben,<br />

Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit.<br />

6. Schrittweise zunehmende E<strong>in</strong>sparung<br />

bei den konsumtiven Staatsausgaben<br />

beg<strong>in</strong>nend mit 10 Milliarden im Jahr<br />

1998 auf 100 Milliarden DM im Jahr<br />

2005. (<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sparung von<br />

400 Milliarden DM!)<br />

Ziel: Konsolidierung des Staatshaushaltes,<br />

verzögertes Erreichen <strong>der</strong> Konvergenzkriterien<br />

von Maastricht und<br />

Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Investitionsprogrammen.<br />

7. Aufbau e<strong>in</strong>es staatlichen Investitionsprogramms<br />

mit 10 Milliarden DM jährlich<br />

ab 1997.<br />

Ziel: Technologie- und Innovationsför<strong>der</strong>ung<br />

zur Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.<br />

8. Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />

(Lohnkosten) um jährlich 1 % zwischen<br />

1997 und 2000 durch die Steuerf<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e versicherungsfrem<strong>der</strong><br />

Leistungen. (z.B. Aussiedlerrenten<br />

1997: 10 Milliarden DM; Rentenanpassung<br />

<strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n 1997: 3,7<br />

Milliarden DM; rentenrechtliche Entschädigung<br />

von SED-Opfern 1997: 0,4<br />

Milliarden DM)<br />

Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

und Erhöhung <strong>der</strong> Kaufkraft für die<br />

B<strong>in</strong>nennachfrage.<br />

9. E<strong>in</strong>satz von Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosenhilfemitteln<br />

zur Subventionierung<br />

sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse.<br />

Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Beschäftigungen mit<br />

niedrigen Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

und Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 70<br />

Bezirk Braunschweig<br />

Perspektiven für Arbeit und<br />

Beschäftigung<br />

Auf rauhen Pfaden zu den Sternen:<br />

12 Vorschläge zur Halbierung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

¹Für die <strong>SPD</strong> bleibt die Halbierung <strong>der</strong><br />

Massenarbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000<br />

das richtige Ziel. Statt isolierter E<strong>in</strong>zelmaûnahmen<br />

schlagen wir e<strong>in</strong> Maûnahmenbündel<br />

vor, dessen wesentliche Komponenten<br />

s<strong>in</strong>d:ª<br />

1. Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />

Jahresarbeitszeit vor allen über den<br />

Abbau von 40 % <strong>der</strong> Überstunden und<br />

<strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitquote von<br />

<strong>der</strong>zeit 19 % auf etwa 24 %.<br />

Ziel: Flexible und kostengünstige Form<br />

<strong>der</strong> Beschäftigung bei Auftragsspitzen.<br />

2. Arbeitszeitverkürzung im höheren<br />

Dienst des öffentlichen Dienstes ohne<br />

Lohnausgleich.<br />

169


Ziel: Neue<strong>in</strong>stellungen durch Umverteilung<br />

von Arbeit (siehe: VW-Modell)<br />

3. Öffnung <strong>der</strong> öffentlichen Dienstangebote<br />

für den <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb<br />

(So können Universitäten gegen kostendeckende<br />

Studiengebühren im Ausland<br />

Studenten anwerben und damit F<strong>in</strong>anzquellen<br />

erschlieûen und Lehrpersonal<br />

beschäftigen. Universitätskl<strong>in</strong>iken könnten<br />

<strong>in</strong>ternational Angebote im Gesundheitssektor<br />

veröffentlichen und neue<br />

E<strong>in</strong>nahmen erzielen.)<br />

Ziel: Global-Sourc<strong>in</strong>g für die öffentlich<br />

f<strong>in</strong>anzierten Dienstleistungsangebote<br />

nutzen und neue Arbeitsplätze schaffen.<br />

4. Reform <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung mit<br />

dem Ziel Aufgaben abzubauen, kostenrechnende<br />

E<strong>in</strong>heiten zu bilden und<br />

Wettbewerb mit privaten Anbietern zu<br />

ermöglichen o<strong>der</strong> auch Kooperation mit<br />

privaten Dienstleistungsanbietern zu<br />

för<strong>der</strong>n (public & privat partnership).<br />

Ziel: Effizienzsteigerung, Personalabbau,<br />

Umwidmung konsumptiver (Personal-)<br />

Kosten <strong>in</strong> die Investitionsför<strong>der</strong>ung.<br />

5. Verbesserung <strong>der</strong> direkten För<strong>der</strong>ung<br />

von Forschung, Entwicklung und Innovation<br />

<strong>in</strong> Unternehmen statt lang angelegter<br />

staatlicher Forschungsprogramme.<br />

Ziel: Innovationsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Betrieben,<br />

Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit.<br />

6. Schrittweise zunehmende E<strong>in</strong>sparung<br />

bei den konsumtiven Staatsausgaben<br />

beg<strong>in</strong>nend mit 10 Milliarden im Jahr<br />

1998 bis auf 100 Milliarden DM im Jahr<br />

2005. (Insgesamt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sparung von<br />

DM 400 Milliarden!)<br />

Ziel: Konsolidierung des Staatshaushaltes,<br />

verzögertes Erreichen <strong>der</strong> Konvergenzkriterien<br />

von Maastricht und<br />

Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Investitionsprogrammen.<br />

7. Aufbau e<strong>in</strong>es staatlichen Investitionsprogramms<br />

mit 10 Milliarden DM jährlich<br />

ab 1997.<br />

Ziel: Technologie- und Innovationsför<strong>der</strong>ung<br />

zur Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.<br />

170<br />

8. Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />

(Lohnkosten) um jährlich 1 %<br />

zwischen 1997 und 2000 durch die<br />

Steuerf<strong>in</strong>anzierung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e versicherungsfrem<strong>der</strong><br />

Leistungen. (z. B. Aussiedlerrenten<br />

1997: 10 Milliarden DM;<br />

Rentenanpassung <strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n<br />

1997: 3,7 Milliarden DM; rentenrechtliche<br />

Entschädigung von SED-Opfern<br />

1997: 0,4 Milliarden DM)<br />

Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

und Erhöhung <strong>der</strong> Kaufkraft für die<br />

B<strong>in</strong>nennachfrage.<br />

9. E<strong>in</strong>satz von Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosenhilfemitteln<br />

zur Subventionierung<br />

sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse.<br />

Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Beschäftigungen mit<br />

niedrigen Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

10. ¹Senkung <strong>der</strong> direkten Steuern (E<strong>in</strong>kommensbesteuerung)<br />

und Gegenf<strong>in</strong>anzierung<br />

durch Streichung von Steuervergünstigungen.<br />

Ziel: Steigerung <strong>der</strong><br />

Massenkaufkraft und Belebung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nennachfrageª.<br />

11. ¹Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten durch<br />

Streichung von versicherungsfremden<br />

Leistungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialversicherung<br />

und Gegenf<strong>in</strong>anzierung durch Verbrauchssteuern<br />

und ökologische Steuerreform.<br />

Ziel: Erhöhung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />

Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong><br />

deutschen Arbeitskosten durch Senkung<br />

<strong>der</strong> Lohnnebenkostenª.<br />

12. ¹Verlängerung <strong>der</strong> Masch<strong>in</strong>enlaufzeiten,<br />

Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit bei<br />

gleichzeitigem Verzicht auf e<strong>in</strong>e<br />

Besteuerung von Nacht-, Schicht- und<br />

Wochenendzulagen. Ziel, Auslastung<br />

kapital<strong>in</strong>tensiver Unternehmen verbessern,<br />

Arbeitsplätze schaffen.ª<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

und Bundestagsfraktion)


Antrag I 72<br />

Unterbezirk Kassel-Stadt<br />

(Bezirk Hessen-Nord)<br />

Bündnis für Arbeit<br />

Angesichts <strong>der</strong> veröffentlichten Rekordarbeitslosenzahlen<br />

<strong>in</strong> Deutschland for<strong>der</strong>n<br />

wir die <strong>SPD</strong>-Mandatsträger auf,<br />

1. alle Maûnahmen zur Arbeitsplatzsicherung<br />

und Arbeitsplatzschaffung zu<br />

unterstützen. Dazu gehört auch die<br />

arbeitsmarktpolitische Verantwortung<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Arbeitgeber wahrzunehmen<br />

2. bestehende Arbeitsbeschaffungs- und<br />

Ausbildungsprogramme durch öffentliche<br />

Beschäftigungs<strong>in</strong>itiativen zu ergänzen<br />

und zu erweitern<br />

3. vorhandene F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten<br />

zu bündeln, um Beschäftigung zu zahlen<br />

Die <strong>SPD</strong>-Mandatsträger <strong>in</strong> den Landtagsfraktionen,<br />

den Landesregierungen und <strong>der</strong><br />

Bundestagsfraktion werden ferner aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

± durch politische Initiativen im Bundestag<br />

und Bundesrat sicherzustellen, daû nicht<br />

durch weitere Sozialkürzungen die Opfer<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik bestraft werden<br />

und so gegebenenfalls das Bündnis für<br />

Arbeit gefährdet wird,<br />

± daû öffentliche Mittel zur För<strong>der</strong>ung<br />

bzw. direkten F<strong>in</strong>anzierung von Beschäftigung<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden,<br />

± daû durch e<strong>in</strong>e gerechtere Steuerpolitik<br />

Mittel für zusätzliche Beschäftigungsprogramme,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Umsetzung<br />

von Innovationen und umweltschonen<strong>der</strong><br />

Technologie geschaffen werden,<br />

± <strong>der</strong> Sozialstaat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er solidarischen<br />

F<strong>in</strong>anzierung als entscheiden<strong>der</strong> Standortfaktor<br />

für die Bundesrepublik<br />

Deutschland erhalten bleibt und se<strong>in</strong>e<br />

F<strong>in</strong>anzierung von allen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

von den f<strong>in</strong>anziell Leistungsfähigeren <strong>der</strong><br />

Gesellschaft, gesichert wird.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 74<br />

Unterbezirk München<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Für e<strong>in</strong>e gerechte Verteilung<br />

<strong>der</strong> Arbeit<br />

Die <strong>SPD</strong> vermiût bei den jetzigen<br />

¹Reformªvorschlägen <strong>der</strong> Bonner Regierungskoalition<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong><br />

Arbeitsmarktlage die Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

nach wie vor bestehenden gesellschaftlichen<br />

Benachteiligung von Frauen. Im<br />

Gegenteil: die soziale Lage von Frauen hat<br />

sich durch gesetzliche Maûnahmen wie<br />

z. B. die Heraufsetzung <strong>der</strong> Altersgrenze <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Rentenversicherung, die herabgesetzte<br />

Anrechnung <strong>der</strong> Ausbildungszeiten bei <strong>der</strong><br />

Rentenverbesserung, die Aufweichung des<br />

Kündigungsschutzes verschlechtert.<br />

Die <strong>der</strong>zeitige Arbeitsmarktpolitik zielt<br />

angeblich auf e<strong>in</strong>e gerechtere Verteilung<br />

<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>ger werdenden Erwerbsarbeit. Das<br />

sieht dann folgen<strong>der</strong>maûen aus: bei Männern<br />

werden Lebensarbeitszeit Modelle<br />

ausgehandelt; Frauen werden <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gfügige,<br />

nicht sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigungsverhältnisse o<strong>der</strong> überhaupt<br />

aus dem Arbeitsleben h<strong>in</strong>ausdrängt.<br />

In Anbetracht leerer öffentlicher Kassen<br />

unterbleibt die notwendige Aufwertung <strong>der</strong><br />

Familienarbeit, die höhere Bewertung von<br />

erzieherischen und pflegerischer Arbeit<br />

ebenso wie die Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

im Ökologiebereich.<br />

Die seit 1994 <strong>in</strong> unserer Verfassung festgelegte<br />

Verpflichtung des Staates, die tatsächliche<br />

Gleichberechtigung von Frauen und<br />

Männern zu för<strong>der</strong>n und auch auf die<br />

Beseitigung bestehen<strong>der</strong> Nachteile h<strong>in</strong>zuwirken,<br />

wird <strong>in</strong> den W<strong>in</strong>d geschlagen.<br />

Frauen haben das selbe Recht auf anständig<br />

bezahlte Arbeit wie Männer,<br />

Familienarbeit geht Väter und Söhne<br />

ebenso an wie Mütter und Töchter.<br />

Dies s<strong>in</strong>d die For<strong>der</strong>ungen:<br />

± die Gewährung gleichen Lohns für<br />

gleichwertige Arbeit <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stim-<br />

171


mung mit dem <strong>in</strong>ternationalen Arbeitsrecht<br />

± e<strong>in</strong>e gesetzliche Sicherung von Frauenför<strong>der</strong>maûnahmen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Privatwirtschaft<br />

und im Öffentlichen Dienst; die Vergabe<br />

von öffentlichen Aufträgen nur bei<br />

Nachweis von wirkungsvollen Frauenför<strong>der</strong>plänen<br />

± e<strong>in</strong>en Rechtsanspruch auf qualifizierte<br />

ganztägige K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />

für alle Altersstufen<br />

± e<strong>in</strong>e volle Berücksichtigung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung<br />

und Pflege bei <strong>der</strong> Rentenbemessung<br />

sowie e<strong>in</strong>e Steuerm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

durch Abzugsfähigkeit von Betreuungskosten<br />

± die Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen<br />

im Erziehungs-, Pflege- und<br />

Ökologiebereich<br />

± e<strong>in</strong>e Reform des Erziehungsurlaubs <strong>in</strong><br />

¹Elterngeld und Elternurlaubª, u.a.<br />

Rechtsanspruch auf gleichzeitige Teilzeitarbeit<br />

bei<strong>der</strong> Eltern mit Kündigungsschutz<br />

und Bezug von Elterngeld<br />

± die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung<br />

von Teilzeitarbeit und ger<strong>in</strong>gfügiger<br />

Beschäftigung mit voller Erwerbstätigkeit,<br />

d. h. die jetzigen 610 DM-<br />

Beschäftigungsverhältnisse werden <strong>in</strong><br />

geregelte Teilzeitarbeitsverhältnisse überführt,<br />

die sozialversicherungspflichtig<br />

s<strong>in</strong>d<br />

± die Abschaffung des steuerbegünstigten<br />

Ehegattensplitt<strong>in</strong>gs zugunsten e<strong>in</strong>er<br />

eigenständigen sozialen Absicherung des/<br />

<strong>der</strong> nicht erwerbstätigen Partners/Partner<strong>in</strong>;<br />

Reform des Steuerrechts durch<br />

E<strong>in</strong>führung des Individualsteuersystems.<br />

In Österreich wurde Anfang April 1997 e<strong>in</strong><br />

Frauenvolksbegehren durch 645 000 Unterschriften<br />

unterstützt. Die österreichischen<br />

Frauen haben gezeigt, daû sie nicht mehr<br />

bereit s<strong>in</strong>d, die Benachteiligung bei <strong>der</strong><br />

Ausbildung im Arbeitsleben bei <strong>der</strong> Entlohnung<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />

h<strong>in</strong>zunehmen. Dies gilt auch für die<br />

Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

172<br />

Antrag I 75<br />

Landesverband Bayern<br />

Arbeitszeitpolitik für Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

Nach jahrelangen harten Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

wurde 1995 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Druck-, Metallund<br />

Elektro<strong>in</strong>dustrie die 35-Stunden-<br />

Woche e<strong>in</strong>geführt. Der Kampf um e<strong>in</strong>e<br />

weitgehende Arbeitszeitverkürzung war<br />

nicht nur e<strong>in</strong>e zentrale Maûnahme zur<br />

Sicherung bestehen<strong>der</strong> und Schaffung<br />

neuer Arbeitsplätze. Die ¹35-Stunden-<br />

Wocheª stand im Zeitalter neokonservativer<br />

Deregulierung und Flexibilisierung für<br />

e<strong>in</strong>en alternativen Zukunftsentwurf <strong>in</strong>dividueller<br />

und gesellschaftlicher Lebensgestaltung.<br />

Die Erweiterung <strong>der</strong> Nichtarbeitszeit und<br />

die Partizipation <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen<br />

an <strong>der</strong> gesamten frei verfügbaren Zeit ist<br />

e<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzung für die<br />

Aneignung des alltagskulturellen Reichtums<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft und damit zur weiteren<br />

Entwicklung und Herausbildung von<br />

Individualität. Die hier gewonnenen Erfahrungen,<br />

die erweiterten Bedürfnisse und<br />

vielfältig gestalteten <strong>in</strong>dividuellen Lebensstile<br />

verän<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong>um die gesellschaftlichen<br />

Zeitstrukturen und Mobilitätsanfor<strong>der</strong>ungen.<br />

Die Ansprüche auf <strong>in</strong>dividuelle<br />

Gestaltung von Lage und Verteilung <strong>der</strong><br />

Arbeitszeit werden komplexer.<br />

Aufweichung sozialer Zeitstrukturen<br />

Doch humane Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und<br />

e<strong>in</strong>e verstärkte Souveränität <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen<br />

über die Gestaltung ihrer Zeit<br />

wurden trotz <strong>der</strong> durchgesetzten Arbeitszeitverkürzung<br />

nicht geschaffen. Vielmehr<br />

steht die 35-Stunden-Woche im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> weitgehenden Flexibilisierung<br />

des gesellschaftlichen Zeitrhythmus<br />

sowie mit e<strong>in</strong>er weiteren Intensivierung <strong>der</strong><br />

verbliebenen Arbeitszeiten. Flexibilisierung<br />

bedeutet <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nicht<br />

die rechtliche Möglichkeit <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen,<br />

flexibel auf ihre jeweilige<br />

Lebenssituation zu reagieren, son<strong>der</strong>n die


essere Anpassung des ¹Faktors Arbeitª an<br />

die betrieblichen Bedürfnisse.<br />

Die Kampagne zur Deregulierung und Flexibilisierung<br />

stellt e<strong>in</strong> zentrales Element<br />

neokonservativer Gesellschaftsspaltung dar.<br />

Hierbei handelt es sich um den Abbau von<br />

sozialen Schutzrechten <strong>in</strong> bisher politisch<br />

regulierten und <strong>der</strong> Profitlogik entzogenen<br />

gesellschaftlichen Bereichen.<br />

Die For<strong>der</strong>ung nach Verschlankung des<br />

(Sozial-)Staates und Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

setzt sich momentan unter an<strong>der</strong>em<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verlängerung <strong>der</strong> Lebensarbeitszeit<br />

um. Das Rentene<strong>in</strong>trittsalter steigt<br />

wie<strong>der</strong>. Zum e<strong>in</strong>en werden die Altersgrenzen<br />

fortlaufend erhöht, zum an<strong>der</strong>en werden<br />

Vorruhestandsregelungen erschwert,<br />

die <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Intensivierung <strong>der</strong> Arbeit<br />

sowie vor allem arbeitsmarktbed<strong>in</strong>gt stark<br />

zugenommen hatten. Mit <strong>der</strong> Deregulierung<br />

<strong>der</strong> Ladenöffnungszeiten und damit<br />

<strong>der</strong> Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeiten <strong>in</strong><br />

den Abend und <strong>in</strong> das Wochenende h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>,<br />

werden die seit langem gewachsenen Zeitstrukturen<br />

und damit <strong>der</strong> gesamte gesellschaftliche<br />

Zeitrhythmus <strong>in</strong> Frage gestellt.<br />

Der Arbeitse<strong>in</strong>satz soll möglichst flexibel<br />

den Schwankungen <strong>der</strong> Nachfrage angepaût<br />

werden. Um relativ teure und mitbestimmungspflichtige<br />

Überstunden ohne<br />

Flexibilitätsverluste e<strong>in</strong>sparen zu können,<br />

werden momentan möglichst ger<strong>in</strong>g regulierte<br />

Arbeitszeitkonten gefor<strong>der</strong>t, die lange<br />

Ausgleichszeiträume für Mehrarbeit vorsehen.<br />

Meist ist die Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unternehmerische Rationalisierungsstrategie<br />

zur E<strong>in</strong>sparung von Personalkosten<br />

e<strong>in</strong>gebunden. Die Mehrzahl <strong>der</strong><br />

Beschäftigten muû sich an betriebswirtschaftliche<br />

Zwänge anpassen. Die unternehmerischen<br />

Verfügungsrechte über die<br />

Anwendung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Arbeitskraft nehmen<br />

zu.<br />

Flexibilität ist Normalität<br />

Das ¹enge und starre Konzept des Normalarbeitsverhältnissesª,<br />

das we<strong>der</strong> Unternehmern<br />

noch ArbeitnehmerInnen <strong>in</strong>dividuelle<br />

Möglichkeiten bieten würde, ist schon seit<br />

e<strong>in</strong>igen Jahren nicht mehr prägend für<br />

bundesdeutsche Arbeitsbeziehungen. 1995<br />

arbeiteten 81 Prozent <strong>der</strong> abhängig<br />

Beschäftigten <strong>in</strong> Arbeitsverhältnissen mit<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger flexiblen Arbeitszeiten<br />

(1993: 77 Prozent). 45 Prozent machten<br />

1995 regelmäûig Überstunden (1993:<br />

39 Prozent), 18 Prozent s<strong>in</strong>d teilzeitbeschäftigt.<br />

In den Manteltarifverträgen s<strong>in</strong>d<br />

bereits unzählige Flexibilisierungsspielräume<br />

fixiert worden, die jedoch maximal<br />

zu e<strong>in</strong>em Drittel von den Betrieben genutzt<br />

werden. Die Unternehmerfor<strong>der</strong>ungen<br />

nach ¹mehr Flexibilitätª gehen <strong>in</strong>sofern<br />

völlig an <strong>der</strong> Realität vorbei.<br />

In <strong>der</strong> Bundesrepublik beschreibt das sogenannte<br />

Normalarbeitsverhältnis nicht mehr<br />

e<strong>in</strong> konkretes Arbeitszeitmuster, son<strong>der</strong>n<br />

die Standards und Normen, die zu e<strong>in</strong>em<br />

ausreichend abgesicherten Beschäftigungsverhältnis<br />

gehören. Das Normalarbeitsverhältnis<br />

ist e<strong>in</strong>e stabile, sozial abgesicherte,<br />

abhängige Vollzeitbeschäftigung, <strong>der</strong>en<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wie Arbeitszeit,<br />

Löhne und Transferleistungen kollektivvertraglich<br />

o<strong>der</strong> arbeits- bzw. sozialrechtlich<br />

auf e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destniveau geregelt s<strong>in</strong>d. Mit<br />

<strong>der</strong> Vertretungsmacht, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelgewerkschaft,<br />

können tendenziell diese Bed<strong>in</strong>gungen<br />

vere<strong>in</strong>heitlicht werden.<br />

Alle Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis<br />

können somit an den gesetzlichen<br />

und tarifvertraglichen Absicherungen,<br />

angefangen vom Arbeitsschutz bis zur Mitbestimmung,<br />

une<strong>in</strong>geschränkt partizipieren.<br />

Am Normalarbeitsverhältnis kann <strong>der</strong> Grad<br />

von Absicherung <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Arbeitsverhältnisse gemessen werden. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ist das öffentliche Leben,<br />

angefangen von den Öffnungszeiten von<br />

Behörden und Geschäften bis h<strong>in</strong> zu Veranstaltungen<br />

im kulturellen o<strong>der</strong> politischen<br />

o<strong>der</strong> gesellschaftlichen Bereich mehr<br />

o<strong>der</strong> weniger stark auf das Normalarbeitsverhältnis,<br />

als Regelfall für den Rhythmus<br />

von Arbeitszeit und Freizeit, ausgerichtet.<br />

Die Teilnahme am öffentlichen Leben ist<br />

somit nicht zuletzt durch die Qualität des<br />

jeweiligen Arbeitsverhältnisses def<strong>in</strong>iert.<br />

173


Kollektive Arbeitszeitverkürzung<br />

Die For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>er kollektiven Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit ist historisch<br />

hauptsächlich gesundheitspolitisch begründet.<br />

Um die Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> abhängig<br />

Beschäftigten im Arbeitsprozeû zu begrenzen,<br />

muûte den Unternehmen die Möglichkeit<br />

genommen werden, die Arbeitskräfte<br />

zeitlich nahezu unbegrenzt auszunutzen.<br />

ArbeitnehmerInnen waren und s<strong>in</strong>d vor<br />

e<strong>in</strong>em allzu schnellen Gesundheitsverschleiû<br />

zu schützen. Es muû ausreichend<br />

Zeit für Ruhe und Regeneration zur Verfügung<br />

stehen. Durch e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />

Lebensarbeitszeit konnten sich eigenständige<br />

Lebensphasen wie Jugend und Alter<br />

überhaupt erst herausbilden. Menschen<br />

können ihre persönlichen Bedürfnisse<br />

befriedigen und am sozialen, politischen<br />

und kulturellen Leben teilhaben. Die<br />

Arbeitszeitverkürzung, die die Arbeiterschaft<br />

mit Hilfe <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

schrittweise durchzusetzen vermochte, ist<br />

Ausdruck e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Entwicklung,<br />

die darauf abzielt, e<strong>in</strong>en Teil des<br />

Fortschritts <strong>in</strong> Form von Muûe zu konsumieren.<br />

Angesichts des erkämpften Lebensstandards<br />

war das Konsumgut ¹Freizeitª<br />

für viele Lohnabhängige erstrebenswerter<br />

geworden als <strong>in</strong> Zeiten niedriger Löhne, <strong>in</strong><br />

denen je<strong>der</strong> zunächst versuchen muûte,<br />

se<strong>in</strong>e materielle Lage zu verbessern. Neben<br />

technischen Entwicklungen wie z. B. <strong>der</strong><br />

Produktionsanstieg durch vermehrten<br />

Technike<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d für die jeweilige Länge<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeit soziale, ökonomische, politische<br />

und ideologische Faktoren bestimmend.<br />

E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung ist<br />

<strong>der</strong> zentrale Hebel, durch e<strong>in</strong>e Umverteilung<br />

von Arbeit Arbeitslosigkeit zu verr<strong>in</strong>gern<br />

und e<strong>in</strong>e wichtige Maûnahme gegen<br />

e<strong>in</strong>e zunehmende Intensivierung im<br />

Arbeitsprozeû. Trotz e<strong>in</strong>er verbesserten<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung und trotz gestiegener<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die Verträglichkeit<br />

<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen ist <strong>der</strong> vorzeitige<br />

Verschleiû <strong>der</strong> Arbeitskraft e<strong>in</strong> gesellschaftlich<br />

drückendes Problem geblieben. Die<br />

Zeitnot o<strong>der</strong> die Zeitknappheit ist für den<br />

überwiegenden Teil <strong>der</strong> Lohnabhängigen<br />

174<br />

ke<strong>in</strong>eswegs verr<strong>in</strong>gert worden, son<strong>der</strong>n<br />

nach wie vor e<strong>in</strong>e bestimmende Tendenz<br />

ihres Alltagslebens.<br />

Angesichts <strong>der</strong> gravierenden Arbeitslosigkeit<br />

vor allem <strong>in</strong> den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

wäre die Arbeitszeitverkürzung e<strong>in</strong><br />

wichtiger Bestandteil ihrer Bekämpfung<br />

und könnte unter Berücksichtigung e<strong>in</strong>er<br />

sozialverträglichen Gestaltung (z.B.<br />

Beschäftigungssicherheit, E<strong>in</strong>kommen,<br />

gesundheitliche Aspekte, Zeitwohlstand,<br />

lebensgeme<strong>in</strong>schaftlichen Beziehungen,<br />

soziale Teilhabe) nicht nur dazu führen,<br />

daû Millionen von arbeitslosen Menschen<br />

wie<strong>der</strong> an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Charakter von<br />

Arbeit könnte sich verän<strong>der</strong>n.<br />

30-Stunden-Woche und Zeitsouveränität<br />

Um den gestiegenen Bedürfnissen <strong>der</strong><br />

ArbeitnehmerInnen nach mehr Zeitsouveränität<br />

gerecht zu werden und bestehende<br />

Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen,<br />

ist die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> 30-Stunden-<br />

Woche und die Verkürzung <strong>der</strong> täglichen<br />

Arbeitszeit auf 6 Stunden e<strong>in</strong>e zentrale Voraussetzung.<br />

Mit <strong>der</strong> Festlegung e<strong>in</strong>er verkürzten<br />

Normalarbeitszeit begründet sich<br />

sowohl <strong>der</strong> Maûstab für die Arbeitsbelastungen,<br />

die ohne Gesundheitsgefährdungen<br />

und Überbeanspruchungen ertragen<br />

werden können, als auch <strong>der</strong> Anspruch auf<br />

e<strong>in</strong> regelmäûig zu zahlendes Arbeitsentgelt,<br />

das zur <strong>in</strong>dividuellen Existenzsicherung<br />

ausreicht. Voraussetzung dafür, daû die verkürzte<br />

Normalarbeitszeit die Garantiefunktion<br />

für das E<strong>in</strong>kommen übernimmt, ist<br />

<strong>der</strong> Lohnausgleich. Bei e<strong>in</strong>er Arbeitszeitverkürzung<br />

ohne Lohnausgleich bliebe für<br />

die breite Mehrheit <strong>der</strong> Beschäftigten die<br />

angestrebte Teilhabe am sozialen, politischen<br />

und kulturellen Leben unerreichbar.<br />

Individuelle Zeitsouveränität ist nur zu<br />

gewährleisten, wenn erstens Arbeitszeiten<br />

und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen kollektiv geregelt<br />

s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Lebensführung<br />

überhaupt zu ermöglichen, und zweitens<br />

allen arbeitenden Menschen gleichermaûen<br />

das Recht offensteht, über die Dauer, Lage


und Verteilung ihrer Arbeitszeit bestimmen<br />

zu können. Das setzt die Beteiligung <strong>der</strong><br />

ArbeiterInnen und Angestellten an <strong>der</strong><br />

Gestaltung <strong>der</strong> betrieblichen Zeitstrukturen<br />

und die Demokratisierung <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Entscheidungen voraus.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund wollen wir e<strong>in</strong>e<br />

Offensive für e<strong>in</strong>e Arbeitszeitgestaltung im<br />

Interesse <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten<br />

durchsetzen. Hierzu for<strong>der</strong>n wir:<br />

Arbeitszeitverkürzung<br />

In immer kürzerer Zeit wird immer mehr<br />

produziert. Somit stellt tarifliche Arbeitszeitverkürzung<br />

lediglich den Versuch <strong>der</strong><br />

ArbeitnehmerInnen dar, im nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Anteil an <strong>der</strong> gestiegenen Produktivität<br />

<strong>der</strong> Arbeit zu nutzen.<br />

Angesichts <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit s<strong>in</strong>d<br />

weitere Schritte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />

unumgänglich. Die gesellschaftlich<br />

notwendige Arbeitszeit muû gerechter verteilt<br />

werden.<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung<br />

<strong>in</strong> allen Formen. Die 35-Stunden-Woche<br />

muû <strong>in</strong> allen Bereichen umgesetzt werden.<br />

Unser mittelfristiges Ziel ist die 30-Stunden-Woche<br />

mit vollem Lohnausgleich.<br />

Von Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre bis 1993 halte<br />

die Arbeitszeitverkürzung e<strong>in</strong>en Beschäftigungseffekt<br />

von etwa e<strong>in</strong>er Million<br />

Arbeitsplätzen (Deutsches Institut für<br />

Wirtschaftsforschung). E<strong>in</strong>e Strategie zur<br />

weiteren Ausweitung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit<br />

kann nicht die Lösung des Problems se<strong>in</strong>.<br />

Teilzeitarbeitsplätze s<strong>in</strong>d vorwiegend Frauenarbeitsplätze.<br />

Sie haben lediglich den<br />

Charakter e<strong>in</strong>es Zusatzverdienstes und s<strong>in</strong>d<br />

sozial häufig schlecht geschützt. Sie festigen<br />

zudem die geschlechtsspezifische<br />

Arbeitsteilung. Wir wollen für Frauen und<br />

Männer Arbeitsplätze, die e<strong>in</strong>e eigenständige<br />

ökonomische Absicherung garantieren<br />

und ausreichend Freiraum für die Reproduktionsarbeit<br />

erlauben. Vorhandene Teilzeitarbeitsplätze<br />

s<strong>in</strong>d sozial- und tarifpolitisch<br />

den Vollzeitarbeitsplätzen<br />

gleichzustellen.<br />

Begrenzung <strong>der</strong> Überstunden<br />

Wir wollen, daû die maximal zulässigen<br />

Überstunden gesetzlich begrenzt werden.<br />

Es ist wi<strong>der</strong>s<strong>in</strong>nig, daû diejenigen, die<br />

Arbeit haben, Überstunden schieben müssen,<br />

während zahlreiche an<strong>der</strong>e arbeiten<br />

wollen, aber ke<strong>in</strong>en Arbeitsplatz f<strong>in</strong>den.<br />

Dort wo Überstunden aus betrieblichen<br />

Gründen erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d, müssen diese<br />

vorwiegend <strong>in</strong> Freizeit ausgeglichen werden.<br />

Alle<strong>in</strong> im Jahre 94 wurden knapp zwei<br />

Milliarden Überstunden geleistet, rechnerisch<br />

würden sich daraus 1,3 Millionen<br />

Arbeitsplätze ergeben.<br />

Die Schutz- und Gestaltungsfunktion <strong>der</strong><br />

Tarifverträge erhalten<br />

Wir wenden uns gegen e<strong>in</strong>e Verbetrieblichung<br />

<strong>der</strong> Arbeitszeitpolitik. In den Flächentarifverträgen<br />

muû <strong>der</strong> Rahmen festgeschrieben<br />

werden, <strong>in</strong>nerhalb dessen<br />

Betriebe Spielräume zur Gestaltung <strong>der</strong><br />

betrieblichen Arbeitszeitstrukturen haben.<br />

Dieser Rahmen muû sich grundsätzlich am<br />

gesellschaftlichen Zeitrhythmus ausrichten.<br />

Das heiût, Wochenenden und die Abendstunden<br />

müssen für die breite Bevölkerung<br />

Nicht-Arbeitszeit se<strong>in</strong>.<br />

Entschleunigung des Arbeitsprozesses<br />

Die Gestaltung <strong>der</strong> Arbeitszeit muû an den<br />

Interessen <strong>der</strong> Belegschaften anknüpfen.<br />

Die Arbeitszeit ist nicht nur zur Arbeit da.<br />

Es muû während <strong>der</strong> Arbeitszeit auch die<br />

Gelegenheit bestehen, soziale Kontakte zu<br />

pflegen, sich mit den KollegInnen auszutauschen.<br />

Wir wollen die Festlegung von<br />

Kommunikationsrechten, damit sich die<br />

Beschäftigten über ihre Interessen verständigen<br />

können.<br />

Der gesamte Arbeitsprozeû muû entschleunigt<br />

werden. Der Arbeitsrhythmus <strong>der</strong><br />

Menschen soll nicht den Masch<strong>in</strong>en angepaût<br />

werden, son<strong>der</strong>n die Masch<strong>in</strong>en den<br />

Zeitbedürfnissen <strong>der</strong> beschäftigten Menschen.<br />

E<strong>in</strong>e Möglichkeit dies durchzusetzen<br />

s<strong>in</strong>d z.B. konkrete Pausenregelungen.<br />

175


Soziale Schutzstandards müssen mit <strong>in</strong>dividuellen<br />

Gestaltungsoptionen verknüpft<br />

werden. Im Rahmen <strong>der</strong> Arbeitszeitgestaltung<br />

brauchen die Betriebsräte gesicherte<br />

Gestaltungs- und Mitbestimmungsrechte.<br />

Arbeitszeitkonten<br />

In den letzten e<strong>in</strong> bis zwei Jahren werden<br />

Tarifverträge verstärkt unter dem Aspekt<br />

<strong>der</strong> Beschäftigungssicherung verhandelt<br />

und abgeschlossen. Die berechtigten For<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Gewerkschaften nach kürzeren<br />

Arbeitszeiten z.B. <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es obligatorischen<br />

Freizeitausgleichs geleisteter<br />

Überstunden lassen sich dabei häufig nur<br />

erfüllen, wenn die Gewerkschaft flexibleren<br />

Arbeitszeitmustern zustimmt. Als favorisiertes<br />

Arbeitszeitmodell setzt sich zunehmend<br />

das ¹Arbeitszeitkontoª durch. Im<br />

Kern handelt es sich dabei um betriebliche<br />

Jahresarbeitszeitregelungen, <strong>in</strong> dessen Rahmen<br />

auf persönlichen Arbeitszeitkonten<br />

sowohl Zeitguthaben als Folge geleisteter<br />

Mehrheit als auch M<strong>in</strong>usstunden berücksichtigt<br />

werden. Die angesparten Zeitguthaben<br />

sollen zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt<br />

abgegolten werden. Die Interessen <strong>der</strong><br />

Kapitalseite an solchen Arbeitszeitkonten<br />

liegen dar<strong>in</strong>, daû die Beschäftigten <strong>in</strong> auftragsstarken<br />

Zeiten Überstunden leisten,<br />

die <strong>in</strong> Zeiten ger<strong>in</strong>gerer Nachfrage wie<strong>der</strong><br />

abgebaut werden. Die unternehmerische<br />

Flexibilität, den Personale<strong>in</strong>satz an die Auftragsschwankungen<br />

anpassen zu können,<br />

steigt. Die Vere<strong>in</strong>barung von Zeitkonten<br />

kann zwar im Rahmen beschäftigungssichern<strong>der</strong><br />

Abschlüsse zeitweise verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

daû betriebsbed<strong>in</strong>gte Kündigungen ausgesprochen<br />

werden.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs drohen umgekehrt die Beschäftigungseffekte<br />

von Arbeitszeitverkürzungen<br />

verloren zu gehen, da bei verbesserter Auftragslage<br />

zunächst die Zeitkonten gefüllt<br />

werden. Die E<strong>in</strong>richtung von Zeitkonten<br />

muû daher an folgende Bed<strong>in</strong>gungen<br />

geknüpft se<strong>in</strong>:<br />

1. Die Ausgestaltung von Zeitkonten muû<br />

so erfolgen, daû neben <strong>der</strong> Beschäfti-<br />

176<br />

gungssicherung die vere<strong>in</strong>barten<br />

Arbeitszeitverkürzungen nicht unterlaufen<br />

werden können. E<strong>in</strong> obligatorischer<br />

Freizeitausgleich ist sicherzustellen.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus muû e<strong>in</strong> tarifvertraglicher<br />

Rahmen gewährleisten, daû die<br />

gewerkschaftlichen Arbeitszeitpositionen<br />

e<strong>in</strong>er täglichen und wöchentlichen<br />

Höchstarbeitszeit, verteilt auf die Regelarbeitstage<br />

Montag bis Freitag, erhalten<br />

bleiben. Zeitkonten dürfen nicht zu<br />

e<strong>in</strong>er Ausweitung <strong>der</strong> Wochenendarbeit<br />

<strong>in</strong>strumentalisiert werden. Bei <strong>der</strong> Festlegung<br />

<strong>der</strong> Obergrenze für das Zeitguthaben<br />

müssen beschäftigungspolitische<br />

Überlegungen im Vor<strong>der</strong>grund stehen.<br />

Dabei gilt die Regel: je weniger Überstunden<br />

überhaupt angesammelt werden<br />

dürfen, desto höher <strong>der</strong> Beschäftigungseffekt<br />

von Arbeitszeitverkürzungen und<br />

verbesserter Auftragslage.<br />

2. Die Zeitkonten dürfen die unternehmerischen<br />

Dispositions- und Weisungsbefugnis<br />

nicht erhöhen. Sie s<strong>in</strong>d strikt als<br />

Mittel zur Durchsetzung gröûerer Zeitsouveränität<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten auszugestalten.<br />

Nach Ankündigung <strong>der</strong> ArbeitnehmerIn<br />

für e<strong>in</strong>e Entnahme e<strong>in</strong>es<br />

vorhandenen Überschusses aus dem<br />

Zeitkonto muû dies durch den Arbeitgeber<br />

stattgegeben werden. Es muû dabei<br />

bleiben, daû Mehrarbeitsstunden auûerhalb<br />

festgelegter Gleitzeitregelungen<br />

vom Betriebsrat genehmigt werden müssen.<br />

Zeitkonten dürfen auch nicht dazu<br />

miûbraucht werden, unsoziale Arbeitszeiten<br />

wie etwa die Nachtarbeit auszudehnen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)


Antrag I 77<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Aligse-Kolshorn-Röddensen<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

¹Zukunft <strong>der</strong> Arbeit und <strong>der</strong><br />

Demokratieª<br />

Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t den Parteivorstand<br />

auf, e<strong>in</strong>e Expertenkommission ¹Zukunft<br />

<strong>der</strong> Arbeit und <strong>der</strong> Demokratieª zu bestellen.<br />

Die Kommission soll Elemente für e<strong>in</strong>e<br />

Vision erarbeiten, wie bei zunehmen<strong>der</strong><br />

Schrumpfung des Arbeitsplatzangebotes die<br />

vorhandene Arbeit gerecht verteilt werden<br />

kann, damit die soziale Demokratie im<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht durch extremistische<br />

Tendenzen nach Rechts und/o<strong>der</strong> L<strong>in</strong>ks<br />

gefährdet wird.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag I 79<br />

Unterbezirk Schwabach<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Arbeitnehmerüberlassung<br />

1. Die erfolgte Aufweichung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes(AÜG)<br />

und<br />

die, wie z.B. vom Bundesverband für<br />

Zeitarbeit und <strong>der</strong> vom Wirtschaftsrat<br />

<strong>der</strong> CDU gefor<strong>der</strong>te Ausweitung <strong>der</strong><br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Arbeitnehmerüberlassung<br />

wird entschieden abgelehnt.<br />

Die Zeitarbeitsunternehmen sehen<br />

jedoch ihre Wachstumsmöglichkeiten<br />

auch weiterh<strong>in</strong> durch das bereits aufgeweichte<br />

AÜG e<strong>in</strong>geschränkt. Befristete<br />

Zeitarbeitsverträge, Kettenzeitarbeitsverträge,<br />

dauerhafte Entleihung an e<strong>in</strong><br />

Unternehmen und die Ausdehnung <strong>der</strong><br />

Zeitarbeit auf das Bauhauptgewerbe soll<br />

die Branche noch lukrativer machen.<br />

Werden diese Restriktionen jedoch<br />

abgeschafft, so wird <strong>der</strong> Typus e<strong>in</strong>es<br />

mo<strong>der</strong>nen Saisonarbeiters geschaffen,<br />

<strong>der</strong> für wenig Geld bei Bedarf angeheuert,<br />

eventuell weiter beschäftigt o<strong>der</strong><br />

sofort wie<strong>der</strong> entlassen werden kann.<br />

Die soziale Verantwortung <strong>der</strong> Verleihbetriebe<br />

würde auf Kosten <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

zugunsten <strong>der</strong> Profitmaximierung<br />

aufgegeben werden. Die<br />

Abschaffung dieser Regelungen würde<br />

dazu führen, daû <strong>in</strong> normalen Betrieben<br />

deutlich weniger Dauerarbeitsplätze<br />

geschaffen werden würden.<br />

2. Die Bezahlung <strong>der</strong> Leiharbeitnehmer<br />

muû <strong>der</strong> Entlohnung <strong>der</strong> dauerhaft <strong>in</strong><br />

Betrieben Beschäftigten angeglichen<br />

werden. Die augenblickliche Entlohnung<br />

liegt bis zu 45 % unter den tariflichen<br />

Bestimmungen <strong>der</strong> jeweiligen<br />

Branche.<br />

Die Tarifautonomie wird durch die<br />

Zeitarbeit untergraben, denn die Arbeitnehmer<br />

verdienen meist weit unter dem<br />

Tariflohn <strong>der</strong> entsprechenden Branche.<br />

Dies erklärt auch die gestiegene Attraktivität<br />

e<strong>in</strong>es Zeitarbeitnehmers für den-<br />

Entleihbetrieb. Der Entleiher erhält<br />

e<strong>in</strong>en flexiblen und motivierten Arbeitnehmer(Hoffnung<br />

auf Dauerarbeitsplatz)<br />

und muû oft nicht mehr, wenn<br />

nicht sogar weniger als für e<strong>in</strong>en fest<br />

angestellten Facharbeiter bezahlen. Wie<br />

die Arbeitgeberseite die Kosten regelt,<br />

muû uns nicht kümmern. Fest steht, daû<br />

Arbeit ihren Preis haben. muû. Ziel <strong>der</strong><br />

Zeitarbeit darf es nicht se<strong>in</strong>, Unternehmer<br />

aus <strong>der</strong> sozialen Verantwortung<br />

Arbeitsplätze zu schaffen zu entlassen<br />

und e<strong>in</strong>e neue Gruppe von Billiglohnarbeitern<br />

<strong>in</strong> Deutschland aufzubauen.<br />

3. Die Gewerkschaften im DGB werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, ihre Anstrengungen zu<br />

verstärken, die Beschäftigten <strong>der</strong> Arbeitnehmerüberlassungsbranche<br />

zu organisieren.<br />

Es müssen Möglichkeiten<br />

geschaffen werden, auch für LeiharbeitnehmerInnen<br />

tarifvertragliche Rechte zu<br />

begründen. Maûstab könnte die E<strong>in</strong>satzbranche<br />

se<strong>in</strong>. Es muû jedoch vermieden<br />

werden, daû dadurch e<strong>in</strong>e Umstrukturierung<br />

<strong>der</strong> Leiharbeit (siehe Punkt 4)<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird.<br />

Die Beschäftigung über Zeitarbeitsfirmen<br />

hat mit 170 000 Arbeitnehmern<br />

e<strong>in</strong>en Umfang erreicht, <strong>der</strong> von Seiten<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmervertretung nicht mehr<br />

177


178<br />

vernachlässigt werden kann. Der DGB<br />

darf nicht diese steigende Zahl von<br />

Arbeitnehmern von e<strong>in</strong>er tarifrechtlichen<br />

Absicherung ausschlieûen. Das<br />

Phänomen <strong>der</strong> kommerziellen Leiharbeit<br />

kann unter den augenblicklichen<br />

gesellschaftlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

wohl nicht sofort beseitigt werden, so<br />

daû die dort beschäftigten Menschen auf<br />

e<strong>in</strong>e gewerkschaftliche Unterstützung<br />

zur Durchsetzung ihrer Rechte angewiesen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

4. Es werden alternativ zur bestehenden<br />

gewerbsmäûigen Arbeitnehmerüberlassung<br />

sozial verträglichere Formen <strong>der</strong><br />

AÜ entwickelt. und erprobt. Es muû <strong>in</strong><br />

Zukunft <strong>der</strong> Diskussion über die Umgestaltung<br />

des geltenden AÜG und <strong>der</strong><br />

dadurch entstandenen gewerbsmäûigen<br />

aber kaum sozial verträglichen Form <strong>der</strong><br />

AÜ-Branche durch neu entwickelte<br />

Konzepte e<strong>in</strong>e verstärkte Grundlage<br />

gegeben werden. Die entsprechenden<br />

Parteiorgane werden beauftragt, diesen<br />

Beschluû umzusetzen.<br />

An<strong>der</strong>e, sozial verträglichere Formen<br />

gegenüber <strong>der</strong> bestehenden gewerbsmäûigen<br />

AÜ s<strong>in</strong>d dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Nicht nur, daû bei <strong>der</strong> bestehenden<br />

Form <strong>der</strong> AÜ die Interessen <strong>der</strong> betroffenen<br />

Beschäftigten h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

materiellen und sozialen Absicherung<br />

kaum berücksichtigt werden, s<strong>in</strong>d die<br />

Aussichten auf weitere Qualifizierungsmöglichkeiten<br />

und die berufliche Weiterentwicklung<br />

praktisch nicht vorhanden.<br />

Auch das steigende Streben <strong>der</strong><br />

Unternehmer nach weiterer Flexibilisierung<br />

auf <strong>der</strong> personalpolitischen Seite<br />

<strong>der</strong> Arbeitgeber kann e<strong>in</strong>e Benachteiligung<br />

<strong>der</strong> betroffenen Arbeitnehmer ke<strong>in</strong>eswegs<br />

legitimieren. Das Beschäftigungsrisiko<br />

darf nicht e<strong>in</strong>fach von den<br />

Unternehmen auf die Verleihfirmen und<br />

hier fürs letzte auf die Leiharbeiter<br />

abgewälzt werden. Da die gewerbsmäûige<br />

AÜ auch zunehmend die Randbelegschaft<br />

etablierter Firmen bereitstellt,<br />

werden nicht selten z.B. betriebseigene<br />

Elektrowerkstätten verkle<strong>in</strong>ert o<strong>der</strong><br />

sogar ganz aufgelöst. Dieses kann sich<br />

natürlich auf die Anzahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />

auswirken. Jedoch die Firmen,<br />

welche im Bereich <strong>der</strong> AÜ tätig<br />

s<strong>in</strong>d, bilden nicht aus. Zum an<strong>der</strong>en f<strong>in</strong>det<br />

lediglich e<strong>in</strong>e Umverlagerung von<br />

Dauerarbeitsplätzen <strong>in</strong> Richtung wenig<br />

abgesicherter Leiharbeitsplätze statt.<br />

Die reale Existenz wirklich neuer, also<br />

zusätzlich entstandener Arbeitsplätze<br />

wird auch im Erfahrungsbericht <strong>der</strong><br />

Bundesregierung zum AÜG nur als<br />

ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gestuft. E<strong>in</strong>e anhaltende Weiterentwicklung<br />

von bereits existierenden<br />

Konzepten, wie z. B. <strong>in</strong> NRW mit dem<br />

Modell START schon erprobt, könnte<br />

durchaus zu e<strong>in</strong>er Gestaltung <strong>der</strong> Leiharbeit<br />

zu e<strong>in</strong>em arbeitsmarktpolitischen<br />

Instrument führen, welches als sozialverträgliches<br />

Mittel zur Integration von<br />

Arbeitslosen und sogar schwervermittelbaren<br />

Arbeitslosen e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />

könnte. Es könnte dadurch e<strong>in</strong>e Benachteiligung<br />

<strong>der</strong> Beschäftigten und das<br />

Bestehen von illegalen Praktiken <strong>der</strong><br />

Unternehmen, welches immer noch zum<br />

alltäglichen Geschäft gehört, unterbunden<br />

werden.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 82<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Frankfurt/Ma<strong>in</strong>-<br />

Nordwest III-Süd<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Rücknahme des ¹Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzesª:<br />

¹Den Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />

Republik verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die Programmkommission<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Deutschlands auf, die Rücknahme<br />

des<br />

Arbeits¹för<strong>der</strong>ungsreformªgesetzes <strong>in</strong> das<br />

Bundestagswahlprogramm ©98 aufzunehmen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)


Antrag I 83<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Schwanewede<br />

(Bezirk Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen)<br />

Umschulungsmaûnahmen<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e bessere Kontrolle<br />

und Überwachung des Bedarfs und <strong>der</strong><br />

Inhalte von Umschulungsmaûnahmen<br />

durch die Arbeitsämter und durch die Versicherungsträger,<br />

als F<strong>in</strong>anzierer <strong>der</strong><br />

Umschulungsmaûnahmen.<br />

Es muû <strong>in</strong> bedarfsorientierte Berufe umgeschult<br />

werden, die auch vermittelt werden<br />

können. Hierbei muû die Eignung <strong>der</strong><br />

Umschüler im Vor<strong>der</strong>grund stehen. Es<br />

kann und darf nicht se<strong>in</strong>, daû e<strong>in</strong> Umschüler<br />

nach se<strong>in</strong>er Umschulungsmaûnahme<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Arbeitslosigkeit entlassen<br />

wird.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 84<br />

Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Austausch von öffentlichem<br />

Dienst und an<strong>der</strong>en Berufsbereichen<br />

E<strong>in</strong> verstärkter Austausch von öffentlichem<br />

Dienst und an<strong>der</strong>en Berufsbereichen ist für<br />

die Zukunft s<strong>in</strong>nvoll. Die <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> Bund<br />

und Land wird aufgefor<strong>der</strong>t, Hemmschwellen,<br />

die gegenwärtig hierbei noch <strong>in</strong> verschiedenen<br />

Bereichen bestehen, zu überprüfen<br />

und abzubauen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

± <strong>in</strong> bezug auf das Zugangsalter,<br />

± die E<strong>in</strong>gangsqualifikation zu den verschiedenen<br />

Dienstebenen,<br />

± die Besoldungsstruktur mit e<strong>in</strong>er Verstärkung<br />

<strong>der</strong> Leistungszulagen auf Zeit und<br />

<strong>der</strong> pr<strong>in</strong>zipiellen Möglichkeit, Funktionsbesetzungen<br />

nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit zu<br />

überprüfen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 85<br />

Bezirk Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

Wirtschafts- und Steuerpolitik<br />

Angesichts <strong>der</strong> dauernden Kürzungen<br />

öffentlicher Investitionen liegen <strong>der</strong>zeit<br />

genügend gut geplante und rasch umsetzbare<br />

Papiere <strong>in</strong> den Schubladen. Um<br />

sicherzustellen, dass aus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong><br />

Projekte mittel- und langfristig volkswirtschaftliche<br />

vernünftige Investitionen vorrangig<br />

zum Zuge kommen, wird Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />

auf den Gebieten <strong>der</strong><br />

ökologischen Erneuerung und von Wissenschaft<br />

und Forschung <strong>der</strong> Vorrang gegeben.<br />

Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

± Ausbau und Mo<strong>der</strong>nisierung des ÖPNV<br />

und Ausbau leistungsfähiger Schienennetze<br />

± Maûnahmen <strong>der</strong> Stadtentwicklung und<br />

Stadtsanierung<br />

± Verbesserung <strong>der</strong> kommunalen Infrastruktur<br />

± vor allem <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

± Ersatz<strong>in</strong>vestitionen im Bereich <strong>der</strong> Entsorgung<br />

(überalterte Kanalisation)<br />

± Maûnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong><br />

Umweltbelastung, Energiee<strong>in</strong>sparung<br />

und regenerativer Energiequellen<br />

± Ausgaben für Wissenschaft und Forschung<br />

± sozialer Wohnungsbau<br />

± ökologische Sortierung von Altlasten.<br />

Wenn diese notwendigen Schritte <strong>in</strong> diesem<br />

Sommer unternommen werden, führt<br />

e<strong>in</strong>e solche Politik zu e<strong>in</strong>em dynamischen<br />

Prozeû <strong>der</strong> Erholung <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft<br />

mit deutlich wachsen<strong>der</strong> Beschäftigung<br />

bei stabilen Preisen.<br />

Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />

<strong>in</strong> Höhe von 35 Mrd. DM jährlich,<br />

das durch e<strong>in</strong>e zusätzliche Kreditaufnahme<br />

f<strong>in</strong>anziert wird, selbst wenn es alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

Deutschland zum Tragen kommt, zu folgenden<br />

Verbesserungen gegenüber <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />

Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik:<br />

179


± e<strong>in</strong> spürbar höheres Wachstum des<br />

Sozialproduktes (+ 1,8 v. H.)<br />

± etwa 500 000 zusätzliche Arbeitsplätze<br />

± E<strong>in</strong>sparungen bei <strong>der</strong> Arbeitslosenunterstützung<br />

und <strong>der</strong> Sozialhilfe <strong>in</strong> Höhe<br />

von 6±7 Mrd. DM. e<strong>in</strong>e merkliche mittelfristige<br />

Konsolidierung <strong>der</strong> Staatshaushalte<br />

mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren Schuldenquote<br />

am BIP und e<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>squote<br />

unterhalb <strong>der</strong> Z<strong>in</strong>sbelastung, wie sie bei<br />

<strong>der</strong> Fortsetzung <strong>der</strong> jetzigen Politik<br />

zwangsläufig ist.<br />

E<strong>in</strong>e Beteiligung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union an e<strong>in</strong>em solchen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionspakt<br />

für mehr Wachstum und<br />

Beschäftigung könnten zu wesentlich weitreichen<strong>der</strong>en<br />

Erfolgen führen.<br />

In <strong>der</strong> BRD s<strong>in</strong>d folgende steuerliche<br />

Grundsätze zur F<strong>in</strong>anzierung des Investitionsprogramms<br />

unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>zuhalten:<br />

± Die Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d künftig<br />

im Rahmen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen- bzw. Körperschaftssteuer<br />

ohne zeitlich begrenzte<br />

Spekulationsfristen zu versteuern. Bei<br />

Verlusten müûte logischerweise e<strong>in</strong>e entlastende<br />

Verrechnung sichergestellt werden.<br />

Durch die Regelung entfiele die Besteuerung<br />

spekulativer Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne<br />

(<strong>der</strong>zeit bei Immobilien Befristung auf<br />

zwei Jahre, bei Wertpapieren auf e<strong>in</strong> halbes<br />

Jahr).<br />

± Die Vermögenssteuer für private Haushalte,<br />

die mit dem Jahressteuergesetz<br />

1996 abgeschafft wurde, ist wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zuführen.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d die durch das Bundesverfassungsgericht<br />

festgelegten Pr<strong>in</strong>zipien<br />

<strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Immobilien<br />

nach dem Verkehrswert grundsätzlich zu<br />

berücksichtigen. Selbst bei e<strong>in</strong>er groûzügigen<br />

Regelung <strong>der</strong> Freibeträge für das<br />

sog. Gebrauchsvermögen würde nach<br />

Modellrechnungen e<strong>in</strong> Prozent Vermögenssteuer<br />

zu e<strong>in</strong>em Aufkommen von<br />

über 37 Mrd. DM führen. Mittelfristig<br />

ist e<strong>in</strong>e Anhebung auf zwei Prozent vorzusehen.<br />

± Zur Zeit gleicht die Gewerbesteuer,<br />

<strong>in</strong>folge mehrfacher E<strong>in</strong>griffe, e<strong>in</strong>em<br />

180<br />

Schweizer Käse. Sie wird oft nur noch<br />

von wenigen Groûunternehmen bezahlt.<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>er ¹Unternehmenssteuerreformª<br />

will die Bundesregierung die<br />

Abschaffung <strong>der</strong> Gewerbekapitalsteuer<br />

durchsetzen. Wir for<strong>der</strong>n dagegen, die<br />

Gewerbesteuer gegen e<strong>in</strong>e kommunale<br />

Wertschöpfungssteuer abzulösen. Dabei<br />

sollen auch die Anbieter von Dienstleistungen<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden. Hiermit<br />

stünde den Kommunen e<strong>in</strong>e eigene,<br />

wenig konjunkturabhängige Steuer auf<br />

breiter Basis zur Verfügung.<br />

± Die Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer zur<br />

Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Entlastungen bei<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen- bzw. Körperschaftssteuer<br />

lehnen wir grundsätzlich ab. E<strong>in</strong>e<br />

weitere Erhöhung würde das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

ökonomischen Leistungsfähigkeit endgültig<br />

desavouieren. Da die Konsumquote<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>kommensstarken Gruppen<br />

deutlich ger<strong>in</strong>ger ist, fällt auch <strong>der</strong>en<br />

Belastung relativ niedriger aus. E<strong>in</strong><br />

Umbau des Steuersystems <strong>in</strong> Richtung<br />

e<strong>in</strong>er Erhöhung <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Besteuerung<br />

muû deshalb unterbunden werden.<br />

± Die e<strong>in</strong>zigen <strong>in</strong>direkten Steuern, die<br />

erhöht werden dürfen, s<strong>in</strong>d Steuern, die<br />

e<strong>in</strong>e ökologische Lenkungsfunktion<br />

haben, wie z.B. die M<strong>in</strong>eralölsteuer.<br />

(Überwiesen an Parvorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 86<br />

Bezirk Hessen-Süd<br />

Steuergerechtigkeit<br />

herstellen, Beschäftigung<br />

för<strong>der</strong>n, den Weg <strong>in</strong> die<br />

Zukunft f<strong>in</strong>anzieren<br />

I. Sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik muû wirtschaftliche<br />

und gesellschaftliche Prozesse för<strong>der</strong>n.<br />

Konservative F<strong>in</strong>anzpolitik erhebt den<br />

Anspruch, die wirtschaftliche Entwicklung<br />

Deutschlands zu sichern. Dazu gehören<br />

Investitionen <strong>in</strong> Infrastruktur, Bildung,


Forschung und Entwicklung. Bereits hier<br />

hat die konservative Bundesregierung versagt,<br />

wie schon die s<strong>in</strong>kenden Ausgaben für<br />

Bildung und Forschung zeigen.<br />

Sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik will<br />

mehr, Wir stellen uns <strong>der</strong> Aufgabe, durch<br />

öffentliches Handeln den Problemen entgegenzuwirken,<br />

die aus e<strong>in</strong>em auf Gew<strong>in</strong>n<br />

orientierten wirtschaftlichen Handeln entstehen.<br />

Deshalb ist für uns e<strong>in</strong>e aktive<br />

Beschäftigungspolitik ebenso wichtig wie<br />

<strong>der</strong> Ausgleich <strong>der</strong> sozialen und ökologischen<br />

Folgen gew<strong>in</strong>norientierten Wirtschaftens.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus wollen wir soziale Gerechtigkeit<br />

herstellen, Gleichberechtigung för<strong>der</strong>n<br />

und Impulse für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative nachhaltige<br />

Wirtschaftsweise geben.<br />

Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gehört zu e<strong>in</strong>er<br />

sozialdemokratischen F<strong>in</strong>anzpolitik, daû<br />

die Lasten an Steuern und Abgaben sozial<br />

gerecht nach <strong>der</strong> jeweiligen Leistungsfähigkeit<br />

verteilt werden. Dieser Zustand muû<br />

<strong>in</strong> Deutschland erst wie<strong>der</strong> hergestellt werden.<br />

Mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von Steuer- und<br />

Abgabenerhöhungen vor allem <strong>in</strong> den Jahren<br />

1991 bis 1995 hat die <strong>der</strong>zeitige Bundesregierung<br />

vor allem die Bezieher normaler<br />

E<strong>in</strong>kommen belastet und<br />

Groûverdiener weitgehend geschont. Die<br />

<strong>SPD</strong> will e<strong>in</strong>e schrittweise Rückführung<br />

<strong>der</strong> Steuer- und Abgabenbelastung für<br />

Normalverdiener auf <strong>der</strong> Grundlage soli<strong>der</strong><br />

Staatsf<strong>in</strong>anzen. Dieses Ziel ist erreichbar<br />

durch e<strong>in</strong>e Steuer- und Abgabenreform, die<br />

im wesentlichen aufkommensneutral ist.<br />

E<strong>in</strong>e unüberschaubare Vielfalt von Steuervergünstigungen<br />

und Son<strong>der</strong>regelungen hat<br />

das Steuerrecht ungerechter gemacht, da<br />

nur e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit von kundigen und<br />

besserverdienenden Steuerpflichtigen dazu<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, die Regelungen zu nutzen<br />

und damit ihre Steuerschuld auf Kosten<br />

<strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Bürger zu drücken. Jede<br />

Steuerreform muû sich deshalb an dem<br />

Anspruch messen lassen, die Besteuerung<br />

gerechter und e<strong>in</strong>facher zu machen.<br />

Wir wollen e<strong>in</strong>e Steuerreform, die Steuergerechtigkeit<br />

und Steuervere<strong>in</strong>fachung zum<br />

Ziel hat!<br />

II. Steuergerechtigkeit<br />

Steuergerechtigkeit heiût: alle E<strong>in</strong>kommensarten<br />

gleich besteuern<br />

Die massive Ungerechtigkeit durch die<br />

unterschiedliche Behandlung verschiedener<br />

E<strong>in</strong>kommensarten bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensbesteuerung<br />

muû beseitigt werden.<br />

Während das Arbeitse<strong>in</strong>kommen vollständig<br />

besteuert wird, da <strong>der</strong> Arbeitgeber die<br />

Lohnsteuer e<strong>in</strong>behält, werden E<strong>in</strong>künfte<br />

aus Unternehmertätigkeit, aus Kapitalvermögen<br />

und Immobilien nur unzureichend<br />

erfaût. Dies führt nicht nur zu Steuerausfällen<br />

und belastet e<strong>in</strong>seitig den Faktor<br />

Arbeit, son<strong>der</strong>n es kommt dazu auch noch<br />

zu volkswirtschaftlich schädlichen Fehlsteuerungen,<br />

da F<strong>in</strong>anzanlagen o<strong>der</strong> Immobilienanlagen<br />

auch noch günstiger behandelt<br />

werden als z. B. Anlagen <strong>in</strong><br />

Produktivkapital.<br />

Wir wollen, daû die unterschiedlichen E<strong>in</strong>kommensarten<br />

grundsätzlich steuerlich<br />

gleich behandelt werden. Dabei wollen wir<br />

Besteuerungslücken zugunsten weniger<br />

schlieûen. Deshalb treten wie dafür e<strong>in</strong>,<br />

Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Form zu<br />

versteuern, gleichgültig ob es sich um<br />

Immobilien, Firmenanteile o<strong>der</strong> Wertpapiere<br />

handelt. Ebenso s<strong>in</strong>d alle Spekulationsgew<strong>in</strong>ne<br />

aus Derivatgeschäften und aus<br />

Devisenspekulationen geeignet zu besteuern.<br />

Auch erfor<strong>der</strong>t es die Gleichmäûigkeit<br />

<strong>der</strong> Besteuerung, daû auch die E<strong>in</strong>künfte<br />

aus Kapitalvermögen vollständig erfaût<br />

werden. Dazu s<strong>in</strong>d Z<strong>in</strong>serträge an <strong>der</strong><br />

Quelle mit dem Spitzensteuersatz vorab zu<br />

belasten. Die Quellensteuer ist auf die E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

anzurechnen.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: Leistungsfähigkeit<br />

als Maûstab<br />

Es muû wie<strong>der</strong> gelten, daû mit steigendem<br />

E<strong>in</strong>kommen auch die steuerliche Belastung<br />

steigt. Werden E<strong>in</strong>kommen aber gar nicht<br />

mehr, o<strong>der</strong> nur noch zum Teil erfaût,<br />

bedeutet dies e<strong>in</strong>en schweren Verstoû<br />

gegen den Grundsatz <strong>der</strong> Besteuerung nach<br />

Leistungsfähigkeit.<br />

181


Wenn sich für Normalverdiener heute durch<br />

Lohnsteuer und unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />

Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung oft<br />

e<strong>in</strong>e höhere Belastung für jede zusätzlich<br />

verdiente Mark ergibt als für Bezieher hoher<br />

E<strong>in</strong>kommen, dann ist dies nicht h<strong>in</strong>nehmbar.<br />

Denn mit steigendem E<strong>in</strong>kommen<br />

wachsen die Möglichkeiten, die von <strong>der</strong><br />

Regierung geschaffenen Schlupflöcher wie<br />

Son<strong>der</strong>abschreibungen, Bewertungsfreiheiten<br />

und E<strong>in</strong>kommensverlagerungen so zu<br />

nutzen, daû sich die Steuerschuld drastisch<br />

verr<strong>in</strong>gert und im Extremfall auf Null s<strong>in</strong>kt.<br />

Demgegenüber wird bei Arbeitnehmern<br />

wegen <strong>der</strong> zu ger<strong>in</strong>gen Absetzbarkeit <strong>der</strong><br />

zwangsläufig erhobenen Sozialversicherungsbeiträge<br />

zusätzlich e<strong>in</strong> nicht verfügbares<br />

E<strong>in</strong>kommen versteuert.<br />

Wir wollen Steuersubventionen und Son<strong>der</strong>regelungen<br />

konsequent e<strong>in</strong>schränken<br />

und beseitigen! Durch die so erreichte<br />

Annäherung von nom<strong>in</strong>aler und effektiver<br />

Besteuerung wird das Steuerrecht zugleich<br />

e<strong>in</strong>facher und gerechter.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: Lasten gleich behandeln<br />

Zu e<strong>in</strong>er gerechten E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />

gehört auch, daû die Lasten, die bei <strong>der</strong><br />

Steuerbemessung berücksichtigt werden,<br />

wie zum Beispiel Aufwendungen zur sozialen<br />

Sicherung, die Steuer bei allen<br />

E<strong>in</strong>kommensgruppen <strong>in</strong> gleicher Weise<br />

m<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Deshalb wollen wir, daû Entlastungsbeträge<br />

nicht bei <strong>der</strong> Bemessungsgrundlage,<br />

son<strong>der</strong>n bei <strong>der</strong> Steuerschuld<br />

abgezogen werden. Dies gilt für Leistungen<br />

des Familienlastenausgleiches ebenso<br />

wie für Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten.<br />

Das heiût, daû jeweils e<strong>in</strong><br />

Anteil dieser Beträge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe des E<strong>in</strong>gangssteuersatzes<br />

von <strong>der</strong> Steuer abgezogen<br />

wird. Das gleiche gilt, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

wenigen Bereichen neben gezielten F<strong>in</strong>anzhilfen<br />

steuerliche Vergünstigungen erfor<strong>der</strong>lich<br />

bleiben.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: Statt Schlupflöcher<br />

für wenige, weniger Steuern für viele<br />

Wir wollen e<strong>in</strong>e Verbreiterung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuerbemessungsgrundlage<br />

durch die<br />

Abschaffung <strong>der</strong> meisten Ausnahmetatbe-<br />

182<br />

stände. Die erzielten Steuermehre<strong>in</strong>nahmen<br />

wollen wir zu e<strong>in</strong>em groûen Teil für e<strong>in</strong>e<br />

Senkung des E<strong>in</strong>kommensteuertarifs nutzen!<br />

Je weitgehen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Verbreiterung <strong>der</strong><br />

Bemessungsgrundlage und e<strong>in</strong> Abbau von<br />

Steuersubventionen erfolgt, desto gröûer<br />

ist das für e<strong>in</strong>e durchgängige Tarifsenkung<br />

zur Verfügung stehende Volumen. Dabei<br />

werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts<br />

strikt e<strong>in</strong>gehalten.<br />

Der Grundfreibetrag muû so ausgestaltet<br />

se<strong>in</strong>, daû er mehr als das nackte Überleben<br />

ermöglicht. Er ist so weit zu erhöhen, daû<br />

er zusätzlich e<strong>in</strong>e Teilnahme am gesellschaftlichen<br />

Leben garantiert.<br />

E<strong>in</strong> Existenzm<strong>in</strong>imum von 14000 DM für<br />

Ledige und 28000 für Verheiratete wird<br />

nicht besteuert und <strong>der</strong> Grundfreibetrag<br />

entsprechend ausgestaltet werden. E<strong>in</strong>e<br />

politische Überprüfung dieses Betrages hat<br />

im Rahmen des Jahressteuergesetzes stattzuf<strong>in</strong>den.<br />

Von den das Existenzm<strong>in</strong>imum<br />

übersteigenden E<strong>in</strong>kommensteilen müssen<br />

den Steuerpflichtigen jeweils angemessene<br />

Beträge verbleiben. Der E<strong>in</strong>gangssatz soll<br />

langfristig von jetzt 25,9 % auf 15 % abgesenkt<br />

werden. Der Spitzensteuersatz bleibt<br />

vorerst bei 53 % und wird von Ledigen bei<br />

e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kommen von 120000 erreicht.<br />

Wenn bei e<strong>in</strong>er späteren Stufe e<strong>in</strong>er Steuerreform<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangssteuersatz von 15 %<br />

erreicht ist und f<strong>in</strong>anzieller Spielraum entsteht,<br />

ist e<strong>in</strong>e Steuererleichterung durch<br />

Anheben <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenze von<br />

120 000 DM möglich.<br />

Die Progression ist so zu gestalten, daû die<br />

kle<strong>in</strong>en und mittleren E<strong>in</strong>kommen deutlich<br />

weniger Anteile am Gesamtaufkommen<br />

haben als bisher.<br />

E<strong>in</strong>e Besteuerung des Arbeitslosengeldes<br />

und an<strong>der</strong>er Lohnersatzleistungen sowie<br />

zusätzliche Besteuerung <strong>der</strong> Renten lehnen<br />

wir ab.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: Ke<strong>in</strong>e Umschichtung<br />

von direkten Steuern auf die Mehrwertsteuer<br />

Damit die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer<br />

nicht noch weiter belastet werden,


ist e<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer<br />

grundsätzlich abzulehnen. Wer den gröûten<br />

Teil se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kommens für se<strong>in</strong>en<br />

Lebensunterhalt wie<strong>der</strong> ausgeben muû,<br />

wird von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer beson<strong>der</strong>s<br />

getroffen. E<strong>in</strong>e Umschichtung von direkten<br />

Steuern wie E<strong>in</strong>kommens- o<strong>der</strong> Vermögensteuer<br />

auf die <strong>in</strong>direkte Mehrwertsteuer<br />

belastet somit untere E<strong>in</strong>kommensgruppen<br />

stärker als die höheren E<strong>in</strong>kommen. Deswegen<br />

lehnen wir e<strong>in</strong>e höhere Mehrwertsteuer<br />

zur F<strong>in</strong>anzierung von Steuersenkungen<br />

ab.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: Die Unternehmenssteuern<br />

nicht weiter senken<br />

Die Gewerbesteuer erhalten<br />

Zu e<strong>in</strong>em gerechten Steuersystem gehören<br />

auch Unternehmenssteuern. Würden sie<br />

nicht erhoben, würde <strong>der</strong> von den Beschäftigten<br />

erwirtschaftete Wertzuwachs nur das<br />

Vermögen <strong>der</strong> Besitzer bzw. <strong>der</strong> Aktionäre<br />

erhöhen. Unternehmenssteuern lassen die<br />

Erträge <strong>der</strong> gesamten Gesellschaft zugute<br />

kommen. Während 1960 <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen<br />

12 % betrug, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nsteuern<br />

35 %, hat sich das Verhältnis <strong>in</strong>zwischen<br />

genau umgekehrt, die Steuern auf Gew<strong>in</strong>ne<br />

liegen heute bei 12 %, die Lohnsteuer bei<br />

35 % des Gesamtaufkommens. Die Steuerquote<br />

auf Gew<strong>in</strong>ne ist von 37 % auf 23 %<br />

gesunken. Obwohl die Mehrheit <strong>der</strong> europäischen<br />

Län<strong>der</strong> die Unternehmen <strong>in</strong> dieser<br />

Weise entlastet hat, wobei die Belastung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel die Arbeitnehmer getroffen hat,<br />

ist dadurch ke<strong>in</strong> deutliche Zuwachs an Investitionen<br />

ausgelöst worden. Deshalb dürfen<br />

die Unternehmenssteuern nicht weiter<br />

gesenkt werden und die Gewerbesteuer<br />

muû erhalten werden. Zudem ist <strong>der</strong> Unternehmensbegriff<br />

auszuweiten, so daû jede<br />

Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr mit<br />

<strong>der</strong> Absicht, Gew<strong>in</strong>n zu erzielen, darunter<br />

fällt. Ziel e<strong>in</strong>er Steuerreform <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich ist es, zu e<strong>in</strong>em rechtsformunabhängigen<br />

Unternehmensbesteuerung zu kommen,<br />

die auf alle Betriebe anzuwenden ist.<br />

Entnommene Gew<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d dann mit <strong>der</strong><br />

privaten E<strong>in</strong>kommensteuer zu belasten, wie<br />

an<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>kommen auch.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: Die Steuerverwaltung<br />

effektiver gestalten, die Steuerkrim<strong>in</strong>alität<br />

entschieden bekämpfen<br />

Die Steuerverwaltung ist auch wegen Personalmangels<br />

nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die<br />

vorhandenen Steuergesetze umzusetzen<br />

und e<strong>in</strong>e gerechte Besteuerung zu gewährleisten.<br />

Die Lage von Betriebsprüfung und Steuerfahndung<br />

ist symptomatisch für die Lage<br />

<strong>der</strong> Steuerverwaltung <strong>in</strong>sgesamt. Auf diesem<br />

Nährboden kann die Steuerkrim<strong>in</strong>alität<br />

üppig wuchern. Die Steuerkrim<strong>in</strong>alität<br />

verursacht jährlich Steuerausfälle <strong>in</strong> dreistelliger<br />

Milliardenhöhe.<br />

Wir wollen, daû <strong>in</strong> jedem Bundesland<br />

unverzüglich e<strong>in</strong>e funktionstüchtige<br />

Betriebsprüfung e<strong>in</strong>gesetzt wird, so daû bei<br />

gröûeren Betrieben e<strong>in</strong> Prüfungsabstand<br />

von 3 Jahren nicht unterschritten wird. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

zur Bekämpfung <strong>der</strong> bedrohlichen<br />

Steuer- und Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität<br />

ist die hoffnungslos unterbesetzte Steuerfahndung<br />

entsprechend dem Aufgabenzuwachs<br />

personell aufzustocken. Die Personallücken<br />

s<strong>in</strong>d zu schlieûen. In Hessen s<strong>in</strong>d<br />

hier zwar bereits die Weichen <strong>in</strong>sofern<br />

gestellt worden, als <strong>in</strong> den Haushalt 1996<br />

zusätzlich 200 neue Anwärterstellen für<br />

Betriebsprüfer e<strong>in</strong>gestellt wurden, diese<br />

Zahl wird aber vermutlich nicht ausreichen.<br />

Um die Län<strong>der</strong> nicht über Gebühr zu belasten,<br />

wollen wir durch e<strong>in</strong>e ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Regelungen zum Län<strong>der</strong>f<strong>in</strong>anzausgleich<br />

dafür Sorge tragen, daû das Interesse <strong>der</strong><br />

Län<strong>der</strong> an e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Personalausstattung<br />

<strong>der</strong> Auûendienste und <strong>der</strong><br />

damit verbundenen konsequenten Ausschöpfung<br />

<strong>der</strong> Steuerquellen gestärkt wird.<br />

Denkbar wäre, daû Teile des durch<br />

Betriebsprüfungen erzielten zusätzlichen<br />

Steueraufkommens nicht über den Län<strong>der</strong>f<strong>in</strong>anzausgleich<br />

umverteilt und die Auûendienstkosten<br />

angerechnet werden.<br />

Wir wollen e<strong>in</strong> ¹Aktionsprogramm gegen<br />

Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität und Steuerh<strong>in</strong>terziehungª.<br />

E<strong>in</strong> solches Aktionsprogramm<br />

muû wirksame Maûnahmen enthalten, um<br />

183


die Steuerh<strong>in</strong>terziehung <strong>in</strong> zentralen Bereichen<br />

zu bekämpfen: Kapitalflucht <strong>in</strong><br />

Steueroasen, Gew<strong>in</strong>nverlagerungen <strong>in</strong>s<br />

Ausland, Sche<strong>in</strong>betriebsausgaben, Sche<strong>in</strong>unternehmen,<br />

illegale Arbeitnehmerüberlassung,<br />

Schwarzgeschäfte, Vortäuschung<br />

von Beschäftigungsverhältnissen,<br />

Vertragsmanipulationen.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: Die Kapitalertragssteuer<br />

EU-weit harmonisieren<br />

Nach Schätzungen gehen dem Staat jährlich<br />

10 bis 15 Milliarden DM an Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />

durch Z<strong>in</strong>ssteuerflucht verloren.<br />

Dies liegt unter an<strong>der</strong>em daran, daû <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union immer noch<br />

ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Besteuerungssystem von<br />

Kapitalerträgen existiert. So gibt es beispielsweise<br />

<strong>in</strong> Luxemburg ke<strong>in</strong>e Kapitalertragssteuer<br />

für Auslän<strong>der</strong>, was dazu führt,<br />

daû viele Groûanleger ihr Geld von<br />

Deutschland nach Luxemburg transferieren,<br />

um die Z<strong>in</strong>sabschlagsteuer zu umgehen.<br />

Dies hat <strong>in</strong> Deutschland zu e<strong>in</strong>em<br />

dualen System <strong>der</strong> Besteuerung auf Kapitalerträge<br />

geführt: Die M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit <strong>der</strong> ehrlichen<br />

Steuerzahler zahlt die volle E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

auf ihre Z<strong>in</strong>sen und die<br />

Vermögens- und E<strong>in</strong>kommensteuer auf<br />

ihre Geldanlagen; unehrliche Steuerzahler<br />

dagegen transferieren ihr Geld <strong>in</strong>s Ausland,<br />

um <strong>der</strong> deutschen Besteuerung auf Z<strong>in</strong>sen<br />

und Vermögen zu entgehen.<br />

Wir wollen e<strong>in</strong>e EU-weite Harmonisierung<br />

<strong>der</strong> Grundlagen <strong>der</strong> Besteuerung auf Kapitalerträge,<br />

um die Kapitalverschiebungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> EU zu beenden: E<strong>in</strong>e Z<strong>in</strong>sbesteuerung<br />

muû <strong>in</strong> dem Mitgliedsland<br />

erfolgen, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Steuerzahler se<strong>in</strong>en<br />

Wohnsitz hat.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus wollen wir <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

EU und langfristig auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

gesamten OECD e<strong>in</strong>e Steuerharmonisierung<br />

mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung effektiver M<strong>in</strong>deststeuern<br />

im Bereich <strong>der</strong> Unternehmensund<br />

Kapitalertragssteuern.<br />

Zur Begrenzung kurzfristiger risikoreicher<br />

F<strong>in</strong>anztransaktionen und Währungsspekulationen<br />

wollen wir auf solche Geschäfte<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Umsatzsteuer von 1 %<br />

184<br />

erheben, auch um Währungsstabilität zu<br />

sichern.<br />

Steuergerechtigkeit heiût: den Aufbau Ost<br />

über e<strong>in</strong>en Lastenausgleich f<strong>in</strong>anzieren.<br />

E<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>situation ist aus <strong>der</strong> notwendigen<br />

F<strong>in</strong>anzierung des Aufbaus <strong>in</strong> den<br />

neuen Bundeslän<strong>der</strong>n entstanden. Dies ist<br />

bisher durch öffentliche Verschuldung,<br />

Kostenumverteilung auf Kommunen und<br />

Län<strong>der</strong>, die Belastung von Arbeitse<strong>in</strong>kommen<br />

und durch Belastung <strong>der</strong> Sozialversicherungen<br />

erfolgt. E<strong>in</strong> groûer Teil <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzierungsprobleme sowohl <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Haushalte als auch bei den Sozialversicherungsträgern,<br />

die heute als Begründung<br />

für Sozialabbau herhalten müssen,<br />

s<strong>in</strong>d so entstanden. Wir wollen die daraus<br />

entstandene Steuer- und Abgabenbelastung<br />

zurückführen und durch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> mehreren<br />

Raten zu zahlenden Lastenausgleich auf<br />

groûe Vermögen ersetzen. Dazu sollen die<br />

Vermögen ab 1 Million mit Abgaben von<br />

1±3 % belegt werden.<br />

III. Beschäftigung för<strong>der</strong>n<br />

Die aktuellen Probleme sowohl <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Haushalte als auch <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />

s<strong>in</strong>d im wesentlichen<br />

Resultat <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit. Deshalb<br />

ist e<strong>in</strong>e aktive Beschäftigungspolitik<br />

nicht nur e<strong>in</strong> Akt gegen die soziale Not <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> Beitrag<br />

zur Konsolidierung <strong>der</strong> Haushalte und <strong>der</strong><br />

Sozialversicherungssysteme. Zu e<strong>in</strong>er aktiven<br />

Beschäftigung gehört auch die Stabilisierung<br />

<strong>der</strong> Staatsausgaben. Inzwischen<br />

haben die s<strong>in</strong>kenden Staatsausgaben e<strong>in</strong>en<br />

so deutlich negativen Beschäftigungseffekt,<br />

daû den so erzielten E<strong>in</strong>sparungen erhebliche<br />

zusätzliche Ausgaben für die Kosten<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit gegenüberstehen.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Kaufkraft stärken<br />

Deutschland braucht mehr Investitionen <strong>in</strong><br />

neue Arbeitsplätze. Selbst bei dem hohen<br />

Exportanteil, den die deutsche Wirtschaft<br />

<strong>in</strong>zwischen erreicht hat, reichen die jetzigen<br />

Produktionskapazitäten aus, um die


Nachfrage zu decken. Das heiût: Die zu<br />

ger<strong>in</strong>ge Nachfrage ist die entscheidende<br />

Schwachstelle <strong>der</strong> deutschen Konjunktur.<br />

Damit wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> neue Arbeitsplätze <strong>in</strong>vestiert<br />

wird, muû die Kaufkraft gestärkt werden.<br />

Deshalb will die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e Steuerund<br />

Abgabenreform, die zu e<strong>in</strong>er spürbaren<br />

Nettoentlastung <strong>der</strong> Arbeitnehmer und<br />

ihrer Familien und damit zur Entlastung<br />

<strong>der</strong> groûen Mehrheit <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

führt. Diese Entlastung ist e<strong>in</strong> Gebot <strong>der</strong><br />

wirtschaftspolitischen Vernunft und <strong>der</strong><br />

sozialen Gerechtigkeit.<br />

Während nach dem Konzept <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

das oberste 1 % <strong>der</strong> Steuerpflichtigen<br />

e<strong>in</strong> Drittel des gesamten Entlastungsvolumens<br />

erhalten soll, während die untere<br />

Hälfte sich mit gerade 15 % begnügen<br />

muû, will die <strong>SPD</strong> die Entlastungen dort<br />

konzentrieren, wo sie am dr<strong>in</strong>gendsten<br />

gebraucht werden, auf den Bereich <strong>der</strong><br />

Steuerpflichtigen mit E<strong>in</strong>kommen unter<br />

100000 DM. Über 75 % des Entlastungsvolumens<br />

verwenden wir für diesen<br />

Bereich. Damit werden die Nachfrageimpulse<br />

gesetzt, die für mehr Investitionen<br />

<strong>in</strong> neue Arbeitsplätze notwendig s<strong>in</strong>d.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût, die Handlungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Kommunen sichern<br />

Den Kommunen werden durch die Politik<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung immer mehr f<strong>in</strong>anzielle<br />

Verpflichtungen aufgebürdet. So<br />

haben sie beispielsweise durch die rigorosen<br />

Streichungen bei <strong>der</strong> Arbeitslosenversicherung<br />

steigende Ausgaben im Bereich<br />

<strong>der</strong> Sozialhilfe zu verzeichnen. Die F<strong>in</strong>anzlage<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den hat katastrophale Ausmaûe<br />

angenommen.<br />

Die Gewerbesteuer ist die bedeutendste<br />

E<strong>in</strong>nahmequelle <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den, die mit<br />

Hebesatzrecht ausgestaltet ist. Wird die<br />

Gewerbesteuer ersatzlos abgeschafft, ist<br />

e<strong>in</strong>e kommunale F<strong>in</strong>anzautonomie unmöglich.<br />

Von <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung bis zum<br />

Nahverkehr, die Geme<strong>in</strong>den betreiben bürgernahe<br />

Dase<strong>in</strong>svorsorge, und haben dafür<br />

erhebliche Ausgaben. Mit <strong>der</strong> notwendigen<br />

Sanierung von Gebäuden und öffentlicher<br />

Infrastruktur werden sie vor unlösbare Aufgaben<br />

gestellt.<br />

Wir wollen die Gewerbesteuer erhalten,<br />

um den Geme<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahmequelle<br />

zur F<strong>in</strong>anzierung dieser Ausgaben <strong>in</strong> eigener<br />

Verantwortung zu ermöglichen und die<br />

kommunale F<strong>in</strong>anzautonomie zu sichern.<br />

Langfristig ist die Gewerbesteuer durch<br />

e<strong>in</strong>e den Geme<strong>in</strong>den zustehende Wertschöpfungssteuer<br />

zu ersetzen. Insgesamt<br />

muû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den am Steueraufkommen<br />

wie<strong>der</strong> auf den Stand vor <strong>der</strong><br />

konservativen Regierungsübernahme<br />

erhöht und durch e<strong>in</strong> gesetzlich festgeschriebenes<br />

Konnexitätspr<strong>in</strong>zip gesichert<br />

werden, daû zusätzliche Aufgaben an e<strong>in</strong>e<br />

untere Ebene nur gegen entsprechende<br />

Mittelzuweisungen übertragen werden dürfen.<br />

Zusätzlich wollen wir e<strong>in</strong>e Beteiligung<br />

des Bundes an den Kosten <strong>der</strong> Sozialhilfe.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Kle<strong>in</strong>e und<br />

mittlere Unternehmen stärken<br />

Beschäftigungszuwächse haben <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren wesentlich <strong>in</strong> Mittel- und Kle<strong>in</strong>betrieben<br />

stattgefunden. Sie beschäftigen<br />

mehr als 20 Millionen Menschen, erwirtschaften<br />

mehr als 49 % <strong>der</strong> Bruttowertschöpfung<br />

und bilden rund 950 000 junge<br />

Menschen aus. Dort s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten<br />

12 Jahren 1,5 Millionen Arbeitsplätze neu<br />

geschaffen worden. Diese Betriebe werden<br />

von e<strong>in</strong>er Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

beson<strong>der</strong>s begünstigt. Für sie muû <strong>der</strong><br />

Zugang zu neuem Kapital und zu zusätzlichem<br />

know-how verbessert werden.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Gezielt die Investitionen<br />

för<strong>der</strong>n<br />

Statt abstrakter Entlastungen wollen wir<br />

Steuerstrukturen, die zu Investitionen <strong>in</strong><br />

neue Arbeitsplätze anreizen. Deshalb wollen<br />

wir den Teil <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>ne, die für Investitionen<br />

<strong>in</strong> neue Arbeitsplätze zur Verfügung<br />

stehen, gezielt entlasten. Als erste<br />

Maûnahme soll <strong>der</strong> Körperschaftssteuersatz<br />

für re<strong>in</strong>vestierte Gew<strong>in</strong>ne zum 1. 1. 1998<br />

von 45 % auf 35 % gesenkt werden. Um<br />

das Ziel e<strong>in</strong>er rechtsformunabhängigen<br />

Unternehmensbesteuerung zu erreichen,<br />

soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt e<strong>in</strong>e Options-<br />

185


möglichkeit für Unternehmen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Rechtsformen e<strong>in</strong>geführt werden, sich wie<br />

e<strong>in</strong>e Körperschaft besteuern zu lassen.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Ausbildende<br />

Unternehmen entlasten<br />

Trotz Appellen und Selbstverpflichtungen<br />

haben immer mehr Jugendliche nicht e<strong>in</strong>mal<br />

die Chance, e<strong>in</strong>e qualifizierten Ausbildungsplatz<br />

zu f<strong>in</strong>den. Wir wollen deshalb<br />

e<strong>in</strong>e solidarische Umgestaltung <strong>der</strong> Ausbildungsplatzf<strong>in</strong>anzierung,<br />

die die Lasten <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzierung auf alle Betriebe verteilt und<br />

konjunkturunabhängig für e<strong>in</strong> ausreichendes<br />

regionales Angebot an Ausbildungsplätzen<br />

sorgt. Deshalb setzen wir uns für e<strong>in</strong>e<br />

gesetzliche Umlagef<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>, bei<br />

<strong>der</strong> Betriebe, <strong>der</strong>en Ausbildungsleistungen<br />

nicht ausreichend s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Ausbildungsfonds<br />

e<strong>in</strong>zahlen, aus dem dann ausbildende<br />

Unternehmen entlastet werden<br />

können.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Die Sozialabgaben<br />

senken<br />

Zur För<strong>der</strong>ung neuer Arbeitsplätze will die<br />

<strong>SPD</strong> schon zum 1. Oktober e<strong>in</strong>e Senkung<br />

<strong>der</strong> Sozialabgaben um 2 Beitragspunkte.<br />

Das bedeutet e<strong>in</strong>e Entlastung <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />

und <strong>der</strong> Betriebe um 30 Mrd. DM<br />

pro Jahr. Diese Senkung erhöht ebenfalls<br />

direkt die B<strong>in</strong>nennachfrage und kommt auf<br />

<strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Wirtschaft vor allem den personalkosten<strong>in</strong>tensiven<br />

Unternehmen von<br />

Mittelstand und Handwerk zugute. Dort<br />

s<strong>in</strong>d am ehesten neue Arbeitsplätze zu<br />

erwarten. Nach Berechnungen des Bundes<strong>in</strong>stituts<br />

für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

führt e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

um 2 Beitragspunkte zur Schaffung<br />

von rund 200 000 Arbeitsplätzen. Wir halten<br />

daran fest, daû die Massenarbeitslosigkeit<br />

für die hohen Sozialabgaben verantwortlich<br />

ist. E<strong>in</strong>er leistungsm<strong>in</strong><strong>der</strong>nden<br />

Senkung werden wir deshalb nicht zustimmen.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: E<strong>in</strong>e deutlicher<br />

Schritt zur ökologischen Steuerreform<br />

E<strong>in</strong>e konsequente ökologische Steuerreform<br />

über die jetzt vorgeschlagenen ersten<br />

Schritte h<strong>in</strong>aus, wie zum Beispiel die E<strong>in</strong>-<br />

186<br />

führung e<strong>in</strong>er Steuer auf den CO 2-Ausstoû<br />

bei gleichzeitiger weiterer Senkung <strong>der</strong><br />

Sozialabgaben und Investitionen <strong>in</strong> arbeitsplatzschaffende<br />

Energiesparprogramme<br />

würde e<strong>in</strong>en starken Strukturwandel <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wirtschaft auslösen. Damit verbunden<br />

wären zwar auch Arbeitsplatzverluste <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>igen Sektoren, aber <strong>in</strong> 75 % aller Wirtschaftsbereiche<br />

würde die Beschäftigung<br />

deutlich zunehmen. M<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e halbe<br />

Million Menschen können so zusätzlich<br />

beschäftigt werden. Gleichzeitig könnte so<br />

das Ziel, den CO 2-Ausstoû bis zum Jahr<br />

2005 um e<strong>in</strong> Viertel zu senken, doch noch<br />

erreicht werden.<br />

Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Jetzt handeln<br />

Wenn e<strong>in</strong>e Steuerreform zu mehr Arbeitsplätzen<br />

führen soll, dann darf man nicht<br />

bis 1999 warten. Die Lösung <strong>der</strong> drängenden<br />

Probleme <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

können nicht aufgeschoben werden. Dazu<br />

kommt e<strong>in</strong>e Steuerreform erst im Jahr<br />

1999 zu spät. Deshalb will die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Steuer- und Abgabenreform schon für 1997<br />

und 1998. Um <strong>der</strong> Konjunktur und dem<br />

Arbeitsmarkt so schnell wie möglich e<strong>in</strong>en<br />

Wachstumsschub zu geben, wollen wir <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em ersten Schritt zum 1. Oktober 1997<br />

die Sozialabgaben senken und dann zum<br />

1. Januar im wesentlichen die Arbeitnehmer<br />

und ihre Familien entlasten und so die<br />

B<strong>in</strong>nennachfrage stärken.<br />

IV. Den Weg <strong>in</strong> die Zukunft f<strong>in</strong>anzieren<br />

Zu e<strong>in</strong>em mo<strong>der</strong>nen Steuersystem gehört<br />

auch, daû die für die Zukunft notwendige<br />

Infrastruktur f<strong>in</strong>anziell abgesichert ist, aber<br />

auch, daû immer wie<strong>der</strong> Chancengleichheit<br />

hergestellt wird. Mit e<strong>in</strong>er ökologischen<br />

Steuerreform sollen wirtschaftliche Entscheidungen<br />

so bee<strong>in</strong>fluût werden, daû<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong> friedliches und gesundes<br />

Leben möglich ist.<br />

Zukunftsgerechte Steuer heiût: Die Vermögens-<br />

und die Erbschaftssteuer neu gestalten<br />

Wenn die für unsere Zukunft notwendige<br />

Infrastruktur vom sozialen Wohnungsbau<br />

über den Bau neuer Hochschulen bis h<strong>in</strong>


zu den Verkehrs- und Datenübertragungsnetzen<br />

rechtzeitig f<strong>in</strong>anziert werden sollen,<br />

wenn die sozialen Sicherungssysteme durch<br />

Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit wie<strong>der</strong> stabilisiert<br />

werden sollen, dann kann dies nicht<br />

alle<strong>in</strong> aus den laufenden E<strong>in</strong>kommen<br />

geschehen. Zuwachs an Wohlstand gibt es<br />

seit e<strong>in</strong>igen Jahren weniger durch Arbeit,<br />

als aus Kapital und Vermögensbesitz. Wir<br />

brauchen deshalb e<strong>in</strong>en neuen fairen<br />

Lastenausgleich <strong>in</strong> unserer Gesellschaft.<br />

Wir s<strong>in</strong>d deshalb dafür, die Vermögenssteuer<br />

wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zuführen und für die<br />

nächsten 10 Jahre auf 2 % zu erhöhen.<br />

Das Bundesverfassungsgericht hat ohneh<strong>in</strong><br />

am 22. Juni 1995 e<strong>in</strong>e Neuregelung <strong>der</strong><br />

Vermögensteuer zum 1. Januar 1997 und<br />

e<strong>in</strong>e Neuregelung <strong>der</strong> Erbschaftssteuer<br />

rückwirkend zum 1. Januar 1996 beschlossen.<br />

Als Begründung wurde e<strong>in</strong>e Verfassungswidrigkeit<br />

<strong>der</strong> Vermögens- und Erbschaftssteuer<br />

aufgrund <strong>der</strong> Veranschlagung<br />

<strong>der</strong> Besteuerung von Grundbesitz mit dem<br />

E<strong>in</strong>heitswert von 1964 angegeben.<br />

Wir wollen e<strong>in</strong>e verfassungskonforme Neuregelung<br />

<strong>der</strong> Vermögens- und <strong>der</strong> Erbschaftssteuer,<br />

die e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>fachung <strong>der</strong><br />

Bewertungsverfahren zur Grundlage hat.<br />

Das typische selbstgenutzte E<strong>in</strong>familienhaus<br />

und e<strong>in</strong>e angemessene Altersvorsorge<br />

müssen steuerfrei gestellt werden. Im<br />

Gegenzug muû die Erbschaft groûer Vermögen<br />

höher besteuert werden. Es kann<br />

nicht se<strong>in</strong>, daû durch die durch Erbschaft<br />

ohne eigene Leistung erworbenen Vermögen<br />

die Chancen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />

immer ungleicher werden lassen. Dabei<br />

müssen angemessene Regelungen für<br />

Betriebsvermögen gefunden werden.<br />

Zukunftsgerechte Steuern heiût: Die ökologische<br />

Steuerreform voranbr<strong>in</strong>gen<br />

Die fortschreitende Zerstörung <strong>der</strong> natürlichen<br />

Lebensgrundlagen, das hohe Bevölkerungswachstum,<br />

<strong>der</strong> zunehmende Energieverbrauch,<br />

drohende Klimaverän<strong>der</strong>ungen<br />

und die damit verbundenen erheblichen<br />

Gefahren erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en nachhaltigen,<br />

rationellen und sparsamen Umgang mit<br />

den begrenzten Ressourcen. Nur durch<br />

umweltgerechtes Verhalten und nachhalti-<br />

ges Wirtschaften wird die heutige Generation<br />

ihrer Verantwortung für die Zukunft<br />

gerecht: Ökologische Erneuerung und<br />

wirtschaftliche Entwicklung s<strong>in</strong>d mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

zu verknüpfen. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>novativer, ökologischer<br />

Schub zur Mo<strong>der</strong>nisierung von<br />

Wirtschaft und Gesellschaft ist notwendig.<br />

Die ökologische Erneuerung verb<strong>in</strong>det die<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Leistungskraft unserer<br />

Volkswirtschaft und <strong>der</strong> Wettbewerbschancen<br />

<strong>der</strong> Unternehmen mit dem Schutz von<br />

Umwelt und Gesundheit sowie <strong>der</strong> Schaffung<br />

neuer Arbeitsplätze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> 4,3 Millionen Menschen arbeitslos s<strong>in</strong>d.<br />

Die aktuelle Arbeitsmarktsituation macht<br />

e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Die ökologische Steuerreform bietet<br />

die f<strong>in</strong>anzielle Möglichkeit hierfür.<br />

Wir wollen die ökologische Steuerreform<br />

voranbr<strong>in</strong>gen, <strong>der</strong>en notwendiges Element<br />

e<strong>in</strong>e Verschiebung <strong>der</strong> Steuer- und Abgabenbelastung<br />

zwischen den Produktionsfaktoren<br />

Arbeit und Umwelt ist. Die<br />

umweltgerechte Ausgestaltung von Steuern<br />

gibt dabei erhebliche Anreize für umweltbewuûtes<br />

und energiesparendes Verhalten<br />

jedes e<strong>in</strong>zelnen sowie für die Entwicklung<br />

und das Angebot neuer Techniken, um die<br />

Energieproduktivität zu steigern.<br />

Als E<strong>in</strong>stieg wollen wir statt <strong>der</strong> Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Mehrwertsteuer die Steuern auf den<br />

Verbrauch von Strom, Erdgas und M<strong>in</strong>eralöl<br />

deutlich erhöhen. Die M<strong>in</strong>eralölsteuer<br />

wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt um 0,20 DM<br />

pro Liter erhöht, gleichzeitig werden die<br />

Sozialversicherungsbeiträge durch e<strong>in</strong>en<br />

entsprechenden Bundeszuschuû entsprechend<br />

gesenkt.<br />

In drei weiteren Schritten wird alle zwei<br />

Jahre e<strong>in</strong>e Erhöhung um m<strong>in</strong>destens 10 %<br />

vorgenommen. Das Aufkommen aus diesen<br />

Erhöhungen soll verwendet werden, um<br />

weitere Entlastung <strong>der</strong> Sozialversicherungen<br />

zu f<strong>in</strong>anzieren und ökologische und<br />

arbeitsplatzschaffende Energiesparprogramme<br />

zu för<strong>der</strong>n. Dazu gehören Energiespar<strong>in</strong>vestitionen,<br />

Forschung und Entwicklung<br />

für erneuerbare Energien,<br />

Beschäftigungsgesellschaften und Bera-<br />

187


tungszentren, soweit sie Programme zur<br />

Energiee<strong>in</strong>sparung umsetzen.<br />

Die Kraftfahrzeugsteuer wird abgeschafft<br />

und auf die M<strong>in</strong>eralölsteuer umgelegt. Die<br />

<strong>in</strong> diesem Bereich Beschäftigten werden<br />

bevorzugt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerfahndung e<strong>in</strong>gesetzt.<br />

Die Kilometerpauschale für Pendler wird<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Entfernungspauschale umgewandelt,<br />

Steuersubventionen für Energieverschwendung<br />

abgeschafft und dabei <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e Flugbenz<strong>in</strong>steuer<br />

und e<strong>in</strong>e Abgabe auf Inlandsflüge<br />

geschaffen.<br />

In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt ist <strong>der</strong> Erhalt<br />

o<strong>der</strong> die Wie<strong>der</strong>herstellung natürlicher<br />

Lebensräume bundesweit durch e<strong>in</strong>e Flächenverbrauchsabgabe<br />

analog <strong>der</strong> Ausgleichsabgabe<br />

im Hessischen Naturschutzgesetz<br />

zu f<strong>in</strong>anzieren. Ebenso ist die<br />

Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Umweltsanierungen<br />

im S<strong>in</strong>ne des Verursacherpr<strong>in</strong>zips<br />

durch e<strong>in</strong>e Abgabe auf Emissionen oberhalb<br />

bestimmter Grenzwerte zu sichern.<br />

Zukunft gestalten heiût, Familien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

unterstützen<br />

Wir wollen, daû im Steuerrecht Familienleistungen<br />

und Lasten besser Berücksichtigung<br />

f<strong>in</strong>den. Dabei soll das herkömmliche<br />

Splitt<strong>in</strong>gverfahren, das im Effekt gerade<br />

höherverdienende K<strong>in</strong><strong>der</strong>lose bevorzugt,<br />

abgelöst werden durch e<strong>in</strong> Verfahren, mit<br />

dem über das Existenzm<strong>in</strong>imum <strong>der</strong> Erziehenden<br />

h<strong>in</strong>aus Entlastungsbeträge für die<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung von <strong>der</strong> Steuerschuld<br />

abgezogen werden. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />

wollen wir das K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld auf m<strong>in</strong>destens<br />

250 DM erhöhen. Durch die<br />

Berücksichtigung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungskosten<br />

soll die Vere<strong>in</strong>barkeit von Beruf und<br />

Familie verbessert werden.<br />

Ehegattensplitt<strong>in</strong>g abschaffen<br />

Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g wird abgeschafft.<br />

Die damit erreichten Mehre<strong>in</strong>nahmen werden<br />

zum Teil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e weitere deutliche<br />

Erhöhung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>geldes gesteckt.<br />

188<br />

Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g ermöglicht es Ehepaaren,<br />

sich steuerlich zusammen veranlagen<br />

zu lassen und für das höhere E<strong>in</strong>kommen<br />

die günstigere, für das niedrigere<br />

E<strong>in</strong>kommen die schlechtere Steuerklasse zu<br />

wählen. Paare, die gleichviel verdienen,<br />

haben dadurch ke<strong>in</strong>e Vorteile, wenn sie<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben sogar Nachteile. Beson<strong>der</strong>s<br />

begünstigt werden dagegen E<strong>in</strong>verdienerehen,<br />

damit also die klassischen Rollenklischees<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> den Familienernährer<br />

und die Hausfrau und Mutter. Das<br />

Ehegattensplitt<strong>in</strong>g ist daher unmittelbar<br />

frauendiskrim<strong>in</strong>ierend.<br />

Durch die Abschaffung des Ehegattensplitt<strong>in</strong>gs<br />

entfällt die Steuerklasse V. In <strong>der</strong><br />

Steuerklasse 5 gibt es ke<strong>in</strong> steuerfreies Existenzm<strong>in</strong>imum,<br />

ke<strong>in</strong>e abzugsfähigen Pauschalen<br />

o<strong>der</strong> ähnliches. Der Steuerabzug<br />

beg<strong>in</strong>nt bereits bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kommen von<br />

monatlich DM 175,00. Durch das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g<br />

trifft die sozial untragbare<br />

Steuerklasse V <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Frauen und<br />

treibt sie <strong>in</strong> die sozial nicht gesicherten<br />

ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigungsverhältnisse.<br />

Das K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld ist an die tatsächlich erziehende<br />

Person auszuzahlen und nicht mit<br />

dem Gehalt an die unter Umständen alle<strong>in</strong><br />

verdienende Person.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 87<br />

Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />

Für e<strong>in</strong>e neue Steuerpolitik<br />

In den letzten Jahren ist vor allem für kle<strong>in</strong>ere<br />

und mittlere E<strong>in</strong>kommen die Abgabenlast<br />

<strong>in</strong>s Unendliche gestiegen. Die<br />

Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik empf<strong>in</strong>den<br />

<strong>in</strong> ihrer Mehrheit die Steuergesetzgebung<br />

als undurchsichtig und ungerecht.<br />

Nicht e<strong>in</strong>mal mehr Fachleute s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage, die Steuergesetze <strong>in</strong> ihrer Gänze<br />

nachzuvollziehen. Dies führt u. a. dazu, daû<br />

Bezieher hoher E<strong>in</strong>kommen durch Schlupflöcher<br />

die Steuerzahlungen umgehen


können bzw. ihr Kapital <strong>in</strong>s Ausland verlagern.<br />

Diese Aspekte machen deutlich, daû e<strong>in</strong>e<br />

Steuerreform, die diesen Namen verdient,<br />

überfällig ist. Aus sozialdemokratischer<br />

Sicht müûte e<strong>in</strong>e solche Reform folgende<br />

Ziele verfolgen:<br />

± Vere<strong>in</strong>fachung des Steuerrechts<br />

± Gerechtigkeit bei <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> zu<br />

übernehmenden Lasten<br />

± weitere Senkung des E<strong>in</strong>gangstarifs und<br />

Senkung <strong>der</strong> Steuersätze <strong>in</strong> volkswirtschaftlich<br />

vertretbaren Schritten<br />

± Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Lenkungsmechanismen<br />

im Steuerrecht<br />

Diese Ziele s<strong>in</strong>d zu erreichen und <strong>der</strong><br />

Bevölkerung gegenüber deutlich zu machen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Steuerreformvorschlag<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, <strong>der</strong> u.E. folgende Komponenten<br />

als Eckpunkte enthalten sollte:<br />

Steuererhebung statt Steuererhöhung<br />

± gleichmäûige Erhebung <strong>der</strong> Steuern<br />

durch bundese<strong>in</strong>heitliche Kontrollmechanismen<br />

± Verstärkung von Betriebsprüfung und<br />

Steuerfahndung<br />

± gröûere gesellschaftliche ¾chtung von<br />

Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />

Unternehmenssteuerreform<br />

± Vere<strong>in</strong>heitlichung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kunftsarten<br />

Die E<strong>in</strong>künfte aus Vermietung und Verpachtung<br />

und Kapitalvermögen s<strong>in</strong>d wie<br />

die E<strong>in</strong>künfte aus Land- und Forstwirtschaft,<br />

Gewerbebetrieb und selbständiger<br />

Arbeit als Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>künfte zu behandeln.<br />

Gew<strong>in</strong>ne (und Verluste) aus <strong>der</strong><br />

Veräuûerung <strong>der</strong> Vermögenssubstanz<br />

s<strong>in</strong>d steuerlich zu erfassen.<br />

± Betriebsteuer<br />

Für die so def<strong>in</strong>ierten Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>künfte<br />

wird e<strong>in</strong>e Betriebsteuer mit e<strong>in</strong>em l<strong>in</strong>earen<br />

Steuersatz e<strong>in</strong>geführt, die rechts-formunabhängig<br />

für alle ,E<strong>in</strong>künfte aus<br />

Betrieb© gilt. Die Entnahmen und Ausschüttungen<br />

aus dem Betrieben unterliegen<br />

dem progressiven E<strong>in</strong>kommensteu-<br />

ersatz unter Anrechnung <strong>der</strong><br />

Betriebsteuer.<br />

± Gewerbesteuer<br />

Die Gewerbesteuer wird beibehalten <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er modifizierten Form. Bemessungsgrundlage<br />

für die Gewerbesteuer ist die<br />

Betriebsteuer. Die Geme<strong>in</strong>den erhalten<br />

e<strong>in</strong> eigenes Hebesatzrecht.<br />

Wegen <strong>der</strong> verbreiterten Bemessungsgrundlage<br />

könnte bei wesentlich niedrigeren<br />

Hebesätzen die Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung<br />

gewährleistet werden. Die Gewerbesteuer<br />

ist anrechenbar auf die E<strong>in</strong>kommensteuer.<br />

Diese Zuschlagsregelung ist verfassungsmäûig<br />

zu verankern. Solange die erfassungsmäûige<br />

Gewähr für die Zuschlagsregelung<br />

nicht gegeben ist, wird an dem bestehenden<br />

System von Gewerbeertrag- und<br />

Gewerbekapitalsteuer festgehalten.<br />

Drastischer Abbau von Subventionen<br />

Generell ist anzustreben, Subventionen für<br />

e<strong>in</strong>zelne Wirtschaftsbereiche nicht vorzunehmen,<br />

son<strong>der</strong>n die Abgabenlast <strong>in</strong>sgesamt<br />

so zu senken, daû Subventionen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel nicht notwendig s<strong>in</strong>d. Wichtigster<br />

Aspekt ist hierbei, s<strong>in</strong>nvolle volkswirtschaftliche<br />

Subventionen (Existenzgründungsför<strong>der</strong>ung,<br />

Forschung und<br />

Entwicklung) nicht im Steuerrecht zu verankern,<br />

son<strong>der</strong>n im Haushalt offen auszuweisen.<br />

Wichtig ist auch, Subventionen nicht an<br />

diejenigen Unternehmen flieûen zu lassen,<br />

die die ersparten Mittel nicht im Inland<br />

<strong>in</strong>vestiert, son<strong>der</strong>n neue Betriebe im Ausland<br />

ansiedelt.<br />

Abschaffung von Son<strong>der</strong>vorschriften<br />

Durch den gem<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Steuertarif ist es<br />

möglich, Steuerbefreiungen und Steuerermäûigungen<br />

im groûen Umfang abzuschaffen.<br />

Grundlage für diese Überlegungen<br />

können die Vorschläge <strong>der</strong> ¹Bareis-Kommissionª<br />

se<strong>in</strong>.<br />

189


Allgeme<strong>in</strong>er Schuldz<strong>in</strong>senabzug<br />

Die Zulassung e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en Schuldz<strong>in</strong>senabzugs<br />

führt dazu, daû für private<br />

Hausbauer nicht mehr die existierenden<br />

schwierigen Regelungen beibehalten werden<br />

müssen und die Umgehungstatbestände<br />

h<strong>in</strong>fällig würden.<br />

Vermögensteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer<br />

± Hohe Privatvermögen bleiben vermögen-<br />

und erbschaftsteuerpflichtig.<br />

± Für Betriebsvermögen sollen höhere<br />

Freibeträge e<strong>in</strong>geführt werden. Vermögen,<br />

das im Betrieb verbleibt und somit<br />

Arbeitsplätze sichert, soll nicht durch<br />

Abgabenlast gefährdet werden.<br />

± Die E<strong>in</strong>heitsbewertung des Grundvermögens<br />

soll zeitnah nach unkomplizierten<br />

Bewertungsmethoden durchgeführt<br />

werden zu Verkehrswerten.<br />

Familienbesteuerung<br />

Das Existenzm<strong>in</strong>imum von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ist<br />

durch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld freizustellen.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge gibt es nicht.<br />

Mittelfristig ist die grundsätzliche E<strong>in</strong>zelveranlagung<br />

e<strong>in</strong>zuführen.<br />

Um die im höhere Belastung von kle<strong>in</strong>en<br />

und mittleren E<strong>in</strong>kommen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

ist e<strong>in</strong>e regelmäûige Inflationsbere<strong>in</strong>igung<br />

des E<strong>in</strong>kommentarifs vorzusehen.<br />

Steuerreform für Arbeit und Umwelt<br />

Zur Entlastung des Faktors Arbeit (Lohnnebenkosten)<br />

und zur Reduktion des Energieverbrauchs<br />

wird e<strong>in</strong> maûvoller E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> die Energiebesteuerung angestrebt. E<strong>in</strong>e<br />

Entlastung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten ist<br />

Bestandteil dieser Reform.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

190<br />

Antrag I 88<br />

Landesverband Bayern<br />

Eckpunkte für e<strong>in</strong>e<br />

sozialdemokratische<br />

Steuerreform<br />

Konjunktur ©97: Schwaches Wachstum und<br />

katastrophaler Arbeitsmarkt<br />

Auch 1997 zeichnet sich ke<strong>in</strong> durchgreifen<strong>der</strong><br />

Aufschwung ab. Wie<strong>der</strong>um wird lediglich<br />

<strong>der</strong> Export als Konjunkturstütze dienen,<br />

während die Inlandsnachfrage durch<br />

die real schrumpfenden Massene<strong>in</strong>kommen<br />

weiter schwach tendiert. Die Massenarbeitslosigkeit<br />

hat Anfang 1997 mit knapp<br />

4,7 Mio. registrierten Erwerbslosen selbst<br />

die düstersten Prognosen übertroffen und<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik e<strong>in</strong>en neuen historischen<br />

Höchststand markiert. So erschrekkend<br />

diese Zahl ist, so wenig kann sie überraschen.<br />

Die katastrophale Entwicklung auf<br />

dem Arbeitsmarkt bestätigt sogar <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Jahreswirtschaftsbericht 1997 <strong>der</strong> Bundesregierung.<br />

¹Im Jahresdurchschnitt rechnen<br />

die Experten des Bonner Wirtschaftsm<strong>in</strong>isteriums<br />

offiziell mit e<strong>in</strong>em Anstieg <strong>der</strong><br />

Erwerbslosenzahl auf 4,1 Millionen, schlieûen<br />

aber e<strong>in</strong>e ungünstigere Entwicklung<br />

nicht aus.ª (SZ vom 25./26. Januar 1997)<br />

Nicht zuletzt durch diese negative Entwicklung<br />

auf dem Arbeitsmarkt und den<br />

damit e<strong>in</strong>hergehenden M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen<br />

bei Steuern und Sozialversicherungen s<strong>in</strong>d<br />

die nächsten Haushaltslöcher vorprogrammiert.<br />

Drei bis acht Milliarden DM fehlen<br />

bereits jetzt <strong>in</strong> Waigels Haushaltsplanung<br />

für 1997. Die Debatte um die Steuer- und<br />

Rentenreform und die verfehlte f<strong>in</strong>anzpolitische<br />

Konsolidierungsstrategie <strong>in</strong><br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> europäischen<br />

Währungsunion werden 1997 die wirtschaftspolitische<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung prägen.<br />

Kritik <strong>der</strong> Vorschläge <strong>der</strong> Waigel-Kommission<br />

und <strong>der</strong> Bonner Koalition<br />

Der Entwurf <strong>der</strong> Bonner Regierungskoalition<br />

zur Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer ist<br />

<strong>in</strong> wesentlichen Punkten wirtschaftspoli-


tisch schädlich, f<strong>in</strong>anzpolitisch unseriös<br />

und sozial ungerecht.<br />

Wirtschaftspolitisch schädlich<br />

± da auf relevante E<strong>in</strong>nahmepotentiale <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei den privaten E<strong>in</strong>künften<br />

aus Kapitalvermögen und Vermietung<br />

und Verpachtung weiterh<strong>in</strong> verzichtet<br />

und die Spekulation mit F<strong>in</strong>anzmitteln<br />

nicht wirksam unterbunden wird. Die<br />

Besteuerung von Veräuûerungsgew<strong>in</strong>nen<br />

im Waigel-Modell folgt ke<strong>in</strong>er steuersystematischen<br />

Logik, son<strong>der</strong>n dem Vorbild<br />

e<strong>in</strong>er Lotterie. Die Schieflage bei<br />

den privaten E<strong>in</strong>künften zugunsten von<br />

Kapital- und Immobilienvermögen wird<br />

auûerhalb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer durch<br />

den Wegfall <strong>der</strong> privaten Vermögensteuer<br />

noch verschärft.<br />

± weil die Stabilisierung <strong>der</strong> Massene<strong>in</strong>kommen<br />

mit e<strong>in</strong>em niedrigeren E<strong>in</strong>gangsteuersatz<br />

durch die Absenkung des<br />

Arbeitnehmer-Pauschbetrags, die<br />

Besteuerung von Nacht-, Schicht-,<br />

Sonntags- und Feiertagsarbeit und die<br />

Anhebung <strong>der</strong> Umsatzsteuer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>kassiert<br />

wird. Da <strong>der</strong> niedrigere E<strong>in</strong>gangsteuersatz<br />

auch bei E<strong>in</strong>kommensmillionären<br />

zur Senkung des<br />

Durchschnittssteuersatzes führt und nach<br />

den Plänen <strong>der</strong> Regierungskoalition<br />

bereits bei e<strong>in</strong>em zu versteuerndem E<strong>in</strong>kommen<br />

von 90000 DM greifen soll,<br />

wird das grundlegende f<strong>in</strong>anzpolitische<br />

Gebot, die Besteuerung nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Leistungsfähigkeit zu orientieren,<br />

im Bereich <strong>der</strong> oberen Proportionalzone<br />

(Spitzensteuersatz) weiter<br />

hartnäckig ignoriert.<br />

± Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> katastrophalen<br />

Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem<br />

desolaten Zustand <strong>der</strong> öffentlichen<br />

F<strong>in</strong>anzen verfehlt das Konzept zudem<br />

nicht nur Umverteilungsziele, son<strong>der</strong>n<br />

auch grundlegende allokations- und stabilisierungspolitische<br />

Zielsetzungen. Vor<br />

allem e<strong>in</strong>e rechtsformneutrale Besteuerung<br />

von unternehmerischen E<strong>in</strong>künften,<br />

die die <strong>in</strong>vestive Gew<strong>in</strong>nverwendung<br />

stützt, ist bei den Vorschlägen <strong>der</strong> Koalition<br />

überhaupt nicht vorgesehen.<br />

Fazit:<br />

Es fehlt Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen<br />

massiv an f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten zur<br />

konjunkturellen Ankurbelung des flauen<br />

Wachstums. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bund leidet unter<br />

e<strong>in</strong>em strukturellen Haushaltsdefizit von<br />

ca. 50 Mrd. DM pro Jahr, die momentan<br />

über den teuren Gang an die Kapitalmärkte<br />

beschafft werden müssen. Dies hat e<strong>in</strong>e<br />

verhängnisvolle Spar- und Schuldenspirale<br />

nach unten <strong>in</strong> Gang gesetzt, die vor allem<br />

die auf Sozialtransfers angewiesenen Haushalte<br />

trifft und die private Endnachfrage<br />

schwächt. Dem gegenüber stehen faktisch<br />

risikolose Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>nahmen aus Staatschuldverschreibungen<br />

bei den wirtschaftlich starken<br />

Haushalten.<br />

F<strong>in</strong>anzpolitisch unseriös<br />

± weil e<strong>in</strong>e Entlastung von 80 Mrd. DM ±<br />

quer durch alle E<strong>in</strong>kommensschichten<br />

und E<strong>in</strong>kunftsarten ± vorgegaukelt wird.<br />

Diese Bruttoentlastung soll durch den<br />

Abbau von Steuervergünstigungen <strong>in</strong><br />

Höhe von 38 Mrd. DM teilweise gegenf<strong>in</strong>anziert<br />

werden. Diese Gegenf<strong>in</strong>anzierung<br />

trifft <strong>in</strong> weiten Teilen beson<strong>der</strong>s<br />

belastete Schichten <strong>der</strong> abhängig<br />

Beschäftigten (Sonntags-, Nachtarbeit<br />

usw.).<br />

± da real e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzloch von deutlich über<br />

40 Mrd. DM bleibt. Deshalb soll die<br />

Umsatzsteuer erhöht werden. E<strong>in</strong> zusätzlicher<br />

Umsatzsteuer-Punkt br<strong>in</strong>gt ca.<br />

15 Mrd. DM. Wie die verbleibende Dekkungslücke<br />

von ca. 28 Mrd. DM f<strong>in</strong>anziell<br />

abgesichert werden soll, kann die<br />

Regierungskoalition nicht erklären.<br />

Fazit:<br />

Die Pläne <strong>der</strong> Regierungskoalition s<strong>in</strong>d nur<br />

e<strong>in</strong>e Steuersenkung auf Pump. Während<br />

die gröûten Steuerschlupflöcher, wie z.B.<br />

Pensionsrückstellungen <strong>der</strong> Unternehmen<br />

<strong>in</strong> Höhe von ca. 300 Mrd. DM, unangetastet<br />

bleiben, präsentiert die Regierungskoalition<br />

gigantische Deckungslücken.<br />

Angesichts des sich abzeichnenden überparteilichen<br />

Konsenses, zum<strong>in</strong>dest Teile<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuerreform bereits zum<br />

1. 1. 1998 <strong>in</strong> Kraft treten zu lassen, besteht<br />

191


die Gefahr, daû die Regierungskoalition<br />

aus wahltaktischen Gründen zuerst mit <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong>-Bundesratsmehrheit soziale Komponenten<br />

mitträgt, um danach kräftige<br />

Umsatzsteuerhöhungen und weiteren<br />

Sozialabbau als unvermeidliche fiskalpolitische<br />

Sachzwänge zu deklarieren. Für die<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Regierungskoalition<br />

gilt: Nur e<strong>in</strong> aufkommensneutrales<br />

Konzept für die E<strong>in</strong>kommensteuerreform<br />

ist e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzpolitisch seriöses Konzept.<br />

Sozial ungerecht<br />

± da groûe Teile <strong>der</strong> wirtschaftlich schwachen<br />

Haushalte nicht entlastet, son<strong>der</strong>n<br />

belastet werden. Dies trifft vor allem diejenigen,<br />

die aufgrund ihres ger<strong>in</strong>gen E<strong>in</strong>kommens<br />

ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kommensteuer zahlen:<br />

Millionen von Rentner<strong>in</strong>nen,<br />

Studierenden und an<strong>der</strong>en auf Transfers<br />

angewiesene Haushalte bleibt nur die<br />

Mehrbelastung durch die Erhöhung <strong>der</strong><br />

Umsatzsteuer.<br />

± Aber auch bei vielen abhängig Beschäftigten<br />

wird die Entlastung bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

nach den Waigel-Plänen<br />

durch die Umsatzsteuererhöhung fast<br />

halbiert. Bei e<strong>in</strong>em zu versteuerndem<br />

E<strong>in</strong>kommen von 30000 DM nach <strong>der</strong><br />

Splitt<strong>in</strong>gtabelle (Verheiratete), beziffert<br />

Waigel die Entlastung auf 800 DM jährlich.<br />

Davon werden jedoch ca. 300 DM<br />

bereits durch e<strong>in</strong>e Umsatzsteuererhöhung<br />

von e<strong>in</strong>em Prozentpunkt wie<strong>der</strong><br />

aufgefressen. Zum Vergleich: Die Steuerentlastung<br />

für e<strong>in</strong> zu versteuerndes E<strong>in</strong>kommen<br />

von 300 000 DM nach <strong>der</strong><br />

Splitt<strong>in</strong>gtabelle soll 20 734 DM betragen.<br />

Für abhängig Beschäftigte <strong>in</strong> schicht<strong>in</strong>tensiven<br />

Sektoren mit hochgradig flexibilisierten<br />

Arbeitszeiten wie z.B. <strong>der</strong><br />

Druck<strong>in</strong>dustrie o<strong>der</strong> den Humandienstleistungen<br />

ist anzunehmen, daû durch<br />

die Besteuerung <strong>der</strong> Nacht-, Schicht-,<br />

Sonntags- und Feiertagsarbeit sogar oft<br />

e<strong>in</strong>e höhere Steuerbelastung aus den<br />

Waigel-Plänen resultiert.<br />

Fazit:<br />

Im Zusammenspiel von flexibilisierten<br />

Arbeitszeiten und unteren Lohngruppen<br />

dürften erwerbstätige Frauen überpropor-<br />

192<br />

tional die Verlierer<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Besteuerung<br />

von bisher steuerfreien Lohnzuschlägen<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Insgesamt wird die soziale Schieflage <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>kommensteuer durch die Waigel-Pläne<br />

nicht korrigiert. Im Gegenteil: Insbeson<strong>der</strong>e<br />

die sozial schwächsten Bevölkerungsschichten<br />

werden durch die Umsatzsteuererhöhung<br />

nur belastet und die mittleren<br />

bis besseren E<strong>in</strong>kommensgruppen <strong>der</strong><br />

abhängig Beschäftigten erhalten im Vergleich<br />

zu den absoluten Top-Verdienern<br />

lediglich e<strong>in</strong> Almosen: Während nach dem<br />

Waigel-Steuertarif ©99 die durchschnittliche<br />

Steuerbelastung bei e<strong>in</strong>em zu versteuernden<br />

E<strong>in</strong>kommen i.H. v. 30000 DM<br />

(Grundtabelle) nur um 4,2 vH zurückgehen<br />

soll, s<strong>in</strong>kt sie bei e<strong>in</strong>em zu versteuernden<br />

E<strong>in</strong>kommen von 300 000 DM um 10,5 vH!<br />

Leitl<strong>in</strong>ien sozialdemokratischer<br />

Steuerpolitik<br />

Beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik<br />

braucht e<strong>in</strong>e tragfähige f<strong>in</strong>anz- und<br />

steuerpolitische Absicherung. E<strong>in</strong>e umfassende<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung des Steuer- und<br />

Abgabensystems nach dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die<br />

Stärkung <strong>der</strong> privaten Nachfrage und e<strong>in</strong>e<br />

gröûere Akzeptanz des Steuersystems <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Bevölkerung s<strong>in</strong>d die wichtigsten Eckpfeiler<br />

e<strong>in</strong>er Steuerreform. Der Marsch aus<br />

dem Lohnsteuerstaat fuût auf <strong>der</strong> Besteuerung<br />

nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />

und <strong>der</strong> effizienten M<strong>in</strong>imierung<br />

<strong>der</strong> Steuerh<strong>in</strong>terziehung.<br />

Akzeptanz des Steuersystems stärken durch<br />

e<strong>in</strong>e gleichmäûige Besteuerung aller E<strong>in</strong>künfte<br />

Die dr<strong>in</strong>gendste Aufgabe e<strong>in</strong>er Strukturreform<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Beseitigung des Belastungsgefälles nach<br />

den E<strong>in</strong>kunftsarten: Während die E<strong>in</strong>künfte<br />

<strong>der</strong> abhängig Beschäftigten über die<br />

Lohnsteuer als Quellensteuer effizient<br />

erfaût werden, s<strong>in</strong>d bei den Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>kunftsarten<br />

(E<strong>in</strong>künfte aus Land- und<br />

Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger<br />

Arbeit) groûe Gestaltungsmöglichkeiten<br />

eröffnet.


Am unteren Ende <strong>der</strong> steuerlichen Erfassung<br />

und Belastung rangieren jedoch die<br />

E<strong>in</strong>künfte aus Vermietung und Verpachtung<br />

und Kapitalvermögen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong>en effiziente Erfassung bei e<strong>in</strong>er gleichzeitigen<br />

Intensivierung <strong>der</strong> betrieblichen<br />

Auûenprüfung eröffnet relevante Potentiale<br />

von Mehre<strong>in</strong>nahmen. Zudem muû das E<strong>in</strong>kommensteuergesetz<br />

zugunsten e<strong>in</strong>es<br />

eigenständigen Teils von subventionspolitisch<br />

motivierten Lenkungsnormen gere<strong>in</strong>igt<br />

werden.<br />

Unternehmensbesteuerung reformieren ±<br />

Lücke zwischen nom<strong>in</strong>aler und realer Belastung<br />

schlieûen.<br />

Unternehmen unterliegen je nach ihrer<br />

Rechtsform <strong>der</strong> Körperschaftsteuer (d. h.<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer <strong>der</strong> Kapitalgesellschaften,<br />

z.B. GmbH, AG) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kunftsart<br />

¹E<strong>in</strong>künfte aus Gewerbebetriebª<br />

bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer (E<strong>in</strong>zelunternehmer,<br />

Gesellschafter von Personengesellschaften,<br />

z.B. OHG, KG).<br />

Dazu kommen noch die unternehmerischen<br />

E<strong>in</strong>künfte <strong>der</strong> freien Berufe und <strong>der</strong><br />

Landwirte, die ebenfalls eigenen E<strong>in</strong>kunftsarten<br />

bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer zugeordnet<br />

werden. Je nach Steuer- und E<strong>in</strong>kunftsart<br />

gelten äuûerst unterschiedliche Gew<strong>in</strong>nermittlungsvorschriften,<br />

Freibeträge usw.<br />

Kurz: Die Besteuerung <strong>der</strong> unternehmerischen<br />

E<strong>in</strong>künfte ist chaotisch.<br />

Um e<strong>in</strong>e gleichmäûige und ökonomisch<br />

s<strong>in</strong>nvolle Besteuerung <strong>der</strong> unternehmerischen<br />

E<strong>in</strong>künfte zu erreichen, werden die<br />

um die E<strong>in</strong>künfte aus Vermietung und Verpachtung<br />

erweiterten Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>künfte aus<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer ausgelagert. Die<br />

Besteuerung aller unternehmerischen E<strong>in</strong>künfte<br />

erfolgt ± analog zur jetzigen Körperschaftsteuer<br />

± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er rechtsformunabhängigen<br />

Betriebsteuer. Kle<strong>in</strong>unternehmer<br />

(z.B. Gew<strong>in</strong>nermittlung nach dem heutigen<br />

§ 4 Abs. 3 EStG) können aus Vere<strong>in</strong>fachungsgründen<br />

zur ± dann privaten ± E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

optieren.<br />

Der steuerliche Gew<strong>in</strong>n wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Betriebsteuer mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Steuersatz<br />

± deutlich unter dem Spitzensteuer-<br />

satz <strong>der</strong> privaten E<strong>in</strong>kommensteuer ± belastet.<br />

Ausschüttungen bzw. Entnahmen aus<br />

Betrieb werden bei <strong>der</strong> privaten E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

erfaût. Die gezahlte Betriebsteuer<br />

wird bei <strong>der</strong> privaten E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

angerechnet. Somit unterliegen nur<br />

noch die dem Unternehmen entzogenen<br />

Gew<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> progressiven Besteuerung <strong>der</strong><br />

privaten E<strong>in</strong>kommensteuer. Der nordrhe<strong>in</strong>westfälische<br />

F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister Schleuûer hat<br />

zudem e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>novativen Reformvorschlag<br />

für die Neufassung <strong>der</strong> Abschreibungsund<br />

Bewertungsregeln (Objektivierung <strong>der</strong><br />

Gew<strong>in</strong>nermittlung) vorgelegt, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

neuen Betriebsteuer möglichst lückenlos<br />

umgesetzt werden sollte. So wird die<br />

Unternehmensbesteuerung auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

und rechtsformunabhängige Basis<br />

gestellt. Mit <strong>der</strong> Betriebsteuer ist zudem<br />

e<strong>in</strong> steuersystematisch s<strong>in</strong>nvoller Anknüpfungspunkt<br />

für e<strong>in</strong>e revitalisierte Gewerbesteuer<br />

geschaffen, <strong>der</strong> den Kommunen<br />

<strong>in</strong>dividuelle Hebesätze zur Betriebsteuer<br />

beläût.<br />

Existenzm<strong>in</strong>imum erhöhen ± Lohnsteuerbelastung<br />

senken<br />

Für den Tarif <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

bedeutet das e<strong>in</strong>e gezielte Entlastung e<strong>in</strong>kommensschwacher<br />

Schichten und e<strong>in</strong>e<br />

ger<strong>in</strong>gere Lohnsteuerbelastung <strong>der</strong> groûen<br />

Mehrheit <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten. Die<br />

von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> gefor<strong>der</strong>te Erhöhung des Existenzm<strong>in</strong>imums<br />

auf DM 14000/DM 28 000<br />

(E<strong>in</strong>zel- bzw. Zusammenveranlagung von<br />

Ehegatten) und die deutliche Absenkung<br />

des E<strong>in</strong>gangsteuersatzes erübrigen die<br />

Fixierung <strong>der</strong> Diskussion auf die Senkung<br />

des Spitzensteuersatzes, da sie allen Steuerpflichtigen<br />

± auch Spitzenverdienern ±<br />

zugute kommen. Def<strong>in</strong>itive Aussagen zur<br />

Gesamtstruktur des Steuertarifs s<strong>in</strong>d erst<br />

bei vollständiger Klarheit über die Verbreiterung<br />

<strong>der</strong> Bemessungsgrundlage s<strong>in</strong>nvoll.<br />

E<strong>in</strong>e Gegenf<strong>in</strong>anzierung von E<strong>in</strong>nahmeausfällen<br />

bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer durch e<strong>in</strong>e<br />

pauschale Erhöhung <strong>der</strong> Umsatzsteuer<br />

wird strikt abgelehnt. Denn die daraus<br />

resultierenden Mehrbelastungen für zahlreiche<br />

Student<strong>in</strong>nen, Rentner<strong>in</strong>nen und<br />

an<strong>der</strong>e auf Transfere<strong>in</strong>kommen angewiesene<br />

Haushalte s<strong>in</strong>d nicht zu rechtfertigen.<br />

193


Chancengleichheit und sozialen Frieden<br />

wahren ± Groûe Vermögensmassen und<br />

Erbschaften s<strong>in</strong>nvoll besteuern<br />

Die Vermögen- bzw. Erbschaft- und<br />

Schenkungsteuer basieren auf drei Vermögensarten:<br />

Immobilienvermögen, Betriebsvermögen<br />

und Geldvermögen. Das Deutsche<br />

Institut für Wirtschaftsforschung<br />

Berl<strong>in</strong> (DIW) hat zum Aufkommen und<br />

den potentiellen Besteuerungsbasen von<br />

Vermögensteuer und Erbschaft- und<br />

Schenkungsteuer wie folgt Stellung genommen:<br />

Zur Vermögensteuer<br />

¹Faût man die Vermögensarten zusammen,<br />

so wäre die theoretische Basis für die<br />

Vermögensteuer mit rund 8,0 Billionen<br />

DM zu beziffern. Von <strong>der</strong> Besteuerung<br />

sollen jedoch die Vermögen bis zur<br />

Schwelle des normalen ¹Familien-<br />

Gebrauchsvermögensª freigestellt bleiben.<br />

Setzt man diese bei 500000 DM an (je<br />

Haushalt, ohne Berücksichtigung e<strong>in</strong>es<br />

Vorab-Freibetrags für die betrieblichen<br />

Vermögen), so ergibt sich ± bezogen auf<br />

die hier geschätzte geme<strong>in</strong>same Vermögensverteilung<br />

± die potentielle Steuerbasis<br />

mit rund 3,7 Billionen DM. Bei Anwendung<br />

des gegenwärtigen normalen Steuersatzes<br />

für natürliche Personen <strong>in</strong> Höhe<br />

von 1 v.H. könnte so e<strong>in</strong> Steueraufkommen<br />

von 37 Mrd. DM erzielt werden. Tatsächlich<br />

wird jedoch bei <strong>der</strong> ¹privaten Vermögensteuerª<br />

(e<strong>in</strong>schlieûlich des<br />

Beteiligungsbesitzes an Unternehmen)<br />

lediglich e<strong>in</strong> Teil, nämlich 5,5 Mrd. DM,<br />

vere<strong>in</strong>nahmt. Hauptursachen s<strong>in</strong>d die faktische<br />

Nichterfassung des Immobilienvermögens<br />

und die Freibeträge für alle Familienmitglie<strong>der</strong><br />

(pro Person 120000 DM);<br />

h<strong>in</strong>zu kommt, daû Vermögensteile nicht<br />

deklariert werden o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Veranlagung<br />

erfolgt.ª<br />

DIW-Wochenbericht 30/96<br />

Zur Erbschaftsteuer<br />

¹Die Summe <strong>der</strong> drei Vermögensarten<br />

ergab für die obere Altersklasse 2,44 Billionen<br />

DM; nach e<strong>in</strong>em Wertabschlag auf<br />

Immobilien- und Betriebsvermögen ver-<br />

194<br />

bleiben 1,95 Billionen DM. Der Anteil <strong>in</strong><br />

den Vermögensklassen über DM 500000<br />

beläuft sich auf 910 Mrd. DM. Davon ist<br />

als jährliche Basis für die Erbschaftsteuer<br />

(ausgehend von <strong>der</strong> Lebenserwartung) e<strong>in</strong><br />

Zehntel, also 90 Mrd. DM, anzusetzen,<br />

unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Schenkungen<br />

kommt sogar e<strong>in</strong> Betrag von<br />

100 Mrd. DM <strong>in</strong> Betracht. Bei e<strong>in</strong>em<br />

durchschnittlichen Steuersatz von 10 v.H.<br />

ergäbe dies e<strong>in</strong> Steueraufkommen von<br />

70 Mrd. DM. Dies ist mehr, als die bisherige<br />

Erbschaftsteuer (3,6 Mrd. DM) und<br />

die persönliche Vermögensteuer<br />

(5,5 Mrd. DM) zusammen aufbr<strong>in</strong>gen.ª<br />

DIW-Wochenbericht 30/96<br />

Es ist e<strong>in</strong> fundamentales Gebot <strong>der</strong><br />

Besteuerung nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />

und <strong>der</strong> Revitalisierung <strong>der</strong><br />

f<strong>in</strong>anz-, wirtschafts- und sozialpolitischen<br />

Handlungsfähigkeit <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />

aus diesen Sachverhalten weitreichende<br />

steuerpolitische Rückschlüsse zu ziehen.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>nahmepotentials<br />

von ca. DM 47 Mrd. von Vermögensteuer<br />

und Erbschaft- und Schenkungsteuer<br />

wäre auch die angespannte<br />

Diskussion um die vertikale F<strong>in</strong>anzstruktur<br />

(Bund, Län<strong>der</strong> und Kommunen) zwischen<br />

den Gebietskörperschaften wesentlich<br />

leichter zu konsensualisieren.<br />

Europäisches Steuerdamp<strong>in</strong>g beenden ±<br />

Steueroasen austrocknen<br />

E<strong>in</strong>e politische Initiative <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union muû e<strong>in</strong>e schnellstmögliche Harmonisierung<br />

<strong>der</strong> direkten Steuern auf zwei<br />

Gebieten forcieren: Unternehmensbesteuerung<br />

und Besteuerung <strong>der</strong> Kapitale<strong>in</strong>künfte.<br />

Das von <strong>der</strong> EU-Kommission auf<br />

<strong>der</strong> ECOFIN-Tagung im März 1996 vorgelegte<br />

Diskussionspapier und <strong>der</strong> im<br />

Herbst 1996 veröffentlichte Bericht über<br />

die Entwicklung <strong>der</strong> Steuersysteme <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Europäischen Union s<strong>in</strong>d geeignete<br />

Ansatzpunkte, um die nationalen Besteuerungsgrundlagen<br />

<strong>der</strong> EU-Mitglie<strong>der</strong> vor<br />

unlauterem und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz ru<strong>in</strong>ösem<br />

steuerlichem Wettbewerb zu schützen.


For<strong>der</strong>ungen zu den Verhandlungen mit <strong>der</strong><br />

Bonner Koalition<br />

Wir for<strong>der</strong>n die <strong>SPD</strong>-Parteiführung, die<br />

<strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>regierten<br />

Bundeslän<strong>der</strong> auf, bei den Verhandlungen<br />

mit <strong>der</strong> Bonner Regierungskoalition<br />

folgende Punkte auf ke<strong>in</strong>en Fall zur<br />

Disposition zu stellen:<br />

± Die E<strong>in</strong>kommensteuerreform muû die<br />

groûe Mehrheit <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten<br />

deutlich entlasten. Die Pläne <strong>der</strong><br />

Bonner-Koalition zur Absenkung des<br />

Werbungskosten-Pauschbetrags von<br />

2000 DM auf 1300 DM, die Besteuerung<br />

<strong>der</strong> Nacht,- Schicht,- Sonntagsund<br />

Feiertagsarbeit und die Senkung des<br />

Spitzensteuersatzes müssen vom Tisch.<br />

± Die Umsatzsteuer wird nicht erhöht. Die<br />

Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer wird aufkommensneutral<br />

f<strong>in</strong>anziert. E<strong>in</strong>e Steuersenkung<br />

auf Pump kommt nicht <strong>in</strong><br />

Frage. Die verteilungspolitische Schieflage<br />

zugunsten <strong>der</strong> vermögenden Privathaushalte<br />

wird durch e<strong>in</strong>e Revitalisierung<br />

<strong>der</strong> Vermögen- und Erbschaftsteuer korrigiert.<br />

± Der Spitzensteuersatz wird nicht pauschal<br />

abgesenkt. Stattdessen werden<br />

nicht entnommene Unternehmensgew<strong>in</strong>ne<br />

durch e<strong>in</strong>e rechtsformneutrale<br />

Betriebsteuer mit e<strong>in</strong>em niedrigeren<br />

Steuersatz belastet, entnommene dagegen<br />

mit dem progressiven E<strong>in</strong>kommensteuersatz<br />

des Anteilseigners bzw. Eigentümers.<br />

± Die Mehre<strong>in</strong>nahmen durch e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />

Besteuerung groûer Vermögensmassen<br />

werden zum E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Strategie <strong>der</strong> aktiven Arbeitsmarkt- und<br />

Beschäftigungspolitik genutzt.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand, Bundestagsfraktion<br />

und Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 89<br />

Landesverband Saar<br />

Glaubwürdigkeit und soziale<br />

Gerechtigkeit wie<strong>der</strong>herstellen<br />

Sozialdemokratische<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong> neues<br />

Steuersystem<br />

Die seit 1982 von <strong>der</strong> konservativen Bundesregierung<br />

betriebene Politik ist gescheitert<br />

± die Bilanz nach fast 15 Jahren Kohl-<br />

Regierung ist vernichtend: höchste Staatsverschuldung,<br />

höchste Bürgerbelastung<br />

und höchster Stand <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit seit<br />

Bestehen <strong>der</strong> Bundesrepublik stehen als<br />

Symbole für e<strong>in</strong> verfehltes Politikmodell.<br />

Soziale Ausgewogenheit und Besteuerung<br />

nach Leistungsfähigkeit existieren nicht<br />

mehr ± bei den Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern<br />

stellt sich die Frage nach <strong>der</strong> Glaubwürdigkeit<br />

und Gerechtigkeit im Bereich <strong>der</strong><br />

Steuer- und Abgabenpolitik.<br />

Diese Bundesregierung und die sie tragenden<br />

Parteien haben sich die Umverteilung<br />

<strong>der</strong> Lasten auf die Schultern <strong>der</strong> Normalverdiener<br />

und <strong>der</strong> ¹kle<strong>in</strong>en Leuteª zum<br />

Grundsatz gemacht.<br />

Gleichzeitig werden dabei <strong>in</strong> schamloser<br />

Art und Weise die Besserverdienenden<br />

sowie die Vermögens- und E<strong>in</strong>kommensmillionäre<br />

unserer Gesellschaft, zum<br />

Beispiel durch die Abschaffung <strong>der</strong> Vermögenssteuer,<br />

die Vorhaltung von Steuerschlupflöchern<br />

sowie durch die geplante<br />

drastische Absenkung des Spitzensteuersatzes,<br />

massiv bevorzugt und entlastet.<br />

Desweiteren bleibt das Steuerrecht für den<br />

Normalbürger durch zahlreiche Ausnahmen,<br />

Befreiungen und ¾n<strong>der</strong>ungen weiterh<strong>in</strong><br />

kompliziert und undurchschaubar mit<br />

<strong>der</strong> Folge, daû auch hier nur Besserverdienende<br />

mit guter steuerlicher Beratung zu<br />

den Profiteuren dieser Politik gehören.<br />

Als Grundsatzpositionen <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> bleiben<br />

die For<strong>der</strong>ungen nach e<strong>in</strong>er radikalen Vere<strong>in</strong>fachung<br />

des Steuerrechts und <strong>der</strong> Wie-<br />

195


<strong>der</strong>herstellung von Glaubwürdigkeit sowie<br />

sozialer Gerechtigkeit durch Besteuerung<br />

nach <strong>der</strong> jeweiligen Leistungsfähigkeit im<br />

Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Hauptschwerpunkt ist hierbei e<strong>in</strong>e deutliche<br />

Entlastung <strong>der</strong> breiten Masse <strong>der</strong><br />

Bevölkerung, also <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer, sowohl<br />

steuerlich als auch im Bereich <strong>der</strong> Lohnnebenkosten.<br />

± Hierbei steht neben e<strong>in</strong>er deutlichen<br />

Absenkung des E<strong>in</strong>gangssteuersatzes<br />

auch die deutliche Anhebung des Grundfreibetrages<br />

auf 14000 DM für Ledige<br />

und 28 000 DM für Verheiratete im Mittelpunkt<br />

sozialdemokratischer Interessen.<br />

± Die von CDU und F.D.P. geplante<br />

Besteuerung <strong>der</strong> Sonn-, Feiertags- und<br />

Nachtzuschläge sowie von Lohnersatzleistungen<br />

(Krankengeld, Arbeitslosengeld<br />

etc.) werden kategorisch abgelehnt.<br />

± Statt e<strong>in</strong>er höheren Besteuerung <strong>der</strong><br />

Renten steht die <strong>SPD</strong> die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Vermögenssteuer und/o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Vermögensabgabe auf groûe Kapital-<br />

und Immobilienvermögen als e<strong>in</strong>zig<br />

vertretbaren Weg an.<br />

± E<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer zur<br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Absenkung des Spitzensteuersatzes<br />

wird ebenso von <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> abgelehnt wie die Überlegungen<br />

zur Besteuerung von Kapitallebensversicherungen<br />

zur Altersvorsorge.<br />

All diesen Anfor<strong>der</strong>ungen wird das vom<br />

<strong>SPD</strong>-Bundesvorstand im Mai vorgelegte<br />

Steuerreformkonzept voll und ganz<br />

gerecht. Die <strong>SPD</strong> muû jedoch hierbei die<br />

Alternativen ihres Politikmodells deutlich<br />

stärker als bisher <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong><br />

Diskussion e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

± Dazu gehört auch die For<strong>der</strong>ung nach<br />

dem E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform<br />

mit dem Ziel e<strong>in</strong>er stärkeren<br />

Besteuerung von Umweltbelastung und<br />

Energieverbrauch bei gleichzeitiger<br />

Absenkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten.<br />

± Diese Absenkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

soll erreicht werden durch die Steuerf<strong>in</strong>anzierung<br />

versicherungsfrem<strong>der</strong> Lei-<br />

196<br />

stungen, welche <strong>in</strong> den letzten Jahren die<br />

Kosten des Standortes Deutschland <strong>in</strong><br />

die Höhe getrieben haben.<br />

± Gleichzeitig gehört zu unserem Alternativmodell<br />

die konsequente Bekämpfung<br />

von Steuerflucht und Steuerh<strong>in</strong>terziehung.<br />

Hierbei gilt als Ziel die Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

von Steuerehrlichkeit durch die Streichung<br />

von Vergünstigungen und Ausnahmetatbeständen<br />

sowie durch e<strong>in</strong>e konsequente Vere<strong>in</strong>fachung<br />

des Steuerrechts.<br />

Nach 15 Jahren CDU-F.D.P.-Bundesregierung<br />

und den damit verbundenen enormen<br />

Haushaltsdefiziten, Staatsschulden und<br />

Massenarbeitslosigkeit ist es an <strong>der</strong> Zeit,<br />

e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Politikmodell umzusetzen, an<br />

das die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger wie<strong>der</strong><br />

glauben können.<br />

Dies kann jedoch nur gel<strong>in</strong>gen, wenn Steuerehrlichkeit<br />

und soziale Gerechtigkeit<br />

wie<strong>der</strong> zum Leitmotiv <strong>der</strong> Politik <strong>in</strong><br />

Deutschland werden.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 90<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

Orientierungsrahmen zur<br />

Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e grundlegende<br />

Reform unseres E<strong>in</strong>kommensteuerrechts.<br />

Dabei sollen folgende Ziele verfolgt werden:<br />

1. Steuergerechtigkeit<br />

Alle E<strong>in</strong>kunftsarten werden erfaût und<br />

gleichmäûig besteuert. E<strong>in</strong>schlieûlich<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus Land- und Forstwirtschaft<br />

sowie Kapitalvermögen.<br />

Die Verrechnung von Gew<strong>in</strong>nen und<br />

Verlusten aus unterschiedlichen E<strong>in</strong>künften<br />

wird beseitigt. Alle Vermögenssubstanzgew<strong>in</strong>ne<br />

werden im Falle <strong>der</strong>


Realisierung versteuert. Das Steuergeheimnis<br />

wird für die Fälle des dr<strong>in</strong>genden<br />

Verdachts auf Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />

aufgehoben. Das Bankgeheimnis ist mit<br />

dem Ziel <strong>der</strong> wirksamen Erfassung und<br />

Kontrolle <strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus Kapitalvermögen<br />

zu än<strong>der</strong>n.<br />

2. Transparenz und Vere<strong>in</strong>fachung<br />

Es wird e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Stufentarif e<strong>in</strong>geführt.<br />

Die über 100 Son<strong>der</strong>regelungen<br />

und Ausnahmetatbestände <strong>in</strong> unserem<br />

E<strong>in</strong>kommensteuerrecht werden radikal<br />

verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />

3. Anschub <strong>der</strong> Wirtschaft zur Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen<br />

Durch hohe Freibetragsgrenzen von<br />

DM 20000/40 000 und e<strong>in</strong>en niedrigen<br />

E<strong>in</strong>gangssteuersatz von 20 % wird e<strong>in</strong>e<br />

überproportionale Entlastung <strong>der</strong> unteren<br />

und mittleren E<strong>in</strong>kommen erzielt.<br />

Diese Entlastung <strong>der</strong> unteren und mittleren<br />

E<strong>in</strong>kommen führt über e<strong>in</strong><br />

höheres Massene<strong>in</strong>kommen bei hoher<br />

Konsumquote zu e<strong>in</strong>er gröûeren B<strong>in</strong>nennachfrage.<br />

Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze<br />

werden dadurch geschaffen.<br />

Derzeit werden nur noch ca. 50 % aller<br />

E<strong>in</strong>künfte über die Ertragssteuern erfaût.<br />

E<strong>in</strong>e radikale Beseitigung von Steuervorteilstatbeständen<br />

ist aus Gründen <strong>der</strong> Steuergerechtigkeit<br />

geboten. Die dadurch<br />

erzielten E<strong>in</strong>nahmen werden zur F<strong>in</strong>anzierung<br />

hoher Freibetragsgrenzen und niedriger<br />

Steuersätze verwandt. Das folgende<br />

Reformmodell zur E<strong>in</strong>kommensteuer soll<br />

e<strong>in</strong>e Diskussionsgrundlage se<strong>in</strong>.<br />

Reformmodell zur E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

1. Das steuerlich anerkannte Existenzm<strong>in</strong>imum<br />

ist von jetzt 12 095 DM auf<br />

20000 DM ab dem 1. 1. 1998 anzuheben.<br />

Dieser Betrag ist <strong>in</strong> Zukunft an die<br />

wirtschaftliche Entwicklung anzupassen.<br />

2. Verän<strong>der</strong>ter E<strong>in</strong>kommensteuertarif<br />

Bei Realisierung <strong>der</strong> Abschaffung <strong>der</strong><br />

nachfolgenden Steuervergünstigungen<br />

bevorzugen wir e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen und<br />

transparenten Stufentarif, <strong>der</strong> wie folgt<br />

ausgestaltet se<strong>in</strong> könnte:<br />

Zu versteuerndes E<strong>in</strong>kommen<br />

E<strong>in</strong>k. St.<br />

von 0,00 DM ± 20000,00 DM = 0 %<br />

ab 20 000,00 DM ± 60000,00 DM = 20 %<br />

ab 60 000,00 DM ± 100 000,00 DM = 30 %<br />

ab 100 000,00 DM ± 200 000,00 DM = 40 %<br />

ab 200 000,00 DM ± 45 %<br />

Der Höchststeuersatz wird damit bei 45 %<br />

festgeschrieben. Die Verwirklichung des<br />

vorgeschlagenen Stufentarifs muû selbstverständlich<br />

<strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang gebracht werden mit<br />

dem Umfang <strong>der</strong> Verbreiterung <strong>der</strong> Bemessungsgrundlagen.<br />

E<strong>in</strong> Plus im Steueraufkommen<br />

könnte zur weiteren Senkung<br />

beim E<strong>in</strong>gangssteuersatz o<strong>der</strong> alternativ<br />

zur weitgehenden Vermeidung weiterer<br />

Neuverschuldung verwendet werden.<br />

3. Verän<strong>der</strong>te Familienbesteuerung.<br />

Da <strong>der</strong> Grundfreibetrag auf<br />

DM 20 000 p/P erhöht wird, ist die E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

so zu verän<strong>der</strong>n, daû<br />

jede/je<strong>der</strong> Steuerpflichtige/r nach <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>kommenshöhe <strong>in</strong>dividuell und unabhängig<br />

vom Familienstand besteuert<br />

wird. Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g wird abgeschafft<br />

und statt dessen e<strong>in</strong>e Regelung<br />

getroffen, daû die Unterhaltskosten für<br />

Ehepartner/<strong>in</strong> und auf Dauer angelegte<br />

Lebensgeme<strong>in</strong>schaften ohne eigenes<br />

E<strong>in</strong>kommen bzw. mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen<br />

von steuerpflichtigen E<strong>in</strong>kommen<br />

<strong>in</strong> Höhe des Existenzm<strong>in</strong>imums<br />

abgesetzt werden können.<br />

4. Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibetrag wird abgeschafft.<br />

Der Familienlastenausgleich wird<br />

zukünftig durch e<strong>in</strong> angemessen erhöhtes<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld gewährleistet. Während<br />

<strong>der</strong> Ausbildung wird von <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>geldkasse<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>kommensabhängiger<br />

Ausbildungszuschuû gezahlt. Diese<br />

Zuschüsse s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung<br />

anzupassen.<br />

5. Abschaffung <strong>der</strong> Verrechnung von<br />

Gew<strong>in</strong>nen und Verlusten verschiedener<br />

E<strong>in</strong>kunftsarten im E<strong>in</strong>kommensteuerrecht.<br />

Verluste e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kunftsart werden<br />

steuerlich durch Verlustvorträge <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> selben E<strong>in</strong>kunftsart berücksichtigt.<br />

6. Gleichmäûige Behandlung aller E<strong>in</strong>kunftsarten.<br />

197


Vermögenssubstanzgew<strong>in</strong>ne und -verluste<br />

s<strong>in</strong>d bei allen E<strong>in</strong>kunftsarten zu<br />

erfassen. Innerhalb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kunftsarten<br />

müssen die heutigen Besteuerungslücken<br />

weitgehend geschlossen werden. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

ist die E<strong>in</strong>kunftsart ¹sonstige<br />

E<strong>in</strong>künfteª fortzuentwickeln zu e<strong>in</strong>er<br />

E<strong>in</strong>kunftsart, <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle privaten Vermögensmehrungen<br />

im Bereich von Immobilien,<br />

Kunstgegenständen und Wertpapieren<br />

im Falle <strong>der</strong> Realisierung erfaût<br />

werden.<br />

7. Wirksame Kontrolle <strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus<br />

Kapitalvermögen.<br />

Der § 30 a <strong>der</strong> Abgabenordnung (Bandgeheimnis)<br />

ist so zu än<strong>der</strong>n, daû e<strong>in</strong>e<br />

wirksame Kontrolle <strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus<br />

Kapitalvermögen (Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künfte) möglich<br />

ist. Auf europäischer Ebene ist<br />

schnellstmöglichst e<strong>in</strong>e abgestimmte<br />

Regelung für die vollständige Erfassung<br />

von Kapitale<strong>in</strong>künften zu erreichen.<br />

8. Das E<strong>in</strong>kommensteuerrecht ist von allen<br />

steuerlichen Lenkungsvorschriften zu<br />

befreien.<br />

Soweit neben gezielten F<strong>in</strong>anzhilfen<br />

(offene Subventionen) steuerlich Vergünstigungen<br />

erfor<strong>der</strong>lich bleiben, s<strong>in</strong>d<br />

diese nicht mehr e<strong>in</strong>kommensabhängig<br />

als Abzüge von <strong>der</strong> Bemessungsgrundlage,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>kommensunabhänig als<br />

Abzüge von <strong>der</strong> Steuerschuld o<strong>der</strong> als<br />

Zulage auszugestalten.<br />

Direkte Investitionszulagen (auûerhalb<br />

des E<strong>in</strong>kommensteuerrechts) sollten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />

Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen;<br />

entsprechend <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Investitionen<br />

gestaffelt gewährt werden, wobei<br />

Existenzgründungen beson<strong>der</strong>s zu för<strong>der</strong>n<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Dementsprechend s<strong>in</strong>d vor allem folgende<br />

Regelungen aus dem EStG zu streichen:<br />

± Abschreibungsvergünstigungen von<br />

§ 7a±7 k sowie Teile von § 7 EStG,<br />

± Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung § 10f±10 i,<br />

§ 11 a und § 11 b EStG,<br />

± Son<strong>der</strong>vergünstigungen für Landu.<br />

Forstwirte, § 13 Abs. 3, § 13a, § 14a<br />

EStG<br />

198<br />

± För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Vermögensbildung von<br />

Arbeitnehmern § 19 a EStG,<br />

± Son<strong>der</strong>abschreibungen gemäû För<strong>der</strong>gebietsgesetz,<br />

Abschreibungen s<strong>in</strong>d nur<br />

noch l<strong>in</strong>ear vorzunehmen, wobei die<br />

Nutzungsdauer den tatsächlichen Verhältnissen<br />

anzupassen ist.<br />

9. Auûerordentliche E<strong>in</strong>künfte im S<strong>in</strong>ne<br />

des § 34 (Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne bei<br />

gewerblicher und selbständiger Tätigkeit<br />

etc.) und 34b EStG (Land- und<br />

Forstwirtschaft) s<strong>in</strong>d nicht mehr durch<br />

e<strong>in</strong>en ermäûigten Steuersatz zu entlasten.<br />

10. Neuregelung von Son<strong>der</strong>ausgaben.<br />

Die Beschränkung des Abzugs von Beiträgen<br />

zur gesetzlichen Kranken-, Renten-,<br />

Unfallversicherung und Haftpflichtversicherung<br />

ist auszuheben, d.h.<br />

<strong>in</strong>soweit wird voll Abzugsfähigkeit<br />

gewährt. Die dadurch begründeten<br />

Ansprüche s<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>erseits <strong>in</strong> voller<br />

Höhe zu besteuern.<br />

11. Die Vorschriften des § 4 Abs. 4<br />

(Betriebsausgaben) und des EStG (Werbungskosten)<br />

s<strong>in</strong>d weiter ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

anzugleichen und gleichmäûig anzuwenden,<br />

dazu gehören <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />

Verän<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Abziehbarkeit<br />

privat mitveranlaûter Betriebsausgaben.<br />

Gemischte Aufwendungen s<strong>in</strong>d für alle<br />

E<strong>in</strong>kunftsarten mit e<strong>in</strong>er erhöhten, aber<br />

gleichen Pauschale abzugelten. In dieser<br />

Pauschale s<strong>in</strong>d die Kosten für den<br />

Arbeitsweg, Geschäftsessen, Repräsentationen,<br />

Arbeitszimmer und PKW usw.<br />

enthalten. Kosten für PKW, die von<br />

Unternehmen genutzt werden, s<strong>in</strong>d nur<br />

im Rahmen von Höchstgrenzen abzusetzen.<br />

12. In die E<strong>in</strong>kommensbesteuerung werden<br />

alle Lohnersatzleistungen o<strong>der</strong> sozialen<br />

Transferleistungen mit Ausnahme <strong>der</strong><br />

Sozialhilfe e<strong>in</strong>bezogen.<br />

Diese Besteuerung ist selbstverständlich<br />

erst möglich, wenn zuvor alle Versicherungsbeiträge<br />

<strong>in</strong> voller Höhe als Son<strong>der</strong>ausgaben<br />

steuerbegünstigend von<br />

<strong>der</strong> Bemessungsgrundlage abgezogen<br />

werden konnten. E<strong>in</strong>e Besteuerung <strong>der</strong>


<strong>der</strong>zeitigen Renten über den Ertragsanteil<br />

h<strong>in</strong>aus wird abgelehnt. Die Steuerbefreiungen<br />

gemäû §§ 3 a, 3b, 3c EStG<br />

müssen ersatzlos gestrichen werden.<br />

(Überweisung als Material an Parteivorstand)<br />

Antrag I 91<br />

Unterbezirk München<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Arbeit und Gerechtigkeit<br />

± Für e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> steuerpolitischen Positionen<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

(1) Massive Umverteilung von unten nach<br />

oben, seit Jahren auch wegen steigen<strong>der</strong><br />

Abgabenbelastung stagnierende o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>kende<br />

Massene<strong>in</strong>kommen und <strong>der</strong> anhaltende<br />

Rückgang öffentlicher Investitionen<br />

s<strong>in</strong>d das unbestreitbare Ergebnis <strong>der</strong> Politik<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung, ebenso unbestreitbar<br />

s<strong>in</strong>d zerrüttete Staatsf<strong>in</strong>anzen und<br />

e<strong>in</strong> wachsendes Heer von Arbeitslosen.<br />

Sparpolitik, Rückzug des Staates und nationales<br />

Stabilitätsdogma s<strong>in</strong>d ungeeignet, die<br />

ökonomische Stagnation zu überw<strong>in</strong>den;<br />

im Gegenteil: die Verallgeme<strong>in</strong>erung dieser<br />

Politik (vor allem <strong>in</strong> Europa) macht sich<br />

rückwirkend als zusätzlicher ¹Globalisierungsdruckª<br />

krisenverschärfend bemerkbar.<br />

(2) H<strong>in</strong>tergrund für die bislang mehrheitsfähige<br />

Politik <strong>der</strong> Konservativ-Liberalen ist<br />

nicht nur e<strong>in</strong> platter Interessenklientelismus<br />

für die Vermögenden, son<strong>der</strong>n die<br />

weitverbreitete (aus e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelwirtschaftlichen<br />

Betrachtungsweise sich zunächst auch<br />

aufdrängende) Auffassung, die Begünstigung<br />

und Entlastung <strong>der</strong> Unternehmen<br />

und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>kommensstarken Schichten<br />

(¹Leistungsträgerª) würde zusammen mit<br />

e<strong>in</strong>er Absenkung <strong>der</strong> Arbeitskosten bzw.<br />

sozialer und rechtlicher Standards zu e<strong>in</strong>er<br />

Revitalisierung <strong>der</strong> Marktkräfte und zu<br />

Vorteilen im ¹Standortwettbewerbª führen.<br />

Im Moment ist <strong>in</strong> diesem Konzept e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>seitige Exportorientierung; weil <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>nere Markt beschnitten wird (Kostenreduktion)<br />

und weniger Arbeitskräfte e<strong>in</strong>gestellt<br />

werden (lean production) ± was die<br />

B<strong>in</strong>nennachfrage entscheidend schwächt ±,<br />

sollen Gew<strong>in</strong>ne und Arbeitsplätze auf<br />

Kosten an<strong>der</strong>er Nationen errungen werden.<br />

Da diese (teilweise notgedrungen) zu den<br />

gleichen Mitteln greifen, stellt sich e<strong>in</strong><br />

destationärer und ru<strong>in</strong>öser Wettbewerb<br />

(z. B. <strong>in</strong>ternationale Steuersenkungswettläufe)<br />

e<strong>in</strong>, bei dem am Ende die breiten<br />

Schichten überall die Verlierer s<strong>in</strong>d.<br />

(3) Die Deregulierung (z.B. des Arbeitsmarkts)<br />

und die Auslieferung bisher staatlich<br />

dom<strong>in</strong>ierter Sektoren (Privatisierung)<br />

an den Markt verschärfen den Wettbewerb<br />

und treiben Lohnstandards und Nachfragepotentiale<br />

nach unten; gesellschaftliche<br />

¹Ruhepoleª und Konstanzen verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

sich, die Instabilitäten nehmen zu. Es<br />

kommt zu e<strong>in</strong>em Verlust politischer Regulierung,<br />

<strong>der</strong> auch ideologisch abgesichert<br />

wird, <strong>in</strong>dem beispielsweise die Verantwortung<br />

für Arbeitslosigkeit von <strong>der</strong> (politischen)<br />

Regierungsebene auf die Ebene <strong>der</strong><br />

¹Tarifpartnerª, konkreter <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />

abgeschoben wird.<br />

(4) Marktenge und Destabilisierung werden<br />

durch den wachsenden Geldvermögenssektor<br />

noch verschärft ± forciert durch<br />

die Deregulierung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmärkte. Das<br />

Versprechen hoher Renditen <strong>in</strong> allerlei<br />

Anlageformen ± Devisenspekulation e<strong>in</strong>geschlossen<br />

± zieht beachtliche Teile erwirtschafteter<br />

E<strong>in</strong>kommen und Gew<strong>in</strong>ne aus<br />

dem reproduktiven Kreislauf, was Nachfrage<br />

und Investitionen weiter schmälern<br />

muû. Das Schlagwort sharehol<strong>der</strong> ± value<br />

signalisiert schlieûlich nichts weiter als die<br />

Vorherrschaft <strong>der</strong> Geldvermögensbesitzer,<br />

<strong>der</strong>en Interessen auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitig stabilitätsorientierte<br />

Geldpolitik entgegenkommt<br />

± auf Kosten von Wachstum und Arbeitsplätzen.<br />

(5) Mit diesen Grundorientierungen muû<br />

sich die <strong>SPD</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, soll die<br />

nach wie vor bestehende Hegemonie konservativ-liberaler<br />

Kernvorstellungen überwunden<br />

werden. Angesichts <strong>der</strong> kurz skizzierten<br />

Verwerfungen und des Desasters<br />

199


und <strong>der</strong> Perspektivlosigkeit <strong>der</strong> konservativ-liberalen<br />

Politik steht die <strong>SPD</strong> vor e<strong>in</strong>er<br />

groûen Herausfor<strong>der</strong>ung. Sozialstaatliche<br />

Protektion sichern und die Tür zum Vollbeschäftigungsziel<br />

aufstoûen ± das s<strong>in</strong>d die<br />

beiden notwendig zusammengehörenden<br />

Hauptaufgaben. Viele Menschen erkennen,<br />

daû die Kohl-Regierung gescheitert ist;<br />

trotzdem vertrauen sie nicht umstandslos<br />

darauf, daû es die <strong>SPD</strong> wirklich besser<br />

machen wird. An <strong>der</strong> konzeptionellen<br />

Reichweite <strong>der</strong> sozialdemokratischen Alternative<br />

muû deshalb weitergearbeitet werden,<br />

damit sie als wirkungsmächtige Alternative<br />

gespürt wird, die auf die zentralem<br />

Probleme auch klare und wegweisende<br />

Antworten gibt.<br />

(6) Erfor<strong>der</strong>lich ist e<strong>in</strong> epochaler Paradigmenwechsel<br />

± nicht die Anpassung an tatsächliche<br />

o<strong>der</strong> verme<strong>in</strong>tliche Globalisierungszwänge.<br />

Beschäftigungsorientierte<br />

Geld- und F<strong>in</strong>anzpolitik, B<strong>in</strong>nenmarktorientierung,<br />

Arbeitszeitverkürzung, Re-<br />

Regulierung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmärkte, För<strong>der</strong>ung<br />

von Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen und Leitsektoren<br />

(Solar), Sicherung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />

Basis, Ausweitung öffentlicher Dienstleistungen,<br />

<strong>in</strong>ternationale und europäische<br />

Zusammenarbeit und Koord<strong>in</strong>ation zugunsten<br />

arbeits- und sozialorientierter Politik ±<br />

überhaupt die Rückgew<strong>in</strong>nung des Primats<br />

<strong>der</strong> Politik ± s<strong>in</strong>d die Antworten auf den<br />

sich abzeichnenden Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> europäischen<br />

Wohlfahrtsstaaten.<br />

(7) In diesem Zusammenhang ± we<strong>der</strong> als<br />

technokratisch-neutrale Steuerrechtskonzeption<br />

noch als Teilabziehbild konservativ-liberaler<br />

Vorlagen, son<strong>der</strong>n als Alternative<br />

± ist die Steuerpolitik zu stellen. Die<br />

Steuerreform <strong>der</strong> Bundesregierung fügt<br />

sich nahtlos und folgerichtig <strong>in</strong> ihre bisherigen<br />

Grundüberlegungen e<strong>in</strong>. Bei Reichen<br />

und Unternehmen wird weiter entlastet ±<br />

nach <strong>der</strong> erst beschlossenen Abschaffung<br />

<strong>der</strong> Vermögenssteuer ist Tempo und Zielrichtung<br />

des Umbaus <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

durch die Bundesregierung ungebrochen.<br />

Soweit für die Normalverdiener Entlastungen<br />

angekündigt s<strong>in</strong>d, werden sie durch<br />

Erhöhung <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Steuern (o<strong>der</strong><br />

durch Rücknahme öffentlicher Leistungen)<br />

200<br />

konterkariert werden. An e<strong>in</strong>e solche Konzeption<br />

kann es ke<strong>in</strong>e sozialdemokratische<br />

¹Annäherungª geben, son<strong>der</strong>n nur Ablehnung<br />

und Alternative, über die letztlich die<br />

Wähler entscheiden müssen.<br />

Öffentliche Haushalte stärken<br />

(8) Entgegen manchen Darstellungen ist<br />

die Steuerquote <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

nicht zu hoch; sie liegt seit Jahrzehnten<br />

relativ stabil zwischen 22 und 25 v. H.<br />

(1995: 23,6). Daû sie <strong>in</strong> befristeten Zeiten<br />

hohen F<strong>in</strong>anzierungsbedarfs etwas höher<br />

liegt als <strong>in</strong> guten Konjunkturphasen ist<br />

normal. Deutlich angestiegen ist demgegenüber<br />

die Sozialabgabenbelastung ± vor<br />

allem als Folge <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit,<br />

nur wenn diese zurückgeführt wird, können<br />

auch die Sozialbeiträge s<strong>in</strong>ken (von Umf<strong>in</strong>anzierungen<br />

<strong>in</strong> Teilbereich abgesehen).<br />

Begrenzt auf die Steuerpolitik liegt also das<br />

Problem nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er generell zu hohen<br />

Steuerlast, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ungleichverteilung;<br />

die Belastung <strong>der</strong> Bruttohöhe stieg<br />

gewaltig, E<strong>in</strong>kommen aus Unternehmertätigkeit<br />

und Vermögen wurden radikal<br />

begünstigt.<br />

(9) Ziel e<strong>in</strong>er Steuerreform kann deshalb<br />

nicht e<strong>in</strong>e generelle Nettoentlastung verbunden<br />

mit weiteren E<strong>in</strong>nahmeausfällen<br />

für die öffentlichen Haushalte se<strong>in</strong>. Derartige<br />

Absichten o<strong>der</strong> Versprechungen s<strong>in</strong>d<br />

o<strong>der</strong> wären jedenfalls schon f<strong>in</strong>anzpolitisch<br />

unseriös. Selbst bei den konservativ-Liberalen<br />

steht die propagandistisch angekündigte<br />

Nettoentlastung nur auf dem Papier; sie<br />

werden zur Gegenf<strong>in</strong>anzierung und zum<br />

Stopfen ihrer Haushaltslöcher die <strong>in</strong>direkten<br />

Steuern anheben, die Steuerlüge ist<br />

programmiert. Die Rückkehr zu e<strong>in</strong>em<br />

hohen Beschäftigungsstand erfor<strong>der</strong>t u. a.<br />

mehr öffentliche Investitionen o<strong>der</strong> öffentlich<br />

gestützte Beschäftigungssektoren. Das<br />

ist mit weiter geschmälerten öffentlichen<br />

Haushalten nicht zu machen. Staatliche<br />

Beschäftigungs<strong>in</strong>itiativen müssen notwendigerweise<br />

zunächst kreditf<strong>in</strong>anziert werden,<br />

für ihre Ref<strong>in</strong>anzierung kann nicht alle<strong>in</strong><br />

auf konjunkturell bed<strong>in</strong>gte Mehre<strong>in</strong>nahmen<br />

vertraut werden. Vielmehr s<strong>in</strong>d durch steuerpolitische<br />

Maûnahmen Mehre<strong>in</strong>nahmen


anzustreben, damit die öffentlichen Haushalten<br />

und die wirtschaftliche Kreisläufe<br />

gestärkt werden. E<strong>in</strong>e steuerliche Mehrbelastung<br />

ist <strong>in</strong> den Bereichen hoher<br />

Private<strong>in</strong>kommen, nicht<strong>in</strong>vestierter<br />

Gew<strong>in</strong>ne und bei den Kapitale<strong>in</strong>künften<br />

aus ökonomischen Gründen s<strong>in</strong>nvoll. Die<br />

<strong>SPD</strong> muû klarmachen, daû die Rück-<br />

Umverteilung von oben nach unten und<br />

h<strong>in</strong> zu den öffentlichen Haushalten e<strong>in</strong>e<br />

notwendige Voraussetzung für ökonomische<br />

Prosperität ist.<br />

Unternehmensbesteuerung<br />

(10) Bei <strong>der</strong> Besteuerung <strong>der</strong> Unternehmen<br />

(und an<strong>der</strong>er Vermögense<strong>in</strong>kommen)<br />

s<strong>in</strong>d unter <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anz neoliberaler Leitbil<strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>ternationale Steuersenkungswettläufe<br />

ausgelöst worden. Allerd<strong>in</strong>gs wi<strong>der</strong>stehen<br />

auch e<strong>in</strong>e Reihe von Län<strong>der</strong>n dem<br />

davon ausgehenden Druck; <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ist<br />

<strong>in</strong> den meisten europäischen Län<strong>der</strong>n das<br />

Besteuerungsniveau noch relativ hoch, die<br />

Bundesrepublik liegt im Mittelfeld. Die<br />

Strategie von Steuersenkungswettläufen<br />

führt unweigerlich zu verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />

und Haushaltsdefiziten. Im<br />

neoliberalen Konzept s<strong>in</strong>d solche Steuersenkungen<br />

deswegen auch folgerichtig mit<br />

dem Rückzug des Staates auf allen Ebenen<br />

und mit e<strong>in</strong>er historischen Beendigung des<br />

Sozialstaatsprojekts verbunden. Sozialstaat<br />

und leistungsfähiger öffentlicher Sektor<br />

vertragen sich pr<strong>in</strong>zipiell nicht mit Niedrigsteuerkonzepten.<br />

Für die <strong>SPD</strong> kann e<strong>in</strong>e<br />

Anpassung an <strong>der</strong>artige Strategien nicht <strong>in</strong><br />

Frage kommen. Gerade die wirtschaftlich<br />

starke Bundesrepublik muû hier für den<br />

nationalen und europäischen Rahmen die<br />

erkennbar gegenteiligen Signale setzen. Es<br />

gibt auch ke<strong>in</strong>e Veranlassung, sich von<br />

e<strong>in</strong>em oberflächlichen Blick auf die hohen<br />

deutschen Direkt<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> die Irre<br />

führen zu lassen. Diese s<strong>in</strong>d ± jedenfalls im<br />

Kern ± unternehmerischen Expansionsstrategien,<br />

den anhaltenden Handelsbilanzüberschüssen<br />

und <strong>der</strong> langfristigen DM-Aufwertung<br />

geschuldet.<br />

(11) Die Steuerlast <strong>der</strong> Unternehmen ist <strong>in</strong><br />

den letzten e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahrzehnten ± so das<br />

DIW ± um fünfzehn Prozentpunkte (!)<br />

abgesenkt worden ± gleichzeitig haben wir<br />

zerrüttete F<strong>in</strong>anzen und steigende Massenarbeitslosigkeit.<br />

Die beabsichtigte o<strong>der</strong><br />

auch nur versprochene Wirkung auf Investitionen<br />

und Arbeitsplätze ist nicht e<strong>in</strong>getreten.<br />

Die konservativ-liberale Konzeption<br />

ist pleite und von <strong>der</strong> Wirklichkeit blamiert!<br />

(12) Notwendig ist e<strong>in</strong>e tendenzielle<br />

Umkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lastenverteilung und e<strong>in</strong>e<br />

Strukturreform <strong>der</strong> Unternehmensbesteuerung.<br />

Wer <strong>in</strong>vestiert und das Geld im<br />

Unternehmen läût, soll begünstigt se<strong>in</strong>,<br />

wer nicht <strong>in</strong>vestiert und/o<strong>der</strong> viel entnimmt,<br />

soll zahlen!<br />

(13) Eher relativ hohe Steuersätze verbunden<br />

mit eher hohen Abschreibungssätzen<br />

(geme<strong>in</strong>t ist hier nicht die Vielfalt von Son<strong>der</strong>abschreibungen<br />

im Steuerdschungel!)<br />

belohnen den Investor. Diese Konstruktion<br />

ist traditionell im deutschen Steuerrecht<br />

angelegt, von ihr sollte nicht abgegangen<br />

werden. Von e<strong>in</strong>zelnen Korrekturen abgesehen,<br />

bedarf es hier ± weil es sie schon<br />

gibt ± ke<strong>in</strong>er zusätzlichen Entlastungen.<br />

Wie jede betriebliche Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />

entfaltet auch diese ihre Wirkung aber erst<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesamtwirtschaftliche expansiven<br />

Umfeld, d.h. wenn Absatzmärkte mitwachsen<br />

(Verdrängungswettbewerb, vgl. E<strong>in</strong>gangsbemerkungen).<br />

(14) Wenn e<strong>in</strong>erseits so <strong>der</strong> Investor durch<br />

Abschreibungen begünstigt wird, soll ferner<br />

bessergestellt se<strong>in</strong>, wer Geld im Unternehmen<br />

läût statt hohe Entnahmen zu tätigen.<br />

Das ist <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er generellen<br />

Betriebsteuerkonzeption.<br />

(15) Die Betriebsteuer ist <strong>der</strong> Körperschaftsteuer<br />

nachgebildet und ersetzt bzw.<br />

erweitert diese. Gew<strong>in</strong>ne aus Unternehmen<br />

unterliegen dann e<strong>in</strong>heitlich und rechtsformunabhängig<br />

als ¹E<strong>in</strong>künfte aus Betriebª<br />

<strong>der</strong> Betriebsteuer. Die bisher verschiedenen<br />

E<strong>in</strong>kunftsarten Land- und Forstwirtschaft,<br />

Gewerbebetrieb, selbständige Tätigkeit<br />

und Vermietung und Verpachtung (Fremdvermietung<br />

von Immobilien) können dann<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>fachheit halber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen<br />

E<strong>in</strong>kunftsart zusammengefaût werden. Das<br />

201


isherige Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> von E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

und Körperschaftssteuer im unternehmerischen<br />

Bereich entfällt. Da die E<strong>in</strong>künfte<br />

aus Vermietung und Verpachtung<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden, können auch die Wertsteigerungen<br />

bei den Immobilien steuerlich<br />

erfaût werden.<br />

(16) Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer werden<br />

dann nicht mehr Gew<strong>in</strong>ne, son<strong>der</strong>n Entnahmen<br />

und Ausschüttungen erfaût. Wie<br />

bei <strong>der</strong> jetzigen Körperschaftsteuer wird<br />

die auf Entnahmen und Ausschüttungen<br />

anteilig entfallende Betriebsteuer auf die<br />

E<strong>in</strong>kommensteuer angerechnet. Dadurch<br />

wird es möglich, auf die im Unternehmen<br />

verbleibenden Gew<strong>in</strong>nteile und die das<br />

Unternehmen verlassenden Entnahmen<br />

bzw. Ausschüttungen unterschiedliche<br />

Steuersätze anzuwenden. Die Betriebsteuer<br />

kann mit e<strong>in</strong>em l<strong>in</strong>earen, im Niveau unterhalb<br />

des Spitzensteuersatzes für Private<strong>in</strong>künfte<br />

liegenden Tarif ausgestattet werden,<br />

bei den weniger geme<strong>in</strong>dienlichen<br />

hohen Private<strong>in</strong>künften wird e<strong>in</strong>e schärfere<br />

Progression o<strong>der</strong> Spitzenbesteuerung wirksam.<br />

(17) E<strong>in</strong>e solche Konzeption ist von vornhere<strong>in</strong><br />

auch auf europäische Besteuerungsregelungen<br />

ausgerichtet und erleichtert<br />

diese. Die meisten europäischen Steuersysteme<br />

kennen e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> deutschen vergleichbare<br />

Körperschaftsteuerregelung (ob mit<br />

o<strong>der</strong> ohne Vollanrechnungsverfahren). Dies<br />

ist <strong>der</strong> Ansatzpunkt für die mittelfristig<br />

notwendige Harmonisierung <strong>der</strong> Unternehmensbesteuerung,<br />

sie kann mit <strong>der</strong><br />

Betriebsteuer relativ problemlos umgesetzt<br />

werden. Bei <strong>der</strong> Besteuerung <strong>der</strong> Private<strong>in</strong>künfte<br />

± <strong>der</strong>en Harmonisierung problematischer<br />

und auch weniger dr<strong>in</strong>gend ist ±<br />

verbleiben auf diese Weise Spielräume für<br />

nationale Beson<strong>der</strong>heiten o<strong>der</strong> Prioritäten,<br />

die dann die Unternehmens- (sprich<br />

Gew<strong>in</strong>nbesteuerung) nicht mehr tangieren.<br />

(18) Die steuerlichen Gew<strong>in</strong>nermittlungsvorschriften<br />

s<strong>in</strong>d so umzugestalten, daû sie<br />

e<strong>in</strong> verobjektiviertes und zutreffendes Bild<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Situation und <strong>der</strong><br />

Ertragslage zeichnen. Die bisherigen bilanziellen<br />

Gestaltungsspielräume s<strong>in</strong>d deshalb<br />

202<br />

e<strong>in</strong>zuschränken. Abschreibungsregelungen<br />

sollten sich generell am tatsächlichen<br />

Wertverzehr orientieren, allerd<strong>in</strong>gs durchaus<br />

groûzügig bemessen werden, um die<br />

tatsächlichen Real<strong>in</strong>vestitionen zu begünstigen.<br />

Son<strong>der</strong>abschreibungen s<strong>in</strong>d abzuschaffen,<br />

<strong>in</strong> notwendigen E<strong>in</strong>zelfällen s<strong>in</strong>d<br />

sie auf offen ausgewiesene Investitionszulagen<br />

umzustellen. Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne<br />

s<strong>in</strong>d ausnahmslos zu erfassen (aufgedeckte<br />

stille Reserven). Die Möglichkeiten,<br />

Gew<strong>in</strong>ne durch Bildung von Rückstellungen<br />

zu variieren, s<strong>in</strong>d auf wenige def<strong>in</strong>ierte<br />

E<strong>in</strong>zelfälle zu beschränken (z. B. Pensionsrückstellungen).Pauschalwertberichtigungen<br />

s<strong>in</strong>d zu verbieten.<br />

(19) Die Gewerbesteuer ist als eigenständige<br />

E<strong>in</strong>nahmequelle <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den mit<br />

eigenem Hebesatzrecht zu stärken. E<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> Gewerbesteuer vergleichbare Steuer ist<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Län<strong>der</strong>n üblich. Sie hat<br />

sich auch <strong>in</strong> Deutschland über Jahrzehnte<br />

bewährt. Die Gewerbesteuer kann direkt<br />

an <strong>der</strong> Betriebsteuer anknüpfen, die Bemessungsgrundlage<br />

wird damit erweitert. Die<br />

Gewerbesteuer ist (bisher) nicht e<strong>in</strong>e<br />

Zusatzsteuer auf den Gew<strong>in</strong>n, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e<br />

Objektsteuer (auf Gewerbeertrag/erweiterter<br />

Gew<strong>in</strong>n und Gewerbekapital bezogen)<br />

und hat nur so verfassungsmäûigen<br />

Bestand. Die Gewerbekapitalsteuer ± die<br />

ke<strong>in</strong>e ¹Substanzsteuerª ist und e<strong>in</strong>e stabilisierende<br />

Wirkung auf das Aufkommen hat<br />

± sollte erhalten bleiben. E<strong>in</strong>e zustimmungsfähige<br />

Alternative wäre die Fortentwicklung<br />

<strong>der</strong> Gewerbesteuer zu e<strong>in</strong>er wertschöpfungsbasierten<br />

Objektsteuer. Dann<br />

würde die Gewerbekapitalsteuer zwar entfallen,<br />

dem betrieblichen Gew<strong>in</strong>n aber die<br />

weiteren Wertschöpfungsteile zugerechnet:<br />

Z<strong>in</strong>sen, Mieten, Pachten, Löhne.<br />

Tarifgestaltung<br />

(20) In <strong>der</strong> sozialdemokratischen Diskussion<br />

besteht Konsens über die Notwendigkeit,<br />

den E<strong>in</strong>gangssteuersatz zu senken und<br />

den Grundfreibetrag anzuheben ± auch um<br />

die Massenkaufkraft zu stärken. Auf e<strong>in</strong>es<br />

muû aber h<strong>in</strong>gewiesen werden: Bei e<strong>in</strong>em<br />

progressiven Tarif führt die Senkung des<br />

E<strong>in</strong>gangssteuersatzes ebenso wie die Erhö-


hung des Grundfreibetrags nicht nur zu<br />

e<strong>in</strong>er Vergünstigung bei den unteren o<strong>der</strong><br />

mittleren E<strong>in</strong>kommen, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> gleicher<br />

Höhe zu e<strong>in</strong>er verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Steuerlast für<br />

alle E<strong>in</strong>kommensschichten. Alle<strong>in</strong> schon<br />

deswegen ist e<strong>in</strong>e Gegenf<strong>in</strong>anzierung bei<br />

den hohen E<strong>in</strong>kommen erfor<strong>der</strong>lich, sonst<br />

wäre e<strong>in</strong>e Reform nicht gerecht.<br />

(21) Es blieb <strong>der</strong> Bundesregierung vorbehalten,<br />

<strong>in</strong> den 80er Jahren zur Beseitigung<br />

des sog. Mittelstandsbauchs den l<strong>in</strong>earen<br />

Tarif e<strong>in</strong>geführt zu haben. Seit dieser überfälligen<br />

Reform ist dieser Tarifverlauf<br />

unumstritten. Die sozialdemokratischen<br />

Grundüberlegungen ± Entlastungen im<br />

unteren und mittleren Bereich zu plazieren,<br />

bei <strong>der</strong> Arbeitnehmerbesteuerung auch die<br />

hohe Sozialabgabenbelastung zu berücksichtigen<br />

± legen aber nahe, die Tarifdiskussion<br />

fortzuentwickeln.<br />

(22) E<strong>in</strong> progressiver Tarif hat auch dann<br />

¹folgerichtige Übergängeª (Bundesverfassungsgericht),<br />

wenn er e<strong>in</strong>e mäûig ¹l<strong>in</strong>ksgekrümmte<br />

Kurveª aufweist (gegenüber <strong>der</strong><br />

l<strong>in</strong>earen Tarifl<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> leicht durchhängen<strong>der</strong><br />

Bogenverlauf). Bei diesem Tarif nimmt<br />

die Progression bis zur Mitte des Bogens<br />

nur sehr mäûig ± und weniger als beim<br />

l<strong>in</strong>earen Tarif ± zu, während sie dann etwas<br />

schärfer ansteigt. Setzt man die Mitte des<br />

Bogens etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Sozialversicherungspflichtgrenze<br />

an, ergibt sich bis<br />

zur Höhe dieser E<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong> verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ter<br />

Anstieg <strong>der</strong> Steuerbelastung, was<br />

se<strong>in</strong>e Rechtfertigung auch dadurch hat, daû<br />

bis dah<strong>in</strong> mit steigendem E<strong>in</strong>kommen auch<br />

die Sozialversicherungsbeiträge wachsen.<br />

Ab dieser Grenze nehmen die Sozialabzüge<br />

nicht mehr zu, dafür würde e<strong>in</strong>e etwas stärkere<br />

Progression wirksam.<br />

(23) Folgerichtig ist es dann, die E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />

für den Spitzensteuersatz zu<br />

erhöhen und als Ausgleich dafür ± aber<br />

auch wegen schon angesprochener ökonomischer<br />

Probleme und Gesichtspunkten<br />

<strong>der</strong> Gerechtigkeit ± den Spitzensteuersatz ±<br />

<strong>der</strong> dann nur die hohen Private<strong>in</strong>künfte<br />

betrifft ± selbst anzuheben (z. B. auf die<br />

früheren 56 v. H.; die E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />

für den Spitzensteuersatz ist seit den 60er<br />

Jahren etwa unverän<strong>der</strong>t und entspricht<br />

nicht mehr dem heutigen Verständnis<br />

¹hoherª E<strong>in</strong>kommen).<br />

(24) Die For<strong>der</strong>ung hoher o<strong>der</strong> höherer<br />

Spitzensteuersätze begegnet dem E<strong>in</strong>wand,<br />

das sei <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />

abträglich und Millionäre würden<br />

sich sowieso <strong>der</strong> Besteuerung entziehen<br />

o<strong>der</strong> zahlten schon jetzt gar ke<strong>in</strong>e Steuern.<br />

Erstens ist mit <strong>der</strong> Betriebsteuerkonzeption<br />

<strong>der</strong> unternehmerische Bereich ausgeklammert,<br />

so daû höhere Spitzensteuersätze nur<br />

die Private<strong>in</strong>kommen treffen. Zweitens ist<br />

darauf zu verweisen, daû das E<strong>in</strong>kommensteueraufkommen<br />

(Lohn- und E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />

zusammen, die Lohnsteuer ist<br />

nur e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Erhebungsform <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>kommensteuer) fast zur Hälfte vom<br />

oberen E<strong>in</strong>kommenszehntel aufgebracht<br />

wird, was auf die enorme tatsächliche Steuerzahlungskraft<br />

dieser E<strong>in</strong>kommensschicht<br />

verweist. Deren Steuerzahlung ist aber<br />

nicht die Folge e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuell hohen o<strong>der</strong><br />

zu hohen Belastung, son<strong>der</strong>n das Ergebnis<br />

<strong>der</strong> exorbitanten E<strong>in</strong>kommenskonzentration<br />

<strong>in</strong> diesem Bereich. Drittens ist richtig,<br />

daû es e<strong>in</strong>e Vielzahl von Schlupflöchern <strong>der</strong><br />

Steuerumgehung gibt. Diese sollen ja aber<br />

gerade durch e<strong>in</strong>e Steuerreform weitgehend<br />

beseitigt werden (u. a. Son<strong>der</strong>abschreibungen<br />

neue Bundeslän<strong>der</strong> usw.). Es kann nicht<br />

angehen, daû <strong>der</strong> Gesetzgeber erst Spitzensteuersätze<br />

festlegt, dann Umgehungen aufbaut,<br />

die die Belastung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl<br />

von E<strong>in</strong>zelfällen reduziert und dann <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Folge die Spitzenbesteuerung mit <strong>der</strong><br />

Begründung absenkt, die tatsächliche Belastung<br />

komme eh nicht an das Tarifmaû<br />

heran. Die Schlupflöcher s<strong>in</strong>d umgekehrt<br />

gerade deswegen zu beseitigen, damit das<br />

Tarifmaû wie<strong>der</strong> greift. Viertens gibt es<br />

abgesehen davon den Normalfall, wo e<strong>in</strong><br />

Vermögensmillionär ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />

bezahlt, nämlich dann, wenn das<br />

Unternehmen zeitweise Verluste e<strong>in</strong>fährt.<br />

Dieser Fall eignet sich allerd<strong>in</strong>gs nicht für<br />

polemische E<strong>in</strong>wände.<br />

Steuersplitt<strong>in</strong>g bei Ehegatten<br />

(25) Die Belastungsdiskussion im Normalverdienerbereich<br />

(o<strong>der</strong> auch sonst) ist<br />

203


davon verunklart, daû nicht genügend zwischen<br />

Grundtabelle und Splitt<strong>in</strong>gtabelle<br />

unterschieden wird. E<strong>in</strong> Beispiel: Bei e<strong>in</strong>em<br />

jährlichen Bruttolohn von 51710 DM<br />

beträgt die Abgabenbelastung 1996 (BT-<br />

Drucksache 13/5932; ähnlich für 1997)<br />

± <strong>in</strong> Steuerklasse I (Grundtabelle): Steuer<br />

20,15 vH, Sozialabgaben 20,23 vH,<br />

zusammen 40,38 vH;<br />

± <strong>in</strong> Steuerklasse III/0 (Splitt<strong>in</strong>gtabelle):<br />

Steuer 8,69 vH, Sozialabgaben 20,23 vH,<br />

zusammen 28,92 vH;<br />

± <strong>in</strong> Steuerklasse III/2 (Splitt<strong>in</strong>gtabelle, 2<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>, K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld belastungsm<strong>in</strong><strong>der</strong>nd):<br />

Steuer 1,2 vH, Sozialabgaben 20,23 vH,<br />

zusammen 19.05 vH.<br />

Man wird schwerlich sagen können, daû im<br />

zweiten und dritten Beispielsfall die Steuerbelastung<br />

zu hoch ist, im ersten Fall trifft<br />

diese E<strong>in</strong>schätzung aber zu.<br />

(26) Richtigerweise ist <strong>der</strong> ¹Splitt<strong>in</strong>gvorteilª<br />

im Spitzenverdienerbereich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> mehrmals thematisiert worden. Die<br />

bisher vorgeschlagene ¹Begrenzungª ist<br />

aber problematisch, viel zu kompliziert und<br />

letztlich halbherzig. Die Splitt<strong>in</strong>gtabelle ist<br />

die notwendige Folge <strong>der</strong> steuerlichen<br />

Zusammenveranlagung <strong>der</strong> Ehegatten, das<br />

e<strong>in</strong>e ist nicht ohne das an<strong>der</strong>e zu haben.<br />

Bei Familien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n kann die Splitt<strong>in</strong>gentlastung<br />

noch als K<strong>in</strong><strong>der</strong>komponente<br />

umdef<strong>in</strong>iert werden (wenn gleich mit ungerechter<br />

Verteilungswirkung); bei k<strong>in</strong><strong>der</strong>losen<br />

Ehepartnern ist das steuerliche Ergebnis<br />

ebenso problematisch wie die<br />

notwendigerweise umgekehrt hohe Belastung<br />

<strong>der</strong> alle<strong>in</strong>stehenden E<strong>in</strong>kommenbzw.<br />

Lohnsteuerzahler. Auûerdem ist für<br />

die nichtehelichen Lebensgeme<strong>in</strong>schaften<br />

ke<strong>in</strong>e den Ehegatten vergleichbare Lösung<br />

<strong>in</strong> Sicht. In e<strong>in</strong>er Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die<br />

Ehe e<strong>in</strong>e Lebensform unter vielen ist, sollte<br />

deshalb zur E<strong>in</strong>zelveranlagung <strong>der</strong> Steuerpflichtigen<br />

übergangen werden, wie sie<br />

auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n<br />

üblich und selbstverständlich ist.<br />

Damit entfällt das Splitt<strong>in</strong>gverfahren. Ehegatten<br />

werden dadurch gegenüber an<strong>der</strong>en<br />

nicht benachteiligt, weil ihre geme<strong>in</strong>same<br />

204<br />

Steuerlast nicht höher ist, als wenn sie<br />

unverheiratet wären.<br />

(27) Das Entlastungsvolumen aus dem<br />

Splitt<strong>in</strong>gtarif ist e<strong>in</strong>erseits zu e<strong>in</strong>er Tarifm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundtabelle zu nutzen<br />

und an<strong>der</strong>erseits als Stärkung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>komponente<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld) zu verwenden.<br />

Die Unterhaltsverpflichtung des alle<strong>in</strong>verdienenden<br />

Ehepartners gegenüber dem<br />

e<strong>in</strong>kommenslosen an<strong>der</strong>en Ehepartner<br />

kann ggf. <strong>in</strong> Anlehnung an das Realsplitt<strong>in</strong>g<br />

bei unterhaltspflichtigen vormaligen<br />

Ehegatten Berücksichtigung f<strong>in</strong>den.<br />

Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />

(28) Grundsätzlich gilt im Steuerrecht<br />

richtigerweise das Nom<strong>in</strong>alpr<strong>in</strong>zip, d.h. e<strong>in</strong><br />

Inflationsausgleich f<strong>in</strong>det nicht statt. Das<br />

soll auch weiter so bleiben. Ungeachtet<br />

dessen betrachtet <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- o<strong>der</strong> Normalsparer<br />

se<strong>in</strong>e Guthabenz<strong>in</strong>sen als Ausgleich<br />

± wenn auch ger<strong>in</strong>ger ± <strong>in</strong>flationärer Geldentwertung.<br />

Dieser Sichtweise sollte politisch<br />

durch e<strong>in</strong>en allerd<strong>in</strong>gs nicht zu hoch<br />

bemessenen Betrag e<strong>in</strong>er Sparerfreigrenze<br />

Rechnung getragen werden. Die Freigrenze<br />

hat gegenüber dem bisherigen Sparerfreibetrag<br />

den Vorteil, daû sie nur den Normalsparer<br />

begünstigt; für hohe Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künfte<br />

ist e<strong>in</strong> ¹Sparerfreibetragª e<strong>in</strong><br />

Und<strong>in</strong>g. Freigrenzen s<strong>in</strong>d im Steuersystem<br />

durchaus üblich, im älteren Steuerrecht,<br />

das sich oft mehr am ¹Normalverdienerª<br />

orientierte, auch häufiger.<br />

(29) Die E<strong>in</strong>kommensteuer soll ± wie ausgeführt<br />

± die Private<strong>in</strong>künfte erfassen: Entnahmen,<br />

Ausschüttungen, Arbeitse<strong>in</strong>kommen,<br />

Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte, Renten<br />

(mit e<strong>in</strong>em bei etwa 30 vH typisierten<br />

Ertragsanteil) usw. Es gibt ke<strong>in</strong>en vernünftigen<br />

Grund, gerade Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />

durch unzulängliche Erfassung o<strong>der</strong><br />

durch e<strong>in</strong>e abgeltende Z<strong>in</strong>sabschlagsteuer<br />

gegenüber an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>künften besserzustellen.<br />

Wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n üblich,<br />

sollte die Erfassung durch Kontrollmitteilungen<br />

<strong>der</strong> Banken bzw. F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute<br />

lückenlos gewährleistet werden. E<strong>in</strong>e steuerliche<br />

Besserstellung verbietet sich vor


allem aus ökonomischen und fiskalischen<br />

Gründen:<br />

± Die Verschuldung <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Hände führt zu e<strong>in</strong>em spiegelbildlichen<br />

Anstieg des Wertpapiervolumens bei den<br />

Privaten, konzentriert bei den vermögenden<br />

Haushalten. Durch die Z<strong>in</strong>szahlungen<br />

des Staates werden <strong>in</strong> erheblichem<br />

Ausmaû Steuergel<strong>der</strong> auf die Inhaber <strong>der</strong><br />

Staatsanleihen umgeschrieben, was die<br />

E<strong>in</strong>kommens- und Vermögenskonzentration<br />

weiter beför<strong>der</strong>t. Die lückenlose<br />

Z<strong>in</strong>sbesteuerung muû den Rücklauf e<strong>in</strong>es<br />

Teils dieser Z<strong>in</strong>szahlungen aus fiskalischen<br />

und auch Gründen <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />

gewährleisten. Alles an<strong>der</strong>e ist e<strong>in</strong>e<br />

dilettantische Fiskalpolitik und e<strong>in</strong>e nur<br />

schlecht kaschierte Interessenpolitik für<br />

die Vermögensbesitzer.<br />

± Der boomartige ausgewachsene Vermögenssektor<br />

und die davon ausgehenden ±<br />

bisher noch unterschätzten ± Instabilitäten<br />

(Spekulationswellen, Kapitalflucht,<br />

organisiertes Verbrechen) machen staatliche<br />

Regulierungen ± <strong>in</strong>ternational, europäisch,<br />

national ± unumgänglich. E<strong>in</strong>e<br />

gegenüber jetzt erhöhte Besteuerung<br />

hoher Z<strong>in</strong>s- und Vermögense<strong>in</strong>kommen<br />

ist e<strong>in</strong> unerläûlicher Bestandteil e<strong>in</strong>er<br />

solchen Re-Regulierung. Kapitalanlagen<br />

unterliegen grundsätzlich e<strong>in</strong>em Renditenvergleich<br />

nach Steuern. Bei sowieso<br />

schon hohen Renditemöglichkeiten bei<br />

den Geldanlagen im Vergleich zur <strong>in</strong>vestiven<br />

Anlage von Kapital führt die<br />

unzureichende Besteuerung <strong>der</strong> Vermögense<strong>in</strong>kommen<br />

zu e<strong>in</strong>er forcierten<br />

Umschichtung h<strong>in</strong> zur re<strong>in</strong>en Geldanlage<br />

(bzw. auch zu sharehol<strong>der</strong>-value-<br />

Strategien) die Steuerpolitik ist hier<br />

zunächst e<strong>in</strong> Mittel um gegenzusteuern.<br />

(30) Dieser Ansatz sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> von<br />

Anfang an auch als Richtschnur für m<strong>in</strong>destens<br />

die europäische politische Diskussion<br />

dienen. Auch <strong>in</strong> den Nachbarlän<strong>der</strong>n ist<br />

<strong>der</strong> Konflikt zwischen e<strong>in</strong>er Politik für Vermögensbesitzer<br />

e<strong>in</strong>erseits und e<strong>in</strong>er<br />

beschäftigungsorientierten Politik für Investoren<br />

und Arbeitsplätze offenkundig. Die<br />

Anpassung an die neoliberale Globalisierungs-Interpretation<br />

ist für alle europä-<br />

ischen Sozialdemokratien e<strong>in</strong> Holzweg.<br />

Selbst die französischen Konservativen<br />

wi<strong>der</strong>setzen sich zunehmend dem von<br />

Groûbritannien und <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

ausgehenden Deregulierungsoffensiven.<br />

(31) E<strong>in</strong>e europaweite e<strong>in</strong>heitliche Abgeltungssteuer<br />

auf Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />

(bei e<strong>in</strong>em Steuersatz von etwa 20 vH, was<br />

bisher schon M<strong>in</strong>deststandard ist) ist e<strong>in</strong><br />

Weg <strong>in</strong> die falsche Richtung, weil die<br />

ger<strong>in</strong>ge Steuerhöhe die Geldanlage gegenüber<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>vestiven Anlage privilegiert und<br />

bisherige Fehlentwicklung festschreibt. Die<br />

zuweilen anzutreffende Vorstellung,<br />

dadurch werde endlich die Steuerflucht<br />

bekämpft, ist kle<strong>in</strong>mütig und naiv: wer<br />

(fast) ke<strong>in</strong>e Steuern mehr bezahlen muû,<br />

braucht freilich nicht zu ¹flüchten.ª<br />

Vermögen, Lastenausgleich<br />

(32) Die schlampige, dilettantische und<br />

lückenhafte Besteuerung <strong>der</strong> Vermögensbesitzer<br />

(man denke nur an die jahrzehntelange<br />

drastische Unterbewertung <strong>der</strong><br />

Immobilienvermögen) f<strong>in</strong>det ihre Zuspitzung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> politisch herbeigeführten ± das<br />

Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur<br />

zum Anlaû nehmende ± Abschaffung <strong>der</strong><br />

Vermögensteuer. Diesen Raubzug <strong>der</strong> Reichen<br />

auf Kosten <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit muû<br />

die <strong>SPD</strong> stoppen. Entgegen aller Propaganda<br />

kennen die meisten Industrielän<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e eigenständige Vermögensbesteuerung,<br />

da das Vorhandense<strong>in</strong> von Vermögen e<strong>in</strong>e<br />

beson<strong>der</strong>s f<strong>in</strong>anzielle Leistungsfähigkeit<br />

begründet; ab e<strong>in</strong>er gewissen Vermögenshöhe<br />

e<strong>in</strong>e ¹leistungsloseª Selbstalimentierung<br />

und Vermögensmehrung vorprogrammiert.<br />

Gegen alle Verdrehungen ist <strong>in</strong><br />

Übere<strong>in</strong>stimmung mit Steuerrechtslehre<br />

und Rechtsprechung festzustellen, daû die<br />

Vermögenssteuer ke<strong>in</strong>e Substanzsteuer ist,<br />

son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>s basierte zusätzliche<br />

E<strong>in</strong>kommensbesteuerung für Vermögende,<br />

die Steuer ist mittelfristig immer aus Vermögenserträgen<br />

und nie aus <strong>der</strong> Vermögenssubstanz<br />

f<strong>in</strong>anzierbar. Dies wird auch<br />

durch die Praxis <strong>der</strong> Vermögensteuererhebung<br />

belegt: die Vermögensteuer wird bei<br />

den F<strong>in</strong>anzämtern ¹geräuschlosª bezahlt,<br />

205


Rückstände o<strong>der</strong> gar Vollstreckungsfälle<br />

gibt es kaum!<br />

(33) Die <strong>SPD</strong> muû deshalb für e<strong>in</strong> klares<br />

Ja zur Fortführung bzw. Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Vermögensteuer e<strong>in</strong>treten. Im Fall<br />

e<strong>in</strong>er verobjektivierten Unternehmensbesteuerung<br />

(s.o.) kann die Vermögensbesteuerung<br />

auf das private Vermögen konzentriert<br />

werden. Den Vorgaben des<br />

BVerfG für e<strong>in</strong>e höhere Bewertung <strong>der</strong><br />

Immobilien ist Rechnung zu tragen. Freizustellen<br />

ist im wesentlichen nur <strong>der</strong> Wert<br />

e<strong>in</strong>es ¹normalen Gebrauchsvermögensª im<br />

Wert etwa 500 Tsd. Mark. Angesichts von<br />

sozialer Schieflage und dr<strong>in</strong>gend notwendigen<br />

öffentlichen Investitionen muû sich die<br />

<strong>SPD</strong> gerade hier zu e<strong>in</strong>em deutlichen<br />

Schritt nach vorne bekennen und die möglichen<br />

Spielräume nutzen und erkämpfen:<br />

So hat das DIW errechnet, daû bei Freistellung<br />

des üblichen Gebrauchsvermögens<br />

und e<strong>in</strong>em Steuersatz von e<strong>in</strong>em Prozent<br />

auf e<strong>in</strong> Aufkommen <strong>der</strong> Vermögensteuer<br />

von 37 Mrd. Mark zu erzielen ist (bisheriges<br />

Aufkommen 8 Mrd.). Wegen unverme<strong>in</strong>dlicher<br />

Bewertungsabschläge und<br />

zusätzlicher persönlicher ± ger<strong>in</strong>ger ± Freibeträge<br />

(K<strong>in</strong><strong>der</strong>) verbleibt bei <strong>der</strong> Vermögensteuer<br />

noch immer e<strong>in</strong>e Differenz zwischen<br />

tatsächlichem und steuerpflichtigem<br />

Vermögen. Auch wenn das Betriebsvermögen<br />

auûer Ansatz bleiben soll, ist kurzfristig<br />

e<strong>in</strong>e Verdopplung des bisherigen Vermögensteueraufkommens<br />

möglich und<br />

auch geboten.<br />

(34) Diese Grundsätze gelten <strong>in</strong> gleicher<br />

Weise für die Erbschaftssteuer.<br />

(35) E<strong>in</strong>e klare und konsequente Vermögensbesteuerung<br />

± wie hier gefor<strong>der</strong>t ± ist<br />

auch vom Grundgedanken e<strong>in</strong>es sozialen<br />

und f<strong>in</strong>anziellen Lastenausgleichs legitimiert.<br />

Die <strong>SPD</strong> kann und darf dem Konflikt<br />

nicht ausweichen, son<strong>der</strong>n muû es<br />

offen ansprechen: die Radikalität des bevorstehenden<br />

gesellschaftlichen Umbruchs, die<br />

dramatische Gefahr des ökonomischen<br />

Abrutschens erfor<strong>der</strong>t auch e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Radikalität des politischen E<strong>in</strong>griffs. E<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>prozentige Vermögenssteuer auf höhere<br />

private Vermögen ist alles an<strong>der</strong>e als e<strong>in</strong><br />

206<br />

revolutionäres Unterfangen, denn dieser<br />

Steuersatz war über Jahrzehnte nichts als<br />

e<strong>in</strong>e platte Normalität. Das Verfassungsgericht<br />

hat ausdrücklich erklärt, daû e<strong>in</strong>e<br />

befristete erhöhte ± auch deutlich erhöhte<br />

± Vermögensbesteuerung zulässig ist, wenn<br />

sie <strong>der</strong> Gesetzgeber an e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Zweck b<strong>in</strong>det und aus e<strong>in</strong>er aktuellen Son<strong>der</strong>situation<br />

heraus verfügt (z. B. wie früherer<br />

Lastenausgleich). Die <strong>SPD</strong> sollte sich<br />

deshalb zu e<strong>in</strong>er befristeten Son<strong>der</strong>abgabe<br />

auf groûe Vermögen bekennen. Diese<br />

Abgabe setzt am s<strong>in</strong>nvollsten an <strong>der</strong> Vermögensteuer<br />

an.<br />

H<strong>in</strong>terziehung, Steuerflucht, Kapitalverkehr<br />

(36) Steuerh<strong>in</strong>terziehung wie Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität<br />

müssen entschieden bekämpft<br />

werden. Die <strong>SPD</strong> muû hier erkennbare<br />

Signale setzen, die <strong>SPD</strong>-regierten Län<strong>der</strong><br />

sollten beispielgebend wirken. Notwendig<br />

ist vor allem, die präventive Wirkung <strong>der</strong><br />

Steuerbehörden zu stärken. Das Bundesamt<br />

für F<strong>in</strong>anzen, die Son<strong>der</strong>stellen für Auslandsbeziehungen<br />

(sog. Auslandsprüfer)<br />

und die Fahndungs- und Betriebsprüfungsstellen<br />

bei den F<strong>in</strong>anzämtern s<strong>in</strong>d personell<br />

besser auszustatten. Das Bankgeheimnis ist<br />

zu lockern: Kapitale<strong>in</strong>künfte und ggf.<br />

transnationaler Kapitalverkehr s<strong>in</strong>d durch<br />

das recht auf Auskunftsersuchen <strong>der</strong> Steuerbehörden,<br />

Kontrollmitteilungen bzw.<br />

Mitwirkungspflichten <strong>der</strong> Banken effektiver<br />

zu erfassen.<br />

(37) Traditionell hat Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />

und Steuerflucht oft e<strong>in</strong>en grenzüberschreitenden<br />

Charakter. Die Möglichkeiten, sich<br />

nationaler Besteuerung zu entziehen, s<strong>in</strong>d<br />

aber mit <strong>der</strong> Deregulierung des europäischen<br />

und <strong>in</strong>ternationalen Kapitalverkehrs<br />

enorm gewachsen. Die Nationalstaaten<br />

haben sich bei eigener politischer Regulierung<br />

begeben, ohne gleichzeitig auf den<br />

supranationalen Ebenen dementsprechende<br />

Regulationen vorzusehen. E<strong>in</strong>e konsequente<br />

Inlandsbesteuerung muû umsomehr<br />

Fluchtreaktionen e<strong>in</strong>kalkulieren und gegensteuern.<br />

Steuerharmonisierung (hier v. a.<br />

Verbrauchsteuern, Unternehmensteuern)<br />

ist e<strong>in</strong>e Antwort. Mit Blick auf die Steuer-


fluchtproblematik s<strong>in</strong>d aber weitere Maûnahmen<br />

dr<strong>in</strong>glich.<br />

(38) Steueroasen, Niedrigsteuerlän<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />

¹anlegerfreundlicheª Staaten verursachen<br />

e<strong>in</strong> drastisches Steuergefälle alle<strong>in</strong> im europäischen<br />

Bereich: Gibraltar, Kanal<strong>in</strong>seln,<br />

Nie<strong>der</strong>ländische Antillen, Luxemburg,<br />

Schweiz, Liechtenste<strong>in</strong> und weitere Kle<strong>in</strong>staaten<br />

bis zum Vatikan. Bei offenen Kapitalmärkten<br />

kann e<strong>in</strong> ungeregeltes Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

von kle<strong>in</strong>en Anlegerstaaten und<br />

groûen Produktionsstaaten nicht gut<br />

gehen. Die Beseitigung dieses europäischen<br />

Anachronismus ist überfällig. Am dr<strong>in</strong>gendsten<br />

ist, <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> EU<br />

auf Regelungen zu drängen, die den Mitgliedstaaten<br />

die effektiven Steuererhebung<br />

nicht erschweren, son<strong>der</strong>n erleichtern.<br />

(39) Abgesehen davon ist die Errichtung<br />

e<strong>in</strong>es Europäischen Amtes für F<strong>in</strong>anzen<br />

anzustreben. Diese europäische Steuerbehörde<br />

hat dann die Aufgabe, die Mitgliedsstaaten<br />

bei <strong>der</strong> Verfolgung grenzüberschreiten<strong>der</strong><br />

Steuerh<strong>in</strong>terziehung zu<br />

unterstützen (vgl. Interpol) und zur Vorbereitung<br />

politischer Entscheidungen Unzulänglichkeiten<br />

und Schlupflöcher auf dem<br />

Gebiet des Auûensteuerrechts und <strong>der</strong><br />

<strong>in</strong>ternationalen Steuerkrim<strong>in</strong>alität aufzudecken.<br />

(40) Die auûensteuerliche Konzeption <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik ist unter diesen Gesichtspunkten<br />

zu überarbeiten. E<strong>in</strong> wesentliches<br />

Motiv vieler gelten<strong>der</strong> Regelungen war<br />

o<strong>der</strong> ist die För<strong>der</strong>ung von deutschen Auslandsdirekt<strong>in</strong>vestitionen.<br />

Heute muû e<strong>in</strong>e<br />

effektive Steuererhebung zur Stärkung<br />

<strong>in</strong>ländischer Investitionen im Vor<strong>der</strong>grund<br />

stehen. (Die Doppelbesteuerungsabkommen<br />

(DBA) sehen im Regelfall die Besteuerung<br />

gewerblicher Gew<strong>in</strong>ne im Firmensitzstaat,<br />

die Besteuerung <strong>der</strong> Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künfte<br />

(u.ä.) durch den Wohnsitzstaat vor.) Die<br />

Verlagerung <strong>der</strong> Steuerbasis <strong>in</strong> Niedrigsteuergebiete<br />

ist zu unterb<strong>in</strong>den. Folgende<br />

Maûnahmen s<strong>in</strong>d erfor<strong>der</strong>lich:<br />

± Generell s<strong>in</strong>d die Möglichkeiten,<br />

Gew<strong>in</strong>ne über F<strong>in</strong>anzierungsgesellschaften<br />

<strong>in</strong> Niedrigsteuergebiete zu verlagern,<br />

e<strong>in</strong>zuschränken.<br />

± Bei Unternehmen, die nicht selbst eigenständige<br />

wirtschaftliche Bestätigung<br />

(Handel, Produktionsstätte usw.) entfalten<br />

± also Hold<strong>in</strong>gs o<strong>der</strong> Briefkastenfirmen<br />

± muû das ¹letzteª Besteuerungsrecht<br />

beim Sitzstaat des<br />

Gründungs<strong>in</strong>itiator, d. h. bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>ländischen<br />

Muttergesellschaft o<strong>der</strong> dem <strong>in</strong>ländischen<br />

Inhaber liegen.<br />

± Bei an<strong>der</strong>en ± sog. aktiven ± Unternehmen<br />

ist das ¹Schachtelprivilegª (Gew<strong>in</strong>nausschüttungen<br />

von Auslandstöchtern<br />

bleiben im Inland steuerfrei, wenn die<br />

<strong>in</strong>ländische Mutter m<strong>in</strong>destens zehn Prozent<br />

des Kapitals hält) auf Beteiligung<br />

e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>destumfangs von 25 vH e<strong>in</strong>zuschränken<br />

(entspricht dem <strong>in</strong>ternationalen<br />

Standard).<br />

± Die Verrechnungspraktiken <strong>in</strong>ländischer<br />

Unternehmen mit ausländischen verbundenen<br />

Unternehmen (für Lieferungen,<br />

Dienstleistungen, Lizenzen usw.) s<strong>in</strong>d<br />

von Fachprüfern <strong>der</strong> Steuerbehörden<br />

(sog. Auslandsprüfer) <strong>in</strong>tensiver zu kontrollieren.<br />

± Da bei Geldanlage im Ausland die<br />

Erträge (schon nach geltendem Recht)<br />

im Inland zu besteuern s<strong>in</strong>d, müssen die<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Steuerbehörden verbessert<br />

werden, diese auch aufzudecken<br />

(z.B. durch die Technik <strong>der</strong> Geldverkehrsrechnung).<br />

Neben <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> Mitwirkung <strong>der</strong> Banken ist es<br />

hier v. a. erfor<strong>der</strong>lich, die Kontrollrechte<br />

von Betriebsprüfung und Steuerfahndung<br />

im privaten Vermögenssektor zu erweitern.<br />

(41) Die <strong>in</strong>ternationale Deregulierung <strong>der</strong><br />

Kapitalmärkte ± Freigabe <strong>der</strong> Wechselkurse,<br />

staatlich unkontrollierte F<strong>in</strong>anz- und<br />

Geldmärkte, Abschaffung z.B. <strong>der</strong> Börsenumsatzsteuer,<br />

<strong>in</strong>ternationale Verschuldungswellen<br />

± ist zu e<strong>in</strong>em die Steuer- und<br />

Kapitalflucht erstrangig för<strong>der</strong>lichen Nährboden<br />

geworden. In noch gröûeren<br />

Dimensionen ist die Devisenspekulation<br />

gewachsen ± zweitausend Milliarden Mark<br />

werden tagtäglich an den Devisenbörsen<br />

umgesetzt, Vergleichbares gilt für die Aktienmärkte.<br />

Die Spekulationsgew<strong>in</strong>ne wer-<br />

207


den weitgehend an den nationalen Steuerbehörden<br />

vorbei gemacht.<br />

(42) Diese Entwicklung darf nicht dazu<br />

verleiten, nach wie vor vorhandene nationale<br />

Spielräume (z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuer- o<strong>der</strong><br />

Geldpolitik) nicht zu nutzen. Doch werden<br />

diese Spielräume politischen Handelns<br />

zunehmend e<strong>in</strong>geengt. Die ¹Herrschaft des<br />

Kapitalverkehrsª droht den Primat <strong>der</strong><br />

Politik zu entmachten. Die Rückgew<strong>in</strong>nung<br />

des Politischen (sie liegt überall im<br />

Interesse <strong>der</strong> breiten Schichten) setzt ganz<br />

wesentlich die Re-Regulierung <strong>der</strong> Geldund<br />

F<strong>in</strong>anzmärkte voraus. Internationale<br />

Kooperation ± unter an<strong>der</strong>en Vorzeichen<br />

und Prioritäten als heute ± ist dazu dr<strong>in</strong>gend<br />

geboten. Sozialdemokratische Politik<br />

muû von Anfang an sich als <strong>in</strong>ternationalistische<br />

Konzeption begreifen und darf sich<br />

nicht auf den nationalen Handlungsrahmen<br />

e<strong>in</strong>engen lassen.<br />

(43) Die <strong>SPD</strong> sollte deshalb ± neben an<strong>der</strong>en<br />

Maûnahmen währungspolitischer Art<br />

(z.B. Hankel-Vorschlag e<strong>in</strong>es Weltwährungssystems)<br />

± für die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />

Devisenumsatzsteuer e<strong>in</strong>treten. Zwar bleibt<br />

jede Spekulation letztlich (o<strong>der</strong> langfristig)<br />

an die Realsphäre angebunden, doch steht<br />

sie bei globalisierten F<strong>in</strong>anzmärkten<br />

zunächst im Sog kurzfristiger Erwartungshaltungen.<br />

Das ¹Überschieûenª <strong>der</strong> Reaktionen<br />

(das durchaus auch Jahre anhalten<br />

kann) hat unstreitig schädliche Rückwirkungen<br />

auf die wirtschaftliche Realsphäre.<br />

Die Zahlungsbilanz wird nicht mehr von<br />

den Leistungsströmen, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong><br />

Kapitalbilanz dom<strong>in</strong>iert. Von Jahr zu Jahr<br />

wächst die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, daû durch<br />

die entfesselten Geldmärkte weltweit Krisenwellen<br />

ausgelöst werden, bzw. daû re<strong>in</strong>e<br />

Spekulationswellen realwirtschaftlich unbegründete<br />

Auf- und Abwertungen auslösen<br />

und die Nationalstaaten handlungsunfähig<br />

zusehen müssen. Politiker und Wissenschaftler<br />

vieler Industrielän<strong>der</strong> for<strong>der</strong>n ± <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> deutschen Diskussion kaum wahrgenommen<br />

± e<strong>in</strong>e neue Regulation <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzmärkte. Die Devisenumsatzsteuer<br />

(e<strong>in</strong> Prozent pro Umsatz) drängt vor allem<br />

die kurzfristige Spekulation zurück (je häufiger<br />

<strong>der</strong> Kapitalbetrag bewegt wird, um so<br />

208<br />

teurer wird es), die langfristigen Kapitalströme<br />

werden davon kaum bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />

Die Kapitalströme werden dadurch wie<strong>der</strong><br />

enger an die Leistungsströme gebunden,<br />

das Ausnutzen relativ kle<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>sdifferenzen<br />

wird unrentierlich, was auch die Autonomie<br />

nationaler Z<strong>in</strong>spolitik erhöht. Die<br />

Devisenumsatzsteuer ist für die Nationalstaaten<br />

e<strong>in</strong>e zusätzliche und ökonomisch<br />

unschädliche (im Gegenteil hilfreiche) E<strong>in</strong>nahmequelle<br />

<strong>in</strong> zig-Milliardenhöhe zur<br />

Stärkung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte. Vergleichbare<br />

Gründe sprechen für die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Börsenumsatzsteuer mit<br />

entsprechend glätten<strong>der</strong> Wirkung auf die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Aktienmärkte.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 92<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Den Konjunkture<strong>in</strong>bruch<br />

auffangen ± mit antizyklischer<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik des Bundes<br />

gestalten<br />

Gegenwärtig erleben wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

nach e<strong>in</strong>em kurzen Aufschwung<br />

e<strong>in</strong>en konjunkturellen Rückschlag mit<br />

e<strong>in</strong>em weiteren Anstieg <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.<br />

Die schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rezession entstandene<br />

hohe Arbeitslosigkeit droht sich zu<br />

verfestigen und noch auszuweiten. Davon<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ¾ltere, Frauen und<br />

Jugendliche betroffen. In dieser Situation<br />

muû e<strong>in</strong>e sozialdemokratische Wirtschaftsund<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik gegensteuern und Weichenstellungen<br />

<strong>in</strong> Richtung Wachstum vornehmen.<br />

Wenn sich die F<strong>in</strong>anzpolitik nur<br />

auf die Begrenzung des Defizits im öffentlichen<br />

Haushalt konzentriert, läût sie die<br />

konjunkturellen Erfor<strong>der</strong>nisse auûer acht.<br />

Konjunkture<strong>in</strong>brüche s<strong>in</strong>d die Folge <strong>der</strong><br />

mangelnden Bereitschaft <strong>der</strong> privaten<br />

Wirtschaft und <strong>der</strong> mangelnden Möglichkeit<br />

<strong>der</strong> privaten Haushalte zu <strong>in</strong>vestieren<br />

und zu konsumieren. Durch die Umvertei-


lung von unten nach oben hat die Bundesregierung<br />

die Arbeitnehmer belastet und<br />

die B<strong>in</strong>nennachfrage verr<strong>in</strong>gert. In <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik fehlt die B<strong>in</strong>nennachfrage,<br />

weshalb e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> defensive, ausschlieûlich<br />

auf kurzfristige Kürzungen und E<strong>in</strong>schnitte<br />

ausgerichtete Politik des Bundes Gift für<br />

Konjunktur und Arbeitsmarkt ist. E<strong>in</strong>e solche<br />

Politik würgt die ohneh<strong>in</strong> schwache<br />

Konjunktur endgültig ab und führt durch<br />

wachsende Steuerausfälle und Mehrbelastungen<br />

zu noch höherer Arbeitslosigkeit<br />

und noch höherer Staatsverschuldung.<br />

Der Schlüssel zur Lösung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen<br />

und sozialen Probleme liegt deshalb <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Stärkung von Wachstum und<br />

Beschäftigung: Nur mehr Wachstum und<br />

Beschäftigung helfen auch dem Berl<strong>in</strong>er<br />

Haushalt auf Dauer aus se<strong>in</strong>er Misere. Wer<br />

die sozialen Sicherungssysteme vor dem<br />

Kollaps retten und den Berl<strong>in</strong>er Haushalt<br />

wie<strong>der</strong> auf Kurs br<strong>in</strong>gen will, muû aus<br />

Arbeitslosen und Leistungsempfängern<br />

wie<strong>der</strong> Steuer-und Beitragszahler machen.<br />

Dazu ist e<strong>in</strong> Umsteuern auf Bundesebene<br />

notwendig. Die <strong>SPD</strong> unterstützt deshalb<br />

die Anstrengungen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> nach<br />

e<strong>in</strong>em gerechten F<strong>in</strong>anzausgleich zwischen<br />

Bund und Län<strong>der</strong>n und das Konzept <strong>der</strong><br />

sozialen Konsolidierung, das das Präsidium<br />

vorgelegt hat.<br />

E<strong>in</strong>e antizyklische Politik ist Aufgabe <strong>der</strong><br />

Bundespolitik, die durch e<strong>in</strong>e bessere Ausstattung<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und Geme<strong>in</strong>den auch<br />

für Berl<strong>in</strong> dafür den Rahmen schaffen muû.<br />

Die <strong>SPD</strong> ist sich deshalb mit den führenden<br />

deutschen Wirtschafts<strong>in</strong>stituten und dem<br />

Sachverständigenrat e<strong>in</strong>ig, daû sich die<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik des Bundes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen<br />

Phase nicht nur darauf ausrichten darf, die<br />

konjunkturbed<strong>in</strong>gten M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen,<br />

aber auch die strukturellen Steuerausfälle<br />

ohne Rücksicht auf die Investitionstätigkeit<br />

und das Konsumverhalten durch rigide<br />

Sparmaûnahmen auszugleichen. Sonst ist<br />

die Gefahr groû, daû <strong>der</strong> Staat mit e<strong>in</strong>er<br />

solchen prozyklischen Politik den<br />

Abschwung verstärkt und damit am Ende<br />

auch die Konsolidierung des Staatshaushalts<br />

nicht erreicht. Denn <strong>der</strong> konjunkturelle<br />

E<strong>in</strong>bruch führt dazu, daû die staatlichen<br />

E<strong>in</strong>nahmen langsamer, die staatlichen Ausgaben<br />

rascher steigen als erwartet und so<br />

<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzpolitische Handlungsspielraum<br />

des Staates weiter e<strong>in</strong>geengt wird.<br />

Alle führenden bundesdeutschen Wirtschaftswissenschaftler<br />

weisen <strong>in</strong> ihren jüngsten<br />

Analysen darauf h<strong>in</strong>, daû es gerade<br />

jetzt notwendig wäre, e<strong>in</strong>e konjunkturbed<strong>in</strong>gte<br />

Ausweitung des Defizits <strong>in</strong> den<br />

öffentlichen Haushalten h<strong>in</strong>zunehmen und<br />

die automatischen Stabilisatoren wirken zu<br />

lassen. Insbeson<strong>der</strong>e die Abschwächung <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Entwicklung <strong>in</strong> Ostdeutschland,<br />

von <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>s<br />

betroffen ist, müûte ± jedenfalls für e<strong>in</strong>e<br />

Übergangszeit ± nochmals weiter vom<br />

Staat dadurch ausgeglichen werden, daû<br />

noch weit mehr Mittel als bisher für <strong>in</strong>vestive<br />

Zwecke e<strong>in</strong>gesetzt werden, deswegen<br />

ist die von <strong>der</strong> CDU beabsichtigte Reduzierung<br />

<strong>der</strong> Mittel für die neuen Bundeslän<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>schlieûlich Berl<strong>in</strong>s nicht zu verantworten.<br />

Sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik will<br />

gerade auch <strong>in</strong> schwierigen Zeiten nicht<br />

durch hektische Sparmaûnahmen Fehlbeträge<br />

verr<strong>in</strong>gern, son<strong>der</strong>n auch immer ökonomisch<br />

und sozial gestalten. Die <strong>SPD</strong> ist<br />

sich im Klaren darüber, daû die konjunkturelle<br />

Entwicklung eigentlich zusätzliche<br />

staatliche Investitionen erfor<strong>der</strong>t, um <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

den noch immer hohen <strong>in</strong>frastrukturellen<br />

Nachholbedarf im Ostteil <strong>der</strong><br />

Stadt zu beheben. Dem Investitionse<strong>in</strong>satz<br />

steht die äuûerst schwierige Haushaltsnotlage<br />

gegenüber.<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik im E<strong>in</strong>klang mit e<strong>in</strong>em<br />

Konzept zur Konjunkturstärkung<br />

In <strong>der</strong> Abwägung mit den fiskalischen Notwendigkeiten<br />

muû sich sozialdemokratische<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Konzept zur Stärkung<br />

<strong>der</strong> Wachstumskräfte e<strong>in</strong>fügen, das die<br />

Schwachpunkte unserer regionalen Wirtschaft<br />

<strong>in</strong> Industrie und <strong>in</strong>dustrienahem<br />

Dienstleistungsbereich angeht und dennoch<br />

im S<strong>in</strong>ne des Haushaltsstrukturgesetzes die<br />

öffentlichen F<strong>in</strong>anzen konsolidiert. Hierbei<br />

kann auch e<strong>in</strong>e vorübergehende Zunahme<br />

des Defizits <strong>in</strong> den öffentlichen Haushalten<br />

209


nicht ausgeschlossen werden, wenn an<strong>der</strong>s<br />

e<strong>in</strong> demokratiegefährdendes Ansteigen <strong>der</strong><br />

Arbeitslosenzahlen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

werden kann. Dazu <strong>der</strong> Sachverständigenrat<br />

wörtlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em neuesten<br />

Gutachten:<br />

¹Wer jetzt kurzfristig auf die Rückführung<br />

<strong>der</strong> Staatsquote durch tiefe E<strong>in</strong>schnitte <strong>in</strong><br />

das Sozialsystem setzt, korrigiert zwar die<br />

statistisch gemessene Staats-und Abgabenquote.<br />

Die Belastung die sich vor allem aus<br />

<strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>igung ergeben hat, läût<br />

sich damit jedoch nicht beseitigen. Die<br />

Lasten werden lediglich auf an<strong>der</strong>e Gruppen<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft verlagert. Die Gefahr<br />

ist groû, daû wegen e<strong>in</strong>er nicht ursachengerechten<br />

Therapie am sozialen System die<br />

Schäden am Ende gröûer s<strong>in</strong>d als <strong>der</strong> Nutzen.<br />

Es ist unbestritten, daû die hohen<br />

Belastungen auf Dauer abgebaut werden<br />

müssen. Der geeignete Zeitpunkt hängt<br />

aber <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von den Erfolgen des<br />

Aufholprozesses <strong>in</strong> Ostdeutschland ab.ª<br />

Deshalb wird sich die <strong>SPD</strong> nicht an dem<br />

aussichtslosen wie schädlichen Versuch<br />

beteiligen, die nächsten konjunkturell<br />

bed<strong>in</strong>gten Steuerausfälle durch weitere,<br />

sofort wirkende Sparmaûnahmen zu kompensieren.<br />

Sie wird statt dessen e<strong>in</strong> verläûliches<br />

Konsolidierungskonzept vorlegen, <strong>in</strong><br />

dem das strukturelle Defizit beseitigt und<br />

durch E<strong>in</strong>nahmeerhöhung und Ausgabenreduzierung<br />

Spielraum für mehr Beschäftigung<br />

geschaffen wird.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 93<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />

Frauen<br />

For<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e ¹Groûe<br />

Steuerreformª<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Führung<br />

auf, unverzüglich nach Übernahme<br />

<strong>der</strong> Regierungsverantwortung im Jahr 1998<br />

das Gesetzgebungsverfahren für e<strong>in</strong>e<br />

grundlegende Steuerreform e<strong>in</strong>zuleiten mit<br />

210<br />

dem Ziel des Aufbaus e<strong>in</strong>es gerechten, e<strong>in</strong>fachen<br />

und effizienten Steuersystems. Das<br />

bedeutet <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

± Besteuerung nach <strong>der</strong> tatsächlichen Leistungsfähigkeit,<br />

± grundsätzlich gleiche steuerliche<br />

Behandlung aller Arten von E<strong>in</strong>kommen<br />

o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteilen,<br />

± konsequenten Abbau von Steuervergünstigungen,<br />

± E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>deststeuer,<br />

± Reform <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzverwaltung nach den<br />

Grundsätzen <strong>der</strong> Erhebungseffizienz,<br />

Konzentration <strong>der</strong> Lenkungswirkung auf<br />

wenige Bereiche (Ökosteuer!) und rigorose<br />

Bekämpfung von Steuerh<strong>in</strong>terziehung.<br />

Im e<strong>in</strong>zelnen müssen im Rahmen <strong>der</strong> Steuerreform<br />

folgende M<strong>in</strong>destfor<strong>der</strong>ungen<br />

realisiert werden.<br />

± Abschaffung des sogenannten ¹Ehegattensplitt<strong>in</strong>gª<br />

zugunsten von Individualbesteuerung.<br />

Bei ¹Alle<strong>in</strong>verdienerpaarenª<br />

ist ± unabhängig vom Trausche<strong>in</strong> (!) ±<br />

e<strong>in</strong> Alle<strong>in</strong>verdienergrundfreibetrag <strong>in</strong><br />

Höhe des doppelten Existenzm<strong>in</strong>imums<br />

zu berücksichtigen. Unterhaltszahlungen<br />

für nicht im Haushalt lebende unterhaltsberechtigte<br />

Personen s<strong>in</strong>d steuerm<strong>in</strong><strong>der</strong>nd<br />

zu berücksichtigen.<br />

Bei Abschaffung des Steuersplitt<strong>in</strong>g entfällt<br />

automatisch die frauendiskrim<strong>in</strong>ierende<br />

Steuerklassenkomb<strong>in</strong>ation 111/V. Doch<br />

auch wenn es nicht gel<strong>in</strong>gt, das Steuersplitt<strong>in</strong>g<br />

vollständig abzuschafffen, muû die<br />

Steuerklasse V sofort und ersatzlos gestrichen<br />

werden.<br />

± Anhebung des Grundfreibetrages für<br />

Erwachsene auf DM 18000 pro Person<br />

und Jahr (¹steuerfreies Existenzm<strong>in</strong>imumª);<br />

± endgültige Abschaffung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibetrages<br />

und E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>geldes <strong>in</strong> Höhe von DM 300<br />

pro K<strong>in</strong>d, unabhängig von <strong>der</strong> Ordnungszahl;<br />

± steuerliche Absetzbarkeit von K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungskosten<br />

als Son<strong>der</strong>ausgaben,


nicht nur bei alle<strong>in</strong>erziehenden Eltern,<br />

son<strong>der</strong>n generell bis zu e<strong>in</strong>er Obergrenze,<br />

ohne Anrechnung e<strong>in</strong>er ¹zumutbaren<br />

Belastungª.<br />

± Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Vermögenssteuer,<br />

die das vorhandene Vermögen nach gleichen<br />

Bewertungskriterien für alle Vermögensarten<br />

erfaût und persönlichen<br />

Gebrauchsvermögen steuerfrei beläût.<br />

± Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften<br />

nach e<strong>in</strong>heitlichen Bewertungsmaûstäben<br />

und Steuersätzen, wobei auch<br />

hier e<strong>in</strong> Betrag <strong>in</strong> Höhe des durchschnittlichen<br />

Gebrauchsvermögens steuerfrei<br />

zu belassen ist.<br />

± E<strong>in</strong>führung von Umweltsteuern, die Ressourcenverbrauch<br />

und -verschwendung<br />

nach dem Verursacherpr<strong>in</strong>zip belasten.<br />

Erfaût werden müssen Verbrauch bzw.<br />

Belastung von Boden, Wasser und Luft.<br />

± EU-weite Harmonisierung <strong>der</strong> Besteuerung<br />

(<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Besteuerung von<br />

Kapitale<strong>in</strong>künften und Spekulationsgew<strong>in</strong>nen<br />

sowie die Unternehmensbesteuerung),<br />

die EU-weite E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

M<strong>in</strong>deststeuer und e<strong>in</strong>e Angleichung <strong>der</strong><br />

Umweltsteuern.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 94<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Neuhausen-Oberwiesenfeld<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Eckdaten sozialdemokratischer<br />

F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

I.<br />

Die Kommunen dürfen nicht länger als<br />

Zahlmeister <strong>der</strong> geistig-moralischen Wende<br />

miûbraucht werden.<br />

Darum muû sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

zuerst die Kommunen berücksichtigen,<br />

müssen Bundes- und Län<strong>der</strong>haushalte<br />

<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die Politikansätze aus<br />

den Kommunen reagieren, müssen sozialdemokratische<br />

Bundes- und Landtagsabge-<br />

ordnete <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Kommunalpolitiker,<br />

also vor Ort se<strong>in</strong>.<br />

II.<br />

F<strong>in</strong>anzverwaltungen müssen wesentlich<br />

mo<strong>der</strong>nisiert werden, Verwaltungsprozesse<br />

geeignet verkürzt werden, Subsidiarität<br />

gerade gegenüber dem mündigen Bürger<br />

geübt werden, mit <strong>der</strong> Maûgabe, den Menschen<br />

dadurch e<strong>in</strong>e direkte Teilhabe an<br />

Staatlichkeit, somit an Politik zu ermöglichen.<br />

Die muû e<strong>in</strong>e sozialdemokratische For<strong>der</strong>ung<br />

se<strong>in</strong>: Steuerbürger sollen sich selbst<br />

veranlagen können, selbst ihre Steuern<br />

bezahlen können. Gegenüber den F<strong>in</strong>anzbehörden<br />

haben sie e<strong>in</strong>e Nachweispflicht<br />

über ihre E<strong>in</strong>künfte. Diese haben nur noch<br />

den Auftrag <strong>der</strong> Plausibilitätsprüfung und<br />

sollen die Möglichkeit zur Steuerschätzung<br />

haben, wenn die Nachweispflicht nicht<br />

erfüllt wird.<br />

III.<br />

Mit <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> alten sozialdemokratischen<br />

For<strong>der</strong>ung nach Aufdeckung <strong>der</strong><br />

privaten Vermögensverhältnisse <strong>in</strong><br />

Deutschland hat die <strong>SPD</strong> erneut die<br />

Chance, darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daû die Entwicklung<br />

von Privatvermögen <strong>in</strong> Deutschland<br />

ke<strong>in</strong>e Frage des Standortes ist.<br />

Die sozialdemokratische For<strong>der</strong>ung heiût<br />

deshalb: Abschaffung des § 30 AO (Abgabenordnung).<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

und Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 97<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Reichenhall<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Steuerkonzept<br />

Der Bundesparteitag möge beschlieûen, das<br />

<strong>SPD</strong>-Steuerkonzept vom 26. Mai 1997 im<br />

Vorfeld <strong>der</strong> 1998 anstehenden Wahlkämpfe<br />

dah<strong>in</strong>gehend zu än<strong>der</strong>n, daû die bisherige<br />

For<strong>der</strong>ung nach <strong>der</strong> (Wie<strong>der</strong>)E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>er privaten Vermögenssteuer, die ab<br />

e<strong>in</strong>em Vermögen von 1 Mio. DM i.H. von<br />

211


jährlich 1 % anfallen soll, durch den von<br />

Georg Kronawitter bekannt gemachten<br />

Vorschlag e<strong>in</strong>er Vermögensabgabe von<br />

1 % bei e<strong>in</strong>em Vermögen i. H. von<br />

2,5±10 Mio. DM<br />

2 % bei e<strong>in</strong>em Vermögen i. H. von<br />

10±100 Mio. DM<br />

3 % bei e<strong>in</strong>em Vermögen ab 100 Mio. DM<br />

ersetzt wird.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 98<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Ökologische Steuerreform<br />

1. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die ökologische Steuerreform<br />

zu e<strong>in</strong>em zentralen Punkt <strong>der</strong><br />

steuerpolitischen Aussagen des Regierungsprogrammes<br />

Fortschritt 2000 werden<br />

zu lassen.<br />

2. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die ökologische Steuerreform<br />

zu e<strong>in</strong>em vorrangigen Gegenstand<br />

steuerpolitische Verhandlungen<br />

mit <strong>der</strong> Bundesregierung zu erheben.<br />

3. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich unter dem Gesichtspunkt von<br />

Wahrheit und Klarheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerpolitik<br />

an folgenden Kriterien für den E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> die ökologische Steuerreform zu<br />

orientieren:<br />

± Ziel <strong>der</strong> Energiebesteuerung ist es, daû<br />

die Energiepreise perspektivisch die ökologische<br />

Wahrheit sprechen und damit<br />

e<strong>in</strong>en Anreiz zu ökologischem Verhalten<br />

schaffen. Dabei s<strong>in</strong>d soziale und arbeitsmarktpolitische<br />

Aspekte zu berücksichtigen.<br />

± Unternehmen brauchen Planungssicherheit.<br />

Die schrittweise E<strong>in</strong>führung ökologischer<br />

Anreize <strong>in</strong> das Steuersystem<br />

(Erhöhung <strong>der</strong> auf den Energieverbrauch<br />

zu erhebenden Steuern <strong>in</strong> mehreren Stufen)<br />

wird daher für e<strong>in</strong>en langfristigen<br />

212<br />

Zeitraum (10 bis 15 Jahre) politisch festgelegt.<br />

± Nur die Anwendung des Pr<strong>in</strong>zips Aufkommensneutralität<br />

kann politisch überzeugen.<br />

Denn: Energiesteuern sollen<br />

ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />

durch die H<strong>in</strong>tertür sichern. Die Steuer<br />

soll vorwiegend zwei Zielen dienen:<br />

Ökologische Steuerung und Senkung <strong>der</strong><br />

Beiträge zur Sozialversicherung zur<br />

Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />

± Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Energiebesteuerung gilt<br />

für alle ob private Verbraucher/<strong>in</strong>nen<br />

o<strong>der</strong> gewerbliche Kunden, denn: Die<br />

ökologischen Folgen hohen Energieverbrauchs<br />

s<strong>in</strong>d unabhängig vom Urheber<br />

und die Belastung des Faktors Arbeit<br />

muû deutlich zurückgeführt werden.<br />

± Nicht warten, bis alle an<strong>der</strong>en Nationen<br />

auch mitmachen! Der nationale Alle<strong>in</strong>gang<br />

nach dem Vorbild <strong>der</strong> skand<strong>in</strong>avischen<br />

Län<strong>der</strong> bietet die Chance für<br />

e<strong>in</strong>en technologiepolitischen Impuls und<br />

für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen<br />

sowie für die Verbesserung <strong>der</strong><br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für <strong>in</strong>novative und<br />

ökologisch orientierte Unternehmen.<br />

Gleichzeitig s<strong>in</strong>d die Bemühungen auf<br />

europäischer Ebene zur E<strong>in</strong>führung ökologischer<br />

Steuerungs<strong>in</strong>strumente im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>es zu harmonisierenden<br />

europäischen Steuersystems zu <strong>in</strong>tensivieren.<br />

± Die schrittweise Erhöhung <strong>der</strong> Energiebesteuerung<br />

führt zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>direkten<br />

Lenkung wirtschaftlichen Handelns<br />

durch Preise. Im Gegenzug zur E<strong>in</strong>führung<br />

dieses marktwirtschaftlichen Steuerungs<strong>in</strong>struments<br />

werden ökologisch<br />

begründete Ver- und Gebote überprüft<br />

und weitestmöglich aufgehoben (Stichwort:<br />

Deregulierung). Entscheidendes<br />

Kriterium ist dabei das Erreichen <strong>der</strong><br />

beabsichtigten ökologischen und arbeitsmarktpolitischen<br />

Wirkung.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)


Antrag I 99<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Dreieich<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Renten- und Steuerreform<br />

1. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion möge sich<br />

mit aller Entschiedenheit dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />

daû e<strong>in</strong>e Absenkung des allgeme<strong>in</strong>en<br />

Rentenniveaus nach Art Kohl-Waigel-Blüm<br />

auf jeden Fall unterbleibt, und<br />

daû sich auch die <strong>SPD</strong>-geführten Bundeslän<strong>der</strong><br />

hieran halten und sich nicht<br />

wie<strong>der</strong> durch ger<strong>in</strong>gfügige steuerliche<br />

Zugeständnisse auf an<strong>der</strong>em Gebiet<br />

¹überzeugenª lassen.<br />

2. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion möge sich<br />

± ggfls. durch e<strong>in</strong>en eigenen Entwurf ±<br />

unabhängig von e<strong>in</strong>er wie immer gearteten<br />

Rentenreform dafür e<strong>in</strong>setzen, daû<br />

alle gewährten Leistungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />

aus allgeme<strong>in</strong>- o<strong>der</strong><br />

sozialpolitischen Gründen (wie z.B. für<br />

Zeiten ohne Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />

Rentenversicherung bei Zuwan<strong>der</strong>ern<br />

o<strong>der</strong> von Zeiten <strong>der</strong> DDR, <strong>der</strong><br />

Anrechnung von Kriegsdienst-o<strong>der</strong><br />

Wehrdienstzeiten, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeiten<br />

und <strong>der</strong>gl.) nicht aus Beitragszahlungen,<br />

son<strong>der</strong>n aus dem allgeme<strong>in</strong>en Bundeshaushalt<br />

f<strong>in</strong>anziert werden.<br />

3. Die <strong>SPD</strong>-Fraktion möge sich im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Steuerreform energisch dagegen<br />

zur Wehr setzen, daû erneut e<strong>in</strong>e<br />

Umverteilung von unten nach oben<br />

erfolgt. Der Spitzensteuersatz soll<br />

zunächst nicht gesenkt werden.<br />

Dagegen ist <strong>der</strong> Grundfreibetrag (das<br />

sogen. Existenzm<strong>in</strong>imum) massiv zu erhöhen,<br />

denn die Bundesregierung selbst hatte<br />

dem Bundesverfassungsgericht den Bedarf<br />

für das Jahr 1992 mit DM 13910,± vorgerechnet.<br />

Der Arbeitnehmer-Freibetrag ist nicht herabzusetzen;<br />

die meisten Arbeitnehmer liegen<br />

ohneh<strong>in</strong> bereits über den jetzigen<br />

DM 2000 im Jahr, so daû durch e<strong>in</strong>e Herabsetzung<br />

nur e<strong>in</strong> unnötiger umfangreicher<br />

Mehraufwand bei den F<strong>in</strong>anzämtern provo-<br />

ziert würde, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>nahmeträchtig bei mehr<br />

Betriebsprüfungen viel s<strong>in</strong>nvoller wäre.<br />

Die Halbierung des Z<strong>in</strong>sfreibetrages trifft<br />

nicht die Steuerbetrüger, die ihr Vermögen<br />

zum Teil mit Hilfe <strong>der</strong> Banken <strong>in</strong>s Ausland<br />

verbracht haben, son<strong>der</strong>n die breite Masse<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung. Wenn man neben <strong>der</strong><br />

gesetzlichen Rente für das Alter sparen<br />

soll, dann wi<strong>der</strong>spricht dem <strong>der</strong> Staat<br />

durch die Halbierung des Freibetrages.<br />

Von den ursprünglich groûspurigen<br />

Ankündigungen, alle Schlupflöcher zu<br />

schlieûen, mit denen E<strong>in</strong>kommensmillionäre<br />

bisher legal ihre Steuerschuld m<strong>in</strong>imieren<br />

konnten bis h<strong>in</strong> zur völligen Freistellung<br />

von e<strong>in</strong>er Steuerzahlung, hört man<br />

bis auf e<strong>in</strong>ige wenige M<strong>in</strong>i-Korrekturen<br />

überhaupt nichts mehr. Auf die Verwirklichung<br />

<strong>der</strong> Ankündigungen ist beson<strong>der</strong>es<br />

Augenmerk zu richten.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 102<br />

Bezirksverband Oberbayern<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Groûe Vermögensbesitzer<br />

1. Die groûen Vermögensbesitzer werden<br />

zur Bewältigung <strong>der</strong> enormen wirtschaftlichen<br />

Schwierigkeiten ebenfalls<br />

zur Leistung e<strong>in</strong>es angemessenen Solidaritätsbeitrages<br />

herangezogen. Infrage<br />

dafür kommt nur das sogenannte<br />

¹unproduktiveª Kapital (wie Aktien,<br />

Geldvermögen, Immobilien).<br />

Die Abgabe soll auf 10 Jahre begrenzt se<strong>in</strong>.<br />

Jährlich s<strong>in</strong>d vorgesehen bei e<strong>in</strong>em Re<strong>in</strong>vermögen:<br />

von 2,5 bis 10 Millionen DM 1%<br />

von 10,0 bis 100 Millionen DM 2 %<br />

ab 100 Millionen DM 3 %.<br />

2. Die Gel<strong>der</strong> flieûen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>fonds<br />

mit dem Ziel, f<strong>in</strong>anzielle Mittel zur aktiven<br />

Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik<br />

bzw. zu Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />

zur Verfügung zu haben.<br />

213


3. Wie beim Lastenausgleich 1952 muû<br />

<strong>der</strong> Vermögensstatus e<strong>in</strong>es zurückliegenden<br />

Jahres (z.B. 1. 1. 1996) herangezogen<br />

werden, damit e<strong>in</strong>e Kapitalflucht <strong>in</strong>s<br />

Ausland zur Umgehung <strong>der</strong> Abgabe<br />

absolut ausgeschlossen werden kann.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 103<br />

Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />

Besteuerung von Wertzuwächsen<br />

(Spekulationsgew<strong>in</strong>nen)<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />

Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />

Initiativen mit dem Ziel gebeten,<br />

± e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>steuer für realisierte Wertzuwächse<br />

bei Wertpapieren, Grundstücken<br />

und nicht selbstgenutzten Immobilien<br />

e<strong>in</strong>zuführen. Der Steuersatz sollte e<strong>in</strong>heitlich<br />

25 Prozent betragen. Spekulationsfristen<br />

werden nicht vorgesehen. Die<br />

Freibeträge sollte denen <strong>der</strong> Kapitalertragsteuer<br />

vergleichbar se<strong>in</strong>.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 104<br />

Unterbezirk Kassel-Stadt<br />

(Bezirk Hessen-Nord)<br />

Spekulationsgew<strong>in</strong>ne<br />

Die Bundestagsfraktion <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen, daû Spekulationsgew<strong>in</strong>ne<br />

mehr als bisher steuerlich<br />

abgeschöpft werden, und das die damit<br />

gewonnenen Steuergel<strong>der</strong> zur F<strong>in</strong>anzierung<br />

von Maûnahmen zur sozialen Sicherung<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden. E<strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong><br />

Gesetzentwurf ist unverzüglich vorzubereiten<br />

und angesichts von Massenarbeitslosigkeit<br />

und Sozialabbau umgehend e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

214<br />

Antrag I 105<br />

Landesverband Bayern<br />

Steuerpolitik/Wohnort<br />

Deutsche Staatsbürger sollen unabhängig<br />

von ihrem Wohnort <strong>in</strong> Deutschland unbeschränkt<br />

steuerpflichtig se<strong>in</strong>.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 106<br />

Landesverband Bayern<br />

Steuerpolitik/Kapital<br />

E<strong>in</strong>künfte aus Kapitalvermögen im S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer und Kapital- bzw.<br />

realisierte Vermögenszuwächse im S<strong>in</strong>ne<br />

<strong>der</strong> Vermögensteuer bzw. des Bewertungsgesetzes<br />

erhoben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.<br />

Diesem Umstand wird bei<br />

<strong>der</strong> Besteuerung von E<strong>in</strong>kommen und Vermögen<br />

zukünftig deutlich stärker als bisher<br />

Rechnung getragen.<br />

Von <strong>der</strong> Besteuerung ausgenommen bleibt<br />

Vermögen bis zur Schwelle des normalen<br />

¹Familien-Gebrauchsvermögensª. Diese<br />

Schwelle ist bei ca. 500000 DM pro Haushalt<br />

anzusetzen. Selbstgenutztes Wohneigentum<br />

wird nicht zur Besteuerung herangezogen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 107<br />

Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />

E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es dritten<br />

Mehrwertsteuersatzes<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />

Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />

Initiativen mit dem Ziel gebeten,<br />

± e<strong>in</strong>en dritten Mehrwertsteuersatz e<strong>in</strong>zuführen,<br />

um bestimmte Luxusgüter e<strong>in</strong>em<br />

höheren Mehrwertsteuersatz zu unter-


werfen. Da e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> nationalen<br />

Mehrwertsteuer <strong>der</strong> Zustimmung<br />

<strong>der</strong> EU-Kommission bedarf, wird die<br />

Bundesregierung aufgefor<strong>der</strong>t, Verhandlungen<br />

mit <strong>der</strong> EU-Kommission aufzunehmen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktionen)<br />

Initiativantrag 34<br />

Sicherung und Stärkung <strong>der</strong><br />

f<strong>in</strong>anziellen Handlungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> Kommunen<br />

Die f<strong>in</strong>anzielle Situation <strong>der</strong> Kommunen<br />

hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahren erheblich<br />

verschlechtert. Während <strong>der</strong> Bund sich <strong>in</strong><br />

den Jahren 1991±1997 durch Steuerrechtsän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong>sgesamt zusätzliche E<strong>in</strong>nahmen<br />

verschaffte, erlitten Län<strong>der</strong> und Kommunen<br />

M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen. Das gröûte<br />

Problem liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> strukturellen Problematik,<br />

daû <strong>der</strong> jahrelange Anstieg <strong>der</strong><br />

Sozialhilfebelastung nur noch durch e<strong>in</strong>en<br />

Rückzug bei den kommunalen Investitionen<br />

bewältigt werden konnte.<br />

Auch durch die 1996 vernehmlich auf die<br />

E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Pflegeversicherung zurückzuführende<br />

erstmalige Nichtsteigerung <strong>der</strong><br />

kommunalen Sozialhilfehaushalte hat sich<br />

an dieser strukturellen Problematik nichts<br />

geän<strong>der</strong>t. Die durch die Bundesregierung<br />

zum Teil gezielt geschwächten vorgelagerten<br />

sozialen Sicherungssysteme unserer<br />

Gesellschaft können die mit <strong>der</strong> deutschen<br />

Vere<strong>in</strong>igung und <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

e<strong>in</strong>hergehenden Belastungen nicht ausreichend<br />

kompensieren, so daû immer gröûere<br />

Kostenblöcke auf das letzte Sicherungssystem<br />

<strong>der</strong> Sozialhilfe verschoben<br />

werden. Viele kommunale Haushalte werden<br />

heutzutage nur noch mit <strong>der</strong> Auflage<br />

e<strong>in</strong>es Haushaltssicherungskonzeptes genehmigt.<br />

Notverkäufe und planlose Vermögensveräuûerungen<br />

zeugen von schwierigsten<br />

Engpässen. Die kommunalen<br />

Investitionen wurden seit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> neunziger<br />

Jahre deutlich reduziert. Inzwischen<br />

ist auch <strong>in</strong> Ostdeutschland die gleiche Entwicklung<br />

zu verzeichnen.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund setzt sich die<br />

<strong>SPD</strong> für folgende Punkte zur Lösung <strong>der</strong><br />

strukturellen F<strong>in</strong>anzierungsproblematik <strong>der</strong><br />

Kommunen e<strong>in</strong>:<br />

1. Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzreform zur Stärkung<br />

und Sicherung <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung<br />

Die <strong>SPD</strong> will Sorge dafür tragen, daû kommunaler<br />

Aufgabenbestand und F<strong>in</strong>anzausstattung<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gleichgewicht kommen.<br />

Dazu zählt e<strong>in</strong>e Neuordnung <strong>der</strong><br />

Grund- und Gewerbesteuer als kommunale<br />

Steuern mit eigenem Hebesatzrecht und<br />

die angemessene Beteiligung an den<br />

Geme<strong>in</strong>schaftssteuern genauso wie e<strong>in</strong>e<br />

strikte Anwendung des Konnexitätspr<strong>in</strong>zips<br />

durch Bund und Län<strong>der</strong>. Der E<strong>in</strong>satz von<br />

För<strong>der</strong>mitteln ist verstärkt zu dezentralisieren<br />

und mit verstärkten kommunalen E<strong>in</strong>fluûmöglichkeiten<br />

zu versehen.<br />

2. Aufkommensneutralität <strong>der</strong> geplanten<br />

Steuerreform gegenüber den kommunalen<br />

Haushalten<br />

Die Gesamtsituation <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Haushalte erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Aufkommensneutralität<br />

<strong>der</strong> Steuerreform. In Anbetracht<br />

<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s dramatischen F<strong>in</strong>anzsituation<br />

<strong>der</strong> Kommunen, wie sie sich vor allem<br />

<strong>in</strong> Ostdeutschland und <strong>in</strong> den groûstädtischen<br />

Ballungsräumen darstellt, hält es die<br />

<strong>SPD</strong> nicht für verantwortbar, die Kommunen<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>er Steuerreform mit<br />

Nettom<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen zu belasten. Für<br />

die Kommunen muû e<strong>in</strong> voller f<strong>in</strong>anzieller<br />

Ausgleich für etwaige M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen<br />

hergestellt werden.<br />

3. Reform <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />

zur Entlastung <strong>der</strong> Kommunen<br />

durch e<strong>in</strong>e Beteiligung des Bundes<br />

Als wichtigste Ursache <strong>der</strong> strukturellen<br />

F<strong>in</strong>anzproblematik <strong>der</strong> Kommunen ist die<br />

Belastung durch die steigenden Sozialausgaben<br />

anzusehen. Die <strong>SPD</strong> ist für e<strong>in</strong>e<br />

Reform <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialhilfe,<br />

215


die dazu dient, die kommunale Sozialhilfe<br />

zu entlasten und auf ihre eigentliche Aufgabe<br />

e<strong>in</strong>es letzten Sicherungssystems<br />

zurückzuführen. Zur Reduzierung <strong>der</strong><br />

Sozialhilfebelastungen sollten die Kommunen<br />

im Rahmen ihrer Möglichkeiten<br />

arbeitslosen Sozialhilfeempfängern Arbeit<br />

anbieten.<br />

Die vielfältigen Aufgaben <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />

s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>sichtlich ihrer bisher e<strong>in</strong>seitigen<br />

F<strong>in</strong>anzierung durch die Kommunen zu<br />

überprüfen. Dabei sollten Leistungsbereiche,<br />

die die Folgen von Massenarbeitslosigkeit<br />

und Engpässen <strong>in</strong> den vorgelagerten<br />

Sicherungssystemen darstellen, nicht länger<br />

alle<strong>in</strong> von den Kommunen f<strong>in</strong>anziert werden.<br />

Beson<strong>der</strong>e Leistungen, z.B. die Leistungen<br />

für beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Sozialhilfe könnten durch e<strong>in</strong><br />

geson<strong>der</strong>tes Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenleistungsgesetz<br />

künftig bundesseitig f<strong>in</strong>anziert werden.<br />

4. Sicherung und Erweiterung <strong>der</strong> bestehenden<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Betätigung <strong>der</strong> Kommunen<br />

Die Kommunen können im Rahmen <strong>der</strong><br />

kommunalen Selbstverwaltung durch ihre<br />

wirtschaftliche Betätigung viele Aufgaben<br />

kostengünstig und unter Beachtung sozialer<br />

und ökologischer Kriterien erfüllen. E<strong>in</strong>e<br />

s<strong>in</strong>nvoll organisierte Kommunalwirtschaft<br />

führt zu Kostene<strong>in</strong>sparungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />

und erwirtschaftet zum<br />

Teil wichtige E<strong>in</strong>nahmen. Um den Handlungsspielraum<br />

<strong>der</strong> Kommunen <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich zu sichern und wo notwendig auch<br />

zu erweitern, for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e rechtliche<br />

Rahmensetzung durch Bund und Län<strong>der</strong>,<br />

die den Kommunen e<strong>in</strong>e weitreichende<br />

Handlungsfreiheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />

Betätigung und <strong>der</strong> Wahl ihrer jeweiligen<br />

Rechtsform läût.<br />

5. Stärkung <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung<br />

durch Ausnutzung von Experimentierklauseln<br />

zur Freistellung <strong>der</strong><br />

Kommunen von bestimmten vorgegebenen<br />

Normen und Standards<br />

Die Kommunen müssen die Möglichkeit<br />

erhalten, e<strong>in</strong>fache und kostengünstigere<br />

216<br />

Lösungen für bestimmte Aufgaben nutzen<br />

zu können. Die weitreichende Verregelung<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Aufgaben durch Normen<br />

und Vorschriften erschwert e<strong>in</strong> kostenbewuûtes<br />

und flexibles Handeln <strong>der</strong> Kommunen.<br />

Hier müssen Möglichkeiten für e<strong>in</strong>e<br />

flexiblere und <strong>in</strong>dividuellere Tätigkeit <strong>der</strong><br />

Kommunen geschaffen werden, ohne daû<br />

notwendige Regelungen zum Schutze des<br />

Allgeme<strong>in</strong>wohls auf <strong>der</strong> Strecke bleiben.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t Bund und Län<strong>der</strong> auf, die<br />

hierfür erfor<strong>der</strong>lichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

zu schaffen.<br />

6. Stärkung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzausstattung <strong>der</strong><br />

Kommunen <strong>in</strong> den ostdeutschen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

In den ostdeutschen Kommunen bestehen<br />

nach wie vor erhebliche Nachholbedarfe<br />

für Investitionen <strong>in</strong> Bereichen <strong>der</strong> Stadterneuerung<br />

und zur Reparatur und Instandsetzung<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Infrastruktur. Um<br />

diese Aufgaben angemessen erfüllen zu<br />

können, will die <strong>SPD</strong> die F<strong>in</strong>anzausstattung<br />

<strong>der</strong> ostdeutschen Kommunen nachhaltig<br />

stärken. Die durch das Fö<strong>der</strong>ale<br />

Konsolidierungsprogramm und den seit<br />

1995 stattf<strong>in</strong>denden horizontalen Län<strong>der</strong>f<strong>in</strong>anzausgleich<br />

erhöhten E<strong>in</strong>nahmen <strong>der</strong><br />

ostdeutschen Län<strong>der</strong> sollen auch den Kommunen<br />

als Haupt<strong>in</strong>vestoren zugutekommen.<br />

(Überwiesen an den Parteivorstand zur<br />

Erarbeitung e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 114<br />

Unterbezirk Gött<strong>in</strong>gen<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

Arme Städte können sich nur<br />

Reiche leisten<br />

Die <strong>SPD</strong> verurteilt die <strong>der</strong>zeitige Politik<br />

<strong>der</strong> Bundes- und Landesregierung, die auf<br />

e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles Ausbluten <strong>der</strong> Städte und<br />

Geme<strong>in</strong>den h<strong>in</strong>ausläuft. Während zwar für<br />

Schuldendienst und Z<strong>in</strong>szahlungen genügend<br />

Geld vorhanden ist, bleibt für übrige<br />

kommunale Aufgaben kaum noch Spiel-


aum; öffentliche Beschäftigungspolitik<br />

sowie Jugend- und Sozialpolitik werden<br />

vernachlässigt. Diesen enormen Schulden<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Hand stehen hohe Vermögensbestände<br />

<strong>in</strong> privater Hand, konzentriert<br />

auf die obersten E<strong>in</strong>kommensschichten,<br />

gegenüber. Die Interessen <strong>der</strong><br />

Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen, Rentner/<strong>in</strong>nen,<br />

Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger/<strong>in</strong>nen,<br />

Student/<strong>in</strong>nen und ihrer Familien an e<strong>in</strong>er<br />

Kommune, die soziale und kulturelle<br />

Dienstleistungen organisiert und die Massenarbeitslosigkeit<br />

bekämpft, s<strong>in</strong>d gefährdet.<br />

Daher lehnen wir e<strong>in</strong>e Beteiligung <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> und ihrer Fraktionen an <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitig<br />

als ¹Haushaltskonsolidierungª getarnten<br />

Sparpolitik zu Lasten weiterer Teile <strong>der</strong><br />

Bevölkerung ab.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t vielmehr:<br />

± Den Kommunen sollen im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

grundsätzlichen F<strong>in</strong>anzreform durch e<strong>in</strong>e<br />

Beteiligung, z. B. am Umsatzsteueraufkommen<br />

von Bund und Län<strong>der</strong>n, f<strong>in</strong>anziert<br />

durch e<strong>in</strong>en Abbau bestimmter<br />

Unternehmenssubventionen, genügend<br />

Geld zur Verfügung gestellt werden, um<br />

ihren Aufgaben gerecht werden zu können.<br />

± Um das Ausbluten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den zu<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, muû ferner die teilweise<br />

Begrenzung <strong>der</strong> Arbeitslosenhilfe<br />

zurückgenommen werden, um die<br />

Geme<strong>in</strong>den bei den Zahlungen von<br />

Sozialhilfe zu entlasten.<br />

± Im Rahmen des zu erhöhenden F<strong>in</strong>anzierungsspielraums<br />

muû über e<strong>in</strong>e Neugestaltung<br />

<strong>der</strong> Aufgabenvermittlung <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den nachgedacht<br />

werden. Es sollen vor allem Maûnahmen<br />

zur kommunalen Beschäftigungsför<strong>der</strong>ung<br />

sowie zur Unterstützung sozial<br />

benachteiligter Gruppen Vorrang haben.<br />

± Da die Privatisierung öffentlicher Aufgaben<br />

entwe<strong>der</strong> zu Lasten <strong>der</strong> dort<br />

Beschäftigten geht o<strong>der</strong> für die Verbraucher/<strong>in</strong>nen<br />

höhere Preise bedeutet, ist<br />

sie als Mittel zur Lösung <strong>der</strong> Probleme<br />

<strong>in</strong> den Kommunen ungeeignet, weshalb<br />

wir ihre Fortführung ablehnen.<br />

± Die Besteuerung des spekulativen<br />

F<strong>in</strong>anzvermögens.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 115<br />

Unterbezirk Uelzen/Lüchow-Dannenberg<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

Kommunale Ausgaben für<br />

Sozialhilfe<br />

Der Bund wird aufgefor<strong>der</strong>t, sich an den<br />

kommunalen Ausgaben für Sozialhilfe<br />

angemessen zu beteiligen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag I 116<br />

Kreisverband Sigmar<strong>in</strong>gen<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Geme<strong>in</strong>deanteil an <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>kommensteuer<br />

Die <strong>SPD</strong>-regierten Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

im Bundesrat e<strong>in</strong>en Gesetzentwurf<br />

e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen mit dem Ziel, den Verteilungsschlüssel<br />

beim Geme<strong>in</strong>deanteil. an<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer, z.B. nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl,<br />

zu än<strong>der</strong>n.<br />

(Überwiesen an Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 117<br />

Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />

Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und <strong>SPD</strong>-<br />

Landtagsfraktion sowie die Landesregierung<br />

NRW werden aufgefor<strong>der</strong>t, sich im<br />

Bundestag, Landtag und Bundesrat e<strong>in</strong>er<br />

weiteren Aushöhlung des geme<strong>in</strong>dlichen<br />

F<strong>in</strong>anzierungssystems zu wi<strong>der</strong>setzen. Statt<br />

217


dessen s<strong>in</strong>d umgehend die Eigenverantwortung<br />

und Handlungsfähigkeit <strong>der</strong> Städte<br />

und Geme<strong>in</strong>den wie<strong>der</strong>herzustellen. Dabei<br />

s<strong>in</strong>d folgende wesentliche Grundzüge zu<br />

beachten:<br />

± Bund und Land dürfen Aufgaben nur<br />

dann verlagern, wenn sie gleichzeitig den<br />

Trägern die für die Aufgabenerfüllung<br />

erfor<strong>der</strong>lichen F<strong>in</strong>anzmittel zur Verfügung<br />

stellen.<br />

± E<strong>in</strong>e isolierte Umsetzung <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />

Bundesregierung geplanten Unternehmenssteuerreform<br />

ist abzulehnen. Diese<br />

kann nur im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

längst überfälligen Reform <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung<br />

verabschiedet werden.<br />

± Die <strong>SPD</strong> lehnt die von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

beabsichtigte Streichung <strong>der</strong><br />

Gewerbekapitalsteuer und Kürzung <strong>der</strong><br />

Gewerbeertragsteuer ab, solange nicht<br />

e<strong>in</strong> quantitativ und qualitativ gleichwertiger<br />

Verlustausgleich sichergestellt ist.<br />

Die <strong>SPD</strong> gibt e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong><br />

Gewerbesteuer durch e<strong>in</strong>e Erweiterung<br />

des Kreises <strong>der</strong> Steuerpflichtigen (z.B.<br />

auf freie Berufe) und <strong>der</strong> Bemessungsgrundlagen<br />

den Vorrang vor e<strong>in</strong>er<br />

Umsatzsteuerbeteiligung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den.<br />

± Die z.Z. im Rahmen des kommunalen<br />

F<strong>in</strong>anzausgleichs diskutierte Verbesserung<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzkraft von strukturschwachen<br />

und mit hohen Sozialkosten belasteten<br />

Kommunen darf bei allem<br />

Verständnis für die For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>er<br />

gerechteren Verteilung <strong>der</strong> vorhandenen<br />

Mittel nicht unberücksichtigt lassen, daû<br />

die den Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong>sgesamt zugestandene<br />

F<strong>in</strong>anzmasse schon lange nicht<br />

mehr ausreicht, um ihre Aufgaben sachgerecht<br />

zu erfüllen.<br />

± Jede Neuregelung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>dlichen<br />

F<strong>in</strong>anzierungssysteme muû folgende<br />

Eckpunkte berücksichtigen:<br />

± Sicherung e<strong>in</strong>er stetigen E<strong>in</strong>nahmeentwicklung<br />

± E<strong>in</strong>räumung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>dlichen Hebesatzrechtes<br />

218<br />

± Verteilung von Zuweisungen nach e<strong>in</strong>em<br />

orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssel<br />

± durch e<strong>in</strong>e Neuregelung bed<strong>in</strong>gte massive<br />

Verluste bei Städten und Geme<strong>in</strong>den<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Übergangszeitraum auszugleichen.<br />

± Sowohl die dargestellten Grundsätze bei<br />

<strong>der</strong> Verlagerung von Aufgaben sowie das<br />

geme<strong>in</strong>dlichen F<strong>in</strong>anzierungssystem s<strong>in</strong>d<br />

verfassungsrechtlich abzusichern.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 118<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Marienburger Höhe/Itzum<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

Kommunalf<strong>in</strong>anzen<br />

Der <strong>SPD</strong> Vorstand und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, stärker<br />

als bisher auf e<strong>in</strong>e Konsolidierung <strong>der</strong><br />

Kommunalf<strong>in</strong>anzen h<strong>in</strong>zuwirken und ihre<br />

Bemühungen deutlicher und nachhaltiger<br />

als bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit darzustellen.<br />

Dabei ist zu erreichen, daû<br />

± Bundesgesetze, die im kommunalen<br />

Bereich umgesetzt werden sollen, vom<br />

Bund voll f<strong>in</strong>anziert werden (Konnexität),<br />

± die Län<strong>der</strong> haben die Erstattungen<br />

ungekürzt weiterzuleiten,<br />

± Verän<strong>der</strong>ungen im Steuerrecht (¹Steuerreformenª)<br />

mit Auswirkungen auf die<br />

Geme<strong>in</strong>deebene (z. B. E<strong>in</strong>kommensteuer,<br />

Gewerbesteuer) vollständig ausgeglichen<br />

werden,<br />

± vom Bund vorgenommene Kürzungen,<br />

z.B. beim Arbeitslosengeld o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />

Arbeitslosenhilfe, o<strong>der</strong> Erhöhungen, z.B.<br />

bei <strong>der</strong> ¹Gesundheitsreformª, o<strong>der</strong><br />

Beschränkungen, z. B. bei <strong>der</strong> Asylgesetzgebung<br />

(Arbeitsverbot u.ä.), unterbleiben,<br />

da sie zu Lasten <strong>der</strong> Menschen und<br />

<strong>der</strong> Sozialhilfehaushalte <strong>der</strong> Kommunen<br />

gehen,<br />

± die Beteiligung <strong>der</strong> Kommunen an den<br />

Kosten <strong>der</strong> Deutschen E<strong>in</strong>heit über<br />

e<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>haushalt auûerhalb des Ver-


waltungshaushalts f<strong>in</strong>anziert werden<br />

kann, da sie nicht aus den laufenden E<strong>in</strong>nahmen<br />

zu erwirtschaften s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong><br />

erheblichem Maû zur F<strong>in</strong>anzkrise <strong>der</strong><br />

Kommunen beitragen.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

und Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 119<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

Kommunen als Konkurrenten<br />

des Mittelstands<br />

Kommunale Unternehmen versuchen<br />

zunehmend, sich mit ,Subventionierten<br />

Leistungen auf den Märkten <strong>der</strong> gewerblichen<br />

Wirtschaft zu etablieren. Diese Aktivitäten<br />

s<strong>in</strong>d mit den Aufgaben des Öffentlichen<br />

Dienstes nicht vere<strong>in</strong>bart.<br />

Kommunen und Landkreise bieten zunehmend<br />

Leistungen ihrer Angestellten und<br />

Beamten auf den Märkten <strong>der</strong> privaten<br />

Wirtschaft an.<br />

± Stadtwerke mit Taxi-, Bus-, und Telefondienstleistungen,<br />

± Reparaturwerkstätten mit Reparatur-,<br />

und Recycl<strong>in</strong>gleistungen,<br />

± Stadtbauämter und Katasterämter mit<br />

Consult<strong>in</strong>gleistungen,<br />

± Fremdenverkehrsbüros mit Reisebüroleistungen,<br />

± Hausdruckereien mit Druckleistungen,<br />

± Gastronomische E<strong>in</strong>richtungen mit Versorgung<br />

des allgeme<strong>in</strong>en Publikums.<br />

Diese Leistungen können gegenüber privaten<br />

Unternehmen zu günstigeren Preisen<br />

am Markt angeboten werden, weil kalkulatorische<br />

Kosten <strong>der</strong> privaten Wirtschaft<br />

nicht e<strong>in</strong>gerechnet s<strong>in</strong>d:<br />

± Kalkulatorische Miete<br />

± Kalkulatorische Z<strong>in</strong>sen<br />

± Abschreibungen.<br />

Die Nähe <strong>der</strong> kommunalen Betriebe zur<br />

Hoheitsverwaltung macht zudem vielfach<br />

e<strong>in</strong>e klare Trennung von privaten Interessen<br />

und Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teressen möglich.<br />

Die gewerbliche Wirtschaft wird gezwungen,<br />

mit ihren Steuern (z.B. Gewerbesteuern),<br />

die eigene Konkurrenz zu subventionieren.<br />

Die AGS wendet sich entschieden gegen<br />

alle Aktivitäten <strong>in</strong> Landkreisen und Kommunen,<br />

den Leistungsbereich des Öffentlichen<br />

Dienstes über die Aufgaben <strong>der</strong><br />

Dase<strong>in</strong>svorsorge h<strong>in</strong>aus auszuweiten.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und an<br />

Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 120<br />

Bezirk Weser-Ems<br />

Frauen wollen die Hälfte <strong>der</strong><br />

Zukunft ± für e<strong>in</strong>e doppelte<br />

Umverteilung<br />

Die strukturelle Benachteiligung von<br />

Frauen wird durch die gegenwärtige wirtschaftliche<br />

Krise noch verschärft. Noch<br />

immer werden Frauen als erste entlassen<br />

und als letzte wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gestellt, noch<br />

immer ist die Frauenarbeitslosigkeitsquote<br />

deutlich höher als die <strong>der</strong> Männer. Gleichstellungspolitik<br />

wird immer deutlicher als<br />

gesellschaftlicher Luxus gesehen, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

wirtschaftlichen Krise abgeschafft werden<br />

kann. Schwer erkämpfte Gleichstellungsmaûnahmen,<br />

wie die Quote, stehen auf<br />

dem Spiel. Die Überw<strong>in</strong>dung des<br />

geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktes mit<br />

Unterteilung <strong>in</strong> Frauen- und Männerberufe<br />

wird kaum noch gefor<strong>der</strong>t. Notwendig ist<br />

im Gegensatz dazu <strong>der</strong> frauenorientierte<br />

Umbau (nicht Abbau) des Sozialstaates.<br />

Gleichzeitig bleibt die Benachteiligung von<br />

Frauen z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerpolitik bestehen.<br />

Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong> Beispiel: die<br />

Steuerersparnis ist um so höher, je weiter<br />

die E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> Ehepartner ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

liegen. Am gröûten ist sie, wenn<br />

219


Frauen nicht bzw. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 610 DM-Job<br />

arbeiten. Deshalb ist das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g<br />

abzuschaffen. Auch die K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge<br />

s<strong>in</strong>d sozial ungerecht, durch sie werden<br />

Besserverdienende stärker entlastet als<br />

alle<strong>in</strong>erziehende Mütter. Auch das Dienstmädchenprivileg,<br />

dessen Anhebung zur<br />

Zeit diskutiert wird, verstärkt und erhält<br />

alte Rollenbil<strong>der</strong> und ist schon alle<strong>in</strong> deshalb<br />

abzulehnen. Durch die gegenwärtige<br />

Arbeitszeitmodelle werden Frauen ebenfalls,<br />

noch zusätzlich zur Lohndiskrim<strong>in</strong>ierung<br />

benachteiligt, sie s<strong>in</strong>d deshalb grundlegend<br />

zu reformieren. In Teilzeitarbeit<br />

werden fast ausschlieûlich Frauen (berufstätige<br />

Mütter) gedrängt. Teilzeitarbeit wird<br />

als nicht vollwertige Arbeit gesehen, ist<br />

karrierehemmend, nicht sozialversicherungspflichtig<br />

und nicht existenzsichernd.<br />

Die fehlende Sozialversicherungspflicht ist<br />

e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe für die gravierende<br />

Altersarmut von Frauen. Deshalb for<strong>der</strong>t<br />

die <strong>SPD</strong>, daû alle Arbeitsplätze (auch die<br />

sogenannten Mac-Jobs) sozialversicherungspflichtig<br />

werden.<br />

Um die oben geschil<strong>der</strong>ten Miûstände<br />

abzuschaffen for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> u.a. e<strong>in</strong>e<br />

Frauenför<strong>der</strong>ung als Bestandteil von (regionaler)<br />

Strukturpolitik. Die gegenwärtige<br />

Strukturpolitik wirkt durch e<strong>in</strong>ige ihrer<br />

Ziele und Elemente bislang eher frauenfe<strong>in</strong>dlich.<br />

So z. B. dadurch, daû sie e<strong>in</strong>seitig<br />

auf Sachkapital<strong>in</strong>vestitionen setzt. Auch die<br />

zur Ermittlung för<strong>der</strong>ungswürdiger Regionen<br />

herangezogenen Indikatoren wie<br />

Durchschnittse<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten s<strong>in</strong>d negativ<br />

zu bewerten.<br />

Als erster Bestandteil e<strong>in</strong>er neuen Strukturpolitik<br />

ist daher e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Berechnung<br />

für die Ermittlung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>würdigkeit<br />

gültigen Indikatoren zu for<strong>der</strong>n. Vor allem<br />

for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e Strukturpolitik, die auf<br />

das bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region bestehende<br />

Potential setzt, somit Elemente e<strong>in</strong>er<br />

Dezentralisierung trägt. Die AkteurI<strong>in</strong>nen<br />

<strong>der</strong> Region formulieren ihre Interessen.<br />

Unbed<strong>in</strong>gt müssen hier Gleichstellungsstellen<br />

sowie Frauen-Beschäftigungs- und<br />

Qualifizierungsprojekte beteiligt werden.<br />

220<br />

E<strong>in</strong>e solche Strukturpolitik würde auch<br />

Investitionen <strong>in</strong> das ¹Humankapitalª <strong>der</strong><br />

ArbeitnehmerInnen, nicht nur <strong>in</strong> das Sachkapital<br />

enthalten und vor allem Frauenarbeit<br />

als <strong>in</strong>tegralen Bestandteil enthalten.<br />

Selbstverständlich muû bei Umstrukturierungsmaûnahmen<br />

die Beschäftigungsperspektive<br />

von Frauen und Männern berücksichtigt<br />

werden.<br />

Um e<strong>in</strong>e wirklich relevante Neuverteilung<br />

von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit zu<br />

erreichen, muû es e<strong>in</strong>e Abkehr von dem<br />

Bezug auf die männlich zentrierte Normalarbeitsbiographie<br />

und dem Modell des<br />

männlichen Familienernährers geben. Um<br />

unsere For<strong>der</strong>ung zu erreichen, daû jede<br />

Person selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong> muû, ihren<br />

Lebensunterhalt zu verdienen und gleichzeitig<br />

die zu ihrer Reproduktion zu erledigenden<br />

Aufgaben zu erledigen, s<strong>in</strong>d<br />

Arbeitszeitverkürzungen und Neustrukturierungen<br />

von Arbeit unverzichtbar. Wir<br />

for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e weitreichende Arbeitszeitverkürzung<br />

für alle auf 30 (o<strong>der</strong> weniger Stunden)<br />

die Woche. Für die Unternehmen, die<br />

ihren MitarbeiterInnen aufgrund <strong>der</strong><br />

Arbeitszeitverkürzung Überstunden abverlangen,<br />

anstatt neue MitarbeiterInnen e<strong>in</strong>zustellen,<br />

for<strong>der</strong>n wir die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />

Überstundensteuer. Bei diesen Steuern<br />

geht es nicht darum, e<strong>in</strong> Aufkommen zu<br />

erzielen, son<strong>der</strong>n die Arbeitszeitverkürzung<br />

durchzusetzen. Um e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />

Anreiz zu setzen, ist <strong>der</strong> Tarif so drastisch<br />

auszugestalten, daû das angestrebte Ziel ±<br />

ke<strong>in</strong>e Überstunden ± erreicht wird und das<br />

Aufkommen entsprechend bei Null liegt.<br />

Wichtig ist auch <strong>der</strong> Anstoû zur Neugewichtung<br />

<strong>der</strong> Arbeit, so daû gesellschaftlich<br />

s<strong>in</strong>nvolle Arbeit e<strong>in</strong>en höheren Stellenwert<br />

erhält, als gesellschaftlich unnötige und<br />

entsprechend besser bezahlt wird. Auf<br />

jeden Fall muû <strong>der</strong> Abstand zwischen den<br />

Lohngruppen verr<strong>in</strong>gert und nicht im prozentualen<br />

Lohnerhöhungen erhöht werden.<br />

Der Sozialstaat <strong>der</strong> BRD setzt <strong>in</strong> Fragen<br />

<strong>der</strong> Versorgung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Pflegebedürftigen,<br />

sowie bei <strong>der</strong> Erledigung <strong>der</strong><br />

Hausarbeit immer noch auf die unentgeltliche<br />

Arbeit <strong>der</strong> Frauen. E<strong>in</strong>e Neuverteilung<br />

von Erziehungs-, Pflege- und Hausarbeit


ist daher ebenso wichtig wie die Umverteilung<br />

<strong>der</strong> Erwerbsarbeit. Solange die Aufhebung<br />

<strong>der</strong> geschlechtshierarchischen<br />

Arbeitsteilung Ziel ist, kann die Antwort<br />

nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Auslagerung e<strong>in</strong>es Teils <strong>der</strong><br />

Tätigkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haushalt liegen. Die<br />

Formel <strong>der</strong> ¹Vergesellschaftung <strong>der</strong> Reproduktionsarbeitª<br />

ist als e<strong>in</strong>zige Antwort auf<br />

diese Frage aber zu kurz gegriffen. Es wird<br />

wohl immer e<strong>in</strong> Rest, <strong>in</strong>dividuell durchaus<br />

unterschiedlicher, nicht zur vergesellschaften<strong>der</strong><br />

Reproduktionsarbeit verbleiben. Die<br />

gleichmäûige Verteilung dieses Restes<br />

unter den Geschlechtern muû durch e<strong>in</strong>e<br />

gesellschaftliche Diskussion und den<br />

Kampf um alternative Rollenbil<strong>der</strong> verstärkt<br />

werden. Die Position <strong>der</strong> Frauen<br />

wird sich jedoch <strong>in</strong> dem Maûe verbessern,<br />

<strong>in</strong> dem auch Erwerbsarbeit und E<strong>in</strong>kommen<br />

neu verteilt werden.<br />

Um die oben beschriebenen Maûnahmen<br />

<strong>in</strong> unserer Partei und <strong>der</strong> Gesellschaft vorzustellen<br />

und zu verankern, müssen diese<br />

For<strong>der</strong>ungen immer wie<strong>der</strong> von jungen<br />

Politiker<strong>in</strong>nen vorgetragen, begründet und<br />

durchgesetzt werden. Dafür ist e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />

von jungen Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik wie<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bielefel<strong>der</strong> Initiative e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t,<br />

wesentliche Voraussetzung.<br />

± E<strong>in</strong>e gezielte Nachwuchsför<strong>der</strong>ung junger<br />

Frauen durch Politikmanagementsem<strong>in</strong>are.<br />

± Verän<strong>der</strong>te Arbeitsformen zur Vere<strong>in</strong>barung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Lebenswelten<br />

von Frauen mit Politik.<br />

± Die Verteilung von Verantwortung durch<br />

Vermeidung von ¾mterhäufung.<br />

± Die <strong>in</strong>haltliche Profilierung <strong>der</strong> Partei<br />

und <strong>der</strong> Jusos durch die Umsetzung von<br />

Konzepten, die die gleichberechtigte<br />

Zukunft junger Männer und Frauen vorsehen<br />

und die<br />

± Verstärkung frauenpolitischer Zusammenarbeit<br />

werden deshalb von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

gefor<strong>der</strong>t und auch selbst durchgeführt<br />

bzw. umgesetzt.<br />

(Überwiesen als Material an den Parteivorstand)<br />

Antrag I 121<br />

Bezirk Weser-Ems<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> maritimen<br />

Wirtschaft<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e stärkere För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> gesamten maritimen Verbundwirtschaft.<br />

1. Stärkung <strong>der</strong> deutschen Handelsflotte<br />

2. Erhalt e<strong>in</strong>er wettbewerbsfähigen Werftenstruktur<br />

3. Ausbau <strong>der</strong> Seehäfen zu leistungsfähigen<br />

Dienstleistungszentren<br />

4. Ausbau <strong>der</strong> Küstenschiffahrt und Stärkung<br />

des Transports auf dem B<strong>in</strong>nenschiffahrtsweg<br />

5. För<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er qualifizierten Ausbildung<br />

an Fach- und Fachhochschulen<br />

zur Stärkung des maritimen Standortes<br />

6. Nutzung aller schiffahrtspolitischen<br />

För<strong>der</strong>maûnahmen <strong>der</strong> EU<br />

zu 1)<br />

± Erstellung e<strong>in</strong>es nationalen Handlungskonzeptes<br />

zur Stärkung <strong>der</strong> deutschen<br />

Handelsflotte verbunden mit e<strong>in</strong>er Innovations-<br />

und Qualifizierungsoffensive.<br />

± ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> steuerlichen Belastung<br />

nach nie<strong>der</strong>ländischem Vorbild.<br />

± Entlastung <strong>der</strong> deutschen Schiffahrtsunternehmen<br />

bei den Lohnnebenkosten<br />

und Befreiung von <strong>der</strong> Lohnsteuer.<br />

± Weitere Gewährung von F<strong>in</strong>anzhilfen bis<br />

zur Gleichstellung mit an<strong>der</strong>en Nationen.<br />

Langfristige Programme bei den<br />

F<strong>in</strong>anzhilfen, damit die Ree<strong>der</strong>eien besser<br />

kalkulieren können.<br />

± E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er EU-Flagge.<br />

Jede nationale För<strong>der</strong>ung muû stärker an<br />

die deutsche Flagge gebunden se<strong>in</strong>.<br />

zu 2)<br />

± Umsetzung des OECD-Abkommens und<br />

weitere Abstimmung <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU zum<br />

Abbau des Subventionswettlaufes.<br />

± Auflegen e<strong>in</strong>es umfassenden Forschungsund<br />

Innovationskonzeptes.<br />

221


± Bis zum Inkrafttreten des OECD-<br />

Abkommens muû die 7. EU-Schiffbaurichtl<strong>in</strong>ie<br />

weiter umgesetzt werden. Die<br />

F<strong>in</strong>anzierung muû wie<strong>der</strong> stärker als<br />

gesamtdeutsche Aufgabe verstanden und<br />

m<strong>in</strong>destens mit 50 % vom Bund f<strong>in</strong>anziert<br />

werden.<br />

± E<strong>in</strong> umfassendes Forschungs- und Innovationskonzept<br />

muû für und mit den<br />

Werften erarbeitet und umgesetzt werden.<br />

± Die Bundesregierung muû stärker darauf<br />

dr<strong>in</strong>gen, daû die <strong>in</strong>ternationalen Sicherheitsbestimmungen<br />

von allen Mitgliedsstaaten<br />

umgesetzt werden.<br />

zu 3)<br />

± Aus- und Umbau <strong>der</strong> Häfen <strong>in</strong> enger<br />

Zusammenarbeit zwischen Hafenämtern<br />

und Hafenwirtschaft.<br />

± Stärkung e<strong>in</strong>es Verbundes aller deutschen<br />

Seehäfen.<br />

± Verbesserung <strong>der</strong> Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Häfen<br />

an das Bundesverkehrswegenetz.<br />

± E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Seehäfen <strong>in</strong> die transeuropäischen<br />

Netze.<br />

± Anerkennung <strong>der</strong> Vorbehaltung <strong>der</strong><br />

Unterhaltung und des Ausbaues <strong>der</strong><br />

Infrastruktur als öffentliche Aufgabe<br />

durch die EU.<br />

± Optimierung <strong>der</strong> Anlagen zur Verkürzung<br />

<strong>der</strong> kosten<strong>in</strong>tensiven Liegezeiten.<br />

± Harmonisierung <strong>der</strong> Abgaben und Steuern<br />

<strong>in</strong> allen Mitgliedsstaaten.<br />

± Verkürzung des Verwaltungsaufwandes<br />

und stärkerer E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> EDV-gesteuerte<br />

Logistik.<br />

± Bessere Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenhäfen<br />

durch Ausbau <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenwasserstraûen.<br />

± Verbesserung <strong>der</strong> Sicherheitsbestimmungen.<br />

zu 4)<br />

± Aufbau e<strong>in</strong>er leistungsfähigen Küstenschiffahrt<br />

durch E<strong>in</strong>satz mo<strong>der</strong>nster<br />

Schiffe.<br />

(Investitionsför<strong>der</strong>konzept)<br />

222<br />

± E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Küstenschiffahrt <strong>in</strong> die<br />

transeuropäischen Netze.<br />

Integration <strong>in</strong> die <strong>in</strong>ternationalen Transportketten.<br />

± Conta<strong>in</strong>isierung muû verstärkt auch <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Küsten- und B<strong>in</strong>nenschiffahrt umgesetzt<br />

werden. E<strong>in</strong> reibungsloses Verladen<br />

durch e<strong>in</strong>heitliche Conta<strong>in</strong>er muû<br />

gewährleistet werden.<br />

± Untersuchungen <strong>der</strong> Verkehrsströme<br />

müssen auch e<strong>in</strong>en möglichen L<strong>in</strong>iendienst<br />

für Personen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Küstenschifffahrt<br />

be<strong>in</strong>halten.<br />

± Zügige Umsetzung des Ausbaues <strong>der</strong><br />

B<strong>in</strong>nenwasserstraûen, vorrangig <strong>der</strong> Ausbau<br />

<strong>der</strong> Mittelweser. Anb<strong>in</strong>dung aller<br />

Seehäfen an das B<strong>in</strong>nenwasserstraûennetz.<br />

zu 5)<br />

± Der Bedarf an nautischen und seemännischen<br />

qualifiziertem Personal steigt <strong>in</strong><br />

den nächsten Jahren stark an.<br />

Diesem Bedarf ist durch e<strong>in</strong> entsprechendes<br />

Ausbildungsprofil und ausreichendes<br />

Angebot Rechnung zu tragen.<br />

± Gewährleistung e<strong>in</strong>er ausreichenden<br />

Sicherheit an Bord durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Sprache von Mitglie<strong>der</strong>n des Bordpersonals<br />

(Anordnungen <strong>der</strong> Schiffsoffiziere<br />

<strong>in</strong> Sicherheit müssen verstanden<br />

und umgesetzt werden.)<br />

± E<strong>in</strong>satz von deutschen qualifizierten Seeleuten,<br />

damit das Bordpersonal den technischen<br />

Ausstattungen gewachsen ist.<br />

zu 6)<br />

± Maûnahmen, die von <strong>der</strong> EU-Kommission<br />

zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Seeschiffahrt für<br />

zulässig erachtet werden, sollten national<br />

umgesetzt werden, u.a. die Aufhebung<br />

bzw. Senkung von Sozialversicherungsaufgaben<br />

und Steuern o<strong>der</strong> alternativ die<br />

Erstattung <strong>der</strong> Kosten direkt an die Ree<strong>der</strong>.<br />

E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Tonnagesteuer.<br />

± Unterstützung <strong>der</strong> EU-For<strong>der</strong>ung nach<br />

E<strong>in</strong>satz hochqualitativen Schiffse<strong>in</strong>heiten<br />

mit hohen Sicherheits- und Umweltstandards.


± For<strong>der</strong>ung an die EU-Kommission nach<br />

E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er EU-Flagge und strengere<br />

Kontrollen für Schiffe unter Billigflagge.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 122<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

För<strong>der</strong>ung von kle<strong>in</strong>en und<br />

mittleren Unternehmen<br />

Kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen (sog.<br />

KMU©s) beschäftigen rund 70 % <strong>der</strong><br />

Erwerbstätigen. In Deutschland stehen den<br />

ca. 5800 Groûunternehmen rund 3 Mio.<br />

mittelständische Unternehmen gegenüber,<br />

die ca. 46 % aller steuerpflichtigen<br />

Umsätze erwirtschaften. Alle<strong>in</strong> zwischen<br />

1987 und 1994 entstanden <strong>in</strong> KMU©s <strong>in</strong><br />

Deutschland rund 2,0 Mio. neue Arbeitsplätze,<br />

während <strong>in</strong> Groûunternehmen rund<br />

400000 Arbeitsplätze verloren g<strong>in</strong>gen. Darüberh<strong>in</strong>aus<br />

s<strong>in</strong>d KMU©s Hauptträger <strong>der</strong><br />

beruflichen Ausbildung und arbeitsplatzschaffen<strong>der</strong><br />

Innovationen.<br />

Die För<strong>der</strong>ung von KMU©s muû im Interesse<br />

<strong>der</strong> Sicherung des Standorts Deutschland<br />

im Mittelpunkt aller wirtschaftspolitischen<br />

Bemühungen stehen. Zur<br />

Verbesserung <strong>der</strong> Situation von KMU©s<br />

s<strong>in</strong>d u.a. folgende Voraussetzungen zu<br />

schaffen:<br />

± KMU©s s<strong>in</strong>d von den adm<strong>in</strong>istrationsbed<strong>in</strong>gten<br />

Belastungen durch Steuern, Personal,<br />

Statistik, Umweltschutz überproportional<br />

belastet. Die durchschnittliche<br />

jährliche Belastung liegt je Arbeitsplatz<br />

bei Kle<strong>in</strong>unternehmen bei fast<br />

7000 DM, bei Groûunternehmen bei ca.<br />

305 DM. Die Bürokratiekostenbelastungen<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für KMU©s müssen<br />

bei-Gesetzgebungsvorhaben vermehrt<br />

beachtet werden.<br />

± KMU©s s<strong>in</strong>d im Wettbewerb mit öffentlichen<br />

Anbietern benachteiligt. E<strong>in</strong>e<br />

Beseitigung <strong>der</strong> steuerlichen Ungleichbe-<br />

handlung privater gegenüber staatlichen<br />

Anbietern durch E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuerpflicht<br />

für öffentliche Betriebe ist<br />

angezeigt.<br />

± KMU©s arbeiten im Unterschied zu<br />

Groûunternehmen <strong>in</strong> aller Regel mit<br />

hoher Arbeits<strong>in</strong>tensität. KMU©s werden<br />

damit durch die hohen Lohnzusatzkosten<br />

<strong>in</strong> Deutschland überproportional<br />

belastet. E<strong>in</strong> geeigneter Ansatz zur Entlastung<br />

von KMU©s ist durch die E<strong>in</strong>führung<br />

ökologischer Komponenten <strong>in</strong> die<br />

Steuergesetzgebung zu ermöglichen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 123<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Selbständigen/<br />

Unternehmer <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

Bundesweite E<strong>in</strong>führung<br />

von Lohnkostenzuschüssen<br />

für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />

Unternehmen<br />

Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> möge die bundesweite<br />

E<strong>in</strong>führung des nachfolgenden Lohnkostenzuschuûprogramms<br />

empfehlen:<br />

Betriebe bis zu 100 Mitarbeitern können<br />

pro 10 Mitarbeiter für e<strong>in</strong>e neu e<strong>in</strong>zustellende<br />

Arbeitskraft e<strong>in</strong>en Lohnkostenzuschuû<br />

von 45000 DM verteilt auf drei<br />

Jahre erhalten.<br />

Der neue Arbeitnehmer/die neue Arbeitnehmer<strong>in</strong><br />

muû m<strong>in</strong>destens 6 Monate<br />

arbeitslos gemeldet se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> vergleichbare<br />

Zeiten als Arbeitsuchende/r nachweisen.<br />

Der Betrieb darf <strong>in</strong> den sechs Monaten vor<br />

Antragstellung ke<strong>in</strong>e betriebsbed<strong>in</strong>gten<br />

Kündigungen ausgesprochen haben. E<strong>in</strong>e<br />

betriebsbed<strong>in</strong>gte Kündigung während des<br />

För<strong>der</strong>zeitraums führt zur E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung bzw. zur Rückzahlung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>mittel.<br />

223


Die Anträge werden von den Servicegesellschaften<br />

bearbeitet, die auch die ARP<br />

Lohnkostenzuschuûprogramme (Integriertes<br />

Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramm,<br />

LKZ für Frauen und Frauen <strong>in</strong><br />

gewerblich-technischen Berufen) bearbeiten<br />

und ausreichen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 124<br />

Unterbezirk Kassel-Stadt<br />

(Bezirk Hessen-Nord)<br />

För<strong>der</strong>programm zugunsten<br />

<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />

Die <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktionen, die <strong>SPD</strong>-<br />

Landesregierungen, <strong>der</strong>en Vertreter im<br />

Deutschen Bundesrat und die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Fraktion im Deutschen Bundestag<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, sich umgehend<br />

und nachhaltig für e<strong>in</strong> För<strong>der</strong>programm<br />

zugunsten <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />

e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Dazu gehören <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

1. Risikokapitalgesellschaften<br />

2. Investitionsdarlehen<br />

3. Investitionsson<strong>der</strong>abschreibungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

für strukturschwache Gebiete<br />

4. Ökologische Steuerreform<br />

5. För<strong>der</strong>programm für die <strong>in</strong>nerbetriebliche<br />

Qualifizierung <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong><br />

Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetrieben<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 125<br />

Bezirk <strong>Hannover</strong><br />

Privilegien bestimmter<br />

struktureller Unternehmen/<br />

Unternehmungen<br />

1. Die ehemaligen Bundesbehörden Deutsche<br />

Bundespost und Deutsche Bundesbahn<br />

und ihre Vorgänger wurden zu Ausgleich<br />

<strong>der</strong> sozialpolitischen<br />

224<br />

Versorgungspflicht <strong>der</strong> Bevölkerung auch<br />

im Planungs- und Baurecht gesetzlich privilegiert.<br />

Zwischenzeitlich s<strong>in</strong>d diese Unternehmen<br />

privatisiert und bewegen sich wie auch ihre<br />

unzähligen Tochterunternehmen mehr o<strong>der</strong><br />

weniger eigenständig als Aktiengesellschaften<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Marktwirtschaft. Die sozialpolitische<br />

Versorgungspflicht besteht nicht<br />

mehr. Damit ist die Grundlage <strong>der</strong> Privilegierungen<br />

entfallen.<br />

2. Daneben bestehen e<strong>in</strong>e ganze Reihe von<br />

privilegierten Vorhaben, bei denen die Bürgermitwirkung<br />

e<strong>in</strong>geschränkt o<strong>der</strong> ganz<br />

ausgeschlossen wurde. Sie beziehen sich<br />

u. a. auf Bundesfernstraûen, Schienenstrekken,<br />

Transrapid, überörtliche Energieleitungen,<br />

Renn- und Teststrecken, Nuklearlager,<br />

Abfall- und Abwasseranlagen und<br />

Freizeitgroûanlagen.<br />

Die aufgelisteten Privilegien werden kritisch<br />

überprüft, die entsprechenden gesetzlichen<br />

Grundlagen ggf geän<strong>der</strong>t!<br />

(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 126<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Gemischte Wohnstrukturen<br />

Die Erhaltung und Schaffung sozial<br />

gemischter Wohnstrukturen soll auch<br />

zukünftig angestrebt bzw. verstärkt werden.<br />

Durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte För<strong>der</strong>politik sollen<br />

auch zukünftig sozial gemischte Wohnstrukturen<br />

geschaffen werden. Angestrebt<br />

werden sollte beispielsweise e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation<br />

<strong>der</strong> Mittel für den sozialen Wohnungsbau<br />

mit Mitteln <strong>der</strong> Stadtentwicklung/Städtebauför<strong>der</strong>ung.<br />

Öffentliche<br />

Mittel sollten vorrangig <strong>in</strong> Wohnprojekte<br />

flieûen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e gemischte Belegung,<br />

d. h. e<strong>in</strong>e öffentlich-rechtliche För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Wohneigentum und


freif<strong>in</strong>anziertem Mietwohnungsbau erfolgt.<br />

Dies gilt auch für Wohnprojekte, die so im<br />

Wohnquartier plaziert werden, daû sich<br />

diese Mischung im Quartier ergibt.<br />

¾hnliche Maûnahmen s<strong>in</strong>d auch im<br />

Bestand notwendig, um hier die weitere<br />

soziale Mischung zu gewährleisten.<br />

Beim Überschreiten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenzen<br />

soll e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit angepaûte<br />

höhere Miete gezahlt werde. Die<br />

höhere Miete setzt sich zusammen aus <strong>der</strong><br />

Sozialmiete und e<strong>in</strong>em Mietenausgleich.<br />

Aus dr<strong>in</strong>genden wohnungspolitischen<br />

Gründen (Gefahr <strong>der</strong> sozialen Entmischung)<br />

kann auf den Mietenausgleich<br />

ganz o<strong>der</strong> teilweise verzichtet werden,<br />

wenn dies Bestandteil e<strong>in</strong>er Gesamtkonzeption<br />

zur Stabilisierung des Wohnungsviertels<br />

ist. Unabhängig davon darf die<br />

<strong>in</strong>sgesamt zuzahlende Miete den Mittelwert<br />

<strong>der</strong> Mietspiegelmiete nicht überschreiten.<br />

E<strong>in</strong> Mietenausgleich kann erhoben werden<br />

bei e<strong>in</strong>er Überschreitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenzen,<br />

er wird verpflichtet erhoben ab<br />

e<strong>in</strong>er Überschreitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenzen<br />

um 25 % und orientiert sich prozentual<br />

am Differenzbetrag zwischen<br />

Sozialmiete und ortsüblicher Vergleichsmiete.<br />

E<strong>in</strong>e entsprechende Vere<strong>in</strong>heitlichung<br />

ist notwendig , um die nicht zu vermittelnden<br />

Unterschiede zwischen<br />

e<strong>in</strong>zelnen Bundeslän<strong>der</strong>n aufzuheben. Den<br />

Län<strong>der</strong>n verbleibt aber weiterh<strong>in</strong> die differenzierte<br />

Ausgestaltung.<br />

Das Aufkommen aus dem Mietenausgleich<br />

müssen die Län<strong>der</strong> weiterh<strong>in</strong> dem sozialen<br />

Wohnungsbau zukommen lassen. Die aus<br />

den Baujahrgängen resultierenden zufälligen<br />

Unterschiede bei <strong>der</strong> Kostenmiete und<br />

die daraus resultierenden, vielfach als ungerecht<br />

angesehenen Belastungen für Mieterhaushalte<br />

mit gleichem E<strong>in</strong>kommen werden<br />

durch die genannte Ausgestaltung des<br />

Mietenausgleiches beseitigt.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 127<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Barrierefreies Bauen soll<br />

Verpflichtung<br />

werden<br />

Die Vorschrift über barrierefreies Bauen<br />

sollen <strong>in</strong> die Musterbauordnung aufgenommen<br />

werden. Damit ist <strong>der</strong> Weg frei, <strong>in</strong><br />

Zukunft beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenfreundliches (seniorenfreundliches)<br />

Bauen bei Mehrfamilienhäusern<br />

obligatorisch zu machen. In Gebäuden<br />

mit mehr als zwei Wohnungen muû m<strong>in</strong>destens<br />

e<strong>in</strong> Geschoû barrierefrei errichtet<br />

werden. Damit soll ermöglicht werden, daû<br />

Wohn- und Schlafräume, Toilette, Bad und<br />

Küche mit dem Rollstuhl zugänglich s<strong>in</strong>d.<br />

In die Musterbauordnung muû ebenfalls<br />

mit aufgenommen werden, daû öffentliche<br />

Gebäude (wie Behörden, K<strong>in</strong>os, Theater<br />

etc.) nur nach <strong>der</strong> neuen Planungsnorm<br />

18024, Teil I gebaut werden dürfen. Dies<br />

würde bedeuten, daû Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen<br />

aller Art sowie ältere Menschen<br />

am normalen Leben teilnehmen können<br />

und nicht ausgeglie<strong>der</strong>t werden.<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechtes Bauen ist Bauen für<br />

die Zukunft. Die Nachfrage wird sich <strong>in</strong><br />

den nächsten Jahren stark erhöhen.<br />

(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 128<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Die För<strong>der</strong>ung des genossenschaftlichen<br />

Wohnungsbau soll<br />

verstärkt werden<br />

Die Stärkung des Selbsthilfegedankens, die<br />

Mobilisierung zusätzlichen privaten Kapitals,<br />

die Senkung <strong>der</strong> Baukosten durch die<br />

Eigenleistung <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />

s<strong>in</strong>d wesentliche Gründe für e<strong>in</strong>e<br />

stärkere Berücksichtigung des genossenschaftlichen<br />

Wohnungsbaus und e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />

dieser Eigentumsform<br />

225


zugunsten von Haushalten mit ger<strong>in</strong>gem<br />

E<strong>in</strong>kommen.<br />

Deshalb soll auch <strong>der</strong> Erwerb von<br />

Geschäftsanteilen von bestehenden Genossenschaften<br />

steuerlich geför<strong>der</strong>t werden,<br />

und zwar für den Neubau genossenschaftlicher<br />

Wohnungen wie für die Erneuerung<br />

genossenschaftlicher Wohnungsbestände.<br />

E<strong>in</strong>e Eigentumsorientierung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> Anlehnung an das Eigenheimzulagengesetz<br />

bleibt ausgeschlossen, weil dies den<br />

Ausverkauf <strong>der</strong> von Zustand und Lage her<br />

<strong>in</strong>teressanten Genossenschaftswohnungen<br />

nach sich ziehen würde.<br />

Die Abgeltung des f<strong>in</strong>anziellen Engagements<br />

<strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> seitens<br />

<strong>der</strong> Genossenschaften erfolgt statt dessen<br />

über an<strong>der</strong>e Regelungen, beispielsweise<br />

durch e<strong>in</strong>e differenzierte Verz<strong>in</strong>sung <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>lage und <strong>der</strong> Sicherung preiswerten<br />

Wohnraumes.<br />

E<strong>in</strong> langfristiger Verbleib <strong>der</strong> Geschäftsanteile<br />

<strong>in</strong> den Wohnungsgenossenschaften ist<br />

notwendig, um diesen e<strong>in</strong>e verläûliche Planung<br />

zu ermöglichen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 129<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Die ökologischen Steuerungsmöglichkeiten<br />

im sozialen<br />

Wohnungsbau müssen verstärkt<br />

werden<br />

Die För<strong>der</strong><strong>in</strong>strumente des sozialen Wohnungsbaus<br />

müssen zukünftig stärker mit<br />

ökologischen Zielen verknüpft werden.<br />

Dazu zählt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Präferenz <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung des kosten- und flächensparenden<br />

Wohnungsbaus im Eigentum und im<br />

Mietwohnungsbau von selbstgenutzten<br />

alle<strong>in</strong>stehenden E<strong>in</strong>- und Zwei-Familienhäusern.<br />

Die För<strong>der</strong>ung kosten- und flächensparen<strong>der</strong><br />

Projekte (variable Mehrfamilienhäuser,<br />

Stadthäuser, Modelle zum<br />

226<br />

urbanen, verdichteten und dennoch <strong>in</strong>dividuellen<br />

Wohnen) müssen gegenüber <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>ung alle<strong>in</strong>stehen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>- und Zweifamilienhäuser<br />

günstiger gestaltet werden.<br />

Auf diese Weise werden stärkere Anreize<br />

für ökologisch ausgerichtete Bauvorhaben<br />

geschaffen.<br />

Entsprechende Vorrangregelungen sollten<br />

auch <strong>in</strong> das Eigenheimzulagegesetz und <strong>in</strong><br />

die För<strong>der</strong>ung des freif<strong>in</strong>anzierten Mietwohnungsbaus<br />

E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>den. Auf diese<br />

Weise kann <strong>der</strong> Versiegelung weitere Flächen<br />

und <strong>der</strong> fortschreitenden Suburbanisierung<br />

entgegengewirkt werden. Zusätzlich<br />

muû die För<strong>der</strong>politik städtebauliche<br />

und verkehrliche Belange berücksichtigen.<br />

Allen För<strong>der</strong>maûnahmen soll <strong>der</strong> Standard<br />

des Niedrigenergiehauses zugrunde gelegt<br />

werden. Unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> konsequenten<br />

Verwendung umweltverträglicher<br />

Baumaterialien kann damit mittelfristig<br />

e<strong>in</strong>e ökologische Wende im Wohnungsbau<br />

vollzogen werden.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 132<br />

Landesverband Thür<strong>in</strong>gen<br />

Kreisverband Gotha<br />

(Landesverband Thür<strong>in</strong>gen)<br />

Abwasserbeseitigung<br />

Der schrittweise Aufbau e<strong>in</strong>er leistungsfähigen<br />

Abwasserbeseitigung unter den gegenwärtigen<br />

Umständen erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>deutig<br />

e<strong>in</strong>e flexiblere Zeitvorgabe. Die Bundestags-<br />

und Europaabgeordneten sollen sich<br />

dafür e<strong>in</strong>setzen, daû e<strong>in</strong>e Ausnahmeregelung<br />

geschaffen wird, die es den Kommunen<br />

<strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n ermöglicht, ihre<br />

Investitionen im Abwasserbereich über die<br />

bisher nach den EG-Richtl<strong>in</strong>ien vorgesehenen<br />

Fristen h<strong>in</strong>aus zu strecken.<br />

Die Bundestagsfraktion soll überprüfen, ob<br />

e<strong>in</strong>e Lockerung <strong>der</strong> Bauvorschriften für<br />

Abwasseranlagen möglich ist. Wir verlangen<br />

im Abwasserbereich, die technischen<br />

Vorschriften so zu optimieren, daû sie<br />

bezahlbar bleiben. Es darf ke<strong>in</strong> technischer<br />

Luxus entstehen.


Die Bundestagsfraktion soll sich dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />

daû die neuen Bundeslän<strong>der</strong> über<br />

erhöhte Bundeszuweisungen <strong>in</strong> die Lage<br />

versetzt werden, höhere För<strong>der</strong>mittel für<br />

Abwasseranlagen auszureichen.<br />

(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion<br />

und deutsche Gruppe <strong>der</strong> Sozialdemokraten<br />

im Europäischen Parlament)<br />

Antrag I 133<br />

Landesverband Saar<br />

Postfilialkonzept<br />

Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

und die <strong>SPD</strong>-Landesregierungen<br />

auf, beim Bundesm<strong>in</strong>ister für Post und<br />

Telekommunikation darauf h<strong>in</strong>zuwirken,<br />

daû das <strong>der</strong>zeitige ¹Postfilialkonzeptª <strong>der</strong>-<br />

Deutschen Post AG entsprechend den<br />

Erfor<strong>der</strong>nissen von Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern,<br />

also <strong>der</strong> Kunden <strong>der</strong> Post AG, umgestaltet<br />

wird.<br />

Z. Zt. ist dieses Konzept nicht auf Infrastruktursicherung<br />

son<strong>der</strong>n auf Infrastrukturabbau<br />

ausgelegt. Massenhafte Schlieûungen<br />

posteigener Filialen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />

gefährlicher ± e<strong>in</strong> falscher Weg. Die ¹posteigene<br />

Filialeª muû auch <strong>in</strong> Zukunft das<br />

Rückgrat des Filialvertriebs bleiben. Im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>es Konzeptes sog. ¹Mittelpunktfilialenª<br />

ist für die privaten und die<br />

geschäftlichen Kunden e<strong>in</strong>e gute Erreichbarkeit<br />

posteigener Filialen sicherzustellen.<br />

Für durchschnittlich 10000 E<strong>in</strong>wohner<br />

muû m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e posteigene Filiale zur<br />

Verfügung stehen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktionen)<br />

227


Umwelt, Energie- und Verkehrspolitik<br />

Antrag I 136<br />

Bezirk Hessen-Süd<br />

Politik für e<strong>in</strong> zukunftsfähiges<br />

Deutschland<br />

I.<br />

Die Bundesrepublik ist mit zwei groûen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen konfrontiert: Die fortschreitende<br />

Zerstörung <strong>der</strong> natürlichen<br />

Lebensgrundlagen und die anhaltend hohe<br />

Massenarbeitslosigkeit mit ihren bedrohlichen<br />

Folgen für den sozialen Zusammenhalt<br />

und Stabilität unserer Demokratie.<br />

E<strong>in</strong> Kurswechsel ist notwendig, denn mit<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Politik ist we<strong>der</strong> die<br />

Umweltzerstörung noch die Beschäftigungskrise<br />

zu beseitigen. Deshalb ist es<br />

falsch, Wirtschaftswachstum gegen Sozialstaat<br />

o<strong>der</strong> Umweltschutz auszuspielen.<br />

Schlimmer noch: Damit werden die groûen<br />

Chancen vertan, die sich aus e<strong>in</strong>er Politik<br />

<strong>der</strong> ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung ergeben,<br />

zu mehr Innovationen und Beschäftigung<br />

zu kommen.<br />

Die <strong>SPD</strong> will das Zukunftsbündnis für<br />

Arbeit und Umwelt. Es br<strong>in</strong>gt unserem<br />

Land e<strong>in</strong>e vierfache Dividende:<br />

1. E<strong>in</strong>e soziale Dividende, weil dieses<br />

Bündnis e<strong>in</strong>en wirksamen Beitrag zum<br />

Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und zur Stabilisierung<br />

<strong>der</strong> sozialen Sicherheit leistet.<br />

2. E<strong>in</strong>e ökonomische Dividende, weil es<br />

den Strukturwandel för<strong>der</strong>t, die Innovationskräfte<br />

stärkt und die ökologischen<br />

Zukunftsmärkte erschlieût.<br />

3. E<strong>in</strong>e ökologische Dividende, weil die<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung zu e<strong>in</strong>er deutlichen Verr<strong>in</strong>gerung<br />

<strong>der</strong> Umweltbelastungen führt.<br />

4. E<strong>in</strong>e politische Dividende, weil es die<br />

Grundlage für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale<br />

Kooperation und e<strong>in</strong>e nationale Vorrei-<br />

228<br />

terrolle schafft, die das Ansehen <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik für e<strong>in</strong>e friedliche Weltordnung<br />

verbessert.<br />

II.<br />

Die Menschheit ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong> globales Zeitalter<br />

e<strong>in</strong>getreten. Im Unterschied zu früher wird<br />

die Globalisierung heute von <strong>der</strong> Auflösung<br />

<strong>der</strong> bisherigen Ordnung von Zeit und<br />

Raum geprägt und vorangetrieben. Die<br />

Globalisierung ist nicht mehr die Erweiterung<br />

des Lokalen, son<strong>der</strong>n heute bestimmen<br />

die globalen Bed<strong>in</strong>gungen zunehmend<br />

die Entwicklung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Nationen<br />

und Gesellschaften.<br />

Ohne politische Rahmensetzung kommen<br />

die globalen Ungleichheiten und Probleme<br />

<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Län<strong>der</strong> zurück. Denn vor<br />

uns baut sich e<strong>in</strong>e verschmutzte, ökologisch<br />

<strong>in</strong>stabile, überbevölkerte und <strong>in</strong> ihrem<br />

Reichtum höchst ungleich verteilte Welt<br />

auf. So beschreiben die Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />

den Zustand <strong>der</strong> Erde. Zugleich verschärft<br />

sich die ungleiche ökonomische Konkurrenz.<br />

Die Weltwirtschaft wird bestimmt<br />

vom Diktat <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen F<strong>in</strong>anzmärkte<br />

<strong>in</strong> dem aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmten<br />

Devisen- und Börsensystem.<br />

Auf den globalen Märkten ohne Koord<strong>in</strong>ation,<br />

Grenzen und wirksame Regeln nehmen<br />

nicht nur die Umweltprobleme zu,<br />

son<strong>der</strong>n kommen mit <strong>der</strong> Verfestigung <strong>der</strong><br />

Massenarbeitslosigkeit und <strong>der</strong> Zunahme<br />

<strong>der</strong> Arbeit auch die sozialen Fragen zurück,<br />

die <strong>in</strong> den vergangenen Jahrzehnten <strong>in</strong> den<br />

westlichen Län<strong>der</strong>n entschärft schienen.<br />

Die Globalisierung eröffnet aber auch neue<br />

Möglichkeiten und Chancen, wenn wir sie<br />

als Auffor<strong>der</strong>ung zur Gestaltung e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>ternationalen Zusammenarbeit nehmen,<br />

über die wir weltweit die Durchsetzung<br />

von mehr Demokratie, sozialen Rechten<br />

und ökologischer Vorsorge möglich<br />

machen. Die Vernetzung von Informatio-


nen und Diskursen eröffnet diese Perspektive<br />

politisch wie zivilgesellschaftlich. Das<br />

setzt voraus, daû sich die Gesellschaften<br />

auf geme<strong>in</strong>same Ziele verständigen und die<br />

Politik, die Gestaltungskraft für die Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft gew<strong>in</strong>nt, um sie <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> neues und dauerhaftes Gleichgewicht<br />

zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Die globalen Herausfor<strong>der</strong>ungen erfor<strong>der</strong>n<br />

neue soziale und ökologische Antworten.<br />

Willy Brandt, Gro Harlem Brundtland und<br />

Olof Palme haben dafür entscheidende<br />

programmatische Grundlagen geschaffen:<br />

Palme ist für das Konzept <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />

Sicherheit verantwortlich gewesen,<br />

Brandt hat mit se<strong>in</strong>em Bericht ¹Das Überleben<br />

sichernª e<strong>in</strong>e Basis für die Nord-<br />

Süd-Zusammenarbeit geschaffen und Gro<br />

Harlem Brundtland hat mit dem Kommissionsergebnis<br />

¹Unsere geme<strong>in</strong>same<br />

Zukunftª die wichtigsten Empfehlungen<br />

für die Zusammenführung von Umwelt<br />

und Entwicklung gegeben. Diese Vorschläge<br />

waren entscheidende Grundlagen<br />

für den Erdgipfel von 1992.<br />

Rio war e<strong>in</strong> Zeichen <strong>der</strong> Hoffnung auf e<strong>in</strong>e<br />

friedliche, gerechte und stabile Welt. Die<br />

<strong>SPD</strong> fühlt sich <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise verpflichtet,<br />

die Vorgaben des Erdgipfels mit<br />

Leben zu erfüllen. Wir wollen mit e<strong>in</strong>er<br />

groûen Geme<strong>in</strong>schaftsanstrengung unser<br />

Land zukunftsfähig machen. Durch politische<br />

Rahmensetzung müssen wirtschaftliche<br />

Entscheidungen dauerhaft mit sozialer<br />

Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit<br />

verbunden werden. Das ist e<strong>in</strong>e<br />

Perspektive, die Fortschritt möglich macht,<br />

den Zusammenhalt <strong>der</strong> Gesellschaft sichert<br />

und den heutigen wie künftigen Menschen<br />

Sicherheit gibt.<br />

Die Leitidee von Rio heiût Nachhaltigkeit.<br />

In ihr werden wissenschaftliche, soziale<br />

und ökologische Ziele gleichberechtigt<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden und gebündelt.<br />

Unter Nachhaltigkeit ist e<strong>in</strong>e Entwicklung<br />

zu verstehen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> ¹die Bedürfnisse <strong>der</strong><br />

heutigen Generation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise erfüllt<br />

werden, daû sie die Möglichkeiten zukünftiger<br />

Generationen nicht gefährden.ª<br />

Der wichtigste Ansatz für diese Vision ist<br />

die E<strong>in</strong>führung des Faktors Zeit, wie <strong>der</strong><br />

Sachverständigenrat für Umweltfragen die<br />

Aufgabe <strong>der</strong> Nachhaltigkeit def<strong>in</strong>iert hat.<br />

Im Zentrum steht die Chancengleichheit<br />

zwischen den heute lebenden Menschen<br />

und den künftigen Generationen, also zwischen<br />

uns und den Nachgeborenen. Nachhaltigkeit<br />

ist die unmittelbare E<strong>in</strong>beziehung<br />

von Zukunftsverantwortung <strong>in</strong> die<br />

heutigen Entscheidungen von Wirtschaft<br />

und Gesellschaft.<br />

Die Ausrichtung <strong>der</strong> Politik an den Vorgaben<br />

von Rio ist die Alternative zur bes<strong>in</strong>nungslosen<br />

Anpassung <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

an die Zwänge <strong>der</strong> globalen Märkte,<br />

<strong>der</strong>en Folgen Ausgrenzung und Spaltung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft, die Verfestigung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

und die Verschärfung<br />

<strong>der</strong> Umweltzerstörung s<strong>in</strong>d. Wir setzen<br />

gegen diese Politik <strong>der</strong> Unterordnung, die<br />

letztlich die Demokratie gefährdet, das<br />

Konzept <strong>der</strong> Nachhaltigkeit durch die<br />

soziale und ökologische Gestaltung <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsprozesse.<br />

Wir wollen das Bündnis von Arbeit und<br />

Umwelt, um die ökologischen Zukunftsmärkte<br />

zu erschlieûen, die von groûer<br />

Bedeutung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit,<br />

die Schaffung neuer<br />

Arbeitsplätze und den Schutz <strong>der</strong> natürlichen<br />

Lebensgrundlagen s<strong>in</strong>d. Dazu wollen<br />

wir unser Land zu e<strong>in</strong>em Vorreiter <strong>der</strong><br />

ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung machen. Sie<br />

ist die Chance, unser Land zukunftsfähig<br />

zu machen und zugleich e<strong>in</strong>en Beitrag für<br />

e<strong>in</strong>e gerechte, friedliche und stabile Weltordnung<br />

zu leisten. Diese Politik wird um<br />

so erfolgreicher se<strong>in</strong>, wenn es uns gel<strong>in</strong>gt,<br />

auch die Europäische Union zu e<strong>in</strong>er<br />

Nachhaltigkeitsunion zu machen.<br />

III.<br />

Die Menschheit ist dabei, unseren geme<strong>in</strong>samen<br />

Lebensraum, den Planeten Erde mit<br />

se<strong>in</strong>en endlichen Ressourcen und straffälligen<br />

Ökosystemen grundlegend zu verän<strong>der</strong>n.<br />

Wie die reale Gefahr e<strong>in</strong>er globalen<br />

Klimakatastrophe zeigt, wird sogar e<strong>in</strong>e<br />

ökologische Selbstzerstörung denkbar. Nur<br />

geeignete Gegenmaûnahmen, wie sie <strong>der</strong><br />

229


Erdgipfel von Rio aufgezeigt hat, können<br />

die Zukunft <strong>der</strong> menschlichen Zivilisation<br />

sichern. Wir stellen uns dieser Verantwortung.<br />

Die Wechselwirkungen zwischen Mensch<br />

und Umwelt s<strong>in</strong>d so alt wie unsere Zivilisation<br />

selbst. Seit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Revolution<br />

hat die Menschheit die Fähigkeit zu<br />

Wachstum und Beschleunigung, zu Verän<strong>der</strong>ung<br />

und Vermehrung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiger<br />

Weise gesteigert. Diese beispiellose<br />

Zunahme an Geschw<strong>in</strong>digkeit, Komplexität<br />

und Ausmaû haben e<strong>in</strong>e äuûerst problematische<br />

Dimension gegeben. Ökologische<br />

Grenzen werden sichtbar. Die Zerstörung<br />

<strong>der</strong> Natur und die Schädigungen <strong>der</strong><br />

Gesundheit machen uns täglich ärmer. In<br />

den letzten Jahrzehnten ist die Erkenntnis<br />

gewachsen, daû diese Entwicklung auf<br />

Dauer nicht mit den begrenzten Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>der</strong> Erde zu vere<strong>in</strong>baren ist. Deshalb<br />

müssen wir zu e<strong>in</strong>er maûvollen Nutzung<br />

<strong>der</strong> Ressourcen kommen, die die Grundlagen<br />

des menschlichen Lebens nicht zerstört.<br />

Seit Anfang des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts hat sich<br />

die Weltbevölkerung verachtfacht und die<br />

durchschnittliche Lebensdauer mehr als<br />

verdoppelt. Der Güterverkehr und die<br />

Arbeitsteilung haben e<strong>in</strong>en globalen Charakter<br />

angenommen. Alle<strong>in</strong> das <strong>in</strong>ternationale<br />

Handelsvolumen hat sich um den Faktor<br />

900 erhöht und macht heute über e<strong>in</strong><br />

Drittel des globalen Bruttosozialprodukts<br />

aus. Die weltweite Vernetzung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Informationstechnologien und Transportmittel,<br />

<strong>der</strong>en Kosten nicht die ökologische<br />

und soziale Wahrheit sagen, bewirken<br />

die Auflösung <strong>der</strong> bisherigen Ordnung von<br />

Zeit und Raum. Dadurch werden Produktivität<br />

und Globalisierung weiter gesteigert.<br />

E<strong>in</strong> weiterer bedeutsamer Faktor ist die<br />

weltweite Zirkulation und Umwandlung<br />

von chemischen Elementen wie Kohlenstoff,<br />

Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und<br />

Schwefel ± allesamt Grundstoffe des<br />

Lebens. In Form von Kohlendioxid,<br />

Methan o<strong>der</strong> Stockoxiden werden die <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Atmosphäre angereichert und verän<strong>der</strong>n<br />

dort das globale Klima.<br />

230<br />

Wie gravierend die E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> die Natur<br />

s<strong>in</strong>d, zeigt sich auch an <strong>der</strong> Verarmung <strong>der</strong><br />

Landschaften. In den letzten 200 Jahren<br />

s<strong>in</strong>d über sechs Millionen Quadratkilometer<br />

Wald verlorengegangen. Das ist rund<br />

die Hälfte <strong>der</strong> Fläche Europas. In groûen<br />

Flüssen hat sich die Sedimentfracht verdreifacht.<br />

Durch die Intensivierung <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft wird heute achtmal soviel<br />

wertvolle Bodenkrume weggespült wie vor<br />

300 Jahren.<br />

IV.<br />

Mit dem Wissen um die Umweltgefahren<br />

s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Wissenschaft, Wirtschaft und<br />

Gesellschaft, vor allem aber <strong>der</strong> Politik,<br />

e<strong>in</strong>e groûe Verantwortung zugewachsen,<br />

<strong>der</strong> sie bislang nicht gerecht werden. Das<br />

gilt auch für unser Land, wo die Bundesregierung<br />

für den lähmenden Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zwischen Ankündigungen und Taten verantwortlich<br />

ist.<br />

Die klimaschädlichen CO 2-Emissionen steigen<br />

seit Ende 1995 auch gesamtdeutsch<br />

wie<strong>der</strong> deutlich an; <strong>in</strong> den Gewässern<br />

nimmt <strong>der</strong> Anteil hormonell wirken<strong>der</strong><br />

Stoffe zu; <strong>der</strong> Flächenverbrauch ist ungebrochen;<br />

<strong>der</strong> Verlust an biologischer Vielfalt<br />

schreitet weiter voran. Damit wird<br />

nicht nur das Notwendige versäumt, es<br />

werden auch groûe Zukunftschancen vertan.<br />

Unser Land hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umweltpolitik deutlich<br />

an Boden verloren. Beim Export von<br />

Umwelttechnologien ist die Bundesrepublik<br />

nach <strong>der</strong> OECD-Statistik vom 1. auf<br />

den 3. Platz zurückgefallen. Bei den<br />

Umweltabgaben rangiert die Bundesrepublik<br />

im EU-Vergleich am unteren Ende.<br />

Bei <strong>der</strong> Besteuerung e<strong>in</strong>zelner Energieträger<br />

liegt sie im unteren Mittelfeld.<br />

Dänemark, Schweden und die Nie<strong>der</strong>lande<br />

haben e<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform<br />

durchgeführt, F<strong>in</strong>nland ist auf dem Weg<br />

dazu. In acht EU-Län<strong>der</strong>n existiert bereits<br />

e<strong>in</strong>e komb<strong>in</strong>ierte Energie/CO 2-Steuer. Das<br />

zeigt: Die Bundesrepublik ist durch die<br />

politische Untätigkeit <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

dabei, auf e<strong>in</strong>em entscheidenen Zukunftsfeld<br />

deutlich zurückzufallen.


Die Chancen, die Ökologie zum Motor für<br />

die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu<br />

machen, werden von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

nicht genutzt. Die Umweltpolitik ist von<br />

Stagnation und Rückschritt gekennzeichnet.<br />

Das Versagen beim Klimaschutz o<strong>der</strong><br />

das Abblocken e<strong>in</strong>er ökologischen Steuerreform<br />

zeigen, daû die Bundesregierung<br />

althergebrachten, untauglichen Denkweisen<br />

verhaftet ist. Die Ökologie wird gegen<br />

Wachstum und Beschäftigung gestellt.<br />

Doch je länger mit <strong>der</strong> ökologischen<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung gewartet wird, desto<br />

schneller und härter werden wir von den<br />

Folgen <strong>der</strong> Umweltzerstörung getroffen<br />

werden.<br />

V.<br />

Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung ist nicht<br />

die nachträgliche Beseitigung e<strong>in</strong>getretener<br />

Schäden. Die Grenzen dieser Umweltpolitik<br />

s<strong>in</strong>d weitgehend erreicht. Das zeigen<br />

die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> ökologischen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />

Während es früher um örtlich und regional<br />

begrenzte Umweltverschmutzung g<strong>in</strong>g,<br />

werden heute ± wie beim Abbau <strong>der</strong><br />

lebensschützenden Ozonschicht ± ganze<br />

Kont<strong>in</strong>ente und sogar die Erde <strong>in</strong>sgesamt<br />

<strong>in</strong> Mitleidenschaft gezogen. Während es<br />

früher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>en engen und<br />

unmittelbaren Zusammenhang zwischen<br />

Ursache und Wirkung <strong>der</strong> Umweltschäden<br />

gab, werden heute ± zum Beispiel durch<br />

die rund 40jährige Anpassungsfrist von Klimaän<strong>der</strong>ungen<br />

± die Folgen oftmals erst<br />

viel später sichtbar.<br />

Waren früher die Verän<strong>der</strong>ungen meistens<br />

kurzfristig und reversibel, so betreffen sie<br />

heute ± so die Entsorgung von Chemieabfällen<br />

o<strong>der</strong> von Atombrennstäben ± unzählige<br />

Generationen. Handelte es sich früher<br />

um überschaubare Konflikte zwischen<br />

Umwelt und Nutzern, haben wir es heute<br />

immer häufiger mit vielfach nicht vorhersehbaren<br />

Rückkoppelungen zu tun, wie <strong>der</strong><br />

Zusammenhang zwischen Energieversorgung,<br />

Landwirtschaft und Aufheizung des<br />

Treibhauseffekts zeigt.<br />

So rasch unser Wissen <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />

auch vorangeschritten ist, genügt<br />

es doch nicht, verläûliche Aussagen zu<br />

machen, wie viele E<strong>in</strong>griffe die natürlichen<br />

Systeme vertragen und wo die Belastungsgrenzen<br />

für e<strong>in</strong>e auf Dauer angelegte Entwicklung<br />

<strong>der</strong> menschlichen Zivilisation liegen.<br />

Die Quantenphysik hat bereits <strong>in</strong> den<br />

20er Jahren entdeckt, daû manche Reaktionen<br />

überhaupt nicht vorhersehbar s<strong>in</strong>d.<br />

Diese pr<strong>in</strong>zipielle Unsicherheit muû zudem<br />

vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> globalen Dynamik<br />

± <strong>der</strong> groûen Ungleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Welt, dem Bevölkerungswachstum und<br />

dem Nachholbedarf <strong>der</strong> groûen Mehrheit<br />

aller Län<strong>der</strong> ± gesehen werden. Zwar ist<br />

ermutigend, daû die Zuwachsrate <strong>der</strong><br />

Weltbevölkerung fast überall abnimmt.<br />

Aber selbst wenn dieser Trend anhält, wird<br />

sich die Zahl <strong>der</strong> Menschen im nächsten<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t aller Voraussicht nach noch<br />

e<strong>in</strong>mal verdoppeln. Dieser Zuwachs wird<br />

weit überwiegend auf die heute ärmeren<br />

und armen Län<strong>der</strong> entfallen.<br />

Nach den Berechnungen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten<br />

Nationen muû sich <strong>in</strong> den nächsten 50 Jahren<br />

das Volumen <strong>der</strong> Weltwirtschaft m<strong>in</strong>destens<br />

verfünf-, wahrsche<strong>in</strong>lich sogar verzehnfachen,<br />

wenn die Grundbedürfnisse<br />

und bescheidensten Ansprüche <strong>der</strong> künftigen<br />

Weltbevölkerung erfüllt werden sollen.<br />

Ohne radikale ökologische Reformen<br />

wären die Folgen e<strong>in</strong>es solchen Wachstums<br />

für die schon heute stark belastete Umwelt<br />

verheerend.<br />

Diese Fakten lassen nur den Schluû zu:<br />

Die Wissenschaft kann die ökologischen<br />

Fragen, die eng mit wirtschaftlichen und<br />

sozialen Interessen verbunden s<strong>in</strong>d, nur<br />

beleuchten und untersuchen, nicht aber<br />

beantworten. Das kann auch <strong>der</strong> globale<br />

Markt nicht, dessen Dynamik gegenüber<br />

sozialen und ökologischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

bl<strong>in</strong>d ist. Deshalb ist es zuerst die Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Politik, dafür die Verantwortung zu<br />

übernehmen.<br />

Jetzt steht <strong>der</strong> ökologische Strukturwandel<br />

h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er ressourceneffizienten und<br />

energieschonenden Wirtschaft auf <strong>der</strong><br />

231


Tagesordnung. Er hat drei wichtige Ziele.<br />

Der vorsorgende Schutz <strong>der</strong> natürliche<br />

Lebensgrundlagen, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz energieund<br />

ressourcenschonen<strong>der</strong> Technologien<br />

und die weitgehende Ausrichtung <strong>der</strong><br />

Wirtschaftsprozesse an Kreislaufprozessen.<br />

VI.<br />

Die <strong>SPD</strong> begrüût das hohe Umweltbewuûtse<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> unserer Gesellschaft. Es hat<br />

dazu beigetragen, Wertvorstellungen und<br />

Verhaltensweisen zu verän<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik gibt es e<strong>in</strong>e breite Zustimmung<br />

für die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung:<br />

Doch so wichtig und notwendig <strong>in</strong>dividuelles<br />

Umdenken auch ist, alle<strong>in</strong> reicht es<br />

nicht aus. Notwendig s<strong>in</strong>d vor allem Reformen<br />

<strong>in</strong> Wirtschaft und Gesellschaft. Entscheidungen<br />

müssen so organisiert werden,<br />

daû es zu e<strong>in</strong>er auf Dauer angelegten,<br />

sozial- und umweltgerechten Entwicklung<br />

kommt.<br />

Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung ist <strong>der</strong><br />

wichtigste Ansatzpunkt, um unser Land<br />

zukunftsfähig zu machen. Es existieren<br />

groûe, bisher nicht genutzte Möglichkeiten<br />

für den schonenden E<strong>in</strong>satz von Energie,<br />

Ressourcen und Flächen sowie die Entwicklung<br />

solarer Technologien. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Energieversorgung s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>sparpotentiale<br />

von rund 45 Prozent nachgewiesen,<br />

wenn die beste verfügbare Technik zum<br />

E<strong>in</strong>satz käme.<br />

Auch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> regenerativen Energien<br />

kann <strong>in</strong> kurzer Zeit vervierfacht werden.<br />

Viele dieser Investitionen würden sich<br />

schon nach kurzer Zeit bezahlt machen.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für die Nutzung<br />

dieser Chancen ist auch <strong>der</strong> Ausstieg<br />

aus <strong>der</strong> Atomkraft, die heute mit ihren<br />

hohen Kapazitäten und wirtschaftlichen<br />

Zwängen den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>spar- und<br />

Solarwirtschaft blockiert.<br />

Bessere Wärmedämmung, sparsame<br />

Geräte, Masch<strong>in</strong>en und Fahrzeuge o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Durchbruch <strong>der</strong> regenerativen Energieträger<br />

bedeuten die Substitution von Energieimporten<br />

und Energiekosten durch<br />

Ingenieurwissen, Qualifikation und Dienstleistungen.<br />

Wir för<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en Technologie-<br />

232<br />

pfad, <strong>der</strong> die Zukunftsmärkte erschlieût<br />

und die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />

verbessert. Anlagesuchendes Kapital<br />

wird durch Contract<strong>in</strong>g, Risiko- und Beteiligungskapital<br />

gezielt <strong>in</strong> diese Bereiche<br />

gelenkt.<br />

Die Wirtschaft <strong>der</strong> Zukunft nutzt umweltverträgliche<br />

Werkstoffe, m<strong>in</strong>imiert den<br />

Materiale<strong>in</strong>satz, verr<strong>in</strong>gert den Reststoffanfall<br />

und erzeugt hochwertige und langlebige<br />

Produkte, die sich so weit wie möglich<br />

nach dem Gebrauch <strong>in</strong> die ökologischen<br />

Kreisläufe zurückführen lassen. Die Verr<strong>in</strong>gerung<br />

des Energie- und Rohstoffe<strong>in</strong>satzes<br />

auf e<strong>in</strong> Viertel des heutigen Umsatzes<br />

(Faktor 4) ist e<strong>in</strong> ehrgeiziges Ziel. An diesem<br />

Ziel orientieren wir den ökologischen<br />

Strukturwandel. Dafür brauchen wir e<strong>in</strong>e<br />

ökologische Stoffwirtschaft, die auf e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong>tegrierten Ressourcenplanung aufbaut.<br />

Beispiele <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aus den USA zeigen,<br />

daû mit diesem Instrument die Marktwirtschaft<br />

ökologische Zielsetzungen auf<br />

e<strong>in</strong>e effiziente Weise umsetzen kann.<br />

Die ökologische Steuerreform ist <strong>der</strong> wichtigste<br />

E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Strukturwandel. Die<br />

schrittweise und langfristig angelegte Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Kosten für Energie, Rohstoffe,<br />

Emissionen und Flächen bei gleichzeitiger<br />

Senkung <strong>der</strong> Steuer- und Abgabenlast auf<br />

den Faktor Arbeit för<strong>der</strong>t gleichermaûen<br />

Beschäftigung und die ökologischen<br />

Zukunftsmärkte. Dies verbessert auch die<br />

Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Marktprozesse,<br />

denn es kommt zu e<strong>in</strong>er stärkeren Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> externen Kosten.<br />

Deshalb wollen wir e<strong>in</strong>e Aufbruchstimmung<br />

für die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

erzeugen. Durch rechtliche und ökonomische<br />

Rahmensetzungen <strong>in</strong> Forschung,<br />

Wirtschaft und Gesellschaft werden die<br />

ökologischen Zukunftsmärkte für E<strong>in</strong>sparen,<br />

Energieeffizienz und regenerativer<br />

Energien gezielt erschlossen. Unsere Partner<br />

für diese Aufgaben s<strong>in</strong>d:<br />

± die wachsende Zahl <strong>der</strong> Unternehmer/<br />

<strong>in</strong>nen, die erkennen, daû <strong>der</strong> schonende<br />

Umgang mit Energie und Ressourcen<br />

nicht nur ökologische notwendig, son<strong>der</strong>n<br />

auch wirtschaftlich vorteilhaft ist;


± die Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen und ihre<br />

Gewerkschaften, denn nur umweltverträgliche<br />

Arbeitsplätze s<strong>in</strong>d auf Dauer<br />

sichere Arbeitsplätze;<br />

± die vielen Wissenschaftler/<strong>in</strong>nen und<br />

Techniker/<strong>in</strong>nen, die e<strong>in</strong>e ressourcenschonende<br />

Technik entwickeln und die<br />

Brücke <strong>in</strong>s Solarzeitalter bauen wollen;<br />

± die Verbraucher/<strong>in</strong>nen, die ihre Kaufentscheidungen<br />

umwelt- und gesundheitsbewuût<br />

treffen;<br />

± die groûe Zahl <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong><br />

Umweltverbänden, Kirchen und Organisationen,<br />

die den Schutz <strong>der</strong> natürlichen<br />

Lebensgrundlagen als Voraussetzung für<br />

Lebensqualität und Zukunftsverantwortung<br />

sehen.<br />

VII.<br />

Wir orientieren uns für die ökologische<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung am Leitbild <strong>der</strong> Nachhaltigkeit.<br />

E<strong>in</strong>e nationale Vorreiterrolle ist<br />

nicht nur möglich, sie ist auch ± wie<br />

erfolgreiche Beispiele an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> zeigen<br />

± e<strong>in</strong>e wichtige Grundlage für die<br />

Erschlieûung neuer Märkte und die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> eigenen Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Vorreiter s<strong>in</strong>d heute vor allem kle<strong>in</strong>ere<br />

Industrielän<strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>e aktive Umweltpolitik<br />

betreiben und sich flexibel und <strong>in</strong>novationsfreundlich<br />

verhalten.<br />

Der Nationalstaat ist zwar durch die Globalisierung<br />

geschwächt, aber er ist auch<br />

weniger denn je <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, sich den<br />

<strong>in</strong>ternationalen Tendenzen für mehr<br />

Umweltschutz zu entziehen. Generell zeigt<br />

sich, daû <strong>der</strong> <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n an Bedeutung<br />

gew<strong>in</strong>nt. Der Rio-Prozeû hat diese<br />

Entwicklung weiter verstärkt. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik s<strong>in</strong>d heute rund e<strong>in</strong>e Million<br />

Menschen <strong>in</strong> diesem Bereich beschäftigt.<br />

Das Ziel <strong>der</strong> Nachhaltigkeit schafft den<br />

Rahmen für e<strong>in</strong>e berechenbare Politik, die<br />

unterschiedliche Aktivitäten bündelt, klare<br />

Ziele aufstellt und die Menschen zur Mitarbeit<br />

motiviert. Die beiden wichtigen<br />

Grundlagen s<strong>in</strong>d von den Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />

vorgegeben worden: Die Agenda 21<br />

und e<strong>in</strong> nationaler Umweltplan. Die <strong>SPD</strong><br />

wird beide Ansätze, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen<br />

Zusammenhang stehen, umsetzen. Sie<br />

schaffen die Voraussetzungen, um<br />

± die Handlungsbed<strong>in</strong>gungen für die<br />

Lösung <strong>der</strong> Zukunftsprobleme zu verbessern,<br />

± die unterschiedlichen Aufgaben zusammenzuführen<br />

und zu bündeln,<br />

± die Politik <strong>der</strong> unterschiedlichen Ebenen<br />

von den Kommunen über die Län<strong>der</strong> bis<br />

zum Bund zu koord<strong>in</strong>ieren,<br />

± die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger zur Mitarbeit<br />

und Beteiligung zu motivieren,<br />

± neuen Konsens für die Zukunftsaufgaben<br />

zu schaffen,<br />

± die Umweltpolitik für Investoren langfristig<br />

berechenbar zu machen und Innovationen<br />

zu för<strong>der</strong>n,<br />

± Ressourcen effizient und kostengünstig<br />

zu verwenden, Umweltkosten zu senken<br />

und auf dem Weltmarkt neue Wettbewerbsvorteile<br />

zu erreichen,<br />

± bei <strong>der</strong> ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

durch die Ausrichtung auf Energie- und<br />

Ressourceneffizienz sowie auf die Solarwirtschaft<br />

zu e<strong>in</strong>er Gew<strong>in</strong>nstrategie zu<br />

kommen.<br />

VIII.<br />

Das Ziel sozialdemokratischer Politik ist<br />

es, Deutschland zukunftsfähig zu machen.<br />

Eckpunkte e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Umweltpolitik<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> s<strong>in</strong>d:<br />

1. E<strong>in</strong> nationaler Umweltplan, wie ihn die<br />

Vere<strong>in</strong>ten Nationen für alle Mitgliedsstaaten<br />

for<strong>der</strong>n. Die Bundesrepublik<br />

muû ihren unverzüglich erarbeiten.<br />

2. E<strong>in</strong>e EU, die ihre Politik am Pr<strong>in</strong>zip<br />

<strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung orientiert<br />

und damit Europa zum Vorreiter für<br />

e<strong>in</strong>e solidarische Welt macht. Im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Europäischen Integration setzen<br />

wir uns für e<strong>in</strong>heitliche soziale und<br />

ökologische M<strong>in</strong>deststandards e<strong>in</strong>.<br />

3. E<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform, um die<br />

Arbeitskosten zu senken und aufkommensneutral<br />

die Energie- und Ressourcenkosten<br />

zu erhöhen. Gleichzeitig<br />

müssen umweltschädliche Subventionen<br />

233


schrittweise abgebaut werden. Der<br />

<strong>SPD</strong>-Bundesparteitag unterstützt das<br />

Konzept <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion.<br />

4. E<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm für<br />

Arbeit und Umwelt, das die B<strong>in</strong>nennachfrage<br />

stärkt und Zukunftsmärkte<br />

erschlieût. Es schafft neue Beschäftigung<br />

und för<strong>der</strong>t den ökologischen Strukturwandel.<br />

Das Programm knüpft an dem<br />

Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm <strong>der</strong> 70er<br />

Jahre an und muû <strong>in</strong> <strong>der</strong> Startphase mit<br />

m<strong>in</strong>destens 10 Milliarden DM ausgestattet<br />

werden.<br />

5. E<strong>in</strong>e Verdoppelung <strong>der</strong> Ausgaben für<br />

Forschung und Entwicklung im Bereich<br />

<strong>der</strong> Umweltforschung und Umwelttechnologien.<br />

6. E<strong>in</strong> ökologisches Stoffrecht, um den<br />

E<strong>in</strong>satz von Stoffen ebenso wie Emissionen<br />

und das Reststoffaufkommen zu<br />

verr<strong>in</strong>gern. Wir werden das bürokratische<br />

Kreislaufwirtschaftsgesetz reformieren<br />

und den grünen Punkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

dezentrales und bürgerfreundliches<br />

System umwandeln. Damit wollen wir<br />

auch die Kostenbelastungen reduzieren<br />

und umweltverträgliches Verhalten<br />

belohnen.<br />

7. Die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> umweltökonomischen<br />

Gesamtrechnung als e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Schritt auf dem Weg zu e<strong>in</strong>em<br />

Ökosozialprodukt.<br />

8. E<strong>in</strong> Umweltgesetzbuch, um das heute<br />

unübersichtlich, zersplitterte und bürokratische<br />

Umweltrecht zeitgerecht zu<br />

mo<strong>der</strong>nisieren. Es enthält auch die<br />

Regelung <strong>der</strong> Genehmigungsverfahren<br />

sowie e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Stoffrecht und die<br />

<strong>in</strong>tegrierte Ressourcenplanung. Wir<br />

wollen das Öko-Audit reformieren und<br />

erweitern, um mehr Selbstverantwortung<br />

<strong>der</strong> Unternehmen beim betrieblichen<br />

Umweltschutz zu erreichen.<br />

9. E<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> Unabhängigkeit des<br />

Umweltbundesamtes, um e<strong>in</strong> stärkeres<br />

Gegengewicht gegen das ökonomische<br />

E<strong>in</strong>heitsdenken zu schaffen.<br />

10. Der Ausbau <strong>der</strong> Umweltbildung, die<br />

auf allen Ebenen <strong>der</strong> Bildung zu e<strong>in</strong>em<br />

festen Bestandteil werden muû.<br />

234<br />

IX.<br />

Wir halten am Ausstieg aus <strong>der</strong> Atomkraft<br />

fest. Wir wollen so schnell wie möglich<br />

e<strong>in</strong>e sichere Energieversorgung auf <strong>der</strong><br />

Basis von Energiedienstleistungen, mo<strong>der</strong>nen<br />

Effizienztechniken und dem Ausbau<br />

<strong>der</strong> regenerativen Energien erreichen.<br />

Oberste Ziele e<strong>in</strong>er nachhaltigen Energiepolitik<br />

s<strong>in</strong>d neben <strong>der</strong> Versorgungssicherheit<br />

und Wettbewerbsfähigkeit die rationelle<br />

und sparsame Verwendung <strong>der</strong><br />

knappen Ressourcen, des Schutzes des Klimas<br />

und die Schonung <strong>der</strong> Umwelt. Das<br />

erfor<strong>der</strong>t die bewuûte Substitution vermeidbaren<br />

Energieverbrauchs durch den<br />

E<strong>in</strong>satz von Technik, Kreativität und Kapital.<br />

Deshalb kommt <strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>sparung<br />

erste Priorität zu. Die effiziente Energienutzung<br />

ist zugleich e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung<br />

für die Markte<strong>in</strong>führung und Nutzung<br />

<strong>der</strong> erneuerbaren Energien.<br />

Die Reform <strong>der</strong> Energieversorgung ist e<strong>in</strong>e<br />

Richtungsentscheidung. Die Eckpunkte<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

± e<strong>in</strong> ökologischer orientierter Ordnungsrahmen<br />

durch e<strong>in</strong> neues Energiegesetz,<br />

das <strong>der</strong> Ressourcenschonung und dem<br />

Klimaschutz erste Priorität e<strong>in</strong>räumt.<br />

Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung ist <strong>der</strong><br />

schnelle Ausbau <strong>der</strong> Kraft-Wärme-<br />

Kopplung;<br />

± die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regenerativen Energien,<br />

um die Brücke <strong>in</strong>s Solarzeitalter zu<br />

bauen. Dazu gehören die Sicherung und<br />

Reform des Strome<strong>in</strong>speisungsgesetzes,<br />

e<strong>in</strong> Gesetz für e<strong>in</strong> 100 000-Dächer-und<br />

Fassadensolarprogramm sowie die För<strong>der</strong>ung<br />

dezentraler solarthermischer<br />

Kraftwerke;<br />

± die Durchsetzung e<strong>in</strong>er ökologischen<br />

Steuerreform, die die herkömmlichen<br />

Energieträger belastet, jedoch die regenerativen<br />

Energien und die Kraft-<br />

Wärme-Kopplung freistellt.<br />

Mit diesen Maûnahmen können wir den<br />

Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren Energien und <strong>der</strong><br />

Kraft-Wärme-Kopplung im nächsten Jahrzehnt<br />

auf 30 % steigern.


Um den überhöhten Energieverbrauch<br />

umfassend zu verr<strong>in</strong>gern, ist auch im Verkehrsbereich<br />

e<strong>in</strong>e Neuorientierung notwendig.<br />

Heute steigen Energieverbrauch<br />

und Emissionen im Verkehrsbereich weiter<br />

stark an. Deshalb wollen wir:<br />

± die Sicherung und den Ausbau <strong>der</strong><br />

öffentlichen Verkehrsmittel;<br />

± die Neuordnung von Raum- und Siedlungsstrukturen,<br />

um überflüssige Mobilität<br />

zu verr<strong>in</strong>gern;<br />

± e<strong>in</strong>e stärkere Verlagerung des Güterverkehrs<br />

auf Schiene und Wasserstraûe;<br />

± die Nutzung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kommunikationstechnologien<br />

zur Verkehrsvermeidung;<br />

± die bedarfsgerechte För<strong>der</strong>ung von Fahrrad<br />

und Fuûgängern;<br />

± Flottenverbrauchsregelungen, um den<br />

Kraftstoffverbrauch <strong>der</strong> PKW kont<strong>in</strong>uierlich<br />

abzusenken. Die Zielvorgabe ist<br />

das 3-Liter-Auto.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> ¹Zukunftsprogramm<br />

für Klimaschutz, Wirtschaftsmo<strong>der</strong>nisierung<br />

und Arbeitsplätzeª, wie es die <strong>SPD</strong>-<br />

Bundestagsfraktion entwickelt hat. Das Ziel<br />

ist, die klimaschädlichen CO 2-Emissionen<br />

bis zum Jahr 2005 um 25 % zu senken.<br />

Nur auf diesem Weg kann die Bundesrepublik<br />

ihrer Verantwortung gerecht werden<br />

und e<strong>in</strong>en wirksamen Beitrag zum Schutz<br />

<strong>der</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen leisten.<br />

Die Bundesregierung versagt bei dieser<br />

Aufgabe. Den groûen Ankündigungen von<br />

1990 s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Taten gefolgt. In den alten<br />

Bundeslän<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d die CO 2-Emissionen<br />

bisher <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Jahr zurückgegangen und<br />

auch <strong>in</strong> Ostdeutschland steigen sie seit<br />

1995 wie<strong>der</strong> an. Wir werden nach dem<br />

Vorbild <strong>der</strong> Schweiz auch für die Bundesrepublik<br />

e<strong>in</strong> ¹subsidiäres CO 2-Reduktionsgesetzª<br />

prüfen.<br />

Wir wollen erreichen, daû bis zum Jahr<br />

2015 <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

aus regenerativen Energien auf 20<br />

bis 25 % gesteigert wird.<br />

X.<br />

Die Wirtschafts-, Haushalts- und F<strong>in</strong>anzpolitik<br />

muû sowohl die Massenarbeitslosigkeit<br />

als auch die Umweltzerstörung, die<br />

beiden Krebsübel unsere Zeit, bekämpfen.<br />

Nur so können wir Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

bewältigt, die Gesellschaft wie<strong>der</strong> handlungsfähig,<br />

die Wirtschaft mo<strong>der</strong>nisiert, die<br />

Staatshaushalte konsolidiert und die<br />

Umwelt entlastet werden.<br />

Das erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Anhebung <strong>der</strong> privaten<br />

und öffentlichen Investitionen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Erhöhung <strong>der</strong> Ausgaben für den<br />

ökologischen Strukturwandel und die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Infrastruktur. Wir wollen<br />

dafür e<strong>in</strong>e aktive Beschäftigungs- und<br />

Umweltpolitik e<strong>in</strong>leiten.<br />

Umweltpolitik ist nicht nur e<strong>in</strong>e technologische<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung zur Zusammenführung<br />

von Ökonomie und Ökologie. Die<br />

Natur muû auch um ihrer selbst willen<br />

geschützt werden. Deshalb wollen wir e<strong>in</strong>e<br />

grundlegende Novellierung des Bundesnaturschutzgetzes.<br />

M<strong>in</strong>destens 10 Prozent <strong>der</strong><br />

bundesdeutschen Fläche sollen unter<br />

Schutz gestellt werden. Nutzungsformen<br />

wie Landwirtschaft, Verkehrswege, Siedlungsbau<br />

und Raumordnung sowie Erholung,<br />

Freizeit und Tourismus müssen den<br />

Schutz <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen<br />

pr<strong>in</strong>zipiell e<strong>in</strong>beziehen.<br />

E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Bodenschutzgesetz und e<strong>in</strong><br />

Bodenprogramm s<strong>in</strong>d auch den sparsamen<br />

Umgang mit Flächen und dem Schutz <strong>der</strong><br />

Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Böden ausgerichtet.<br />

Auch den Flüssen und Bächen muû so weit<br />

wie möglich wie<strong>der</strong> Raum gegeben werden.<br />

Das ist <strong>der</strong> beste Schutz gegen Hochwasser.<br />

Wir werden die Anstrengungen verstärken,<br />

das Grundwasser zu schützen und<br />

die Tr<strong>in</strong>kwasserversorgung zu sichern.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird e<strong>in</strong> Programm Umwelt und<br />

Gesundheit vorlegen. Die Zahl <strong>der</strong> chronisch<br />

Erkrankten steigt, doch das Gesundheitswesen<br />

reagiert darauf höchst unzureichend.<br />

Beson<strong>der</strong>s K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d von<br />

Allergien, Atemwegserkrankungen und<br />

Immundefekten betroffen. Notwendig ist<br />

deshalb e<strong>in</strong> Ausbau des vorsorgenden<br />

235


Gesundheitsschutzes, <strong>der</strong> auch die<br />

Umweltfaktoren für die Entstehung von<br />

Krankheiten e<strong>in</strong>bezieht.<br />

(Angenommen und überwiesen an die Bundestagsfraktion<br />

zur weiteren Behandlung<br />

und an den Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 137<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Bonn-Süd<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

Reformen für e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />

Entwicklung<br />

<strong>in</strong> Deutschland, Europa und<br />

<strong>in</strong>ternational durchsetzen<br />

Die Staatszielbestimmung Umweltschutz<br />

im Grundgesetz verpflichtet uns zum<br />

Schutz <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen<br />

auch für unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Im Amsterdamer<br />

Vertrag und auf <strong>der</strong> Rio-Konferenz 1992<br />

haben wir uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> AGENDA 21 und <strong>in</strong><br />

den Konventionen zu Klimaschutz und<br />

biologischer Vielfalt verpflichtet, national<br />

auf kommunaler, auf Landes- und Bundesebene,<br />

aber auch auf europäischer und<br />

<strong>in</strong>ternationaler Ebene für e<strong>in</strong> geän<strong>der</strong>tes<br />

Kaufverhalten und Wirtschaften und für<br />

Reformen zur Durchsetzung e<strong>in</strong>er dauerhaft<br />

umweltgerechten Entwicklung e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Unser verschwen<strong>der</strong>ischer Lebensstil<br />

und unser z.T. verantwortungsloses<br />

Wirtschaften gefährden weltweit die natürlichen<br />

Lebensgrundlagen für unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und zukünftige Generationen. Die drohenden<br />

Klimaverän<strong>der</strong>ungen, die Zerstörung<br />

<strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong>, die Bodenerosion, Wüstenbildung,<br />

Mangel an sauberem Tr<strong>in</strong>kwasser,<br />

Vergiftung und Überfischung <strong>der</strong> Meere<br />

s<strong>in</strong>d erschreckende Tendenzen.<br />

Wir müssen die Globalisierung von Wirtschaft,<br />

Umwelt und Kultur mit fortschreiten<strong>der</strong><br />

Handelsliberalisierung, weltweiter<br />

Kommunikation und Kapitaltransfers und<br />

mit sehr ger<strong>in</strong>gen Kosten <strong>der</strong> Raumüberw<strong>in</strong>dung<br />

als Realität sehen. Sie kann<br />

236<br />

Gefahren und Chancen für e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />

Entwicklung bewirken.<br />

Wir müssen als <strong>in</strong>ternationale Reformpartei<br />

und als politisch Verantwortliche für<br />

den Schutz <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen,<br />

die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />

und soziale Gerechtigkeit geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>treten<br />

und dürfen die Entwicklung nicht<br />

den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft Verantwortlichen<br />

und dem freien Markt überlassen.<br />

Die feststellbaren und drohenden negativen<br />

ökologischen, ökonomischen und sozialen<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> Globalisierung müssen<br />

durch dauerhaft-umweltgerechtes eigenes<br />

Verhalten und europäische und <strong>in</strong>ternationale<br />

Vere<strong>in</strong>barungen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden.<br />

In <strong>der</strong> Europäischen Union und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Welthandelsorganisation WTO müssen wir<br />

gegen Umwelt- und Sozialdump<strong>in</strong>g und<br />

für soziale und ökologische M<strong>in</strong>deststandards,<br />

für e<strong>in</strong>e Effizienzsteigerung bei <strong>der</strong><br />

Nutzung <strong>der</strong> nicht erneuerbaren und <strong>der</strong><br />

erneuerbaren Ressourcen sowie für die<br />

Durchsetzung ökologischer Kriterien bei<br />

Subventionen und För<strong>der</strong>programmen z.B.<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft, im Wohnungsbauo<strong>der</strong><br />

im Auûenhandel e<strong>in</strong>treten.<br />

Wir müssen dazu Innovationen för<strong>der</strong>n,<br />

die Arbeit und Umwelt sichern. E<strong>in</strong>e dauerhaft<br />

umweltgerechte nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />

Entwicklung im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />

<strong>der</strong> AGENDA 21 kann nur<br />

durch gesellschaftlichen Konsens und<br />

Bewuûtse<strong>in</strong>swandel erreicht werden. Durch<br />

Anpassung <strong>der</strong> rechtlichen, ökonomischen<br />

und sozialen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen sowie<br />

<strong>der</strong> gesellschaftlichen Werthaltungen und<br />

E<strong>in</strong>stellungen muû e<strong>in</strong> Prozeû <strong>der</strong> dauerhaft<br />

umweltgerechten Entwicklung ermöglicht<br />

und gefor<strong>der</strong>t werden. Umweltbildung<br />

und -erziehung, Information,<br />

Beratung, Produktkennzeichnung und ökonomische<br />

Anreize können die Entwicklung<br />

zu qualitativ an<strong>der</strong>en Wirtschafts- und<br />

Lebensbed<strong>in</strong>gungen voranbr<strong>in</strong>gen.<br />

Investitionen <strong>in</strong> den Umweltschutz und die<br />

Nutzung fortschrittlicher Techniken schaffen<br />

und sichern Arbeitsplätze, stärken die<br />

Wettbewerbsfähigkeit und senken die


Gesamtkosten <strong>der</strong> Unternehmen. Die Nutzung<br />

<strong>in</strong>tegrierter Umweltschutztechniken<br />

kann e<strong>in</strong>e zukunftsträchtige Strategie se<strong>in</strong>,<br />

um auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen des Weltmarktes<br />

zu reagieren.<br />

Die konkreten Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e dauerhaft-umweltgerechte<br />

Entwicklung müssen<br />

<strong>in</strong> alle an<strong>der</strong>en Politikfel<strong>der</strong> <strong>in</strong>tegriert<br />

werden. Dies gilt für die Sozialpolitik über<br />

die Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik, die<br />

Verkehrs-, Landwirtschafts- und Energiepolitik<br />

bis h<strong>in</strong> zur Auûenpolitik und Entwicklungshilfe,<br />

Forschungs- und Bildungspolitik.<br />

Wir müssen die ökologische<br />

Wende durch Reformen im Bereich Energienutzung<br />

(För<strong>der</strong>ung von Energiesparen<br />

und Nutzung alternativer Energien, Ausstieg<br />

aus <strong>der</strong> Kernenergie) und CO 2-M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung,<br />

bei <strong>der</strong> Verkehrs- und Siedlungsentwicklung,<br />

bei <strong>der</strong><br />

Nahrungsmittelerzeugung, beim E<strong>in</strong>satz<br />

<strong>der</strong> wichtigsten chemischen Stoffe, bei Vermeidung<br />

und Entsorgung <strong>der</strong> Abfälle, bei<br />

geän<strong>der</strong>tem Konsumverhalten sowie bei<br />

nationalen Beiträgen für den Schutz weltweiter<br />

Natur- und Umweltressourcen (Erdatmosphäre,<br />

Gewässer, Böden, biologische<br />

Vielfalt etc.) gestalten.<br />

Dazu gehören <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e folgende Maûnahmen:<br />

± Festlegung von konkreten Qualitäts- und<br />

Handlungszielen für die wichtigsten Problembereiche<br />

<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit den<br />

notwendigen Maûnahmen und Zeitfestlegungen<br />

<strong>in</strong> lokalen, nationalen, europäischen<br />

und <strong>in</strong>ternationalen Plänen für<br />

e<strong>in</strong>e dauerhaft umweltgerechte Entwicklung.<br />

± Reform des Steuer- und Haushaltsystems<br />

mit dem Ziel <strong>der</strong> höheren Belastung von<br />

umweltschädlichem Ressourcenverbrauch,<br />

Entlastung von Arbeitskosten,<br />

Durchsetzung ökologischer Kriterien bei<br />

Subventionen und Teilnahme am EG-<br />

Öko-Audit-System <strong>in</strong> den öffentlichen<br />

Verwaltungen und Institutionen.<br />

± För<strong>der</strong>ung von Investitionen zur Sicherung<br />

von Arbeitsplätzen und Erschlieûung<br />

von Zukunftsmärkten z.B. im<br />

Bereich <strong>der</strong> Solarenergienutzung, <strong>in</strong>te-<br />

grierter Umweltschutztechnik z. B. im<br />

Verkehr und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft und<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur,<br />

f<strong>in</strong>anziert durch ökologisch s<strong>in</strong>nvolle<br />

Steuererhöhungen.<br />

± Schaffung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen, vere<strong>in</strong>fachten<br />

und weiterentwickelten fortschrittlichen<br />

Umweltrechts, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

im Naturschutz, Bodenschutz, Gewässerschutz,<br />

Immissionsschutz, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Umweltgesetzbuch zusammengefaût wird<br />

und das das EG-Umweltrecht <strong>in</strong>tegriert<br />

und vollständig umsetzt.<br />

± Auf europäischer und <strong>in</strong>ternationaler<br />

Ebene müssen technische Standards vere<strong>in</strong>bart<br />

werden, die die ökologischen<br />

M<strong>in</strong>destanfor<strong>der</strong>ungen bei Produktionsverfahren<br />

und Produkten durchsetzen<br />

helfen.<br />

± För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> notwendigen Innovationen<br />

durch Stärkung <strong>der</strong> Forschung und<br />

Bildung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />

Entwicklung. Umweltbildung<br />

muû auf allen Ebenen <strong>der</strong> Ausund<br />

Fortbildung zu e<strong>in</strong>em festen<br />

Bestandteil werden.<br />

± Schaffung von besseren Entscheidungsgrundlagen<br />

für die Politik und die Wirtschaft<br />

und Konsumenten durch<br />

beschleunigte Erarbeitung und E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>er umweltökonomischen<br />

Gesamtrechnung, durch Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Information über Umweltdaten auf<br />

nationaler und europäischer Ebene und<br />

durch Stärkung <strong>der</strong> Unabhängigkeit und<br />

Ausstattung des Umweltbundesamtes als<br />

wichtige Beratungs<strong>in</strong>stitution neben dem<br />

Sachverständigenrat für Umweltfragen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

237


Antrag I 140<br />

Unterbezirk Osterode<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Herzberg<br />

(Bezirk Braunschweig)<br />

Technische Anleitung Siedlungsabfall<br />

Die Technische Anleitung Siedlungsabfall<br />

(TASi) wird im Fall e<strong>in</strong>er Regierungsübernahme<br />

durch die <strong>SPD</strong> so verän<strong>der</strong>t, daû<br />

± planfestgestellte Deponieflächen, die<br />

bereit nach TASi-Standard geplant und<br />

errichtet wurden, für e<strong>in</strong>e Übergangszeit<br />

bis zur Verfüllung weitergenutzt werden<br />

können,<br />

± auch langfristig gleichrangig neben die<br />

thermische Behandlung e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Vorbehandlungsart<br />

(z.B. mechanisch-biologisch,<br />

Trockenstabilat) treten kann,<br />

sofern diese den ökologischen Zielen <strong>der</strong><br />

TASi entspricht und wirtschaftlich vertretbar<br />

ist.<br />

(Angenommen und überwiesen an Bundestagsfraktion<br />

zur weiteren Behandlung)<br />

Antrag I 141<br />

Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong><br />

Energiepolitik<br />

Im Bewuûtse<strong>in</strong>, daû<br />

± die bisherige Energiepolitik ökologisch,<br />

sozial und wirtschaftlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Sackgasse<br />

geführt hat<br />

± die gegenwärtigen Nutzungsformen <strong>der</strong><br />

Energieressourcen weltweit verteilungspolitische<br />

Fehlentwicklungen för<strong>der</strong>n<br />

und monopolistischen Strukturen Vorschub<br />

leisten<br />

± praktisch alle mit <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Energieversorgung<br />

verbundenen Nachteile<br />

und Gefahren für die solare Energieversorgung<br />

nicht gelten.<br />

238<br />

In <strong>der</strong> Überzeugung, daû<br />

± es nach unserem <strong>der</strong>zeitigen Erkenntnisstand<br />

langfristig zur Sonnenenergie ke<strong>in</strong>e<br />

Alternative geben wird<br />

± mit dem Umbau <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

schnell begonnen werden muû, um die<br />

günstigen Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e ökologisch<br />

nachhaltige Gesellschaft zu<br />

schaffen<br />

± die Zahl <strong>der</strong> Arbeitsplätze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

dezentral organisierten, solaren Energieversorgung<br />

erheblich höher se<strong>in</strong> wird als<br />

momentan<br />

sieht die <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nutzung<br />

regenerativer Energien, e<strong>in</strong>hergehend<br />

mit e<strong>in</strong>er Dezentralisierung <strong>der</strong> Stromversorgung<br />

sowie Maûnahmen zur Enerniee<strong>in</strong>sparung,<br />

e<strong>in</strong>s <strong>der</strong> vorrangigen Ziele<br />

sozialdemokratischer Politik.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Stadt- und Kreistagsfraktionen<br />

auf, die Zukunftsfähigkeit<br />

auch auf lokaler Ebene zu sichern. Sie sollten<br />

das folgende Konzept als Richtschnur<br />

übernehmen und die lokal realisierbaren<br />

Teile mit aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmten Anträgen,<br />

Planungen und Maûnahmen <strong>in</strong> die<br />

Kreistags- und Ratsarbeit e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

Der Bund gibt die Richtung vor<br />

Erhard Eppler hat anläûlich <strong>der</strong> Feier zu<br />

se<strong>in</strong>em siebzigsten Geburtstag auch gesagt:<br />

¹Drei D<strong>in</strong>ge müssen zusammenkommen:<br />

das Thema Arbeit, und zwar jenseits des<br />

Wun<strong>der</strong>glaubens, daû irgendwann e<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong> Wirtschaftsaufschwung die Arbeitslosigkeit<br />

weglegt ... Das zweite wäre das<br />

Thema Gerechtigkeit. Das ist uns ja auf<br />

den Leib geschrieben. Das dritte wäre <strong>der</strong><br />

ökologische Umbau. Ich glaube wirklich,<br />

daû man die drei D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> zehn, zwölf<br />

Punkten zusammenb<strong>in</strong>den kann, so daû es<br />

plausibel wird.ª<br />

Die Standardrezepte zur Lösung <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Probleme funktionieren nicht:<br />

Dies zeigt die Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit,<br />

von Renten-, Steuerdebatte usw.<br />

Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger <strong>in</strong> Deutschland<br />

wollen deshalb e<strong>in</strong>e Vision für das


21. Jahrhun<strong>der</strong>t, die zeigt, daû und wie die<br />

Probleme gelöst werden können.<br />

Diese Vision kann nur <strong>der</strong> ökologische,<br />

soziale und ökonomische Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft<br />

h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />

und zukunftsfähigen Gesellschaft se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>er Gesellschaft, die stets die Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> gerade Lebenden so befriedigt, daû die<br />

Bedürfnisbefriedigung nachfolgen<strong>der</strong><br />

Generationen nicht gefährdet wird.<br />

Die <strong>SPD</strong> ist die e<strong>in</strong>zige Partei, die e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong>artige Vision glaubhaft <strong>in</strong> Politik umsetzen<br />

kann. Es gilt aber auch umgekehrt:<br />

Gibt die <strong>SPD</strong> den Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern<br />

ke<strong>in</strong>e glaubhafte Vision, wird sie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> 30%-Falle gefangen bleiben, eher weiter<br />

abrutschen. Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />

werden <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> nicht mit Mehrheit<br />

zustimmen, wenn die <strong>SPD</strong> nur marg<strong>in</strong>al<br />

an<strong>der</strong>s ist als die konservativ-liberalen Parteien.<br />

Ziel <strong>der</strong> Energie-Vision ist es, die Klimakatastrophe<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Die Mittel s<strong>in</strong>d<br />

Effizienzrevolution und Aufbau <strong>der</strong> solaren<br />

Energieversorgung bei sofortigem E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> den Ausstieg aus <strong>der</strong> Atomenergie. Fossile<br />

Energien werden parallel zum Aufbau<br />

solarer Versorgung mit e<strong>in</strong>em def<strong>in</strong>ierten<br />

Endzeitpunkt abgebaut. Der Endzeitpunkt<br />

ist spätestens 2050 anzusetzen.<br />

Für die Energie-Vision existieren ausreichend<br />

Beschlüsse auf Partei- und Fraktionsebene.<br />

Es fehlt an <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />

gewollten, den eigenen hochgesteckten<br />

Zielen gerecht werdende Behandlung des<br />

Themas. Es mangelt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e an<br />

E<strong>in</strong>igkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei über die Ziele: Wir<br />

können nur dann e<strong>in</strong>e ± unsere ± Vision<br />

vertreten, wenn sie aus unseren eigenen<br />

Reihen auf je<strong>der</strong> Ebene zwar diskutiert,<br />

nicht aber relativiert und konterkariert<br />

wird. E<strong>in</strong>e Vision mit Aussicht auf ihre<br />

Umsetzung ± und weshalb sollte man sonst<br />

e<strong>in</strong>e entwickeln ± bedarf <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen,<br />

glaubhaften Überzeugung. E<strong>in</strong>e Identifikation<br />

hiermit setzt voraus, daû die Partei<br />

geschlossen h<strong>in</strong>ter ihrem Zukunftskonzept<br />

steht.<br />

Es soll hier festgestellt werden, daû Konzepte<br />

<strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>sparung und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Nutzung regenerativer Energieformen<br />

zwar visionär, nicht jedoch<br />

utopisch s<strong>in</strong>d. Riesige E<strong>in</strong>spar- und Nutzungspotentiale<br />

s<strong>in</strong>d auch heute schon von<br />

ökonomischem Gew<strong>in</strong>n. Ganz abgesehen<br />

von <strong>der</strong> Tatsache, daû <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

Arbeitsplätze geschaffen werden können,<br />

die unsere Gesellschaft dr<strong>in</strong>gend braucht.<br />

Die Untersuchungen, die von <strong>SPD</strong>-Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Enquete Kommission ¹Schutz<br />

<strong>der</strong> Erdatmosphäreª angeregt wurden, zeigen,<br />

daû mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung rationeller und<br />

regenerativer Energien <strong>in</strong> 10 Jahren ca.<br />

500 000 Arbeitsplätze geschaffen werden<br />

können. Dabei s<strong>in</strong>d die durch den Umbau<br />

des Energiesystems verloren gehenden<br />

Arbeitsplätze bereits e<strong>in</strong>gerechnet.<br />

Die nachhaltige Gesellschaft wählt zur<br />

Bedürfnisbefriedigung von Produkten und<br />

Dienstleistungen die ökonomisch und ökologisch<br />

günstigsten Verfahren und Mittel.<br />

Das Bedürfnis etwa nach e<strong>in</strong>er angenehmen<br />

Raumtemperatur kann mit Atomstrom,<br />

Braun- o<strong>der</strong> Ste<strong>in</strong>kohlestrom, mit<br />

Öl- o<strong>der</strong> Gasheizung, <strong>der</strong> Wärmepumpe<br />

o<strong>der</strong> dem Sonnenkollektor erfolgen o<strong>der</strong><br />

durch e<strong>in</strong> Nullenergiehaus. Für den Nutzer<br />

ist das Mittel un<strong>in</strong>teressant, se<strong>in</strong> Interesse<br />

ist <strong>der</strong> warme Raum. Für die nachhaltige<br />

Gesellschaft ist das Mittel durchaus von<br />

Interesse. Sie wird, wenn es ökonomisch<br />

erträglich ist, das Nullenergiehaus allen<br />

an<strong>der</strong>en Lösungen vorziehen, die nur als<br />

Übergangsformen zu betrachten s<strong>in</strong>d.<br />

Die <strong>SPD</strong> muû glaubhaft darstellen, daû<br />

durch den ökologischen Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft<br />

die Lebensqualität enorm<br />

gesteigert wird.<br />

Nicht weil wir glauben, wir müûten hier<br />

noch Neues sagen, son<strong>der</strong>n weil wir wissen,<br />

daû die Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Informationen<br />

wichtig ist für ihre flächendeckende<br />

Verbreitung, sollen hier die wichtigsten<br />

Ziele e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen Energiepolitik<br />

aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> dargestellt<br />

werden. Im Bereich <strong>der</strong> effektiveren Energienutzung<br />

und dem E<strong>in</strong>satz regenerativer<br />

Energien liegen die offensichtlichsten<br />

239


Potentiale, mit denen die drei Themen von<br />

Erhard Eppler ± Arbeit, Gerechtigkeit,<br />

ökologischer Umbau ± wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Brennglas abgebildet werden.<br />

Zunächst bis zum Jahre 2000 soll auf alle<br />

fossilen Brennstoffe und Elektrizität, ausgenommen<br />

<strong>der</strong> Elektrizität aus regenerativen<br />

Quellen, e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e aufkommensneutrale<br />

Energiesteuer e<strong>in</strong>geführt werden. Die<br />

Energiesteuer als E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die allgeme<strong>in</strong>e<br />

ökologische Steuer muû national erfolgen,<br />

es muû aber <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>same europäische<br />

E<strong>in</strong>stieg gesucht werden, die weltweite<br />

E<strong>in</strong>führung ist das Ziel. Bei national<br />

beschränkter E<strong>in</strong>führung ist sicherzustellen,<br />

daû energie<strong>in</strong>tensive Branchen nicht<br />

verdrängt werden und somit Arbeitsplätze<br />

erhalten bleiben. Unserer Überzeugung<br />

nach ist es aber auch ke<strong>in</strong>e Dauerlösung,<br />

ausgewählte Industriezweige zu subventionieren<br />

und damit den tatsächlichen ökologischen<br />

Preis <strong>der</strong> entsprechenden Produkte<br />

aus öffentlichen Kassen zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

Nach dem Pr<strong>in</strong>zip, Megawatt besteuern<br />

statt Arbeit, soll die Energiesteuer zur Senkung<br />

<strong>der</strong> Lohnnebenkosten verwendet werden.<br />

Die Steigerung <strong>der</strong> Energieeffizienz und<br />

die schnelle Ausweitung <strong>der</strong> Nutzung regenerativer<br />

Energieformen müssen parallel<br />

zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> umgesetzt werden ± auch für<br />

die Sonnenenergien ist es wichtig, sie möglichst<br />

<strong>in</strong>telligent (= sparsam) für e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Zweck zu verwenden.<br />

Die Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> alle lokalen o<strong>der</strong> regionalen<br />

Potentiale genutzt werden, muû schnell <strong>in</strong><br />

Angriff genommen werden. Wir for<strong>der</strong>n<br />

damit e<strong>in</strong>en lokalen Energiemix aller unerschöpflichen<br />

± im wesentlichen durch die<br />

Sonne zur Verfügung gestellten ± Energieformen.<br />

Energieversorgungsunternehmen müssen<br />

durch geeignete gesetzliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

zu Energiedienstleistungsunternehmen<br />

werden, die den Verbrauchern die<br />

günstigste Problemlösung anbieten, die<br />

nicht nur auf <strong>der</strong> Energielieferung, son<strong>der</strong>n<br />

240<br />

auch auf e<strong>in</strong>er ± oft günstigeren ± Energiespar<strong>in</strong>vestition<br />

beruht.<br />

Das Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g muû Richtschnur<br />

für Energieangebot und Energienutzung<br />

werden: Dort, wo die Mobilisierung von<br />

E<strong>in</strong>sparpotentialen die ökonomisch günstigere<br />

Lösung ist, müssen sie vor dem Neuo<strong>der</strong><br />

Ersatzbau von Kraftwerken erschlossen<br />

werden. Analog gilt für die Energienutzung:<br />

E<strong>in</strong>spar<strong>in</strong>vestitionen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Erhöhung<br />

des Energieangebotes dann<br />

vorzuziehen, wenn sie die billigere Lösung<br />

darstellen.<br />

Die Rekommunalisierung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

ist zu för<strong>der</strong>n. Dazu s<strong>in</strong>d Stadtwerke<br />

zu verstärken bzw. neu- o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>zurichten, über die eigentlichen Verteilernetze<br />

müssen die Kommunen frei verfügen<br />

können.<br />

Die Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />

Energiedienstleistung und Rekommunalisierung<br />

kann <strong>der</strong> zur abnehmenden<br />

Demokratie neigenden Entwicklung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

durch die wirtschaftliche Konzentration<br />

auf allen Ebenen entgegenwirken.<br />

Letztendlich ist die Begeisterung mit <strong>der</strong><br />

die Vision von allen vertreten wird, entscheidend<br />

für ihren Erfolg. Wir for<strong>der</strong>n<br />

deshalb alle Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und<br />

Sozialdemokraten auf, für diese Zielsetzung<br />

zu werben. Die Partei muû sie auf allen<br />

Ebenen zum zentralen Gegenstand ihrer<br />

Programmatik machen und alles daran setzen,<br />

die Menschen dafür zu begeistern.<br />

Das Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen nutzt se<strong>in</strong>e<br />

Möglichkeiten<br />

Die <strong>SPD</strong> erkennt die positive Politik <strong>der</strong><br />

Landesregierung NRW <strong>in</strong> Programm und<br />

Durchführung bzgl. des energetischen<br />

Umbaus <strong>der</strong> Gesellschaft an. Sie sieht die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Programme <strong>der</strong> Landesregierung<br />

als qualitativ hochwertig, wobei jedoch<br />

festgestellt werden muû: die quantitativen<br />

Ansätze reichen zur Lösung <strong>der</strong> anstehenden<br />

Probleme nicht aus. Auch wenn das<br />

Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen pro Kopf die<br />

gröûten Mittel von allen Bundeslän<strong>der</strong>n für<br />

den energetischen Umbau bereitstellt, s<strong>in</strong>d


diese zur Erreichung des Zieles zu ger<strong>in</strong>g.<br />

Wir bitten daher die Landesregierung<br />

NRW, noch stärker als bisher Haushaltsmittel<br />

<strong>in</strong> diesem Bereich zur Verfügung zu<br />

stellen.<br />

Wir stellen allerd<strong>in</strong>gs fest, daû e<strong>in</strong>e Regierung<br />

selbst e<strong>in</strong>es so groûen Landes wie<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen die Lasten des energetischen<br />

Umbaus alle<strong>in</strong> nicht tragen kann,<br />

und erwarten von <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Bundesregierung<br />

erheblich höhere Haushaltsmittel<br />

zur Umstrukturierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />

als sie angesetzt s<strong>in</strong>d. Die 1996 im<br />

Etat des Bundesforschungsm<strong>in</strong>isteriums<br />

vorgenommenen Kürzungen <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen<br />

Mittel zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nutzung<br />

erneuerbarer Energien belegen die energiepolitische<br />

Problembl<strong>in</strong>dheit <strong>der</strong> Bundesregierung.<br />

Die <strong>der</strong>zeitige Bundesregierung wird unserer<br />

Überzeugung nach bis 2005 das Ziel 25<br />

Prozent CO 2-Reduktion durchzusetzen,<br />

ebensowenig erreichen wie die Halbierung<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosenzahlen bis 2000, wenn<br />

nicht <strong>in</strong> beiden Bereichen neben erheblich<br />

höherem Mittele<strong>in</strong>satz die jeweils auch<br />

notwendigen gesetzlichen Grundlagen<br />

geschaffen werden.<br />

Aus kommunaler Sicht müssen wir feststellen,<br />

daû Landesbehörden oft wenig sensibel<br />

für den Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

s<strong>in</strong>d. Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t deshalb die Landesregierung<br />

NRW auf, noch stärker als bisher<br />

<strong>in</strong> eigenen Liegenschaften auf die Durchund<br />

Umsetzung <strong>der</strong> im ¹Klimabericht<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalenª von 1992 und im<br />

dazu gehörigen Umsetzungsbericht von<br />

1994 dargestellten Ziele zu gewährleisten.<br />

Wir begrüûen im wesentlichen die Maûnahmen<br />

<strong>der</strong> Landesregierung NRW im<br />

Bereich Energieversorgung und -nutzung,<br />

wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Koalitionsvere<strong>in</strong>barung zwischen<br />

<strong>der</strong> NRW-<strong>SPD</strong> und Bündnis 90/Die<br />

Grünen festgeschrieben und im folgenden<br />

dargelegt s<strong>in</strong>d.<br />

Wir begrüûen, daû die Landesregierung<br />

NRW die rationelle Energieerzeugung und<br />

-nutzung deutlich ausbauen und Möglichkeiten<br />

für das Energiesparen ausschöpfen<br />

und e<strong>in</strong>e Markte<strong>in</strong>führungsoffensive für<br />

erneuerbare Energieträger offensiv vorantreiben<br />

will, bei gleichzeitiger Beendigung<br />

<strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Atomenergie.<br />

Wie die Landesregierung NRW betrachten<br />

wir Bau und Betrieb rationeller Energieversorgungsanlagen<br />

als arbeitsmarktpolitisch<br />

günstig.<br />

Wir halten die Weiterentwicklung des<br />

REN-Programmes für zukunftsfähig und<br />

sehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Niedrigenergiehäusern,<br />

regionalen und kommunalen<br />

Energie- und Klimaschutzkonzepten, <strong>der</strong><br />

Beratung und Information von Verbrauchern,<br />

Kommunen und Unternehmen und<br />

Modellvorhaben wichtige Elemente für den<br />

Umbau.<br />

Die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Landesregierung<br />

NRW nach Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />

noch Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g,<br />

nach Kraft-Wärme-Kopplung <strong>in</strong> Neubaugebieten,<br />

nach Nutzung <strong>der</strong> Handlungsspielräume<br />

für Strompreisl<strong>in</strong>earisierung<br />

und zielvarianten Tarifen, nach Anreizsystemen<br />

für Stromsparen durch die EVK©s<br />

f<strong>in</strong>den unsere Zustimmung.<br />

Auch wir halten für wichtig, Forschungsund<br />

Entwicklungskapazitäten für Solarenergie<br />

zu nutzen, die Branchen<strong>in</strong>itiative<br />

¹Zukunftsenergienª auszubauen, Hemmnisse<br />

für erneuerbare Energien abzubauen<br />

und e<strong>in</strong>e Qualifizierungsoffensive für das<br />

Handwerk zur Nutzung dieser Energien<br />

e<strong>in</strong>zuleiten.<br />

Das Ziel, daû NRW führend se<strong>in</strong> soll bei<br />

rationeller Energienutzung und erneuerbaren<br />

Energieträgern aus <strong>der</strong> Erkenntnis heraus,<br />

daû Erfolge bei rationeller Nutzung<br />

und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz erneuerbarer Energieträger<br />

den Anteil fossiler verr<strong>in</strong>gern wird, halten<br />

wir für richtig. Die Konsequenz daraus,<br />

daû Arbeitsplätze, die bei Kohle entfallen,<br />

<strong>in</strong> Energiedienstleistung und erneuerbaren<br />

Energien ersetzt werden, trifft unsere Vorstellungen.<br />

Solange Kohle als fossiler Energieträger<br />

verwandt wird, muû dies selbstverständlich<br />

so wenig umweltschädigend wie möglich<br />

241


erfolgen. Wir halten es jedoch für wichtig,<br />

daû die Landesregierung NRW sich für<br />

e<strong>in</strong>e zeitliche Begrenzung aller fossilen<br />

Energieträger zur Energieversorgung mit<br />

e<strong>in</strong>em Zeithorizont maximal 2050 entscheidet.<br />

Die Aktivitäten des Landes auf Bundesebene<br />

wie:<br />

± Energieeffizienz/Energiesparen bundesweit<br />

voranzubr<strong>in</strong>gen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU zu<br />

vertreten<br />

± die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />

± Ressourcenschonung und Umweltschutz<br />

als Ziel <strong>in</strong> das Energiewirtschaftsgesetz<br />

aufzunehmen<br />

± Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g durchzusetzen und<br />

Contract<strong>in</strong>g zu ermöglichen<br />

± dynamische Effizienzstandards und<br />

Kennzeichnungspflichten beim Energieverbrauch<br />

auszubauen<br />

± die Energieversorgung dezentral und<br />

verbrauchernah zu gestalten<br />

± die L<strong>in</strong>earisierung <strong>der</strong> Stromtarife und<br />

Überarbeitung Bundestarifordnung Elektrizität<br />

zu forcieren<br />

f<strong>in</strong>den unsere volle Zustimmung.<br />

Kommunale Ökologie ± e<strong>in</strong>e Auffor<strong>der</strong>ung<br />

zu Handeln<br />

E<strong>in</strong>e ökologisch orientierte, kommunale<br />

Entwicklungsplanung muû an <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung<br />

von Strukturen, Verhalten und Leitbil<strong>der</strong>n<br />

ansetzen. Nicht die Durchsetzung<br />

von E<strong>in</strong>zelmaûnahmen ist das Ziel, son<strong>der</strong>n<br />

die umfassende Planung und Umsetzung<br />

e<strong>in</strong>er auf Nachhaltigkeit unserer Lebensformen<br />

ausgerichteten Politik. E<strong>in</strong>e nachhaltige<br />

kommunale Entwicklung bedarf<br />

± e<strong>in</strong>er haushälterischen Bodenpolitik<br />

± e<strong>in</strong>er umwelt- und sozialverträglichen<br />

Verkehrspolitik und<br />

± e<strong>in</strong>er vorsorgenden Umweltpolitik<br />

Ökologische Orientierung kommunaler<br />

Politik erfor<strong>der</strong>t klare Vorstellungen und<br />

fundierte Kenntnisse. Es geht u. a. um<br />

242<br />

± das räumliche Konzept <strong>der</strong> Kommune<br />

und ihrer Wohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

± ihre Stoffströme und ihren Ressourcenverbrauch<br />

± Verän<strong>der</strong>ungspotentiale <strong>in</strong> den Haushalten,<br />

Betrieben und öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen<br />

± die Handlungsmöglichkeiten und/o<strong>der</strong><br />

die Hemmnisse sowie um<br />

± die klare Analyse <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> öffentlichen und privaten<br />

Haushalte und <strong>der</strong> Betriebe.<br />

Für alle notwendigen Planungen muû <strong>der</strong><br />

Beitrag zur Verbesserung <strong>der</strong> gesamtökologischen<br />

Situation o<strong>der</strong> ihre Unschädlichkeit<br />

nachgewiesen werden. Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Nutzung regenerativer Energien<br />

dürfen herkömmliche betriebswirtschaftliche<br />

Kosten-/Nutzen-Rechnungen ke<strong>in</strong>e<br />

ausschlieûliche Rolle spielen. An<strong>der</strong>nfalls<br />

sparen die Kommunen an <strong>der</strong> Zukunft.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Mandats- und Funktionsträger<br />

<strong>in</strong> den Ortsvere<strong>in</strong>en auf, den<br />

Diskussionsprozeû für die Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>er lokalen Agenda 21 e<strong>in</strong>zuleiten und<br />

voranzutreiben und sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen,<br />

daû ihre Städte und Geme<strong>in</strong>den dem ¹Klimabündnis<br />

<strong>der</strong> Städteª beitreten.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Bundesregierung auf,<br />

den Beschluû des Bundestages vom 29. Juni<br />

1994 ¹Stärkung <strong>der</strong> kommunalen Nord-<br />

Süd-Arbeit, For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> lokalen<br />

Agenda 21, Umsetzung <strong>der</strong> Charta von<br />

Berl<strong>in</strong>ª endlich umzusetzen und den lokalen<br />

Agendaprozeû umfassend zu unterstützen.<br />

Ökologie und kommunale Entwicklungsplanung<br />

Ökologisch orientierte Entwicklungspläne<br />

s<strong>in</strong>d zu erarbeiten und <strong>in</strong> Beschlüssen<br />

umzusetzen. Die ökologische Situation <strong>der</strong><br />

Kommunen soll <strong>in</strong> Rechenschaftsberichten<br />

übersichtlich und vergleichbar darstellen,<br />

welche ökologischen Wirkungen Energieverbrauch,<br />

Verkehr und Flächenverbrauch<br />

haben.


Ökologie und Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

Die Verwaltungen werden beauftragt, mit<br />

dem örtlichen Handwerk, Architekten und<br />

Ingenieuren Beratungs- und Handlungsprogramme<br />

für die umfassende, kostengünstige<br />

Umsetzung <strong>der</strong> Maûnahmen zur<br />

CO2-M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Ressourcene<strong>in</strong>sparung<br />

<strong>in</strong> den bestehenden Wohn- und<br />

Gewerbegebieten auszuarbeiten. Bei je<strong>der</strong><br />

Maûnahme zur Gebäudesanierung ist<br />

grundsätzlich die M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Energiee<strong>in</strong>satzes<br />

für Unterhaltung und Benutzung<br />

des Gebäudes e<strong>in</strong>zubeziehen. Dieses<br />

Programm soll Anreize schaffen und<br />

Orientierung für private Initiative geben.<br />

Dies könnte e<strong>in</strong> kommunaler Energiebeirat<br />

leisten.<br />

Bauleitplanung<br />

Kommunale Planung mit Flächennutzungsund<br />

Bebauungsplänen müssen auf die<br />

Bedürfnisse <strong>der</strong> solaren Niedrigenergiearchitektur<br />

abgestimmt werden. Für Anlagen<br />

<strong>der</strong> Nutzung erneuerbarer Energien und<br />

für Solarhäuser ist im Rahmen <strong>der</strong> Regionalplanung,<br />

<strong>der</strong> Flächennutzungs- und<br />

Bebauungsplanung sowie <strong>der</strong> Bausatzung<br />

Vorrang e<strong>in</strong>zuräumen.<br />

Zusätzliche Flächenausweisung<br />

Vor <strong>der</strong> Inanspruchnahme neuer Flächen<br />

ist zu prüfen, <strong>in</strong>wieweit die Chancen <strong>der</strong><br />

B<strong>in</strong>nenentwicklung (Nutzung von Baulükken<br />

± unter Bewahrung wichtiger Freiräume,<br />

Ausnutzung ± <strong>der</strong> vorhandenen<br />

bzw. neuzuschaffenden Infrastruktur) ausgenutzt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Neubauplanung ± ¹Let the sunsh<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ª<br />

In neuen Bebauungsplänen ist die Integration<br />

von Wohnen und Arbeiten, die Anb<strong>in</strong>dung<br />

an leistungsfähigen, den regionalen<br />

Bedürfnissen angepaûten ÖPNV sowie<br />

nach Möglichkeit die Bündelung von Siedlungsschwerpunkten<br />

zu realisieren. Aktive<br />

und passive Sonnenenergienutzung ist<br />

durch die Bebauungspläne zu för<strong>der</strong>n; die<br />

lokalen Energieversorgungspotentiale s<strong>in</strong>d<br />

optimal zu berücksichtigen.<br />

Nahwärmeversorgung ist den E<strong>in</strong>zelfeuerungsanlagen<br />

dort vorzuziehen, wo es ökologisch<br />

s<strong>in</strong>nvoll ist. Das Gegenteil ist nachzuweisen.<br />

Gewerblicher Wärmeüberschuû<br />

sollte <strong>in</strong> die Nahwärmeversorgung e<strong>in</strong>geplant<br />

werden.<br />

Durch die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Wärmeschutzverordnung<br />

und <strong>der</strong> Instrumente <strong>der</strong><br />

Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung soll <strong>der</strong> Niedrigenergiehausstandard<br />

zur Regel werden.<br />

Das Programm ¹Neues Wohnen auf Entwicklungsstandortenª<br />

des Landes NRW<br />

för<strong>der</strong>t ökologisch s<strong>in</strong>nvolle Bebauungspläne<br />

und soll genutzt werden.<br />

Die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Grundsätze des ökologischen<br />

Bauens (z.B. niedrige Energiestandards)<br />

und <strong>der</strong> sparsamen Erschlieûung<br />

sich nachzuweisen. Soweit Ausgleichsmaûnahmen<br />

erfor<strong>der</strong>lich werden, s<strong>in</strong>d diese<br />

vorrangig im Gebiet selbst zu realisieren.<br />

Festschreibung des Flächennutzungsplanes<br />

Siedlungs-, Landschafts- und Infrastrukturplanung<br />

müssen als E<strong>in</strong>heit begriffen werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Fortschreibung des Flächennutzungsplanes<br />

ist auf die sich ergänzenden<br />

Funktionen dieser Planung zu achten, die<br />

gleichgewichtig und aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen<br />

erarbeitet werden müssen.<br />

Angemessene Dichte<br />

In <strong>der</strong> Bauleitplanung (FNP, BPläne) ist<br />

geson<strong>der</strong>t nachzuweisen, <strong>in</strong>wieweit die<br />

geplante Ausnutzung (Verdichtung) geeignet<br />

ist, um die Ziele des Flächensparens,<br />

<strong>der</strong> optimalen Energienutzung und <strong>der</strong><br />

Auslastung <strong>der</strong> neuen bzw. bestehenden<br />

Infrastruktur zu erreichen.<br />

Grenzen überschreiten<br />

E<strong>in</strong>e ökologisch orientierte Entwicklungsplanung<br />

kann an <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>degrenze<br />

nicht haltmachen. Je nach Planungsaufgabe<br />

(z. B. Verkehr, Wohnungsbau, Gewerbeansiedlung,<br />

Biotopvernetzung) muû <strong>der</strong> Planungsraum<br />

festgelegt werden, wobei ±<br />

wenn erfor<strong>der</strong>lich ± e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>degrenzen<br />

243


überschreitende Planung durchgeführt und<br />

verantwortet werden muû.<br />

In <strong>der</strong> Bauleitplanung ist geson<strong>der</strong>t nachzuweisen,<br />

<strong>in</strong>wieweit die geplante Ausnutzung<br />

geeignet ist, um die Ziele des Flächensparens,<br />

<strong>der</strong> optimalen<br />

Energienusnutzung und <strong>der</strong> Auslastung <strong>der</strong><br />

bestehenden o<strong>der</strong> geplanten Infrastruktur<br />

gewährleistet ist.<br />

Ohne Auto mobil<br />

Es s<strong>in</strong>d flächendeckende ÖPNV-Konzepte<br />

<strong>in</strong> den Städten und Kreisen umzusetzen<br />

und fortzuentwickeln. Konzepte zu Ortsbussystemen<br />

sollen dort beantragt werden,<br />

wo sie s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en. Zur Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

des motorisierten Individualverkehrs<br />

s<strong>in</strong>d Jahresprogramme zu erarbeiten, die<br />

geeignet s<strong>in</strong>d, die Verkehrsmittel des<br />

Umweltverbundes (ÖPNV, Rad) zu stärken.<br />

Die Bauleitplanung hat e<strong>in</strong>e umweltverträgliche<br />

Mobilität <strong>der</strong> Bewohner zu<br />

berücksichtigen (Stadt <strong>der</strong> kurzen Wege,<br />

E<strong>in</strong>heit von Wohnen und Arbeiten,<br />

ÖPNV-Anb<strong>in</strong>dung, Radwege, Bike & Ride<br />

Stationen).<br />

Die Kreis- und Stadtverwaltungen werden<br />

über die Kreistage und Stadträte beauftragt,<br />

die Verwendbarkeit e<strong>in</strong>es Solarfahrzeuges<br />

als Dienstfahrzeug zu prüfen.<br />

Hierzu soll e<strong>in</strong> Solarmobil ¹zur Probeª (als<br />

Modell) angeschafft werden, welches auch<br />

e<strong>in</strong>zelnen Kommunen zu Testzwecken zur<br />

Verfügung gestellt werden kann, mit an<strong>der</strong>en<br />

mit regenerativen Energien betriebenen<br />

Autos könnte ähnlich verfahren werden.<br />

Ebenso wird an e<strong>in</strong>er zentralen Stelle des<br />

Kreises bzw. <strong>der</strong> kreisfreien Stadt e<strong>in</strong>e<br />

¹Solartankstelleª für das Solarmobil und<br />

an<strong>der</strong>e elektrisch betriebene- Fahrzeuge<br />

e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Umweltverträgliche Energieversorgung<br />

Energiesparen hat Vorrang<br />

Die umweltschonendste Energie ist die, die<br />

man nicht verbraucht. Praktische Umweltpolitik<br />

zeigt sich deshalb <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong><br />

effektiver Energiee<strong>in</strong>sparung. Energiespa-<br />

244<br />

ren soll sich lohnen. Dies muû z.B. im<br />

Stromtarif und <strong>in</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Wärmedämm-Maûnahmen<br />

bei Altbauten zum<br />

Ausdruck kommen.<br />

Energieversorgungskonzepte<br />

Nicht die Festlegung auf e<strong>in</strong>e Art <strong>der</strong><br />

Energieversorgung ist anzustreben, son<strong>der</strong>n<br />

die optimale und breite Nutzung aller<br />

vorhandenen Potentiale und Ideen.<br />

Energiekonzepte s<strong>in</strong>d zu for<strong>der</strong>n, sofern sie<br />

noch nicht existieren. Bereits bestehende<br />

Energiekonzepte müssen forciert umgesetzt<br />

werden. E<strong>in</strong> Energiekataster für Kommunen<br />

ist zu erstellen, Energiepässe bzw.<br />

Energiekennziffern für Gebäude s<strong>in</strong>d anzustreben.<br />

Energieszenarien und Emissionsvergleiche<br />

s<strong>in</strong>d zu erstellen. E<strong>in</strong>e Abschätzung<br />

<strong>der</strong> regenerativen Energiepotentiale<br />

soll erstellt werden. E<strong>in</strong> Energiebeauftragter<br />

soll die Umsetzung überwachen.<br />

Stadtwerke<br />

E<strong>in</strong>e umfassende und preisgünstige Versorgung<br />

hat Vorrang vor kommerziellen Zielen.<br />

Der kommunalen Energiepolitik<br />

kommt die strategische Funktion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

solaren und effizienten Energieversorgung<br />

zu. Nur im kommunalen Querverbund <strong>der</strong><br />

verschiedenen leitungsgebundenen Energien<br />

(Strom, Gas, Wärme) ist rationelle<br />

Energieverwendung möglich. Energieversorgung<br />

durch EVU sollen daher so<br />

schnell als möglich durch die Gründung<br />

von Stadtwerken und Rückkauf <strong>der</strong> Netze<br />

rekommunalisiert werden. E<strong>in</strong>e solche<br />

Rekommunalisierung <strong>der</strong> Stromversorgung<br />

eröffnet für die Kommunen Chancen zum<br />

Umdenken, die aufgrund <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nmaximierungsbestrebungen<br />

<strong>der</strong> EVU sonst<br />

nicht gegeben wären.<br />

Zusammenarbeit mit Energieversorgungsunternehmen<br />

(EVU)<br />

Die Konzessionsverträge s<strong>in</strong>d mit kurzen<br />

Laufzeiten (5 Jahre) abzuschlieûen. Die<br />

Bundestariffor<strong>der</strong>ung ist für l<strong>in</strong>eare Tarife<br />

zu nutzen. In bestehenden Konzessionsverträgen<br />

bedarf es zusätzlicher Zusammenar-


eitsverträge mit den EVU. Festzuschreiben<br />

s<strong>in</strong>d die Nutzung erneuerbarer Energien,<br />

die effiziente Energieerzeugung vor<br />

Ort (z. B. durch Blockheizkraftwerke) und<br />

gezielte Energiee<strong>in</strong>sparung, das Recht auf<br />

Eigenerzeugung und Durchleitung. Die<br />

E<strong>in</strong>speisung ist vertraglich ebenso zu<br />

regeln, wie die Erlaubnis <strong>der</strong> Energieabgabe<br />

± <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Strom ± an Dritte.<br />

Das EVU soll e<strong>in</strong>e qualifizierte und<br />

kostenlose Energieberatung e<strong>in</strong>richten. Bei<br />

<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von erneuerbaren Energien<br />

s<strong>in</strong>d die EVU zu beteiligen.<br />

Die empfiehlt den Kommunen die E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>es lokal angepaûten E<strong>in</strong>speisetarifes<br />

nach dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> degressiven<br />

kostengerechten Vergütung:<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> kostengerechten Vergütung<br />

wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Bonn bereits mit<br />

Erfolg umgesetzt. Bei <strong>der</strong> degressiven<br />

kostengerechten Vergütung kaufen die<br />

Energieversorgungsunternehmen den von<br />

privaten Erzeugern <strong>in</strong> ihr Netz e<strong>in</strong>gespeisten<br />

Solarstrom zu e<strong>in</strong>em Preis auf, <strong>der</strong> so<br />

hoch ist, daû mit diesem Geld e<strong>in</strong>e optimal<br />

dimensionierte und ausgerichtete Solaranlage<br />

f<strong>in</strong>anziert und betrieben werden kann<br />

(zur Zeit ca. 2,00 DM pro Kilowattstunde).<br />

Die den Energieversorgungsunternehmen<br />

für e<strong>in</strong>gespeisten Solarstrom entstehenden<br />

Mehrkosten werden auf den Strompreis für<br />

alle Kunden umgelegt. Als Obergrenze für<br />

diese Umlage ist e<strong>in</strong>e Tariferhöhung von<br />

1 % (<strong>der</strong> sog. Kohlepfennig beträgt im<br />

Vergleich hierzu momentan 9,1 % des<br />

Strompreises) durch e<strong>in</strong>en Erlaû des M<strong>in</strong>isteriums<br />

für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie<br />

und Verkehrs des Landes NRW<br />

festgelegt. E<strong>in</strong> groûer Vorteil dieses<br />

Systems liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung durch<br />

e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale Strompreiserhöhung für alle<br />

Abnehmer; die öffentlichen Kassen werden<br />

nicht belastet.<br />

Weitere Vorteile s<strong>in</strong>d die bereits geschaffenen<br />

gesetzlichen Grundlagen und <strong>der</strong> nur<br />

ger<strong>in</strong>ge bürokratische Aufwand, die diese<br />

Art <strong>der</strong> E<strong>in</strong>speisevergütung mit sich br<strong>in</strong>gt.<br />

Durch die nach und nach steigende Anzahl<br />

von Solaranlagen wird e<strong>in</strong> allmählicher<br />

Kostenrückgang für die Produktion von<br />

Solarstrom gewährleistet. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

kostengerechten Vergütung kann somit auf<br />

lange Sicht e<strong>in</strong>en entscheidenden Schritt<br />

zur Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

leisten.<br />

Die als rechtmäûig anerkannte E<strong>in</strong>speisevergütung<br />

reicht nicht aus. Deshalb sollen<br />

Fonds e<strong>in</strong>gerichtet werden, damit die<br />

Mehrkosten von allen aufgebracht werden.<br />

Kommunale Gebäude und Anlagen<br />

Kommunale Akteure haben Vorbildfunktion.<br />

Ihre Energiebilanz ist offenzulegen<br />

und entsprechend den Möglichkeiten e<strong>in</strong>er<br />

umweltfreundlichen Energieversorgung zu<br />

optimieren. Hierbei s<strong>in</strong>d auch neue Konzepte<br />

wie Betreibermodelle und Least-<br />

Cost-Plann<strong>in</strong>g zu berücksichtigen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e kommunale Verwaltungsgebäude,<br />

Schulen, Turnhallen u. ä. sollten<br />

über Kraftwärmekopplung versorgt werden.<br />

E<strong>in</strong>e Energiebewirtschaftung mit Planung,<br />

Beschaffung und Verbrauchskontrolle,<br />

Betriebsüberwachung, Schulung und<br />

Information ist zu for<strong>der</strong>n.<br />

Die <strong>in</strong>tegrierte Nutzung solarer Energien<br />

auf Dächern und Fassaden ist durchzuführen.<br />

Zum<strong>in</strong>dest bei Neubauten sollte die<br />

spätere Integration möglich se<strong>in</strong>. Neue,<br />

e<strong>in</strong>zelstehende öffentliche elektrische Anlagen<br />

(Beleuchtungsanlagen, Verkehrsschil<strong>der</strong>,<br />

Telefonkab<strong>in</strong>en, Parkuhren usw.) s<strong>in</strong>d<br />

photovoltaisch zu versorgen. Die Ausstattung<br />

von Schwimmbä<strong>der</strong>n mit Sonnenkollektoren<br />

ist zu forcieren.<br />

Sonstige öffentliche Liegenschaften, Landes-<br />

o<strong>der</strong> Bundesliegenschaften <strong>in</strong> den<br />

Kommunen sollen (energie-)kritisch<br />

betrachtet werden, gegebenenfalls s<strong>in</strong>d notwendige<br />

Verän<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n.<br />

Bewuûtse<strong>in</strong> schaffen<br />

Alle Kreise und kreisfreien Städte sollen<br />

e<strong>in</strong> ¹Solarmusterhausª e<strong>in</strong>richten. Dieses<br />

Solarmusterhaus ± wie das <strong>in</strong> Bonn bereits<br />

vorhandene ± soll den Bürger<strong>in</strong>nen als<br />

Beratungszentrum dienen und die verschiedenen<br />

Nutzungsformen <strong>der</strong> Solarenergie<br />

245


sowie die Vorzüge ökologischen Bauens<br />

veranschaulichen. E<strong>in</strong> repräsentatives<br />

öffentliches Gebäude soll als ¹Solarmusterhausª<br />

photovoltaisch mit Energie versorgt<br />

werden. Dies hätte beson<strong>der</strong>en Vorbildcharakter<br />

und stellt e<strong>in</strong>e hohe Wahrnehmung<br />

durch die Bürger<strong>in</strong>nen sicher.<br />

Die spricht sich für e<strong>in</strong>e stärkere Behandlung<br />

des Themas ¹Regenerative Energienª<br />

<strong>in</strong> den Schulen und Volkshochschulen aus.<br />

Ebenso sollten <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Kommune Beratungsstellen<br />

über die private Nutzung regenerativer<br />

Energien <strong>in</strong>formieren. Die Handwerkskammern<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

spezifische Information- und Fortbildungsprogramme<br />

für Heizungsbauer, Dachdekker,<br />

Schornste<strong>in</strong>feger u. a. anzubieten, um<br />

die technischen Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e<br />

Ausstattung auch privater Gebäude mit<br />

Solaranlagen und den Bau von Niedrigenergiehäusern<br />

zu schaffen.<br />

Ebenso sollen die Fachhochschulen das<br />

Thema verstärkt aufgreifen und vor allem<br />

<strong>in</strong> spezifischen Fächern Bildungsprogramme<br />

zur Nutzung regenerativer Energien<br />

anbieten.<br />

Die mittelrhe<strong>in</strong>ische <strong>SPD</strong> richtet e<strong>in</strong>e<br />

Arbeitsgruppe o<strong>der</strong> Projektgruppe e<strong>in</strong>, die<br />

die Fraktionen, Unterbezirke und Ortsvere<strong>in</strong>e<br />

bei <strong>der</strong> Durch- und Umsetzung von<br />

Maûnahmen im S<strong>in</strong>ne dieses Antrages<br />

unterstützt. Sie beschäftigt sich zudem mit<br />

<strong>der</strong> Erarbeitung regionaler Energiekonzepte.<br />

In diese Energiekonzepte soll die Nutzung<br />

regenerativer Energien an zentraler Stelle<br />

stehen.<br />

Die Arbeitsgruppe prüft anhand e<strong>in</strong>er<br />

Musterkommune die möglichen und s<strong>in</strong>nvollen<br />

Standorte zum Aufstellen von Solartankstellen.<br />

Diese Solartankstandorte können<br />

zum Beispiel Bahnhöfe o<strong>der</strong> wichtige<br />

Haltestellen des Nahverkehrs se<strong>in</strong>.<br />

1000 Dächer Sonne!<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt alles daran, <strong>in</strong> allen Kreisen<br />

und kreisfreien Städten e<strong>in</strong> ¹1 000-Dächer-<br />

Programmª zur För<strong>der</strong>ung von solarver-<br />

246<br />

sorgten Gebäuden <strong>in</strong>s Leben zu rufen.<br />

Hierzu gehören f<strong>in</strong>anzielle Vergünstigungen<br />

und bevorzugte Vergabe von Grundstücken.<br />

För<strong>der</strong>ung von Niedrigenergiehäusern ist<br />

ebenfalls anzustreben.<br />

Wärmelieferung<br />

Privatwirtschaftliche o<strong>der</strong> kommunale<br />

Unternehmen f<strong>in</strong>anzieren gebäudeeigene<br />

Heizungsanlagen und betreiben diese<br />

(Contract<strong>in</strong>g-Modell). Derartige Anlagen<br />

s<strong>in</strong>d meist effizienter als von jedem selbst<br />

betriebene.<br />

Solare Energiequellen<br />

Alle solaren Quellen wie Sonnenkollektoren,<br />

solare Nahwärme, Klär-, Deponieund<br />

Biogasanlagen, Solararchitektur, Wasser-<br />

und W<strong>in</strong>dkraft, Stroh- und Holzheizkraftwerke,<br />

Biomassenvergasungsanlagen,<br />

Pflanzenölmotoren und Photovoltaikanlagen<br />

als Solardächer und -fassaden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

energetische Planungen e<strong>in</strong>zubeziehen, zu<br />

för<strong>der</strong>n und publik zu machen.<br />

F<strong>in</strong>anzierung<br />

Die Betriebskosten für Anlagen erneuerbarer<br />

Energien s<strong>in</strong>d meist ger<strong>in</strong>g, wesentlich<br />

s<strong>in</strong>d die Kapitalkosten für die Anlagen.<br />

Dazu müssen spezielle Programme zur<br />

Vor- und Drittf<strong>in</strong>anzierung aufgelegt werden.<br />

Beteiligung an Solarenergieanlagen<br />

Durch Beteiligung mehrerer Stadtwerke an<br />

kommunalen W<strong>in</strong>dparks, Biomassenzentralanlagen<br />

und an<strong>der</strong>en Anlagen zur direkten<br />

und <strong>in</strong>direkten Nutzung <strong>der</strong> Sonnenenergie<br />

können ggf. nachteilige<br />

Standortbed<strong>in</strong>gungen ausgeglichen und<br />

betriebswirtschaftliche Skaleneffekte<br />

genutzt werden.<br />

För<strong>der</strong>ungen<br />

Programme zur För<strong>der</strong>ung umweltgerechten<br />

Bauens s<strong>in</strong>d zu <strong>in</strong>stallieren bzw. zu<br />

beantragen. Forcierte E<strong>in</strong>führung von Son-


nenkollektoren etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stadtteil ±<br />

e<strong>in</strong>em Bebauungsgebiet ± können zu<br />

erheblichen Rationalisierungseffekten bei<br />

<strong>der</strong> Installation führen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 142<br />

Unterbezirk Oberhausen<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Energiepolitische Leitsätze<br />

1. Energiewende jetzt<br />

Die Energiewende ist <strong>der</strong> Schlüssel zum<br />

ökologischen Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft.<br />

E<strong>in</strong>erseits kann nur e<strong>in</strong>e totale<br />

Umgestaltung <strong>der</strong> weltweiten Energieversorgung<br />

± hierzu zählen wir auch den Verkehrsbereich<br />

± das Überleben unseres Planeten<br />

sichern, an<strong>der</strong>erseits ergeben sich aus<br />

diesem Umbau auch Chancen zur<br />

Zukunftssicherung unserer <strong>in</strong>dustriellen<br />

Produktion und damit auf neue s<strong>in</strong>nvolle<br />

Erwerbsarbeitsplätze.<br />

2. Säulen des Umbaus<br />

Der Umbau des Energieversorgungssystems<br />

muû unseres Erachtens auf drei<br />

gleichberechtigten Säulen ruhen.<br />

a) Energie sparen<br />

Energiee<strong>in</strong>sparung ist <strong>in</strong> den Industrielän<strong>der</strong>n<br />

die potentielle Energiequelle Nummer<br />

E<strong>in</strong>s. Durch verschiedenste technische<br />

Möglichkeiten läût sich <strong>der</strong> Energieverbrauch<br />

drastisch senken. Dies gilt für den<br />

Produktionssektor genauso wie für den privaten<br />

Verbrauch. Dabei ist Energiesparen<br />

nicht nur aus ökologischer Sicht notwendig,<br />

son<strong>der</strong>n rechnet sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch<br />

ökonomisch zum<strong>in</strong>dest mittelfristig.<br />

Dort, wo beson<strong>der</strong>s energieverschwendende<br />

Tätigkeiten stattf<strong>in</strong>den, for<strong>der</strong>n wir<br />

e<strong>in</strong>e schnellstmögliche Umstellung auf<br />

sparsameren und umweltschonenden Energieverbrauch.<br />

Dies gilt vor allem für den Verkehrsbereich.<br />

Hier reicht die Senkung des Spritverbrauchs<br />

des e<strong>in</strong>zelnen Fahrzeugs o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Fahrzeugflotten nicht aus. Es gilt, u. a.<br />

durch den Ausbau des ÖPNV, die gefahrenen<br />

Kilometer drastisch zu senken. Ergänzend<br />

hierzu ist die Weiterentwicklung von<br />

umweltverträglicheren Verkehrsmitteln, wie<br />

dem Schienenverkehr, <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenschiffahrt<br />

o<strong>der</strong> Öko-Autos zu lancieren, auûerdem<br />

s<strong>in</strong>d verbrauchsoptimierte Fahrzeuge, wie<br />

z. B. Autos mit TDI-Technik, steuerlich zu<br />

begünstigen.<br />

Ebenso müssen beson<strong>der</strong>s energie<strong>in</strong>tensive<br />

Produktionsweisen, etwa die Herstellung<br />

von Alum<strong>in</strong>iumverpackungen, verboten<br />

werden.<br />

b) Energieeffizienzrevolution<br />

Der Groûteil <strong>der</strong> bei uns produzierten<br />

Energie bleibt ungenutzt. Sie geht bei zu<br />

langen Transportwegen verloren o<strong>der</strong> als<br />

ungenutzte Abwärme <strong>in</strong> Flüsse o<strong>der</strong> die<br />

Atmosphäre.<br />

Es ist notwendig, den Nutzungsgrad <strong>der</strong><br />

produzierten Energie massiv zu steigern.<br />

Die technischen Möglichkeiten hierzu s<strong>in</strong>d<br />

weitgehend vorhanden. Nie<strong>der</strong>energiehäuser,<br />

bessere Wärmedämmung an Altbauten,<br />

energiesparende Beleuchtung, Kraft-<br />

Wärme-Kopplung und verkürzte Energietransportwege<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Beispiele hierfür.<br />

Zur Umsetzung dieser For<strong>der</strong>ungen ist<br />

e<strong>in</strong>e Reform unseres Energieversorgungssystem<br />

notwendig. Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

zur Energiee<strong>in</strong>sparung müssen per Gesetz<br />

geschaffen werden.<br />

c) Regenerativer Umbau<br />

Die Energieversorgung <strong>der</strong> Zukunft muû<br />

weitestgehend auf regenerativen Energiequellen<br />

ruhen. Regenerative Energiequellen<br />

s<strong>in</strong>d W<strong>in</strong>d, Wasser, Sonne und Bio-<br />

Masse. Ziel muû es se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> Zukunft nicht<br />

mehr Energie zu verbrauchen, als neu zur<br />

Verfügung steht. Zur Zeit verbrauchen wir<br />

durch die Verbrennung fossiler Energieträger<br />

die Energiereserven zukünftiger Generationen.<br />

247


Im Zentrum dieses Umbaus steht die<br />

Solarenergie. Die Nutzung <strong>der</strong> Sonnenenergie<br />

sowohl durch die Umwandlung <strong>in</strong><br />

Strom, o<strong>der</strong> die anschlieûende Erzeugung<br />

von Wasserstoff als Energieträger, als auch<br />

die thermische Nutzung muû zur Hauptenergiequelle<br />

werden. Als E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das<br />

Solarzeitalter for<strong>der</strong>n wir die sofortige Auflage<br />

e<strong>in</strong>es 100000-Dächer-Programms, das<br />

den Bau von Solaranlagen för<strong>der</strong>t. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ist die Errichtung von <strong>in</strong>dividuellen<br />

Solaranlagen groûzügig zu unterstützen.<br />

Beim regenerativen Umbau muû es um<br />

e<strong>in</strong>e Vielzahl von kle<strong>in</strong>en verbrauchsnahen<br />

Anlagen gehen, wie zum Beispiel die Versorgung<br />

von Neubaugebieten mit Fernwärme<br />

aus Block-Heizkraftwerken. Diese<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Bebauungspläne bei <strong>der</strong> Planung<br />

vorzusehen.<br />

Die Solarenergie spielt vor allem beim<br />

<strong>in</strong>ternationalen Umbau <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

die zentrale Rolle. Gerade <strong>in</strong> den<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n muû die notwendige<br />

Technologie zur Nutzung <strong>der</strong> dort meist<br />

reichlich vorhandenen Energiequelle Sonne<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Umsetzung dieser drei Säulen gilt<br />

es, alle Instrumente <strong>der</strong> Umweltpolitik<br />

s<strong>in</strong>nvoll zu verzahnen. Neue Schwerpunktsetzungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungs- und Technologiepolitik<br />

zugunsten regenerativerer<br />

Energiequellen und E<strong>in</strong>spartechniken s<strong>in</strong>d<br />

ebenso notwendig, wie die Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> verbrauchsoptimierten Verbrennung<br />

von fossilen Brennstoffen. Öffentliche<br />

För<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

gesetzlichen Vorgaben, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im<br />

Hochbau, unverzichtbar. Die optimale Verteilung<br />

<strong>der</strong> Mittel sollte von den Kommunen<br />

übernommen werden.<br />

E<strong>in</strong>e maûvolle Erhöhung des Energiepreises<br />

ist unbed<strong>in</strong>gt notwendig.<br />

3. Internationale Umbaustrategie<br />

Von ebenso groûer Bedeutung ist e<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>ternationale Umbaustrategie. Die Län<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> sogenannten ¹Dritten Weltª müssen<br />

genauso <strong>in</strong> den Prozeû e<strong>in</strong>gebunden werden<br />

wie alle Industrielän<strong>der</strong>. Wobei den<br />

248<br />

Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ¹Dritten Weltª e<strong>in</strong>e weitere<br />

ökonomische Entwicklung und e<strong>in</strong>e (maûvolle)<br />

Steigerung des Energieverbrauchs<br />

nicht verwehrt werden darf. Bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

und Umsetzung <strong>der</strong> Umbaustrategie<br />

für die Industrielän<strong>der</strong> kommt <strong>der</strong><br />

Europäischen Union e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Bedeutung zu.<br />

Lieferungen von Anlagen, die den Umweltstandard<br />

<strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

bedeutend erhöhen, s<strong>in</strong>d durch Bundesund<br />

EU-Bürgschaften abzusichern. Bei <strong>der</strong><br />

Entwicklungshilfe sollen <strong>in</strong> Zukunft ökologische<br />

Aspekte e<strong>in</strong>e grundlegende Entscheidungsvariable<br />

se<strong>in</strong>.<br />

Wir for<strong>der</strong>n die Schaffung regionaler Wirtschaftsräume,<br />

um energieverschwendende<br />

Transportwege für Produkte zu verkürzen.<br />

In ihnen sehen wir auch bessere Entwicklungschancen<br />

für die sogenannten Entwicklungslän<strong>der</strong>,<br />

denen durch e<strong>in</strong>e teilweise<br />

Abkoppelung vom Weltmarkt fairere Handelsbed<strong>in</strong>gungen<br />

gegeben werden können.<br />

Aus Wettbewerbsgründen und zur Arbeitsplatzsicherung<br />

ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher<br />

Standard für den Schutz <strong>der</strong> Umwelt<br />

zu vere<strong>in</strong>baren. Die Bundesrepublik muû<br />

sich stärker als bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong>setzen,<br />

um e<strong>in</strong>e europaweite Harmonisierung <strong>der</strong><br />

Umweltrichtl<strong>in</strong>ien zu realisieren.<br />

4. Atomausstieg jetzt<br />

Erste Voraussetzung für e<strong>in</strong>e ökologisch<br />

verantwortbare Energieversorgung ist <strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> beschlossene Ausstieg aus <strong>der</strong><br />

Kernenergie.<br />

5. Energie muû teurer werden<br />

Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er maûvollen Energiesteuer,<br />

e<strong>in</strong>gebunden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ökologische<br />

Steuerreform, ist notwendig. Diese Verteuerung<br />

muû möglichst global durchgesetzt<br />

werden. Mit diesen Mitteln kann beispielsweise<br />

<strong>der</strong> ÖPNV ausgebaut werden<br />

und die Erforschung energiesparen<strong>der</strong><br />

Technologien geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Bei <strong>der</strong> Ausgestaltung dieser Steuer gilt es,<br />

die externen Kosten <strong>der</strong> Energieproduk-


tion, etwa die Umweltzerstörung durch die<br />

Verbrennung fossiler Energieträger o<strong>der</strong><br />

die Endlagerungskosten für Atommüll, <strong>in</strong><br />

den Energiepreis e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Notwendig ist e<strong>in</strong>e Umgestaltung <strong>der</strong><br />

Stromtarife. Die Belohnung von hohem<br />

Energieverbrauch durch Preisrabatte muû<br />

umgehend beendet werden.<br />

6. Neuorganisation <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g: Von <strong>der</strong> Versorgung<br />

zur Dienstleistung<br />

Die Energieversorgungsunternehmen müssen<br />

zu Energiedienstleistern umgebaut werden,<br />

die nicht am Verkauf ± von möglichst<br />

viel ± Energie <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong><br />

ökonomisches Interesse an <strong>der</strong> Senkung<br />

des Energieverbrauchs haben. Hierzu müssen<br />

sie <strong>in</strong> Zukunft nicht Energie, son<strong>der</strong>n<br />

Energiedienstleistungen (warme Räume,<br />

Licht, Kühlung von Lebensmitteln) verkaufen.<br />

Zur Zeit besteht das Interesse <strong>der</strong><br />

Konzerne im Verbrauch, also auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Verschwendung von möglichst viel Energie.<br />

Werden sie für ihre Dienstleistungen<br />

bezahlt, haben sie selbst e<strong>in</strong> Interesse, diese<br />

Dienstleistungen so billig wie möglich zu<br />

produzieren, also auch mit sowenig wie<br />

möglich Energie zu produzieren.<br />

Mit diesem Konzept wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />

Staaten <strong>der</strong> USA durch massive Energiee<strong>in</strong>sparung<br />

die Senkung <strong>der</strong> Kosten für die<br />

Kunden bei gleichzeitiger Profitsteigerung<br />

<strong>der</strong> Unternehmen erreicht.<br />

E<strong>in</strong>e solche Umorganisation bedarf e<strong>in</strong>es<br />

umfassenden Planungskonzeptes-für die<br />

Energieversorgung, mit dem Ziel <strong>der</strong> möglichst<br />

kostengünstigsten und umweltschonendsten<br />

Bereitstellung <strong>der</strong> Energiedienstleistungen.<br />

Dabei müssen Verbraucher und<br />

Energieunternehmen für volkswirtschaftlich<br />

s<strong>in</strong>nvolle E<strong>in</strong>sparungen- belohnt werden.<br />

Der Planungsprozeû bedarf <strong>der</strong> Kontrolle<br />

durch die Öffentlichkeit und e<strong>in</strong>er<br />

Neuorganisation und Ausweitung <strong>der</strong> Aufsicht<br />

für die Energieversorgung.<br />

7. Ökonomische Auswirkungen des ökologischen<br />

Umbaus des Energieversorgungssystems<br />

a) Umbau <strong>der</strong> Kohle<br />

Statt das Konzept des schleichenden Todes<br />

des Kohlebergbaus fortzusetzen, bei dem<br />

Schritt für Schritt F<strong>in</strong>anzmittel, Produktionsmengen<br />

und Arbeitsplätze abgebaut<br />

werden, ohne das alternative Arbeitsplätze<br />

entstehen, for<strong>der</strong>n wir das Umsteuern h<strong>in</strong><br />

zum Umbau des Energiesystems.<br />

Dies bedeutet:<br />

Es darf ke<strong>in</strong>e Entlassungen im Bergbau<br />

geben.<br />

Nur durch e<strong>in</strong> planvolles Umstiegskonzept<br />

kann den heutigen Bergbauregionen e<strong>in</strong>e<br />

langfristige ökonomische Perspektive geboten<br />

werden. Langfristig wird Ste<strong>in</strong>kohle<br />

zur Energiegew<strong>in</strong>nung ökologisch und<br />

ökonomisch problematisch. Wir benötigen<br />

aber weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Sockel an Bergwerken,<br />

um die Weiterentwicklung von<br />

umweltkonzilianten Kohle-Kraftwerkstechnologien<br />

zu gewährleisten.<br />

Dazu s<strong>in</strong>d verläûliche Regelungen zur<br />

Sicherung des E<strong>in</strong>satzes heimischer Ste<strong>in</strong>kohle<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verstromung und zur Stahlerzeugung<br />

zu schaffen.<br />

Freiwerdende F<strong>in</strong>anzmittel sollen <strong>in</strong> den<br />

betroffene Regionen <strong>in</strong> Maûnahmen zur<br />

Produktion von Solarenergietechnik o<strong>der</strong><br />

Energiespartechnik <strong>in</strong>vestiert werden. Die<br />

betroffenen Regionen werden so zu Produktionsschwerpunkten<br />

<strong>in</strong> zukunftsträchtigen<br />

Bereichen.<br />

E<strong>in</strong>e auf die Sicherung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

gerichtete Energiepolitik muû als<br />

zentrales Ziel die langfristige Nutzung <strong>der</strong><br />

heimischen Energieträger be<strong>in</strong>halten.<br />

b) Zukunftschancen nutzen<br />

Der Umbau des Energiesystems bietet<br />

ungeheure ökonomische Möglichkeiten. Er<br />

setzt durch E<strong>in</strong>sparung volkswirtschaftliche<br />

Mittel frei, und er erschlieût neue Produktionsfel<strong>der</strong>.<br />

Wir gehen davon aus, daû die-<br />

249


ser Umbau <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesamtbilanz e<strong>in</strong>e groûe<br />

Anzahl dauerhafter Arbeitsplätze schafft.<br />

Diese Chancen müssen aber konsequent<br />

und aktiv genutzt werden.<br />

Wichtig ist, neu entstehende Industrien<br />

dort anzusiedeln, wo alte Strukturen zerstört<br />

werden, auch hier ist staatliches Handeln,<br />

etwa durch Investitionspolitik, notwendig.<br />

Ansonsten entstehen soziale<br />

Verwerfungen, die den energiepolitischen<br />

Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft gefährden.<br />

Schnelles und entschlossenes Handeln von<br />

allen Beteiligten ist notwendig, um im<br />

<strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb die Chancen<br />

für die Ansiedlung <strong>der</strong> Entwicklungs- und<br />

Produktionsstätten für zukunftsweisende<br />

Energietechniken <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region zu nutzen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 143<br />

Kreisverband Rems-Murr<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Leitsätze für e<strong>in</strong>e strategische<br />

Energie-Initiative<br />

I. Leitsätze für e<strong>in</strong>e Strategische Energie-<br />

Initiative<br />

1. Die Erneuerung <strong>der</strong> Energiebasis ist<br />

von existentieller Bedeutung für die weitere<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Zivilisation. Alle Innovationen<br />

<strong>in</strong> Industrie, Dienstleistungen, Verkehr<br />

und Landwirtschaft werden obsolet,<br />

wenn nicht e<strong>in</strong>e ökologische verträgliche<br />

Energiebasis gesichert ist. Die ökologischen<br />

Folgen des fossilen Energieverbrauchs,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für das Weltklima,<br />

wie auch die mit <strong>der</strong> Atomenergienutzung<br />

verbundenen Gefahren s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e historisch<br />

e<strong>in</strong>zigartige Hypothek, die den folgenden<br />

Generationen überlassen und <strong>der</strong>en wirtschaftliche<br />

und kulturelle Lebenschancen<br />

drastisch beschneiden wird.<br />

Ohne ökologische Energiewende drohen<br />

schwerwiegende <strong>in</strong>ternationale Konflikte<br />

und ist e<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> Entwicklungskrise<br />

<strong>der</strong> sogenannten Dritten Welt nicht denk-<br />

250<br />

bar. Mit e<strong>in</strong>er ökologischen Energiewende<br />

haben wir die Chance zur Schaffung zahlreicher<br />

neuer Arbeitsplätze. Auûerdem lassen<br />

sich dadurch die Energiebedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Menschheit dauerhaft sichern. E<strong>in</strong>e<br />

Strategische Energienitiative ist notwendig,<br />

um <strong>der</strong> existentiellen Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

gerecht zu werden und die damit verbundenen<br />

Chancen ergreifen zu können.<br />

2. Wegen des unauflöslichen Zusammenhangs<br />

zwischen nationaler bzw. europäischer<br />

Energieversorgung und dem globalen<br />

Energie-Dilemma muû die <strong>SPD</strong> ihre<br />

Energiepolitik global def<strong>in</strong>ieren, ohne die<br />

eigenen Initiativen von <strong>in</strong>ternationalen Vere<strong>in</strong>barungen<br />

abhängig zu machen.<br />

E<strong>in</strong>e nationale Energiepolitik ohne Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> globalen Energiekrise führt<br />

zu kurzsichtigen Antworten. Die Antwort<br />

auf die globale Energiekrise, die auf e<strong>in</strong>e<br />

strategische Entscheidung zugunsten Energieeffizienz<br />

und Erneuerbarer Energien<br />

h<strong>in</strong>auslaufen muû, kann ohne <strong>in</strong>dustrielle<br />

und technologische Leistungsfähigkeit von<br />

führenden Industriestaaten wie Deutschland<br />

nicht zeitgerecht gegeben werden.<br />

Neue Maûstäbe und Schwerpunkte für die<br />

globale Energieversorgung s<strong>in</strong>d nur glaubwürdig<br />

zu vertreten, wenn wir sie auch <strong>in</strong><br />

Deutschland und <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU konsequent<br />

praktizieren.<br />

Dies ergibt sich nicht zuletzt aus unserer<br />

Verantwortung als e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> führenden<br />

Industrielän<strong>der</strong> und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />

Möglichkeit zur Mobilisierung ökologischer<br />

Energietechniken. Globale Verantwortung<br />

und wirtschaftliche Standortsicherung<br />

können und müssen politisch und<br />

wirtschaftlich synchronisiert werden. Die<br />

Mobilisierung von ökologischen Energietechnologien<br />

ist e<strong>in</strong>e groûe Chance für die<br />

Innovation des Technologiestandorts<br />

Deutschland im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb.<br />

3. Zentrales Ziel ist <strong>der</strong> zügige Abbau <strong>der</strong><br />

durch fossilen Energieverbrauch hervorgerufenen<br />

ökologischen Belastungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> CO 2-Emissionen, sowie die<br />

Beendigung <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Atomenergie


wegen <strong>der</strong> damit verbundenen Gefahren.<br />

Wege dazu s<strong>in</strong>d rationellere Energienutzung<br />

(Effizienz), energiebewuûtes Konsumverhalten<br />

(Suffizienz) und die Nutzung<br />

Erneuerbarer Energien (Substitution).<br />

Bis zum Jahr 2015 soll <strong>der</strong> Anteil Erneuerbarer<br />

Energien an <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

Deutschlands und <strong>der</strong> EU auf 25 % gesteigert<br />

werden. Bei e<strong>in</strong>er Reduzierung des<br />

gegenwärtigen atom/fossilen Energieverbrauchs<br />

durch Effizienssteigerungen und<br />

energiesparende Nutzerstrukturen um<br />

33 % <strong>in</strong> Deutschland bedarf es dazu e<strong>in</strong>er<br />

Verfünffachung des gegenwärtigen Beitrages<br />

Erneuerbarer Energien. Bei e<strong>in</strong>er<br />

Reduzierung des atomar/fossilen Energiesatzes<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> EU von 25 % bedarf es dazu<br />

e<strong>in</strong>er Verdreifachung des Beitrags Erneuerbarer<br />

Energien. Der gegenwärtige Anteil<br />

Erneuerbarer Energien ist überwiegend<br />

von <strong>der</strong> Groûwasserkraft geprägt. E<strong>in</strong> statistisch<br />

nicht erfaûter Anteil ergibt sich aus<br />

Fortschritten <strong>in</strong> <strong>der</strong> positiven Nutzung<br />

thermischer Solarenergie <strong>in</strong> Gebäuden.<br />

Der Ausbau <strong>der</strong> erneuerbaren Energien<br />

wird nicht bei <strong>der</strong> Groûwasserkraft liegen,<br />

son<strong>der</strong>n zunächst vor allem <strong>in</strong> den Bereichen<br />

<strong>der</strong> thermischen Solarenergienutzung<br />

<strong>in</strong> Gebäuden, <strong>der</strong> W<strong>in</strong>dkraft, Biomasse und<br />

<strong>der</strong> Photovoltaik. Die Photovoltaik wird<br />

erst nach e<strong>in</strong>er notwendigen längeren<br />

Anlaufzeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Massenfertigung e<strong>in</strong>en<br />

sichtbaren Anteil an <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

übernehmen. Auch für die Substitution von<br />

fossilen Treibstoffen für Erneuerbare Energien<br />

s<strong>in</strong>d längere Anlaufzeiten nötig.<br />

4. Diese Ziele müssen und können realisiert<br />

werden durch<br />

± Mobilisierung neuer Energietechnologien,<br />

mit <strong>der</strong>en Hilfe <strong>der</strong> Bedarf atomarer<br />

und fossiler Energiequellen reduziert<br />

wird (<strong>in</strong>dustriell-gewerblicher Effekt)<br />

± dezentralisierte und damit effiziensoptimierte<br />

Strukturen des Energieangebotes<br />

durch verän<strong>der</strong>te Rahmenbed<strong>in</strong>gungenvor<br />

allem im Energiewirtschaftsrecht, im<br />

Steuerrecht, im Baurecht und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Agrarmarktordnung (Dezentralisierungseffekt).<br />

± Senkung bzw. Elim<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> laufenden<br />

Kosten des Energiee<strong>in</strong>satzes (wirtschaftlicher<br />

Entlastungseffekt).<br />

5. Es ist notwendig und möglich, bereits<br />

e<strong>in</strong>getretene Klimaschädigungen wenigstens<br />

teilweise dadurch rückgängig zu<br />

machen, daû Maûnahmen zur Wie<strong>der</strong>aufforstung<br />

zentraler Bestandteil unserer Klimaschutzpolitik<br />

und <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />

werden. Damit können erhebliche<br />

Mengen an CO 2 aus <strong>der</strong> Atmosphäre natürlich<br />

gespeichert und wie<strong>der</strong> vermehrt<br />

natürliche Wasserspeicher geschaffen werden.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus werden damit Überschwemmungs-<br />

und Überflutungsgefahren<br />

reduziert. H<strong>in</strong>zu kommt, die Chance des<br />

Ausbaus forstwirtschaftlicher Strukturen <strong>in</strong><br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />

6. Die Neustrukturierung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

ist zu e<strong>in</strong>em Wettlauf mit <strong>der</strong> Zeit<br />

geworden. Aus ökologischen Gründen<br />

kann es sich die Menschheit nicht leisten,<br />

die jetzt bekannten Vorkommen an Energierohstoffen<br />

<strong>in</strong> den nächsten Jahrzehnten<br />

unbeschrankt zu verbrennen. Daraus ergibt<br />

sich, daû selbst unter <strong>der</strong> Voraussetzung<br />

neuer Funde die Zeit zur Ablösung nichterneuerbarer<br />

Energieträger drängt.<br />

Wie eilbedürftig die Substitution nichterneuerbarer<br />

Energieträger ist, zeigt sich<br />

an <strong>der</strong> IEA-Prognose e<strong>in</strong>er Steigerung des<br />

globalen Energieverbrauchs bis zum Jahr<br />

2010 um 50 %. Sie macht deutlich, daû<br />

wesentlich umfassen<strong>der</strong>e und konsequentere<br />

Anstrengungen als bisher nötig s<strong>in</strong>d,<br />

um die Ziele <strong>der</strong> Klima-Konvention von<br />

1992 umzusetzen. Effizienz und energiebewuûtes<br />

Konsumverhalten s<strong>in</strong>d die Motoren<br />

für e<strong>in</strong>e quantitative und wirtschaftliche<br />

Beschleunigung <strong>der</strong> Substitution.<br />

Die ¹Pugwashª-Konferenz für Wissenschaft<br />

und Weltprobleme, die 1996 den<br />

Friedensnobelpreis erhielt, hat <strong>in</strong> ihrem<br />

Statut festgestellt: ¹Die <strong>der</strong>zeit bestehenden<br />

und geplanten nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />

Programme für Forschung, Entwicklung,<br />

Demonstration und praktischen<br />

E<strong>in</strong>satz von alternativen Energien und<br />

Endverbrauchssystemen, die mit <strong>der</strong> vom<br />

251


Treibhauseffekt bedrohten Welt verträglich<br />

wären, s<strong>in</strong>d vollständig unangemessen<br />

angesichts <strong>der</strong> Gröûe dieses Problems.ª<br />

Es geht dr<strong>in</strong>glich um die drastische Reduzierung<br />

und Substitution nichterneuerbarer<br />

Energien <strong>in</strong> allen Anwendungsbereichen,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e beim Stromverbrauch, bei <strong>der</strong><br />

Wärmeversorgung und im Verkehrsbereich.<br />

7. Die Substitution fossiler Energien durch<br />

Atomenergie soll nicht weiter verfolgt werden.<br />

Die Atomenergie ist ke<strong>in</strong>e Zukunftstechnologie,<br />

weil<br />

± ihre Nutzung e<strong>in</strong>e Infrastruktur erfor<strong>der</strong>t,<br />

die auch zur Herstellung von<br />

Atomwaffen miûbraucht werden kann;<br />

± e<strong>in</strong> Reaktorversagen mit vergleichbar<br />

katastrophalen Folgen wie <strong>in</strong> Tschernobyl<br />

auch bei zukünftigen Reaktoren nicht<br />

ausgeschlossen werden kann, dies <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

auch angesichts <strong>der</strong> Möglichkeit<br />

von politischer Instabilität, Sabotage<br />

o<strong>der</strong> Kriegse<strong>in</strong>wirkung;<br />

± e<strong>in</strong>e Endlagerung des Atommülls, die<br />

se<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong> die belebte Sphäre<br />

während <strong>der</strong> Jahrtausende andauernden<br />

extremen Strahlungsgefährlichkeit aufschlieût,<br />

sich als weltweit nicht praktikabel<br />

herausgestellt hat. Das- Potential<br />

Erneuerbarer Energien reicht pr<strong>in</strong>zipiell<br />

aus, um ohne Atomkraft ± auch bei<br />

Erschöpfung <strong>der</strong> fossilen Energieträger ±<br />

die Weltenergieversorgung sichern zu<br />

können.<br />

Die öffentliche För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Atomforschung<br />

ist ebenso e<strong>in</strong>zustellen wie die Fusionsforschung.<br />

Letztere wurde <strong>in</strong>ternational<br />

schon seit vier Jahrzehnten mit enormem,<br />

nutzlosem Aufwand betrieben mit dem<br />

¹Erfolgª, daû ihre Protagonisten nun die<br />

groûtechnischen Anwendungen für das Jahr<br />

2050 <strong>in</strong> Aussicht stellen, wobei von Wirtschaftlichkeit<br />

gar nicht die Rede ist.<br />

8. Der ¹Dritten Weltª ± die durch die beiden<br />

Ölkrisen zwischen 1973 und 1981 <strong>in</strong><br />

ihre Hochverschuldung getrieben wurde<br />

(Versechsfachung ihrer Schulden auf<br />

1,2 Billionen Dollar), die seitdem nicht<br />

252<br />

abgetragen werden konnten ± droht durch<br />

e<strong>in</strong>e weitere Ölkrise e<strong>in</strong> ökonomisches<br />

Desaster. Rasche Krisenvorsorge ist nötig.<br />

Dies ist nur möglich mit Erneuerbaren<br />

Energien, weil<br />

± diese <strong>in</strong> den ländlichen Räumen, die<br />

nicht an e<strong>in</strong> Stromnetz angeschlossen<br />

s<strong>in</strong>d, schon jetzt preisgünstiger s<strong>in</strong>d als<br />

herkömmliche Energien;<br />

± damit devisenfressende Energieimporte<br />

durch heimische Energieträger abgelöst<br />

werden können;<br />

± e<strong>in</strong>e sehr viel schnellere Bereitstellung<br />

und Installation <strong>der</strong> Energietechnologien<br />

möglich wird.<br />

In den städtischen und <strong>in</strong>dustriellen Strukturen<br />

<strong>der</strong> Dritten Welt müssen gleichzeitig<br />

schnelle Effekte <strong>der</strong> Umweltentlastung und<br />

des Energiee<strong>in</strong>sparens durch e<strong>in</strong>en Transfer<br />

von Effizienztechnologien erzielt werden.<br />

9. Höhere Energiepreise s<strong>in</strong>d nicht gleichbedeutend<br />

mit höheren Energiekosten.<br />

Entscheidend ist <strong>der</strong> tatsächliche Anteil <strong>der</strong><br />

laufenden Energiekosten an den Produktions-<br />

und Energieverbrauchskosten, <strong>der</strong><br />

durch Effizienzsteigerungen und Erneuerbare<br />

Energien überall reduziert werden<br />

kann.<br />

E<strong>in</strong> Vergleich <strong>der</strong> Energiekosten ergibt,<br />

daû die deutschen Energiekosten etwa <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Mitte zwischen denen <strong>der</strong> USA und<br />

Japans liegen. Gleichzeitig zeigt sich aber,<br />

daû <strong>in</strong> den USA trotz <strong>der</strong>en mit Abstand<br />

niedrigsten Energiepreisen <strong>der</strong> Energiekostenanteil<br />

<strong>in</strong> den Haushalten und <strong>der</strong> Industrie<br />

höher liegt als <strong>in</strong> Deutschland, weil<br />

das amerikanische Energiepreissystem<br />

ke<strong>in</strong>e Anreize zur Erhöhung <strong>der</strong> Effizienz<br />

bietet. Die japanische Wettbewerbsposition<br />

ist durch höhere Energiepreise nicht bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />

In Dänemark gibt es <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Stromversorgung niedrigere Energiepreise<br />

trotz ke<strong>in</strong>eswegs niedriger Energiesteuer,<br />

weil dort die Strukturen <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

dezentraler und effizienzorientierter<br />

s<strong>in</strong>d.


Effizienzorientierte und dezentrale Strukturen<br />

haben e<strong>in</strong>en positiveren E<strong>in</strong>fluû auf<br />

das Kostenniveau für Energie als die Energiepreise.<br />

10. Die Energiediskussion <strong>in</strong> Deutschland<br />

ist verengt auf simple aktuelle kalkulatorische<br />

Kostenvergleiche e<strong>in</strong>zelner Energieträger.<br />

Die ökologische und die mittel- und<br />

langfristige volkswirtschaftliche Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Energieversorgung wird dabei weitgehend<br />

ausgeklammert. Daû strategische<br />

Weichenstellungen für Energieeffizienz als<br />

Belastungsfaktor empfunden werden,<br />

obwohl dadurch die Energieproduktivität<br />

gesteigert wird, verrät e<strong>in</strong> weitverbreitetes<br />

Denken <strong>in</strong> statischen Wirtschaftskategorien,<br />

die <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

e<strong>in</strong>er dynamischen Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Wirtschaft entspricht. Daû die Bedeutung<br />

Erneuerbarer Energien systematisch<br />

verdrängt wird, ist Ausdruck gefährlicher<br />

Zukunftsvergessenheit.<br />

Offensichtlich ist die Energiewirtschaft<br />

mittlerweile <strong>der</strong>art übermonopolisiert, daû<br />

diese Strukturen wirtschaftlich <strong>in</strong>flexibel<br />

und zukunftsunfähig geworden s<strong>in</strong>d. Der<br />

von <strong>der</strong> Energiewirtschaft selbst angestrebte<br />

Strukturwandel orientiert sich fast<br />

ausschlieûlich auf e<strong>in</strong>e Fortsetzung des<br />

Konzentrations- und Monopolisierungsprozesses<br />

zu immer weniger Unternehmen.<br />

Dieser Weg verbessert nicht die Chancen<br />

zu e<strong>in</strong>er Bewältigung <strong>der</strong> energiestrategischen<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen, son<strong>der</strong>n verschlechtert<br />

sie. Durch den h<strong>in</strong>haltenden<br />

Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Energiewirtschaft gegenüber<br />

Erneuerbaren Energien droht die<br />

deutsche Industrie auf diesem Sektor vom<br />

Weltmarkt erneuerbarer Energietechnologien<br />

abgehängt zu werden, obwohl es sich<br />

hierbei um den neben <strong>der</strong> Informationstechnologie<br />

gröûten Weltmarktsektor des<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>ts handelt.<br />

II. Die Strategische Energie-Initiative<br />

1. Globale Initiativen<br />

Die Entwicklungsstrategien müssen ihren<br />

zentralen Schwerpunkt auf Erneuerbare<br />

Energien und Energie-Effizienz konzen-<br />

trieren. Zwischen den Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

e<strong>in</strong>e Energieversorgung <strong>in</strong> den ländlichen<br />

Räumen und <strong>in</strong> den Groûstädten muû<br />

genau unterschieden werden.<br />

Beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit muû <strong>der</strong> Nutzung<br />

<strong>der</strong> Biomasse zukommen: statt <strong>der</strong><br />

heute <strong>in</strong> ländlichen Räumen weitverbreiteten<br />

Holzenergieversorgung durch Waldund<br />

Vegetationsvernichtung geht es hier<br />

um e<strong>in</strong>e Energieversorgung aus nachhaltiger<br />

Land- und Forstwirtschaft e<strong>in</strong>schlieûlich<br />

umfassen<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufforstungsmaûnahmen.<br />

Auf diesem Wege können nicht<br />

nur e<strong>in</strong>e Flächenkonkurrenz zwischen<br />

Energie- und Nahrungsmittelerzeugung<br />

vermieden werden, son<strong>der</strong>n auch die kurzfristigen<br />

wirtschaftlichen Motive zur Waldvernichtung<br />

durch langfristige wirtschaftliche<br />

Motive zur Wal<strong>der</strong>haltung ersetzt<br />

werden.<br />

Notwendig s<strong>in</strong>d<br />

1.1 E<strong>in</strong>e politische Initiative für die E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>er Internationalen Solarenergie-Agentur,<br />

um den nichtkommerziellen<br />

Technologietransfer zu sichern. Es ist<br />

untragbar, daû im Bereich des Transfers<br />

von Energietechnologien als <strong>in</strong>ternationale<br />

Organisation alle<strong>in</strong> die Internationale<br />

Atomenergie-Agentur (IAEA) tätig ist,<br />

während es für Transfer von Technologien<br />

Erneuerbarer Energien und zur Energieeffizienzsteigerung<br />

ke<strong>in</strong>e vergleichbare <strong>in</strong>ternationale<br />

E<strong>in</strong>richtung gibt.<br />

E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe dafür ist die völkerrechtliche<br />

Verflechtung des Transfers ziviler<br />

Atomtechnologien im atomaren Nichtverbreitungsvertrag<br />

von 1970 ± als Gegenleistung<br />

zum Verzicht auf Atomwaffen. Daraus<br />

ergibt sich die Notwendigkeit <strong>der</strong><br />

Ergänzung des atomaren Nichtverbreitungsvertrages<br />

um e<strong>in</strong>en Solaren Verbreitungsvertrag,<br />

um damit die Verpflichtung<br />

zum atomaren Technologietransfer ablösen<br />

zu können.<br />

1.2 E<strong>in</strong>e Initialisierung zur Breitene<strong>in</strong>führung<br />

Erneuerbarer Energien <strong>in</strong> den ländlichen<br />

Räumen <strong>der</strong> Dritten Welt, um damit<br />

sowohl die Energieversorgung sicherzustellen<br />

als auch die land- und forstwirtschaftli-<br />

253


che Entwicklung zu för<strong>der</strong>n. In den ländlichen<br />

Räumen, die ke<strong>in</strong>en Anschluû an e<strong>in</strong><br />

Stromnetz und e<strong>in</strong>e wenig ausgebaute Straûen-Infrastruktur<br />

haben, s<strong>in</strong>d Erneuerbare<br />

Energien bereits jetzt nicht nur die<br />

umweltfreundlichste, son<strong>der</strong>n auch die<br />

kostengünstigste Möglichkeit <strong>der</strong> Energieversorgung.<br />

E<strong>in</strong> solches Programm sollte zusammen<br />

mit <strong>der</strong> EU-Kommission gestartet werden<br />

und e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Aktionsschwerpunkt<br />

auf Afrika legen. Basis dazu s<strong>in</strong>d die bereits<br />

vorliegenden Durchführungsstrategien für<br />

e<strong>in</strong> ¹Power for the Worldª- und e<strong>in</strong> ¹Photovoltaic<br />

for the Worlds Villagesª-Programm.<br />

1.3 E<strong>in</strong>e Initiative zur globalen Aufforstung<br />

auf den degradierten Flächen. Dazu<br />

sollte e<strong>in</strong> UN-Aktionsplan zur Wal<strong>der</strong>haltung,<br />

Wie<strong>der</strong>aufforstung und Wie<strong>der</strong>begrünung<br />

(Forest Conservation, Afforestation<br />

and Regreen<strong>in</strong>g) gestartet werden,<br />

wobei <strong>der</strong> FAO e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Durchführungsverantwortung<br />

zukommen muû, um<br />

dieses Programm mit <strong>der</strong> Stabilisierung<br />

und Entwicklung land- und forstwirtschaftlicher<br />

Strukturen zu verknüpfen. E<strong>in</strong><br />

wesentliches Element für die Durchführung<br />

e<strong>in</strong>es solchen Programms ist die Ausbildung<br />

forstwirtschaftlicher Fachleute <strong>in</strong><br />

den Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />

1.4 E<strong>in</strong>e Initiative für die Bildung e<strong>in</strong>er<br />

Europäischen Übersee-Energiebank, um<br />

damit den F<strong>in</strong>anzbedarf <strong>der</strong> Dritten Welt<br />

für die vorgenannten Initiativen befriedigen<br />

zu helfen. E<strong>in</strong>e solche Bank muû sich vor<br />

allem auf die Vergabe von Kle<strong>in</strong>krediten<br />

konzentrieren und bedarf deshalb <strong>der</strong><br />

Zusammenarbeit mit den lokalen und<br />

regionalen Banken <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />

1.5 Um zum F<strong>in</strong>anzbedarf <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong><br />

für ökologische Energie-Investitionen<br />

beitragen zu können, halten wir<br />

die Bereitstellung e<strong>in</strong>es Anteils von 50 %<br />

aus dem Aufkommen e<strong>in</strong>er Besteuerung<br />

des Flugtreibstoffes für notwendig. Dies<br />

erleichtert auch die <strong>in</strong>ternationale Akzeptanz<br />

e<strong>in</strong>er solchen Besteuerung, weil viele<br />

254<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> auf wirtschaftliche<br />

E<strong>in</strong>nahmen durch Tourismus gesetzt<br />

haben, <strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>e Besteuerung des<br />

Flugtreibstoffes reduziert würde.<br />

1.6 Die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Exportausschusses<br />

für Erneuerbare Energien. Das Instrument<br />

<strong>der</strong> Exportbürgschaften muû für<br />

Erneuerbare Energien bereitgestellt werden.<br />

Bei Wirtschaftsdelegationen <strong>der</strong><br />

Regierung müssen Unternehmen, die<br />

erneuerbare und effiziente Energietechnologien<br />

anbieten, e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

2. Initiativen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> EU und <strong>in</strong> Bezug auf<br />

die Hilfsmaûnahmen <strong>der</strong> EU für neue EU-<br />

Beitrittslän<strong>der</strong>, osteuropäische Län<strong>der</strong> und<br />

den südlichen Mittelmeerraum ist es nötig,<br />

e<strong>in</strong> energieökologisches Aktionsprogramm<br />

zu starten.<br />

Dazu gehört<br />

2.1 e<strong>in</strong>e neue EU-Initiative zu e<strong>in</strong>er Stimulierung<br />

<strong>der</strong> ökologischen Energiereformen<br />

mit Hilfe von Preisanreizen. Unter<br />

Berücksichtigung bisheriger gescheiterter<br />

Anläufe zu e<strong>in</strong>er EU-Steuer ist <strong>der</strong> erste<br />

Schritt dazu die Aufhebung aller Richtl<strong>in</strong>ien,<br />

die e<strong>in</strong>e Subventionierung atomarer<br />

und fossiler Energieträger EU-weit festschreiben.<br />

E<strong>in</strong> weiterer Schritt ist die generelle<br />

Befreiung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien und<br />

<strong>der</strong> Kraft-Wärme-Kopplung von <strong>der</strong><br />

Mehrwertsteuer <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Europäischen<br />

Union. Dies löst Investitionen und<br />

Beschäftigungsimpulse aus, mit denen auch<br />

Steuerausfälle im Bereich <strong>der</strong> Mehrwertsteuer<br />

überkompensiert werden können.<br />

Unabhängig davon bleiben EU-Initiativen<br />

für e<strong>in</strong>e Höherbesteuerung des E<strong>in</strong>satzes<br />

atomarer und fossiler Energien nötig. Dies<br />

kann auch differenziert nach Energieträgern<br />

erfolgen und sollte e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destbesteuerung<br />

geme<strong>in</strong>schaftlich festschreiben,<br />

so daû EU-Mitgliedslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> eigener Entscheidung<br />

darüber h<strong>in</strong>ausgehen können.


2.2 Vorrangig sollte e<strong>in</strong>e EU-Steuer auf<br />

Flugtreibstoff beschlossen werden, e<strong>in</strong>e<br />

Besteuerung von Strom aus Kondensationskraftwerken<br />

und e<strong>in</strong>e stufenweise Anhebung<br />

<strong>der</strong> M<strong>in</strong>eralölsteuer. Im Bereich des<br />

Flugverkehrs sollten darüber h<strong>in</strong>aus geson<strong>der</strong>te<br />

Gebühren auf Flugkarten erhoben<br />

werden. Die E<strong>in</strong>nahmen daraus sollten<br />

dem Ausbau des Schienennetzes und <strong>der</strong><br />

Investitionsför<strong>der</strong>ung für schienengebundene<br />

Verkehrssysteme zukommen.<br />

2.3 Die E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> EU-Beihilfen für<br />

den Ausbau <strong>der</strong> Hochspannungsleitungen,<br />

weil damit die Installation und <strong>der</strong> Betrieb<br />

<strong>in</strong>effizienter groûer atomar/fossiler Kraftwerke<br />

begünstigt wird.<br />

2.4 Die strikte Umsetzung <strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie<br />

für den Stromb<strong>in</strong>nenmarkt beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> unternehmerischen Trennung<br />

von Stromproduktion, Stromtransport<br />

und Stromverteilung. Dazu gehört,<br />

daû kartellrechtlich weitere Unternehmensfusionen<br />

unterbunden werden müssen, die<br />

Produktions-, Transport und Verteilungsstrukturen<br />

weiter verflechten.<br />

2.5 E<strong>in</strong>e Initiative für e<strong>in</strong>e EU-weite E<strong>in</strong>speiserichtl<strong>in</strong>ie<br />

von Strom aus Erneuerbaren<br />

Energien und aus Kraft-Wärme-Kopplung,<br />

die dieser E<strong>in</strong>speisung Vorrang gibt<br />

und als M<strong>in</strong>destvergütung die durchschnittlichen<br />

Bezugskosten e<strong>in</strong>es Verteilerunternehmens<br />

zuzüglich e<strong>in</strong>es Umweltaufschlags<br />

vorsieht.<br />

2.6 E<strong>in</strong>e Verordnung <strong>der</strong> EU-Kommission,<br />

wonach bei Kreditvergaben <strong>der</strong> Europäischen<br />

Investitionsbank (EIB) und <strong>der</strong><br />

European Bank for Recovery and Development<br />

(EBRD) auf dem Energiesektor Investitionen<br />

zur Kraft-Wärme-Kopplung o<strong>der</strong><br />

Erneuerbarer Energien Vorrang haben<br />

müssen, wenn sie unter Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Effizienzgew<strong>in</strong>ne und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesparten<br />

laufenden Energiekosten zu gleichen o<strong>der</strong><br />

besseren wirtschaftlichen Ergebnissen kommen.<br />

2.7 Die Integration von Investitionen für<br />

Erneuerbare Energien und Energieeffizienz<br />

<strong>in</strong> die EU-Strukturför<strong>der</strong>- und Regionalprogramme<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>es Vor-<br />

rangs dafür bei vergleichbarer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />

bei allen die<br />

Energieumwandlung und -verteilung<br />

betreffenden För<strong>der</strong>maûnahmen.<br />

2.8 Geson<strong>der</strong>te Aktionsprogramme <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

EU für Energieträger auf den Gebieten <strong>der</strong><br />

Erneuerbaren Energien, die alle<strong>in</strong> durch<br />

steuerliche Anreize und durch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>speiserichtl<strong>in</strong>ie<br />

noch nicht zur Entfaltung<br />

kommen können. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

für die Photovoltaik, für die e<strong>in</strong> 4000<br />

Megawatt-Programm bis 2010 nötig ist.<br />

Dazu gehört die vom EU-Parlament und<br />

vom EU-Energiekommissar Papoutsis<br />

befürwortete Initiative für e<strong>in</strong> 500 000-<br />

Dächer-Programm ebenso wie die E<strong>in</strong>führungsprogramm<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Dritten Welt (siehe<br />

Punkt 1.2).<br />

2.9 Die Schaffung e<strong>in</strong>es EURENEW-Vertrags<br />

für Erneuerbare Energien. Die För<strong>der</strong>ung<br />

und Entwicklung <strong>der</strong> Atom- und<br />

Fusionsenergie auf EU-Ebene ist e<strong>in</strong>zustellen.<br />

EURATOM muû <strong>der</strong> gleichen Kontrolle<br />

durch das EU-Parlament unterstellt<br />

werden wie an<strong>der</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftse<strong>in</strong>richtungen<br />

und sich künftig auf die Fragen <strong>der</strong><br />

atomaren Sicherheitskontrolle beschränken.<br />

3. Nationale Initiativen<br />

Die deutsche Energiepolitik steht heute<br />

mehr als <strong>in</strong> jedem an<strong>der</strong>en Land unter dem<br />

immer offenkundiger werdenden Gegensatz<br />

zwischen wohlkl<strong>in</strong>genden Absichtserklärungen<br />

und <strong>der</strong>en praktischer Miûachtung<br />

durch strukturkonservative<br />

Verharrung.<br />

Die Bundesregierung hat sich ± allen voran<br />

Bundeskanzler Kohl sowohl 1992 vor <strong>der</strong><br />

Riokonferenz als auch 1997 vor <strong>der</strong> UN-<br />

Son<strong>der</strong>generalversammlung ± für ambitionierte<br />

Ziele ausgesprochen (25 % Emissionsm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

bis 2005), aber auûer dem<br />

mittlerweile vom Bundeswirtschaftsm<strong>in</strong>ister<br />

<strong>in</strong>fragegestellten Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz<br />

für Erneuerbare Energien zu ke<strong>in</strong>en Initiativen<br />

durchgerungen. Aus dem <strong>in</strong>ternational<br />

beispielhaften und stark beachteten<br />

Bericht <strong>der</strong> Enquete-Kommission zum<br />

Schutz <strong>der</strong> Erdatmosphäre s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e nen-<br />

255


nenswerten Konsequenzen gezogen worden.<br />

Dabei s<strong>in</strong>d die Voraussetzungen <strong>in</strong><br />

Deutschland für e<strong>in</strong>e ökologische Energiereform<br />

günstiger als <strong>in</strong> vielen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch e<strong>in</strong>e, dafür aufgeschlossenen<br />

Bevölkerungsmehrheit, hohe<br />

technologische Standards im Bereich <strong>der</strong><br />

Energiealternativen und durch das Vorliegen<br />

ausgereifter Reformkonzepte als<br />

Ergebnis e<strong>in</strong>er jahrelang geführten Alternativdiskussion.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt, daû Deutschland<br />

als Hochverbrauchsland für Energie<br />

groûe Effizienzsteigerungspotentiale hat.<br />

Dem gegenüber steht e<strong>in</strong> absolut unzulängliches<br />

Markte<strong>in</strong>führungsprogramm <strong>der</strong><br />

Bundesregierung für Erneuerbare Energien<br />

(1997: 18 Mio. DM); e<strong>in</strong> Wirrwarr an<br />

unterschiedlichen För<strong>der</strong>programmen <strong>in</strong><br />

Bundeslän<strong>der</strong>n, die zu e<strong>in</strong>em ständigen<br />

¹stop and goª führen und die kont<strong>in</strong>uierliche<br />

Entwicklung des Produktions- und<br />

Installationsgewerbes verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, und zahllose<br />

adm<strong>in</strong>istrative Schikanen bis <strong>in</strong> untere<br />

Verwaltungsebenen, die erneuerbaren<br />

Energien gegenüber fossilen Energien<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Bürger und Unternehmen<br />

entmotivieren.<br />

Neben ordnungspolitischen Maûnahmen<br />

im Bereich <strong>der</strong> Besteuerung atomarer und<br />

fossiler Energien und <strong>der</strong> Vorrangregelungen<br />

für Strom aus Erneuerbaren Energien<br />

und aus Blockheizkraftwerken ist es nötig,<br />

die Genehmigungshürden für Erneuerbare<br />

Energien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesetzgeberischen Entwurf<br />

zu beseitigen, e<strong>in</strong>e Technologieoffensive<br />

zu starten und e<strong>in</strong>e verläûliche F<strong>in</strong>anzierungsgrundlage<br />

für private Investitionen<br />

zu schaffen.<br />

Folgende politische <strong>in</strong>itiativen s<strong>in</strong>d vordr<strong>in</strong>glich:<br />

3.1 E<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform bleibt<br />

e<strong>in</strong> aktuell unerläûliches und unaufschiebbares<br />

Erfor<strong>der</strong>nis für e<strong>in</strong>e Energiereform<br />

wie für die Schaffung e<strong>in</strong>er neuen materiellen<br />

Basis <strong>der</strong> Industriegesellschaft.<br />

Dazu gehört die Abschaffung aller umweltschädlichen<br />

Steuerprivilegien auf nicht-<br />

256<br />

erneuerbare Energien, u. a. die Auflösung<br />

bzw. Nachversteuerung überzogener Rückstellungen<br />

für die atomare Entsorgung, <strong>der</strong><br />

Steuerbefreiung des Flugtreibstoffs und <strong>der</strong><br />

M<strong>in</strong>eralölsteuerbefreiung für m<strong>in</strong>eralverarbeitende<br />

Betriebe. Diese Steuerbefreiungen<br />

stellen e<strong>in</strong>e Fehlallokation von Mitteln dar<br />

und wi<strong>der</strong>sprechen marktwirtschaftlichen<br />

Pr<strong>in</strong>zipien. Die Groûe Steuerreform muû<br />

mit <strong>der</strong> ökologischen Steuerreform verknüpft<br />

werden.<br />

Elemente dieser Steuerreform s<strong>in</strong>d:<br />

± Entlastung von Arbeitskosten durch<br />

Höherbelastung des Verbrauchs nichterneuerbarer<br />

Energieträger;<br />

± Steuerbefreiung für Erneuerbare Energien;<br />

± F<strong>in</strong>anzierung von Initiativen für die<br />

Mobilisierung erneuerbarer Energietechnologien<br />

aus den Mehre<strong>in</strong>nahmen durch<br />

abgeschaffte Steuerprivilegien für<br />

atomare und fossile Energien.<br />

± Die ökologische Steuerreform muû<br />

durch ordnungspolitische Maûnahmen<br />

flankiert werden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im<br />

Bereich <strong>der</strong> Gebäudeheizung nach dem<br />

Beispiel <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Solaranlagen-Verordnung.<br />

3.2 Die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />

muû im Rahmen <strong>der</strong> Vorgaben<br />

<strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie so erfolgen, daû<br />

dadurch die ökologische und marktwirtschaftliche<br />

Umgestaltung des Energiesystems<br />

geför<strong>der</strong>t statt ± wie bei Realisierung<br />

des <strong>der</strong>zeitigen Regierungsentwurfs zu<br />

befürchten ± beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird. Die Entflechtung<br />

von Stromproduktion, -transport und<br />

-verteilung muû vorangetrieben werden.<br />

Unternehmen <strong>in</strong> mehrheitlich öffentlicher<br />

Hand sollten beispielhaft nach diesen<br />

Funktionen entflochten werden.<br />

3.3 Gegen den weiteren Aufkauf von städtischen<br />

Verteilerunternehmen muû <strong>der</strong><br />

Netzrückkauf durch Geme<strong>in</strong>den erleichtert<br />

werden, <strong>der</strong> den Netzwert am Restwert<br />

orientiert. Vom Verkauf von Stadtwerken<br />

durch Städte raten wir ab, wenn diese die<br />

Konzentrationsprozesse för<strong>der</strong>n und den


Spielraum für die Schaffung effizienter<br />

dezentralisierter Versorgungsstrukturen<br />

e<strong>in</strong>engen. Bei Privatisierungen sollte ebenfalls<br />

zwischen Produktion, Transport und<br />

Verteilung unterschieden werden mit dem<br />

Ziel, die Netzbetriebe <strong>in</strong> öffentlicher Hand<br />

zu halten.<br />

3.4 Der <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie ausdrücklich<br />

angesprochene Vorrang für Strome<strong>in</strong>speisung<br />

aus Erneuerbaren Energien und aus<br />

Kraft-Wärme-Kopplung muû im Energiewirtschaftsgesetz<br />

dauerhaft verankert und<br />

Maûnahmen zur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Stromverbrauchs<br />

durch <strong>in</strong>tegrierte Ressourcenplanung<br />

geför<strong>der</strong>t werden. Basis <strong>der</strong> Preiskalkulation<br />

für den Bezug <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />

Energien durch Transport- und Verteilerunternehmen<br />

s<strong>in</strong>d die durchschnittlichen<br />

vermiedenen Bezugskosten aus <strong>der</strong> Lieferung<br />

konventioneller Energien, zuzüglich<br />

e<strong>in</strong>es Umweltaufschlags für die Lieferung<br />

emissionsfreier Energien. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>speisung für Erneuerbare Energien<br />

muû das <strong>der</strong> Kostendeckung für den<br />

Erzeuger se<strong>in</strong>, gemessen an den sich dynamisch<br />

entwickelten Produktivitätsstandards.<br />

Mehrkosten für Verteilerunternehmen<br />

müssen ausgeglichen werden durch e<strong>in</strong>e<br />

Ausgleichsleistung im Transport- und Verteilungssektor.<br />

E<strong>in</strong>e Mehrwertsteuerbefreiung<br />

für Strom aus Erneuerbaren Energien<br />

und aus Kraft-Wärme Kopplung kann ganz<br />

o<strong>der</strong> teilweise e<strong>in</strong> ¾quivalent dafür se<strong>in</strong>.<br />

3.5 Um die F<strong>in</strong>anzierung von Initiativen<br />

für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz<br />

sicherzustellen, for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e spezielle<br />

Lenkungsabgabe für den Energieverbrauch<br />

aus atomaren und fossilen<br />

Energiequellen, auch auûerhalb des Stromsektors,<br />

von 0,5 Pfennig pro Kilowattstunde,<br />

die zweckgebunden zu 50 % für<br />

Investitionsbeihilfen für Erneuerbare Energien<br />

und zu 50 % für Investitionen <strong>in</strong><br />

Energiee<strong>in</strong>sparung verwendet werden sollen.<br />

Dies würde zu e<strong>in</strong>em jährlichen Aufkommen<br />

von etwa 14 Milliarden DM zur<br />

F<strong>in</strong>anzierung aller über das Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz<br />

h<strong>in</strong>ausgehenden Maûnahmen<br />

zur ökologischen Energiereform führen.<br />

E<strong>in</strong>e solche Lenkungsabgabe ist im Juni<br />

vom Schweizer Nationalrat verabschiedet<br />

worden. Sie sieht e<strong>in</strong>e Abgabe von 0,6<br />

Rappen auf die Kilowattstunde Energieverbrauch<br />

(alle konventionellen Energieträger),<br />

was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz jährlich e<strong>in</strong><br />

F<strong>in</strong>anzvolumen von 1 Mrd. Franken mobilisiert.<br />

Diese Summe soll je zur Hälfte für<br />

För<strong>der</strong>maûnahmen zur Energieeffizienzsteigerung<br />

und für Erneuerbare Energien<br />

verwendet werden. Diese Regelung soll<br />

solange <strong>in</strong> Kraft bleiben, bis <strong>der</strong> Anteil<br />

Erneuerbarer Energien an <strong>der</strong> Energieversorgung<br />

<strong>der</strong> Schweiz 50 % überschritten<br />

hat.<br />

Die Mehrkosten für die gesetzliche Strome<strong>in</strong>speisung<br />

aus erneuerbaren Energien bei<br />

den Verteilerunternehmen können auf die<br />

Lenkungsabgabe angerechnet werden. Die<br />

E<strong>in</strong>nahmen aus <strong>der</strong> Lenkungsabgabe sollen<br />

nach dem E<strong>in</strong>wohnerschlüssel auf die Bundeslän<strong>der</strong><br />

verteilt werden, die <strong>in</strong> Eigenverantwortung<br />

ihre För<strong>der</strong>programme gestalten.<br />

3.6 Das von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> konzipierte Gesetz<br />

zur <strong>in</strong>dustriellen Photovoltaikför<strong>der</strong>ung<br />

(Dächer- und Fassadenprogramm) muû<br />

ausgeweitet und unverzüglich <strong>in</strong> die Praxis<br />

umgesetzt werden. E<strong>in</strong> weiterer Zeitaufschub<br />

führt dazu, daû sich <strong>der</strong> wachsende<br />

Weltmarkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Photovoltaik endgültig<br />

ohne die deutsche Industrie entfaltet. Notwendig<br />

ist e<strong>in</strong> 4000-Megawatt-Programm<br />

für die Produktion von Photovoltaik-Kapazitäten<br />

bis 2010, um damit die Massenfertigung<br />

anzukurbeln. Das 100 000-Dächerund<br />

Fassadenprogramm ist e<strong>in</strong> wesentliches<br />

Anschubelement dafür.<br />

Da die Photovoltaik <strong>der</strong> vielseitigste Energieträger<br />

für die Nutzung Erneuerbarer<br />

Energien mit groûen Weltmarktperspektiven<br />

ist, liegt es im <strong>in</strong>dustriestrategischen<br />

Interesse, die gesamte Produktionskette<br />

von <strong>der</strong> Produktion von Solarsilizium und<br />

an<strong>der</strong>en Solarzellenmaterialien bis zur Produktion<br />

<strong>der</strong> Solarzellen und <strong>der</strong> Modulfertigung<br />

im Industriestandort Deutschland<br />

zu haben. Entsprechende Produktions<strong>in</strong>itiativen<br />

müssen deshalb geför<strong>der</strong>t werden.<br />

257


E<strong>in</strong> solches Gesetz muû darüber h<strong>in</strong>aus um<br />

weitere Fel<strong>der</strong> zur Mobilisierung <strong>der</strong> PV-<br />

Technik ergänzt werden. PV-Fassaden an<br />

den Südflächen von neuen öffentlichen<br />

Verwaltungsbauten müssen ebenso verordnet<br />

werden wie PV-Stromversorgungssysteme<br />

für alle neuen stromversorgten freistehenden<br />

Verkehrsschil<strong>der</strong>, Haltestellen,<br />

Parkautomaten und Straûenbeleuchtungsanlagen.<br />

3.7 E<strong>in</strong> Gesetz zur Genehmigunserleichterung<br />

von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer<br />

Energien <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Artikelgesetzes<br />

ist nötig, das die Diskrim<strong>in</strong>ierung Erneuerbarer<br />

Energien <strong>in</strong> adm<strong>in</strong>istrativen Genehmigungsverfahren<br />

beseitigt. Dazu gehört<br />

die Deklarierung Erneuerbarer Energien<br />

als öffentlicher Belang ± wegen ihres Charakters<br />

als heimische Energiequelle, ihrer<br />

dauerhaften Verfügbarkeit und ihrer Emissionsfreiheit<br />

bzw. <strong>der</strong> CO 2-Neutralität von<br />

energetisch genutzter Biomasse ± und<br />

damit als positiver Abwägungstatbestand <strong>in</strong><br />

Genehmigungsverfahren sowohl im Bundesnaturschutzgesetz,<br />

im Baugesetzbuch<br />

und im Bundes-Immissionsschutzgesetz.<br />

Alle Anlagen Erneuerbarer Energien müssen<br />

noch nach § 35 Abs. 1 privilegiert werden.<br />

Ausgleichs- und Ersatzmaûnahmen<br />

müssen entfallen und die Verwaltungsgebühren<br />

bei Genehmigungsverfahren bundese<strong>in</strong>heitlich<br />

geregelt werden. In Gebäude<br />

<strong>in</strong>tegrierte Photovoltaikanlagen und solarthermische<br />

Anlagen müssen genehmigungsfrei<br />

se<strong>in</strong>. Im Falle <strong>der</strong> Biomasse muû<br />

die Verbrennung Vorrang vor <strong>der</strong> Kompostierung<br />

haben. Bestehende Wasserrechte<br />

müssen <strong>in</strong> Kraft bleiben, auch wenn es<br />

Unterbrechungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nutzung gegeben<br />

hat. Die Genehmigungsdauer von Wasserkraftwerken<br />

bis zu 1 MW muû von 30 auf<br />

60 Jahre verlängert werden.<br />

Um die teilweise von Stadt zu Stadt bzw.<br />

Landkreis zu Landkreis gegensätzliche<br />

Genehmigungspraxis mit zahllosen Fällen<br />

unvorhersehbarer Genehmigungswillkür<br />

und überlange Genehmigungsfristen zu<br />

überw<strong>in</strong>den, müssen Genehmigungsverfahren<br />

auf drei Monate begrenzt werden und<br />

für Streitfälle auf Län<strong>der</strong>ebene Schiedsstel-<br />

258<br />

len bei Verwaltungsgerichten e<strong>in</strong>geführt<br />

werden, die mehrheitlich entscheiden und<br />

denen neben e<strong>in</strong>em Richter je e<strong>in</strong> Vertreter<br />

von Naturschutzverbänden und e<strong>in</strong> Vertreter<br />

von geme<strong>in</strong>nützigen Verbänden Erneuerbarer<br />

Energien angehören.<br />

3.8 Die Nutzung <strong>der</strong> W<strong>in</strong>dkraft muû ausgeweitet<br />

werden durch Planung und<br />

Errichtung von den Küsten vorgelagerten<br />

(offshore-) W<strong>in</strong>dparks. Darüber h<strong>in</strong>aus sollen<br />

Vorranggebiete für W<strong>in</strong>dkraft<strong>in</strong>stallationen<br />

entlang <strong>der</strong> Bundesfernstraûen<br />

ermittelt und ausgewiesen werden.<br />

3.9 Im Bereich <strong>der</strong> Landwirtschaft muû<br />

die Flächenstillegung beendet werden. Statt<br />

dessen muû e<strong>in</strong> För<strong>der</strong>programm für die<br />

Land- und Forstwirtschaft mit Anschubf<strong>in</strong>anzierung<br />

im Rahmen des Common Agricultural<br />

Programm <strong>der</strong> EU für den nachhaltigen,<br />

umweltverträglichen Aufbau von<br />

Energiepflanzen und von Energiewäl<strong>der</strong>n<br />

aufgelegt werden. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Bereitstellung von Energieträgern<br />

aus Biomasse muû flankiert werden durch<br />

anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Gasifizierung<br />

von Biomasse.<br />

3.10 Zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> solaren Stromerzeugung<br />

<strong>in</strong> sonnenreichen Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />

muû auch bei uns die Entwicklung<br />

von solarthermischen Stromerzeugungssystemen<br />

vorangetrieben und <strong>der</strong> Bau auswärtiger<br />

Demonstrationsanlagen geför<strong>der</strong>t<br />

werden, vor allem im Mittelmeerraum.<br />

3.11 Die Automobil<strong>in</strong>dustrie sollte die<br />

Auflage erhalten, bis zum Jahr 2000 e<strong>in</strong>en<br />

serienreifen Prototypen für brennstoffzellenbetriebene<br />

Straûenfahrzeuge <strong>in</strong> allen<br />

von ihr angebotenen Fahrzeugklassen fertigzustellen.<br />

Dies ist gegebenenfalls mit<br />

Forschungs- und Entwicklungsmitteln zu<br />

unterstützen.<br />

3.12 Zur E<strong>in</strong>dämmung und Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

des noch ständig zunehmenden Energieverbrauchs<br />

des Autoverkehrs ist sowohl die<br />

energische Reduzierung des Verbrauchs<br />

künftig produzierter Fahrzeuge erfor<strong>der</strong>lich<br />

als auch die Substitution von Autoverkehr<br />

durch Schienen- und Fahrradverkehr. Die


technischen Voraussetzungen für Fahrzeuge<br />

mit wesentlich ger<strong>in</strong>gerem Kraftstoffverbrauch<br />

± z. B. für das 3 Liter-Auto ±<br />

existieren. Da aber <strong>der</strong> Markt nur sehr<br />

zögerlich reagiert, bedarf es lenken<strong>der</strong> E<strong>in</strong>griffe.<br />

Erfor<strong>der</strong>lich ist e<strong>in</strong>e Flottenverbrauchsregelung<br />

wie <strong>in</strong> Kalifornien: den<br />

Herstellern wird e<strong>in</strong> maximaler Durchschnittsverbrauch<br />

für die jährlich verkauften<br />

Fahrzeuge zur Auflage gemacht und<br />

dieser Durchschnittsverbrauch wird <strong>in</strong><br />

Zukunft reduziert. Zusätzlich müssen<br />

Höchstverbrauchsgrenzen, die ke<strong>in</strong> neues<br />

Fahrzeug überschreiten darf, e<strong>in</strong>geführt<br />

werden.<br />

3.13 Zur Substitution des Autoverkehrs<br />

muû <strong>der</strong> öffentliche Verkehr verbessert<br />

werden, u.a. <strong>der</strong> Nahverkehr verdichtet<br />

werden. In <strong>der</strong> Bundesverkehrswegeplanung<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis des Geme<strong>in</strong>deverkehrsf<strong>in</strong>anzierungsgesetzes<br />

muû <strong>der</strong> Ausbau<br />

und die Mo<strong>der</strong>nisierung des Schienennetzes<br />

und des regionalen Nahverkehrs Priorität<br />

haben. Der Strome<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Schienenverkehrssystemen<br />

sollte von <strong>der</strong><br />

Mehrwertsteuer befreit werden.<br />

3.14 Die Gebäudeheizung ist <strong>der</strong> Sektor<br />

mit dem höchsten Anteil am deutschen<br />

Energieverbrauch, aber auch mit dem<br />

höchsten und am kostengünstigsten<br />

erschlieûbaren E<strong>in</strong>sparpotential sowohl bei<br />

den existierenden Bauten (Altbauten) als<br />

auch bei zukünftigen Neubauten. Die <strong>in</strong><br />

nächster Zukunft erfor<strong>der</strong>liche und mögliche<br />

Novellierung <strong>der</strong> Wärmeschutzverordnung<br />

muû den Energieverbrauch von Neubauten<br />

auf das Niveau <strong>der</strong> vielfach<br />

erprobten Niedrigenergiebauweise ± maximal<br />

50 kWh/m; ± begrenzen. Bau- und<br />

Raumordnungsrecht, Raumordnungs- und<br />

Flächennutzungspläne müssen zudem die<br />

Ziele Energiesparen und Nutzung Erneuerbarer<br />

Energien berücksichtigen. Die<br />

Nutzung von Holz als Baumaterial sollte<br />

geför<strong>der</strong>t werden. Die E<strong>in</strong>führung von<br />

Energiepässen sollte den energetischen<br />

Standard überprüfbar machen.<br />

3.15 Das mittelfristig bedeutendste Energiesparpotential<br />

liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> energetischen<br />

Sanierung von Altbauten und im zügigen<br />

Ausbau <strong>der</strong> Wärmeversorgung <strong>der</strong><br />

Gebäude durch Kraft-Wärme-Kopplung.<br />

Beides muû systematisch <strong>in</strong> groûangelegten<br />

Programmen, die viele Arbeitsplätze schaffen,<br />

vorangetrieben werden. Es ist anzustreben,<br />

<strong>in</strong> den kommenden zehn Jahren<br />

Gebäude mit <strong>in</strong>sgesamt zehn Millionen<br />

Wohnungen auf den Stand des Energiebedarfs<br />

heutiger Neubauten zu br<strong>in</strong>gen.<br />

3.16 Die Wärmeversorgung <strong>in</strong> Kraft-<br />

Wärme-Kopplung so auszubauen, daû ihr<br />

Marktanteil von <strong>der</strong>zeit knapp 10 % auf<br />

50 % anwächst. Dieser Anteil, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Dänemark<br />

im Laufe <strong>der</strong> letzten 15 Jahre erreicht<br />

wurde, muû <strong>in</strong> Deutschland bis zum Jahr<br />

2015 realistisch erreichbar se<strong>in</strong>. Wir erreichen<br />

dieses Ziel durch e<strong>in</strong>e Vorrangstellung<br />

von Strom aus Blockheizkraftwerken<br />

bei <strong>der</strong> Strome<strong>in</strong>speisung und durch e<strong>in</strong>e<br />

Befreiung von Blockheizkraftwerken von<br />

<strong>der</strong> Energiesteuer.<br />

3.17 Für die F<strong>in</strong>anzierung Erneuerbarer<br />

Energien sollten von <strong>der</strong> Kreditanstalt für<br />

Wie<strong>der</strong>aufbau, <strong>der</strong> Deutschen Ausgleichsbank<br />

und <strong>der</strong> Postbank Solar- und Energiesparkredite<br />

angeboten werden, die<br />

neben langen Laufzeiten und Z<strong>in</strong>svergünstigungen<br />

die e<strong>in</strong>gesparten Energiekosten<br />

<strong>in</strong> die Abschreibung e<strong>in</strong>beziehen. Investitionen<br />

für Erneuerbare Energien müssen<br />

Bestandteil <strong>der</strong> Bausparför<strong>der</strong>ung werden.<br />

Um e<strong>in</strong>e bundese<strong>in</strong>heitliche För<strong>der</strong>praxis<br />

für solarthermische Anlagen zu bekommen,<br />

sollte <strong>der</strong>en Erwerb von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer<br />

freigestellt werden.<br />

3.18 Die Forschung und Entwicklung für<br />

Erneuerbare Energien muû e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en<br />

Schwerpunkt legen auf Bereiche, die<br />

<strong>der</strong> denzentralisierten Struktur des E<strong>in</strong>satzes<br />

von Solar- und Effizienztechnologien<br />

und von Informationstechnologien entsprechen:<br />

± beschleunigte Technologien zur Biomassevergasung,<br />

von M<strong>in</strong>i-Blockheizkraftwerken<br />

und Kle<strong>in</strong>anlagen zur Wasserstoffgew<strong>in</strong>nung<br />

und solarer<br />

Kühltechnologien, womit 24 groûe Versorgungsbeiträge<br />

für die. Hausenergie-<br />

259


versorgung durch Erneuerbare Energien<br />

aufgeschlossen werden<br />

± solare Energieversorgung für mo<strong>der</strong>ne<br />

netzunabhängige Systeme (PC, Mobiltelefone,<br />

Haushaltsgeräte) und für standby-Systeme<br />

(Fernsehapparate, Faxgeräte),<br />

womit die Solartechnologie <strong>in</strong> die<br />

Massenprodukte <strong>der</strong> Informationstechnologie<br />

<strong>in</strong>tegriert wird und b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es<br />

Jahrzehnts alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland mehrere<br />

tausend MW konventioneller Kraftwerkskapazitäten<br />

ersetzt werden können;<br />

± Hybrid-Systeme komb<strong>in</strong>ierte Stromerzeugung.<br />

aus W<strong>in</strong>dkraft, Photovoltaik,<br />

Solarthermik und Biomasse.<br />

3.19 Im Bereich <strong>der</strong> Ausbildung muû e<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Schwerpunkt auf die Handwerker-Fortbildung<br />

für Erneuerbare Energien<br />

gelegt werden nach dem Beispiel <strong>der</strong> Wiener<br />

Solarbauschule o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Solarschule<br />

<strong>der</strong> Elektromeister<strong>in</strong>nung <strong>in</strong> Stuttgart.<br />

3.20 Die För<strong>der</strong>mittel aus <strong>der</strong> Lenkungsabgabe<br />

sollten vorrangig für die solare<br />

Umrüstung aller Bildungsstätten, (K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten,<br />

Schulen, Berufsschulen, Universitäten)<br />

verwendet werden, um für und mit <strong>der</strong><br />

jungen Generation den Aufbruch <strong>in</strong>s Solarzeitalter<br />

zu vollziehen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 144<br />

Landesverband Saar<br />

Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>-Sieg-Kreis<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

Europa braucht neue Energien<br />

Aktionsplan zum Ausbau <strong>der</strong><br />

Erneuerbaren Energien<br />

I. E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong>s Solarzeitalter:<br />

Kernfrage für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

Die Durchsetzung e<strong>in</strong>er umweltfreundlichen<br />

Energieversorgung gehört zu den<br />

Schlüsselproblemen für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />

Wer e<strong>in</strong>e nachhaltige Entwicklung<br />

för<strong>der</strong>n, Arbeitsplätze sichern und das<br />

260<br />

Klima schonen will, muû neue Wege <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Energiepolitik gehen.<br />

Nach den Prognosen <strong>der</strong> Internationalen<br />

Energieagentur (IEA) wird <strong>der</strong> Energieverbrauch<br />

durch das Wachstum <strong>der</strong> Weltbevölkerung<br />

und das Wachstum <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

bis zum Jahre 2020 um ca.<br />

100 % ansteigen. Der Ausstoû von z.B.<br />

CO 2 wird <strong>in</strong> diesem Zeitraum um weitere<br />

90 % zunehmen, wenn <strong>der</strong> Energie-Mix<br />

bei dem heute bestehenden Niveau bleibt.<br />

Um e<strong>in</strong>e Klimakatastrophe mit allen negativen<br />

Folgen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, darf <strong>der</strong> Ausstoû<br />

von CO 2 und an<strong>der</strong>en Klimagasen im<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht weiter steigen, son<strong>der</strong>n<br />

muû kont<strong>in</strong>uierlich reduziert werden.<br />

Das wissenschaftliche Expertengremium<br />

<strong>der</strong> UNO (IPCC) verlangt e<strong>in</strong>e Senkung<br />

des CO 2-Ausstoûes bis zum Jahre 2010 um<br />

20 %, bis zum Jahre 2030 um 50 % und<br />

bis zum Jahre 2050 um 80 %. Derart weitreichende<br />

Absenkungen bei den Klimagasen<br />

s<strong>in</strong>d notwendig, um die Erdatmosphäre<br />

trotz des wachsenden Energiehungers <strong>der</strong><br />

Menschheit nicht aus dem Gleichgewicht<br />

zu br<strong>in</strong>gen.<br />

E<strong>in</strong>e Neuorientierung <strong>der</strong> Energiepolitik<br />

ist unumgänglich. Im Energie-Mix <strong>der</strong><br />

Zukunft muû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />

Energiequellen erheblich gesteigert werden.<br />

Neben e<strong>in</strong>er Politik zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Energieeffizienz ist e<strong>in</strong>e konsequente<br />

Politik zur Verbreitung <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />

Energien notwendig. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Industrielän<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d aufgerufen, den E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> das Solarzeitalter zu beg<strong>in</strong>nen.<br />

II. Europäische Union als Modell für nachhaltige<br />

Energiepolitik<br />

Die Politik <strong>der</strong> europäischen E<strong>in</strong>igung war<br />

von Anfang an mit <strong>der</strong> Bewältigung von<br />

Energieproblemen verbunden. So hatte <strong>der</strong><br />

MONTAN-Vertrag von 1951 die För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Kohleenergie und <strong>der</strong> EURA-<br />

TOM-Vertrag von 1957 die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Kernenergie zum Ziel.<br />

Mit Blick auf das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t ist e<strong>in</strong><br />

neuer Abschnitt <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen euro-


päischen Energiepolitik notwendig. Europa<br />

muû zu e<strong>in</strong>em weltweiten Modell für e<strong>in</strong>e<br />

nachhaltige Entwicklung werden. Der E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> das Solarzeitalter ist e<strong>in</strong> strategischer<br />

Punkt zur Erreichung von Zukunftsfähigkeit.<br />

Der Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />

bietet mehrere Vorteile: Neue Technologien<br />

geben Impulse für die europäische<br />

Wirtschaft, die dezentrale Nutzung dieser<br />

Energien för<strong>der</strong>t die mittelständische Industrie<br />

und das Handwerk, die Schaffung von<br />

Arbeitsplätzen ist höher als bei an<strong>der</strong>en<br />

Energiearten und die Erneuerbaren Energien<br />

bieten wachsende Exportchancen. So<br />

haben ca. 2 Milliarden Menschen auf <strong>der</strong><br />

Welt ke<strong>in</strong>en Zugang zu Elektrizität. Erneuerbare<br />

Energien s<strong>in</strong>d deshalb e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />

für Europa, noch enger mit den<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n zusammen zu arbeiten.<br />

Die Wettbewerber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />

± USA und Japan ± haben diese<br />

technologiepolitische Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

längst angenommen.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund von ca. 20 Millionen<br />

Arbeitslosen und dem jährlichen Ausstoû<br />

von 3 Milliarden Tonnen CO 2 ist e<strong>in</strong><br />

Zukunftsprojekt ¹Arbeit und Umwelt¹ mit<br />

dem Ziel e<strong>in</strong>er nachhaltigen Energiepolitik<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union dr<strong>in</strong>gend geboten.<br />

III. Aktionsplan für e<strong>in</strong> ¹Solares Europaª<br />

Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d von Natur aus<br />

unerschöpfliche und heimische Energiequellen.<br />

In <strong>der</strong> Europäischen Union s<strong>in</strong>d<br />

die Potentiale von W<strong>in</strong>d, Wasser, Solarthermie,<br />

Photovoltaik, Biomasse, Erdwärme,<br />

Gezeiten- und Wellenenergie um<br />

e<strong>in</strong> mehrfaches gröûer als <strong>der</strong> jährliche<br />

Energieverbrauch.<br />

E<strong>in</strong> ¹Solares Europaª ist nicht so sehr e<strong>in</strong>e<br />

Frage <strong>der</strong> vorhandenen Energiereserven<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> bekannten Technologien. Ob e<strong>in</strong><br />

Solares Europa realisiert wird, ist e<strong>in</strong>zig<br />

und alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Frage des politischen Willens<br />

und <strong>der</strong> ökonomischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Erneuerbaren Energien.<br />

Der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Solarzeitalter muû<br />

durch e<strong>in</strong> Bündel von Maûnahmen erreicht<br />

werden.<br />

1. Die Europäische Union muû e<strong>in</strong> klares<br />

Ziel vorgeben<br />

Die Energieversorgung <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union muû bis zum Jahre 2050 zu 50 %<br />

auf Erneuerbare Energien umgestellt werden.<br />

Als erster Schritt sollte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />

Erneuerbarer Energien am Energieverbrauch<br />

von <strong>der</strong>zeit 5 % auf 15 % am Energieverbrauch<br />

im Jahre 2010 gesteigert werden.<br />

E<strong>in</strong> klares Ziel zur umfassenden För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Erneuerbaren Energien ist e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Botschaft an die Wissenschaft und die<br />

Wirtschaft, an die Investoren und Kreditgeber,<br />

sowie an die gesamte Bevölkerung<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die junge Generation.<br />

2. Verankerung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />

<strong>in</strong> den Europa-Verträgen<br />

Die Energiepolitik und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />

muû e<strong>in</strong>e Rechtsgrundlage <strong>in</strong> den Verträgen<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union erhalten. Wie<br />

<strong>der</strong> EGKS-Vertrag für die Kohle und <strong>der</strong><br />

EURATOM-Vertrag für die Nuklearenergie,<br />

so muû die Europäische Union e<strong>in</strong>en<br />

klaren Handlungsauftrag und die dazugehörigen<br />

Kompetenzen für die För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> umweltfreundlichen Energieträger<br />

bekommen.<br />

3. Priorität bei Forschungsprogrammen<br />

für Erneuerbare Energien<br />

Die Entwicklung sauberer Technologien<br />

gehört zu den groûen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> nächsten Zukunft. Europa muû die<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung auf dem Energiesektor<br />

annehmen und bei den Forschungsprogrammen<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Priorität für die<br />

Entwicklung von Erneuerbaren Energien<br />

geben. Insbeson<strong>der</strong>e für Photovoltaik, Biomasse,<br />

Gezeiten- und Wellenenergie s<strong>in</strong>d<br />

weitere technologische Durchbrüche nötig.<br />

261


Zur Zeit gibt die Europäische Union für<br />

e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Energieform ± Fusionsenergie<br />

± mehr Forschungsgel<strong>der</strong> aus als für alle<br />

Erneuerbaren Energiearten. Dieses<br />

Ungleichgewicht muû zugunsten <strong>der</strong><br />

Erneuerbaren Energien verän<strong>der</strong>t werden.<br />

4. Beseitigung von H<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen für<br />

Erneuerbare Energien<br />

Zahlreiche Rechtsvorschriften wie Bauvorhaben<br />

und an<strong>der</strong>e technische Normen<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n Erneuerbare Energien, anstatt<br />

sie zu for<strong>der</strong>n. Diese Situation muû geän<strong>der</strong>t<br />

werden. Bauordnungen sollten die<br />

Nutzung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien verb<strong>in</strong>dlich<br />

vorschreiben.<br />

Das Energierecht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>n<br />

den Zugang zu den Energienetzen<br />

und e<strong>in</strong>e faire Vergütung <strong>der</strong> bereitgestellten<br />

Energiemengen. Durch e<strong>in</strong>e europaweite<br />

Richtl<strong>in</strong>ie zur E<strong>in</strong>speisevergütung<br />

sollte die Markte<strong>in</strong>führung vorangetrieben<br />

werden.<br />

Viele Projekte scheitern an Unkenntnis<br />

o<strong>der</strong> Fehl<strong>in</strong>formationen bei potentiellen<br />

Kreditgebern sowie politischen und adm<strong>in</strong>istrativen<br />

Institutionen. E<strong>in</strong>e groûe europäische<br />

Informationskampagne zugunsten<br />

<strong>der</strong> Erneuerbaren Energien muû hier<br />

Abhilfe schaffen.<br />

Die Europäische Union hat mit <strong>der</strong> Liberalisierung<br />

des Elektrizitätsbereiches den<br />

Europäischen B<strong>in</strong>nenmarkt nahezu hergestellt.<br />

Diese EU-Richtl<strong>in</strong>ie ermöglicht ausdrücklich<br />

die vorrangige Behandlung<br />

umweltschonen<strong>der</strong> Energieerzeugung. Jetzt<br />

muû darauf geachtet werden, daû bei <strong>der</strong><br />

Umsetzung <strong>in</strong> nationales Recht die Erneuerbaren<br />

Energien nicht diskrim<strong>in</strong>iert werden<br />

und im Wettbewerb e<strong>in</strong>e gerechte<br />

Chance erhalten.<br />

5. Europaweites Markte<strong>in</strong>führungsprogramm<br />

für Erneuerbare Energien<br />

Die Kosten für Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>ken<br />

rapide, wenn <strong>der</strong> Übergang von <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>zelfertigung zu e<strong>in</strong>er Massenproduktion<br />

erreicht wird. Die Europäische Union<br />

sollte deshalb mit den Mitgliedslän<strong>der</strong>n,<br />

262<br />

den Regionen und Kommunen e<strong>in</strong> attraktives<br />

Markte<strong>in</strong>führungsprogramm für die<br />

unterschiedlichen Energiearten auflegen.<br />

E<strong>in</strong> wirksames Marktprogramm wäre z.B.:<br />

± 1 Million Dächer-/Fassadenprogramm<br />

für Photovoltaik<br />

± 10000 MW-Programm für W<strong>in</strong>dkraftanlagen<br />

(zusätzlich e<strong>in</strong> 5000 MW-Programm<br />

für Off-Shore-W<strong>in</strong>dkraft)<br />

± 1000 MW Programm für Biomasse- und<br />

Biogas-Kraftwerke<br />

Das Markte<strong>in</strong>führungsprogramm sollte<br />

unter an<strong>der</strong>em durch F<strong>in</strong>anzmittel <strong>der</strong><br />

Europäischen Investitionsbank (EIB) und<br />

<strong>der</strong> Europäischen Bank für Wie<strong>der</strong>aufbau<br />

und Entwicklung (EBRD) unterstützt werden.<br />

6. Ökologische Steuerreform <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />

Die Erneuerbaren Energien brauchen faire<br />

Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen. Die Vorteile <strong>der</strong><br />

Erneuerbaren Energien kommen nur dann<br />

zur Geltung, wenn die Folgekosten des<br />

Energieverbrauchs <strong>in</strong> den Energiepreisen<br />

verankert s<strong>in</strong>d. Bis zum heutigen Tage s<strong>in</strong>d<br />

die Risiken <strong>der</strong> fossilen und nuklearen<br />

Energien nicht <strong>in</strong> den Energiepreisen vorhanden.<br />

Die Folgekosten zahlen zukünftige<br />

Generationen.<br />

In <strong>der</strong> Europäischen Union muû deshalb<br />

e<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform durchgesetzt<br />

werden E<strong>in</strong>e Europäische Energiesteuer<br />

muû Schritt und Schritt zu e<strong>in</strong>er<br />

Internalisierung <strong>der</strong> externen Kosten führen.<br />

Erneuerbare Energien müssen steuerlich<br />

befreit o<strong>der</strong> steuerlich privilegiert werden.<br />

7. Erneuerbare Energien als Querschnittsaufgabe<br />

a) Europäische Agrarpolitik<br />

Die Agrar- und Forstwirtschaft <strong>in</strong> Europa<br />

muû nach und nach auf e<strong>in</strong>e Nutzung <strong>der</strong><br />

Biomasse orientiert werden. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

<strong>der</strong> Überschüsse bei Nahrungsmitteln<br />

und den Verpflichtungen aus dem<br />

Welthandelsabkommen (WTO) zum<br />

Abbau von Beihilfen sollte die europäische


Land- und Forstwirtschaft verstärkt die<br />

Erzeugung von Pflanzen zur Herstellung<br />

von Energie und Rohstoffen beg<strong>in</strong>nen.<br />

Diese Herstellung von Bio-Brennstoffen<br />

und Bio-Kraftstoffen könnte sowohl den<br />

Landwirten wie auch den ländlichen Räumen<br />

neue Impulse verleihen. E<strong>in</strong>e erneuerte<br />

Europäische Agrarpolitik muû hierfür<br />

die notwendigen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

schaffen.<br />

b) Europäische Regionalpolitik<br />

Die Erneuerbaren Energien bieten beson<strong>der</strong>s<br />

für periphere und ländliche Räume<br />

e<strong>in</strong>e attraktive Perspektive zur wirtschaftlichen<br />

Entwicklung. Aber auch Industriegebiete<br />

im Strukturwandel können mit den<br />

Zukunftsenergien e<strong>in</strong>e neue wirtschaftliche<br />

Basis aufbauen.<br />

Die Europäische Union sollte deshalb mit<br />

ihren Regional- und Strukturfonds gezielt<br />

den Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />

för<strong>der</strong>n.<br />

c) Europäische Transportpolitik<br />

Die Öffnung <strong>der</strong> Grenzen hat zu e<strong>in</strong>er<br />

Zunahme des Pkw- und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e des<br />

Lkw-Verkehrs geführt. Der Transportsektor<br />

ist durch wachsenden Energieverbrauch<br />

und wachsende CO2-Emission gekennzeichnet.<br />

¾hnlich <strong>der</strong> Gesetzgebung <strong>in</strong> Kalifornien<br />

sollte sich die Europäische Union das Ziel<br />

setzen, ab dem Jahre 2005 e<strong>in</strong>en steigenden<br />

Anteil <strong>der</strong> Neuwagen nur noch als emissionsfreie<br />

Fahrzeuge zuzulassen.<br />

8. Europäische Agentur für Erneuerbare<br />

Energien<br />

Zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />

braucht die Europäische Union e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Koord<strong>in</strong>ierungsstelle. Die Europäische<br />

Agentur für Erneuerbare Energien<br />

sollte den Informationsaustausch zwischen<br />

allen Akteuren organisieren, als ¹Best-Practice-Börseª<br />

fungieren und e<strong>in</strong>en Technologietransfer<br />

<strong>in</strong>nerhalb und auûerhalb <strong>der</strong><br />

EU e<strong>in</strong>leiten.<br />

9. Erneuerbare Energien <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen<br />

Auûenpolitik<br />

Der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Solarzeitalter muû mit<br />

Hilfe <strong>der</strong> Europäischen Union sowohl<br />

<strong>in</strong>nerhalb des europäischen Kont<strong>in</strong>ents wie<br />

auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong> Welt durchgesetzt<br />

werden. Die Europäische Union sollte<br />

deshalb die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> umweltfreundlichen<br />

Zukunftsenergien zum festen<br />

Bestandteil ihrer Auûenwirtschaftspolitik<br />

machen.<br />

a) Die Län<strong>der</strong> Mittel- und Osteuropas<br />

müssen ihre Energieversorgung mo<strong>der</strong>nisieren<br />

und umstellen. Die Europäische<br />

Union sollte mit den Beitrittskandidaten,<br />

aber auch mit den an<strong>der</strong>en<br />

Partnern <strong>in</strong> Osteuropa, e<strong>in</strong> Programm<br />

zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />

ausarbeiten. Die Hilfsprogramme<br />

PHARE und TACIS müssen für diese<br />

Zwecke aktiv genutzt werden. Die<br />

Europäische Energie-Charta sollte e<strong>in</strong><br />

eigenes Kapitel zum Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />

Energien erhalten.<br />

b) Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiges<br />

Element zur Umsetzung <strong>der</strong> Mittelmeerpolitik<br />

<strong>der</strong> Europäischen Union.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e Solarenergie und W<strong>in</strong>dkraft<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n des Mittelmeerraumes<br />

<strong>in</strong> groûem Umfang vorhanden.<br />

Die F<strong>in</strong>anzmittel aus dem<br />

MEDA-Programm sollten zielgerichtet<br />

für den Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

c) Die Zusammenarbeit Europas mit den<br />

Län<strong>der</strong>n Nordafrikas auf dem Gebiete<br />

<strong>der</strong> Energiepolitik muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue<br />

Phase treten. Bis zum heutigen Tage<br />

liefern die Län<strong>der</strong> des afrikanischen<br />

und arabischen Raumes Erdöl und Erdgas<br />

nach Europa. Die groûen Flächen<br />

Nordafrikas können <strong>in</strong> Zukunft für die<br />

Energieversorgung Europas auf <strong>der</strong><br />

Grundlage Erneuerbarer Energien<br />

nutzbar gemacht werden. Pipel<strong>in</strong>es mit<br />

solarem Wasserstoff könnten im<br />

21. Jahrhun<strong>der</strong>t den Energiebedarf <strong>in</strong><br />

Europa zum Teil abdecken. E<strong>in</strong> ¹Solarpakt<br />

Europa-Afrikaª könnte neue Perspektiven<br />

für den wirtschaftlichen und<br />

263


264<br />

sozialen Zusammenhalt im Mittelmeerraum<br />

und den angrenzenden Regionen<br />

schaffen.<br />

10. Sozialdemokraten <strong>in</strong> Europa: Partner<br />

e<strong>in</strong>er nachhaltigen Entwicklung<br />

Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> unverzichtbarer<br />

Eckpfeiler e<strong>in</strong>er nachhaltigen Energiepolitik<br />

im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t. Die Europäische<br />

Union muû Vorreiter e<strong>in</strong>er<br />

weltweiten Energiewende se<strong>in</strong>. Sowohl die<br />

Verpflichtungen aus den UNO-Umweltkonventionen<br />

wie auch das Eigen<strong>in</strong>teresse<br />

an e<strong>in</strong>er Mo<strong>der</strong>nisierung des Wirtschaftsstandortes<br />

Europa, e<strong>in</strong>er gröûeren Unabhängigkeit<br />

von Energieimporten und neuen<br />

Impulsen für die Beschäftigung sollten<br />

Anreiz se<strong>in</strong>, den Aktionsplan zur För<strong>der</strong>ung<br />

Erneuerbarer Energien <strong>in</strong> die Wege<br />

zu leiten.<br />

Die Sozialdemokratischen Parteien und<br />

Mitglie<strong>der</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union<br />

müssen Impulsgeber und Träger e<strong>in</strong>er<br />

¹Europäischen Solar-Initiativeª se<strong>in</strong>.<br />

Die <strong>SPD</strong>-Deutschland sollte den Antrag<br />

auf dem nächsten <strong>Parteitag</strong> <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Europas (SPE) e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />

Die Sozialdemokratische Partei Europas<br />

(SPE) sollte im Jahre 1998 e<strong>in</strong>en Strategiekongreû<br />

¹Europa braucht neue Energien ±<br />

Aktionsplan zur För<strong>der</strong>ung Erneuerbarer<br />

Energiequellenª durchführen.<br />

Die Parteiglie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> SPE sollten<br />

von <strong>der</strong> kommunalen bis zur europäischen<br />

Ebene an Aktionskampagnen für die<br />

Erneuerbaren Energien teilnehmen.<br />

± So f<strong>in</strong>den jährlich um den 21. Juni <strong>in</strong><br />

vielen europäischen Län<strong>der</strong>n ¹Solarwochenª<br />

statt.<br />

± Mit <strong>der</strong> Land- und Forstwirtschaft s<strong>in</strong>d<br />

Partnerschaftsprojekte zur För<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Biomasse möglich.<br />

± Kle<strong>in</strong>ere und mittlere Unternehmen<br />

(KMU) suchen nach Kooperationen im<br />

politischen Raum.<br />

Europäische Solar-Initiative als Teil des<br />

Europawahlkampfes 1999. Die Bürger wollen<br />

wissen, für welche Ziele die Europäische<br />

Union e<strong>in</strong>gesetzt wird. Gerade die<br />

junge Generation verlangt nach Perspektiven<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Europapolitik.<br />

Der Aktionsplan ¹E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Solarzeitalterª<br />

ist für viele Menschen e<strong>in</strong> attraktives<br />

Angebot, sich auch persönlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik<br />

zu engagieren. Die Europäische Solar<strong>in</strong>itiative<br />

sollte deshalb Teil des Europa-<br />

Wahlprogrammes und des Europa-Wahlkampfes<br />

im Jahre 1999 werden.<br />

(Angenommen, Ziffer 10 an den Präsidenten<br />

<strong>der</strong> europäischen Sozialdemokratie)<br />

Antrag I 145<br />

Bezirk Weser-Ems<br />

Beschluû für e<strong>in</strong>e nachhaltige<br />

Energiepolitik<br />

I. Die <strong>SPD</strong> bekräftigt ihre Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Ziele des Strome<strong>in</strong>speisungsgesetzes.<br />

Regenerative Energien besitzen e<strong>in</strong> erhebliches<br />

Potential zur Gestaltung e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />

Energiepolitik und s<strong>in</strong>d wichtige<br />

Bauste<strong>in</strong>e zur Umsetzung <strong>der</strong> 1992 e<strong>in</strong>gegangenen<br />

Verpflichtungen zur Reduktion<br />

<strong>der</strong> CO 2-Emissionen im Rahmen <strong>der</strong> Konferenz<br />

für Umwelt und Entwicklung von<br />

Rio de Janeiro.<br />

Das Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz hat sich als<br />

e<strong>in</strong> wirksames Instrument <strong>der</strong> Energiepolitik<br />

und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regenerativen<br />

Energien grundsätzlich bewährt. Es war<br />

und ist maûgeblich verantwortlich für den<br />

Ausbau <strong>der</strong> W<strong>in</strong>dkraftanlagen-Industrie als<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>novativer und zukunftsfähiger Produktionssektor<br />

mit guten Chancen auch für<br />

den Export. Hierdurch wurden bundesweit<br />

mehrere tausend hochwertige, mittelständige<br />

Arbeitsplätze gerade auch <strong>in</strong> strukturschwachen<br />

Regionen geschaffen.<br />

Das Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz ist daher <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>er Substanz zu schützen und <strong>in</strong> die<br />

Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />

zu <strong>in</strong>tegrieren. Die Novellierung des


Energiewirtschaftsrechts muû sicherstellen,<br />

daû die Aufgaben des Umweltschutzes, <strong>der</strong><br />

Klimavorsorge und des Ausbaus des Anteils<br />

<strong>der</strong> regenerativen Energien an <strong>der</strong> Stromversorgung<br />

auch unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />

des liberalisierten europäischen B<strong>in</strong>nenmarktes<br />

für Energie erfüllbar bleiben.<br />

Deregulierung und Wettbewerb im Energieb<strong>in</strong>nenmarkt<br />

dürfen nicht zur Strangulierung<br />

<strong>der</strong> regenerativen Energie führen.<br />

Strom aus regenerativen Energien ± und<br />

aus <strong>der</strong> Kraft-Wärme-Kopplung ± muû<br />

vorrangig <strong>in</strong> das Netz aufgenommen und<br />

von den Netzbetreibern mit festen Sätzen<br />

vergütet werden, <strong>der</strong>en Struktur sich an<br />

diejenige des jetzigen Strome<strong>in</strong>speisungsgesetzes<br />

anlehnt.<br />

II. Die Stromwirtschaft verursacht über<br />

30 Prozent <strong>der</strong> CO 2-Emissionen. Sie steht<br />

daher <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, e<strong>in</strong>en eigenen,<br />

signifikanten Beitrag zum Umweltund<br />

Klimaschutz zu leisten. Stromwirtschaft<br />

und EVU s<strong>in</strong>d gefor<strong>der</strong>t, bei <strong>der</strong><br />

Erzeugung und Verteilung sowie durch<br />

kundenorientierte Beratung Effizienzsteigerung<br />

und Ressourcenschonung zu beachten.<br />

Die EVU sollten sich dabei am Leitbild<br />

<strong>der</strong> ¹M<strong>in</strong>imalkostenplanungª (¹leastcost-plann<strong>in</strong>gª)<br />

orientieren und als Dienstleister<br />

im Energiesektor eigenverantwortlich<br />

zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen.<br />

Die Zusatzbelastungen, die den Energieversorgungsunternehmen<br />

(EVU) durch die<br />

E<strong>in</strong>speisung regenerativer Energien entstehen,<br />

dürfen jedoch nicht bei e<strong>in</strong>zelnen<br />

küstennahen EVU ± <strong>der</strong> EWE ± o<strong>der</strong> dem<br />

Verbundunternehmen verbleiben. Die<br />

regional ungleichmäûige Belastung e<strong>in</strong>zelner<br />

EVU mit dem Kosten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>speisung<br />

regenerativer Energien muû auf dem Wege<br />

e<strong>in</strong>es Lastenausgleichs zwischen allen EVU<br />

beseitigt werden.<br />

Die den aufnehmenden Netzbetreibern<br />

durch die E<strong>in</strong>speisung des Stroms aus regenerativen<br />

Energien entstehenden Mehrkosten<br />

werden auf alle örtlichen und überörtlichen<br />

Betreiber umgelegt, die ihrerseits<br />

untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Kostenausgleich<br />

durchführen. Die Regelung dieses Aus-<br />

gleichs erfolgt im Rahmen e<strong>in</strong>er Rechtsverordnung<br />

mit Zustimmung des Bundesrates,<br />

um auf die jeweilige Marktentwicklung e<strong>in</strong>zugehen<br />

und Mitnahmeeffekte zu vermeiden.<br />

III. Die Liberalisierung des europäischen<br />

Energiemarktes und <strong>der</strong> Wegfall <strong>der</strong><br />

Gebietsmonopole durch die Novellierung<br />

des Energiewirtschaftsgesetzes droht langfristig<br />

die f<strong>in</strong>anziellen Mittel <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den<br />

aus den Konzessionsverträgen <strong>in</strong> Frage<br />

zu stellen.<br />

Der Entwurf <strong>der</strong> Bundesregierung zur<br />

Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />

hat deutlich negative Folgen für die<br />

Kommunen und Stadtwerke, da sie ihre<br />

Selbständigkeit zu verlieren drohen. Entgegen<br />

<strong>der</strong> Absicht <strong>der</strong> Liberalisierung kann<br />

e<strong>in</strong>e verstärkte vertikale Integration <strong>der</strong><br />

Energiekonzerne anstelle von Dezentralisierung,<br />

Bewahrung <strong>der</strong> kommunalen<br />

Eigenständigkeit und fairem Wettbewerb<br />

nicht ausgeschlossen werden.<br />

Das von <strong>der</strong> Bundesregierung vorgeschlagene<br />

Wettbewerbssystem würde dazu führen,<br />

daû Groûabnehmer von Verbund- und<br />

Regionalversorgern aus dem Versorgungsbereich<br />

<strong>der</strong> Stadtwerke herausgebrochen<br />

werden können. Groûe Städte mit Industriekunden,<br />

die viel Strom verbrauchen,<br />

müssen Umsatze<strong>in</strong>buûen zwischen 15 %<br />

und 30 % befürchten. Preiserhöhungen um<br />

mehr als 10 % für die übrigen Kunden ±<br />

Haushalte, Handwerk, Gewerbebetriebe ±<br />

wären zum Ausgleich nötig, weil die Fixkosten<br />

<strong>der</strong> kommunalen Versorgungsunternehmen<br />

vor allem auf <strong>der</strong> Anschluû- und<br />

Versorgungspflicht beruhen, die trotz des<br />

Wettbewerbs nicht aufgehoben werden<br />

soll. Die <strong>SPD</strong> bekennt sich daher nachdrücklich<br />

zum Schutz des verfassungsmäûigen<br />

Rechts <strong>der</strong> Kommunen aus Artikel 28<br />

des Grundgesetzes auf Selbstverwaltung.<br />

Dazu gehört nach unserer Überzeugung<br />

auch die Energieversorgung, die traditionell<br />

den Kern <strong>der</strong> kommunalen Wirtschaft<br />

darstellt.<br />

Den Geme<strong>in</strong>den muû deshalb e<strong>in</strong>e Wahlmöglichkeit<br />

e<strong>in</strong>geräumt werden, den Wett-<br />

265


ewerb freizugeben o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Versorgungspflicht<br />

für bestimmte Kundengruppen ±<br />

z.B. für die bisherigen Tarifkunden ± e<strong>in</strong>zuführen,<br />

o<strong>der</strong> auch e<strong>in</strong>em Versorgungsunternehmen<br />

die Rechte und Pflichten e<strong>in</strong>es<br />

Alle<strong>in</strong>abnehmers ± als s<strong>in</strong>gle buyer ± zu<br />

übertragen. Die Konzessionsabgabe muû<br />

an den örtlichen Netzbetrieb gebunden<br />

und damit auf e<strong>in</strong>e solide rechtliche<br />

Grundlage gestellt werden. Das kommunale<br />

Aufkommen aus Konzessionsabgaben<br />

von etwa 6 Milliarden DM/Jahr würde<br />

deutlich reduziert, wenn die kommunalen<br />

Wegerechte nicht mehr ausschlieûlich vergeben<br />

werden können. Ke<strong>in</strong> Versorgungsunternehmen<br />

wäre bereit, die bisherige<br />

Abgabe für e<strong>in</strong> Recht zu bezahlen, das es<br />

nicht mehr exklusiv genieût und das beliebig<br />

durchbrochen werden kann. E<strong>in</strong> Auffangtatbestand,<br />

<strong>der</strong> sich etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> klareren<br />

Ausgestaltung e<strong>in</strong>es Artikel 28 GG<br />

hergeleiteten Rechts <strong>der</strong> kommunalen<br />

Dase<strong>in</strong>svorsorge ergäbe, ist im Gesetzestext<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung nicht angedacht.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 146<br />

Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Mehr Arbeit ± weniger<br />

Energieverbrauch Umbau des<br />

Steuersystems zur Schaffung<br />

von Arbeitsplätzen und<br />

Schonung <strong>der</strong> Umwelt<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t<br />

folgende Maûnahmen vorzubereiten<br />

und Schritt für Schritt umzusetzen:<br />

1. Auf Stromverbrauch sowie den Verbrauch<br />

von Heizöl und Erdgas wird die<br />

Steuer (Zahlen gemäû den Vorschlägen<br />

<strong>der</strong> BT-Fraktion) erhöht und das zusätzliche<br />

Aufkommen für folgende zusätzliche<br />

Maûnahmen e<strong>in</strong>gesetzt:<br />

± Investitionshilfen aller Art für Energiespar<strong>in</strong>vestitionen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>in</strong><br />

Gebäuden und Privathaushalten. In <strong>der</strong><br />

266<br />

Wirtschaft werden Hilfen im Verhältnis<br />

zu den e<strong>in</strong>gesparten Energiee<strong>in</strong>heiten<br />

gewährt.<br />

± Forschungs- und Entwicklungsför<strong>der</strong>ung<br />

für erneuerbare Energiequellen.<br />

± För<strong>der</strong>ung von Beschäftigungsgesellschaften<br />

und Energieberatungszentren,<br />

soweit sie Programme zur Energiee<strong>in</strong>sparung<br />

umsetzen.<br />

2. Die M<strong>in</strong>eralölsteuer wird im ersten<br />

Schritt um 0,20 DM pro Liter Treibstoff<br />

erhöht, alle 2 Jahre erfolgt e<strong>in</strong>e weitere<br />

Erhöhung um m<strong>in</strong>destens 10 % (drei<br />

mal). Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />

wird die Arbeitslosenversicherung <strong>in</strong><br />

entsprechen<strong>der</strong> Höhe gesenkt, damit<br />

je<strong>der</strong> Arbeitnehmer und Arbeitgeber die<br />

Umschichtung auf dem Lohnzettel<br />

sofort erkennen kann. Die weiteren<br />

Erhöhungen <strong>der</strong> M<strong>in</strong>eralölsteuer werden<br />

dazu verwandt, bisher bei <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />

angesiedelte sachfremde<br />

Aufgaben zu f<strong>in</strong>anzieren und hiermit<br />

den Rentenversicherungsbeitrag zu senken.<br />

3. Die Kilometerpauschale für Pendler<br />

wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Entfernungspauschale <strong>in</strong><br />

Höhe e<strong>in</strong>er vergleichbaren Monatskarte<br />

des ÖPNV umgewandelt.<br />

4. Die KFZ-Steuer wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e verbrauchsorientierte<br />

Form umgewandelt.<br />

5. Die Bundesregierung und die Europaabgeordneten<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, auf<br />

europäischer Ebene Initiativen zu<br />

ergreifen, um zu ermöglichen, daû <strong>in</strong><br />

Deutschland<br />

± Flugbenz<strong>in</strong>steuer für alle Privatflugzeuge,<br />

± e<strong>in</strong>e pauschal <strong>in</strong> die Flughafengebühr<br />

e<strong>in</strong>zubeziehende Inlandsflugabgabe für<br />

alle Inlandsflüge vorab e<strong>in</strong>geführt werden<br />

kann.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)


Antrag I 148<br />

Unterbezirk Mettmann<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Atompolitik<br />

a) Die <strong>SPD</strong> bekräftigt auf allen Ebenen die<br />

weitere Gültigkeit <strong>der</strong> Beschlüsse des<br />

Nürnberger <strong>Parteitag</strong>es zur Atompolitik<br />

und setzt diese Beschlüsse dort um, wo sie<br />

die Möglichkeiten dazu hat. Die <strong>SPD</strong><br />

erteilt allen Versuchen e<strong>in</strong>e Absage, e<strong>in</strong>e<br />

Sicherung <strong>der</strong> Kohleför<strong>der</strong>ung (<strong>in</strong> NRW)<br />

über e<strong>in</strong>e Zustimmung zur Atomenergie<br />

bzw. zu <strong>der</strong>en Weiterführung und -entwicklung<br />

zu erkaufen.<br />

b) Darüber h<strong>in</strong>aus lehnt die <strong>SPD</strong> die Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> Atommülltransporte <strong>in</strong> die<br />

Zwischenlager Ahaus und Gorleben ab,<br />

solange die Lagerkapazitäten <strong>in</strong> den produzierenden<br />

AKWs nicht voll ausgenutzt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 151<br />

Unterbezirk Kassel-Stadt<br />

(Bezirk Hessen-Nord)<br />

Zukunftsorientierte Nahverkehrspolitik<br />

Die Adressaten werden aufgefor<strong>der</strong>t, sich<br />

für e<strong>in</strong>en leistungsgerechten SPNV/<br />

ÖPNV-Verkehr e<strong>in</strong>zusetzen, denn dieser<br />

leistet e<strong>in</strong>en erheblichen Beitrag zur Reduzierung<br />

von Umweltschäden und ist e<strong>in</strong>e<br />

Alternative gegenüber dem motorisierten<br />

Individualverkehr (MIV). Die Adressaten<br />

müssen endlich e<strong>in</strong>sehen, daû <strong>in</strong> den Zieldef<strong>in</strong>itionen<br />

<strong>der</strong> SPNV/ÖPNV-Gesetze<br />

folgende Punkte enthalten se<strong>in</strong> sollten:<br />

± SPNV/ÖPNV als Aufgabe <strong>der</strong> Dase<strong>in</strong>svorsorge,<br />

± die struktur- und umweltpolitische<br />

Bedeutung des Nahverkehrs,<br />

± SPNV/ÖPNV als attraktive und vollwertige<br />

Alternative zum MIV,<br />

± SPNV/ÖPNV als Beitrag zur Gewährleistung<br />

gleichwertige Lebensverhältnisse,<br />

± Vorrang des SPNV/ÖPNV vor dem<br />

MIV sowie Vorrang <strong>der</strong> umweltschonende<br />

Verkehrsträger.<br />

(Überwiesen an die Landtagsfraktion<br />

Hessen)<br />

Antrag I 152<br />

Unterbezirk Kassel-Stadt<br />

(Bezirk Hessen-Nord)<br />

Beschäftigungseffekte durch<br />

den öffentlichen Nahverkehr<br />

Wir for<strong>der</strong>n von den Adressaten, sich für<br />

die Sicherung <strong>der</strong> Arbeitsplätze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Region Nordhessen e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Im Geschäftsbereich Nahverkehr <strong>der</strong> DB<br />

AG s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>zeit fast 16 000 Mitarbeiter<br />

beschäftigt. Mit dieser Zahl wird aber die<br />

gesamte beschäftigungspolitsche Bedeutung<br />

des ÖPNV e<strong>in</strong>schlieûlich des Schienen-<br />

Personennahverkehrs nicht annähernd dargestellt.<br />

E<strong>in</strong>e wesentlich höhere Zahl von Arbeitsplätzen<br />

ist entwe<strong>der</strong> direkt <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en<br />

Geschäftsbereichen <strong>der</strong> Bahn o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Geschäftsbranchen (z.B. Fahrzeughersteller,<br />

Baubereich, etc. vom<br />

Umsatz im SPNV/ÖPNV abhängig.<br />

Der Geschäftsbereich Nahverkehr beträgt<br />

heute mehr als 40 % des Gesamtumsatzes<br />

des Unternehmens DG AG.<br />

(Überwiesen an die Landtagsfraktion<br />

Hessen)<br />

267


Antrag I 153<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>bach<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

F<strong>in</strong>anzierung des ÖPNV<br />

1. Die <strong>SPD</strong> befürwortet die Erprobung<br />

e<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>anzierung des ÖPNV über e<strong>in</strong>e<br />

durch die Kommune von den Bürger<strong>in</strong>nen<br />

und Bürgern zu erhebende Abgabe anstatt<br />

durch Fahrpreise. Die Höhe <strong>der</strong> Abgabe<br />

muû an die Kosten für e<strong>in</strong>en nach dem<br />

Ermessen <strong>der</strong> Kommune s<strong>in</strong>nvollen Ausbau<br />

und Betrieb des ÖPNV angepaût werden.<br />

Die Abgabe sollte auûerdem für Sozialhilfeempfänger,<br />

Rentner, Schüler etc. reduziert<br />

werden.<br />

2. Die <strong>SPD</strong> setzt sich für die Schaffung<br />

<strong>der</strong> notwendigen gesetzlichen Grundlagen<br />

e<strong>in</strong>, um den Kommunen die E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>er solchen Abgabe zu ermöglichen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 155<br />

Unterbezirk Kassel-Stadt<br />

(Bezirk Hessen-Nord)<br />

Stellenabbau bei <strong>der</strong> Bahn<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion sowie die<br />

<strong>SPD</strong>-Landtagsfraktionen werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich bei <strong>der</strong> Bahn AG und <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

dafür e<strong>in</strong>zusetzen, daû <strong>der</strong><br />

geplante Stellenabbau bei <strong>der</strong> Bahn weiter<br />

deutlich verlangsamt wird.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 156<br />

Kreisverband Lauenburg<br />

(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

Transrapid<br />

Die <strong>SPD</strong> lehnt das Projekt e<strong>in</strong>er Transrapid-Verb<strong>in</strong>dung<br />

zwischen Hamburg und<br />

Berl<strong>in</strong> ab. Statt dessen wird e<strong>in</strong>e ICE-<br />

Strecke zwischen den beiden Groûstädten<br />

<strong>in</strong> den Schienenwegeausbauplan des Bundes<br />

aufgenommen. Die <strong>SPD</strong> wird die<br />

268<br />

beteiligte Industrie bei <strong>der</strong> Suche nach<br />

e<strong>in</strong>er verkehrspolitisch s<strong>in</strong>nvollen, ökologisch<br />

vertretbaren und wirtschaftlich rentablen<br />

ersten Anwendungsstrecke für die<br />

Magnetschwebebahn-Technik unterstützen.<br />

Öffentliche Mittel dürfen dafür nicht aufgebracht<br />

werden.<br />

(Angenommen und überwiesen an Parteivorstand<br />

zur Erarbeitung e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 157<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Ammersbek<br />

(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

Transrapid<br />

Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

<strong>in</strong> das Wahlprogramm zur Bundestagswahl<br />

1998 folgende Aussage zur Zukunft <strong>der</strong><br />

Magnetschwebebahn ¹Transrapidª aufzunehmen:E<strong>in</strong>e<br />

<strong>SPD</strong>-geführte Bundesregierung<br />

wird das Projekt e<strong>in</strong>er ¹TRANSRA-<br />

PIDª-Verb<strong>in</strong>dung zwischen Hamburg und<br />

Berl<strong>in</strong> stoppen. Statt dessen wird e<strong>in</strong>e<br />

ICE-Strecke zwischen den beiden Groûstädten<br />

mit Priorität <strong>in</strong> den Schienenwegeausbauplan<br />

des Bundes aufgenommen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 158<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Sü<strong>der</strong>holz<br />

(Landesverband Mecklenburg-Vorpommern)<br />

Transrapid<br />

Der Bundesparteitag möge beschlieûen,<br />

den Bau des Transrapids auf <strong>der</strong> bislang<br />

ausgewiesenen Strecke von Hamburg nach<br />

Berl<strong>in</strong> abzulehnen.<br />

Der Transrapid ist wirtschaftlich uns<strong>in</strong>nig<br />

und darf nicht aus Steuermitteln f<strong>in</strong>anziert<br />

werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)


Informations-, Kommunikationsund<br />

Medienpolitik<br />

Antrag I 159<br />

Parteivorstand<br />

Von <strong>der</strong> Utopie zur<br />

Wirklichkeit:<br />

Aufbruch <strong>in</strong> die<br />

Informationsgesellschaft<br />

1. Die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

annehmen<br />

Deutschland bef<strong>in</strong>det sich ± wie alle hochentwickelten<br />

Industriegesellschaften ± im<br />

Übergang von <strong>der</strong> Industrie- zur Informationsgesellschaft.<br />

Es handelt sich dabei um<br />

e<strong>in</strong>en Vorgang, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Auswirkungen<br />

mit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Revolution zu vergleichen<br />

ist, die b<strong>in</strong>nen weniger Jahrzehnte das<br />

gesellschaftliche Leben total verän<strong>der</strong>te.<br />

Jetzt kommt e<strong>in</strong> solcher E<strong>in</strong>schnitt wie<strong>der</strong><br />

vor. Er wird schneller durchschlagen als<br />

die Industrialisierung und er wird tiefer <strong>in</strong><br />

unseren Alltag e<strong>in</strong>greifen.<br />

Globale Information und Kommunikation<br />

<strong>in</strong> Industrie, Handel und Dienstleistungen<br />

werden unser System <strong>der</strong> Wertschöpfung<br />

nachhaltig verän<strong>der</strong>n. Unsere Lebens- und<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, Art und Umfang von<br />

Beschäftigung, die Produktion von Gütern<br />

und die Erbr<strong>in</strong>gung von Diensten, aber<br />

auch die Innovationsfähigkeit e<strong>in</strong>zelner<br />

Unternehmen und <strong>der</strong> gesamten Volkswirtschaft<br />

werden immer mehr von <strong>der</strong> Nutzung<br />

mo<strong>der</strong>ner Informations- und Kommunikationstechniken<br />

abhängig. Die<br />

zunehmende Vernetzung von Arbeitsplätzen,<br />

Unternehmen und Privathaushalten<br />

sowie die Neuordnung <strong>der</strong> Telekommunikations-<br />

und Medienbranchen s<strong>in</strong>d kennzeichnend<br />

für den Übergang <strong>in</strong> das digitale<br />

Zeitalter. Die ¹klassischenª Medien wie<br />

Hörfunk, Fernsehen und Telefon verschmelzen<br />

allmählich mit dem Computer.<br />

Märkte und Produkte <strong>der</strong> Telekommunika-<br />

tion, des Rundfunks, <strong>der</strong> Computer<strong>in</strong>dustrie<br />

und <strong>der</strong> Medien- und Kommunikationswirtschaft<br />

bilden bereits heute e<strong>in</strong>e<br />

maûgebliche Triebkraft bei <strong>der</strong> voranschreitenden<br />

Globalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />

Chancen und Potentiale <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

müssen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational<br />

wettbewerbsfähige Wirtschaft, für neue<br />

Erwerbsarbeit, für ökologische Nachhaltigkeit,<br />

für Wissenserweiterung und für die<br />

weltweite Erweiterung <strong>der</strong> Freiheitsräume<br />

<strong>der</strong> Menschen, also für den gesellschaftlichen<br />

Fortschritt und das Wohl aller konsequent<br />

ausgeschöpft und erschlossen werden.<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Multimedia-<br />

Evolution ist es e<strong>in</strong>e herausragende Aufgabe<br />

sozialdemokratischer Medien- und<br />

Telekommunikationspolitik, Märkte zu öffnen,<br />

die Marktkräfte <strong>in</strong> bestmöglicher<br />

Weise zu dynamisieren und die Innovationsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

<strong>der</strong> Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />

zu erhöhen. Wir<br />

wollen die deutsche Medien- und Kommunikationswirtschaft<br />

stärken. Im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es politischen Gesamtkonzepts wollen<br />

wir dafür sorgen, daû die Beseitigung von<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungshemmnissen und die Freisetzung<br />

<strong>der</strong> Marktkräfte mit <strong>der</strong> sozialen,<br />

ökologischen, kulturellen und ethischen<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

Hand <strong>in</strong> Hand gehen. Die Schaffung optimaler<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Entfaltung<br />

von Marktwettbewerb und Produkt<strong>in</strong>novation<br />

und die gesellschaftliche<br />

Nutzbarmachung <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />

Evolution bed<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Damit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft neue<br />

Arbeitsplätze entstehen, werden wir durch<br />

die Schaffung <strong>in</strong>novationsfreundlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

die <strong>in</strong>ternationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> deutschen Unternehmen<br />

stärken. Die tiefgreifenden<br />

269


Umwälzungen bedürfen <strong>der</strong> politischen,<br />

kulturellen und sozialen Gestaltung. Wirtschaft,<br />

Gewerkschaften und Staat müssen<br />

an <strong>der</strong> Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t die<br />

Vorbereitung Deutschlands auf die Informationsgesellschaft<br />

als e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>sam zu<br />

lösende Aufgabe anpacken.<br />

Wir wollen die immer noch ungleiche Verteilung<br />

<strong>der</strong> Chancen überw<strong>in</strong>den. Ohne<br />

zielgerichtete Politik besteht die Gefahr,<br />

daû e<strong>in</strong>e weitere gesellschaftliche Spaltung<br />

entsteht, die die Menschen <strong>in</strong> ¹<strong>in</strong>formation<br />

richª und ¹<strong>in</strong>formation poorª trennt. Um<br />

das zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, muû die gleichberechtigte<br />

Teilhabe an den Informations- und<br />

Kommunikationstechniken und <strong>der</strong> freie<br />

Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen<br />

gesichert werden. Wir werden<br />

die Entstehung e<strong>in</strong>es ¹Informationsproletariatsª<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n wissen.<br />

Mo<strong>der</strong>ne Medien- und Telekommunikationspolitik<br />

bedeutet nicht Inhaltsregulierung<br />

und schon gar nicht Bevormundung.<br />

Im Gegenteil sollen künftig alle die Möglichkeit<br />

haben, an <strong>der</strong> Verbreitung, Nutzung<br />

und Ausdeutung von Informationen<br />

teilzunehmen. Bleiben darüber h<strong>in</strong>aus Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />

und Me<strong>in</strong>ungsvielfalt garantiert,<br />

können die Informations- und Kommunikationstechniken<br />

zur Emanzipation<br />

<strong>der</strong> Menschen im S<strong>in</strong>ne von Selbstbestimmung,<br />

Demokratie und Freiheit beitragen.<br />

Staatliche Regulierung soll erst dann e<strong>in</strong>setzen,<br />

wenn Eigenverantwortung und E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong> Selbstkontrolle zur Verr<strong>in</strong>gerung<br />

von Schadenspotentialen versagen.<br />

Zur Garantie von Freiheit und Selbstbestimmung<br />

gehören auch e<strong>in</strong> wirkungsvoller<br />

Verbraucher-, Persönlichkeits-, Jugendund<br />

Datenschutz. Urheber- und Leistungsschutz-Rechte<br />

s<strong>in</strong>d zu sichern. Auûerdem<br />

muû e<strong>in</strong> Ausgleich zwischen <strong>der</strong> politischen<br />

Verantwortung zur Sicherung <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />

und <strong>der</strong> Informationsvielfalt<br />

und <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> Konkurrenzfähigkeit<br />

<strong>der</strong> deutschen Medienwirtschaft im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Wettbewerb geschaffen werden.<br />

Die <strong>SPD</strong> hält auch <strong>in</strong> Zukunft an e<strong>in</strong>em<br />

wettbewerbsfähigen öffentlich-rechtlichen<br />

Angebot fest.<br />

270<br />

Um die kulturelle und publizistische Vielfalt<br />

und die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Medien<br />

von Staat und mächtigen gesellschaftlichen<br />

und wirtschaftlichen Gruppen zu sichern,<br />

setzt sich die <strong>SPD</strong> unverän<strong>der</strong>t für e<strong>in</strong>e<br />

wirksame Konzentrationskontrolle auf<br />

nationaler und europäischer Ebene im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Beschlüsse des Europäischen<br />

Parlaments zur Sicherung von Me<strong>in</strong>ungsvielfalt<br />

und Pluralismus e<strong>in</strong>. Zur Klärung<br />

<strong>der</strong> Besitzverhältnisse bei Medienunternehmen<br />

s<strong>in</strong>d weitreichende Transparenzregelungen<br />

notwendig.<br />

Die Sozialdemokratie hat sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition<br />

<strong>der</strong> Aufklärung immer an Freiheit,<br />

Gerechtigkeit und Solidarität orientiert.<br />

Diese Grundwerte bilden beim Übergang<br />

<strong>in</strong> die Informationsgesellschaft die Grundlage<br />

für e<strong>in</strong>e offensive, erneuerungsbereite<br />

Politik. Die demokratische, freie, soziale<br />

und gerechte Gesellschaft bleibt Ziel <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong>. Wir s<strong>in</strong>d die politische Kraft, die die<br />

zukunftsweisenden Ideen hat und den<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Konsens zu stiften vermag.<br />

2. Integrierte Kommunikationspolitik für<br />

Arbeitsplätze und Innovationen<br />

Deutschland und Europa fallen im globalen<br />

Wettbewerb auf den Zukunftsfel<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />

immer weiter zurück. Auf den entscheidenden<br />

Sektoren <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationsund<br />

kommunikationstechnischen Industrie,<br />

auf den Märkten für Software und Hardware<br />

und bei Mediendiensten und -<strong>in</strong>halten,<br />

die weltweit vermarktet werden, verlieren<br />

europäische Unternehmen gegenüber<br />

ihren Wettbewerbern <strong>in</strong> den USA und <strong>in</strong><br />

Asien an Boden.<br />

Was not tut, ist e<strong>in</strong>e mittel- und langfristige<br />

<strong>in</strong>dustriepolitische Strategie <strong>in</strong><br />

Deutschland und <strong>in</strong> Europa, mit <strong>der</strong> wir<br />

die Position unserer Unternehmen auf den<br />

globalen Märkten <strong>der</strong> Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />

festigen und<br />

ausbauen. Wir müssen optimale Bed<strong>in</strong>gungen<br />

dafür schaffen, daû die europäische<br />

IuK-Industrie verlorenen Boden zurückgew<strong>in</strong>nt<br />

und <strong>in</strong> <strong>der</strong> globalen Konkurrenz wie<strong>der</strong><br />

Spitzenpositionen e<strong>in</strong>nimmt. Unser


Ziel ist es, möglichst viele attraktive,<br />

zukunftssichere Arbeitsplätze von morgen<br />

zu schaffen und die Informationsgesellschaft<br />

auch auf <strong>der</strong> Produktionsseite erfolgreich<br />

zu gestalten. Deshalb müssen wir die<br />

Voraussetzungen dafür verbessern, daû<br />

Europa im globalen Innovationswettlauf<br />

wie<strong>der</strong> Vorreiterpositionen besetzt.<br />

Notwendig ist deshalb e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftsanstrengung<br />

von Staat, Wirtschaft und<br />

Gewerkschaften <strong>in</strong> Deutschland und<br />

Europa mit dem Ziel, die Anwendung und<br />

Nutzung <strong>der</strong> neuen Informations- und<br />

Kommunikationstechnologien <strong>in</strong> Dienstleistungen<br />

und Unternehmen voranzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Deshalb wollen wir<br />

± unsere Forschungsanstrengungen konzentrieren,<br />

± e<strong>in</strong>e Qualifizierungsoffensive starten,<br />

± unsere <strong>in</strong>dustriellen Ressourcen bündeln,<br />

± und die nationalen Politiken harmonisieren.<br />

Medien- und Telekommunikationspolitik<br />

muû heute von e<strong>in</strong>em ganzheitlichen<br />

Ansatz aus erfolgen. Die Politik hat bis<br />

heute ke<strong>in</strong>e ausreichende Antwort auf den<br />

globalen Trend des technologischen<br />

Zusammenwachsens <strong>der</strong> Medien, <strong>der</strong> sog.<br />

Konvergenz, gefunden.<br />

Unsere Antwort lautet:<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte Kommunikationspolitik.<br />

Medien- und Telekommunikationspolitik<br />

muû als e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe<br />

<strong>der</strong> Wirtschafts-, Technologie-,<br />

Wissenschafts-, Bildungs-, Gesellschafts-,<br />

Kultur- und Ordnungspolitik begriffen und<br />

strukturiert werden. Das bedeutet auch:<br />

Überw<strong>in</strong>dung von Ressortpartikularismus<br />

und Bündelung von Zuständigkeiten, Integration<br />

statt bloûer Addition von ressortspezifischen<br />

Politikansätzen, Konzertation<br />

von Politikansätzen <strong>in</strong> Europa auf regionaler,<br />

nationaler und EU-Ebene.<br />

Die Län<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Bund haben e<strong>in</strong>en<br />

komplexen Ordnungsrahmen für die<br />

Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />

geschaffen. Wir benötigen dr<strong>in</strong>gend<br />

neue Strukturen, <strong>in</strong> denen zwischen den<br />

Län<strong>der</strong>n, dem Bund und <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche<br />

Koord<strong>in</strong>ation und enge<br />

Abstimmung medien- und telekommunikationspolitischer<br />

Aktionen und Initiativen<br />

stattf<strong>in</strong>den kann. Es ist zum<strong>in</strong>dest notwendig,<br />

daû Län<strong>der</strong> und Bund e<strong>in</strong>en ¹Kommunikationsratª<br />

etablieren, <strong>der</strong> sich mit allen<br />

Fragen befaût, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e Vernetzung<br />

zwischen Län<strong>der</strong>n und Bund, Landesmedienanstalten<br />

und Regulierungsbehörde<br />

s<strong>in</strong>nvoll und geboten ist. Dieser ¹Kommunikationsratª<br />

muû mit festen Strukturen<br />

und nach geregelten Verfahren arbeiten.<br />

Se<strong>in</strong>e Arbeit sollte nach Ablauf von drei<br />

Jahren evaluiert werden. In diesen ¹Kommunikationsratª<br />

sollen Vertreter aller<br />

gesellschaftlich relevanten Gruppen e<strong>in</strong>bezogen<br />

werden. Dieser ¹Kommunikationsratª<br />

könnte zugleich die Aufgabe wahrnehmen,<br />

e<strong>in</strong>e Vernetzung zwischen <strong>der</strong><br />

Medien- und Telekommunikationspolitik <strong>in</strong><br />

Deutschland und <strong>der</strong> EU sicherzustellen.<br />

Die erfor<strong>der</strong>liche Koord<strong>in</strong>ation au EU-<br />

Ebene könnte e<strong>in</strong> ¹Kooperationsratª übernehmen,<br />

<strong>der</strong> aus unabhängigen, sachkundigen<br />

Persönlichkeiten bestehen sollte, die<br />

von den Mitgliedslän<strong>der</strong>n entsandt werden<br />

und vor allem für Transparenz sorgen sollen.<br />

Integrierte Kommunikationspolitik ± das<br />

muû aber auch bedeuten: ganzheitliche<br />

Zielperspektive. Es geht darum, verschiedene<br />

Ziele <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen und <strong>in</strong><br />

sich schlüssigen Politikkonzept zu verzahnen.<br />

Integrierte Kommunikationspolitik<br />

muû<br />

± die Marktdynamik entfachen, Marktwettbewerb<br />

stimulieren, Marktöffnung för<strong>der</strong>n,<br />

± die Verbreitung von Innovationen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wirtschaft beschleunigen, Kreativität<br />

und Qualitätswettbewerb anregen,<br />

± die Bed<strong>in</strong>gungen zur Aneignung von<br />

Medienkompetenz für alle Bevölkerungsgruppen<br />

optimieren,<br />

± e<strong>in</strong>e möglichst groûe Vielfalt auch an<br />

nicht-kommerziellen Medienaktivitäten<br />

ermöglichen,<br />

271


± die Anb<strong>in</strong>dung ländlicher Raume, öffentlicher<br />

Institutionen und benachteiligter<br />

Bevölkerungsgruppen an die Möglichkeiten<br />

und Chancen <strong>der</strong> Multimedia-Evolution<br />

för<strong>der</strong>n,<br />

± und e<strong>in</strong>en breiten Dialog über die<br />

Zukunft <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

organisieren.<br />

All diese Ziele können und müssen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em stimmigen Politikansatz <strong>in</strong>tegriert<br />

und umgesetzt werden.<br />

3. Chancengleichheit im Informationszeitalter<br />

sichern<br />

Die aktive Teilhabe <strong>der</strong> Bürger an öffentlichen<br />

Belangen ist e<strong>in</strong> Leitbild <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> für<br />

die Informationsgesellschaft und Verfassungsauftrag<br />

zugleich. Ob e<strong>in</strong> Mehr an<br />

Informationen auch e<strong>in</strong> Mehr an Nutzen<br />

für viele bedeutet, wird nicht alle<strong>in</strong> über<br />

den Markt geregelt, son<strong>der</strong>n auch durch<br />

gestaltende Politik. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Aufgaben vorausschauen<strong>der</strong> Politik besteht<br />

dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong> den nächsten Jahren e<strong>in</strong>e Informations<strong>in</strong>frastruktur<br />

zu schaffen, die offen<br />

für den Zugang aller Bürger ist und die<br />

Chancengleichheit verwirklicht.<br />

Mit <strong>der</strong> weitgehenden Liberalisierung des<br />

Telekommunikationsmarktes wurde die<br />

Voraussetzung dafür geschaffen, daû sich<br />

die Telekommunikations<strong>in</strong>frastruktur durch<br />

Wettbewerb weiterentwickeln kann, <strong>in</strong>dem<br />

alle Anbieter e<strong>in</strong>em permanenten Mo<strong>der</strong>nisierungsdruck<br />

unterworfen und e<strong>in</strong>em produktiven<br />

Kosten- und Kreativitätsdruck<br />

ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Jetzt müssen die übrigen<br />

<strong>in</strong>frastrukturellen Voraussetzungen für die<br />

rasche Verbreitung mo<strong>der</strong>ner Informations-<br />

und Kommunikationstechniken<br />

geschaffen werden. Für die Zukunft muû<br />

die flächendeckende und bezahlbare Versorgung<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung mit mo<strong>der</strong>ner<br />

Telekommunikationstechnik gesichert werden.<br />

Dazu bedarf es u.a. e<strong>in</strong>es leistungsfähigen<br />

Universaldienstes. Damit ke<strong>in</strong>e<br />

f<strong>in</strong>anzielle Ausgrenzung verschiedener<br />

Bevölkerungsgruppen erfolgt, müssen<br />

wichtige Informationsangebote kostengünstig<br />

zugänglich se<strong>in</strong>.<br />

272<br />

Neben <strong>der</strong> Versorgung von Schulen, Hochschulen<br />

und E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />

muû e<strong>in</strong>e Vielzahl öffentlicher<br />

Zugangsstellen z.B. <strong>in</strong> Bibliotheken und<br />

Bürgerhäusern e<strong>in</strong>gerichtet werden, damit<br />

alle Bürger die Möglichkeiten <strong>in</strong>teraktiver<br />

Medien nutzen können. Hierzu gehört<br />

auch die Bereitstellung solcher Angebote,<br />

die über den sich entwickelnden kommerziellen<br />

Informationsmarkt nicht ref<strong>in</strong>anziert<br />

werden können, aber von groûer<br />

gesellschaftlicher Bedeutung s<strong>in</strong>d (Archive,<br />

Dokumentationen, Verzeichnisse etc.).<br />

Beson<strong>der</strong>e Bedeutung kommt künftig den<br />

Bibliotheken zu. Zusammen mit den Hochschulen<br />

muû es zu ihrer Aufgabe gehören,<br />

die ¹<strong>in</strong>formationelle Kont<strong>in</strong>uitätª <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft zu gewährleisten. Zur Erreichung<br />

dieser Ziele sollen freiwillige Vere<strong>in</strong>barungen<br />

angestrebt werden. Erfor<strong>der</strong>lich<br />

ist, zügig e<strong>in</strong>en ¹Runden Tischª e<strong>in</strong>zurichten,<br />

an dem mit Vertretern aus Politik,<br />

Telekommunikationsunternehmen und Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

über solche Vere<strong>in</strong>barungen<br />

(¹Bildungstarifª) gesprochen wird.<br />

Um e<strong>in</strong>en neuen öffentlichen Raum zu<br />

schaffen, <strong>in</strong> dem alle Informationen frei<br />

flieûen, die für die aktive demokratische<br />

Teilhabe <strong>der</strong> Bürger wichtig s<strong>in</strong>d, muû sich<br />

das Recht auf Grundversorgung mit Informationen<br />

zu e<strong>in</strong>em ¹Grundrecht auf Informationª<br />

wandeln, das sich auf die ganze<br />

Palette <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationellen Grundversorgung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

erstreckt.<br />

4. Arbeit und Sozialstaat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

mo<strong>der</strong>n, wettbewerbsfähig<br />

und sicher gestalten<br />

Informations- und Wissensarbeit werden<br />

nach und nach zur wichtigsten Erwerbsquelle.<br />

Bis Mitte des nächsten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

wird voraussichtlich auf vier von fünf<br />

Arbeitsplätzen Informationsarbeit stattf<strong>in</strong>den.<br />

Bereits heute erleben wir dramatische<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Organisation:<br />

Verkle<strong>in</strong>erung und Verschlankung<br />

von Unternehmen, Abbau von Hierarchien,<br />

verstärkte Gruppenarbeit, Konzentration<br />

auf Kernkompetenzen, Auslagerung von<br />

Funktionen und Aufbau von Netzwerken


mit Zulieferbetrieben. In den Unternehmen<br />

selbst bilden sich kle<strong>in</strong>ere, auf Dauer<br />

beschäftigte und hochqualifizierte Kernbelegschaften<br />

heraus, die <strong>in</strong> Gröûe und<br />

Zusammensetzung variieren. Personalbestand<br />

und Kosten werden <strong>in</strong> Zukunft flexibler<br />

an die schwankende Nachfrage angepaût<br />

werden. Diese e<strong>in</strong>schneidenden<br />

strukturellen Verän<strong>der</strong>ungen und die<br />

Anwendung von Informations- und Kommunikationstechniken<br />

werden das <strong>in</strong>dustriegesellschaftlich<br />

geprägte Beschäftigungssystem<br />

und damit auch die hierauf<br />

fuûenden sozialen Sicherungssysteme <strong>in</strong><br />

Deutschland nachhaltig bee<strong>in</strong>flussen und<br />

verän<strong>der</strong>n. Wie <strong>in</strong> kaum e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

Bereich wächst die Notwendigkeit des<br />

Zusammenwirkens von Staat, Wirtschaft<br />

und Gewerkschaften, damit die kreativen<br />

und <strong>in</strong>novativen Potentiale <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

entfaltet und zugleich<br />

soziale Verwerfungen vermieden werden<br />

können.<br />

Ob <strong>der</strong> Übergang <strong>in</strong> die Informationsgesellschaft<br />

gesamtwirtschaftlich mehr<br />

Arbeitsplätze br<strong>in</strong>gen wird, vermag gegenwärtig<br />

niemand seriöserweise vorherzusagen.<br />

Gegenwärtig werden die Informationstechnologien<br />

vorwiegend zur<br />

Rationalisierung e<strong>in</strong>gesetzt. Sie wirken als<br />

Prozeû<strong>in</strong>novationen mit produktivitätssteigernden<br />

Resultaten und führen deshalb<br />

tendenziell zu e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung des<br />

nachgefragten Arbeitsvolumens. Um ihre<br />

kostensenkenden Effekte wirksam werden<br />

zu lassen, müssen wir die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Informations- und Kommunikationstechnologienbeschäftigungsfreundlicher<br />

gestalten, <strong>in</strong> dem wir neue<br />

Märkte schaffen, die Attraktivität <strong>in</strong>formationstechnologischer<br />

Arbeit weiter steigern<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die <strong>in</strong>formationstechnische<br />

Qualifikation und Kompetenz <strong>der</strong><br />

Beschäftigten ständig verbessern. Dazu<br />

gehört auch die För<strong>der</strong>ung und Entwicklung<br />

neuer Berufsbil<strong>der</strong>.<br />

Jede Industriegesellschaft, die die <strong>in</strong>formationstechnologische<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung versäumt<br />

o<strong>der</strong> beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, wird nicht nur ihr<br />

<strong>der</strong>zeitiges Beschäftigungsniveau nicht<br />

halten können, son<strong>der</strong>n sie wird darüber<br />

h<strong>in</strong>aus enorme Arbeitsplatzverluste h<strong>in</strong>nehmen<br />

müssen. Das gilt für Volkswirtschaften<br />

ebenso wie für e<strong>in</strong>zelne Unternehmen<br />

und Branchen. Denn die<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>in</strong>formationstechnologisch<br />

gestützter Innovationen ist gleichbedeutend<br />

mit e<strong>in</strong>em Verlust an Wettbewerbsfähigkeit<br />

und e<strong>in</strong>em Rückgang beschäftigungswirksamen<br />

Wachstums.<br />

Erwerbsarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

wird zu e<strong>in</strong>em groûen Teil selbständige<br />

Arbeit se<strong>in</strong>. Bis zum Jahr 2010 wird<br />

sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Selbständigen voraussichtlich<br />

verdoppeln. Sozialdemokraten<br />

wollen selbständige Arbeit als immer wichtiger<br />

werdende Erwerbsquelle för<strong>der</strong>n. Wir<br />

wollen dazu beitragen, e<strong>in</strong> gesellschaftliches<br />

Bewuûtse<strong>in</strong> zu erzeugen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

beruflichen Selbständigkeit zuerst die<br />

Chance und nicht das Risiko erblickt.<br />

Unsere Gesellschaft braucht e<strong>in</strong>e neue Aufgeschlossenheit<br />

für <strong>in</strong>dividuellen Mut zu<br />

<strong>in</strong>dividuellem Risiko. Deshalb unterstützen<br />

Sozialdemokraten die neue Selbständigkeit,<br />

die aus <strong>der</strong> Telearbeit erwächst. Dazu<br />

gehört auch die soziale Absicherung freier<br />

beruflicher Existenzen <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> Unterauslastung<br />

und Hilfen beim Start <strong>in</strong> die<br />

Selbständigkeit. Neue Selbständigkeit<br />

me<strong>in</strong>t aber nicht die bloûe Umwidmung<br />

klassischer Arbeitnehmertätigkeiten <strong>in</strong><br />

weitgehend ungeschützte (sche<strong>in</strong>-)selbständige<br />

Arbeitsverhältnisse. Diese verursachen<br />

bei den Sozialversicherungen jährliche E<strong>in</strong>nahmeausfälle<br />

<strong>in</strong> Milliardenhöhe. Zu e<strong>in</strong>er<br />

konsequenten Bekämpfung sche<strong>in</strong>selbständiger<br />

Beschäftigungsformen gehört auch<br />

die Neudef<strong>in</strong>ition des Arbeitnehmer- und<br />

Unternehmensbegriffs, damit die Schutzwirkung<br />

des Arbeitsrechts nicht unterlaufen<br />

werden kann.<br />

Der allmähliche Wandel vom klassischen<br />

Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis zu<br />

e<strong>in</strong>er Auftraggeber-Auftragnehmerbeziehung<br />

und die absehbaren, immer<br />

wie<strong>der</strong>kehrenden Unterbrechungen <strong>der</strong><br />

Erwerbsbiographien etwa durch Weiterbildungsphasen<br />

setzen die sozialen Sicherungssysteme<br />

unter Druck. Mit dem<br />

zunehmenden Gewicht ¹neuer Selbständigerª<br />

schw<strong>in</strong>det die Zahl <strong>der</strong> Beitragszahler.<br />

273


Arbeit und Wertschöpfung drohen sich<br />

immer mehr dem Zugriff unseres Steuerund<br />

Abgabensystems zu entziehen. Notwendig<br />

ist daher e<strong>in</strong>e Reform des Sozialstaats,<br />

die diese neuen Entwicklungen<br />

berücksichtigt.<br />

Wir werden das Chancenpotential <strong>der</strong><br />

Telearbeit und <strong>der</strong> Telekooperation nur<br />

dann optimal ausschöpfen können, wenn<br />

wir e<strong>in</strong>en vielschichtigen politischen<br />

Gestaltungsansatz verfolgen.<br />

Dabei gilt es,<br />

± die Verbreitung neuer Multimedia-Techniken<br />

<strong>in</strong> Unternehmen zu för<strong>der</strong>n,<br />

± zu den verschiedenen Typen <strong>der</strong> Telearbeit<br />

Pilotprojekte zu <strong>in</strong>itiieren,<br />

± Lösungen für arbeits- und tarifrechtliche<br />

Probleme und für Probleme des Arbeitsund<br />

Datenschutzes zu erarbeiten,<br />

± Gesichtspunkte <strong>der</strong> Raumordnung, des<br />

Verhältnisses von Stadt und Land und<br />

<strong>der</strong> Verkehrspolitik e<strong>in</strong>zubeziehen,<br />

± Maûnahmen zur Qualifizierung von<br />

Telearbeitnehmern zu ergreifen und<br />

± soziale Probleme <strong>der</strong> Telearbeit so weit<br />

wie möglich zu m<strong>in</strong>imieren.<br />

Das Problem <strong>in</strong> Deutschland ist nicht, daû<br />

wir zu viele Telearbeitsplätze hätten. Wir<br />

haben zuwenig. Im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />

rangiert Deutschland auf diesem<br />

Zukunftsfeld weit h<strong>in</strong>ten. Deshalb werden<br />

wir Sozialdemokraten Telearbeit för<strong>der</strong>n.<br />

Die Bereitschaft <strong>der</strong> Arbeitnehmer darf<br />

dabei aber nicht durch Verschlechterungen<br />

ihres sozialen und rechtlichen Status und<br />

die Gefährdung ihrer gewerkschaftlichen<br />

und betrieblichen Vertretungsorgane aufs<br />

Spiel gesetzt werden. Das Ziel sozialdemokratischer<br />

Politik besteht dar<strong>in</strong>, Telearbeitnehmer<br />

arbeits- und sozialrechtlich abzusichern.<br />

Die Ausweitung von Telearbeit darf<br />

auch nicht dazu führen, daû <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Frauen <strong>der</strong> Zugang zu gewünschter auûerhäusiger<br />

Erwerbstätigkeit erschwert wird.<br />

Durch alternierende Teleheimarbeit soll<br />

<strong>der</strong> Kontakt zu den Betrieben erhalten<br />

bleiben.<br />

274<br />

Es ist e<strong>in</strong>e orig<strong>in</strong>äre Aufgabe sozialdemokratischer<br />

Politik, Mo<strong>der</strong>nisierungshemmnisse<br />

zu beseitigen und dabei darauf h<strong>in</strong>zuwirken,<br />

daû Arbeitnehmerrechte<br />

weiterentwickelt werden und die Leistungsfähigkeit<br />

<strong>der</strong> sozialen Sicherung erhalten<br />

bleibt. Ohne die Formulierung sozialer<br />

und arbeitsrechtlicher M<strong>in</strong>deststandards,<br />

die Anpassung bestehen<strong>der</strong>, gesetzlicher<br />

und tarifvertraglicher Regelungen und e<strong>in</strong>e<br />

anhaltende Abschätzung <strong>der</strong> sozialen und<br />

arbeitsmarktpolitischen Folgen werden die<br />

strukturellen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

zu gravierenden Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong><br />

unserem Sozial- und Beschäftigungssystem<br />

führen. Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für<br />

Arbeit und Mitbestimmung <strong>in</strong> ¹virtuellen<br />

Unternehmenª müssen auch gesetzlich<br />

def<strong>in</strong>iert werden. Wir brauchen e<strong>in</strong>en<br />

Rechtsrahmen für Telearbeit. Mit <strong>der</strong><br />

Erleichterung betrieblicher Arbeitsund<br />

Kommunikationsprozesse muû e<strong>in</strong>e<br />

adäquate Anpassung <strong>der</strong> Mitbestimmungsrechte<br />

e<strong>in</strong>hergehen.<br />

5. Qualifikation, Bildung und Medienkompetenz<br />

stärken<br />

Bildung ist das zentrale Zukunftsthema<br />

unserer Gesellschaft. Gerade angesichts<br />

anhalten<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit und im<br />

Blick auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen an unsere<br />

Volkswirtschaft durch die Globalisierung<br />

müssen die Bereiche Bildung, Aus- und<br />

Fortbildung, Wissenschaft und Forschung<br />

an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> vor uns stehenden dr<strong>in</strong>genden<br />

Reformen stehen. Diese Reformen<br />

s<strong>in</strong>d Voraussetzung für Innovationsfähigkeit<br />

und Innovationsgeschw<strong>in</strong>digkeit unserer<br />

Gesellschaft ± beides Schlüsselfaktoren<br />

für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts<br />

Deutschland. Kreativität, Wissen und die<br />

Qualifikation <strong>der</strong> Menschen werden zu<br />

entscheidenden Faktoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />

<strong>der</strong> zukünftigen Informationsgesellschaft.<br />

Alle Bildungse<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d von den<br />

neuen Entwicklungen unmittelbar betroffen.<br />

Die neuen Informations- und Kommunikationstechniken<br />

eröffnen Wissensangebote,<br />

die vielfältiger und aktueller s<strong>in</strong>d als<br />

die herkömmlichen Bildungsangebote. Um


diese Möglichkeiten auszuschöpfen, s<strong>in</strong>d<br />

auûerordentlich hohe Investitionen erfor<strong>der</strong>lich,<br />

auf die bislang we<strong>der</strong> die Län<strong>der</strong><br />

noch <strong>der</strong> Bund vorbereitet s<strong>in</strong>d. Wir brauchen<br />

deshalb für die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

Kommunikations<strong>in</strong>frastruktur unseres Bildungs-<br />

und Wissenschaftssystems auch<br />

F<strong>in</strong>anzierungsmodelle <strong>in</strong> ¹öffentlich-privater<br />

Partnerschaftª. E<strong>in</strong>e gute und umfassende<br />

allgeme<strong>in</strong>e Bildung wird beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft von grundlegen<strong>der</strong><br />

Bedeutung se<strong>in</strong>. Spezialwissen<br />

aber wird schneller veralten. Es entsteht<br />

e<strong>in</strong> Bedarf an kont<strong>in</strong>uierlicher Weiterbildung,<br />

an ¹lebenslangem Lernenª. Phasen<br />

<strong>der</strong> Erwerbstätigkeit werden sich mit Phasen<br />

<strong>der</strong> Bildung und <strong>der</strong> Qualifikation<br />

abwechseln.<br />

Im Mittelpunkt <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Bildungs-<br />

und Qualifikationsoffensive steht<br />

die Medienkompetenz, d. h. <strong>der</strong> kompetente<br />

und kritische, kreative und verantwortungsvolle<br />

Umgang mit neuen Medien<br />

und elektronischen Informationen. So wie<br />

wir lesen, schreiben, Text<strong>in</strong>terpretation<br />

usw. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule lernen, so muû auch <strong>der</strong><br />

Umgang mit den audiovisuellen und <strong>in</strong>teraktiven<br />

Medien gelernt werden. Medienkompetenz<br />

me<strong>in</strong>t aber nicht nur den<br />

bewuûten Gebrauch, son<strong>der</strong>n auch das<br />

Wissen über H<strong>in</strong>tergründe, Strukturen,<br />

Gestaltungsformen und mögliche Wirkungen<br />

<strong>der</strong> Medien. Medienpädapogik muû<br />

Fähigkeiten zur s<strong>in</strong>nvollen Nutzung und<br />

kreativen Gestaltung vermitteln als Voraussetzung<br />

dafür, daû mündige Bürger<strong>in</strong>nen<br />

und Bürger durch e<strong>in</strong>en verantwortlichen<br />

Mediengebrauch Qualitätsmaûstäbe bee<strong>in</strong>flussen<br />

und damit zur selbstbestimmten<br />

Gestaltung <strong>der</strong> Medienumwelt beitragen.<br />

Diese Kompetenz wird nicht nur entscheidend<br />

dafür se<strong>in</strong>, daû die Wettbewerbsfähigkeit<br />

unserer Volkswirtschaft erhalten bleibt,<br />

son<strong>der</strong>n auch, daû die Informationsgesellschaft<br />

<strong>der</strong> Zukunft e<strong>in</strong>e demokratische und<br />

soziale Gesellschaft se<strong>in</strong> wird. Gerade<br />

Sozialdemokraten müssen dafür sorgen,<br />

daû <strong>in</strong> diesem Bereich Spielräume für die<br />

Selbstbestimmung und Teilhabe des E<strong>in</strong>zelnen<br />

mit den Grundsätzen von Gerechtigkeit,<br />

Solidarität und Chancengleichheit<br />

verbunden werden.<br />

Vor allem die Beherrschung des Computers<br />

wird immer mehr zur E<strong>in</strong>trittskarte <strong>in</strong> das<br />

Berufsleben. Im Jahr 2000 wird nur noch<br />

etwa e<strong>in</strong> Drittel aller Erwerbstätigen den<br />

Beruf ohne Computerkenntnisse ausüben<br />

können.<br />

Bei <strong>der</strong> Versorgung <strong>der</strong> Schulen mit PCs<br />

h<strong>in</strong>kt Deutschland z.B. den USA deutlich<br />

h<strong>in</strong>terher. Hierzulande werden selbst<br />

grundlegende Computerkenntnisse heute<br />

weniger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule als zu Hause, d.h. <strong>in</strong><br />

privaten Haushalten, erworben. Diese neue<br />

Form <strong>der</strong> Privatisierung von Ausbildungskosten<br />

führt zu e<strong>in</strong>em neuen Bildungsgefälle.<br />

Es besteht die Gefahr e<strong>in</strong>er Zwei-<br />

Klassen-Informationsgesellschaft. Wir<br />

Sozialdemokraten werden alles <strong>in</strong> unseren<br />

Kräften stehende tun, um e<strong>in</strong>e Spaltung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Informationselite, die kompetent und aktiv<br />

alle neuen Medien ± zum Beispiel <strong>in</strong>teraktive<br />

und Abrufdienste, Spezialabonnements<br />

± nutzt, e<strong>in</strong>e groûe Bevölkerungsgruppe<br />

gegenübersteht, die sich wegen qualifikatorischer<br />

o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzieller Barrieren auf passive<br />

Mediennutzung, vor allem den Konsum<br />

von Unterhaltungsprogrammen<br />

beschränkt.<br />

Wenn das öffentliche Bildungssystem,<br />

wenn Schulen und Hochschulen ihrer Aufgabe<br />

auch künftig gerecht werden sollen,<br />

müssen ihre E<strong>in</strong>richtungen mit <strong>der</strong> nötigen<br />

technischen Infrastruktur ausgestattet und<br />

<strong>in</strong> die Strukturen globaler Kommunikation<br />

e<strong>in</strong>gebunden werden. Noch wichtiger aber<br />

ist es, den Lehrenden an allen Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

die entsprechenden fachlichen,<br />

didaktischen und medienpädagogischen<br />

Fähigkeiten zu vermitteln. Der verantwortungsvolle<br />

Umgang mit Medien ist <strong>in</strong> allen<br />

Bildungse<strong>in</strong>richtungen vom Vorschulalter<br />

an zu <strong>in</strong>tegrieren. Projekte, die den kreativen<br />

Gebrauch von Medien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen tra<strong>in</strong>ieren s<strong>in</strong>d zu för<strong>der</strong>n.<br />

Medienkompetenz darf sich nicht im<br />

Erwerb technischer Kenntnisse erschöpfen.<br />

Medienkompetenz bedeutet auch<br />

± die Fähigkeit zum Medien- und Wissensmanagement,<br />

zum zielgerichteten<br />

275


Umgang mit Informationen, um die<br />

Daten- und Informationsflut <strong>in</strong> den Griff<br />

zu bekommen;<br />

± die Fähigkeit zur Kommunikation, zur<br />

Kooperation und zur Teamarbeit;<br />

± die Fähigkeit, die Medienerlebnisse emotional<br />

und sozial verträglich verarbeiten<br />

zu können und die durch die neuen<br />

Technologien verän<strong>der</strong>ten kommunikativen<br />

und sozialen Risiken (z. B. Gefahren<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>zelung) zu bewältigen;<br />

± die Fähigkeit, mit den Medien kreativ<br />

umzugehen (d. h. Medienpädagogik muû<br />

die Fähigkeit zur s<strong>in</strong>nvollen und schöpferischen<br />

Gestaltung vermitteln),<br />

± die Fähigkeit, Funktionen und Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Medien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft kritisch<br />

zu reflektieren und im H<strong>in</strong>blick auf<br />

gesellschaftliche Folgen und demokratische<br />

Erfor<strong>der</strong>nisse zu beurteilen. Das<br />

umfaût auch das Wissen über H<strong>in</strong>tergründe,<br />

Strukturen, Gestaltungsformen<br />

und mögliche Wirkungen <strong>der</strong> Medien.<br />

Wir müssen lernen, den Wahrheitsgehalt<br />

von Informationen zu h<strong>in</strong>terfragen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

denjenigen bildlicher E<strong>in</strong>drücke,<br />

denen wir bislang häufig e<strong>in</strong>en<br />

Abbildcharakter <strong>der</strong> Realität unterstellten,<br />

± schlieûlich die Fähigkeit, die Medien als<br />

Mittel <strong>der</strong> Artikulation und Durchsetzung<br />

politischer und kultureller Interessen<br />

zu verstehen und selbst o<strong>der</strong> als Mitglied<br />

e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft zu nutzen.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird e<strong>in</strong>e umfassende ¹Bildungspartnerschaftª<br />

von Bund, Län<strong>der</strong>n,<br />

Geme<strong>in</strong>den, Netzbetreibern, Computerherstellern,<br />

Software-Anbietern u. a. <strong>in</strong>s Leben<br />

rufen, damit <strong>in</strong>nerhalb von 5 Jahren die<br />

deutschen Bildungse<strong>in</strong>richtungen mit <strong>der</strong><br />

erfor<strong>der</strong>lichen Infrastruktur ausgestattet<br />

se<strong>in</strong> werden. Vor allem Schulen, Hochschulen,<br />

berufliche Bildungs-, Ausbildungsund<br />

Fortbildungsstätten, Volkshochschulen,<br />

E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> politischen Bildung, <strong>der</strong><br />

Jugendarbeit und Bibliotheken s<strong>in</strong>d mit<br />

Netzanschlüssen, Computern und <strong>der</strong> notwendigen<br />

Software auszurüsten. Wir s<strong>in</strong>d<br />

<strong>der</strong> Auffassung, daû z.B. die Betreiber von<br />

Telekommunikationsnetzen e<strong>in</strong>en Teil ihrer<br />

276<br />

Übertragungskapazitäten im Rahmen dieser<br />

Bildungspartnerschaft kostenlos zur<br />

Verfügung stellen sollen.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird e<strong>in</strong>e Medienkompetenzoffensive<br />

starten, d. h.<br />

± e<strong>in</strong> umfassendes Qualifizierungs- und<br />

Weiterbildungsprogramm für die Lehrenden<br />

an Universitäten, Hochschulen,<br />

Volkshochschulen, allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />

Schulen und Berufsschulen, Vorschule<strong>in</strong>richtungen<br />

sowie an Ausbildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> den Betrieben;<br />

± Medienkunde, d.h. <strong>der</strong> Umgang mit<br />

elektronischen Diensten wie Internet,<br />

Onl<strong>in</strong>e-Dienste und an<strong>der</strong>e Multimedia-<br />

Angebote als <strong>in</strong>tegraler Bestandteil des<br />

Unterrichts <strong>in</strong> allen Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

vom K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten an bis zur<br />

Erwachsenenbildung,<br />

± das Ausschöpfen aller Potentiale von<br />

computergestütztem Lernen und Lehren<br />

(Telelearn<strong>in</strong>g, Teleteach<strong>in</strong>g);<br />

± die For<strong>der</strong>ung von Projekten, die die<br />

bestehenden geschlechts- und generationsspezifischen<br />

Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nutzung und Akzeptanz <strong>der</strong> neuen<br />

Informations- und Kommunikationstechniken<br />

zu überw<strong>in</strong>den helfen, und die<br />

För<strong>der</strong>ung von nutzerfreundlicher Hardund<br />

Software.<br />

Für diese Medienkompetenzoffensive s<strong>in</strong>d<br />

die Begeisterung <strong>der</strong> jungen Generation<br />

und die hohen Qualifikationen zu nutzen,<br />

die sie vielfach im Umgang mit dem Computer<br />

auûerhalb des Unterrichts entwickelt.<br />

Daraus können neue Motivationspotentiale<br />

des Lernens für alle Altersstufen entwickelt<br />

werden.<br />

Auch Medienanbieter und -veranstalter<br />

selbst s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, ihre Nutzer zum<br />

kompetenten Umgang mit den Medien zu<br />

befähigen und sich an medienpädagogischen<br />

Projekten angemessen zu beteiligen.<br />

Die För<strong>der</strong>ung von Medienkompetenz ist<br />

e<strong>in</strong> Auftrag an alle gesellschaftlichen<br />

Kräfte. Bei <strong>der</strong> berufsbezogenen Weiterbildung<br />

dürfen Arbeitgeber nicht aus ihrer<br />

Pflicht entlassen werden, für e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

mo<strong>der</strong>ne Aus- und Weiterbildung


<strong>der</strong> Beschäftigten beizutragen. Im Bereich<br />

<strong>der</strong> im Zusammenhang mit neuen Medien<br />

entstehenden Berufen ist es notwendig,<br />

e<strong>in</strong>e geregelte Ausbildung zu gewährleisten.<br />

Deshalb müssen neue Berufsbil<strong>der</strong><br />

entwickelt werden. Es ist dabei zu gewährleisten,<br />

daû alle Ausbildungs- und Erwerbsarbeitsplätze<br />

gleichberechtigt von Frauen<br />

und Männern besetzt werden.<br />

Zur Sicherung <strong>der</strong> journalistischen Kompetenz<br />

und berufsethischer Standards for<strong>der</strong>t<br />

die <strong>SPD</strong>, dafür Sorge zu tragen, daû Professionalität<br />

und hohes Ausbildungsniveau<br />

<strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong> Redaktionen, Technik,<br />

Programmplanung und Verwaltung<br />

gewährleistet werden. Darüber h<strong>in</strong>aus halten<br />

wir e<strong>in</strong>e EU-weite Verständigung auf<br />

Grundwerte journalistischer Ethik für<br />

unverzichtbar, um grenzüberschreitend<br />

e<strong>in</strong>en verantwortungsbewuûten Umgang<br />

mit Bild, Ton und Wort zu gewährleisten.<br />

6. Forschung und Entwicklung <strong>in</strong> Deutschland<br />

wie<strong>der</strong>beleben<br />

Der Ausbau e<strong>in</strong>er hochleistungsfähigen<br />

Telekommunikations<strong>in</strong>frastruktur und die<br />

Entwicklung und Nutzung <strong>in</strong>formationsgestützter<br />

Dienstleistungen s<strong>in</strong>d von zentraler<br />

Bedeutung für die <strong>in</strong>ternationale Wettbewerbsfähigkeit<br />

unserer Wirtschaft und die<br />

Zukunft unseres Landes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft.<br />

E<strong>in</strong>e bestmögliche Bereitstellung<br />

und Nutzung des erarbeiteten<br />

Wissens steigert die Qualität von Forschung<br />

und Entwicklung, erleichtert die<br />

<strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit und verbessert<br />

den Transfer <strong>der</strong> Ergebnisse von Wissenschaft<br />

und Forschung für Innovationen<br />

<strong>in</strong> Wirtschaft und Gesellschaft. Wissenschaft<br />

und Forschung s<strong>in</strong>d deshalb <strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Weise auf die Nutzung dieser<br />

Infrastruktur angewiesen. Deshalb muû das<br />

deutsche Forschungsnetz schnell weiter<br />

ausgebaut werden.<br />

Wir dürfen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungspolitik die<br />

Fehler <strong>der</strong> 80er Jahre nicht wie<strong>der</strong>holen,<br />

als die deutsche <strong>in</strong>formationstechnische<br />

Industrie auch wegen unzureichen<strong>der</strong> staatlicher<br />

Unterstützung und fehlen<strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong>samer Strategie den Anschluû auf<br />

wichtigen Fel<strong>der</strong>n verpaûte. Die Kürzung<br />

<strong>der</strong> Bundesmittel für Forschung und Entwicklung<br />

<strong>in</strong> den letzten Jahren hat auch die<br />

Fortentwicklung <strong>der</strong> Informations- und<br />

Kommunikationstechniken <strong>in</strong> Deutschland<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Mit <strong>der</strong> Orientierung <strong>der</strong> Forschungs-<br />

und Technologiepolitik auf e<strong>in</strong>e<br />

dauerhaft zukunftsverträgliche Entwicklung,<br />

auf Ressourcenschonung und Verr<strong>in</strong>gerung<br />

<strong>der</strong> Belastungen für Mensch und<br />

Umwelt gew<strong>in</strong>nen Innovationen im<br />

Bereich <strong>der</strong> Informations- und Kommunikationstechnologien,<br />

<strong>in</strong>telligente Systemlösungen<br />

und <strong>in</strong>formationsbasierte Dienstleistungen<br />

zusätzliche Bedeutung. Deshalb<br />

müssen sich Politik, Wirtschaft und Wissenschaft<br />

<strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU <strong>in</strong><br />

Innovationsallianzen auf die För<strong>der</strong>ung<br />

strategischer Leitprojekte für die Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> technologischen Basis und<br />

die Entwicklung neuer Dienstleistungen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Informationsgesellschaft verständigen.<br />

Der staatlichen Forschungsför<strong>der</strong>ung<br />

kommt dabei beson<strong>der</strong>e Bedeutung für die<br />

För<strong>der</strong>ung langfristig angelegter Basis<strong>in</strong>novationen<br />

(z.B. Quantenelektronik, Neuro<strong>in</strong>formatik,<br />

neue Materialien für die Informationstechnik)<br />

zu.<br />

7. Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks sichern<br />

In Deutschland brauchen wir neben leistungsfähigen<br />

privaten Medienhäusern und<br />

Rundfunkanbietern e<strong>in</strong>en starken öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk als e<strong>in</strong> gesellschaftlichen<br />

Interessen verpflichtetes Korrektiv.<br />

Programmqualität und unverwechselbares<br />

Profil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> zukünftigen Informationsgesellschaft<br />

entscheiden darüber, ob er <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich verschärfenden<br />

Konkurrenz mit global operierenden<br />

kommerziellen Medienkonzernen<br />

se<strong>in</strong>e Position behaupten kann. Das wird<br />

auf Dauer nur gel<strong>in</strong>gen, wenn er sich nicht<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verteidigung se<strong>in</strong>er klassischen Formen<br />

und Inhalte erschöpft, son<strong>der</strong>n wenn<br />

er se<strong>in</strong>en Programmauftrag dynamisch auslegt<br />

<strong>in</strong> Richtung auf e<strong>in</strong> Angebot, das für<br />

277


neue Publikums<strong>in</strong>teressen, für neue<br />

Inhalte, Formen und Techniken offen ist.<br />

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat bei<br />

dem Übergang vom dualen Rundfunksystem<br />

zu e<strong>in</strong>er medienpolitisch gefor<strong>der</strong>ten<br />

dualen Informationsordnung e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Funktion. Daher ist se<strong>in</strong>e Existenz und<br />

se<strong>in</strong>e Fortentwicklung zu gewährleisten.<br />

Diese Bestands- und Entwicklungsgarantie<br />

ist auch auf <strong>der</strong> europäischen Ebene abzusichern.<br />

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat<br />

auch künftig im dualen System <strong>der</strong> elektronischen<br />

Kommunikation die unerläûliche<br />

mediale Grundversorgung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

zu garantieren. Diese Grundversorgung ist<br />

ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destversorgung, die auf Information,<br />

Bildung und Kultur beschränkt ist.<br />

Sie ist vielmehr ± so auch das Bundesverfassungsgericht<br />

± e<strong>in</strong>e Vollversorgung mit<br />

e<strong>in</strong>em umfassenden Angebot an Informationen,<br />

Beratung, Kultur, Bildung, Kunst<br />

und Wissenschaft, aber auch an Unterhaltung<br />

und Sport. Dieses Angebot ist den<br />

Interessen <strong>der</strong> Mehrheit verpflichtet, ohne<br />

aber relevante M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<strong>in</strong>teressen zu<br />

vernachlässigen.<br />

Die angemessene Form für solche Programmangebote<br />

ist das klassische Vollprogramm,<br />

das <strong>der</strong> Integrationsfunktion des<br />

öffentlich-rechtlichen Rundfunks am<br />

besten entspricht. Gleichwohl ist er nicht<br />

auf Vollprogramme beschränkt. Vielmehr<br />

ist e<strong>in</strong>e Differenzierung des Programmangebots<br />

nach unterschiedlichen Zielgruppen<br />

und Interessenschwerpunkten s<strong>in</strong>nvoll. Die<br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen<br />

Spartenprogramme muû auch für die<br />

Zukunft gewährleistet se<strong>in</strong>. Auch Ort,<br />

Bestand und Entwicklung <strong>der</strong> öffentlichrechtlichen<br />

Kulturkanäle müssen gesichert<br />

se<strong>in</strong>. Auûerdem umfaût die Entwicklungsgarantie<br />

für den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk die Teilhabe am gesamten Multimedia-Bereich.<br />

Beim digitalen Rundfunk<br />

ist <strong>der</strong> chancengleiche, diskrim<strong>in</strong>ierungsfreie<br />

Zugang des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks zu den Netzen, Deco<strong>der</strong>systemen<br />

und elektronischen Programmführern<br />

zu gewährleisten. Werden digitale Programmpakete<br />

zusammengestellt und ver-<br />

278<br />

breitet, müssen auch öffentlich-rechtliche<br />

Programme <strong>in</strong> dem Gesamtpaket enthalten<br />

se<strong>in</strong>, um dem Grundversorgungspr<strong>in</strong>zip zu<br />

entsprechen (must-carry-Lösung).<br />

Damit <strong>der</strong> öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />

im nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb<br />

bestehen kann, soll er flexibel am<br />

Markt agieren, sich an privaten Unternehmen<br />

beteiligen o<strong>der</strong> mit ihnen kooperieren<br />

können. Auch soll er Formen des Privatrechts<br />

nutzen können, ohne daû das zu<br />

e<strong>in</strong>er Verwischung <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen<br />

Programmverantwortung und -identität<br />

führen darf.<br />

An <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Rundfunkgebühr ist festzuhalten. Regelmäûige<br />

Gebührenanpassungen s<strong>in</strong>d von groûer<br />

Bedeutung. Um die Gebührenf<strong>in</strong>anzierung<br />

zu versachlichen und zu verstetigen,<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dexgestützte Verfahren <strong>der</strong> Gebührenermittlung<br />

zu entwickeln.<br />

Die zeitgleiche und ungekürzte Übertragung<br />

sportlicher und kultureller Groûereignisse<br />

gehört zum spezifischen Programmauftrag<br />

des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks. Daher dürfen solche Ereignisse<br />

nicht exklusiv im Bezahlfernsehen ausgestrahlt<br />

werden. Auch <strong>in</strong> Deutschland muû<br />

entsprechend <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU-Fernsehrichtl<strong>in</strong>ie<br />

durchgesetzten Regelung e<strong>in</strong>e nationale<br />

Liste für herausragende Ereignisse erstellt<br />

und durch Staatsvertrag abgesichert werden.<br />

Auch bei sonstigen Sportereignissen<br />

muû <strong>der</strong> Öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />

f<strong>in</strong>anziell <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, beim<br />

Erwerb <strong>der</strong> Übertragungsrechte als Wettbewerber<br />

auftreten zu können.<br />

8. Informations- und Kommunikationstechniken<br />

zur Entlastung <strong>der</strong> Umwelt<br />

nutzen<br />

In Deutschland s<strong>in</strong>d wir bislang ± an<strong>der</strong>s<br />

als <strong>in</strong> den USA ± noch nicht zu e<strong>in</strong>er breiten<br />

Debatte über die ökologischen Dimensionen<br />

<strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

gelangt. Wir stehen vor <strong>der</strong> groûen Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />

die vielfältigen und teilweise<br />

wi<strong>der</strong>sprüchlichen Beziehungen zur Ökologie<br />

bewuût wahrzunehmen und die Werk-


zeuge und Methoden <strong>der</strong> IuK-Techniken<br />

im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er ökologisch nachhaltigen<br />

Entwicklung zu nutzen.<br />

Mit fortschreiten<strong>der</strong> Computerisierung<br />

unserer Gesellschaft ergeben sich neue<br />

Umweltprobleme. Abfälle aus <strong>der</strong> Chipproduktion,<br />

Computerschrott, schneller Hardware-Verschleiû.<br />

Diese Umweltprobleme<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Dimension allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />

vergleichbar mit jenen die mit früheren<br />

Stufen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Produktion e<strong>in</strong>hergehen,<br />

wie z.B. alle<strong>in</strong> die Menge des Automobilschrotts<br />

aus <strong>der</strong> Massenmotorisierung<br />

zeigt.<br />

Ökologische Problemstellungen s<strong>in</strong>d aber<br />

vorhanden und werden <strong>in</strong> den nächsten<br />

Jahren e<strong>in</strong>e steigende Bedeutung erlangen.<br />

E<strong>in</strong>e gestaltende Politik muû darauf h<strong>in</strong>arbeiten,<br />

daû diese zusätzlichen Belastungen<br />

(zum Beispiel durch Computerschrott)<br />

m<strong>in</strong>imiert werden. Dies bedeutet<br />

die Steigerung <strong>der</strong> nur sehr marg<strong>in</strong>al vorhandenen<br />

Recycl<strong>in</strong>g-Kapazitäten für Elektronikschrott<br />

und die Umsetzung von<br />

Standards <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />

Industrie, um Systemerneuerungen<br />

umweltverträglicher durchführen zu können,<br />

z.B. modulare Bauweise von IT-<br />

Systemen.<br />

Die IuK-Technologien stellen uns nicht<br />

vor globale Umweltprobleme. Sie spielen<br />

<strong>in</strong>dessen schon heute e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Rolle bei <strong>der</strong> ökologischen Optimierung<br />

von <strong>in</strong>dustriellen Produktionsprozessen.<br />

Durch die Entwicklung und Nutzung <strong>der</strong><br />

neuen Technologien kann e<strong>in</strong>e ökologische<br />

Ausrichtung <strong>der</strong> Industrie stattf<strong>in</strong>den, <strong>in</strong><br />

dem beim Design neuer Produkte die<br />

natürlichen Ressourcen geschont werden,<br />

wenn Rohstoffe und Energie sparsamer<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden können. Mit Hilfe IuKgestützter<br />

Meû- und Analysesysteme wird<br />

e<strong>in</strong>e bessere Umweltdiagnostik und e<strong>in</strong>e<br />

effizientere Umweltpolitik erst möglich.<br />

Ohne die Informations- und Kommunikationstechnik<br />

gäbe es z.B. ke<strong>in</strong>e exakten<br />

Klimamodelle.<br />

Das ökologische Potential <strong>der</strong> Telearbeit<br />

ist von beson<strong>der</strong>er Bedeutung. Wenn Telearbeit<br />

an Umweltgesichtspunkten ausge-<br />

richtet ist, liegt dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Chance zur<br />

Umweltentlastung wenn Fahrten zum<br />

Arbeitsplatz entbehrlich o<strong>der</strong> nicht mehr<br />

an jedem Werktag nötig werden.<br />

Und unter dem Aspekt, daû weltweiter<br />

Informationsaustausch <strong>in</strong> immer kürzeren<br />

Zeiten an Bedeutung gew<strong>in</strong>nt, daû Onl<strong>in</strong>e-<br />

Arbeitsplätze nicht erst Realität von übermorgen<br />

s<strong>in</strong>d, wird klar, daû die weltweite<br />

elektronische Kommunikation grundsätzlich<br />

die ökologisch verträglichste Form von<br />

Informationsaustausch ist.<br />

Die IuK-Technologien führen we<strong>der</strong> im<br />

Selbstlauf zu ger<strong>in</strong>gerer Umweltbelastung,<br />

noch müssen sie zwangsläufig zu höheren<br />

Emissionen und rascherem Ressourcenverbrauch<br />

<strong>der</strong> wachstumsorientierten Wirtschaft<br />

führen. Damit die Entwicklung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e wünschenswerte Richtung verläuft,<br />

müssen wir e<strong>in</strong>e Öffentlichkeit herstellen,<br />

die sich umweltbewuût <strong>in</strong> die Diskussionen<br />

um die Gestaltung <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

e<strong>in</strong>schaltet.<br />

9. Die Chancen <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung<br />

e<strong>in</strong>setzen<br />

Angesichts e<strong>in</strong>er zunehmenden Globalisierung<br />

und Kommerzialisierung wächst die<br />

Bedeutung e<strong>in</strong>er demokratischen Kommunikationskultur.<br />

Wir wollen die demokratische<br />

Teilhabe aller am politischen und<br />

gesellschaftlichen Leben unabhängig von<br />

Staat und Verwaltungszentralen e<strong>in</strong>erseits<br />

und <strong>in</strong>ternational arbeitenden, kommerziellen<br />

Medienkonzernen an<strong>der</strong>erseits ermöglichen.<br />

Künftige För<strong>der</strong>projekte elektronischer<br />

Bürger<strong>in</strong>formation müssen sich auch auf<br />

den kommunalen Anwendungsbereich<br />

erstrecken. Formulare o<strong>der</strong> Vorschriften<br />

z. B. sollten zu Hause per Computer o<strong>der</strong><br />

über öffentliche Term<strong>in</strong>als abgerufen werden<br />

können, um Bürger und Verwaltung<br />

gleichzeitig zu entlasten. Neue Formen <strong>der</strong><br />

Bürgerbeteiligung s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> kommunalen<br />

Planung, etwa bei Bebauungsplänen<br />

zu erproben. So eröffnen die neuen<br />

Medien die Chance, das Verhältnis zwi-<br />

279


schen Verwaltung, Ordnungsbehörden und<br />

Bürgern positiv zu gestalten und Vorurteile<br />

abzubauen. Die papierlose Kommunikation<br />

<strong>in</strong> und mit Verwaltungen soll zum Regelfall<br />

werden.<br />

Hierfür kommen sowohl neue Kommunikationsnetze,<br />

wie das Internet, ¹Mailbox-<br />

Verbündeª und Onl<strong>in</strong>e-Dienste, als auch<br />

klassische Formen des Rundfunks <strong>in</strong><br />

Betracht. Es geht darum, allen Bürgern<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft die Chance zu geben, sich<br />

an <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung<br />

zu beteiligen. Es geht darum, bei den<br />

neuen <strong>in</strong>teraktiven Medien die klassische<br />

Trennung zwischen Anbietern und Nutzern<br />

aufzuheben. Um die Me<strong>in</strong>ungsvielfalt zu<br />

sichern, wird die <strong>SPD</strong> offene, <strong>in</strong>teraktive<br />

Netzstrukturen for<strong>der</strong>n. Diese ermöglichen<br />

allen Teilnehmern, Nachrichten, Informationen<br />

und Daten zu empfangen und zu<br />

senden. Wir wollen Modelle ¹elektronischer<br />

Demokratieª nutzen, neue Formen<br />

demokratischer Teilhabe för<strong>der</strong>n und<br />

erproben.<br />

Wir treten für den Bürgerrundfunk als<br />

drittes, eigenständiges Element unserer<br />

elektronischen Medienordnung e<strong>in</strong>. Dieser<br />

Bürgerrundfunk ± d.h. offene Kanäle und<br />

an<strong>der</strong>e Formen zugangsoffenen, geme<strong>in</strong>nützigen<br />

Radios und Fernsehens ± ist wirtschaftlich<br />

und <strong>in</strong>stitutionell dauerhaft abzusichern.<br />

(Bei <strong>der</strong> Umsetzung dieses Beschlusses ist<br />

darauf zu achten, daû das bereits <strong>in</strong> diesem<br />

Bereich tätige Personal ± vornehmlich im<br />

Bereich <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung ± <strong>in</strong><br />

angemessenem Umfang für die Übernahme<br />

neuer Aufgaben qualifiziert wird.)<br />

(Angenommen)<br />

280<br />

Antrag I 160<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Oberhausen-Rhe<strong>in</strong>hausen<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Die <strong>SPD</strong> tritt für e<strong>in</strong>e soziale<br />

und demokratische Gestaltung<br />

<strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />

e<strong>in</strong><br />

I. E<strong>in</strong>e demokratische Medienund<br />

Telekommunikationspolitik<br />

1. Bundesregierung und Län<strong>der</strong> werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, die von <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union gestartete Europäische Informations<strong>in</strong>itiative<br />

so mitzutragen, daû die<br />

Nutzung <strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien<br />

zu sozialen und demokratischen<br />

Zwecken geför<strong>der</strong>t wird. Die kommerziellen<br />

Anbieter alle<strong>in</strong> können dies nicht<br />

leisten. Die Gestaltung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />

Informationsgesellschaft kann<br />

nicht dem technischen Fortschritt und<br />

den Kräften des Marktes alle<strong>in</strong> überlassen<br />

bleiben.<br />

2. Bundesregierung und Län<strong>der</strong> werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, die neuen Kommunikationsmedien<br />

<strong>in</strong>stitutionell so zu gestalten,<br />

daû die <strong>in</strong>formationelle Grundversorgung<br />

gesichert und e<strong>in</strong> universaler und<br />

freier Zugang für alle Bürger<strong>in</strong>nnen und<br />

Bürger gewährleistet ist. Dabei müssen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen gesetzt werden,<br />

die e<strong>in</strong> kostengünstiges Angebot för<strong>der</strong>n<br />

bzw. möglich machen.<br />

3. Parlamente, öffentliche Verwaltungen<br />

und Judikative werden aufgefor<strong>der</strong>t, um<br />

ihre Informationspflicht gegenüber den<br />

Bürgern zeitgemäû zu erfüllen, verstärkt<br />

und umfassend die Möglichkeiten <strong>der</strong><br />

neuen Kommunikationsmedien e<strong>in</strong>setzen<br />

und sich untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vernetzen.<br />

Texte, die sich an die Öffentlichkeit<br />

richten, s<strong>in</strong>d den Bürgern kostenlos o<strong>der</strong><br />

gegen ger<strong>in</strong>ges Entgelt elektronisch zur<br />

Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für<br />

öffentliche Datenbanken.<br />

4. Parlamente und öffentliche Verwaltungen<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, die Öffentlichkeit<br />

mittels <strong>der</strong> neuen Kommunikations-


medien über Gesetzesentwürfe und Planungsvorhaben<br />

effektiv zu <strong>in</strong>formieren,<br />

sie zur Diskussion zu stellen und dafür<br />

geeignete elektronische Beteiligungsverfahren<br />

auszuarbeiten.<br />

5. Die von Bundes- und Landesregierung<br />

e<strong>in</strong>gerichteten Beratungsgremien werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t ihre auf ökonomische<br />

und technische Aspekte e<strong>in</strong>geengte Perspektive<br />

öffnen und stärker als bisher<br />

den Gesichtspunkt <strong>der</strong> bürgerfreundlichen<br />

und <strong>in</strong>haltlichen Gestaltung <strong>der</strong><br />

neuen Kommunikationsmedien berücksichtigen.<br />

In die Initiative Informationsgesellschaft<br />

Deutschland (IID) müssen<br />

alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen<br />

und Initiativen e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

6. Vertraulichkeit, Integrität, Zurechenbarkeit<br />

und ± wo nötig ± Anonymität gilt<br />

es auch für elektronische Kommunikation<br />

zu sichern. Verschlüsselungsverfahren<br />

s<strong>in</strong>d zur Bewahrung <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationellen<br />

Selbstbestimmung unabd<strong>in</strong>gbar.<br />

Nationales Recht ist ± auf sich alle<strong>in</strong><br />

gestellt ± nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die grenzüberschreitenden,<br />

<strong>in</strong>teraktiven Kommunikationsmedien<br />

zu regeln. Die Politik<br />

ist daher aufgefor<strong>der</strong>t, an Ausbau und<br />

Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen rechtlichen<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen mitzuwirken,<br />

die den Schutz, die Freiheit und<br />

die Sicherung <strong>der</strong> Informationsbeschaffung<br />

und Kommunikationsbeziehungen<br />

garantieren. Internationale Konventionen<br />

und bessere technische Selbstschutzmöglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Nutzer <strong>der</strong><br />

neuen Kommunikationsmedien öffnen<br />

den Weg zu e<strong>in</strong>er mehrseitigen Sicherheit.<br />

7. Maûnahmen zum Kampf gegen die<br />

organisierte Krim<strong>in</strong>alität, zum Jugendschutz<br />

o<strong>der</strong> zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Miûbrauchs<br />

<strong>der</strong> Datennetze müssen die<br />

Eigenheiten <strong>der</strong> dezentralen und <strong>in</strong>teraktiven<br />

Kommunikationstechnologien<br />

berücksichtigen und dürfen die verfassungsrechtlich<br />

garantierte Me<strong>in</strong>ungsund<br />

Informationsfreiheit nicht untergraben<br />

o<strong>der</strong> aushöhlen.<br />

8. Die neuen Kommunikationsmedien<br />

müssen als Mittel zur Sicherung und<br />

Revitalisierung des Rechtsstaates e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden. Gesetze, die sich mit dem<br />

Anspruch auf Befolgung an die Öffentlichkeit<br />

richten, und wichtige Urteile,<br />

die Gerichte ,Im Namen des Volkes<br />

verkünden, sollen <strong>in</strong> geeigneter Form<br />

(als ¹Lesetexte für den Bürgerª) kostenfrei<br />

über die neuen Kommunikationsmedien<br />

zugänglich gemacht werden.<br />

9. Die Bundesregierung und die Län<strong>der</strong><br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, für alle genannten<br />

Bereiche Pilotprojekte zu <strong>in</strong>itiieren und<br />

beispielhafte Netzwerke zu för<strong>der</strong>n.<br />

II. E<strong>in</strong>e neue Bildungs- und Kulturpolitik<br />

1. Die Wissenschafts- und Kultusm<strong>in</strong>ister<br />

des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

Bildung und Ausbildung für<br />

und durch die neuen Medien zur nationalen<br />

Priorität zu erheben und die entsprechenden<br />

europäischen Initiativen<br />

verstärkt aufzugreifen. Das Bildungssystem<br />

muû <strong>in</strong> die Lage versetzt werden,<br />

junge Menschen auf die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Informationsgesellschaft vorzubereiten<br />

und ihnen den s<strong>in</strong>nvollen<br />

Umgang mit den neuen Kommunikationsmedien<br />

zu ermöglichen. Es muû<br />

auch Umschulungs- und Fortbildungsmöglichkeiten<br />

für Berufstätige und<br />

Beschäftigungslose bereitstellen, die<br />

durch die technologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

an den Rand gedrängt werden.<br />

2. Die Wissenschafts- und Kulturm<strong>in</strong>ister<br />

des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

die bedarfsgerechte Ausstattung<br />

von Schulen, Volkshochschulen,<br />

Universitäten und E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong><br />

Aus- und Weiterbildung mit <strong>in</strong>ternetfähigen<br />

Computern zügig voranzutreiben<br />

und allen Bildungs<strong>in</strong>stitutionen unbeschränkten<br />

und kostenfreien Zugang<br />

zum Internet zur Verfügung zustellen.<br />

3. Im Rahmen e<strong>in</strong>es zeitgemäûen Universaldienstes<br />

sollen Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

Rat- und Bürgerhäuser, kommunale<br />

Netzwerke und Netzwerke von Selbsthilfegruppen<br />

mit öffentlichen Term<strong>in</strong>als<br />

ausgestattet werden, <strong>in</strong> denen Bürger<strong>in</strong>nen<br />

und Bürger, die nicht im Besitz<br />

281


282<br />

<strong>der</strong> notwendigen technischen Ausstattung<br />

s<strong>in</strong>d, freien und kostengünstigen<br />

Zugang zu den neuen Kommunikationsmedien<br />

erhalten.<br />

4. Es sollen, wie von <strong>der</strong> Europäischen<br />

Kommission gefor<strong>der</strong>t und <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten<br />

Staaten bereits erprobt, <strong>in</strong><br />

Zusammenarbeit mit den Technologieanbietem<br />

Netz-Tage als Pilotprojekte<br />

gestartet werden, die alle gesellschaftlichen<br />

Gruppen mit den Potentialen <strong>der</strong><br />

neuen Kommunikationsmedien vertraut<br />

machen. Dabei s<strong>in</strong>d sozial schwache<br />

Gruppen und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten beson<strong>der</strong>s<br />

zu för<strong>der</strong>n.<br />

5. Öffentliche und private Bibliotheken<br />

sollen über das bestehende Maû h<strong>in</strong>aus<br />

zügig digitalisiert und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vernetzt<br />

werden. Audiovisuelle Medien,<br />

<strong>in</strong>dividuelle Archive und öffentliche<br />

Datenbanken sollen schrittweise zu<br />

e<strong>in</strong>er globalen, ortsungebundenen elektronischen<br />

Bibliothek zusammenwachsen.<br />

Die Deutsche Bibliothek soll als<br />

elektronische Depot- und Archiv<strong>in</strong>stanz<br />

ausgestaltet werden. Die Servicefunktion<br />

<strong>der</strong> Universitäten bei <strong>der</strong> Informationssuche<br />

im weltweiten Netzwerk soll ausgebaut<br />

werden.<br />

6. Die neuen Kommunikationsmedien sollen<br />

als Mittel genutzt werden, das nationale<br />

und europäische Kulturerbe dauerhaft<br />

zu bewahren und für alle<br />

zugänglich zu machen. Ziel ist die E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>es ortsungebundenen elektronischen<br />

Museums, das die erhöhte<br />

Speicher- und Archivierungskapazität<br />

<strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien für<br />

die Digitalisierung <strong>der</strong> Bestände nutzt<br />

und für <strong>in</strong>formationelle Kont<strong>in</strong>uität<br />

sorgt.<br />

7. Die Wissenschaften und die E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong> politischen Bildung s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

die Möglichkeiten <strong>der</strong> neuen<br />

Kommunikationsmedien zu nutzen, um<br />

die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung<br />

allen Interessierten kostengünstig<br />

zugänglich zu machen. Zugleich<br />

müssen sie Reflexions<strong>in</strong>stanzen se<strong>in</strong>, um<br />

die Informationsgesellschaft ¹<strong>in</strong>telligenterª<br />

zu machen und s<strong>in</strong>nvolle Ordnungsstrukturen<br />

dar<strong>in</strong> zu schaffen.<br />

III. E<strong>in</strong>e bürgernahe Politik<br />

1. Bundestag und Landtage sowie kommunale<br />

Parlamente werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich verstärkt an die neuen Kommunikationsmedien<br />

anzuschlieûen und sich<br />

aktiv für den Dialog mit den Bürgern,<br />

sozialen Bewegungen und Interessengruppen<br />

zu öffnen, die zu Recht e<strong>in</strong>e<br />

bürgernahe Politik for<strong>der</strong>n.<br />

2. Die <strong>SPD</strong> muû mit Hilfe <strong>der</strong> neuen<br />

Kommunikationsmedien die Interaktion<br />

mit Mitglie<strong>der</strong>n und Nicht-Mitglie<strong>der</strong>n<br />

weiter verbessern und sie zu e<strong>in</strong>em<br />

Instrument <strong>in</strong>ner- und auûerparteilicher<br />

Demokratie zu machen.<br />

3. Private Organisationen (Nicht-Regierungs-Organisationen,<br />

public <strong>in</strong>terest<br />

groups), die geme<strong>in</strong>wohlorientierte,<br />

humanitäre und spezielle Interessen vertreten,<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, über die<br />

neuen Kommunikationsmedien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong>teraktiven, demokratischen Dialog<br />

e<strong>in</strong>zutreten und sie verantwortlich zu<br />

nutzen.<br />

4. Mit Hilfe <strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien<br />

sollen kommunale, regionale<br />

und überregionale Netzwerke geschaffen<br />

und geför<strong>der</strong>t werden, die Bürger<strong>in</strong>itiativen,<br />

Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftskooperativen<br />

und kommunale<br />

Diskussionsforen e<strong>in</strong>schlieûen.<br />

IV. Die Selbsthilfeorganisation und Selbstkontrolle<br />

<strong>der</strong> Nutzer <strong>der</strong> Neuen<br />

Medien<br />

1. Die Benutzer <strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien<br />

müssen ihren Beitrag dazu<br />

leisten, schwere Verstöûe gegen Regeln<br />

gegenseitigen Respekts, <strong>der</strong> Toleranz<br />

und <strong>der</strong> Menschenwürde zu sanktionieren<br />

und die Selbstkontrolle des elektronischen<br />

Verkehrs (¹netiquetteª) zu<br />

e<strong>in</strong>em echten Gewohnheitsrecht des<br />

elektronischen Zeitalters weiterzuent-


wickeln. Dies ist von e<strong>in</strong>er sozialdemokratisch<br />

geführten Bundesregierung zu<br />

unterstützen.<br />

2. Die <strong>SPD</strong> muû sich verstärkt <strong>in</strong> die Diskussion<br />

um die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

e<strong>in</strong>er Kommunikationsordnung <strong>der</strong><br />

Zukunft e<strong>in</strong>schalten und das öffentliche<br />

Interesse an <strong>in</strong>formationeller Grundversorgung<br />

und Universaldiensten vertreten.<br />

3. Die <strong>SPD</strong>- muû Pilot-Projekte zur Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> politischen Kommunikation<br />

auf lokaler, nationaler, europäischer<br />

und globaler Ebene ausarbeiten, die <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Anfangsphase mit öffentlichen Mitteln<br />

zu för<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d, wobei Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Mobilisierung privaten<br />

Kapitals (Bildungspartnerschaft etc.)<br />

zu verbessern s<strong>in</strong>d.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag I 162<br />

Landesverband Bayern<br />

Telearbeitsplätze<br />

Sozialdemokratische Frauen standen seit<br />

jeher auf <strong>der</strong> Seite des Fortschritts. In diesem<br />

S<strong>in</strong>ne ist die AsF technisch-wissenschaftlicher<br />

Entwicklung aufgeschlossen,<br />

sofern diese zum Wohl <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

<strong>der</strong> Familie, <strong>der</strong> Frauen beiträgt. Diese<br />

unsere Grunde<strong>in</strong>stellung gilt auch gegenüber<br />

neuen Entwicklungen <strong>der</strong> EDV, wie<br />

den häuslichen Telearbeitsplätzen, als <strong>der</strong>en<br />

Folge bisherige Büroarbeitsplätze verloren<br />

gehen werden. Dies ist nur dann wi<strong>der</strong>spruchslos<br />

h<strong>in</strong>zunehmen, wenn die Möglichkeit,<br />

zu Hause zu arbeiten, auch den<br />

Beschäftigten Vorteile br<strong>in</strong>gt.<br />

Bestrebungen, <strong>der</strong>artige neue Arbeitsformen,<br />

die hohe Qualifikation erfor<strong>der</strong>n, als<br />

billige Heimarbeit betreiben zu lassen,<br />

würden auf unseren entschiedenen Wi<strong>der</strong>stand<br />

stoûen.<br />

Die Entwicklung im Bereich Telearbeitsplätze<br />

<strong>in</strong> Form von Heimarbeit betrifft<br />

überwiegend Frauen und Mädchen. Die<br />

Möglichkeit, damit Familie, K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Beruf ¹unter e<strong>in</strong>en Hut zu br<strong>in</strong>genª, birgt<br />

Chancen, wie z. B. ke<strong>in</strong>e berufliche Ausfallzeit,<br />

aber auch Gefahren, z.B. Unternehmensrisikoverlagerung<br />

auf die Arbeitnehmer<strong>in</strong>,<br />

Kosten des Unternehmens werden<br />

privatisiert, fehlende K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungsplätze<br />

müssen auch nicht geschaffen werden,<br />

psychische und physische Überbelastung<br />

durch gleichzeitige Berufstätigkeit<br />

und Familienbetreuung, ke<strong>in</strong>e soziale Absicherung<br />

für das Alter, Verdrängung von<br />

Frauen aus dem öffentlichen beruflichen<br />

Leben.<br />

Telearbeitsplätze verän<strong>der</strong>n die Gesellschaft,<br />

deshalb for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> alle<br />

politisch, sozial und unternehmerisch<br />

Verantwortlichen auf, dafür Sorge zu tragen,<br />

daû<br />

a) ke<strong>in</strong>e völlige Auslagerung von Telearbeitsplätzen<br />

aus den Unternehmen vorgenommen<br />

wird. Die Möglichkeit<br />

begrenzter Tätigkeit im Betrieb sollte<br />

soziale Vere<strong>in</strong>samung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

b) Telearbeitsplätze <strong>in</strong> Heimarbeit als<br />

sozial abgesicherte Arbeitsplätze unter<br />

F<strong>in</strong>anzierung von Büroräumen und<br />

Arbeitsmitteln geschaffen werden. Häusliche<br />

Telearbeitsplätze müssen qualifiziert<br />

besetzt se<strong>in</strong>; Schnellkurse genügen<br />

nicht. Es ist sicherzustellen, daû Telearbeit<br />

ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit ist.<br />

c) e<strong>in</strong>e Abschaltung <strong>der</strong> Geräte an arbeitsfreien<br />

Tagen wird garantiert. (Ke<strong>in</strong>e<br />

Just-<strong>in</strong>-time-Heimarbeit!)<br />

d) arbeitsmediz<strong>in</strong>ische wissenschaftliche<br />

Begleitung aus physisch-psychischer<br />

Sicht als Voraussetzung für e<strong>in</strong>e Ausweitung<br />

häuslicher Telearbeitsplätze sichergestellt<br />

wird.<br />

e) alle Arbeitszeit-, Arbeitsschutz- und<br />

Tarifvertragsbestimmungen von festen<br />

Arbeitsverhältnissen auch für Telearbeitsplätze<br />

gelten.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

283


Antrag I 163<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />

Persönlichkeitsschutz <strong>in</strong> den<br />

Medien<br />

Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t, Vorschläge<br />

zur Verbesserung des Schutzes des<br />

Persönlichkeitsrechts <strong>in</strong> presserechtlichen<br />

Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen zu erarbeiten. Die<br />

sich entwickelnde Medienlandschaft verlangt<br />

von Journalisten e<strong>in</strong>e immer schnellere<br />

Berichterstattung mit dem Druck zur<br />

Sensationspresse zu Lasten e<strong>in</strong>er ausreichenden<br />

Recherche. Dies hat zur Folge,<br />

daû teilweise leichtfertig durch Vermengung<br />

von Tatsachenbehauptungen und<br />

Werturteilen <strong>in</strong> Persönlichkeitsrechte e<strong>in</strong>gegriffen<br />

wird, ohne daû die Betroffenen<br />

die Möglichkeit haben, sich mit den<br />

bestehenden rechtlichen und presserechtlichen<br />

Mitteln effektiv dagegen zu wehren.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 38<br />

Bestandssicherung des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks<br />

Noch hat das Protokoll zum Vertragsentwurf<br />

von Amsterdam zur Bestandssicherung<br />

des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />

ke<strong>in</strong>e Rechtskraft, da legen EU-Industriepolitik-Kommissar<br />

Mart<strong>in</strong> Bangemann und<br />

<strong>der</strong> Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation<br />

(VPRT) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konzertierten<br />

Aktion die Axt nicht nur ans rechtlich-öffentliche,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> letzter<br />

Konsequenz auch an das etablierte duale<br />

System mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von Free-TV-<br />

Angeboten. Das ¹EU-Grünbuch Konvergenzª<br />

zum Bereich <strong>der</strong> Telekommunikation<br />

und <strong>der</strong> Medien- und Informationstechnologie,<br />

das gewiû nicht zufällig zeitgleich<br />

mit dem VPRT-Konzept ¹Medienordnung<br />

2000 plusª auf den Markt kommt, geht <strong>in</strong><br />

unschöner Übere<strong>in</strong>stimmung davon aus,<br />

daû die Digitalisierung nicht nur zu e<strong>in</strong>er ±<br />

284<br />

unbestreitbaren ± technologischen Konvergenz,<br />

son<strong>der</strong>n auch zu e<strong>in</strong>er Konvergenz<br />

<strong>der</strong> Angebote führt, die beson<strong>der</strong>e medienrechtliche<br />

Regelungswerke und damit<br />

Rundfunk als Kulturgut überflüssig macht.<br />

Im Klartext will man sich von seiten <strong>der</strong><br />

kommerziellen Anbieter und ihrer Lobby<br />

<strong>in</strong> Bonn und Brüssel die öffentlich-rechtliche<br />

Konkurrenz zugunsten von bezahlpflichtigen<br />

Abrufdiensten vom Hals halten,<br />

die als re<strong>in</strong>e Wirtschaftsdienste nur noch<br />

Wettbewerbsrecht unterliegen sollen.<br />

Die <strong>SPD</strong> wi<strong>der</strong>setzt sich entschieden allen<br />

Versuchen, das öffentlich-rechtliche System<br />

scheibchenweise zu zerstören, <strong>in</strong>dem die<br />

Angebote sowohl <strong>in</strong>haltlich als auch von<br />

<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Offerten zunächst auf e<strong>in</strong>e<br />

Nischenfunktion zurückgeschnitten und<br />

dann, wenn man ihnen die Marktfähigkeit<br />

genommen hat, für nicht mehr legitimierbar<br />

erklärt werden. Die VPRT-Beschwerde<br />

gegen die öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle<br />

Phönix und K<strong>in</strong><strong>der</strong>kanal ist nur <strong>der</strong><br />

Anfang dieser Strategie.<br />

Die <strong>SPD</strong> bekennt sich zum dualen System<br />

mit e<strong>in</strong>em funktionierenden Wettbewerb<br />

und Chancengleichheit auf dem Markt von<br />

öffentlich-rechtlichen und kommerziellen<br />

Angeboten. Die <strong>SPD</strong> unterstützt e<strong>in</strong>e<br />

ergänzende europäische Medienordnung,<br />

die Me<strong>in</strong>ungsvielfalt und Pluralismus<br />

sichert, die Bestands- und Entwicklungsgarantie<br />

des öffentlich-rechtlichen Systems<br />

nicht antastet und die Regelungskompetenz<br />

<strong>der</strong> EU-Mitgliedslän<strong>der</strong> für Rundfunk als<br />

Kulturfaktor auch <strong>in</strong> neuen Angebotsformen<br />

nicht <strong>in</strong> Frage stellen darf.<br />

Nicht nur für herausragende Sportereignisse,<br />

son<strong>der</strong>n für e<strong>in</strong>e breite Palette von<br />

Information, Bildung und Unterhaltung<br />

gilt: Die Angebotsvielfalt darf nicht dem<br />

Bezahlfernsehen vorbehalten se<strong>in</strong>, sie muû<br />

für alle Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger ohne<br />

zusätzliches Entgelt empfangbar se<strong>in</strong>.<br />

Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t den Vorsitzenden<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei Europas<br />

(SPE) und die <strong>SPD</strong> Europa-Abgeordneten<br />

sowie die sozialdemokratischen<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen Kommission


auf, geeignete Schritte zu ergreifen, um<br />

e<strong>in</strong>e europäische Medienordnung durchzusetzen,<br />

die unseren Grundsätzen entspricht.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 42<br />

¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 159<br />

¹Von <strong>der</strong> Utopie zur Wirklichkeit:<br />

Aufbruch <strong>in</strong> die Informationsgesellschaftª<br />

4. Kapitel, 4. Abs. nach ¹Milliardenhöhe.ª<br />

e<strong>in</strong>fügen:<br />

Entscheidend für e<strong>in</strong>e selbständige Tätigkeit<br />

ist wie, nicht wo, gearbeitet wird. Inso-<br />

fern erfor<strong>der</strong>t selbständige Arbeit e<strong>in</strong>e<br />

eigene Wertschöpfungsstufe und die volle<br />

Partizipation an <strong>der</strong>en Erträgen. Weisungsgebunde<br />

Arbeit, auch Telearbeit, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong> Abhängigkeit von e<strong>in</strong>em Auftraggeber<br />

kann <strong>in</strong>sofern nicht als selbständige<br />

Arbeit angesehen werden, auch nicht, wenn<br />

sie zu Hause durchgeführt wird. Vielmehr<br />

gehört dieser Bereich zu dem ausufernden<br />

Feld <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>selbständigkeit, das wir entschieden<br />

bekämpfen werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />

285


Sozial- und Gesundheitspolitik<br />

Antrag I 167<br />

Landesverband Bayern<br />

Für e<strong>in</strong>e Reform des Sozialstaates<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t alle Glie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> auf, die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um die<br />

Zukunft des Sozialstaates und damit um<br />

die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung<br />

offensiv zu führen. Dieser Sozialstaat<br />

ist we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Schönwettere<strong>in</strong>richtung<br />

noch ist er vom Himmel gefallen. Er ist<br />

Ergebnis langer und harter Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />

um mehr soziale Gerechtigkeit,<br />

Solidarität und Demokratie <strong>in</strong> Wirtschaft,<br />

Gesellschaft und Staat. Se<strong>in</strong> Ziel ist es,<br />

die grundlegenden Interessen und Ansprüche<br />

<strong>der</strong> Menschen auf humane und nützliche<br />

Arbeit, auf gesundheitsgerechte<br />

Lebensbed<strong>in</strong>gungen, soziale Sicherheit,<br />

angemessene Wohnbed<strong>in</strong>gungen und<br />

gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen<br />

Leben zur Geltung zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Es gibt ke<strong>in</strong>en Grund, von diesen<br />

Zielen abzurücken. Ke<strong>in</strong>es dieser Ziele<br />

wird durch die sich selbst überlassenen<br />

Marktkräfte erreicht. Hierzu bedarf es des<br />

gestaltenden E<strong>in</strong>griffs des aktiven Sozialstaates.<br />

Er ist soziales Gegenpr<strong>in</strong>zip und<br />

zugleich politisches Korrektiv zu e<strong>in</strong>er<br />

kapitalistischen Marktwirtschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

sich die gesellschaftliche Entwicklung<br />

nach den Zwängen privater Kapitalverwertung,<br />

wirtschaftlicher Konkurrenzpr<strong>in</strong>zipien<br />

und gesellschaftlicher Privilegien<br />

weniger ausrichtet.<br />

Deshalb zählt es zu den zentralen Aufgaben<br />

für die Sozialdemokratie, <strong>der</strong> unter dem<br />

Dach <strong>der</strong> Standortdiskussion gefor<strong>der</strong>ten<br />

Rückführung sozialpolitischer Regulierungen<br />

und <strong>der</strong> Privatisierung gesellschaftlicher<br />

Risiken entgegenzutreten.<br />

286<br />

Massenarbeitslosigkeit bekämpfen ±<br />

Arbeitnehmerrechte stärken<br />

Zentrales Problem unserer Gesellschaft ist<br />

die ständig steigende Massenarbeitslosigkeit.<br />

Sie ist nicht nur die Hauptursache für<br />

die F<strong>in</strong>anzierungsprobleme <strong>der</strong> Sozialversicherungen<br />

und <strong>der</strong> desolaten Lage aller<br />

öffentlichen Haushalte. Sie gefährdet langfristig<br />

auch das demokratische Zusammenleben<br />

<strong>in</strong> unserer Gesellschaft.<br />

Deshalb bedarf es e<strong>in</strong>er Wirtschafts-,<br />

Haushalts- und Steuerpolitik, die die<br />

Nachfrage <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />

Arbeitnehmer, <strong>der</strong> Techniker und Ingenieure,<br />

<strong>der</strong> Handwerker und des <strong>in</strong>novativen<br />

Mittelstands verbessert und die <strong>in</strong>vestive<br />

Kraft <strong>der</strong> Städte und Geme<strong>in</strong>den<br />

wie<strong>der</strong>herstellt.<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt deshalb auf e<strong>in</strong>e Reform<br />

unseres Steuersystems, die auf Seriosität<br />

und Verläûlichkeit setzt. Steuern s<strong>in</strong>d und<br />

bleiben die Haupte<strong>in</strong>nahmequelle für die<br />

öffentlichen Haushalte. Da sich auch heute<br />

nur die wirklich Reichen e<strong>in</strong>en armen Staat<br />

leisten können, darf e<strong>in</strong>e Steuerreform die<br />

f<strong>in</strong>anziellen und damit politischen Handlungsmöglichkeiten<br />

des Staates nicht weiter<br />

bee<strong>in</strong>trächtigen. Dies heiût nicht, daû e<strong>in</strong>e<br />

Steuerreform nicht nötig ist. Im Gegenteil:<br />

Die Bundesrepublik entwickelt sich zunehmend<br />

zu e<strong>in</strong>em Lohnsteuerstaat. Deshalb<br />

muû e<strong>in</strong>e sozialdemokratische Steuerreform<br />

darauf abzielen, <strong>der</strong> zunehmenden<br />

Schieflage <strong>der</strong> Verteilung von E<strong>in</strong>kommen<br />

und Vermögen gegenzusteuern, die Massene<strong>in</strong>kommen<br />

und damit die brachliegende<br />

B<strong>in</strong>nennachfrage zu stabilisieren und<br />

Anreize für e<strong>in</strong>e ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />

unserer Industriegesellschaft zu<br />

geben.<br />

Die Belastung von Rentnern und Arbeitslosen,<br />

von Schichtarbeitern und Pendlern zur<br />

F<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>er solchen Steuerreform,


eson<strong>der</strong>s zur weiteren Entlastung von<br />

E<strong>in</strong>kommens- und Vermögensmillionären,<br />

ist von <strong>der</strong> Sozialdemokratie zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

± Mit e<strong>in</strong>em kreditf<strong>in</strong>anzierten öffentlichen<br />

Beschäftigungsprogramm auf <strong>der</strong> Basis<br />

des Vorschlags <strong>der</strong> Landesgruppe <strong>der</strong><br />

Bayern-<strong>SPD</strong> im Deutschen Bundestag<br />

müssen kurzfristig Investitionen <strong>in</strong> den<br />

Kommunen, Landkreisen und Län<strong>der</strong>n<br />

geför<strong>der</strong>t und damit neue Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden. Bei <strong>der</strong> Vergabe<br />

öffentlicher Aufträge ist die E<strong>in</strong>haltung<br />

von Tariftreueerklärungen vorzuschreiben<br />

und streng zu kontrollieren.<br />

± Die Tarifparteien werden ermutigt, die<br />

<strong>in</strong>dividuelle Arbeitszeit weiter zu verkürzen<br />

und damit Arbeit breiter zu verteilen.<br />

Die gesetzlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

im Arbeitsrecht sowie bei den<br />

Sozialgesetzen müssen so gestaltet werden,<br />

daû die verschiedenen Modelle <strong>der</strong><br />

Arbeitszeitverkürzung (Überstundenabbau,<br />

Teilzeitarbeit, Verkürzung <strong>der</strong><br />

Lebensarbeitszeit, etc.) entsprechend den<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer und <strong>der</strong>: Betriebe flexibel,<br />

wirtschaftlich handhabbar und<br />

sozial verträglich umgesetzt werden können.<br />

Wir wollen die Arbeitnehmerrechte stärken.<br />

Nur gleichberechtigte Partner <strong>in</strong><br />

Wirtschaft und Gesellschaft können die<br />

Produktivkräfte zum Nutzen aller <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft ausschöpfen. Deshalb werden<br />

wir den Abbau von Arbeitnehmerrechten<br />

rückgängig machen und sie <strong>in</strong> Teilen neu<br />

gestalten.<br />

± Dazu gehört die Wie<strong>der</strong>herstellung des<br />

Kündigungsschutzes und die Korrektur<br />

des Streikparagraphen 116 AFG ebenso<br />

wie e<strong>in</strong>e tariffeste Regelung des Entsendegesetzes.<br />

± Dazu gehört die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle<br />

ebenso wie die des Schlechtwettergeldes.<br />

± Das Betriebsverfassungs- und Bundespersonalvertretungsgesetz<br />

s<strong>in</strong>d so fortzuentwickeln,<br />

daû sie den Erfor<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong><br />

mo<strong>der</strong>nen Arbeitswelt und den gewachsenen<br />

Bedürfnissen und Notwendigkeiten<br />

konkreter Mitbestimmung <strong>der</strong><br />

Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Rechnung<br />

tragen und die betrieblichen Interessenvertretungen<br />

gestärkt werden. Der<br />

Arbeitnehmerbegriff ist umfassend neu<br />

zu regeln. Allen Plänen, Tarifverträge<br />

durch Betriebsvere<strong>in</strong>barungen unterlaufen<br />

zu können, erteilen wir e<strong>in</strong>e Absage.<br />

Tarifpolitik ist Angelegenheit <strong>der</strong> Tarifvertragsparteien.<br />

Dies muû auch künftig<br />

so bleiben! Wir Sozialdemokraten wollen,<br />

daû von Arbeitslosigkeit betroffene<br />

Arbeitnehmer auch weiterh<strong>in</strong> die Möglichkeit<br />

zur Arbeitssuche ohne sofortige<br />

Herabstufung und Verarmung haben.<br />

Deshalb s<strong>in</strong>d die solidarisch zu f<strong>in</strong>anzierenden<br />

Leistungen bei Arbeitslosigkeit<br />

so zu bemessen, daû sie dieser Zielsetzung<br />

dienen.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird deshalb das von <strong>der</strong> Bundestagsfraktion<br />

<strong>in</strong> den Bundestag e<strong>in</strong>gebrachte<br />

und von <strong>der</strong> Koalition abgelehnte Arbeitsund<br />

Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetz als vordr<strong>in</strong>gliche<br />

Maûnahme e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-geführten<br />

Regierung zur Bekämpfung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Langzeitarbeitslosigkeit umsetzen:<br />

Dieses Reformgesetz verschiebt nicht die<br />

Hauptverantwortung für mehr Beschäftigung<br />

von <strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anz- zur<br />

Arbeitsmarktpolitik, es erhöht aber die<br />

Effektivität letzterer. Der Vorrang <strong>der</strong> aktiven<br />

Arbeitsmarktpolitik wird dadurch verb<strong>in</strong>dlich<br />

festgeschrieben, ihre Verzahnung<br />

mit <strong>der</strong> regionalen Strukturpolitik wird<br />

ermöglicht. E<strong>in</strong> so reformiertes AFG kann<br />

e<strong>in</strong>en eigenständigen Beitrag zur Reduzierung<br />

<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit leisten.<br />

Dadurch wird die notwendige Brückenfunktion<br />

<strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik gestärkt.<br />

Soziale Sicherungssysteme reformieren!<br />

Die sozialen Sicherungssysteme haben sich<br />

<strong>in</strong> ihrer 100jährigen Geschichte bewährt<br />

und besitzen nach wie vor e<strong>in</strong>e hohe<br />

Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft. Dies gilt<br />

sowohl für die Renten- wie auch die<br />

gesetzliche Krankenversicherung.<br />

287


± Rentenversicherung<br />

Wir Sozialdemokraten treten auch <strong>in</strong><br />

Zukunft dafür e<strong>in</strong>, daû die Altersrente als<br />

Lohn für Lebensarbeit gezahlt und nicht<br />

als Almosen gewährt wird. Wir wollen, daû<br />

die aus dem aktiven Erwerbsleben Ausgeschiedenen<br />

am Wohlstandszuwachs verb<strong>in</strong>dlich<br />

teilnehmen. Deshalb setzen wir<br />

auch zukünftig auf die Solidarität <strong>der</strong><br />

Beschäftigten. Das von ihnen erwirtschaftete<br />

Sozialprodukt ist die e<strong>in</strong>zige Quelle,<br />

aus <strong>der</strong> die Sozialtransfers f<strong>in</strong>anziert<br />

werden können. Sozialdemokraten halten<br />

deshalb an <strong>der</strong> beitragsf<strong>in</strong>anzierten und<br />

dynamischen Rente fest. Zur Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />

ist ke<strong>in</strong>e Alternative denkbar; sie<br />

trägt dem Umstand Rechnung, daû das<br />

jeweils <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Periode erwirtschaftete<br />

Sozialprodukt e<strong>in</strong>zige Quelle zur F<strong>in</strong>anzierung<br />

von Sozialleistungen darstellt. Zudem<br />

garantiert dieses System, daû die aus dem<br />

Erwerbsleben Ausgeschiedenen am Wohlstandszuwachs<br />

partizipieren. Um dieses<br />

System auch zukünftig zu sichern, s<strong>in</strong>d<br />

Reformen im System notwendig. Vorrangig<br />

dabei ist es, die Rentenversicherung von<br />

versicherungsfremden Leistungen zu entlasten.<br />

Der Griff <strong>in</strong> die Rentenkassen zur<br />

F<strong>in</strong>anzierung von allgeme<strong>in</strong>-gesellschaftlichen<br />

Aufgaben muû verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t und rückgängig<br />

gemacht werden.<br />

Deshalb wollen wir Leistungen <strong>der</strong> Fremdrenten,<br />

des SED-Unrechtbere<strong>in</strong>igungsgesetzes<br />

und Auffüllbeträge für die Ostrenten<br />

aus Bundesmitteln und nicht aus Beiträgen<br />

f<strong>in</strong>anzieren. Bereits dadurch können die<br />

Beitragssätze dauerhaft stabilisiert werden.<br />

Die Kosten e<strong>in</strong>es nach wie vor arbeitsmarktpolitisch<br />

notwendigen Vorruhestandes<br />

s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>e an die Kurzarbeitsregelung<br />

angelehnte Form zu f<strong>in</strong>anzieren, wie<br />

dies im Entwurf für e<strong>in</strong> Arbeits- und Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetz<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

vorgesehen ist.<br />

Wir wollen die <strong>der</strong>zeit auf über 900 000<br />

geschätzten Sche<strong>in</strong>selbständigen sowie die<br />

ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten <strong>in</strong> die Sozialversicherungspflicht<br />

e<strong>in</strong>beziehen. Auch<br />

dadurch kann die Rentenversicherung ent-<br />

288<br />

lastet und zudem <strong>der</strong> Entsolidarisierung<br />

entgegengewirkt werden.<br />

± Krankenversicherung<br />

Gesundheit darf ke<strong>in</strong>e Frage von E<strong>in</strong>kommen<br />

und Vermögen werden. Voraussetzung<br />

dafür bleibt die solidarische Krankenversicherung.<br />

Nur sie stellt den Zugang aller<br />

Versicherten zu Gesundheitsdienstleistungen<br />

und zur mediz<strong>in</strong>isch notwendigen Versorgung<br />

im Krankheitsfall unabhängig von<br />

<strong>der</strong> jeweiligen <strong>in</strong>dividuellen Leistungsfähigkeit<br />

sicher. Die gesetzliche Krankenversicherung<br />

hat sich als e<strong>in</strong> System erwiesen,<br />

das weltweit ke<strong>in</strong>en Vergleich zu scheuen<br />

braucht.<br />

Ihre Sicherung ist deshalb sowohl sozialpolitisch<br />

wünschenswert als auch ökonomisch<br />

vernünftig. Um die Beitragssätze zu stabilisieren<br />

wollen wir<br />

1. die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Globalbudgets,<br />

2. die Schaffung e<strong>in</strong>er Positivliste,<br />

3. Vorhaltung <strong>der</strong> Apotheken auch von<br />

Importprodukten verb<strong>in</strong>dlich anordnen,<br />

4. die Wirtschaftlichkeitsreserven nutzen.<br />

Alle<strong>in</strong> die Realisierung <strong>der</strong> s<strong>in</strong>nvollen E<strong>in</strong>sparmöglichkeiten<br />

würde zu e<strong>in</strong>er Reduzierung<br />

<strong>der</strong> Ausgaben im Gesundheitswesen<br />

um über 10 % und folglich auch zu e<strong>in</strong>er<br />

Senkung des Beitragssatzes um ca. 1,4 Prozentpunkte<br />

führen.<br />

Zusätzlich kann durch Stärkung des Solidarpr<strong>in</strong>zips<br />

die f<strong>in</strong>anzielle Basis <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />

gestärkt werden. Dies<br />

könnte geschehen durch die Anhebung <strong>der</strong><br />

Versicherungspflicht und Beitragsbemessungsgrenzen<br />

<strong>der</strong> GKV auf das Niveau <strong>der</strong><br />

Rentenversicherung. Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong><br />

Rücknahme <strong>der</strong> reaktionären Kürzung <strong>der</strong><br />

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und <strong>der</strong><br />

Revision <strong>der</strong> Absenkung <strong>der</strong> Beitragsbemessungsgrundlage<br />

für die GKV-Beiträge<br />

<strong>der</strong> Leistungsempfänger <strong>der</strong> Bundesanstalt<br />

für Arbeit, kann auch dadurch <strong>der</strong> Beitragssatz<br />

um weitere 0,8 Prozentpunkte redu-


ziert werden. Mehr Solidarität ist möglich,<br />

und dies zu weniger Kosten.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 168<br />

Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />

Reform des Sozialstaates ±<br />

Eckpunkte e<strong>in</strong>es<br />

Innovationskonzepts<br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

Das bisherige Sozialstaatsmodell wird den<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> sozialen Sicherung, des<br />

Arbeitsmarktes und <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />

angesichts <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Arbeitswelt und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft nicht<br />

mehr gerecht. Die Voraussetzung für e<strong>in</strong>e<br />

soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit<br />

und im Alter ist die lebenslange, kont<strong>in</strong>uierliche<br />

Vollerwerbstätigkeit. Die auf Normalerwerbstätigkeit<br />

bezogenen sozialen<br />

Sicherungssysteme werden durch Faktoren<br />

wie den demographischen Wandel und des<br />

Standortwettbewerb <strong>in</strong> Frage gestellt, vor<br />

allem aber durch Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Erwerbsarbeit und durch die<br />

Massenarbeitslosigkeit.<br />

Unstete Erwerbsbiographien, Teilzeitarbeit,<br />

befristete und ger<strong>in</strong>gfügige, nicht sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigung ± das<br />

Normalarbeitsverhältnis als Bezugsgröûe<br />

<strong>der</strong> Sozialen Sicherung löst sich auf. Für<br />

viele Frauen, die durch ihre ¹Zuständigkeitª<br />

für Haushaltsführung, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung<br />

und Pflege ke<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen<br />

Erwerbstätigkeit nachgehen können, war<br />

e<strong>in</strong>e eigenständige soziale Sicherung ohneh<strong>in</strong><br />

nie gegeben.<br />

Die Sozialhilfe, als Ausnahmefall konzipiert,<br />

ist zum ständigen Lebensunterhalt<br />

e<strong>in</strong>er wachsenden, sich verfestigenden<br />

Gruppe von Langzeitarbeitslosen, von<br />

Alle<strong>in</strong>erziehenden und Rentnern geworden.<br />

Sie basiert auf e<strong>in</strong>em überkommenen<br />

Familienbild, führt zu zunehmen<strong>der</strong><br />

Intransparenz und Bürokratisierung sowie<br />

zum f<strong>in</strong>anziellen Kollaps <strong>der</strong> Städte und<br />

Geme<strong>in</strong>den ± ohne den Betroffenen ausreichend<br />

helfen zu können.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> nahezu vollständigen<br />

Anrechnung von Erwerbse<strong>in</strong>kommen trägt<br />

das Sozialhilferecht dazu bei, e<strong>in</strong>e<br />

¹Armutsfalleª aufzustellen: Eigen<strong>in</strong>itiative<br />

und <strong>der</strong> langsame Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den<br />

Arbeitsmarkt werden nicht geför<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n<br />

bestraft.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>der</strong> Sozialdemokratie,<br />

e<strong>in</strong>en öffentlichen Diskurs über e<strong>in</strong>e<br />

Reform des Sozialstaats zu organisieren<br />

und mit eigenen Innovationsvorschlägen<br />

voranzutreiben. Ziel muû es se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en<br />

breiten gesellschaftlichen Konsens mit den<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozial- und Arbeitsmarktpolitik relevanten<br />

Gruppen zu erzielen und die Tarifpartner<br />

(Gewerkschaften und Arbeitgeber)<br />

sowie Wohlfahrtsverbände <strong>in</strong> die Diskussion<br />

und die Entscheidungen e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den.<br />

Bislang f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e öffentliche Diskussion<br />

über geme<strong>in</strong>same Problembewältigungsstrategien<br />

nicht statt. Die Politik <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

privatisiert und <strong>in</strong>dividualisiert<br />

die sozialen Probleme , je<strong>der</strong> und jede<br />

sche<strong>in</strong>t nur noch für sich selbst verantwortlich.<br />

Modelle gegen das Dilemma liegen auch<br />

bei uns auf dem Tisch. Sie wurden <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n längst umgesetzt und halfen<br />

dort, unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>sgesamt<br />

nur noch ger<strong>in</strong>gfügig wachsenden<br />

Arbeitsvolumens die Arbeitslosigkeit zu<br />

verr<strong>in</strong>gern, die soziale Sicherung zu stabilisieren<br />

und die zentralen Bestandteile des<br />

Sozialstaates zu erhalten sowie sozialpolitische<br />

mit arbeitsmarktpolitischen Maûnahmen<br />

zu verknüpfen.<br />

Die Sicherungssysteme unserer europäischer<br />

Nachbarn, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande,<br />

s<strong>in</strong>d nicht im Maûstab e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s<br />

übertragbar. Aber sie zeigen, daû es auch<br />

im Zeitalter <strong>der</strong> europäischen Integration<br />

und <strong>der</strong> Globalisierung Spielräume für e<strong>in</strong>e<br />

eigenständige Arbeitsmarkt- und Sozialpo-<br />

289


litik gibt. Auch wir haben die Möglichkeit,<br />

wenn wir erprobte Grundpr<strong>in</strong>zipien unserer<br />

Nachbarn mit <strong>der</strong> gebotenen kritischen<br />

Distanz zum Vorbild nehmen, unser<br />

¹soziales Netzª zum ¹Trampol<strong>in</strong>ª umzubauen:<br />

Zu e<strong>in</strong>em ¹Trampol<strong>in</strong>ª <strong>der</strong> aus dem<br />

System <strong>der</strong> Erwerbsarbeit fallende Menschen<br />

<strong>in</strong> Beschäftigung und Eigenverantwortung<br />

zurückfe<strong>der</strong>t.<br />

Auch bei uns würde e<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong><br />

Sicherungssysteme durch e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte,<br />

bedarfsorientierte und erwerbsunabhängige<br />

Grundsicherung, durch die Komb<strong>in</strong>ierbarkeit<br />

von Transferleistungen und<br />

Erwerbse<strong>in</strong>kommen (Transferentzugsgrenze),<br />

durch die Aufstockung niedriger<br />

E<strong>in</strong>kommen und durch die Komb<strong>in</strong>ation<br />

qualifizierungs- und arbeitsmarktpolitischer<br />

Programme (Stellvertretermodell) unter<br />

den verän<strong>der</strong>ten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen nicht<br />

weniger, son<strong>der</strong>n mehr Schutz bieten. Sie<br />

bietet bessere Chancen, <strong>der</strong> ¹Armutsfalleª<br />

zu entkommen.<br />

Die Grundsicherung als ¹Sicherungsmodell<br />

mit Beschäftigungseffektenª würde durch<br />

e<strong>in</strong> ergänzendes Soziale<strong>in</strong>kommen als<br />

¹Beschäftigungsmodell mit Sicherungseffektenª<br />

s<strong>in</strong>nvoll vorbereitet und ± bei E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>der</strong> Grundsicherung ± ergänzt.<br />

Die E<strong>in</strong>zelvorschläge zur Reform des<br />

Sozialstaates können unter dem Ziel,<br />

Beschäftigung zu schaffen und zu sichern,<br />

gebündelt werden. Die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

sozialen Sicherung hat positive beschäftigungspolitische<br />

Effekte, weil sie Anreize<br />

zur Aufnahme von Erwerbsarbeit setzt. Die<br />

Aufstockung niedriger E<strong>in</strong>kommen durch<br />

Sozialtransfers macht die Beschäftigungsaufnahme<br />

auch dann lohnend, wenn <strong>der</strong><br />

Stundenumfang nicht ausreicht, um die<br />

Existenz zu sichern. Die im <strong>in</strong>ternationalen<br />

Vergleich niedrige Teilzeitquote und die<br />

Flexibilität <strong>der</strong> Arbeitnehmer würde gesteigert,<br />

ohne das <strong>in</strong>dividuelle Risiko zu erhöhen.<br />

E<strong>in</strong>e solche Reform ist auch wirtschaftspolitisch<br />

s<strong>in</strong>nvoll: Statt auf Kosten <strong>der</strong> Arbeit<br />

Arbeitslosigkeit zu f<strong>in</strong>anzieren, würde<br />

Kaufkraft geschaffen. Die am Standort<br />

290<br />

Deutschland gefor<strong>der</strong>te Produktivitätsorientierung<br />

<strong>der</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb<br />

stehenden Branchen, die zwangsläufig<br />

zu e<strong>in</strong>em Abbau ger<strong>in</strong>g qualifizierter<br />

Arbeit führt, würde durch neue Beschäftigungsverhältnisse<br />

im Dienstleistungsbereich<br />

sozial verantwortlich und wirtschaftspolitisch<br />

s<strong>in</strong>nvoll flankiert.<br />

2. Nie<strong>der</strong>lande: Beschäftigungserfolge<br />

durch steuerf<strong>in</strong>anzierte Grundsicherung<br />

In den Nie<strong>der</strong>landen ist die Erkenntnis<br />

umgesetzt: Von Menschen, die aus dem<br />

Arbeitsmarkt herausfallen, kann höhere<br />

Flexibilität nur gefor<strong>der</strong>t werden, wenn<br />

man ihnen e<strong>in</strong>e Grundsicherung bietet und<br />

Anreize zur Aufnahme e<strong>in</strong>er Erwerbsarbeit<br />

öffnet. Das nie<strong>der</strong>ländische System aus<br />

steuerf<strong>in</strong>anzierten ¹Volks-ª und beitragsf<strong>in</strong>anzierten<br />

¹Arbeitnehmerversicherungenª<br />

sichert jedem Bürger und je<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en am M<strong>in</strong>destlohn orientierten Lebensstandard.<br />

Dabei folgt die Logik dem ¹Capucc<strong>in</strong>o-<br />

Pr<strong>in</strong>zipª: Die pauschalierte Grundsicherung<br />

(¹Algemene Bijstandswetª) und die<br />

Volksrente (¹Algemeen Ou<strong>der</strong>domswetª)<br />

bilden ± zusammen mit Ansprüchen auf<br />

H<strong>in</strong>terbliebenenversicherung, K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld,<br />

Invalidenrente und Son<strong>der</strong>leistungen im<br />

Gesundheitsbereich ± e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte<br />

M<strong>in</strong>destversorgung. Durch Erwerbstätigkeit<br />

werden Ansprüche an die beitragsf<strong>in</strong>anzierte<br />

Arbeitslosigkeits- und Arbeitsunfähigkeitsversicherung<br />

und e<strong>in</strong><br />

Krankengeld aufgesattelt. Private Versicherungen<br />

bilden den Kakaopulver auf ¹Kaffeeª<br />

und ¹aufgeschäumter Milchª.<br />

In den Nie<strong>der</strong>landen haben Arbeitslose<br />

und Grundsicherungsempfänger e<strong>in</strong> Recht<br />

auf eigene Erwerbse<strong>in</strong>künfte, ohne sofort<br />

E<strong>in</strong>buûen bei den flankierenden Sozialtransfers<br />

h<strong>in</strong>nehmen zu müssen. Dieses<br />

Recht übernimmt <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen die<br />

Funktion e<strong>in</strong>er Aufstockung niedriger E<strong>in</strong>kommen<br />

aus ger<strong>in</strong>g qualifizierter und<br />

bezahlter Arbeit und Teilzeitarbeit. In<br />

Zusammenhang mit verschärften Zumut-


arkeitsregelungen und forcierter Vermittlungstätigkeit<br />

hat dieses System e<strong>in</strong>en Teilzeit-<br />

und Flexibilitätsboom erlaubt, <strong>der</strong> für<br />

den Groûteil des nie<strong>der</strong>ländischen<br />

¹Beschäftigungswun<strong>der</strong>sª (plus 1,2 Millionen<br />

Arbeitsverhältnisse von 1985 bis 1995)<br />

verantwortlich ist.<br />

Die von <strong>der</strong> Europäischen Union erhobenen<br />

± vergleichbaren ± Daten zeigen, daû<br />

die Nie<strong>der</strong>lande e<strong>in</strong>en deutlichen Rückgang<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosenquote erreicht haben,<br />

während <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik e<strong>in</strong>e deutliche<br />

Zunahme <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit verzeichnet<br />

wurde. Heute beträgt die Arbeitslosenquote<br />

<strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen nach<br />

<strong>in</strong>ternationalen Vergleichsdaten <strong>der</strong> EU<br />

deutlich weniger als 6 Prozent. Mehr als<br />

je<strong>der</strong> Dritte (37,4 Prozent) ist teilzeitbeschäftigt.<br />

Bei den Frauen s<strong>in</strong>d es mit<br />

67,2 Prozent sogar mehr als zwei Drittel.<br />

Das ist die mit Abstand höchste Teilzeitquote<br />

<strong>der</strong> Männer(Deutschland: 2 bis<br />

4 Prozent). Je<strong>der</strong> zweite neu geschaffene<br />

Arbeitsplatz entsteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeitarbeitsbranche.<br />

Wir können von unseren Nachbarn lernen.<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong> soziales Sicherungssystem<br />

± das den Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage befristeter<br />

Beschäftigung o<strong>der</strong> Teilzeitarbeit för<strong>der</strong>t,<br />

± ohne daû die Menschen fürchten müssen,<br />

im Alter und <strong>in</strong> Notlagen unzureichend<br />

abgesichert zu se<strong>in</strong>,<br />

± ohne daû eigene Erwerbsarbeit durch<br />

e<strong>in</strong>e ¹konfiskatorischeª nahezu vollständige<br />

Anrechnung von E<strong>in</strong>kommen auf<br />

Sozialtransfers unattraktiv wird.<br />

± ¾hnlich wie <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen müssen<br />

auch bei uns Arbeitgeber und Gewerkschaften<br />

<strong>in</strong> die geme<strong>in</strong>same Verantwortung<br />

für den Erhalt und Umbau <strong>der</strong><br />

sozialen Sicherungssysteme genommen<br />

werden.<br />

Die <strong>in</strong>stitutionelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bei<strong>der</strong><br />

Gruppen <strong>in</strong> Entscheidungsprozesse hat bei<br />

unseren Nachbarn verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, daû die mit<br />

den Verän<strong>der</strong>ungen verbundenen Härten<br />

e<strong>in</strong>seitig verteilt wurden und führte zu<br />

e<strong>in</strong>er breiten Zustimmung zu den Reformen.<br />

So konnten groûe Konflikte vermieden<br />

werden, die e<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzung<br />

für den Erfolg <strong>der</strong> Reformen<br />

waren.<br />

H<strong>in</strong>zu kommt, daû <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />

auch die allgeme<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung<br />

und die Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Übere<strong>in</strong>kunft zwischen<br />

Gewerkschaften, Arbeitgebern und<br />

Regierung entschieden wurden. Die Verkürzung<br />

<strong>der</strong> Wochen- und Lebensarbeitszeit<br />

und die Flexibilisierung können so e<strong>in</strong>e<br />

Flankierung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung des<br />

Sozialstaates darstellen und e<strong>in</strong> Bezug zur<br />

stetigen Schaffung neuer Arbeitsplätze se<strong>in</strong>.<br />

3. Bedarfsorientierte Grundsicherung<br />

für Deutschland: E<strong>in</strong>e soziale, arbeitsmarkt-<br />

und wirtschaftspolitische<br />

Innovation<br />

Die heutigen sozialen Sicherungssysteme <strong>in</strong><br />

Deutschland gehen grundsätzlich von <strong>der</strong><br />

Alternative aus, e<strong>in</strong>en Vollarbeitsplatz zu<br />

haben o<strong>der</strong> arbeitslos zu se<strong>in</strong>. Unter den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

wird diese Logik zur ¹Falleª. Auch <strong>in</strong><br />

Deutschland kann durch e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte<br />

bedarfsorientierte Grundsicherung<br />

e<strong>in</strong> erheblicher arbeitsmarktpolitischer<br />

Effekt erzielt werden. Sie muû deshalb die<br />

sozialen Sicherungssysteme ergänzen. Die<br />

beitragsf<strong>in</strong>anzierten Sicherungssysteme,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die solidarische Rentenversicherung,<br />

werden dadurch nicht e<strong>in</strong>geschränkt.<br />

Die Eckpunkte e<strong>in</strong>er steuerf<strong>in</strong>anzierten<br />

sozialen Grundsicherung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei<br />

seit 1988 diskutiert worden. Sie liegen <strong>in</strong><br />

verschiedenen Programmentwürfen und<br />

Beschlüssen vor. Wir müssen diese Diskussionen<br />

verbreitern, beschleunigen und vere<strong>in</strong>heitlichen.<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte,<br />

bedarfsorientierte Grundsicherung, um die<br />

soziale Absicherung aller <strong>in</strong> Deutschland<br />

lebenden Menschen, die längerfristig o<strong>der</strong><br />

dauerhaft ohne eigenes E<strong>in</strong>kommen leben<br />

müssen, zu garantieren. Wir brauchen e<strong>in</strong>e<br />

291


Grundsicherung mit dem Charakter e<strong>in</strong>es<br />

Rechtsanspruches, um die Transparenz <strong>der</strong><br />

Sozialleistungen zu erhöhen und die Stigmatisierung<br />

im Zusammenhang mit dem<br />

Sozialhilfebezug aufzuheben.<br />

Vor allem brauchen wir e<strong>in</strong>e soziale<br />

Grundsicherung, die es attraktiv werden<br />

läût, Erwerbsarbeit auch dann aufzunehmen,<br />

wenn ihr Umfang weit unter <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Vollzeitstelle liegt. Dazu dürfen<br />

ger<strong>in</strong>ge eigene E<strong>in</strong>kommen nur zu<br />

50 Prozent auf die Sozialtransfers <strong>der</strong><br />

Grundsicherung angerechnet werden. Bei<br />

<strong>der</strong> Anrechnung höherer eigener E<strong>in</strong>kommen<br />

muû gewährleistet se<strong>in</strong>, daû e<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong><br />

Anreiz zur Aufnahme besser<br />

bezahlter Arbeit besteht und daû gleichzeitig<br />

die Grundsicherung f<strong>in</strong>anzierbar<br />

bleibt. Dazu kann es s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, die<br />

Transferleistungen <strong>der</strong> Grundsicherung<br />

nicht an e<strong>in</strong>er festen E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />

e<strong>in</strong>zustellen, son<strong>der</strong>n sie mit steigen<strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>kommenshöhe sukzessive herabzusetzen.<br />

Die Steigerung des Erwerbse<strong>in</strong>kommens<br />

lohnt sich dann durchgängig von<br />

<strong>der</strong> ersten Mark an. Wir verb<strong>in</strong>den mit<br />

<strong>der</strong> steuerf<strong>in</strong>anzierten bedarfsorientierten<br />

Grundsicherung e<strong>in</strong>e starke wirtschaftsund<br />

arbeitsmarktpolitische Akzentuierung.<br />

Die Grundsicherung setzt Anreize zu<br />

mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt,<br />

auf <strong>der</strong> Angebots- wie auf <strong>der</strong> Nachfrageseite.<br />

Sie erleichtert die Erschlieûung<br />

neuer Beschäftigungsfel<strong>der</strong>. Sie verbessert<br />

die Voraussetzungen für Selbständigkeit<br />

und Eigen<strong>in</strong>itiative und leistet e<strong>in</strong>en Beitrag<br />

zur Entspannung <strong>der</strong> Situation auf<br />

dem Arbeitsmarkt.<br />

Das seit vielen Jahren diskutierte Modell<br />

e<strong>in</strong>er ¹negativen E<strong>in</strong>kommenssteuerª ist<br />

langfristig gesehen das umfassendste Pr<strong>in</strong>zip<br />

zum Erhalt unserer sozialstaatlichen<br />

Grundlagen. Alle Modelle, die darauf<br />

abzielen, e<strong>in</strong>en schrittweisen Übergang von<br />

Sozialleistungen h<strong>in</strong> zu Erwerbse<strong>in</strong>kommen<br />

f<strong>in</strong>anziell lohnend zu gestalten ± egal<br />

ob Grundsicherung, Kombilohn o<strong>der</strong><br />

¹negative E<strong>in</strong>kommenssteuerª ± haben<br />

e<strong>in</strong>en gesetzlichen M<strong>in</strong>destlohn als Voraussetzung.<br />

292<br />

4. Reformvorschläge für den<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsprozeû<br />

Auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er steuerf<strong>in</strong>anzierten<br />

Grundsicherung können kurz- bis mittelfristig<br />

durch vorgezogene Reformen die<br />

Akzeptanz für die Logik <strong>der</strong> Systemreform<br />

erhöht, die Voraussetzungen h<strong>in</strong>sichtlich<br />

e<strong>in</strong>er Flexibilisierung bei den Trägern<br />

geschaffen und die Orientierung des<br />

Sicherungssystem auf die Stärkung von<br />

Eigenverantwortung und Autonomie vorbereitet<br />

werden. Wir benötigen mehr<br />

Phantasie, um e<strong>in</strong>e aktive Arbeitsmarktpolitik<br />

zu erreichen, die den Erwerbslosen<br />

¹neue Brückenª zum Arbeitsmarkt errichtet.<br />

Den Weg <strong>in</strong> die Wie<strong>der</strong>beschäftigung ebnen<br />

Das Beschäftigungsvolumen wenig<br />

produktiver Dienstleistungen wird auf <strong>der</strong><br />

Nachfrageseite durch hohe Arbeitskosten,<br />

auf <strong>der</strong> Angebotsseite durch die im<br />

Vergleich zum ger<strong>in</strong>gen Nettoe<strong>in</strong>kommen<br />

gröûere Attraktivität <strong>der</strong> Sozialtransfers<br />

begrenzt. Für die Empfänger von<br />

Sozialhilfe ist die Aufnahme ger<strong>in</strong>g entlohnter<br />

o<strong>der</strong> Teilzeitarbeit oft weniger<br />

attraktiv als <strong>der</strong> Verbleib <strong>in</strong> <strong>der</strong> Transferleistung.<br />

Durch e<strong>in</strong>e dauerhafte Ausweitung <strong>der</strong><br />

Beschäftigung <strong>in</strong> den b<strong>in</strong>nenabsatz-orientierten<br />

Dienstleistungsbereichen können<br />

Menschen, die sonst zur Langzeitarbeitslosigkeit<br />

verurteilt s<strong>in</strong>d, ihren Platz f<strong>in</strong>den<br />

und ggf. den Weg zurück <strong>in</strong> besser<br />

bezahlte Beschäftigung. Die für die Absicherung<br />

des Existenzm<strong>in</strong>imums e<strong>in</strong>zusetzenden<br />

Mittel müssen <strong>in</strong> höherem Maûe<br />

als bisher statt zur F<strong>in</strong>anzierung von<br />

Arbeitslosigkeit für diese dauerhafte Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Beschäftigung e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden. Statt dessen ist kurzfristig e<strong>in</strong>e<br />

Pauschalierung vieler Sozialhilfe-E<strong>in</strong>malzahlungen<br />

notwendig, was mit e<strong>in</strong>er Erhöhung<br />

<strong>der</strong> Regelsätze e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>ge. Längerfristig<br />

geht jedoch ke<strong>in</strong> Weg an e<strong>in</strong>er<br />

grundlegenden Reform <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er<br />

bedarfsorientierten Grundsicherung vorbei.


Sozialhilfe reformieren ±<br />

Arbeitse<strong>in</strong>kommen nur teilweise<br />

anrechnen<br />

Für Sozialhilfeempfänger bestehen ke<strong>in</strong>e<br />

f<strong>in</strong>anziellen Anreize zur Aufnahme von<br />

Teilzeitbeschäftigungen o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gqualifizierten<br />

Tätigkeiten, weil bisher das<br />

gesamte E<strong>in</strong>kommen mit Ausnahme e<strong>in</strong>es<br />

Betrages von etwa 260 DM auf die Sozialhilfe<br />

angerechnet wird. Das ist zu wenig.<br />

E<strong>in</strong> niedriges eigenes E<strong>in</strong>kommen sollte<br />

zur e<strong>in</strong>en Hälfte beim Sozialhilfeempfänger<br />

verbleiben und nur die an<strong>der</strong>e Hälfte<br />

sollte auf die Sozialhilfe angerechnet werden.<br />

Die Etablierung von Beschäftigtengruppen<br />

mit niedrigem E<strong>in</strong>kommen, die dann <strong>der</strong><br />

Staat dauerhaft subventionieren müûte, ist<br />

abzulehnen. Es ist s<strong>in</strong>nvoll, niedrige E<strong>in</strong>kommen<br />

mit Sozialtransfers aufzustocken,<br />

nicht jedoch e<strong>in</strong>e Subventionierung untertariflicher<br />

Bezahlung o<strong>der</strong> eigens hierfür<br />

geschaffener Lohngruppen. Längerfristig<br />

geht ke<strong>in</strong> Weg vorbei an e<strong>in</strong>er grundlegenden<br />

Reform <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er bedarfsorientierten<br />

Grundsicherung vorbei, die<br />

dann den von den Sozialhilfezahlungen<br />

entlasteten Kommunen ihre Handlungsfähigkeit<br />

zurückgibt.<br />

Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />

Die Reduktion <strong>der</strong> Sozialbeiträge am<br />

unteren Ende <strong>der</strong> Lohnskala würde<br />

bedeutende Beschäftigungseffekte erzielen.<br />

Von <strong>der</strong> vollständigen Erstattung <strong>der</strong><br />

Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an<br />

e<strong>in</strong>er gesetzlich festzulegenden und tarifpolitisch<br />

abzusichernden Untergrenze ausgehend,<br />

könnte die Senkung über e<strong>in</strong>e<br />

¹För<strong>der</strong>streckeª degressiv zurückgenommen<br />

werden und an e<strong>in</strong>er politisch zu<br />

def<strong>in</strong>ierenden Obergrenze enden. Die<br />

Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />

würde <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> bestehenden Tarifstruktur<br />

implementiert werden. Der vom<br />

Arbeitgeber zu zahlende Bruttolohn würde<br />

heruntergefahren, ohne daû des neuer<br />

Niedriglohntarife bedürfte.<br />

Neue Brücken für den Arbeitsmarkt:<br />

Komb<strong>in</strong>ation sozialer Sicherung,<br />

arbeitsmarktpolitischer Instrumente und<br />

Qualifizierung im ¹ Stellvertretermodellª<br />

Die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit, die<br />

für immer mehr Menschen <strong>in</strong> Langzeitarbeitslosigkeit,<br />

De-Qualifizierung und<br />

Unvermittelbarkeit führt, steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

starken Kontrast zum langfristig wachsenden<br />

Bedarf an flexibel, zeitnah und mo<strong>der</strong>n<br />

qualifizierten Arbeitskräften. Aufgrund <strong>der</strong><br />

demographischen Entwicklung wird prognostiziert,<br />

daû schon bald nach <strong>der</strong> Jahrtausendwende<br />

nicht mehr genügend zeitnah<br />

ausgebildete Fachkräfte aus dem<br />

Bildungs- <strong>in</strong> das Beschäftigungssystem e<strong>in</strong>treten.<br />

Die Arbeitsteilung, nach <strong>der</strong> die Wirtschaft<br />

für die Aus- und Weiterbildung ihrer Fachkräfte<br />

sorgt, und die Arbeitsämter für die<br />

Qualifizierung <strong>der</strong> Arbeitslosen, bleibt<br />

s<strong>in</strong>nvoll. Es liegt aber nahe, Weiterbildungszeiten<br />

<strong>der</strong> aktiven Arbeitnehmer zu<br />

nutzen, um Arbeitslose <strong>in</strong> Kontakt mit dem<br />

Arbeitsmarkt zu halten.<br />

Unter Inanspruchnahme dänischer Erfahrungen,<br />

angepaût an deutsche Verhältnisse,<br />

wird folgendes Modell vorgeschlagen: E<strong>in</strong><br />

Arbeitnehmer verläût mit Rückkehrgarantie,<br />

befristet und für e<strong>in</strong>e an den betrieblichen<br />

Notwendigkeiten orientierte Qualifizierungsmaûnahme<br />

für maximal 24 Monate<br />

se<strong>in</strong>en Arbeitsplatz. Das Bildungsziel wird<br />

zwischen den Betriebspartnern abgestimmt.<br />

Die Sicherung des Arbeitnehmers erfolgt<br />

durch e<strong>in</strong> Weiterbildungsentgelt <strong>der</strong> Bundesanstalt<br />

für Arbeit <strong>in</strong> Höhe von 75 Prozent<br />

des letzten Nettoentgeltes, ref<strong>in</strong>anziert<br />

durch E<strong>in</strong>sparungen beim Arbeitslosengeld<br />

und bei den Integrationshilfen. Der Arbeitgeber<br />

stockt den Betrag auf 90 Prozent des<br />

letzten Nettoentgeltes auf. Die Kosten <strong>der</strong><br />

Weiterbildungsmaûnahme trägt die BfA.<br />

Die Absicherung des Arbeitslosen, <strong>der</strong> im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>besetzungskette die<br />

Stelle besetzt, erfolgt durch e<strong>in</strong>e Lohnzahlung<br />

des Arbeitgebers <strong>in</strong> Höhe von 90 Pro-<br />

293


zent des Tarifentgeltes, das für die befristet<br />

geleistete Arbeit maûgeblich ist.<br />

Das Modell ist für den Arbeitgeber und für<br />

die Bundesanstalt für Arbeit weitgehend<br />

kostenneutral. Die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Regelungen<br />

sollte im Rahmen von Tarifverträgen<br />

o<strong>der</strong> arbeitsrechtlichen E<strong>in</strong>zelvere<strong>in</strong>barungen<br />

erfolgen. Die Realisierung setzt<br />

darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e Reform des Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzes<br />

voraus. Bei Akzeptanz des<br />

Modells würde e<strong>in</strong>e arbeitsmarktentlastende<br />

Wirkung von mehr als 200 000 Stellen<br />

im Jahr möglich.<br />

Neue Brücken für den Arbeitsmarkt:<br />

För<strong>der</strong>ung von Dienstleistungsagenturen<br />

Wir brauchen weitere arbeitsmarktpolitische<br />

Instrumente, die mittel- und kurzfristig<br />

die Transparenz <strong>der</strong> vorhandenen<br />

Sozialtransfers erhöhen, den Übergang aus<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> die Beschäftigung<br />

erleichtern, neue Beschäftigungsfel<strong>der</strong><br />

erschlieûen und die Unternehmen zur<br />

Bereitstellung neuer Arbeitsplätze für<br />

ger<strong>in</strong>ger qualifizierte Menschen anzuregen.<br />

Ziel ist es, durch den Aufbau verb<strong>in</strong>dlicher<br />

Kooperationsstrukturen zwischen privatwirtschaftlichen,<br />

geme<strong>in</strong>nützigen und<br />

öffentlichen Akteuren, sowohl Erwerbsarbeit<br />

zu vermitteln, als auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten<br />

zu entwickeln. E<strong>in</strong>mal<br />

e<strong>in</strong>gespielte Strukturen und die Bündelung<br />

zahlreicher erfor<strong>der</strong>licher Informationen<br />

können e<strong>in</strong>e schnelle und flexible Reaktion<br />

solcher Anlaufstellen garantieren und sich<br />

anbahnende soziale Notlagen im Anfangsstadium<br />

überw<strong>in</strong>den helfen.<br />

E<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolles Instrument s<strong>in</strong>d Dienstleistungsagenturen,<br />

die bereits <strong>in</strong> vielen Kommunen<br />

Erwerbsarbeit im Bereich <strong>der</strong> haushaltsbezogenen<br />

Dienstleistungen<br />

erschlieûen. Sie leisten wertvolle Arbeit bei<br />

<strong>der</strong> Qualifizierung und Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e arbeitsloser Frauen <strong>in</strong><br />

den Arbeitsmarkt. Ihr Angebot stöût aufgrund<br />

hoher Arbeitskosten bislang auf<br />

Grenzen <strong>der</strong> Nachfrage.<br />

294<br />

Dienstleistungsagenturen s<strong>in</strong>d deshalb<br />

grundsätzlich von <strong>der</strong> Mehrwertsteuerpflicht<br />

zu befreien. Die Befreiung sollte<br />

ggf. durch e<strong>in</strong> System <strong>der</strong> Zertifizierung<br />

und e<strong>in</strong> ¹Monitor<strong>in</strong>gª vor Miûbrauch<br />

geschützt werden. Darüber h<strong>in</strong>aus muû die<br />

Absetzbarkeit von Haushaltsdienstleistungen<br />

von <strong>der</strong> Steuer des Arbeitgebers<br />

(¹Dienstmädchenprivilegª) auch bei <strong>der</strong><br />

Beauftragung über Dienstleistungsagenturen<br />

gelten. Dies ist bislang nicht <strong>der</strong> Fall ±<br />

e<strong>in</strong> schweres Handicap für die Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Beschäftigung.<br />

Neue Brücken für den Arbeitsmarkt: För<strong>der</strong>ung<br />

von Beratungs-, Beschäftigungs- und<br />

Qualifizierungsagenturen<br />

Das Modell <strong>der</strong> Dienstleistungsagenturen<br />

muû ausgebaut werden. Beratungs-,<br />

Beschäftigungs- und Qualifizierungsagenturen/-gesellschaften,<br />

wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hansestadt<br />

Lübeck o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />

(Modell ¹Maatwerkª) arbeiten, s<strong>in</strong>d<br />

grundsätzlich geeignet, Empfängern von<br />

Sozialtransfers maûgeschnei<strong>der</strong>te Möglichkeiten<br />

zum Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt<br />

anzubieten ± nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />

Komb<strong>in</strong>ation mit <strong>der</strong> Grundsicherung. Sie<br />

können gleichzeitig als neutrale, ¹diskrim<strong>in</strong>ierungsfreieª<br />

Anlaufstelle für die Beantragung<br />

von Versicherungsleistungen und<br />

Sozialtransfers die Arbeit <strong>der</strong> Arbeits- und<br />

Sozialämter ergänzen.<br />

Spätestens bei Beantragung <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />

sollte automatisch e<strong>in</strong>e Vermittlungsbemühung<br />

e<strong>in</strong>setzen, die auf den Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>tritt<br />

<strong>in</strong> den ersten Arbeitsmarkt ± ggf. unter den<br />

Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Lohnsubventionierung ±,<br />

auf die Vermittlung <strong>in</strong> geför<strong>der</strong>te Beschäftigungsverhältnisse(z.<br />

B. ABM) o<strong>der</strong> ggf. <strong>in</strong><br />

Qualifizierungsmaûnahmen zielt. E<strong>in</strong> weiterer<br />

Schwerpunkt wären Beratungen zur<br />

Selbständigkeit und Existenzgründung.<br />

Geme<strong>in</strong>nützige Ausbildungs-, Beschäftigungs-<br />

und Beratungsgesellschaften sollen<br />

den Kontakt zur Wirtschaft verbessern, die<br />

Unternehmen bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung von<br />

neuen Arbeitsplätzen für die Zielgruppen<br />

des Arbeitsmarktes beraten und über die


zur Verfügung stehenden arbeitsmarktpolitischen<br />

Hilfen <strong>in</strong>formieren.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 169<br />

Landesverband Bayern<br />

Zukunft <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />

I. Unser Sozialstaatsverständnis<br />

Für die Sozialdemokraten steht <strong>der</strong> Sozialstaat<br />

nicht zur Disposition. Das von konservativen<br />

und liberalen Politikern ständig<br />

angefachte Gerede um die Grenzen des<br />

Sozialstaats soll von den wirklichen Ursachen<br />

<strong>der</strong> Probleme <strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme<br />

ablenken. Nicht <strong>der</strong> Sozialstaat<br />

ist zu teuer, son<strong>der</strong>n die Massenarbeitslosigkeit<br />

und die Ausweitung prekärer<br />

Beschäftigungsverhältnisse. Diese dramatische<br />

Entwicklung zu stoppen und<br />

gesellschaftliche Verän<strong>der</strong>ungen aufzunehmen,<br />

ist zentrale Aufgabe sozialdemokratischer<br />

Sozialpolitik <strong>in</strong> den kommenden Jahren.<br />

Nicht <strong>der</strong> Abbau sozialer Leistungen,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Umbau des Sozialstaates im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten Anfor<strong>der</strong>ungen steht<br />

für uns heute auf <strong>der</strong> Tagesordnung.<br />

1. Sozialdemokratisches Sozialstaatsverständnis<br />

± Sozialstaat ist mehr als nur<br />

Sozialhilfe<br />

Die Sozialdemokraten waren von Beg<strong>in</strong>n<br />

an die treibende Kraft beim Auf- und Ausbau<br />

sozialer Sicherungssysteme. Den e<strong>in</strong>stmals<br />

erreichten Schutz vor Lebensrisiken<br />

wie Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit<br />

werden wir nicht den sche<strong>in</strong>bar mo<strong>der</strong>nen<br />

und flotten Sprüchen neo-konservativer<br />

Standortprotagonisten opfern, die nur darüber<br />

h<strong>in</strong>wegtäuschen sollen, daû die<br />

Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong><br />

Zukunft für weniger Geld und weniger<br />

Sicherheit mehr als bisher arbeiten sollen.<br />

Wir wehren uns auch gegen die sche<strong>in</strong>bar<br />

wohlme<strong>in</strong>ende Absicht, die soziale Sicherung<br />

auf die ¹wirklich Hilfsbedürftigenª zu<br />

konzentrieren. Die Aufgabe des Sozialstaats<br />

ist nicht darauf beschränkt, nur wirklich<br />

Hilfsbedürftigen im falle akuter Not<br />

Unterstützung zu gewähren. Sozialleistungen<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Almosen ± soziale Sicherheit<br />

muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Industriegesellschaft<br />

für alle und nicht nur für die Armen<br />

da se<strong>in</strong>.<br />

Erst <strong>der</strong> Sozialstaat hat über diverse Transfers<br />

sowie <strong>der</strong> sozialen Regulierung <strong>der</strong><br />

Arbeitsmärkte für breite Bevölkerungsschichten<br />

und <strong>in</strong> bestimmten Lebensphasen<br />

überhaupt erst die Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />

Lebensgestaltung geschaffen. Er<br />

hat Raum, Zeit und Ressourcen bereitgestellt,<br />

damit nicht nur privilegierte Schichten<br />

ihre geistigen, kulturellen und kommunikativen<br />

Anlagen und Fähigkeiten<br />

ausbilden und entfalten konnten. Unter<br />

den Bed<strong>in</strong>gungen sozial ungeschützter<br />

Arbeit, mangeln<strong>der</strong> sozialer Absicherung<br />

und steigenden Arbeitsdrucks werden die<br />

Lebensperspektiven dagegen e<strong>in</strong>geschnürt<br />

und auf die re<strong>in</strong>e Existenzsicherung<br />

zurückgeworfen. Der Sozialstaat ist somit<br />

weit mehr als e<strong>in</strong>e Umverteilungs<strong>in</strong>stanz.<br />

Erst auf Grundlage solidarischer gesellschaftlicher<br />

Strukturen wird <strong>in</strong>dividuelle<br />

Lebensentfaltung für die breite Bevölkerungsschicht<br />

zu e<strong>in</strong>em Lebens<strong>in</strong>halt. Die<br />

von den Konservativen betriebene Zurückführung<br />

des Sozialstaats setzt dagegen an<br />

die Stelle von sozialer Individualität die<br />

entfesselte Konkurrenz zwischen den Menschen.<br />

Der Wi<strong>der</strong>stand gegen neo-konservativen<br />

Systemumbau ist daher ke<strong>in</strong>eswegs<br />

nur e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz für die Rechte <strong>der</strong> unmittelbar<br />

Betroffenen, son<strong>der</strong>n zugleich auch<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz für e<strong>in</strong>e freiheitliche und<br />

zugleich solidarische Lebenswelt, <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> sich die Menschen nicht permanent als<br />

Konkurrenten gegenübertreten müssen.<br />

2. Sozialstaat vor neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />

Der soziale und Wandel stellt den Sozialstaat<br />

vor neue Herausfor<strong>der</strong>ungen. Die<br />

Umbrüche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt und die hohe<br />

Arbeitslosigkeit, die wachsende Armut, <strong>der</strong><br />

demographische Wandel und die gestiegenen<br />

Erwartung von Männern und Frauen<br />

295


an e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barkeit von Beruf mit e<strong>in</strong>em<br />

Zusammenleben mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n müssen im<br />

Umbau <strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme<br />

ihren Nie<strong>der</strong>schlag f<strong>in</strong>den.<br />

Massenarbeitslosigkeit hat sich zu e<strong>in</strong>em<br />

Dauerproblem verfestigt, gleichzeitig verän<strong>der</strong>t<br />

sich mit <strong>der</strong> allmählichen Auflösung<br />

des ¹Normalarbeitsverhältnissesª die<br />

Anfor<strong>der</strong>ung an die Sozialsysteme. So werden<br />

die Voraussetzungen <strong>der</strong> Risikoabsicherung<br />

von Arbeitslosen nicht mehr<br />

erfüllt. Ger<strong>in</strong>gfügig o<strong>der</strong> nur teilweise<br />

Beschäftigungsverhältnisse begründen nur<br />

unzureichende Ansprüche auf spätere Leistungen<br />

aus den Sozialkassen. Die Kompensation<br />

von Lohnsteigerungen durch<br />

Arbeitszeitverkürzung führt <strong>in</strong>folge des<br />

lohnbezogenen Anpassungssystems zu<br />

e<strong>in</strong>em Rückgang des Rentenniveaus. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

Frauen s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong> von Altersarmut<br />

betroffen. Armut wird zu e<strong>in</strong>em verbreiteten<br />

Problem. Die Zahl <strong>der</strong> Personen,<br />

die zwischen 25 und 50 Jahren, die im<br />

Laufe e<strong>in</strong>es Jahres m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal<br />

Sozialhilfe bezogen, hat sich 1987 bis 1990<br />

verdreifacht. 40 % <strong>der</strong> Hilfeempfänger<strong>in</strong>nen<br />

s<strong>in</strong>d jünger als 25 Jahre.<br />

Der Schlüssel zur f<strong>in</strong>anziellen Stabilisierung<br />

<strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme und<br />

zur Senkung <strong>der</strong> Beiträge liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Beschäftigung. Wir brauchen<br />

e<strong>in</strong>e Konsolidierung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Fundamente<br />

<strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme<br />

über e<strong>in</strong>e deutliche Ausweitung <strong>der</strong> Beitragsbemessungs-<br />

und Versicherungspflichtgrenzen.<br />

Auûerdem müssen die<br />

Sozialversicherungssysteme von denjenigen<br />

versicherungsfremden Leistungen entlastet<br />

werden, die nicht zum <strong>in</strong>ternen sozialen<br />

Ausgleich gerechnet werden können.<br />

3. Nach 15 Jahren neo-konservativer<br />

Politik ± die soziale Frage meldet sich<br />

zurück<br />

Mehr als 14 Jahre neo-konservativer<br />

Systemumbau haben deutliche Spuren im<br />

sozialen Gefüge unseres Landes h<strong>in</strong>terlassen.<br />

Von 1980 bis 1990 nahm im alten<br />

Bundesgebiet die Zahl <strong>der</strong> statistisch ausgewiesenen<br />

Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen um<br />

296<br />

75 % auf gut 3,75 Mio. zu. Berücksichtigt<br />

man die dabei vermutete Dunkelziffer von<br />

ca. 30 %, so muû von ca. 5 Mio. Sozialhilfeberechtigten<br />

ausgegangen werden. Inzwischen<br />

werden die Folgen <strong>der</strong> verfehlten<br />

Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik immer<br />

deutlicher, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong>jenigen, die wegen<br />

Arbeitslosigkeit zu Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen<br />

werden, steigt stetig. Doch die Bundesregierung<br />

reagiert wie bisher: statt die<br />

Ursachen wachsen<strong>der</strong> Armut und Arbeitslosigkeit<br />

anzugehen, bekämpft sie die<br />

Opfer ihrer Politik, <strong>in</strong>dem sie die Leistungen<br />

kürzt.<br />

Dabei kann von e<strong>in</strong>em ¹Ausufern des<br />

Sozialstaatesª nicht die Rede se<strong>in</strong>. Dies<br />

bestätigt die Entwicklung <strong>der</strong> Sozialleistungsquote.<br />

Lag diese im Jahre 1980 noch<br />

bei 33,4 %, betrug sie aufgrund des massiven<br />

Sozialabbaus <strong>der</strong> Kohl-Regierung zehn<br />

Jahre später nur noch 29,5 %. Das bedeutet,<br />

daû die Gesellschaft gemessen an ihrem<br />

produzierten Reichtum im Jahre 1990<br />

ganze 13 % weniger für soziale Belange<br />

aufwandte als noch 1980. Und trotz <strong>der</strong><br />

erheblichen Zunahme von Arbeitslosen,<br />

Rentner<strong>in</strong>nen und Sozialhilfebezieher<strong>in</strong>nen<br />

liegt <strong>der</strong> Anteil des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts,<br />

<strong>der</strong> für ¹Sozialesª ausgegeben wird, noch<br />

deutlich unterhalb <strong>der</strong> Werte von Mitte<br />

<strong>der</strong> 70er und Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre. Der<br />

Anstieg <strong>der</strong> Sozialquote seit 1990 hat auch<br />

nichts mit überborden<strong>der</strong> Anspruchsmentalität<br />

zu tun, son<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong>zig durch<br />

milliardenschwere Transfers nach Ostdeutschland<br />

verursacht. So erreichte die<br />

Sozialleistungsquote 1992 <strong>in</strong> ganz Deutschland<br />

zwar 32,7 %, im Westen machte sie<br />

aber nur 29,4 % aus gegenüber 67,9 % im<br />

Osten. Diese hohen Sozialaufwendungen<br />

für Ostdeutschland waren und s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong><br />

notwendig, um angesichts explodieren<strong>der</strong><br />

Massenarbeitslosigkeit e<strong>in</strong>e breite Verelendung<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung dort zu<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Zurückbleibende E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> Arbeitnehmer,<br />

Ausweitung <strong>der</strong> prekären Beschäftigungsverhältnisse<br />

und vor allem die Massenarbeitslosigkeit<br />

bilden die eigentlichen<br />

Ursachen für die soziale Spaltung <strong>der</strong><br />

Gesellschaft und die Defizite <strong>in</strong> den öffent-


lichen Etats, nicht die vielfach beschworenen<br />

¹überzogenen Ansprücheª. Die hier<br />

entstehenden Kosten s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> soziale Preis<br />

für e<strong>in</strong>e Wirtschafts-, F<strong>in</strong>anz- und Sozialpolitik,<br />

die durch Umverteilung, Privatisierung<br />

und Deregulierung die Konkurrenzund<br />

Ausgrenzungsmechanismen <strong>der</strong> Marktwirtschaft<br />

för<strong>der</strong>t anstatt auf ihre soziale<br />

Korrektur und die gesellschaftliche Regulierung<br />

des Marktes zu orientieren.<br />

E<strong>in</strong> System, dessen F<strong>in</strong>anzierung an die<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>es Teils <strong>der</strong> Lohnquote<br />

gekoppelt ist, gerät zwangsläufig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Schieflage, wenn Massenarbeitslosigkeit<br />

und Reallohnsenkungen über Jahre h<strong>in</strong>weg<br />

die f<strong>in</strong>anzielle Basis aushöhlen. Wenn sich<br />

die Lohnquote von historischem Tiefstand<br />

zu Tiefstand bewegt, können die sozialen<br />

Sicherungssysteme davon nicht unberührt<br />

bleiben. Die massive Ausweitung <strong>der</strong><br />

sozialversicherungsfreien Beschäftigung<br />

und <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>selbständigkeit wirken weiterh<strong>in</strong><br />

verschärfend für die F<strong>in</strong>anzierbarkeit<br />

des Systems. Die völlig verfehlte F<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> deutschen Vere<strong>in</strong>igung und <strong>der</strong><br />

nochmalige Anstieg <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit auf<br />

Rekordhöhe hat das Faû dann endgültig<br />

zum Überlaufen gebracht.<br />

4. Konservatives Sozialstaatsverständnis ±<br />

vom Sozialstaat zum Konkurrenzstaat<br />

Für die Konservativen und Liberalen ist<br />

<strong>der</strong> Sozialstaat nur mehr e<strong>in</strong> lästiges H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis<br />

auf dem Weg zur schrankenlosen<br />

Herrschaft <strong>der</strong> Märkte. Sie haben sich von<br />

dem e<strong>in</strong>stigen allgeme<strong>in</strong>en Konsens, <strong>der</strong><br />

Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben,<br />

verabschiedet. Während früher das Ziel <strong>der</strong><br />

Gleichheit als Motor gesellschaftlichen<br />

Fortschritts galt, sehen die Konservativen<br />

heute <strong>in</strong> <strong>der</strong> Differenz die vorwärtstreibende<br />

Kraft <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Egalität gilt ihnen als Schimpfwort.<br />

Die von Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden<br />

formulierte Sozialstaatskritik ist<br />

ke<strong>in</strong>eswegs neu, son<strong>der</strong>n greift auf zentrale<br />

Denkmuster neo-konservativer und ordoliberaler<br />

Sozialstaatskritik zurück. Die Eckpunkte<br />

konservativ-liberaler Sozialpolitik<br />

werden deutlich: Privatisierung und Ver-<br />

marktung sozialer Risiken und Dienste,<br />

E<strong>in</strong>kommensumverteilung zu Lasten <strong>der</strong><br />

abhängig Beschäftigten, schrittweise Rückführung<br />

staatlicher Sozialpolitik und nicht<br />

zuletzt die umfassende Deregulierung <strong>der</strong><br />

Arbeitsbeziehungen markieren die Leitl<strong>in</strong>ien<br />

e<strong>in</strong>es marktradikalen Umbaukonzeptes<br />

des Sozialstaates, das die sozialstaatliche<br />

Verfassung <strong>der</strong> Gesellschaft den Erfor<strong>der</strong>nissen<br />

e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong> kapitalorientierten Mo<strong>der</strong>nisierungsprozesses<br />

anpassen will. Die<br />

Sozialpolitik verliert <strong>in</strong> diesem Konzept<br />

ihre Funktion als gesellschaftlich legitimiertes<br />

soziales Korrektiv <strong>der</strong> Konkurrenz<br />

und Profitgesetze des Marktes. Ihr Ziel<br />

und Zweck werden neu def<strong>in</strong>iert. Nicht <strong>der</strong><br />

problemadäquate Schutz vor sozialen Risiken<br />

und die Korrektur <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommenspolarisierung,<br />

son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />

zur Konsolidierung <strong>der</strong><br />

Staatsf<strong>in</strong>anzen, zur Reduzierung <strong>der</strong> Personalzusatzkosten<br />

und zur Deregulierung des<br />

Arbeitsrechts- und Tarifsystems avanciert<br />

zum Erfolgskriterium konservativer Sozialpolitik.<br />

Sozialstaat und Sozialpolitik werden<br />

<strong>in</strong> die Logik angebotsorientierter<br />

Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>in</strong>tegriert<br />

und erhalten die Aufgaben, Selektions- und<br />

Ausgrenzungsmechanismen des Arbeitsmarktes<br />

zu stützen, anstatt sie auszugleichen<br />

und auf e<strong>in</strong>e präventive Politik <strong>der</strong><br />

Risikovermeidung abzuzielen.<br />

II. Aktives Alter ± Sicheres Alter<br />

Anzahl und gesellschaftliches Gewicht <strong>der</strong><br />

älteren Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger nehmen<br />

zu. E<strong>in</strong> Fünftel <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />

ist im Rentenalter. Diese Menschen<br />

wollen länger aktiv bleiben, sie wollen über<br />

sich und über ihr Leben selbst bestimmen,<br />

sie wollen am öffentlichen Leben <strong>in</strong> Staat<br />

und Gesellschaft teilnehmen, sie wollen<br />

mitentscheiden und mitgestalten.<br />

Die Möglichkeiten <strong>der</strong> älteren Generation,<br />

an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen<br />

mitzuwirken, s<strong>in</strong>d jedoch noch<br />

immer zu ger<strong>in</strong>g. Ihr Mitspracherecht <strong>in</strong><br />

Kommunen und Staat, <strong>in</strong> gesellschaftlichen<br />

Organisationen und politischen Parteien<br />

muû erweitert und verbessert werden.<br />

297


Gesellschaft und Staat können es sich<br />

immer weniger leisten, Wissen, Erfahrung<br />

und Kompetenz älterer Menschen ungenutzt<br />

zu lassen. Wir brauchen deshalb<br />

überall ± <strong>in</strong> <strong>der</strong> privaten Wirtschaft wie im<br />

staatlichen und öffentlichen Bereich ±<br />

Organisationsformen und Arbeitsmöglichkeiten,<br />

die auf die spezifischen Voraussetzungen<br />

älterer Menschen ausgerichtet s<strong>in</strong>d.<br />

Ehrenamtliches Engagement und Zuverdienstarbeitsplätze<br />

müssen geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Die Arbeitslosigkeit älterer Menschen ist<br />

e<strong>in</strong>e groûe Last für die Gesellschaft, für die<br />

Betroffenen und ihre Familien. Die vorzeitige<br />

Verdrängung älterer Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer muû erschwert<br />

werden, die Wie<strong>der</strong>erlangung von Arbeitsplätzen<br />

durch sie ist gezielt zu för<strong>der</strong>n.<br />

Die Altersarmut, die vor allem Frauen trifft<br />

± die Durchschnittsrenten von Frauen liegen<br />

unter dem Sozialhilfeniveau, muû entschieden<br />

bekämpft werden. Die Augen vor<br />

<strong>der</strong> zunehmenden Armut zu verschlieûen,<br />

wie es die CSU-Staatsregierung getan hat,<br />

löst das Problem nicht.<br />

1. Unsere Ziele<br />

Leitziel sozialdemokratischer Altenpolitik<br />

ist die Möglichkeit zur aktiven Selbstbestimmung<br />

auch im Alter. Das setzt nicht<br />

nur die Erhaltung <strong>der</strong> körperlichen und<br />

geistigen Gesundheit voraus, son<strong>der</strong>n auch<br />

die Sicherung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Eigenständigkeit.<br />

Die Rentenversicherung als f<strong>in</strong>anzielle<br />

Basis <strong>der</strong> älteren Menschen muû wie<strong>der</strong><br />

solide und zukunftssicher f<strong>in</strong>anziert werden.<br />

Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er bedarfsorientierten<br />

sozialen Grundsicherung mit Beteiligung<br />

des Bundes ist zu prüfen. Sie würde<br />

vielen Rentnern und vor allem Rentner<strong>in</strong>nen<br />

das Schicksal Altersarmut ersparen.<br />

Das Gesundheitssystem muû gerade für<br />

alte Menschen bezahlbar bleiben.<br />

Wir wollen ke<strong>in</strong>e isolierte und isolierende<br />

¹Seniorisierungª, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Politik, die<br />

das Zusammenleben <strong>der</strong> Generationen, den<br />

Dialog untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und den Austausch<br />

298<br />

von Kenntnissen und Fähigkeiten ermöglicht.<br />

¾ltere Menschen dürfen nicht ausgegrenzt<br />

werden, son<strong>der</strong>n müssen mit ihren<br />

reichhaltigen Erfahrungen und ihrer Leistungskraft<br />

Betätigungsfel<strong>der</strong> f<strong>in</strong>den. Wir<br />

fassen die Entwicklung zum aktiven Alter<br />

als Chance für unsere Gesellschaft auf und<br />

unterstützen sie durch e<strong>in</strong>e lebensbejahende,<br />

för<strong>der</strong>nde Politik.<br />

Erhaltung von Aktivität und Mobilität ist<br />

im Alter e<strong>in</strong> vorrangiges Bedürfnis. Altengerechte<br />

Wohnungen, e<strong>in</strong> funktionierendes<br />

Nahverkehrssystem, gesundheitliche Prävention<br />

und Rehabilitation s<strong>in</strong>d dafür<br />

unumgängliche Voraussetzungen.<br />

2. Wo wir handeln werden<br />

Um den Grundsatz Rehabilitation vor<br />

Pflege endlich durchzusetzen, brauchen wir<br />

e<strong>in</strong>en Bundesplan für Geriatrie. Ziele s<strong>in</strong>d:<br />

Ausbau von geriatrischen Rehabilitationszentren,<br />

Schaffung e<strong>in</strong>es Netzes von teilstationären<br />

E<strong>in</strong>richtungen und Sicherstellung<br />

<strong>der</strong> ambulanten Rehabilitation durch ¾rzte,<br />

Therapieberufe und Pflegekräfte. Aus- und<br />

Fortbildung auf dem Gebiet <strong>der</strong> geriatrischen<br />

Prävention und Rehabilitation<br />

werden wir aktiv för<strong>der</strong>n. An den Universitäten<br />

werden wir dazu sofort die Voraussetzungen<br />

für mediz<strong>in</strong>ische Ausbildung und<br />

Forschung schaffen.<br />

Betreuungs- und Pflegemöglichkeiten zu<br />

Hause s<strong>in</strong>d sicherzustellen. Das Angebot<br />

ambulanter sozialpflegerischer Dienste wie<br />

häusliche Pflege, Essen auf Rä<strong>der</strong>n und<br />

hauswirtschaftliche Versorgung ist auszubauen,<br />

nicht zu verschlechtern, wie es die<br />

Konsequenz <strong>der</strong> CSU-Politik ist. Deshalb<br />

ist die staatliche För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> häuslichen<br />

Krankenpflege wie<strong>der</strong> aufzunehmen. Häusliche<br />

Pflege wird überwiegend von Angehörigen,<br />

meistens von Frauen, geleistet.<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong> flächendeckendes Angebot<br />

von fachlicher Beratung und begleiten<strong>der</strong><br />

Unterstützung.<br />

Die Schaffung von Kurzzeit- und Tagespflegeplätzen<br />

sowie die Sanierung und<br />

Mo<strong>der</strong>nisierung von Pflegeheimplätzen<br />

werden wie<strong>der</strong> ausschlieûlich aus staatlichen<br />

Mitteln geför<strong>der</strong>t. Diese Last zur


Hälfte den Landkreisen und kreisfreien<br />

Städten aufzubürden, wie es die CSU im<br />

Ausführungsgesetz zur Pflegeversicherung<br />

gegen den Rat aller Fachleute und entgegen<br />

den bundesrechtlichen Vorgaben getan<br />

hat, war e<strong>in</strong>e falsche Entscheidung.<br />

Wir werden e<strong>in</strong> Gesetz zur f<strong>in</strong>anziellen<br />

Sicherstellung <strong>der</strong> Ausbildung zur Pflegekraft<br />

sowie <strong>der</strong> Fort- und Weiterbildung<br />

aller <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altenpflege Beschäftigten erlassen.<br />

Die Personalschlüssel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altenpflege<br />

müssen verbessert werden, damit<br />

auch <strong>in</strong> Heimen und Pflegee<strong>in</strong>richtungen<br />

Würde und selbstbestimmtes Leben unterstützt<br />

und gefor<strong>der</strong>t werden kann.<br />

Sterben <strong>in</strong> Würde und mit menschlicher<br />

Zuwendung muû möglich se<strong>in</strong>, zu Hause,<br />

<strong>in</strong> Heimen und <strong>in</strong> Krankenhäusern. Wir<br />

werden die Schaffung von Hospiz-E<strong>in</strong>richtungen<br />

sowie die ehrenamtliche und professionelle<br />

Sterbebegleitung för<strong>der</strong>n und<br />

kostendeckend f<strong>in</strong>anzieren.<br />

Mobilität darf ke<strong>in</strong>e Privileg jüngerer Menschen<br />

se<strong>in</strong>. Jede verkehrspolitische Entscheidung<br />

muû auf die Bedürfnisse und<br />

Fähigkeiten älterer Menschen Rücksicht<br />

nehmen. Das gilt ganz beson<strong>der</strong>s für den<br />

Öffentlichen Personennahverkehr.<br />

E<strong>in</strong> Schwerpunkt staatlicher und kommunaler<br />

Wohnungspolitik und <strong>der</strong> Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung<br />

wird die Schaffung<br />

altengerechter barrierefreier Wohnungen<br />

durch Neu- o<strong>der</strong> Umbau se<strong>in</strong>. Um das<br />

Zusammenleben <strong>der</strong> Generationen zu<br />

ermöglichen, muû die Bauplanung auf die<br />

Mischung von Wohnraumtypen achten.<br />

Sportliche und kulturelle Aktivitäten,<br />

Erwachsenenbildung und Reisen s<strong>in</strong>d für<br />

ältere Menschen beson<strong>der</strong>s wichtige Möglichkeiten<br />

zur Teilnahme am gesellschaftlichen<br />

Leben. Das rechtfertigt e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />

durch Staat und Kommunen auch <strong>in</strong><br />

Zeiten knapper Mittel.<br />

Wir wollen, daû die Mitsprache älterer<br />

Menschen <strong>in</strong> Kommunen, Staat und<br />

Gesellschaft verbessert wird. In allen Landkreisen<br />

und Städten sollen Seniorenbeiräte<br />

gebildet, <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Geme<strong>in</strong>den Senio-<br />

renbeauftragte bestellt werden. E<strong>in</strong> unmittelbares<br />

Antragsrecht an die Organe <strong>der</strong><br />

Kommune ist gesetzlich abzusichern.<br />

III. Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

Die <strong>SPD</strong> hat durchgesetzt, daû das Grundgesetz<br />

im Art. 3 ergänzt wurde ¹Niemand<br />

darf wegen se<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung benachteiligt<br />

werden.ª Dieser neue Verfassungsartikel<br />

ist Auftrag für sozialdemokratische<br />

Politik für beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen und muû<br />

jetzt endlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Gesetzgebung<br />

umgesetzt werden. Dafür werden wir e<strong>in</strong>treten.<br />

In Deutschland leben über sechse<strong>in</strong>halb<br />

Millionen anerkannte Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te.<br />

Viele dieser Menschen bedürfen ke<strong>in</strong>er<br />

staatlichen Hilfe, sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> das gesellschaftliche<br />

und berufliche Leben voll <strong>in</strong>tegriert.<br />

Für die, die Hilfen benötigen, muû<br />

<strong>der</strong> Staat e<strong>in</strong> differenziertes Hilfsangebot<br />

zur Verfügung stellen, das mit den Interessensvertretungen<br />

und Selbsthilfegruppen<br />

abgestimmt ist.<br />

E<strong>in</strong>e wichtige Aufgabe fällt hierbei dem<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenbeauftragten zu. Wir Sozialdemokraten<br />

wollen, daû <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenbeauftragte<br />

nicht von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

gestellt, son<strong>der</strong>n vom Parlament gewählt<br />

wird und als eigenständige unabhängige<br />

Interessensvertretung <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

wirkt.<br />

Wir werden sicherstellen, daû beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit Nichtbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten und zur Schule gehen können,<br />

sofern die Eltern dies wünschen. Die<br />

E<strong>in</strong>richtung von Integrationsk<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten<br />

und Integrationsklassen werden wir för<strong>der</strong>n.<br />

Unsere Politik schafft die Voraussetzungen<br />

dafür, daû möglichst viele Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te e<strong>in</strong><br />

selbständiges Leben führen können. Dazu<br />

gehört auch das eigenständige Wohnen.<br />

Wir werden dafür sorgen, daû e<strong>in</strong> vielfältiges<br />

Wohnangebot zur Verfügung steht, da<br />

den Interessen und Bedürfnissen beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter<br />

Menschen gerecht wird.<br />

299


IV. Aktive Beschäftigungspolitik<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> Arbeitslosen beträgt <strong>in</strong><br />

Deutschland über 4,6 Millionen und die<br />

Arbeitslosenquote rd. 12 % ± e<strong>in</strong> Negativrekord.<br />

Die Arbeitslosigkeit ist das drängendste<br />

gesellschaftliche Problem. In e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> nach wie vor <strong>der</strong><br />

soziale Status von <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit<br />

abhängt, ist die Arbeitslosigkeit nicht nur<br />

e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> soziales<br />

Problem.<br />

Die bisherigen Maûnahmen <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

haben ke<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />

Situation bewirkt, die Lage hat sich vielmehr<br />

ständig verschlechtert. Das liegt vor<br />

allem daran, daû nicht Ursachen bekämpft<br />

werden, son<strong>der</strong>n nur Flickschusterei an<br />

Symptomen betrieben wird. Zur Verr<strong>in</strong>gerung<br />

des Haushaltsdefizits werden ständig<br />

die Leistungen <strong>der</strong> öffentlichen Hand, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>der</strong> Sozialversicherungen,<br />

gekürzt und die Belastungen (Steuern und<br />

Abgaben) erhöht.<br />

Das geschieht aber nicht ausgewogen, son<strong>der</strong>n<br />

zu Lasten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohner mit kle<strong>in</strong>en<br />

und mittleren E<strong>in</strong>kommen. Die Bundesregierung<br />

betreibt e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> sozialen<br />

Ungerechtigkeit. Ferner führt die Sparpolitik,<br />

die durch die re<strong>in</strong> stabilitätsorientierte<br />

Politik <strong>der</strong> Bundesbank noch unterstützt<br />

wird, zu ger<strong>in</strong>gerer Inlandsnachfrage, da<br />

gerade den Beziehern niedriger E<strong>in</strong>kommen<br />

durch die zunehmenden staatlichen<br />

Belastungen das Geld für den Konsum<br />

fehlt. Diese Deflationspolitik bremst das<br />

Wirtschaftswachstum und ist daher<br />

geradezu kontraproduktiv für die Schaffung<br />

von mehr Arbeitsplätzen.<br />

Die Argumentation <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

wird durch die Schlagworte ¹Standortsicherungª<br />

und ¹Globalisierungª geprägt.<br />

Mit dem H<strong>in</strong>weis auf die Standortsicherung<br />

wird <strong>der</strong> Sozialstaat als wesentlicher<br />

Standortnachteil kritisiert und se<strong>in</strong> Umbau<br />

gefor<strong>der</strong>t. Die Kosten des sozialen Standards<br />

seien viel zu hoch und müûten deutlich<br />

reduziert werden. Für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

ist aber nicht die absolute<br />

Höhe <strong>der</strong> Kosten <strong>der</strong> richtige Vergleichs-<br />

300<br />

maûstab, son<strong>der</strong>n die Kosten im Verhältnis<br />

zur Stundenproduktivität. Hier aber zeigt<br />

sich, daû die Lohnstückkosten <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren <strong>in</strong> Westdeutschland durchschnittlich<br />

ger<strong>in</strong>ger gestiegen s<strong>in</strong>d als im<br />

Durchschnitt <strong>der</strong> wichtigsten Handelspartner.<br />

Von e<strong>in</strong>er Kostenkrise ± hervorgerufen<br />

durch den sozialen Standard ± kann also<br />

ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>.<br />

Die Globalisierung des Wettbewerbs wird<br />

als Begründung dafür angegeben, daû <strong>in</strong><br />

Deutschland ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Arbeitsplätze<br />

entstehen. Bei den hohen Arbeitskosten<br />

<strong>in</strong> Deutschland seien die Unternehmen<br />

geradezu gezwungen, <strong>in</strong> das Ausland<br />

zu gehen, weil es viel billiger sei, dort<br />

(Osteuropa, Fernost) zu produzieren.<br />

Die Haltlosigkeit dieser Argumentation für<br />

die deutsche Wirtschaft <strong>in</strong>sgesamt zeigen<br />

die Handelsbilanzüberschüsse, die<br />

Deutschland gerade gegenüber allen ¹billigenª<br />

osteuropäischen Län<strong>der</strong>n aufweist.<br />

Was an Arbeitsplätzen durch Verlagerung<br />

verlorengeht, wird <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Unternehmen<br />

o<strong>der</strong> Branchen durch höhere Exporte<br />

wie<strong>der</strong> ausgeglichen. Diese Strukturverschiebungen<br />

mit ihren negativen Beschäftigungswirkungen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Branchen<br />

s<strong>in</strong>d zwar e<strong>in</strong>e Folge <strong>der</strong> Internationalisierung<br />

<strong>der</strong> Märkte, stellen aber nicht die<br />

Hauptursache <strong>der</strong> Beschäftigungsprobleme<br />

dar.<br />

Die entscheidenden Ursachen s<strong>in</strong>d vielmehr:<br />

Durch die unausgewogene und ungerechte<br />

Spar- und Verteilungspolitik ± höhere Belastungen<br />

für Bezieher kle<strong>in</strong>er und mittlerer<br />

E<strong>in</strong>kommen bei gleichzeitiger Entlastung<br />

hoher E<strong>in</strong>kommen und groûer Vermögen ±<br />

wird <strong>der</strong> soziale Konsens aufgekündigt und<br />

damit die Grundlage für den Erfolg <strong>der</strong><br />

sozialen Marktwirtschaft zerstört.<br />

Die überzogen e<strong>in</strong>seitige Belastung des<br />

Produktionsfaktors Arbeit mit Abgaben<br />

und Steuern führt dazu, daû Arbeit immer<br />

weniger bezahlbar ist. Das gilt vor allem<br />

für den Dienstleistungsbereich, <strong>in</strong> dem<br />

reguläre Leistungen zu teuer s<strong>in</strong>d und


nicht nachgefragt werden o<strong>der</strong> als Schwarzarbeit<br />

ausgeführt werden.<br />

Die konzeptionslose Wirtschaftspolitik <strong>der</strong><br />

Bundesregierung bietet ke<strong>in</strong>e verläûliche<br />

Grundlage für längerfristige Unternehmensentscheidungen.<br />

Sie ist das gröûte<br />

Hemmnis für Investitionen.<br />

Forschung und Entwicklung, Bildungswesen<br />

und Existenzgründungen s<strong>in</strong>d die notwendige<br />

Innovationsbasis zur Erhaltung<br />

und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Trotz<br />

dieser Erkenntnis wird die För<strong>der</strong>ung dieser<br />

Bereiche immer stärker e<strong>in</strong>geschränkt.<br />

Von e<strong>in</strong>er aktiven Beschäftigungspolitik <strong>der</strong><br />

Bundesregierung zum Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

kann ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Die durchgeführten<br />

Maûnahmen führen vielmehr zu<br />

negativen Beschäftigungseffekten, wie deutlich<br />

an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

zu erkennen ist.<br />

1. Maûnahmen e<strong>in</strong>er aktiven Beschäftigungspolitik<br />

Die Probleme <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />

s<strong>in</strong>d zum Teil dadurch entstanden,<br />

daû den Sozialversicherungen im Zuge <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>heit versicherungsfremde<br />

Lasten aufgebürdet wurden.<br />

Die wesentliche Ursache ist aber die<br />

hohe Arbeitslosigkeit, die zu E<strong>in</strong>nahmeausfällen<br />

± Steuern und Beiträge für die<br />

Sozialversicherungen ± führt und erhöhte<br />

Ausgaben für die Unterstützung <strong>der</strong><br />

Arbeitslosen verursacht. Vorrangiges Ziel<br />

von Wirtschafts- und Sozialpolitik muû<br />

daher <strong>der</strong> nachhaltige Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

se<strong>in</strong>.<br />

1.1. Steigerung des Wirtschaftswachstums<br />

Das Bruttosozialprodukt <strong>in</strong> Westdeutschland<br />

ist <strong>in</strong> den 35 Jahren von 1960 bis 1995<br />

zwar real um 270 % und durchschnittlich<br />

um 2,9 % pro Jahr gestiegen. Diese Steigerung<br />

hat aber gerade dazu ausgereicht, die<br />

laufenden Produktivitätsverbesserungen<br />

(2,7 % pro Jahr) auszugleichen, die zur<br />

Erhaltung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />

beson<strong>der</strong>s im <strong>in</strong>dustriellen<br />

Bereich notwendig s<strong>in</strong>d und die letztlich<br />

durch die hohe Qualifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />

erreicht wurden. Die Zahl <strong>der</strong> Erwerbstätigen<br />

lag 1995 mit 28,5 Mio. nur um 8 %<br />

höher als 1960 mit 26,4 Mio.<br />

Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum<br />

führte also nicht zu e<strong>in</strong>er nennenswerten<br />

Steigerung des Beschäftigungsvolumens.<br />

Erst bei e<strong>in</strong>er Wachstumsrate von<br />

mehr als 3 % ist mit zusätzlichen Arbeitsplätzen<br />

zu rechnen. Solche Wachstumsraten<br />

s<strong>in</strong>d aber <strong>in</strong> den letzten Jahren nicht<br />

erreicht worden und werden auch <strong>in</strong> Prognoserechnungen<br />

für die nächsten zehn<br />

Jahren nicht erwartet.<br />

Da mit dem durchschnittlichen Wachstum<br />

kaum mehr als <strong>der</strong> Ausgleich <strong>der</strong> Produktivitätssteigerungen<br />

erreicht werden kann,<br />

bedarf es weiterer Maûnahmen zum nachhaltigen<br />

Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.:<br />

1.2. Direktmaûnahmen zum Abbau <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit<br />

Die vorhandene hohe Arbeitslosigkeit kann<br />

nur durch e<strong>in</strong> Bündel von Maûnahmen<br />

reduziert werden, die geme<strong>in</strong>sam von den<br />

Tarifpartnern und dem Gesetzgeber durchzuführen<br />

s<strong>in</strong>d. Die beiden Schwerpunkte<br />

dieser Maûnahmen s<strong>in</strong>d die Arbeitszeitverkürzung<br />

zur Verteilung des vorhandenen<br />

Arbeitsvolumens auf mehr Beschäftigte<br />

sowie die Beschäftigungsprogramme, <strong>der</strong>en<br />

Ziel die Vergröûerung des Arbeitsvolumens<br />

darstellt.<br />

Maûnahmen Zusätzliche<br />

Arbeitsplätze<br />

bis zum Jahr 2000<br />

(Westdeutschland)<br />

A. Arbeitszeitverkürzung<br />

± Halbierung <strong>der</strong> Überstunden,<br />

Ausgleich durch Freizeit 350000<br />

± Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit,<br />

Steigerung<br />

<strong>der</strong> Teilzeitquote von 19 %<br />

auf 24 % 500000<br />

301


± Reduzierung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />

(Wochen o<strong>der</strong> Jahresarbeitszeit)<br />

um 10 % bei Lohnausgleich<br />

entsprechend <strong>der</strong><br />

Produktivitätssteigerung 1000 000<br />

± Begleitende Maûnahme:<br />

Unterstützung und Beratung<br />

von kle<strong>in</strong>en und<br />

mittleren Betrieben, die die<br />

Arbeitszeit auf bis<br />

zu 30 Stunden/Woche senken.<br />

B. Arbeitskostensenkung<br />

Reduzierung <strong>der</strong> Lohnzusatzkosten,<br />

Senkung <strong>der</strong> Beiträge für<br />

die Sozialversicherungen durch<br />

Herausnahme <strong>der</strong> versicherungsfremden<br />

Leistungen. Bei<br />

Senkung <strong>der</strong> Beitragssätze um<br />

1%-Punkt können etwa 100 000<br />

zusätzliche Arbeitsplätze<br />

entstehen. Bei Senkung um rd.<br />

5%-Punkte durch die Herausnahme<br />

<strong>der</strong> versicherungsfremden<br />

Leistungen s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sgesamt 500 000<br />

C. Programme zur Schaffung von<br />

Arbeitsplätzen<br />

± Investitionsprogramm; mit<br />

10 Mrd. DM Investitionen<br />

können etwa 140 000 Arbeitsplätze<br />

geschaffen werden.<br />

Mit 35 Mrd. DM, entsprechend<br />

dem Vorschlag <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> Bayern 500 000<br />

± Überführen von unbezahlter<br />

Arbeit <strong>in</strong> bezahlte Arbeit<br />

durch kommunale und regionaleBeschäftigungsprogramme,<br />

Projekte mit<br />

sozialen, ökologischen und<br />

kulturellen Zielen 1000 000<br />

± Begleitende Maûnahmen:<br />

Lohnkostenzuschüsse vor<br />

allem für junge Facharbeiter,<br />

die nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />

ke<strong>in</strong>en Arbeitsplatz f<strong>in</strong>den<br />

F<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />

von Existenzgründungen<br />

durch Bereitstellung von Risikokapital<br />

und Bürgschaften.<br />

302<br />

Um die Bedeutung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Maûnahmen<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Zielsetzung Vollbeschäftigung<br />

zu veranschaulichen, ist e<strong>in</strong>e<br />

Quantifizierung vorgenommen worden, die<br />

sich an die Auswertungen des Instituts für<br />

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)<br />

anlehnen. Die Zahlen s<strong>in</strong>d für Westdeutschland<br />

ermittelt, entsprechende Rechnungen<br />

für Gesamtdeutschland liegen noch<br />

nicht vor.<br />

Die Anzahl <strong>der</strong> zusätzlichen Arbeitsplätze<br />

beträgt damit <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> Westdeutschland<br />

3850 000. Die aufgezeigten Maûnahmen<br />

bieten die Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit<br />

deutlich zu reduzieren und dem<br />

Ziel <strong>der</strong> Vollbeschäftigung nahezukommen<br />

unter Berücksichtigung <strong>der</strong> sogenannten<br />

stillen Reserve, die etwa e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong><br />

registrierten Arbeitslosen ausmacht.<br />

Die Maûnahmen gelten grundsätzlich auch<br />

für Ostdeutschland, auch wenn aufgrund<br />

struktureller Unterschiede, die zahlenmäûige<br />

Wirkung dort im E<strong>in</strong>zelfall nicht<br />

genau <strong>der</strong> Entwicklung <strong>in</strong> Westdeutschland<br />

entspricht.<br />

1.3. F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Maûnahmen<br />

Die Maûnahmen zur Erhöhung des<br />

Arbeitsvolumens (Punkte 2. und 3.) s<strong>in</strong>d<br />

mit erheblichem f<strong>in</strong>anziellen Aufwand verbunden.<br />

Die Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />

ist durch Steuern zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />

Dasselbe gilt für die Maûnahmen im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Beschäftigungsprogramme. Zur<br />

F<strong>in</strong>anzierung ist <strong>der</strong> Lastenausgleich<br />

(Besteuerung von Vermögen über 2,5 Millionen<br />

DM) heranzuziehen. Da dieses Steueraufkommen<br />

nicht ausreicht, ist zusätzlich<br />

die Ökosteuer e<strong>in</strong>zuführen bzw. die M<strong>in</strong>eralölsteuer<br />

um etwa 0,40 DM/Liter zu<br />

erhöhen.<br />

Die Aufwendungen für Investitionen f<strong>in</strong>anzieren<br />

sich mittelfristig zum gröûten Teil<br />

selbst. Die Berechnungen vom WSI ergaben<br />

rd. 70 % und vom IAB sogar 100 %<br />

Rückflüsse <strong>der</strong> aufgewendeten Mittel. Den<br />

Maûnahmekosten <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />

stehen Entlastungen gegenüber, die durch


vermiedene Kosten <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

entstehen sowie durch Mehre<strong>in</strong>nahmen aus<br />

Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen<br />

<strong>in</strong>folge <strong>der</strong> positiven Beschäftigungswirkungen<br />

aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>duzierten Wachstumssteigerung<br />

im Inland.<br />

Bei den Beschäftigungsprogrammen wird<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Arbeit statt Arbeitslosigkeit<br />

f<strong>in</strong>anziert. Wenn bisher Arbeitslose e<strong>in</strong><br />

Monatse<strong>in</strong>kommen von brutto DM 3000,±<br />

erhalten (z. B. aus e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>etat <strong>der</strong><br />

Bundesanstalt für Arbeit), so können über<br />

1 Million Arbeitsplätze mit e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>anzaufwand<br />

von rd. 8 Mrd. DM geschaffen<br />

werden. Hier gilt h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Kosten<br />

und Entlastungen dasselbe wie bei den<br />

Investitionsprogrammen.<br />

V. Unsere Städte brauchen den sozialen<br />

Frieden<br />

Deutschland braucht starke, selbständig<br />

handelnde und selbstbewuûte Städte. Sie<br />

s<strong>in</strong>d Zentren <strong>der</strong> Produktion, des Handels<br />

und <strong>der</strong> Dienstleistung. Ihre Rolle als<br />

Wirtschaftszentren können die Städte nur<br />

wahrnehmen, wenn ihre Bewohner<strong>in</strong>nen<br />

und Bewohner bereit und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d,<br />

sich den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> heutigen<br />

Arbeitswelt zu stellen.<br />

Grundvoraussetzung für den hohen E<strong>in</strong>satz<br />

und die hohe Flexibilität, die <strong>der</strong> heutige<br />

Arbeitsmarkt von den Beschäftigten for<strong>der</strong>t,<br />

ist e<strong>in</strong> funktionierendes soziales<br />

Sicherungssystem. Erst den e<strong>in</strong>zelnen stützende<br />

soziale Strukturen und die Gewiûheit<br />

des bereitstehenden Hilfesystems<br />

schaffen die notwendigen Handlungsfreiheiten.<br />

Durch e<strong>in</strong>e vorbeugende Ausrichtung<br />

<strong>der</strong> Sozialpolitik s<strong>in</strong>d lebenswerte stabile<br />

Verhältnisse <strong>in</strong> den Städten zu schaffen<br />

und zu för<strong>der</strong>n, um so Konflikte und Krisen<br />

möglichst von vorne here<strong>in</strong> zu vermeiden<br />

zu können. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Not gerät,<br />

muû die erfor<strong>der</strong>liche Hilfe und damit die<br />

Chance erhalten, wie<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em unabhängigen<br />

und selbstbestimmten Leben<br />

zurückzuf<strong>in</strong>den. Dabei setzen wir vorrangig<br />

auf Hilfe zur Selbsthilfe, die dazu beiträgt,<br />

soziale Ungleichheiten abzubauen, soziale<br />

Integration zu ermöglichen, solidarisches<br />

Handeln zu erleichtern und damit den<br />

sozialen Frieden <strong>in</strong> den Städten zu erhalten.<br />

Die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Städte im sozialen<br />

Bereich und damit ihre Möglichkeiten,<br />

ihren Beitrag für den sozialen Frieden <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Stadt zu leisten, wird zunehmend e<strong>in</strong>geschränkt:<br />

E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>ken die E<strong>in</strong>nahmen, an<strong>der</strong>erseits<br />

wachsen die von den Städten zu erledigenden<br />

Aufgaben und werden ihnen<br />

zusätzliche Lasten von Bund und Land auferlegt.<br />

Dies verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t den notwendigen<br />

E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> den <strong>der</strong>zeit wichtigsten Problemfel<strong>der</strong>n<br />

sozialer Sicherung:<br />

± Die Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

und ihrer Folgen wird ohne zusätzliche<br />

Mittel immer mehr den Städten auferlegt<br />

± In Folge von Arbeitslosigkeit, wachsen<strong>der</strong><br />

Teilzeitarbeit und wachsenden Zahlen<br />

an ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten erhöht<br />

sich die Zahl <strong>der</strong> Armen. Gezielte<br />

Armutsbekämpfung braucht Investitionen<br />

<strong>in</strong> die Selbsthilfekräfte <strong>der</strong> Betroffenen.<br />

Diese Mittel stehen kaum noch zur<br />

Verfügung.<br />

± Der Personenkreis <strong>der</strong>er, die sich aus<br />

eigener Kraft nicht mit ausreichendem<br />

Wohnraum versorgen können, wird gröûer.<br />

Das als Hilfe <strong>in</strong> dieser Zwangslage<br />

geschaffene Wohngeld, e<strong>in</strong>e Aufgabe von<br />

Bund und Land, wird den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> den Städten nicht mehr gerecht.<br />

Dies führt von Jahr zu Jahr zu steigenden<br />

Lasten <strong>der</strong> Städte als Sozialhilfeträger,<br />

die ihnen von niemandem ersetzt<br />

werden. Würde jetzt noch <strong>der</strong> Rückzug<br />

des Bundes aus <strong>der</strong> Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung<br />

Realität, ohne daû das Land e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gt,<br />

s<strong>in</strong>d die Städte mit diesem Problem<br />

weitgehend alle<strong>in</strong>gelassen und<br />

überfor<strong>der</strong>t.<br />

± Die Bevölkerung wird <strong>in</strong>sgesamt deutlich<br />

älter. Darauf wird sich die gesamte Infrastruktur<br />

<strong>der</strong> Städte e<strong>in</strong>stellen müssen.<br />

Wir wollen alten Menschen möglichst<br />

lange ihre gewohnte Umgebung erhalten.<br />

Deshalb müssen die Wohnungen<br />

303


304<br />

und das Wohnumfeld an die Bedürfnisse<br />

<strong>der</strong> Menschen angepaût werden. Hier<br />

s<strong>in</strong>d die Städte sowohl <strong>in</strong> ihrer Funktion<br />

als planende Instanz gefor<strong>der</strong>t, aber auch<br />

als die örtliche Geme<strong>in</strong>schaft, die auf<br />

e<strong>in</strong>e ausreichende ambulante und stationäre<br />

Versorgung h<strong>in</strong>wirken soll.<br />

Diese vier zentralen Aufgaben können die<br />

Städte nicht aus eigener Kraft mit ihren<br />

heute zur Verfügung stehenden Mitteln<br />

bewältigen. Sie s<strong>in</strong>d auf Unterstützung des<br />

Bundes angewiesen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 170<br />

Bezirk Weser-Ems<br />

Entschlieûung zur Sozialpolitik<br />

Arbeitslosigkeit gefährdet unsere Sicherheit<br />

± zum Sozialstaat gibt es ke<strong>in</strong>e Alternative!<br />

Die Bundesrepublik Deutschland ist e<strong>in</strong>es<br />

<strong>der</strong> reichsten Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt. Deshalb<br />

trägt sie ± jedenfalls <strong>in</strong> Europa ± die<br />

mitentscheidende Verantwortung für politische,<br />

soziale und wirtschaftliche Stabilität.<br />

Stabilitätspolitik ist Sicherheitspolitik <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em umfassenden s<strong>in</strong>ne. Die hektische<br />

und immer mehr zu panikartigen Reaktionen<br />

neigende Politik <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

vernachlässigt die Sicherheit <strong>in</strong> sträflicher<br />

Weise.<br />

Die junge Generation steht mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

chaotischen Situation für ihre Ausbildung:<br />

Lehrstellenkatastrophe, Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Unterrichtsversorgung, drohen<strong>der</strong> Verfall<br />

von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung<br />

s<strong>in</strong>d die Stichworte. Drohende<br />

Arbeitslosigkeit schon am Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es<br />

Berufslebens führt <strong>in</strong> die Resignation, bei<br />

manchen zu aggressivem Verhalten.<br />

Die mittlere Generation steht ohnmächtig<br />

vor <strong>der</strong> höchsten Abgabenbelastung, die es<br />

je <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik gegeben hat.<br />

Obwohl es zugleich niemals günstigere<br />

Bed<strong>in</strong>gungen für Investitionen gegeben<br />

hat, kennzeichnen Abwarten und <strong>in</strong> vielen<br />

Fällen wachsen<strong>der</strong> Egoismus ihr Verhalten.<br />

Die ¾lteren fürchten um die Stabilität ihrer<br />

Altersversorgung. Nicht selten, son<strong>der</strong>n<br />

immer häufiger empf<strong>in</strong>den sie zunehmende<br />

Gewalt und Krim<strong>in</strong>alität als unmittelbare<br />

Bedrohung.<br />

Sozialer Ausgleich, soziale Partnerschaft<br />

und soziale Gerechtigkeit s<strong>in</strong>d Werte, die<br />

immer mehr <strong>in</strong> Frage gestellt werden. Wo<br />

s<strong>in</strong>d die Grenzen des Sozialstaates? Verlangt<br />

er denjenigen, die etwas haben, zuviel<br />

ab? O<strong>der</strong> gönnt er den Bedürftigen zu<br />

wenig? M<strong>in</strong><strong>der</strong>n Sozialausgaben die Konkurrenzkraft<br />

<strong>der</strong> Unternehmen? O<strong>der</strong><br />

sichern sie den sozialen Frieden und damit<br />

den Wirtschaftsstandort Deutschland?<br />

Je heftiger diese Diskussion <strong>in</strong> Deutschland<br />

geführt wird, desto mehr geraten die Maûstäbe<br />

<strong>in</strong>s Wanken. Auf e<strong>in</strong>mal sche<strong>in</strong>t unter<br />

dem Deckmantel von sogenannten Reformen<br />

alles möglich. Längst gibt es ke<strong>in</strong>e<br />

soziale Leistung mehr, <strong>der</strong>en Streichung<br />

nicht schon lautstark gefor<strong>der</strong>t worden<br />

wäre. Ist Solidarität nicht mehr zeitgemäû?<br />

Selbst diejenigen werden unsicher, denen<br />

Solidarität e<strong>in</strong>e menschliche Selbstverständlichkeit<br />

ist. Weil immer nur gefragt<br />

wird, wie belastbar die s<strong>in</strong>d, die das soziale<br />

Netz bezahlen: die Steuerzahler, die Beitragszahler,<br />

die Wirtschaft. Kaum jemand<br />

fragt noch, wie belastbar eigentlich die<br />

s<strong>in</strong>d, die Hilfe brauchen? Gibt es das Recht<br />

auf Hilfe nicht mehr?<br />

Sozialpolitik ist heut mehr denn je gefor<strong>der</strong>t.<br />

Wir sehen die Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

wollen aber die wirtschaftliche und soziale<br />

Situation <strong>in</strong> Deutschland auch nicht<br />

schlechter reden als sie ist. Die Leistungsfähigkeit<br />

unserer Wirtschaft ist nach wie<br />

vor hoch. Tarifpartnerschaft und die sozialen<br />

Sicherheitssysteme s<strong>in</strong>d dafür e<strong>in</strong>e entscheidende<br />

Grundlage.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs hat <strong>der</strong> Sozialstaat auch e<strong>in</strong>e<br />

beträchtliche Schwäche. Denn daû alles


funktioniert, hängt unmittelbar davon ab,<br />

daû viele Menschen im Erwerbsleben stehen.<br />

Massenarbeitslosigkeit und e<strong>in</strong>e älter<br />

werdende Gesellschaft br<strong>in</strong>gen die sozialen<br />

Sicherheitssysteme deshalb unweigerlich<br />

<strong>in</strong>s Wanken.<br />

Selbstbestimmt und lebensfroh älter werden,<br />

bedeutet auch neue Angebote im<br />

sozialen System zur Beratung und Pflege.<br />

Und wer arbeitslos ist, braucht staatliche<br />

Hilfen zum Lebensunterhalt und Qualifizierung.<br />

Kurzum: Um <strong>der</strong> Verpflichtung<br />

zum sozialen Ausgleich nachzukommen,<br />

werden mehr f<strong>in</strong>anzielle Mittel gebraucht.<br />

Daraus nun zu folgern, <strong>der</strong> Sozialstaat sei<br />

nicht mehr f<strong>in</strong>anzierbar, heiût Resignation<br />

vor dem Problem, heiût e<strong>in</strong>fach zuschauen,<br />

wie sich die D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e falsche unsoziale<br />

Richtung entwickeln.<br />

Insofern muû e<strong>in</strong>e Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />

Sozialpolitik auch ¾n<strong>der</strong>ungen im sozialen<br />

System e<strong>in</strong>schlieûen, um se<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle<br />

Stabilität zu gewährleisten und allen e<strong>in</strong>e<br />

gleiche Teilhabe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft zu bieten.<br />

So kann die Teilung von Erwerbsarbeit<br />

zwischen Frauen und Männern o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Abbau von Überstunden e<strong>in</strong>erseits die<br />

Beschäftigungspolitik wirksam unterstützen<br />

und gleichzeitig für mehr Lebensqualität<br />

sorgen. Workaholics auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite,<br />

die viel Geld und ke<strong>in</strong>e Zeit haben und<br />

Arbeitslose auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, die viel Zeit<br />

und ke<strong>in</strong> Geld haben, das ist ke<strong>in</strong>e<br />

Zukunftsperspektive.<br />

Nachbarschaftshilfe, Selbsthilfe, Engagement<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bürgerbewegung ± auch das<br />

geht nur, wenn man nicht nur für se<strong>in</strong>en<br />

Beruf lebt. Neue Formen <strong>der</strong> Solidarität<br />

können das soziale System s<strong>in</strong>nvoll ergänzen<br />

und auch Leistungen hervorbr<strong>in</strong>gen,<br />

die man bisher vom Staat erwartete.<br />

Die hohe Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen verschl<strong>in</strong>gt<br />

Jahr für Jahr 150 Milliarden Mark. Das<br />

s<strong>in</strong>d fast 2000 Mark pro Kopf <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

und mehr als die Haushaltsdefizite<br />

des Bundes, <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und aller Geme<strong>in</strong>den<br />

zusammen. Die Massenarbeitslosigkeit<br />

und ihre zunehmende Dauer gefährdet<br />

massiv alle sozialen Sicherheitssysteme.<br />

Jede sogenannte Reform kuriert an Symptomen,<br />

solange es nicht endlich zu e<strong>in</strong>er<br />

entscheidenden Verän<strong>der</strong>ung auf dem<br />

Arbeitsmarkt kommt.<br />

Insofern ist nicht <strong>der</strong> Sozialstaat zu teuer<br />

son<strong>der</strong>n die Arbeitslosigkeit.<br />

Auf diesen Unterschied h<strong>in</strong>zuweisen, ist<br />

ke<strong>in</strong>e Spitzf<strong>in</strong>digkeit. Denn damit ist<br />

gesagt, daû die Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

oberste Priorität haben muû.<br />

Gleichzeitig wissen wir, daû es zum Abbau<br />

<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit ke<strong>in</strong>e Patentrezepte<br />

gibt. Unbestritten ist es die Aufgabe e<strong>in</strong>er<br />

gerechten Wirtschaftsordnung, allen<br />

Frauen und Männern, die dies wünschen,<br />

die Beteiligung an <strong>der</strong> Erwerbsarbeit zu<br />

eröffnen. Das muû immer das Ziel bleiben.<br />

Auch wenn wir wissen, daû Arbeitslosigkeit<br />

auch <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong> Problem bleiben wird.<br />

Die Frage ist, <strong>in</strong> welchem Ausmaû und auf<br />

wessen Kosten.<br />

Es ist auch schwer geworden, über Sozialpolitik<br />

sachlich zu diskutieren. Viele<br />

Debatten s<strong>in</strong>d von Vorurteilen besetzt.<br />

Und es wird um so schwerer, je selbstverständlicher<br />

alle von <strong>der</strong> ¹Krise des Sozialstaatesª<br />

reden.<br />

Denn <strong>in</strong> Wirklichkeit ist nicht <strong>der</strong> Sozialstaat<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise, son<strong>der</strong>n das Vertrauen <strong>in</strong><br />

ihn, se<strong>in</strong>e Akzeptanz und Glaubwürdigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Und diese Glaubwürdigkeit<br />

geht weiter verloren, wenn nur auf<br />

die hohen Kosten des Sozialstaates und<br />

immer seltener auf se<strong>in</strong>en hohen Nutzen<br />

verwiesen wird.<br />

Sozialpolitik <strong>in</strong> dieser Situation heiût auch,<br />

für Selbstverständlichkeiten werben. Zum<br />

Sozialstaat gibt es ke<strong>in</strong>e Alternative. We<strong>der</strong><br />

für die Menschen noch für die Wirtschaft.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

305


Antrag I 171<br />

Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />

Vom Generationsvertrag zum<br />

Gesellschaftsvertrag<br />

Wir brauchen e<strong>in</strong>e neue Politik, um die<br />

Zukunftschancen junger Menschen zu<br />

wahren und zu verbessern<br />

Junge Menschen haben <strong>in</strong> Deutschland<br />

heute vielfältige Chancen und Möglichkeiten<br />

zur persönlichen Lebensgestaltung.<br />

Vielen Jugendlichen gel<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />

Lebens- und Zukunftsplanung. Sie s<strong>in</strong>d<br />

erfolgreich beim E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Erwachsenenwelt<br />

und verfügen über gute materielle<br />

und soziale Lebenschancen.<br />

E<strong>in</strong>e wachsende Zahl von Jugendlichen<br />

jedoch hat gravierende Probleme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

sozialen und ökonomischen Wandel, <strong>der</strong><br />

sich häufig negativ und belastend auf die<br />

Zukunftsperspektiven <strong>der</strong> Jüngeren auswirkt.<br />

Viele reagieren mit Verunsicherung<br />

und Angst, manche werden gewalttätig,<br />

e<strong>in</strong>zelne straffällig. An<strong>der</strong>e suchen ihr<br />

¹Glückª <strong>in</strong> Formen des heilsverkündenden<br />

Okkultismus o<strong>der</strong> im Gebrauch von Drogen.<br />

Aktuelle Jugendstudien, wie etwa die Shell-<br />

Studie 1997 bestätigen, daû <strong>in</strong> <strong>der</strong> jungen<br />

Generation die Unsicherheit über ihre<br />

zukünftige Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

wächst. E<strong>in</strong>e wachsende M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit scheitert<br />

tatsächlich beim E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />

Erwachsenenwelt. E<strong>in</strong>e Mehrheit <strong>der</strong><br />

Jugendlichen macht sich bereits ernsthafte<br />

Sorgen um die eigenen beruflichen und<br />

sozialen Chancen. Die Erwachsenengeneration<br />

steht bei vielen Jüngeren schon <strong>in</strong> Verdacht,<br />

ihre Zukunftschancen zu versperren.<br />

Die Distanz zwischen den Generationen<br />

wächst. Die Entscheidung zur Familiengründung<br />

und für K<strong>in</strong><strong>der</strong> wird wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

stärkerem Maûe davon abhängig gemacht,<br />

ob es verläûliche ökonomische und soziale<br />

Perspektiven für junge Familien <strong>in</strong> unserem<br />

Land gibt. Denn nach wie vor treffen wirtschaftliche<br />

und soziale Risiken die Familien<br />

schneller und härter als Alle<strong>in</strong>stehende<br />

o<strong>der</strong> k<strong>in</strong><strong>der</strong>lose Paare.<br />

306<br />

Die gesellschaftlichen und politischen Folgen<br />

dieser Entwicklung s<strong>in</strong>d gravierend<br />

und werden weith<strong>in</strong> unterschätzt. Das Vertrauen<br />

<strong>der</strong> Jugend <strong>in</strong> das bestehende Politiksystem<br />

nimmt dramatisch ab. Viele junge<br />

Menschen nehmen Abstand von <strong>der</strong> Politik,<br />

weil sie nicht mehr erkennen, daû sie<br />

ihre Fragen und Sorgen ernsthaft aufgreift<br />

und zu lösen versucht.<br />

Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt<br />

jedoch unmittelbar davon ab, welche Chancen<br />

wir jungen Menschen bieten. Vorrangiges<br />

gesellschaftliches Ziel <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> muû es<br />

deshalb se<strong>in</strong>, ausreichende soziale und<br />

berufliche Chancen zu schaffen, um jungen<br />

Menschen und Familien Vertrauen <strong>in</strong> ihre<br />

persönliche Zukunft zurückzubr<strong>in</strong>gen.<br />

Dabei geht es auch um die Stabilität unserer<br />

Demokratie.<br />

Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung s<strong>in</strong>d Anstrengungen<br />

zur Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit.<br />

Sie gefährdet e<strong>in</strong>e tragende<br />

Säule unserer Gesellschaft, die Solidarität<br />

<strong>der</strong> Generationen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

Die ökonomische und soziale Architektur<br />

unserer Gesellschaft ist darauf angewiesen,<br />

daû die Generationen solidarisch füre<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>stehen.<br />

Zunahme und Verfestigung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

treffen immer stärker junge<br />

Menschen. Schon heute s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland<br />

mehr als 500 000 junge Menschen<br />

unter 25 Jahren ohne Arbeit. (August 1997:<br />

544 387, Quelle: Bundesanstalt für Arbeit<br />

hdk). Die Zahl <strong>der</strong>er, die sich <strong>in</strong> Warteschleifen<br />

aufhalten nimmt zu. Auch die<br />

Zahl <strong>der</strong>er, die von <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit <strong>der</strong><br />

Eltern mitbetroffen s<strong>in</strong>d, wächst.<br />

Dem Diktum <strong>der</strong> Sachverständigenkommission<br />

zum 5. Familienbericht, wonach <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik e<strong>in</strong>e ¹strukturelle<br />

Rücksichtslosigkeitª gegenüber Familien<br />

herrsche, ist nicht viel h<strong>in</strong>zuzufügen. Die<br />

Bundesregierung hat ihr Versprechen, e<strong>in</strong>e<br />

neue Familienorientierung von Politik und<br />

Gesellschaft voranzutreiben, nicht gehalten.<br />

Nach wie vor verweigert unser Steuersystem<br />

e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Anerkennung <strong>der</strong><br />

Leistung <strong>der</strong> Familien. E<strong>in</strong> aus Steuermit-


teln f<strong>in</strong>anzierter E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bessere<br />

Anerkennung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeiten<br />

bei den Renten ist längst überfällig. Über<br />

die Senkung des Spitzensteuersatzes wird<br />

von <strong>der</strong> Bonner Regierung mehr geredet<br />

als über e<strong>in</strong>en gerechteren Familienlastenausgleich.<br />

Die F<strong>in</strong>anzierbarkeit <strong>der</strong> Alterssicherung<br />

wird zunehmend auch von jungen Menschen<br />

<strong>in</strong> Frage gestellt. Damit wachsen die<br />

Zweifel aller Beitragszahler an <strong>der</strong><br />

Zukunftssicherung. Und dies nicht nur auf<br />

Grund <strong>der</strong> unverän<strong>der</strong>t hohen Arbeitslosigkeit.<br />

Auch die starke Zunahme nicht sozialversicherungspflichtiger<br />

Erwerbsarbeit und<br />

die demographische Entwicklung, die sich<br />

zur Jahrtausendwende e<strong>in</strong>deutig zu Lasten<br />

<strong>der</strong> jungen Generation verschieben wird,<br />

verstärken diese Tendenz.<br />

Soweit sich die Bundesregierung diesen<br />

Problemen überhaupt stellt, s<strong>in</strong>d ihre<br />

Lösungsversuche gescheitert. Junge Menschen<br />

akzeptieren nicht mehr, daû sie <strong>in</strong><br />

die Rentenversicherung e<strong>in</strong>zahlen sollen,<br />

ohne daû dadurch e<strong>in</strong>e verläûliche Perspektive<br />

für die eigene Alterssicherung entsteht.<br />

Wenn immer mehr junge Menschen den<br />

E<strong>in</strong>druck gew<strong>in</strong>nen, daû ihnen die Erwachsenen<br />

Zukunftsperspektiven vorenthalten,<br />

werden sie auch immer weniger e<strong>in</strong>sehen,<br />

für die ältere Generation Zahlungen zu leisten.<br />

E<strong>in</strong>e Politik, die auf die Solidarität zwischen<br />

den Generationen und auf die<br />

geme<strong>in</strong>same Verantwortung für die<br />

Zukunft zielt, bedarf nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>es auf die<br />

materielle Sicherung abzielenden Generationenvertrages.<br />

Sie erfor<strong>der</strong>t auch e<strong>in</strong>e<br />

sozial ausgewogene Gestaltung <strong>der</strong> Lebensverhältnisse,<br />

die ausdrücklich e<strong>in</strong>e bessere<br />

För<strong>der</strong>ung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Jugendlichen und<br />

Familien umfassen muû.<br />

E<strong>in</strong> neuer Gesellschaftsvertrag für<br />

Vertrauen und Sicherheit<br />

Der Generationsvertrag muû zu e<strong>in</strong>em<br />

¹Gesellschaftsvertragª erweitert werden,<br />

<strong>der</strong> stärker als bisher die Lebenschancen<br />

<strong>der</strong> Jüngeren zum Inhalt hat. Es ist e<strong>in</strong>e<br />

<strong>der</strong> Alterssicherung an Gewicht m<strong>in</strong>destens<br />

ebenbürtige Aufgabe, jedem E<strong>in</strong>zelnen<br />

reale Chancen und Perspektiven zum E<strong>in</strong>stieg<br />

<strong>in</strong> die Erwachsenengeneration zu bieten.<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t den Parteivorstand<br />

auf, e<strong>in</strong> Konzept e<strong>in</strong>es neuen<br />

¹Gesellschaftsvertragsª im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />

umfassenden Generationsvertrages zu entwickeln.<br />

E<strong>in</strong> solches Konzept soll sich vor<br />

allem an folgenden Zielsetzungen orientieren:<br />

± Schaffung neuer Arbeitsplätze und Sicherung<br />

<strong>der</strong> gerechten Verteilung <strong>der</strong><br />

Arbeit, um jungen Menschen berufliche<br />

Chancen zu eröffnen und zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

daû sie bereits nach <strong>der</strong> Schule <strong>in</strong><br />

Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug<br />

entlassen werden. Hierbei ist e<strong>in</strong>e aktive<br />

Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik ebenso<br />

erfor<strong>der</strong>lich wie e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />

Arbeitsmarktordnung.<br />

± E<strong>in</strong>e strukturelle Verbesserung des geltenden<br />

Alterssicherungssystems mit dem<br />

Ziel, die Aushöhlung des Solidarpr<strong>in</strong>zips<br />

durch e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destversicherungspflicht<br />

für alle Personen im erwerbsfähigen<br />

Alter zu stoppen und e<strong>in</strong>e bessere<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungsleistung<br />

künftig durch alle Steuerzahler<br />

sicherzustellen.<br />

± Schaffung von besseren Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die Familien durch<br />

± familienfreundlichere Arbeitszeiten,<br />

± den Ausbau von Betreuungsangeboten<br />

für unter 3jährige und schulpflichtige<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

± familienunterstützende Hilfen <strong>der</strong> Beratung<br />

und Bildung, För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Familienselbsthilfe,<br />

Schaffung wohnumfeldnaher<br />

Begegnungsformen,<br />

± e<strong>in</strong>en sozial gerechten Familienleistungsausgleich,<br />

± beson<strong>der</strong>e Hilfen für Alle<strong>in</strong>erziehende<br />

und Familien <strong>in</strong> schwierigen Lebenssituationen,<br />

307


± e<strong>in</strong>e gerechte Steuerreform, die vor<br />

allem die gesellschaftlichen Leistungen<br />

<strong>der</strong> Familien berücksichtigt,<br />

± e<strong>in</strong>en verbesserten Schutz von Familien<br />

<strong>in</strong> Mietwohnungen und<br />

± e<strong>in</strong>e eigenständige Alterssicherung für<br />

Frauen.<br />

± Entwicklung e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und jugendfreundlichen<br />

Umwelt durch e<strong>in</strong>e stärkere<br />

Berücksichtigung ihrer spezifischen<br />

Interessen und Belange bei Stadtplanung<br />

und Stadtentwicklung.<br />

± Stärkung <strong>der</strong> Beteiligung junger Menschen<br />

an sie betreffenden Entscheidungen<br />

<strong>in</strong> Politik und Gesellschaft. Über die<br />

Herabsetzung des Wahlalters bei Kommunalwahlen<br />

auf Jahre h<strong>in</strong>aus, wollen<br />

wir geeignete Formen entwickeln, die<br />

konkrete Mitbestimmung sicherstellen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Artikel I 178<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Frankfurt/<br />

Ma<strong>in</strong>-Nordwest<br />

III-Süd<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Rücknahme <strong>der</strong><br />

Renten¹reformª: ¹Den Weg <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Republik<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die Programmkommission<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Deutschlands auf, die Rücknahme<br />

<strong>der</strong> Blümschen Renten¹reformª ±<br />

falls sie im Bundestag mit <strong>der</strong> Regierungsmehrheit<br />

verabschiedet wird ± <strong>in</strong> das Bundestagswahlprogramm<br />

©98 aufzunehmen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

308<br />

Antrag I 179<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Zwickau Mitte/Nord<br />

(Landesverband Sachsen)<br />

Beseitigung <strong>der</strong><br />

Benachteiligung bei den<br />

orsorgungsaufwendungen<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen<br />

Nach dem Grundgesetz s<strong>in</strong>d alle Bürger<br />

gleich zu behandeln, d. h. daû auch alle, die<br />

e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kommen haben, nach dem Gesetz<br />

Sozialversicherungsbeiträge entrichten<br />

müûten.<br />

Wir for<strong>der</strong>n somit den <strong>SPD</strong>- und AfA-<br />

Bundesvorstand auf, folgende ¾n<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>in</strong> den Rentengesetzentwurf aufzunehmen<br />

und zu verabschieden.<br />

(1) Da bestimmte Personengruppen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Bundesrepublik die E<strong>in</strong>künfte beziehen,<br />

dieser gesetzlichen Regelung nicht unterliegen,<br />

for<strong>der</strong>n wir, daû dieser Personenkreis,<br />

per Gesetz, zur Beitragszahlung <strong>in</strong><br />

die Sozialkasse verpflichtet wird.<br />

(2) Die neue Rentengesetzgebung darf<br />

nicht den <strong>der</strong>zeitigen Stand beibehalten<br />

(Rentene<strong>in</strong>trittsalter: 65 Jahre), son<strong>der</strong>n<br />

muû durch Gesetzgebung wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />

alten Stand versetzt werden. Wir for<strong>der</strong>n,<br />

daû das Rentene<strong>in</strong>trittsalter für Frauen und<br />

Männer auf 60 Jahre festgelegt wird. Die<br />

weitere Herabsetzung auf 55 Jahre sollte ±<br />

im H<strong>in</strong>blick auf die Arbeitsmarktsituation<br />

± möglich se<strong>in</strong>.<br />

(3) Die BfA und die LVAen s<strong>in</strong>d von jeglichen<br />

politischen Zahlungen zu befreien,<br />

diese Leistungen s<strong>in</strong>d aus dem Steuerhaushalt<br />

zu bestreiten. Der Gesetzgeber muû<br />

veranlassen, daû aus den gesetzlichen Kassen<br />

(z.B. Rentenversicherung, Pflegeversicherung,<br />

Arbeitslosenversicherung) ke<strong>in</strong><br />

Geld mehr für versicherungsfremde Leistungen<br />

entnommen werden kann. Gleichzeitig<br />

müssen schon geleistete Zahlungen<br />

zurückgeführt werden.<br />

(4) Der Bundeszuschuû ist wie<strong>der</strong> auf<br />

25 % und danach schrittweise auf 30 % zu


erhöhen, auch als Entschädigung für die<br />

Zahlungen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit als<br />

Kriegsfolgelasten o<strong>der</strong>. politisch notwendige<br />

Zahlungen ± <strong>in</strong> Milliardenhöhe ± zu<br />

Lasten <strong>der</strong> Rentenversicherungen abgebucht<br />

wurden (Haushaltssicherung, Aufbau<br />

Ost etc.).<br />

(5) Die Rentenbezüge dürfen nicht gesenkt<br />

werden. Die bisher gültige Regelung ist<br />

beizubehalten.<br />

(6) Zur Beseitigung von ungerechtfertigter<br />

Benachteiligung bei den E<strong>in</strong>kommen bzw.<br />

Lohnsteuer, bezüglich <strong>der</strong> Vorsorgeaufwendungen<br />

nach § 10, Absatz 1±3 EStG ist<br />

festzustellen, daû die Vorsorgepauschale<br />

und die steuerlich abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen<br />

<strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />

Arbeitnehmer <strong>in</strong> den letzten 20 Jahren<br />

nicht entsprechend <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Rentenversicherungs-,Arbeitslosenversicherung-<br />

und Krankenversicherungsbeiträge<br />

angepaût wurden. Der Gesetzgeber hat<br />

dafür zu sorgen, daû grundsätzlich E<strong>in</strong>künfte<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> zu leistenden Versorgungsaufwendungen<br />

frei zu stellen s<strong>in</strong>d.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Artikel I 180<br />

Unterbezirk Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Versorgungskasse<br />

Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

auf, für (Sche<strong>in</strong>-)Selbständige und<br />

Freiberufler <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />

schnellstmöglich e<strong>in</strong>e Versorgungskasse<br />

nach dem Muster <strong>der</strong> Künstlerkasse e<strong>in</strong>zuführen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 183<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Schwanewede<br />

(Bezirk Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen)<br />

Ger<strong>in</strong>gfügige Beschäftigung<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Abschaffung <strong>der</strong><br />

¹ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigungª.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 184<br />

Unterbezirk Kreis Viersen<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Sozialversicherungspflichtige<br />

Beschäftigungsverhältnisse<br />

Wir wollen, daû die <strong>SPD</strong> dafür Sorge<br />

trägt, daû bei allen Teilzeitmodellen und<br />

überhaupt bei allen Arbeitszeitmodellen die<br />

betroffenen Arbeitnehmer <strong>in</strong> sozialversicherungspflichtigenBeschäftigungsverhältnissen<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen bzw. bleiben.<br />

Hier hat die <strong>SPD</strong> ke<strong>in</strong>en Verhandlungsspielraum!!!<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Artikel I 185<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Tangstedt<br />

(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

Sozialversicherungs- und<br />

Steuerpflicht<br />

Die <strong>SPD</strong> spricht sich dafür aus, langfristig<br />

für alle Beschäftigungsverhältnisse e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Sozialversicherungs- und Steuerpflicht<br />

e<strong>in</strong>zuführen. Er begrüût daher die<br />

Initiative <strong>der</strong> Bundestagsfraktion zur Beseitigung<br />

des Miûbrauchs <strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze<br />

(610,± DM-Beschäftigung) <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Sozialversicherung.<br />

309


Da e<strong>in</strong> übergangsloses Inkrafttreten des<br />

entsprechenden Gesetzes aber zu e<strong>in</strong>er<br />

ganzen Reihe von schädlichen Auswirkungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft und beim Sozialklima<br />

führen würde, for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>Parteitag</strong><br />

die Bundestagsfraktion auf, den Entwurf<br />

nochmals zu überarbeiten. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

s<strong>in</strong>d Übergangsregelungen vorzusehen.<br />

Dabei müssen u.a. auch folgende Lösungsansätze<br />

diskutiert werden:<br />

1. Begrenzung <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigung<br />

nach Zahl und/o<strong>der</strong> Anteil je<br />

Betrieb/Unternehmen.<br />

2. Anfängliche Beitragspflicht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialversicherung nur für die Arbeitgeber.<br />

3. Aufhebung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>dung des maximalen<br />

Verdienstes für ger<strong>in</strong>gfügig/kurzfristig<br />

Beschäftigte an die Beitragsbemessungsgrenzen.<br />

Statt dessen Beibehaltung des<br />

bisherigen Grenzwertes o<strong>der</strong> allmähliches<br />

Absenken.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 186<br />

Landesverband Saar<br />

Versicherungspflicht<br />

für alle Beschäftigungsverhältnisse<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Versicherungspflicht<br />

für alle Beschäftigungsverhältnisse. Die<br />

<strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

sowie die A-Län<strong>der</strong> des Bundesrates mit<br />

Nachdruck ihrerseits auf, die ger<strong>in</strong>gfügigen<br />

Beschäftigungsverhältnisse gemäû dem<br />

610-Mark-Gesetz abzuschaffen und dafür<br />

Sorge zu tragen, daû alle E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong><br />

Versicherungspflicht unterliegen und nur<br />

Beschäftigungsverhältnisse unterhalb <strong>der</strong><br />

Bagatellgrenze von z.Zt. monatlich ca.<br />

81,± DM versicherungsfrei bleiben und<br />

310<br />

daû Schüler<strong>in</strong>nen und Studierende von<br />

<strong>der</strong> Regelung ausgenommen werden können.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 187<br />

Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Beitragsbemessungsgrundlage<br />

für die Sozialversicherung<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich mit den ihr zur Verfügung<br />

stehenden Mitteln auf allen Ebenen<br />

dafür e<strong>in</strong>, daû die Arbeitgeberanteile zu<br />

den Sozialversicherungen nicht mehr nach<br />

<strong>der</strong> Lohn/Gehaltssumme <strong>der</strong> Betriebe,<br />

son<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong> betrieblichen<br />

Wertschöpfung berechnet werden. Die<br />

Gesamtsumme aller Arbeitgeber- und<br />

Arbeitnehmerbeiträge zu den Sozialversicherungskassen<br />

soll dabei wie bisher<br />

jeweils zur Hälfte aufgebracht werden.<br />

Die Arbeitnehmeranteile berechnen sich<br />

unverän<strong>der</strong>t nach den <strong>in</strong>dividuellen Bruttoe<strong>in</strong>kommen.<br />

Die Arbeitgeberanteile<br />

werden nach e<strong>in</strong>em geson<strong>der</strong>ten Berechnungsschema,<br />

welches sich an <strong>der</strong> Bruttowertschöpfung<br />

<strong>der</strong> Betriebe orientiert,<br />

erhoben. Damit werden die Beitragslasten<br />

zugunsten <strong>der</strong> personal<strong>in</strong>tensiven Unternehmen<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Unternehmensseite<br />

an<strong>der</strong>s verteilt.<br />

Für die Sozialversicherung soll e<strong>in</strong> neues<br />

F<strong>in</strong>anzierungssystem geprüft werden. Die<br />

Arbeitnehmerbeiträge bleiben wie bisher<br />

erhalten und dienen weiterh<strong>in</strong> als Bemessungsgrundlage<br />

für Renten und Arbeitslosengeld.<br />

Die Arbeitgeberbeiträge h<strong>in</strong>gegen sollen<br />

nach e<strong>in</strong>em Faktor berechnet werden, <strong>der</strong><br />

die Wirtschaftsleistung des Betriebes und<br />

se<strong>in</strong>en Arbeitskräftee<strong>in</strong>satz berücksichtigt.<br />

Ziel wäre es, das Beitragsaufkommen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em vertretbaren Maûe zu erhöhen und


die Arbeitgeberbeiträge wirtschaftlich und<br />

sozial gerechter zu verteilen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 188<br />

Unterbezirk München<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Versicherungspflicht für alle<br />

Beschäftigten von <strong>der</strong> ersten bis<br />

zur letzten Mark<br />

Die Versicherungspflicht von abhängig<br />

Beschäftigten soll von <strong>der</strong> ersten verdienten<br />

Mark, d.h. für die sog. 610 DM-Jobs, bis<br />

zur letzten verdienten Mark erfolgen, d.h.<br />

Wegfall <strong>der</strong> Beitragsbemessungsgrenze.<br />

Dabei soll aus den hohen Beitragszahlungen<br />

ke<strong>in</strong>e volle Leistung erwachsen.<br />

Ebenso sollen die sogenannten Sche<strong>in</strong>selbständigen<br />

<strong>in</strong> die Versicherungspflicht mit<br />

e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 189<br />

Kreisverband Emmend<strong>in</strong>gen<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Bemessungsgrundlage für die<br />

Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung<br />

Der Bundestagsparteitag möge beschlieûen,<br />

daû e<strong>in</strong>e Wertschöpfungsabgabe e<strong>in</strong>geführt<br />

wird.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 190<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />

(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />

E<strong>in</strong>beziehung von groûen<br />

Vermögen <strong>in</strong> die<br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />

Sozialversicherungssysteme<br />

Groûe Vermögen werden zur F<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />

herangezogen.<br />

Kennzahlen können se<strong>in</strong>:<br />

Vermögen/Person<br />

Vermögen/Institution<br />

Bau-Vermögen/...<br />

Immobilien-Vermögen/...<br />

Sachwerte/...<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 191<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Ergänzungsabgabe<br />

Wir wollen die lohnbezogenen Beiträge für<br />

die Rentenversicherung durch e<strong>in</strong>e Wertschöpfungsabgabe<br />

ergänzt sehen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 192<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />

(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />

Erhalt und F<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />

Der <strong>SPD</strong>-Bundesvorstand wird beauftragt,<br />

noch vor <strong>der</strong> heiûen Phase des Bundestagswahlkampfes<br />

<strong>in</strong> klarer Sprache, für alle ver-<br />

311


ständlich und nachvollziehbar e<strong>in</strong> Konzept<br />

zu veröffentlichen, das den Erhalt, den<br />

Ausbau und die künftigen Schwerpunkte<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />

beschreibt. Auch die Belastungen<br />

<strong>der</strong> Gruppen, die bislang noch nicht ausreichend<br />

an <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung beteiligt werden,<br />

sollen ausführlich beschrieben werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 193<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />

(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />

E<strong>in</strong>führung des Umsatzes als<br />

weitere Grundlage für<br />

Zahlungen an die Sozialversicherungen<br />

Die <strong>SPD</strong> wird den Umsatz von Groûfirmen,<br />

die nur im ger<strong>in</strong>gen Umfang Personal<br />

beschäftigen, als weitere Grundlage für<br />

Beitragszahlungen an die Sozialversicherungen<br />

e<strong>in</strong>führen.<br />

Dies gilt z.B. für Telefon-Gesellschaften,<br />

Kommunikationsunternehmen, Stromversorgungsunternehmen,<br />

für Aktienhändler,<br />

Immobilienunternehmen und für Versicherungen,<br />

die oft mit ger<strong>in</strong>gem Personale<strong>in</strong>satz<br />

regelmäûige und hohe Umsätze und<br />

Gew<strong>in</strong>ne erzielen. Als Beispiel sei hier<br />

Mannesmann genannt, die mit <strong>der</strong> Sparte<br />

Telekommunikation deutlich höhere<br />

Gew<strong>in</strong>ne bei ger<strong>in</strong>gerem Personalbestand<br />

als z.B. mit ihrem klassischen Stahl und<br />

Röhrenbereich erwirtschaften.<br />

Die Abwicklung erfolgt über e<strong>in</strong>en Soziallastenfonds,<br />

<strong>in</strong> den <strong>in</strong> Abhängigkeit vom<br />

Umsatz Prämien (z.B. 0,5 %) e<strong>in</strong>gezahlt<br />

werden müssen. Kennzahl ist <strong>der</strong> Umsatz.<br />

Übersteigt dieses Verhältnis e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Wert, greift die o. g. Regelung.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

312<br />

Antrag I 194<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Pflegeversicherung<br />

Das nunmehr geschaffene Pflegeversicherungsgesetz<br />

und se<strong>in</strong>e Umsetzung bleiben<br />

weit h<strong>in</strong>ter den gesundheits- und sozialpolitischen<br />

Erfor<strong>der</strong>nissen zurück. E<strong>in</strong>e<br />

bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung<br />

für alle pflegebedürftigen Menschen stellt<br />

die Pflegeversicherung nicht sicher, statt<br />

dessen bleibt e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>der</strong> Betroffenen<br />

weiterh<strong>in</strong> von Sozialhilfe abhängig und e<strong>in</strong><br />

groûer Teil <strong>der</strong> pflegebedürftigen Menschen<br />

wird gänzlich von Leistungen ausgeschlossen.<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

und die Landtagsfraktionen<br />

auf Initiativen für e<strong>in</strong>e Novellierung <strong>der</strong><br />

Pflegeversicherung zu entwickeln und <strong>in</strong><br />

die Parlamente e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />

Wir führen nachstehend Begründungen an:<br />

1. Gleiche Beitragsbelastung von Arbeitgebern<br />

und Arbeitnehmern<br />

Die Kompensation <strong>der</strong> Arbeitgeberbeiträge<br />

ist grundsätzlich abzulehnen. Sie wi<strong>der</strong>spricht<br />

dem Solidargedanken und dient <strong>der</strong><br />

systematischen Aushöhlung elementarer<br />

Sozialversicherungspr<strong>in</strong>zipien. Ebenfalls<br />

abzulehnen und zurückzunehmen ist somit<br />

die alle<strong>in</strong>ige Beitragszahlung zur Pflegeversicherung<br />

durch die Arbeitnehmer.<br />

2. Die Pflegeversicherung grenzt e<strong>in</strong>e Zahl<br />

von Pflegebedürftigen aus ihrem Leistungsrecht<br />

aus<br />

Davon s<strong>in</strong>d ca. 500 000 Menschen betroffen,<br />

<strong>der</strong>en täglicher Bedarf weniger als<br />

90 M<strong>in</strong>uten beträgt o<strong>der</strong> vorrangig im<br />

hauswirtschaftlichen Bereich liegt o<strong>der</strong> vor<br />

allem im psychiatrisch-betreuenden S<strong>in</strong>ne<br />

besteht.<br />

Für die leistungsberechtigten Pflegebedürftigen<br />

s<strong>in</strong>d zudem die Leistungen zu dekken.<br />

Für beide Gruppen bleibt daher trotz<br />

Pflegeversicherungsgesetz e<strong>in</strong> hohes


Armutsrisiko bestehen. Das Ziel des Pflegeversicherungsgesetzes,<br />

pflegebedürftige<br />

Menschen von Sozialhilfe unabhängig zu<br />

machen, das zur Zeit deutlich verfehlt<br />

wird, muû Leitl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Politik se<strong>in</strong>. Nur<br />

mit bedarfsorientierten Leistungen läût<br />

sich die Lebensqualität und Menschenwürde<br />

<strong>der</strong> pflegebedürftigen Menschen<br />

dauerhaft sichern. Der Grundsatz <strong>der</strong><br />

Bedarfsdeckung muû auf Basis e<strong>in</strong>er sozial<br />

gerechten F<strong>in</strong>anzierung realisiert werden.<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />

ist daher durch steuerf<strong>in</strong>anzierte Elemente<br />

zu ergänzen.<br />

3. Erweiterung des Pflegebegriffes unter<br />

Berücksichtigung des sozialpflegerischen<br />

Betreuungsbedarfes <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei gerontopsychiatrisch<br />

erkrankten Menschen<br />

Der Pflegebedürftigkeitsbegriff <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />

ist sehr stark an somatischen<br />

Defiziten ausgerichtet. Auch die Richtl<strong>in</strong>ien<br />

zur Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit<br />

und die Begutachtungsanleitungen des<br />

Mediz<strong>in</strong>ischen Dienstes vernachlässigen die<br />

sozialpflegerischen und psychosozialen<br />

Betreuungsbedarfe (z. B. Gedächtnistra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,<br />

Begleitung bei Spaziergängen, Tagesstrukturierung,<br />

Sterbebegleitung), die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

bei gerontopsychiatrisch<br />

erkrankten Pflegebedürftigen von groûer<br />

Bedeutung s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e ganzzeitliche Pflege<br />

darf sich daher nicht nur an den Kriterien<br />

¹satt und sauberª orientieren, son<strong>der</strong>n muû<br />

den ganzen Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em sozialen<br />

Umfeld sehen. Auch die Ermöglichung<br />

e<strong>in</strong>er Teilhabe am gesellschaftlichen und<br />

kulturellen Leben ist unverzichtbarer<br />

Bestandteil von Pflege. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />

des Pflegeversicherungsgesetzes<br />

muû daher im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Ganzheitlichkeit<br />

von Pflege erweitert werden.<br />

4. Leistungsrechtliche Zuordnung <strong>der</strong> Behandlungspflege<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> stationären Pflege<br />

zur Krankenversicherung<br />

Die Behandlungspflege (z.B. ärztlich verordnete<br />

Injektionen, Verbands- und Katheterwechsel,<br />

Dekubitusversorgung) pflegebedürftiger<br />

Menschen, die zu Hause leben,<br />

wird von den Krankenkassen im Rahmen<br />

des § 37 SGB V f<strong>in</strong>anziert. Diese Zuordnung<br />

ist s<strong>in</strong>nvoll, da die Behandlungspflege<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>der</strong> Sicherung <strong>der</strong> ärztlichen<br />

Therapie dient. Auch die Behandlungspflege<br />

<strong>in</strong> teilstationären und stationären<br />

Pflegee<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d dementsprechend<br />

zuzuordnen. Die durch das Pflegeversicherungs-¾n<strong>der</strong>ungsgesetz<br />

bis 1999 vorgenommene<br />

Zuordnung zur Pflegeversicherung<br />

ist systemwidrig, be<strong>in</strong>haltet massive<br />

Ungleichbehandlung zwischen zu Hause<br />

lebenden und <strong>in</strong> Pflegee<strong>in</strong>richtungen<br />

lebenden Menschen und ist daher dr<strong>in</strong>gend<br />

gesetzlich zu korrigieren.<br />

5. Qualifizierung <strong>der</strong> Begutachtungstätigkeit<br />

des Mediz<strong>in</strong>ischen Dienstes <strong>der</strong><br />

Krankenkasse (MDK)<br />

An die Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit<br />

müûten hohe Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt<br />

werden, weil sie den Zugang zu Sozialversicherungen<br />

def<strong>in</strong>iert. Im Mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Dienst <strong>der</strong> Krankenkassen müssen daher<br />

¾rzte tätig se<strong>in</strong>, die e<strong>in</strong>e geriatrische Ausbildung<br />

nachweisen können und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Geriatrie bereits gearbeitet haben. Die<br />

Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit darf<br />

nicht dem MDK alle<strong>in</strong>e überlassen bleiben.<br />

Es ist vielmehr notwendig, daû die Beurteilung<br />

des Pflegebedürftigen durch den<br />

Hausarzt und das betreuende Pflegepersonal<br />

bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufung e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es<br />

Gewicht erhält und dieses gesetzlich abgesichert<br />

wird.<br />

Auch muû <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Dienst bei <strong>der</strong><br />

Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit häufiger<br />

Pflegekräfte h<strong>in</strong>zuziehen, die das<br />

Erfor<strong>der</strong>nis Pflege und <strong>der</strong>en Umfang oft<br />

besser beurteilen können, als die meist<br />

unerfahrenen ¾rzt<strong>in</strong>nen und ¾rzte. Ferner<br />

sollte <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Dienst verpflichtet<br />

werden, die Begutachtung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />

Frist von 4 Wochen nach Antragstellung<br />

durchzuführen. Wenn e<strong>in</strong> Antragsteller<br />

e<strong>in</strong>er Betreuung unterliegt, muû die<br />

Benachrichtigung über den Besuchsterm<strong>in</strong><br />

dem/<strong>der</strong> Betreuer/<strong>in</strong> so rechtzeitig zugehen,<br />

daû e<strong>in</strong>e Teilnahme an dem Term<strong>in</strong><br />

möglich ist. Der Antragsteller muû beim<br />

Besuch des MDK auch e<strong>in</strong>e Person se<strong>in</strong>es<br />

Vertrauens h<strong>in</strong>zuziehen dürfen.<br />

313


6. Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des bürokratischen Aufwandes<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Feststellung<br />

bzw. ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Pflegestufe, beim<br />

Leistungsnachweis, im Rechnungswesen,<br />

beim Abschluû sowie bei <strong>der</strong> statistischen<br />

Erfassung<br />

Trotz <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bundesregierung immer<br />

wie<strong>der</strong> verkündeten Marktorientierung <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Pflege, die mit dem Pflegeversicherungsgesetz<br />

verbunden sei, leidet dieses<br />

Gesetz unter e<strong>in</strong>er dramatischen Überreglementierung,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Rechnungslegung,<br />

beim Leistungsnachweis,<br />

beim Begutachtungsverfahren und bei <strong>der</strong><br />

statistischen Erfassung. Im Gegensatz zu<br />

den Verwaltungskosten <strong>der</strong> Pflegekassen ist<br />

die Vergütung des <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen<br />

und Diensten entstehenden Personal- und<br />

Sachaufwandes im Zusammenhang mit<br />

Verwaltungsaufgaben gesetzlich nicht geregelt.<br />

Die Vere<strong>in</strong>fachung von Verfahren und<br />

Abläufen und Darstellungspflichten kommt<br />

letztlich dem Pflegebedürftigen zugute,<br />

denn die E<strong>in</strong>sparungen <strong>in</strong> diesem Bereich<br />

können <strong>der</strong> Pflegearbeit zugeführt werden.<br />

Die Milliarden, die zur Zeit bei den Pflegekassen<br />

als Überschuû gehortet werden,<br />

müssen dem Bereich <strong>der</strong> Pflegearbeit zugeführt<br />

werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 195<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Pflegeversicherungsgesetz<br />

1. Die Deckelung <strong>der</strong> Pflegesätze kann<br />

und darf nicht weitergeführt werden. Sie<br />

muû wie<strong>der</strong> aufgehoben und <strong>der</strong> Pflegesatz<br />

angesetzt werden, <strong>der</strong> den tatsächlichen<br />

Kostenberechnungen entspricht.<br />

2. Die Richtl<strong>in</strong>ien des MDK müûten <strong>in</strong>sofern<br />

geän<strong>der</strong>t werden, daû die Behandlungspflege<br />

sowie <strong>der</strong> gesamte psychosoziale<br />

Bereich und die körperlich und<br />

geistig Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Berücksichtigung<br />

314<br />

f<strong>in</strong>den und <strong>in</strong> dem Punktesystem erfaût<br />

werden können.<br />

3. Für die BewohnerInnen <strong>in</strong> Heimen,<br />

sowie für die Betroffenen <strong>in</strong> <strong>der</strong> ambulanten<br />

Pflege, die nicht <strong>in</strong> Pflegestufe 1,<br />

2 o<strong>der</strong> 3 e<strong>in</strong>gestuft werden können, die<br />

aber ebenfalls e<strong>in</strong>en erheblichen Pflegeaufwand<br />

benötigen, muû e<strong>in</strong>e bezahlte<br />

Stufe 0 e<strong>in</strong>geführt werden ± vielleicht<br />

auch aus gewissen Überschüssen, die<br />

momentan ja schon vorhanden s<strong>in</strong>d. Es<br />

wäre e<strong>in</strong> Betrag <strong>in</strong> Höhe von DM 500,±<br />

bis 1000,± anzusetzen.<br />

4. Die E<strong>in</strong>stufung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Pflegestufe<br />

durch den MDK muû zeitnah erfolgen<br />

können und ist nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit<br />

wie<strong>der</strong>um zu überprüfen, damit aktuelle<br />

Verbesserungen und Verschlechterungen<br />

erkannt und anerkannt werden können.<br />

5. Es muû e<strong>in</strong>e Gleichbehandlung bei <strong>der</strong><br />

Zuweisung von Hilfsmitteln durch die<br />

Krankenkassen für Heimbewohner und<br />

Betroffene <strong>in</strong> <strong>der</strong> ambulanten Pflege<br />

erfolgen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 196<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Pflegeversicherung<br />

Die <strong>SPD</strong>-Fraktion im Deutschen Bundestag<br />

wird aufgefor<strong>der</strong>t, sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen,<br />

daû die Pflegekassen e<strong>in</strong>en Leistungserbr<strong>in</strong>gungsvertrag<br />

mit e<strong>in</strong>em<br />

pflegebedürftigen Versicherten über die<br />

Sicherstellung <strong>der</strong> Pflegesachleistung für<br />

die eigene Person gem. § 77 Abs. 1 SGB XI<br />

abschlieûen können und demzufolge Pflegekräfte,<br />

die e<strong>in</strong> Pflegebedürftiger selbst<br />

e<strong>in</strong>gestellt hat, als Sachleistung gem. § 36<br />

SGB XI vergütet werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)


Antrag I 197<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Novellierung des Pflegeversicherungsgesetzes<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

geeignete Schritte zu unternehmen,<br />

daû im Rahmen des Pflegeversicherungsgesetzes<br />

sogen. ¹verwirrteª Personen<br />

als pflegebedürftig anerkannt werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 198<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Nachbesserung ambulante<br />

Pflegeversicherung<br />

Bei den Kriterien <strong>der</strong> ambulanten Pflege<br />

ist e<strong>in</strong> wichtiger Aspekt vollkommen unberücksichtigt<br />

geblieben; <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> psychosozialen<br />

Betreuung. Dies ist umgehend<br />

zu vervollständigen und abrechnungsfähig<br />

zu machen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 199<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Rücklagen Pflegeversicherung<br />

Die Rücklagen, die sich aus den Pflegeversicherungsbeiträgen<br />

gebildet haben, s<strong>in</strong>d<br />

nicht zweckentfremdet zu verwenden (z. B.<br />

zur Haushaltskonsolidierung), son<strong>der</strong>n<br />

müssen <strong>in</strong> direkter o<strong>der</strong> <strong>in</strong>vestiver Form<br />

den Pflegebedürftigen zugute kommen.<br />

Die <strong>SPD</strong>-Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Landes- und<br />

Bundestagsfraktionen werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich für die dr<strong>in</strong>gend notwendigen nachverbesserungsbedürftigen<br />

Bereiche <strong>der</strong><br />

Pflegeversicherung e<strong>in</strong>zusetzen, um Leistungskürzungen<br />

durch das bundese<strong>in</strong>heitliche<br />

Standard-Pflegesatzmodell zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und die Pflege im stationären und<br />

ambulanten Bereich erheblich zu verbessern.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 200<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Pflegeversicherung<br />

Die Fraktion <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> im Bundestag wird<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, alle Möglichkeiten auszuschöpfen,<br />

um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû die<br />

Regierung Kohl <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />

Beträge <strong>in</strong> Milliardenhöhe für Zwecke entnimmt,<br />

die nicht zu den Aufgaben <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />

gehören.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 201<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Standard-Pflegesatz-Modell<br />

Die neusten Vorstellungen im SPM (Standard-Pflegesatz-Modell)<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />

Personalkostenberechnung s<strong>in</strong>d abzulehnen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

315


Antrag I 202<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Betreuungsrecht<br />

Auf das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag<br />

und Bundesrat zur ¾n<strong>der</strong>ung des<br />

Betreuungsrechts soll von Seiten <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

so E<strong>in</strong>fluû genommen werden,<br />

± daû e<strong>in</strong>e Qualitätsabsenkung <strong>der</strong> Betreuungsarbeit,<br />

durch vermehrten E<strong>in</strong>satz<br />

unqualifizierter ¹Berufsªbetreuer vermieden<br />

wird.<br />

± E<strong>in</strong>e ¹Unterhaltspflichtª von Angehörigen<br />

für Betreuungsleistungen wird abgelehnt.<br />

± Die Kostenerstattung für die Betreuungsvere<strong>in</strong>e<br />

muû sich an den tatsächlichen<br />

Unkosten orientieren und bei m<strong>in</strong>destens<br />

75,± DM pro Stunde liegen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 203<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Der sog. ¹Bayerische Wegª<br />

Es wird befürwortet, daû <strong>der</strong> sog. ¹Bayerische<br />

Wegª weiterh<strong>in</strong> von den Krankenkassen<br />

bezahlt wird bzw. e<strong>in</strong> Ersatz <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Pflegeversicherung geschaffen wird.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

316<br />

Antrag I 204<br />

Unterbezirk Mettmann<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Gesundheitspolitik<br />

Die gesetzliche Krankenversicherung ist<br />

e<strong>in</strong>e solidarische Versicherung mit Selbstverwaltung<br />

und hälftigem Beitrag für<br />

Arbeitgeber und Versicherte. Sie muû als<br />

solidarische Versicherung erhalten bleiben.<br />

Weiterentwicklungen im Gesundheitswesen<br />

müssen sich an dem Ziel orientieren, allen<br />

Menschen unabhängig von ihrem E<strong>in</strong>kommen<br />

und ihrem sozialen Statuts gleiche<br />

Chancen zur Bewahrung ihrer Gesundheit,<br />

zur Wie<strong>der</strong>herstellung nach Erkrankung,<br />

zur Pflege und Rehabilitation zu geben.<br />

Dabei ist die soziale Krankenversicherung,<br />

die für mehr als 90 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

zuständig ist, e<strong>in</strong> wesentlicher Teilbereich,<br />

um das Ziel <strong>der</strong> Chancengleichheit<br />

zu verwirklichen.<br />

Folgende For<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d vorrangig<br />

umzusetzen:<br />

1. Prävention muû schnellstmöglich wie<strong>der</strong><br />

Aufgabe <strong>der</strong> Krankenversicherungen<br />

sowie <strong>der</strong> Öffentlichkeit werden. Die<br />

Qualität <strong>der</strong> Maûnahmen ist dabei<br />

sicherzustellen. Das Angebot soll sich an<br />

e<strong>in</strong>em Katalog von Gesundheitszielen<br />

orientieren, über <strong>der</strong>en Priorität e<strong>in</strong><br />

gesellschaftlicher Konsens hergestellt<br />

wird (z.B.: Bis zum Zeitpunkt xy haben<br />

98 Prozent aller 16jährigen kariesfreie<br />

Zähne).<br />

2. An die Leistungsanbieter s<strong>in</strong>d strenge<br />

Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen zu stellen. Diese<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen, z.B. Standardisierungen,<br />

müssen <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />

den Kassen erstellt und überprüft werden.<br />

Bereiche können z.B. se<strong>in</strong>: Röntgenuntersuchungen,<br />

Pharmakotherapie<br />

etc. Hierbei s<strong>in</strong>d die Möglichkeiten, die<br />

durch die masch<strong>in</strong>ell erstellten Daten<br />

bestehen, konsequent zu nutzen.<br />

Modellvorhaben mit positiven Ergebnissen<br />

(z.B. AOK Kreis Mettmann) müssen<br />

zu Regel<strong>in</strong>strumenten umgesetzt werden.


3. Zur Beurteilung von Vorsorgemaûnahmen,<br />

Therapieverfahren, Arznei-, Heilund<br />

Hilfsmitteln müssen bevölkerungsmediz<strong>in</strong>ische<br />

und statistische Methoden<br />

mit e<strong>in</strong>gesetzt werden. Hierzu muû die<br />

notwendige Infrastruktur geschaffen<br />

werden, entwe<strong>der</strong> beim Mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Dienst <strong>der</strong> Krankenkassen o<strong>der</strong> (noch<br />

besser) auf staatlicher Ebene. Die Versichertengeme<strong>in</strong>schaft<br />

wird damit <strong>in</strong> die<br />

Lage versetzt, zwischen Verfahren auszuwählen<br />

und uns<strong>in</strong>nige Therapien und<br />

Mittel aus <strong>der</strong> solidarischen F<strong>in</strong>anzierung<br />

auszuschlieûen. Es kann nicht<br />

angehen, daû weiterh<strong>in</strong> die Verkäufer<br />

<strong>der</strong> Leistungen bestimmen, was s<strong>in</strong>nvoll<br />

ist und gebraucht wird.<br />

4. Es muû e<strong>in</strong>e geregelte Gesundheitsberichterstattung<br />

erstellt werden. Über die<br />

bisherigen regional ungleichen und sporadischen<br />

Ansätze muû man h<strong>in</strong>auskommen.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> Gesundheitsberichterstattung<br />

werden gesundheitliche Ziele<br />

bestimmt und umgesetzt.<br />

5. Die Beteiligung und Information <strong>der</strong><br />

Bevölkerung muû wesentlich ausgebaut<br />

und erweitert werden. Ansätze s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

den Modellvorhaben zur ortsnahen<br />

Koord<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> NRW bereits zu f<strong>in</strong>den.<br />

Ebenso müssen die Interessen <strong>der</strong><br />

Versicherten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Selbstverwaltung <strong>der</strong><br />

Krankenversicherung gestärkt werden.<br />

6. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird<br />

beauftragt, im Falle e<strong>in</strong>es Regierungswechsels<br />

diejenigen ¾n<strong>der</strong>ungen des<br />

SGB V (Beitragsentlastungsgesetz,<br />

1. und 2. NOG) wie<strong>der</strong> rückgängig zu<br />

machen, die die Eigenbeteiligung <strong>der</strong><br />

Versicherten erhöht und das Solidarpr<strong>in</strong>zip<br />

<strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung<br />

ausgehöhlt haben.<br />

Diese Maûnahmen tragen dazu bei, mehr<br />

Transparenz und Demokratie im Gesundheitswesen<br />

herzustellen, mit den vorhandenen<br />

Mitteln effizienter umzugehen und<br />

damit die Grundlage <strong>der</strong> solidarischen<br />

F<strong>in</strong>anzierung zu erhalten. Sie stärken die<br />

Interessen <strong>der</strong> Bürger gegenüber den Leistungsanbietern.<br />

Sie s<strong>in</strong>d nicht als abschlieûend<br />

zu betrachten, son<strong>der</strong>n als erster Bau-<br />

ste<strong>in</strong> zu sehen. Das Gesundheitswesen muû<br />

als Kernaufgabe des Sozialstaats gesehen<br />

werden und darf nicht dem freien Markt<br />

überlassen werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 205<br />

Bezirk <strong>Hannover</strong><br />

Gesundheitsreform<br />

I. Mit den Gesetzen zur sogenannten<br />

3. Stufe <strong>der</strong> Gesundheitsreform<br />

(Beitragsentlastungsgesetz 1. und 2. Krankenversicherungsneuordnungsgesetz)<br />

vollzieht die Bonner Koalition e<strong>in</strong>en<br />

grundlegenden Systemwechsel <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Krankenversicherung.<br />

Weg vom Solidarpr<strong>in</strong>zip, h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er von<br />

primär f<strong>in</strong>anz- und wirtschaftspolitischen<br />

Zielen dom<strong>in</strong>ierten Politik, die gekennzeichnet<br />

ist von Privatisierung <strong>der</strong> Krankenversicherung,<br />

Leistungskürzungen bzw.<br />

Ausgrenzungen zu Lasten <strong>der</strong> Versicherten,<br />

Schonung von Leistungsanbietern im<br />

Gesundheitswesen (¾rzten, Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />

usw.) sowie existenzbedrohendem<br />

Druck auf die gesetzlichen Krankenkassen.<br />

Mit dieser Politik setzen CDU/CSU und<br />

FDP den seit ihrem Regierungsantritt 1982<br />

systematisch betriebenen Sozialabbau fort.<br />

(Beispiele: Kürzungen bei Arbeitslosengeld<br />

und -hilfe, Streichung des Schlechtwettergeldes,<br />

Verschlechterung beim Kündigungsschutz,<br />

deutliche Reduzierung von<br />

ABM, Kürzung <strong>der</strong> Sozialhilfe, Kürzung<br />

<strong>der</strong> Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und<br />

des Krankengeldes, E<strong>in</strong>schnitte bei Berufsund<br />

Erwerbsunfähigkeitsrenten, Verlängerung<br />

<strong>der</strong> Lebensarbeitszeit.)<br />

Diese Politik richtet sich sowohl gegen<br />

Arbeitslose als auch gegen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />

und Arbeitnehmer, Rentner, Kranke,<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te, Frauen und Familien. Während<br />

Unternehmen und Vermögende<br />

317


immer weiter f<strong>in</strong>anziell entlastet werden,<br />

steigt die Arbeitslosigkeit auf e<strong>in</strong> Rekordniveau<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />

Deutschland. Immer mehr Menschen s<strong>in</strong>d<br />

auf Sozialhilfe angewiesen; die öffentlichen<br />

Haushalte von Län<strong>der</strong>n und Kommunen<br />

werden über ihre Grenzen h<strong>in</strong>aus belastet.<br />

II. Die <strong>SPD</strong> wi<strong>der</strong>setzt sich entschieden<br />

dieser Politik.<br />

Sie for<strong>der</strong>t statt dessen u.a.:<br />

1. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Beitragsbemessungsgrenze<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kranken- und Rentenversicherung<br />

um die E<strong>in</strong>nahmesituation <strong>der</strong><br />

gesetzlichen Krankenkassen zu verbessern.<br />

Der Beitragssatz könnte alle<strong>in</strong><br />

dadurch um 0,6%-Punkte gesenkt werden.<br />

2. Weitgehende Abschaffung <strong>der</strong> versicherungsfreien<br />

610,± DM Jobs. Dadurch<br />

werden 4 bis 5 Millionen Menschen<br />

zusätzlich abgesichert, und gleichzeitig<br />

könnte <strong>der</strong> Beitragssatz um 0,1%-<br />

Punkte gesenkt werden.<br />

3. Reduzierung <strong>der</strong> versicherungsfremden<br />

Leistungen zu Lasten e<strong>in</strong>er Steuerf<strong>in</strong>anzierung.<br />

4. Begrenzung <strong>der</strong> Leistungsausweitungen<br />

von ¾rzten, und durch degressive Vergütung<br />

und Budgets beim E<strong>in</strong>satz von<br />

Groûgeräten. Nicht jede Untersuchung<br />

rechtfertigt den E<strong>in</strong>satz teurer CT- und<br />

Röntgengeräte. Wo das Leistungsangebot<br />

aufgebläht wird, steigen unweigerlich<br />

die Kosten.<br />

5. Ausgabenbegrenzung im Pharmabereich<br />

durch e<strong>in</strong>e Positivliste (Ersparnis<br />

2 Mrd. DM) und marktwirtschaftliche<br />

Elemente, wobei sich auch die Krankenkassen<br />

an <strong>der</strong> Versorgung mit Arzneimitteln<br />

unmittelbar beteiligen können.<br />

6. Stärkung <strong>der</strong> Hausärzte durch e<strong>in</strong> eigenes,<br />

von den Fachärzten getrenntes<br />

Budget. Behandlung bei Fachärzten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Regel nur noch nach Überweisung<br />

durch den Hausarzt, um kostspielige<br />

und gesundheitsschädigende Doppeluntersuchungen<br />

zu vermeiden. Dabei kann<br />

die Patient<strong>in</strong>/<strong>der</strong> Patient sich auch dafür<br />

entscheiden, die Funktionen des Haus-<br />

318<br />

arztes von e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>ärzt<strong>in</strong>/e<strong>in</strong>em<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>arzt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gynäkolog<strong>in</strong>/<br />

e<strong>in</strong>em Gynäkologen wahrnehmen zu<br />

lassen.<br />

7. Die Versorgung mit notwendigem<br />

Zahnersatz für alle Altersgruppen auf<br />

<strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>es prozentualen Zuschusses<br />

muû e<strong>in</strong>e Leistung <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Krankenversicherung bleiben. Das auf<br />

Druck <strong>der</strong> Zahnärzte-Lobby e<strong>in</strong>geführte<br />

Instrument <strong>der</strong> privatversicherungsrechtlichen<br />

Kostenerstattung wird abgelehnt.<br />

Die Prüfung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Notwendigkeit und <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />

durch die Krankenkassen wird so<br />

umgangen. Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Patientenschutzes<br />

wird am bewährten Sachleistungspr<strong>in</strong>zip<br />

festgehalten.<br />

8. Vorhandene Überkapazitäten im Krankenhausbereich<br />

s<strong>in</strong>d weiter abzubauen.<br />

Bei <strong>der</strong> drohenden Schlieûung von<br />

Krankenhäusern darf die Notwendigkeit<br />

<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Grundversorgung<br />

und die Bedeutung von Krankenhäusern<br />

als regionaler Arbeitgeber <strong>in</strong> ländlichen<br />

Regionen nicht zugunsten von Oberzentren<br />

vernachlässigt werden.<br />

Der Grundsatz ¹ambulant vor stationärª<br />

muû verstärkt werden. Dabei ist die<br />

Kooperation zwischen Krankenhausärzten<br />

und an<strong>der</strong>en Anbietern im Gesundheitswesen<br />

zu <strong>in</strong>tegrierten Versorgungsformen<br />

auszubauen. Die immer noch<br />

bestehenden starren Grenzen zwischen<br />

ambulanter und stationärer Versorgung<br />

müssen aufgegeben werden. Krankenhäuser<br />

müssen bei Bedarf zur ambulanten<br />

fachärztlichen Versorgung zugelassen<br />

werden können. Nie<strong>der</strong>gelassene<br />

¾rzte müssen die <strong>in</strong> Krankenhäusern<br />

vorhanden; Strukturen auf vertraglicher<br />

Basis mitbenutzen, z. B. mediz<strong>in</strong>-technische<br />

Geräte, Möglichkeit <strong>der</strong> ambulanten<br />

Operationen.<br />

Die Möglichkeit von ambulanten Operationen,<br />

sowie von vor- und nachstationären<br />

Behandlungen durch das Krankenhaus<br />

ist durch Kostenträger und<br />

Krankenhausträger zügig umzusetzen.


Das duale Krankenhausf<strong>in</strong>anzierungssystem<br />

ist zu überprüfen und mittelfristig<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e monistische F<strong>in</strong>anzierung zu<br />

überführen.<br />

9. Die Beitragszahlung zur Krankenversicherung<br />

darf nicht ausschlieûlich lohnorientiert<br />

bleiben, weil dadurch<br />

beschäftigungs<strong>in</strong>tensivere Bereiche wie<br />

Handwerk und Dienstleistungsgewerbe<br />

gegenüber <strong>der</strong> rationalisierenden Groû<strong>in</strong>dustrie<br />

überproportional mit Sozialabgaben<br />

belastet werden.<br />

10. Die gesetzlichen Krankenkassen s<strong>in</strong>d<br />

für alle Bevölkerungsgruppen zu öffnen<br />

und attraktiver zu machen, damit e<strong>in</strong><br />

echter Solidarausgleich möglich wird<br />

und ¹gute Risikenª nicht automatisch<br />

<strong>in</strong> private Versicherung abgedrängt werden.<br />

Den gesetzlichen Krankenkassen<br />

muû daher auch die Möglichkeit von<br />

Zusatzangeboten e<strong>in</strong>geräumt werden.<br />

Mediz<strong>in</strong>isch notwendige Leistungen<br />

gehören <strong>in</strong> das Leistungsangebot <strong>der</strong><br />

Krankenkassen.<br />

III. Reha vor Rente<br />

Vorsorgemaûnahmen tragen zur Kostenreduzierung<br />

im Akutbereich bei. Daher s<strong>in</strong>d<br />

Prävention und Rehabilitation im Gesundheitswesen<br />

stärker auszubauen. Der Grundsatz<br />

¹Rehabilitation vor Renteª, wie mit<br />

dem Rehabilitationsangleichungsgesetz <strong>der</strong><br />

sozial-liberalen Koalition e<strong>in</strong>geführt, muû<br />

wie<strong>der</strong> stärker umgesetzt werden. Die massiven<br />

Erhöhungen <strong>der</strong> Eigenbeteiligungen<br />

im Reha-Bereich sowie die Verkürzung <strong>der</strong><br />

geför<strong>der</strong>ten Reha-Maûnahmen s<strong>in</strong>d<br />

zurückzunehmen. Der Rechtsanspruch auf<br />

berufliche Rehabilitation von Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />

von <strong>der</strong> Bundestagsmehrheit abgeschafft ±<br />

ist wie<strong>der</strong> herzustellen.<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich gegen diese sozial unausgewogenen<br />

Maûnahmen e<strong>in</strong>.<br />

Sie for<strong>der</strong>t:<br />

± die Umstrukturierung von Heilbä<strong>der</strong>n<br />

und Kurorten zu Gesundheitszentren <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er ökologisch <strong>in</strong>takten Umwelt,<br />

± die För<strong>der</strong>ung wohnortnaher Rehabilitation,<br />

± die Nutzung von frei werdenden Reha-<br />

Kl<strong>in</strong>iken als Akutkrankenhäuser anstelle<br />

von teuren Krankenhaussanierungen,<br />

± Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern<br />

und Krankenhäusern und Reha-<br />

E<strong>in</strong>richtungen (ausgetauschte Leistungen<br />

dürfen dabei nicht e<strong>in</strong>e Umsatzsteuer-<br />

Pflicht begründen),<br />

± Schaffung von Schwerpunktorten für stationäre,<br />

teilstationäre und ambulante<br />

Rehabilitation,<br />

± Verzahnung von Akutmediz<strong>in</strong>, Rehabilitation<br />

und Pflege sowohl im stationären<br />

als auch im ambulanten Bereich<br />

voranzutreiben.<br />

IV. E<strong>in</strong>er Politik, die die Schwächsten <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gesellschaft weiter schwächt, um<br />

gleichzeitig Millionären und Milliardären<br />

Steuergeschenke machen zu können, setzt<br />

die <strong>SPD</strong> entschiedenen Wi<strong>der</strong>stand entgegen.<br />

Die <strong>SPD</strong> will die Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung,<br />

statt den Umbau zu e<strong>in</strong>er Zwei-<br />

Klassen-Mediz<strong>in</strong>.<br />

Begründung: Der Angriff auf die solidarische<br />

Krankenversicherung verstärkt den<br />

Trend zur Spaltung <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>in</strong> arm<br />

und reich.<br />

Beispiele s<strong>in</strong>d<br />

± die Kürzung des Krankengeldes seit<br />

1. 1. 1997 um zehn Prozent,<br />

± die Abschaffung des Kassenzuschusses<br />

zum Zahnersatz für alle, die nach 1978<br />

geboren wurden,<br />

± weiter deutliche Erhöhung <strong>der</strong> Eigenbeteiligung<br />

<strong>der</strong> Kranken von bisher <strong>in</strong>sgesamt<br />

13 Mrd. DM auf zukünftig m<strong>in</strong>destens<br />

18 Mrd. DM bei dynamischer<br />

jährlicher Anpassung.<br />

Trickreich wird so die bisherige paritätische<br />

Beitragsaufteilung zwischen Arbeitgebern<br />

und Arbeitnehmern e<strong>in</strong>seitig zu<br />

Lasten <strong>der</strong> Arbeitnehmer und Versicherten<br />

verschoben.<br />

Die Erhöhung des Eigenanteils,<br />

± bei Fahrtkosten von 20 DM auf 25 DM,<br />

319


± bei Verbandmittel von 4 DM auf 9 DM,<br />

± bei Krankenhausaufenthalt täglich von<br />

12 DM auf 17 DM sowie<br />

± bei Bewegungstherapie, Krankengymnastik,<br />

Sprachtherapie, Massagen von 10 %<br />

auf 15 %<br />

± Notopfer <strong>der</strong> Versicherten für Krankenhaus<strong>in</strong>standsetzung<br />

jährlich 20 DM<br />

± Erhöhung des Eigenanteils für Medikamente<br />

von 4,±, 6,±, 8,± DM auf 9,±, 11,±,<br />

13,± DM.<br />

Damit zahlen die Betroffenen zukünftig ca.<br />

40 % <strong>der</strong> Arzneimittel selbst!<br />

± Kürzung <strong>der</strong> Aufenthaltsdauer bei Rehabilitationsmaûnahmen<br />

von vier auf drei<br />

Wochen,<br />

± Erhöhung <strong>der</strong> täglichen Eigenbeteiligung<br />

bei Reha-Maûnahmen auf 25 DM,<br />

± Anrechnung von m<strong>in</strong>destens zwei<br />

Urlaubstagen pro Kurwoche,<br />

± Verlängerung des Wie<strong>der</strong>holungszeitraumes<br />

für Kuren von drei auf vier Jahre.<br />

In <strong>der</strong> Folge wird Krankheit zu e<strong>in</strong>em privaten<br />

Kostenfaktor, <strong>der</strong> für viele nicht<br />

mehr bezahlbar ist. Krankenkassen müssen<br />

Beiträge zur Deckung <strong>der</strong> gesetzlich vorgeschriebenen<br />

Leistungen erheben. Sie haben<br />

auf die Ausgaben und E<strong>in</strong>nahmen kaum<br />

E<strong>in</strong>fluû. Beiträge werden entsprechend den<br />

Bruttolöhnen erhoben bzw. s<strong>in</strong>d vom<br />

Gesetzgeber bei bestimmten Personengruppen<br />

(Arbeitslose, Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te, Sozialhilfeempfänger)<br />

festgelegt. Die Krankenkassen<br />

haben nicht nur e<strong>in</strong> Ausgabenproblem,<br />

son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>nahmeproblem. Alle<strong>in</strong><br />

durch die gesetzliche Reduzierung <strong>der</strong> Beiträge<br />

für Arbeitslose wurden den Krankenkassen<br />

6 Mrd. DM jährlich entzogen. Mit<br />

<strong>der</strong> Kürzung <strong>der</strong> Lohnfortzahlung kommen<br />

weitere 2 Mrd. DM M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>ahmen<br />

h<strong>in</strong>zu.<br />

Erneut wird e<strong>in</strong>e stärkere Belastung des<br />

Sozialhilfeetats provoziert. Gleichzeitig<br />

drängen Koalitionspolitiker auf Abbau von<br />

Sozialhilfeleistungen. Getreu dem Motto<br />

¹Angebot regelt die Nachfrageª wird genau<br />

das gemacht, was die Kosten im Gesund-<br />

320<br />

heitswesen nicht nach unten, son<strong>der</strong>n weiter<br />

nach oben treibt, z.B. Aufhebung <strong>der</strong><br />

Groûgeräteverordnung und Abschaffung<br />

<strong>der</strong> Positivliste für Arzneimittel (Liste verordnungsfähiger<br />

Arzneimittel).<br />

Die gesetzliche Krankenversicherung wird<br />

<strong>in</strong> ihrer Existenz bedroht<br />

Den Krankenkassen wurde zum 1. 1. 1997<br />

e<strong>in</strong>e Beitragssatzsenkung um 0,4 % systemwidrig<br />

gesetzlich verordnet. Das Defizit<br />

<strong>der</strong> Krankenkassen von zur Zeit ca.<br />

10 Mrd. DM wird so durch den Bundesgesetzgeber<br />

wi<strong>der</strong>rechtlich vergröûert. Bei<br />

Beitragserhöhung erhöht sich nach dem<br />

Willen des Gesetzgebers zukünftig automatisch<br />

noch mal die Eigenbeteiligung für<br />

Kranke. Im Ergebnis wird dies dazu führen,<br />

daû den gesetzlichen Krankenkassen<br />

Versicherte zu beitragsgünstigeren Kassen<br />

¹davonlaufenª, o<strong>der</strong> ± sofern möglich ± <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e private Krankenversicherung wechseln.<br />

Folge: Krankenkassen mit sogenannten<br />

schlechten Risiken wie z.B. die AOK werden<br />

<strong>in</strong> ihrer Existenz bedroht. Mit ihrer<br />

Existenzgefährdung s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> bei <strong>der</strong><br />

AOK-Nie<strong>der</strong>sachsen 6500 Arbeitsplätze<br />

bedroht. Die AOK-Nie<strong>der</strong>sachsen ist nach<br />

VW <strong>der</strong> zweitgröûte Arbeitgeber im Land.<br />

Die Bonner Beschlüsse im Rehabereich<br />

führen zu gesundheitspolitisch und volkswirtschaftlich<br />

unverantwortlichen<br />

Konsequenzen<br />

Die beschlossene Kürzung <strong>der</strong> Ausgaben<br />

im Reha-Bereich von 14 auf 11 Mrd. DM<br />

führt mit den übrigen den Reha-Bereich<br />

betreffenden Beschlüssen zu gesundheitspolitisch<br />

nicht zu verantwortenden Folgen:<br />

Immerh<strong>in</strong> dienen 90 % <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Reha-Maûnahmen <strong>der</strong> gesundheitlichen<br />

Wie<strong>der</strong>herstellung von Menschen nach<br />

schweren Erkrankungen. Bei Reduzierung<br />

o<strong>der</strong> Wegfall dieser Maûnahmen würden<br />

viele berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig<br />

werden o<strong>der</strong> bleiben. Die Kürzungen<br />

gefährden auûerdem den wirtschaftlichen<br />

Bestand von Heilbä<strong>der</strong>n und Kl<strong>in</strong>iken.<br />

Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen s<strong>in</strong>d 50 Heilbä<strong>der</strong><br />

und etwa 40 von 130 Reha-Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong><br />

ihrer Existenz bedroht. Das bedeutet den


direkten Verlust von 4000 bis 5000<br />

Arbeitsplätzen. Mittelbar s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> monostrukturierten<br />

Gebieten m<strong>in</strong>destens 10000<br />

Arbeitsplätze e<strong>in</strong>schlieûlich Beherbergungsgewerbe,<br />

Zuliefererbetriebe, Handel- und<br />

Gewerbe gefährdet. Für die nie<strong>der</strong>sächsischen<br />

Heilbä<strong>der</strong> hat die Bundesregierung<br />

damit e<strong>in</strong> Arbeitsgesetzvernichtungsprogramm<br />

auf den Weg gebracht.<br />

Folgen für Versicherte: Weniger Leistung<br />

für mehr Geld<br />

Für Versicherte bedeuten die ¹Reformenª<br />

weniger Leistungen für mehr Geld. Ausgerechnet<br />

Kranke werden <strong>in</strong> nie dagewesener<br />

Weise belastet. Die Bonner Gesetze bewirken<br />

zudem die Ausgrenzung sog. schlechter<br />

Risiken; Krankheit wird zunehmend Privatrisiko.<br />

Die gewachsene solidarische Sozialversicherung<br />

wird zu M<strong>in</strong>imalversorgung<br />

für f<strong>in</strong>anziell Schwache und durch Arbeitslosigkert<br />

und Krankheit <strong>in</strong> Armut getrieben<br />

Menschen degradiert. Es wird Menschen<br />

geben, die an Krankheiten leiden, die sie<br />

sich nicht mehr leisten können, während<br />

sich diejenigen, die es sich leisten können,<br />

Krankheit privat absichern.<br />

Ke<strong>in</strong>e amerikanischen Verhältnisse<br />

Mit dem H<strong>in</strong>weis auf mehr Eigenverantwortung,<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Eigenbeteiligung<br />

und Ausgrenzungen von Leistungen sollen<br />

Versicherte bzw. Kranke nach dem Willen<br />

<strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP zur Sparsamkeit<br />

erzogen werden. Gleichzeitig sollen so<br />

die Lohnnebenkosten gesenkt werden.<br />

Tatsache ist jedoch, daû Leistungen <strong>der</strong><br />

Krankenversicherung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel von ¾rzten<br />

durch Verordnungen ausgelöst werden<br />

und nicht von den Patienten.<br />

In den USA hat das hierzulande von <strong>der</strong><br />

Koalition angestrebte Modell dazu geführt,<br />

daû 50 Mio. Menschen ke<strong>in</strong>e gesetzliche<br />

Absicherung gegen das Krankheitsrisiko<br />

haben. Gleichzeitig beträgt <strong>der</strong> Anteil an<br />

Aufwendungen für das Gesundheitswesen<br />

<strong>in</strong> den USA 14,2 % des Bruttosozialproduktes,<br />

bei uns nur 8,6 %.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 206<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Gesundheitsreform!<br />

Die Krankenversicherung und auch die<br />

Rentenversicherung bilden für die ältere<br />

Generation die wichtigsten Säulen <strong>der</strong><br />

sozialen Sicherheit. Ihre Zuverlässigkeit<br />

und Durchschaubarkeit s<strong>in</strong>d die unverzichtbare<br />

Grundlage für das Vertrauen <strong>der</strong><br />

Bürger <strong>in</strong> ihre politische Führung.<br />

Die jetzige Bundesregierung hat, wie ke<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>e Regierung nach dem Krieg, dieses<br />

Vertrauen verspielt. Hier liegt die groûe<br />

Chance für die <strong>SPD</strong>, bei <strong>der</strong> nächsten Bundestagswahl<br />

das Vertrauen <strong>der</strong> Bürger <strong>in</strong><br />

den ¹Sozialstaat Bundesrepublik Deutschlandª<br />

wie<strong>der</strong> herzustellen.<br />

Die von <strong>der</strong> Regierung im September 1996<br />

vorgelegten Eckpunkte zur Fortführung<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsreform, übertrafen h<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Ansätze zur Privatisierung des<br />

Krankheitsrisikos, zur Kostenumverteilung,<br />

zur Entsolidarisierung bei weitem alle<br />

Befürchtungen, die nach dem Beitragsentlastungsgesetz,<br />

laut geworden waren.<br />

Ungeschm<strong>in</strong>kt wurde deutlich, daû <strong>der</strong><br />

Weg <strong>in</strong> die Zweiklassen-Mediz<strong>in</strong> programmiert<br />

ist mit dem Ziel, welches <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die FDP verfolgt, die Arbeitgeber<br />

auch von den Krankenversicherungsbeiträgen<br />

zu befreien. E<strong>in</strong> Ziel, welches sie ja bei<br />

<strong>der</strong> Pflegeversicherung schon erreicht hat.<br />

Wenn es auch dem massiven Protest <strong>der</strong><br />

Gewerkschaften und <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> als dem<br />

Bündnis für die solidarische Krankenversicherung<br />

gelungen ist, das Schlimmste<br />

abzuwenden, besteht durch die erneute<br />

Erhöhung <strong>der</strong> Zuzahlungen, e<strong>in</strong>e paritätische<br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />

nicht mehr. Es kann bestenfalls noch<br />

321


von e<strong>in</strong>er Beteiligung <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />

gesprochen werden.<br />

E<strong>in</strong> weiteres, sehr deutliches Beispiel auf<br />

dem e<strong>in</strong>geschlagenen Weg <strong>in</strong> die Zweiklassen-Mediz<strong>in</strong>,<br />

ist das per Gesetz generell<br />

möglich gewordene Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Kostenerstattung<br />

bei ärztlichen Leistungen. An<br />

Stelle <strong>der</strong> Chipkarte <strong>der</strong> Krankenkasse, mit<br />

<strong>der</strong> die Übernahme <strong>der</strong> Behandlungskosten<br />

durch die Kasse gesichert ist, soll die Arztrechnung<br />

stehen und <strong>der</strong> Patient soll sich<br />

se<strong>in</strong>en Kassenanteil selbst holen, damit <strong>der</strong><br />

Arzt unabhängig se<strong>in</strong>e Leistungen berechnen<br />

kann.<br />

Die systematische Zerstörung unserer<br />

sozialen Sicherungssysteme durch die jetzige<br />

Bundesregierung kann nur durch<br />

e<strong>in</strong>en Wahlsieg unserer Partei bei <strong>der</strong><br />

nächsten Bundestagswahl gestoppt und<br />

rückgängig gemacht werden.<br />

Von e<strong>in</strong>em sozialdemokratischen Gesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />

for<strong>der</strong>n wir:<br />

± Die Streichung <strong>der</strong> Positivliste ¹verordnungsfähiger<br />

Arzneimittelª muû rückgängig<br />

gemacht werden.<br />

± Die Voraussetzungen für Rehabilitationsmaûnahmen,<br />

beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Rehakl<strong>in</strong>iken,<br />

müssen klar und präzise def<strong>in</strong>iert werden.<br />

Rentner und aktive Krankenversicherte<br />

brauchen ke<strong>in</strong>e verschiedenen<br />

Rehakriterien.<br />

± Die Krankengeldkürzung um 10 Prozent<br />

bei den Rehamaûnahmen muû zurückgenommen<br />

werden.<br />

± Die Zuzahlungen auf Medikamente s<strong>in</strong>d<br />

zu streichen.<br />

± Weitere Zuzahlungen s<strong>in</strong>d zu reduzieren<br />

(Zahnersatz, Krankenhaus, Kuren, Heilund<br />

Hilfsmittel, Fahrtkosten).<br />

± Die Pflichtversicherungsgrenze und die<br />

Beitragsbemessungsgrenze müssen angehoben<br />

werden. Als Limit bietet sich die<br />

Beitragsbemessungsgrenze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />

an.<br />

± Die volle Lohnfortzahlung bei Krankheit<br />

muû wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführt werden.<br />

322<br />

± Die seit dem 1. Juli 1997 für alle Versicherten<br />

e<strong>in</strong>geführte Möglichkeiten, sich<br />

vom Arzt ¹privatª behandeln zu lassen,<br />

ist ersatzlos zu streichen.<br />

± Präventionsmaûnahmen müssen erhalten<br />

und weiter ausgebaut werden.<br />

± Bei Härtefallregelungen müssen Höchstbeschränkungen<br />

aufgehoben werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 207<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Velbert<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Gesundheitspolitik<br />

Die <strong>SPD</strong> möge folgende Positionen zur<br />

Gesundheitspolitik <strong>in</strong> das Bundestagswahlprogramm<br />

aufnehmen:<br />

Die <strong>SPD</strong> wird im Fall <strong>der</strong> Regierungsübernahme<br />

die gesetzlichen Voraussetzungen<br />

für e<strong>in</strong> qualitativ gutes, gerechtes und<br />

kostengünstiges Gesundheitssystem für alle<br />

schaffen.<br />

Extreme Erhöhungen <strong>der</strong> Zuzahlung und<br />

Selbstbeteiligung bei Arznei- und Heilmitteln,<br />

Krankenhaus, Zahnersatz und Rehabilitation<br />

s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> zusätzlicher Beitrag, <strong>der</strong><br />

alle<strong>in</strong> von den <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e kranken Versicherten<br />

getragen werden muû. Die Parität<br />

zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />

wird auf kaltem Wege beseitigt. Dies ist<br />

für die <strong>SPD</strong> nicht tragbar.<br />

Wir halten den <strong>der</strong>zeitigen Anteil von etwa<br />

8 Prozent am Brutto<strong>in</strong>landsprodukt für<br />

Gesundheit für angemessen. Werden die<br />

Mittel sachgerecht e<strong>in</strong>gesetzt und nicht für<br />

uns<strong>in</strong>nige und überteuerte Behandlungen<br />

verschwendet, reichen sie aus, um alle Mitbürger<br />

bedarfsgerecht zu versorgen und<br />

soziale Ungerechtigkeiten wie die Streichung<br />

<strong>der</strong> Kostenübernahme für Zahnersatz<br />

zu vermeiden.<br />

Wir wenden uns gegen die E<strong>in</strong>führung von<br />

Elementen wie Kostenerstattung, wählbare


Selbstbeteiligung o<strong>der</strong> Beitragsrückerstattung<br />

<strong>in</strong> die gesetzliche Krankenversicherung.<br />

Diese Elemente verletzen die Pr<strong>in</strong>zipien<br />

<strong>der</strong> sozialen Versicherung und führen<br />

zu e<strong>in</strong>er Risikoselektion und e<strong>in</strong>er weiteren<br />

Benachteiligung von Alten und Kranken,<br />

die die Mittel für rabattierte Beiträge aufbr<strong>in</strong>gen<br />

müssen. Wir for<strong>der</strong>n die gesetzlichen<br />

Krankenversicherungen und ihre<br />

Selbstverwaltungsorgane auf, sich untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

darüber zu verständigen, diese Elemente<br />

nicht <strong>in</strong> ihre Satzung aufzunehmen.<br />

Wir s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Auffassung, daû Prävention<br />

erfor<strong>der</strong>lich ist, um allen Bürgern unabhängig<br />

von E<strong>in</strong>kommen und Bildungsstand<br />

gleiche Chancen zum Erhalt ihrer Gesundheit<br />

zu geben. Insbeson<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus<br />

sozial schwachen Verhältnissen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>zeit<br />

erheblich benachteiligt.<br />

Wir halten es für erfor<strong>der</strong>lich, die Bürger<br />

<strong>in</strong> ihren Mitwirkungsmöglichkeiten um im<br />

Schutz ihrer Interessen (z.B. Wahl zwischen<br />

Therapiemöglichkeiten, Informationen<br />

zu Krankenhäusern, ¾rzten und Zahnärzten<br />

und Arzneimittel, Hilfe bei<br />

Kunstfehlern) zu stärken. Wir for<strong>der</strong>n die<br />

E<strong>in</strong>richtung von fachlich beratenden Stellen,<br />

die unabhängig von Gew<strong>in</strong>n<strong>in</strong>teressen<br />

arbeiten. Wir for<strong>der</strong>n die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />

Patientenschutzgesetzes.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 208<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Karlsfeld<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Gesundheitsreform<br />

¹Der Bundesparteitag möge den Bundesvorstand<br />

auffor<strong>der</strong>n, se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluû geltend<br />

zu machen, um<br />

± das 1. und 2. Neuordnungsgesetz im<br />

Gesundheitswesen sowie<br />

± die 3. Stufe <strong>der</strong> Gesundheitsreform<br />

zurückzunehmen.<br />

Es muû das Ziel e<strong>in</strong>er Gesundheitsreform<br />

se<strong>in</strong>, unsoziale Folgen zu vermeiden, wie<br />

sie zur Zeit z.B. bei <strong>der</strong> Zahlungspraxis<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Alte und chronisch<br />

Kranke zu beobachten s<strong>in</strong>d.<br />

Der Bundesvorstand soll sich für e<strong>in</strong>e<br />

sozial verantwortbare Gesundheitsreform<br />

e<strong>in</strong>setzen, die alle nach ihrer Leistungskraft<br />

an den Kosten beteiligt.ª<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 209<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Frankfurt/<br />

Ma<strong>in</strong>-Nordwest<br />

III-Süd (Bezirk Hessen-Süd)<br />

Rücknahme <strong>der</strong> 3. Stufe<br />

<strong>der</strong> Gesundheits¹reformª:<br />

¹Den Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Republik verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die Programmkommission<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Deutschlands auf, die<br />

Rücknahme <strong>der</strong> Seehoferschen Gesundheits¹reformª<br />

<strong>in</strong> das Bundestagswahlprogramm<br />

©98 aufzunehmen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 210<br />

Landesverband Saar<br />

Ablehnung von<br />

Selbstbeteiligung im<br />

Krankheitsfall<br />

Die <strong>SPD</strong> wendet sich nachhaltig gegen<br />

jede weitere Ausweitung <strong>der</strong> Selbstbeteiligung<br />

im Krankheitsfall. Insbeson<strong>der</strong>e lehnt<br />

sie entschieden die von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

beabsichtigte Zuzahlung zu psychotherapeutischen<br />

Leistungen ab.<br />

323


Die Bundesregierung wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

die unsozialen und unsolidarischen Maûnahmen<br />

zu Lasten <strong>der</strong> kranken, alten und<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen zurückzunehmen.<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion, die <strong>SPD</strong>-<br />

Landtagsfraktionen, die <strong>SPD</strong>-regierten<br />

Län<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Parteivorstand werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich entschieden je<strong>der</strong> weiteren<br />

Demontage unserer solidarischen Gesundheitsversorgung<br />

zu wi<strong>der</strong>setzen und die<br />

Öffentlichkeit konsequent über diese Grausamkeiten<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung zu <strong>in</strong>formieren.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 211<br />

Bezirk Braunschweig<br />

Arbeitsplätze sichern Kur und<br />

Rehabilitation im Harz<br />

erhalten<br />

Die <strong>SPD</strong> wendet sich entschieden gegen<br />

das von CDU/CSU und FDP im Bundestag<br />

geplante Gesetz zur Senkung <strong>der</strong><br />

Kosten im Sozialversicherungssystem im<br />

Bereich <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Rehabilitation.<br />

Die <strong>SPD</strong> und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, alle politischen Möglichkeiten<br />

zu nutzen, um die geplante Zerschlagung<br />

des mediz<strong>in</strong>ischen Badebetriebes,<br />

<strong>der</strong> Anschluûheilbehandlungen, <strong>der</strong><br />

stationären Kuren und Vorsorgemaûnahmen<br />

und <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Rehabilitation<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Die Bundesregierung plant die Streichung<br />

von 490 000 Rehabilitationsmaûnahmen für<br />

kranke Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer<br />

und damit bundesweit e<strong>in</strong>e Schlieûung<br />

von etwa 200 Rehabilitationskl<strong>in</strong>iken. Mehr<br />

als 22000 Arbeitsplätze s<strong>in</strong>d dabei <strong>in</strong><br />

Gefahr.<br />

324<br />

Die Mehrzahl dieser Kl<strong>in</strong>iken liegt <strong>in</strong><br />

landschaftlich reizvollen, aber oft auch<br />

strukturschwachen Regionen mit hoher<br />

Arbeitslosigkeit. So bef<strong>in</strong>den sich von den<br />

33 Kl<strong>in</strong>iken des Regierungsbezirkes Braunschweig<br />

25 <strong>in</strong> Braunlage, Bad Harzburg,<br />

Clausthal-Zellerfeld, Goslar, Sankt Andreasberg,<br />

Seesen, Bad Grund, Bad Lauterberg,<br />

Bad Sachsa, Zorge und Osterode. Da<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen re<strong>in</strong> rechnerisch mit etwa<br />

40 Kl<strong>in</strong>ikschlieûungen betroffen ist, wären<br />

im Regierungsbezirk Braunschweig vor<br />

allem die Städte und Geme<strong>in</strong>den des Harzes<br />

von diesem dramatischen Arbeitsplatzabbau<br />

gefährdet.<br />

Alle<strong>in</strong> 600 Arbeitsplätze im unmittelbaren<br />

Kur- und Rehabilitationsbereich <strong>der</strong> Harzer<br />

Städte und Geme<strong>in</strong>den drohen verloren<br />

zu gehen. Mehr als 2000 Arbeitsplätze im<br />

nachgeordneten Bereich <strong>der</strong> Zulieferfirmen<br />

s<strong>in</strong>d darüber h<strong>in</strong>aus betroffen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 212<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Rehabilitationsmaûnahmen<br />

Es wird befürwortet, daû Rehabilitationsmaûnahmen<br />

auch weiterh<strong>in</strong> von nie<strong>der</strong>gelassenen<br />

¾rzten gestellt werden können<br />

und die E<strong>in</strong>weisung aus <strong>der</strong> ambulanten<br />

Behandlung direkt <strong>in</strong> die Rehabilitationskl<strong>in</strong>ik<br />

möglich ist.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)


Antrag I 213<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Rehabilitationsmaûnahmen<br />

Rehabilitationsmaûnahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Abschluûheilbehandlung müssen wie<strong>der</strong><br />

länger als 3 Wochen möglich se<strong>in</strong> (m<strong>in</strong>d.<br />

4 Wochen).<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 214<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Rehabilitationsanträge<br />

Rehabilitationsanträge z.B. für Anschluûheilbehandlungs-Maûnahmen<br />

sollen nicht<br />

wie bisher erst durch die BfA o<strong>der</strong> LVA<br />

geprüft werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 215<br />

Unterbezirk Goslar<br />

(Bezirk Braunschweig)<br />

Belegungsrückgänge im Kurund<br />

Reha-Bereich stoppen<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, politisch alles <strong>in</strong> ihrer Macht<br />

stehende zu tun, die Belegungsrückgänge<br />

im Kur- und Reha-Bereich zu stoppen und<br />

die CDU/FDP-Koalition daran zu h<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

durch weitere Neuordnungsgesetze die<br />

Bereiche <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Badebetriebe,<br />

<strong>der</strong> Anschluûbehandlungen und <strong>der</strong> stationären<br />

Kuren und Vorsorgemaûnahmen aus<br />

dem Leistungskatalog <strong>der</strong> Krankenkassen<br />

herauszunehmen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 216<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Überleben als Rechenexempel<br />

Es ist zu verurteilen und schon im Vorfeld<br />

auszuschlieûen, daû durch ¹Rationalisierungsªmaûnahmen<br />

im Gesundheitssystem<br />

bestimmte Personengruppen von mediz<strong>in</strong>isch<br />

notwendigen Leistungen ausgeschlossen<br />

werden, z.B. ¾ltere von Operationen<br />

o<strong>der</strong> Schwerstkranke o<strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te von<br />

lebensverlängernden Maûnahmen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 217<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Gleichstellung <strong>der</strong> psychisch<br />

Kranken mit den somatisch<br />

Kranken<br />

Es muû die Notwendigkeit ausgesprochen<br />

werden und den Kostenträgern empfohlen<br />

werden, daû die Psychiatrie-Personalverordnung,<br />

die 1990 von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

verabschiedet wurde ± nach Psychiatrie-Enquete<br />

1975 und Empfehlungen <strong>der</strong><br />

Expertenkommission 1988 ± erhalten bleibt<br />

und damit auch <strong>der</strong> Trend zur Gleichstellung<br />

<strong>der</strong> psychisch Kranken mit den somatisch<br />

Kranken.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

325


Antrag I 218<br />

Unterbezirk Herne<br />

(Bezirk Westliches Westfalen)<br />

Werbung<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundespartei wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen, daû die Werbung<br />

für alkoholische Getränke <strong>in</strong> den öffentlich-rechtlichen<br />

und privaten Rundfunkund<br />

Fernsehanstalten, analog zur Verfahrensweise<br />

bei <strong>der</strong> Werbung für Tabakwaren<br />

e<strong>in</strong>geschränkt wird.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 220<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Sozialhilfereform<br />

Die Bundespartei und die sozialdemokratischen<br />

Mitglie<strong>der</strong> des Bundestages werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, sich für die Rücknahme des<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialhilfereform geän<strong>der</strong>ten § 3a<br />

sowie weiterer Vorschriften des BSHG und<br />

für den Vorrang <strong>der</strong> ambulanten Hilfe vor<br />

<strong>der</strong> stationären Versorgung e<strong>in</strong>zusetzen,<br />

damit Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen weiterh<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> selbstbestimmtes Leben <strong>in</strong><br />

selbstgewählter Umgebung führen zu können.<br />

Sollte die Rücknahme auf dem parlamentarischen<br />

(legislativen) Weg nicht zum<br />

Erfolg führen, so haben sie sich um Durchführung<br />

e<strong>in</strong>es Normenkontrollverfahrens<br />

zu bemühen, um so die ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Rechtsform zu erwirken. Für die Län<strong>der</strong><br />

müssen landesrechtliche Regelungen<br />

geschaffen werden, die e<strong>in</strong>e Zwangse<strong>in</strong>weisung<br />

<strong>in</strong> Heime nicht zulassen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

326<br />

Antrag I 221<br />

Unterbezirk Passau<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Sozialhilfe<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, daû die<br />

Sozialhilfe auch <strong>in</strong> Zukunft als Sicherung<br />

gegen existentieller Not erhalten bleibt.<br />

Kürzungen s<strong>in</strong>d deswegen genauso abzulehnen<br />

wie noch stärkerer Druck auf die<br />

Empfänger<strong>in</strong>nen von Sozialhilfe. Ziel muû<br />

bleiben, Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen die<br />

Rückkehr o<strong>der</strong> den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Arbeitsprozeû<br />

zu ermöglichen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 222<br />

Landesverband Baden-Württemberg<br />

Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg nach dem<br />

Erziehungsurlaub<br />

Frauen und Männer, die nach dem Erziehungsurlaub<br />

wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Berufstätigkeit<br />

e<strong>in</strong>steigen wollen, sollen bei Beschäftigungen<br />

<strong>in</strong> ABM-Verhältnissen- den Leistungsempfänger<strong>in</strong>nen<br />

auf dem Arbeitsmarkt<br />

gleichgesetzt werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 223<br />

Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />

Reform des K<strong>in</strong><strong>der</strong>lastenausgleichs<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />

Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />

Initiativen mit dem Ziel gebeten,


± den K<strong>in</strong><strong>der</strong>lastenausgleich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weise<br />

zu reformieren, daû Familien mit e<strong>in</strong>en<br />

niedrigen Haushaltse<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong><br />

Zuschlag zum K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld gezahlt wird.<br />

Dieser Zuschlag soll für jedes K<strong>in</strong>d<br />

gezahlt werden, für das e<strong>in</strong> Anspruch auf<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld besteht. Er soll den Haushalten<br />

gewährt werden, die aufgrund ihrer<br />

E<strong>in</strong>kommensverhältnisse wohngeldberechtigt<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />

an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 225<br />

Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />

Reform <strong>der</strong> Eigenheimzulage<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />

Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />

Initiativen mit dem Ziel gebeten,<br />

± die Bestimmungen zur Eigenheimzulage<br />

so zu verän<strong>der</strong>n, daû die bisher geltenden<br />

E<strong>in</strong>kommensgrenzen für die gesamte<br />

För<strong>der</strong>dauer maûgeblich s<strong>in</strong>d und die<br />

staatlichen Zuschüsse damit auf die tatsächliche<br />

Zielgruppe beschränkt werden.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktion)<br />

Antrag I 226<br />

Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />

Unterbezirk M<strong>in</strong>den-Lübbecke<br />

(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />

Reichtumsbericht<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

sich für die Vorlage e<strong>in</strong>es Reichtumsberichtes<br />

auf Bundesebene e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 40<br />

Solidarität zwischen Alt und<br />

Jung: Sozialbeiträge<br />

stabilisieren, Renten sichern<br />

1. Der von <strong>der</strong> Regierung Kohl beschlossene<br />

Anstieg des Rentenversicherungsbeitrages<br />

zum 1. Januar 1998 muû verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

werden. Dieser Anstieg <strong>der</strong> Sozialabgaben<br />

für Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen und Unternehmen<br />

ist e<strong>in</strong>e schwere Belastung für den Arbeitsmarkt.<br />

Die Verantwortung dafür trägt die<br />

Regierung Kohl, die durch ihr Versagen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Beschäftigungspolitik die F<strong>in</strong>anzierungsprobleme<br />

verursacht hat und <strong>der</strong><br />

Rentenversicherung seit Jahren ungerechtfertigte<br />

F<strong>in</strong>anzierungslasten für die Deutsche<br />

E<strong>in</strong>heit aufbürdet.<br />

Um den Anstieg des Rentenversicherungsbeitrages<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong><br />

kurzfristig Entlastung <strong>der</strong> Rentenkassen<br />

von den beitragsungedeckten und versicherungsfremden<br />

Leistungen sowie zum<strong>in</strong>dest<br />

e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Beseitigung des Miûbrauchs<br />

<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialversicherung. Die <strong>SPD</strong> ist bereit,<br />

geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Bundesregierung für<br />

e<strong>in</strong>e gerechte Umf<strong>in</strong>anzierung durch Verbrauchssteuern<br />

zu sorgen.<br />

Die von <strong>der</strong> Bundesregierung für 1999<br />

beschlossene Rentenkürzung, vor allem die<br />

Absenkung des Rentenniveaus und massiven<br />

E<strong>in</strong>schnitte <strong>in</strong> die Erwerbsunfähigkeitsrenten<br />

lehnen wir ab. Wir for<strong>der</strong>n die<br />

Bundesregierung auf, e<strong>in</strong>e schnelle E<strong>in</strong>igung<br />

über e<strong>in</strong>e Beitragsstabilisierung nicht<br />

durch e<strong>in</strong> vorziehen dieser Maûnahmen zu<br />

blockieren. Die <strong>SPD</strong> sichert zu, daû sie die<br />

unsozialen Folgen <strong>der</strong> Rentenpolitik <strong>der</strong><br />

Regierung Kohl unmittelbar nach <strong>der</strong> Bundestagswahl<br />

1998 korrigieren wird.<br />

2. Zur mittelfristigen Sicherung <strong>der</strong> Rentenf<strong>in</strong>anzierung<br />

s<strong>in</strong>d Strukturreformen notwendig,<br />

die die Rentenversicherung vor<br />

Überfor<strong>der</strong>ung schützen, <strong>der</strong> Erosion des<br />

Normalarbeitsverhältnisses E<strong>in</strong>halt gebieten<br />

und den gesellschaftlichen Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />

Rechnung tragen. Dazu gehören:<br />

327


± Rentenversicherungspflicht <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gfügig<br />

Beschäftigten,<br />

± Rentenversicherungspflicht <strong>der</strong> Selbständigen.<br />

Für die Sche<strong>in</strong>selbständigen, die<br />

ökonomisch von e<strong>in</strong>em Auftraggeber<br />

abhängig s<strong>in</strong>d, hat dieser den Arbeitgeberanteil<br />

zu tragen,<br />

± Laufende Beitragszahlung des Bundes<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeiten,<br />

± Bessere Abgrenzung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierungslasten<br />

<strong>der</strong> Rentenversicherung im Verhältnis<br />

zu an<strong>der</strong>en Sozialleistungsträgern<br />

und Neuordnung <strong>der</strong> Leistungen des<br />

sozialen Ausgleichs <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> gesetzlichen<br />

Rentenversicherung,<br />

± Eigenständige Alterssicherung <strong>der</strong><br />

Frauen und Verbesserung <strong>der</strong> rentenrechtlichen<br />

Anerkennung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung,<br />

± Steuerf<strong>in</strong>anzierte und bedarfsorientierte<br />

Soziale Grundsicherung im Alter und bei<br />

Invalidität als Ergänzung zur beitragsbezogenen<br />

Rente,<br />

± Harmonisierung <strong>der</strong> Alterssicherungssysteme.<br />

3. Der Schlüssel für die dauerhafte und<br />

langfristige Sicherung <strong>der</strong> Renten ist die<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />

und die Steigerung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Erwerbstätigen,<br />

vor allem durch Erhöhung <strong>der</strong><br />

Erwerbsbeteiligung <strong>der</strong> Frauen und durch<br />

Vermeidung von Früh<strong>in</strong>validität. Das Zahlenverhältnis<br />

zwischen Beitragszahlern und<br />

Leistungsempfängern muû wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Lot<br />

gebracht werden. Deshalb hat die Schaf-<br />

328<br />

fung neuer Arbeitsplätze für die <strong>SPD</strong> höchste<br />

Priorität.<br />

Der Generationenvertrag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />

darf nicht aufgekündigt werden.<br />

Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger müssen wie<strong>der</strong><br />

auf die Sicherheit <strong>der</strong> Rente vertrauen<br />

können. Die Solidarität zwischen Alt und<br />

Jung muû dauerhaft erhalten bleiben.<br />

Die <strong>SPD</strong> steht zu e<strong>in</strong>er beitrags- und leistungsorientieren<br />

Rente, die im Alter e<strong>in</strong>en<br />

angemessenen Lebensstandard sichert. Die<br />

<strong>SPD</strong> tritt dafür e<strong>in</strong>, daû die betriebliche<br />

Altersversorgung und die Beteiligung <strong>der</strong><br />

Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu<br />

e<strong>in</strong>er festen und zusätzlichen Säule <strong>der</strong><br />

Alterssicherung ausgebaut wird. Sie unterstützt<br />

auch die Stärkung <strong>der</strong> privaten Vorsorge.<br />

Für die langfristige F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />

gesetzlichen Rentenversicherung hat <strong>der</strong><br />

Bericht <strong>der</strong> vom Präsidium <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>gesetzten<br />

Alterssicherungskommission verschiedene<br />

Optionen aufgezeigt, die es<br />

erlauben, die lohnbezogene und lebensstandardsichernde<br />

Rente ohne grundsätzlichen<br />

Systemwechsel zu sichern. Der <strong>Parteitag</strong><br />

for<strong>der</strong>t den Parteivorstand auf, auf <strong>der</strong><br />

Basis dieses Kommissionsberichtes e<strong>in</strong>e<br />

Beschluûempfehlung zu erarbeiten, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Gedanke e<strong>in</strong>er Wertschöpfungsabgabe<br />

und e<strong>in</strong>er Rücklage zur Stabilisierung <strong>der</strong><br />

Beiträge geprüft wird sowie diese<br />

Beschluûvorlage dem nächsten ordentlichen<br />

<strong>Parteitag</strong> vorzulegen.<br />

(Angenommen)


Innen- und Rechtspolitik<br />

Antrag I 228<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />

Sozialstaatsgebot<br />

Die <strong>SPD</strong> Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />

Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t, ihre<br />

Bemühungen um e<strong>in</strong>e Ergänzung des<br />

Grundgesetzes durch die klassischen Sozialen<br />

Grundrechtsbestimmungen wie<strong>der</strong>aufzunehmen,<br />

um endlich unsere Ziele <strong>der</strong><br />

sozialen Gerechtigkeit und Solidarität auch<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Staats- und Rechtspraxis durchzusetzen.<br />

Dies ist aus den folgenden Gründen<br />

dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />

1. Das grundgesetzliche Sozialstaatsgebot<br />

(Art. 201) wird ± obwohl Oberster Verfassungsgrundsatz<br />

mit ¹Ewigkeitsgarantieª<br />

absoluter Unabän<strong>der</strong>lichkeit<br />

(Art. 79 III) ± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Staats- und Rechtspraxis<br />

nur unzureichend beachtet. Es<br />

hat viele unsoziale Gerichtsentscheidungen-<br />

und Regierungsmaûnahmen wie<br />

den zunehmenden Sozialabbau und die<br />

For<strong>der</strong>ungen auf Ausdünnung des<br />

Sozialstaates nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />

2. Das Sozialstaatsgebot bedarf daher <strong>der</strong><br />

Präzisierung und Konkretisierung durch<br />

die als Auslegungsregeln zur verfassungskonformen<br />

Auslegung <strong>der</strong> Gesetze<br />

unmittelbar wirksamen Rechte auf<br />

Arbeit, Wohnung, Bildung und Soziale<br />

Sicherheit.<br />

3. Solche Grundgesetzergänzungen würden<br />

auch die gebotene Übere<strong>in</strong>stimmung<br />

zwischen dem Grundgesetz und<br />

den für an<strong>der</strong>e Geltungsbereiche<br />

bestehenden Gewährleistungen Sozialer<br />

Grundrechte herstellen:<br />

In den Landesverfassungen, denen<br />

wegen Fehlens entsprechen<strong>der</strong> Vorschriften<br />

im Grundgesetz (und auch<br />

wegen <strong>der</strong> Bundesgesetzgebungskompe-<br />

tenz für das betr. Sachgebiet) von politisch<br />

<strong>in</strong>teressierter Seite immer wie<strong>der</strong><br />

die Wirksamkeit abgesprochen wird,<br />

<strong>in</strong> den Verfassungen <strong>der</strong> meisten an<strong>der</strong>en<br />

EU-Mitgliedstaaten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Sozialcharta,<br />

im Internationalen Pakt über wirtschaftliche,<br />

soziale und kulturelle Rechte.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 229<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Sozialdemokratischer Frauen<br />

Gleichstellung von Männern<br />

und Frauen auch im Ehrenamt<br />

Die Debatte um das freiwillige, nicht nur<br />

das soziale ehrenamtliche Engagement <strong>in</strong><br />

unserer Gesellschaft ist nicht neu. Die<br />

Feststellung, daû beispielsweise unbezahltes<br />

und unbezahlbares Engagement nach wie<br />

vor fester Bestandteil von sozialstaatlichen<br />

Institutionen und Wohlfahrtsverbänden ist<br />

und bleiben wird, ist ebenso wenig umstritten<br />

wie die Tatsache, daû ehrenamtliche<br />

Arbeit durchaus s<strong>in</strong>nstiftend ist für viele<br />

Millionen Frauen und Männer, die hun<strong>der</strong>te<br />

Millionen von Stunden im Jahr unbezahlte<br />

und unbezahlbare Arbeit leisten.<br />

In ökonomisch schwierigen Zeiten dient<br />

<strong>der</strong> Ruf nach För<strong>der</strong>ung und Aufwertung<br />

ehrenamtlicher Arbeit allzu gern und allzu<br />

leicht dazu, die tradierte Arbeitsteilung<br />

zwischen Frauen und Männern zu rekultivieren,<br />

sprich arbeitsmarkt- und sozialpolitische<br />

Probleme auf dem Rücken von<br />

Frauen und auf Kosten <strong>der</strong>en hauptberuflichem<br />

Engagement auszutragen.<br />

329


Das Ehrenamt ± ke<strong>in</strong>e Arbeit zum<br />

Nulltarif<br />

Ehrenamtliche Arbeit darf nicht als<br />

¹Arbeit zum Nulltarifª miûverstanden und<br />

damit als E<strong>in</strong>sparpotential im sozialen<br />

Bereich benutzt werden. Es darf nicht h<strong>in</strong>genommen<br />

werden, daû ehrenamtliche<br />

Arbeit als Ersatz für bezahlte Erwerbsarbeit<br />

angesehen und anstelle von professionellen<br />

Angeboten e<strong>in</strong>gesetzt wird, um<br />

(öffentliche) Haushalte zu entlasten und<br />

Erwerbslosen e<strong>in</strong>e Sche<strong>in</strong>alternative zur<br />

Arbeitslosigkeit anzudienen. Konzepte, die<br />

geradezu darauf ausgerichtet s<strong>in</strong>d, gezielt<br />

Frauen ehrenamtliche Tätigkeit anstelle<br />

von Berufstätigkeit schmackhaft zu<br />

machen, s<strong>in</strong>d unannehmbar. Das gilt um<br />

so mehr <strong>in</strong> Zeiten anhaltend hoher Massenarbeitslosigkeit,<br />

<strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Druck auf<br />

Frauen, den Arbeitsmarkt zu ¹entlastenª,<br />

seit jeher gröûer wird. Die Tatsache, daû<br />

sich im Ehrenamt die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />

übliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung<br />

wi<strong>der</strong>spiegelt, darf nicht als quasi<br />

naturgegeben h<strong>in</strong>genommen und damit<br />

<strong>der</strong> konservativen Vere<strong>in</strong>nahmung überlassen<br />

werden.<br />

Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung auch<br />

im Ehrenamt überw<strong>in</strong>den<br />

Es gibt e<strong>in</strong>e unvertretbare Kluft <strong>der</strong><br />

Geschlechterbeteiligung zwischen <strong>der</strong><br />

unmittelbar personenbezogenen Hilfe auf<br />

<strong>der</strong> untersten Hierarchiestufe, die m<strong>in</strong>destens<br />

zu 80 Prozent von Frauen erbracht<br />

wird, und den gleichfalls als Ehrenamt geltenden<br />

Entscheidungs-, Aufsichts- und<br />

Kontrollfunktionen, etwa <strong>in</strong> Beiräten aller<br />

Art. Das unentgeltliche Ehrenamt im<br />

Bereich <strong>der</strong> Sorge- und Betreuungsarbeit<br />

ist ke<strong>in</strong> ¹Privilegª von Frauen, son<strong>der</strong>n<br />

muû im selben Maû ± <strong>in</strong> allen Bereichen<br />

und auf allen Hierarchiestufen ± auch von<br />

Männern ausgeübt werden. Unter Gleichstellungsgesichtspunkten<br />

muû im Umkehrschluû<br />

erreicht werden, daû Frauen gleichberechtigt<br />

auch an allen gesellschaftlichen<br />

ehrenamtlichen Machtfunktionen beteiligt<br />

werden. In bei<strong>der</strong>lei H<strong>in</strong>sicht würde dies<br />

<strong>der</strong> Kompetenzerweiterung von Männern<br />

und Frauen dienen, womit auch das Quali-<br />

330<br />

fikationsspektrum für Erwerbstätigkeit<br />

bereichert werden könnte.<br />

Gesellschaftliche Solidarität nicht länger<br />

auf Kosten von Frauen<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung von Modellprojekten, die<br />

gezielt Frauen den Zugang zu Ehrenämtern<br />

erleichtern sollen, führen dazu, daû<br />

ehrenamtliche Sozialarbeit Frauenarbeit<br />

bleibt und zu den alten Rollenklischees<br />

zurückführt: Sozusagen Hausarbeit plus für<br />

Frauen und für Männer Berufsarbeit pur.<br />

E<strong>in</strong> solches Muster ist im übrigen schon<br />

deswegen immer weniger e<strong>in</strong>kalkulierbar,<br />

weil die Erwerbsneigung und Erwerbsbefähigung<br />

von Frauen <strong>in</strong> den alten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

immer mehr zunimmt und <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />

ungebrochen hoch ist. Die<br />

Bereitschaft von Frauen zum ¹Dase<strong>in</strong> für<br />

an<strong>der</strong>eª <strong>in</strong> Form von unentgeltlicher und<br />

sozial nicht abgesicherter ehrenamtlicher<br />

Arbeit stöût somit an Grenzen. An<strong>der</strong>erseits<br />

muû vermerkt werden, daû gerade<br />

berufstätige Frauen (und Männer) stark<br />

motiviert s<strong>in</strong>d, sich darüber h<strong>in</strong>aus gesellschaftlich<br />

zu engagieren. Auch das ist bei<br />

e<strong>in</strong>er Neubewertung des Ehrenamtes und<br />

freiwilligen Engagements zu berücksichtigen.<br />

Der Versuch von Konservativen und<br />

¹Liberalenª, den Verlust von Frauen als<br />

¹stille Reserve <strong>der</strong> Sozialpolitikª durch<br />

Programme auszugleichen, die das Pr<strong>in</strong>zip<br />

<strong>der</strong> Freiwilligkeit verlassen und e<strong>in</strong>e soziale<br />

Dienstpflicht für alle vorsehen, muû kategorisch<br />

zurückgewiesen werden. Für<br />

Frauen würde das doppelte Benachteiligung<br />

zusätzlich zu traditionellen Benachteiligungen<br />

bei Berufsausbildung und -ausübung<br />

und e<strong>in</strong>seitiger Rollenaufteilung <strong>in</strong><br />

Haus und Familie bedeuten.<br />

Für die <strong>SPD</strong> ergeben sich daraus folgende<br />

Schluûfolgerungen:<br />

Es müssen vor allem solche Konzepte und<br />

Strategien unterstützt werden, die e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barkeit<br />

von Erwerbsarbeit, Familie und<br />

gesellschaftlichem Engagement anstreben ±<br />

für Frauen und Männer. Das kann u.a.<br />

bedeuten, Möglichkeiten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung<br />

vorzuhalten und Aufwandsentschädi-


gungen vorzusehen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung<br />

und Inanspruchnahme von Dienstleistungen,<br />

um zusätzliche Kosten für Haus- und<br />

Sorgearbeit aufzufangen, soweit es sich<br />

nicht um gut dotierte Aufsichts- und Kontrollfunktionen<br />

handelt.<br />

± Es müssen die Bed<strong>in</strong>gungen dafür<br />

geschaffen werden, ehrenamtliche Arbeit<br />

mit Berufstätigkeit zeitlich zu vere<strong>in</strong>baren.<br />

± Das freiwillige ökologische bzw. soziale<br />

Jahr ist auf Ausbildungszeiten bzw. beim<br />

beruflichen Aufstieg angemessen zu<br />

berücksichtigen, sofern die dabei gesammelten<br />

Erfahrungen e<strong>in</strong>schlägig s<strong>in</strong>d.<br />

± Um die Gleichstellung <strong>der</strong> Geschlechter<br />

auch im Ehrenamt zu erreichen, müssen<br />

verpflichtende Regelungen geschaffen<br />

werden, die Frauen den Zugang zu den<br />

bisher überwiegend Männern vorbehaltenen<br />

Aufsichts- und Kontrollgremien etc.<br />

ermöglichen, z. B. durch<br />

± Quotenvorschriften <strong>in</strong> Satzungen und<br />

Gesetzen (z. B. Rundfunkgesetzen)<br />

± Quotenvorschriften <strong>in</strong> Geschäftsordnungen<br />

von Fraktionen, Wohlfahrtsverbänden<br />

und sonstigen Vere<strong>in</strong>igungen und<br />

Gremien.<br />

± Paritätische Aufgabenverteilung zwischen<br />

den Geschlechtern bei kommunalen<br />

Gebietskörperschaften, kommunalen<br />

Spitzenverbänden, Zweckverbänden usw.<br />

± Es ist zu prüfen, ob bzw. welche steuerlichen<br />

Erleichterungen s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong> können<br />

und unter welchen Umständen e<strong>in</strong>e<br />

additive, steuerf<strong>in</strong>anzierte rentenrechtliche<br />

Regelung erwogen werden können<br />

o<strong>der</strong> ob e<strong>in</strong> Sozialversicherungsbeitrag<br />

von den Nutznieûern ehrenamtlicher<br />

Arbeit erhoben werden sollte. Letzteres<br />

könnte dazu beitragen, die ger<strong>in</strong>gfügigen<br />

Beschäftigungsverhältnisse abzuschaffen,<br />

von <strong>der</strong> z.B. auch soziale Institutionen<br />

profitieren.<br />

± Darüber h<strong>in</strong>aus ist e<strong>in</strong>e Art Bonus-<br />

System zu schaffen, das ehrenamtliche<br />

Arbeit immateriell aufwertet und denen,<br />

die sich engagieren, e<strong>in</strong>e ¹greifbareª<br />

Anerkennung bietet, die um so wichtiger<br />

wird, je ger<strong>in</strong>ger die materielle Auf-<br />

wandsentschädigung ausfällt (wenn nicht<br />

sogar Aufwendungen aus eigener Tasche<br />

erbracht werden müssen).<br />

± Für ehrenamtliche (Wahl-)Funktionen <strong>in</strong><br />

Aufsichts-, Kontroll- und ähnlichen Gremien<br />

s<strong>in</strong>d rechtlich verb<strong>in</strong>dliche Freistellungsregelungen<br />

zu schaffen. Für die<br />

Ausübung zeitlich begrenzter ehrenamtlicher<br />

Funktionen, die e<strong>in</strong>er hauptamtlichen<br />

Tätigkeit gleichzusetzen s<strong>in</strong>d, sollten<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Beurlaubung mit<br />

Arbeitsplatzgarantie vorgesehen werden.<br />

± Für jede Art <strong>der</strong> ehrenamtlichen Arbeit<br />

könnte <strong>in</strong> Anlehnung an bereits erprobte<br />

Nachweissysteme e<strong>in</strong> Nachweisheft<br />

geführt werden, <strong>in</strong> dem z.B. Art, Dauer<br />

und Umfang sowie Fort- und Weiterbildungsmaûnahmen<br />

<strong>der</strong> ehrenamtlichen<br />

Tätigkeit verzeichnet werden. Damit<br />

könnte e<strong>in</strong> Qualifikationsnachweis für<br />

Praktika und Beför<strong>der</strong>ungsaufstieg belegt<br />

werden. Durch die E<strong>in</strong>führung solcher<br />

Nachweissysteme kann ehrenamtliche<br />

Arbeit, die oft im Verborgenen geleistet<br />

wird, sichtbar gemacht und anerkannt<br />

werden.<br />

Ehrenamtlichkeit gilt auch für Politik und<br />

Gewerkschaften<br />

Schlieûlich ist auch e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition vorzunehmen,<br />

welche Aufgaben und Tätigkeiten<br />

als ehrenamtliche Arbeit anzusehen s<strong>in</strong>d.<br />

Nicht nur soziale Dienste o<strong>der</strong> etwa Tätigkeit<br />

<strong>in</strong> Exportvere<strong>in</strong>en sollten anerkannt<br />

werden, son<strong>der</strong>n auch ehrenamtliche<br />

Tätigkeit <strong>in</strong> Gewerkschaften o<strong>der</strong> politischen<br />

Parteien bzw. Vere<strong>in</strong>igungen.<br />

Fazit: Die <strong>SPD</strong> will e<strong>in</strong>e zielgerichtete För<strong>der</strong>ung<br />

von Ehrenämtern und freiwilligem<br />

Engagement. Dabei muû darauf h<strong>in</strong>gewirkt<br />

werden, daû die Aufhebung <strong>der</strong><br />

geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und<br />

e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Aufteilung von ergänzen<strong>der</strong><br />

ehrenamtlicher Arbeit und <strong>der</strong> notwendigen<br />

professionellen Leistung erreicht<br />

und gleichen Zugang zu gesellschaftlichen<br />

Machtpositionen ermöglicht werden. Die<br />

Gesellschaft würde so nicht nur weiblicher,<br />

son<strong>der</strong>n auch menschlicher geprägt.<br />

(Angenommen)<br />

331


Antrag I 230<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Freiwilliges Engagement<br />

für die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

Die <strong>SPD</strong> wird das freiwillige Engagement<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft nachdrücklich unterstützen.<br />

Von <strong>der</strong> Bundesregierung sowie den im<br />

Bundestag vertretenen Fraktionen werden<br />

Initiativen e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t, die kurzfristig<br />

Grundlagen für wirksame För<strong>der</strong>ungs- und<br />

Absicherungsmaûnahmen schaffen.<br />

Baldmöglichst umzusetzende Maûnahmen<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />

1. Verstärkte För<strong>der</strong>ung und Koord<strong>in</strong>ation<br />

ehrenamtlich tätiger Kräfte über öffentliche<br />

und private Leistungsträger.<br />

2. E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er steuerfreien Aufwandsentschädigung<br />

zur Deckung <strong>der</strong><br />

den ehrenamtlichen Helfern entstehenden<br />

Kosten.<br />

3. Anerkennung <strong>der</strong> ehrenamtlich geleisteten<br />

Dienstzeit als Rentenanwartschaftszeit<br />

(analog K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeit).<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 231<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Frauenrechte<br />

Die Weltfrauenkonferenz <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g hat<br />

nach langen und kontroversen Diskussionen<br />

e<strong>in</strong>e Aktionsplattform verabschiedet, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> deutliche For<strong>der</strong>ungen zu den Themen<br />

Armut, Bildung, Gesundheit, Abtreibung,<br />

Sexualität, Gewalt, Menschenrechte,<br />

Gleichstellung, Mädchenarbeit und F<strong>in</strong>anzmittel<br />

formuliert s<strong>in</strong>d. Bekräftigt wurde die<br />

universelle Gültigkeit <strong>der</strong> Frauenrechte als<br />

Menschenrechte; Fortschritte wurden<br />

erzielt bei <strong>der</strong> Bewertung und statistischen<br />

Erfassung unbezahlter Frauenarbeit, bei<br />

332<br />

<strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> sexuellen Rechte und<br />

bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufung <strong>der</strong> Gesetze zur Bestrafung<br />

illegaler Schwangerschaftsabbrüche.<br />

An vielen For<strong>der</strong>ungen muûten Abstriche<br />

gemacht werden, damit sie <strong>in</strong> Form von<br />

Kompromissen doch noch konsensfähig<br />

wurden. Überdies lieûen sich viele Staaten<br />

durch ihr Beharren auf nationaler Souveränität<br />

e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>tertür offen, <strong>in</strong>dem sie ausdrücklich<br />

Vorbehalte mit Blick auf ihnen<br />

miûliebige Empfehlungen formulierten.<br />

Da die Aktionsplattform für die unterzeichnenden<br />

Staaten ohneh<strong>in</strong> nur Empfehlungscharakter<br />

hat und nicht b<strong>in</strong>dend ist, ist es<br />

um so wichtiger, jetzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong><br />

Nachbereitung <strong>der</strong> Weltfrauenkonferenz<br />

mit Nachdruck auf allen politischen Ebenen<br />

auf die Umsetzung <strong>der</strong> <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g verabschiedeten<br />

For<strong>der</strong>ungen zu drängen.<br />

Deshalb for<strong>der</strong>n wir<br />

1. auf europäischer Ebene:<br />

± daû die Gleichstellung von Frauen zu<br />

e<strong>in</strong>em zentralen Punkt bei den Revisionsverhandlungen<br />

zum Maastrichter<br />

Vertrag gemacht wird<br />

± daû bei den Strukturför<strong>der</strong>maûnahmen<br />

Frauenprojekte o<strong>der</strong> Maûnahmen zur<br />

Frauenför<strong>der</strong>ung paritätisch berücksichtigt<br />

werden<br />

± daû Führungspositionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />

(Europäischer Gerichtshof, Europäischer<br />

Rechnungshof) zu m<strong>in</strong>destens 50 Prozent<br />

von Frauen besetzt werden<br />

± daû das Ziel <strong>der</strong> Gleichstellung von<br />

Frauen als garantierter und damit e<strong>in</strong>klagbarer<br />

Rechtsanspruch <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen<br />

Grundrechtscharta festgeschrieben<br />

wird<br />

± formelle Frauenm<strong>in</strong>isterien<br />

± EU-Kommissar<strong>in</strong> für Gleichstellung<br />

unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> bisherigen<br />

Beschlüsse zur Europapolitik<br />

2. auf Bundesebene:<br />

± daû bei <strong>der</strong> nationalen Nachbereitungskonferenz<br />

zur Weltfrauenkonferenz die<br />

Nichtregierungsorganisationen als Part-


ner<strong>in</strong>nen bei <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong><br />

Gleichstellung ernst genommen und ihre<br />

wirksame Beteiligung verb<strong>in</strong>dlich sichergestellt<br />

wird<br />

± Maûnahmen, die den une<strong>in</strong>geschränkten<br />

Zugang von Frauen zur Erwerbstätigkeit<br />

sicherstellen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die überproportionale<br />

Arbeitslosigkeit von<br />

Frauen bekämpfen<br />

± Maûnahmen zur Verwirklichung <strong>der</strong><br />

Lohngleichheit bei gleicher und gleichwertiger<br />

Arbeit<br />

± Initiativen zur Neubewertung von sogenannten<br />

frauendom<strong>in</strong>ierten Berufen<br />

± wirksame Maûnahmen, wie z.B. Quotierung,<br />

für die gleichberechtigte Teilhabe<br />

von Frauen an Entscheidungsprozessen<br />

auf allen Ebenen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im politischen<br />

und ökonomischen Bereich<br />

± wirksame gesetzliche und bewuûtse<strong>in</strong>sbildende<br />

Initiativen zum Schutz von<br />

Frauen vor Gewalt, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch<br />

± e<strong>in</strong>e Strafrechtsreform, die Vergewaltigung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ehe zum Straftatbestand<br />

macht, ohne die Ehefrau Erpressungsversuchen<br />

durch den Täter auszusetzen<br />

± e<strong>in</strong> eigenständiges Aufenthaltsrecht für<br />

miûhandelte ausländische Ehefrauen, das<br />

nicht an Fristen gebunden ist<br />

± die Anerkennung von Verfolgung aufgrund<br />

des Geschlechts bzw. <strong>der</strong> sexuellen<br />

Orientierung als Asylgrund<br />

± die Bereitstellung von Mitteln für die<br />

Friedensforschung und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Friedensforscher<strong>in</strong>nen bei <strong>der</strong> Untersuchung<br />

<strong>der</strong> Auswirkungen von gewaltsamen<br />

Konflikten auf Frauen und <strong>der</strong><br />

Beteiligung von Frauen an friedlichen<br />

Konfliktbearbeitungsmethoden und Konfliktprävention<br />

± die Berücksichtigung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />

Auswirkungen auf Frauen bei allen Maûnahmen<br />

und Programmen <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternationalen<br />

ökonomischen Beziehungen<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

und bei den Strukturanpassungsmaûnahmen<br />

sowie e<strong>in</strong>en verbesserten<br />

Zugang von Frauen zu<br />

f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen wie Krediten,<br />

Subventionen etc.<br />

± Geschlechterparität bei <strong>der</strong> Aufstellung<br />

von Kandidat<strong>in</strong>nen und Kandidaten für<br />

die Wahl o<strong>der</strong> Ernennung bei Institutionen,<br />

Abteilungen und Organisationen<br />

<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten Nationen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

für die höheren Ebenen<br />

± Vorschläge zur Umschichtung von Haushaltsmitteln,<br />

um die notwendigen f<strong>in</strong>anziellen<br />

Mittel für nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />

Maûnahmen und Programme zur<br />

Gleichstellung von Frauen bereitstellen<br />

zu können<br />

± e<strong>in</strong>e Gestaltung <strong>der</strong> nationalen Entwicklungszusammenarbeit,<br />

die <strong>der</strong> Feststellung<br />

<strong>der</strong> Weltmenschenrechtskonferenz<br />

<strong>in</strong> Wien 1993 Rechnung trägt, daû Menschenrechte<br />

von Frauen und Mädchen<br />

unveräuûerlicher, <strong>in</strong>tegraler und<br />

untrennbarer Bestandteil <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Menschenrechte s<strong>in</strong>d und ke<strong>in</strong>er religiösen,<br />

kulturellen o<strong>der</strong> traditionellen E<strong>in</strong>schränkung<br />

unterliegen<br />

± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit die<br />

Verbesserung des Zugangs zu Bildung<br />

für Frauen und Mädchen, die Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Gesundheitsdienste und die<br />

Verbesserung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Selbständigkeit<br />

<strong>der</strong> Frauen mit unbürokratischem<br />

Zugang zu Kapitalhilfen und mit<br />

Recht auf Eigentum an Grund und<br />

Boden zu gewährleisten<br />

± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungspolitik die Belange<br />

<strong>der</strong> durch Krieg und Vertreibung beson<strong>der</strong>s<br />

betroffenen Frauen und Mädchen<br />

als eigenständige Aktionsfel<strong>der</strong> zu<br />

berücksichtigen<br />

± über <strong>in</strong>ternationale Vere<strong>in</strong>barungen und<br />

Abkommen Zwangsabtreibungen,<br />

Zwangssterilisationen und gesetzliche<br />

Vorgaben <strong>der</strong> Geburtenkontrolle, Mädchenbeschneidungen,Geschlechtsverstümmelungen<br />

und den Zwang zur Prostitution<br />

zu bekämpfen sowie physische<br />

und psychische Gewalt gegen Frauen zu<br />

ächten<br />

± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />

mehr Mittel für Familienplanung bereitzustellen<br />

und zu gewährleisten, daû<br />

333


Frauen freien Zugang zu den Methoden<br />

<strong>der</strong> Geburtenkontrolle ihrer Wahl haben<br />

und Männer sowie männliche Jugendliche<br />

<strong>in</strong> den Familienplanungs- und Aufklärungsprozeû<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen<br />

± e<strong>in</strong>e nationale Politik, die auf <strong>in</strong>ternationaler<br />

Ebene dafür e<strong>in</strong>tritt, die Strukturanpassungsmaûnahmen<br />

von Internationalem<br />

Währungsfonds (IWF) und<br />

Weltbank sozialverträglich und nachhaltig<br />

zu gestalten und die beson<strong>der</strong>e Situation<br />

<strong>der</strong> Frauen zu berücksichtigen<br />

3. auf Landesebene:<br />

± e<strong>in</strong> Bayerisches Gleichstellungsgesetz,<br />

das als M<strong>in</strong>destanfor<strong>der</strong>ungen folgende<br />

Punkte enthält:<br />

± Beseitigung <strong>der</strong> Benachteiligung von<br />

Frauen als kommunale Pflichtaufgabe<br />

± hauptamtliche Frauenbeauftragte für alle<br />

Städte und Landkreise<br />

± das ausdrückliche Recht von Frauenbeauftragten,<br />

frauenpolitische Anliegen<br />

öffentlich und offensiv zu thematisieren<br />

und die Schaffung entsprechen<strong>der</strong><br />

Durchsetzungsmöglichkeiten<br />

± die Bereitstellung <strong>der</strong> dafür notwendigen<br />

F<strong>in</strong>anzmittel und Sachausstattung<br />

4. Auf kommunaler Ebene bekräftigen<br />

wir die folgenden For<strong>der</strong>ungen gemäû<br />

dem Kommunalpolitischen Programm<br />

<strong>der</strong> Erlanger <strong>SPD</strong>, beschlossen am<br />

26. 10. 1995:<br />

± alle kommunalpolitischen Möglichkeiten<br />

auszuschöpfen, um das Arbeitsplatzangebot<br />

für Frauen <strong>in</strong> Erlangen zu verbessern<br />

± die berufliche För<strong>der</strong>ung von Frauen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Stadtverwaltung zu verbessern durch<br />

Umsetzung des Frauenför<strong>der</strong>plans<br />

± die Arbeit <strong>der</strong> Erlanger Gleichstellungsstelle<br />

für Frauenfragen zu unterstützen<br />

± zusätzliche Maûnahmen zur Verbesserung<br />

<strong>der</strong> Sicherheit für Frauen im<br />

öffentlichen und privaten Raum zu<br />

schaffen<br />

334<br />

± die K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen dem<br />

Bedarf entsprechend auszubauen und<br />

ihre Qualität sicherzustellen<br />

± Frauennachttaxis e<strong>in</strong>zuführen<br />

± auch weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche<br />

Arbeit des Frauenhauses, das e<strong>in</strong>e wichtige<br />

E<strong>in</strong>richtung zum Schutz und zur<br />

Hilfe für miûhandelte Frauen und <strong>der</strong>en<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> darstellt, zu gewährleisten<br />

± die E<strong>in</strong>richtung und gesicherte F<strong>in</strong>anzierung<br />

e<strong>in</strong>es Mädchenschutzhauses<br />

± die Zuschüsse für Frauen-Selbstverteidigungskurse<br />

(WenDo) zu erhöhen<br />

± die Tätigkeit <strong>der</strong> bestehenden kommunalen<br />

Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte<br />

sicherzustellen, damit<br />

die Beratung über die Möglichkeiten<br />

und Probleme e<strong>in</strong>es Schwangerschaftsabbruchs<br />

als selbstbestimmte Entscheidung<br />

gewährleistet ist<br />

± die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er ambulanten<br />

Schwangerschaftsabbruchstelle aktiv zu<br />

unterstützen<br />

± das <strong>in</strong> Erlangen vorhandene Frauenzentrum<br />

auf Dauer f<strong>in</strong>anziell zu sichern, bei<br />

Bedarf auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen Haus<br />

± die Existenz <strong>der</strong> bestehenden Frauenprojekte<br />

zu sichern (z. B. Mütterzentrum,<br />

Notruf für vergewaltigte Mädchen und<br />

Frauen, Treffs für ausländische Frauen)<br />

sowie das Frauengruppentreffen zu<br />

unterstützen<br />

± e<strong>in</strong>en Mädchentreff e<strong>in</strong>zurichten<br />

± Stadt- und Verkehrsplanung frauenfreundlich<br />

zu gestalten<br />

± das Volkshochschulangebot um frauenspezifische<br />

Themen auszuweiten<br />

± verstärkt Straûen und E<strong>in</strong>richtungen<br />

nach Frauen zu benennen<br />

± darauf h<strong>in</strong>zuwirken, daû <strong>in</strong> allen städtischen<br />

Dienststellen das Bewuûtse<strong>in</strong> für<br />

die Lebenssituation von lesbischen<br />

Frauen geschärft wird<br />

(Überwiesen an die Sozialdemokraten im<br />

Europäischen Parlament (zu 1), an die<br />

Bundestagsfraktion (zu 2) und die Bayerische<br />

Landtagsfraktion (zu 3 und 4)


Antrag I 232<br />

Unterbezirk Bergstraûe<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Politik braucht Frauen<br />

Die Gleichberechtigung von Männern und<br />

Frauen ist noch immer nicht erreicht. Die<br />

Arbeitslosigkeit hat e<strong>in</strong> weibliches Gesicht.<br />

Wesentlich mehr Frauen s<strong>in</strong>d von <strong>der</strong><br />

Arbeitslosigkeit betroffen und leiden mehr<br />

unter <strong>der</strong> Bonner Politik. Die Gesundheitsund<br />

vor allem auch die geplante Rentenreform<br />

benachteiligt Frauen um so stärker.<br />

Viele Frauen s<strong>in</strong>d f<strong>in</strong>anziell abhängig von<br />

ihren Ehemännern. Hier ist e<strong>in</strong>e völlig<br />

an<strong>der</strong>e Familienpolitik notwendig.<br />

Es gibt immer mehr alle<strong>in</strong>erziehende Mütter<br />

und Väter. Hierauf muû verstärkt Rücksicht<br />

genommen werden. Es muû für sie<br />

möglich werden ohne Benachteiligung für<br />

ihren Lebensunterhalt und ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> gut<br />

zu sorgen. Hier ist mehr nötig, als nur die<br />

Umsetzung von dem Recht auf e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenplatz<br />

für jedes K<strong>in</strong>d. Zum Beispiel<br />

würde die Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen<br />

auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite und<br />

auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten<br />

und betreute Schulen die Situation wesentlich<br />

verbessern.<br />

Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik s<strong>in</strong>d Frauen unterrepräsentiert.<br />

Weibliche Führungskräfte s<strong>in</strong>d die<br />

Ausnahme. Frauen s<strong>in</strong>d immer noch die<br />

besten Schriftführer<strong>in</strong>nen und im besten<br />

Fall mal Stellvertreter<strong>in</strong>nen, aber ke<strong>in</strong>e<br />

Vorsitzenden o<strong>der</strong> Staatssekretär<strong>in</strong>nen.<br />

Frauen haben es auch hier im politischen<br />

Alltag schwerer, da sie durch die Doppelbelastung<br />

im Haushalt weniger Zeit haben.<br />

Das Ergebnis ist traurig: Immer mehr<br />

Frauen distanzieren sich von <strong>der</strong> Politik<br />

und gehen nicht mehr wählen. Gezeigt hat<br />

sich das sehr deutlich bei den letzten Kommunalwahlen.<br />

Da war <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> weiblichen<br />

Nichtwähler/<strong>in</strong>nen sehr hoch.<br />

Hier muû e<strong>in</strong>e Wende erreicht werden!<br />

Frauenpolitik ist Querschnittspolitik und<br />

genau deshalb darf sie nicht auf Familien-<br />

politik o<strong>der</strong> ähnliches reduziert werden.<br />

Ebenso müssen sich die Strukturen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Politik än<strong>der</strong>n, da wir genug von <strong>der</strong> männerdom<strong>in</strong>ierten<br />

Politik haben!<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 233<br />

Landesverband Bayern<br />

Weg mit dem § 218!<br />

Hilfe statt Strafe ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zig s<strong>in</strong>nvolle<br />

Weg, Frauen e<strong>in</strong> tatsächliches statt e<strong>in</strong> formales<br />

Selbstbestimmungsrecht zu garantieren.<br />

Deshalb muû das Gebot des Bundesverfassungsgerichtsurteils<br />

auf Vere<strong>in</strong>barkeit<br />

von Familie und Beruf sowie das Recht von<br />

Frauen auf Berufstätigkeit endlich <strong>in</strong> staatliches<br />

Handeln umgesetzt werden. Vordr<strong>in</strong>glich<br />

s<strong>in</strong>d hierzu vor allem<br />

± Schaffung wohnortnaher Arbeitsplätze<br />

durch verstärkte und vorgezogene Investitionen<br />

sowie staatliche Beschäftigungsprogramme,<br />

± Rücknahme <strong>der</strong> Arbeitsplatzvernichtung<br />

im öffentlichen Dienst (Arbeitszeitverlängerung,<br />

Stellensperren, Stellenabbau),<br />

± Arbeitszeitregelungen nach den Bedürfnissen<br />

von Beschäftigten mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

(Zeitsouveränität),<br />

± das Recht auf e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenplatz<br />

sowie ausreichend ganztägige K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />

für K<strong>in</strong><strong>der</strong> jeden<br />

Alters,<br />

± sofortige Rücknahme <strong>der</strong> Reduzierung<br />

<strong>der</strong> Lohnfortzahlung für Schwangere,<br />

± Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung des Kündigungsschutzes<br />

<strong>in</strong> Betrieben unter 10 Vollzeitbeschäftigten.<br />

Unser Ziel bleibt die ersatzlose Streichung<br />

<strong>der</strong> §§ 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch<br />

und damit die Entkrim<strong>in</strong>alisierung<br />

<strong>der</strong> Frauen, die sich für e<strong>in</strong>en Schwangerschaftsabbruch<br />

entschieden haben. Zur<br />

kurzfristigen Umsetzung for<strong>der</strong>n wir<br />

± Abschaffung <strong>der</strong> Pflichtberatung<br />

335


± Schaffung von E<strong>in</strong>richtungen für ambulante<br />

Schwangerschaftsabbrüche <strong>in</strong> Krankenhäusern<br />

und Facharztpraxen, und<br />

zwar flächendeckend für das gesamte<br />

Bundesgebiet<br />

± Kostenübernahme des Abbruchs durch<br />

die Krankenkasse<br />

± bessere Aufklärung über Verhütung(smethoden)<br />

und Verhütungsmittel <strong>in</strong> den<br />

Schulen, z.B. auch durch externe Beratungsstellen<br />

wie Pro Familia<br />

± viele ungewollte Schwangerschaften<br />

könnten damit verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden<br />

± Bereitstellung von mehr Forschungsgel<strong>der</strong>n<br />

für die Entwicklung von neuen Verhütungsmittel,<br />

die weniger gesundheitsschädlich<br />

s<strong>in</strong>d<br />

± Zulassung von RU 486<br />

(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion<br />

und Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 235<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />

Frauen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />

Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />

Gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung und<br />

Benachteiligung ± Politik für<br />

Schwule und Lesben<br />

Die deutsche Sozialdemokratie setzt sich<br />

seit ihrer Entstehung für e<strong>in</strong>e menschenwürdige,<br />

sozial gerechte und solidarische<br />

Gesellschaft e<strong>in</strong>. Gerechtigkeit gründet für<br />

uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Würde jedes e<strong>in</strong>zelnen Menschen<br />

und verlangt Freiheit für jeden e<strong>in</strong>zelnen,<br />

unabhängig von Geschlecht und<br />

sexueller Identität. Die <strong>SPD</strong> kämpft für<br />

e<strong>in</strong>e Gesellschaft ohne Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

und Ausgrenzung. Sie verurteilt deshalb<br />

jegliche Diskrim<strong>in</strong>ierung und Unterdrükkung<br />

von Lesben und Schwulen <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft.<br />

Homosexuelle Menschen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland<br />

lange Zeit <strong>in</strong> schlimmster Weise ausgegrenzt,<br />

gedemütigt und verfolgt worden,<br />

bis h<strong>in</strong> zur Ermordung e<strong>in</strong>er Vielzahl von<br />

336<br />

Homosexuellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des Nationalsozialismus.<br />

Die staatliche Verfolgung endete<br />

zwar 1945, es blieb aber die gesetzliche<br />

Unterdrückung und soziale Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

von Homosexualität <strong>in</strong> beiden deutschen<br />

Staaten.<br />

Seit Ende <strong>der</strong> 60er Jahre prägt wachsende<br />

Liberalität und Toleranz unsere Gesellschaft.<br />

Das Strafrecht wurde <strong>in</strong> Ost und<br />

West schrittweise liberalisiert bis h<strong>in</strong> zur<br />

Streichung des § 175 aus dem Strafgesetzbuch,<br />

die Existenz lesbischen und schwulen<br />

Lebens rückte schrittweise <strong>in</strong>s Bewuûtse<strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Öffentlichkeit, während sie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

DDR bis Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre e<strong>in</strong><br />

Nischendase<strong>in</strong> führte. Immer häufiger<br />

bekennen sich Lesben und Schwule zu<br />

ihrer sexuellen Identität und for<strong>der</strong>n von<br />

Gesellschaft und Politik die Anerkennung<br />

ihrer Lebensweisen und Lebensentwürfe<br />

e<strong>in</strong>. Gleichwohl bestehen teils subtile, teils<br />

aber auch offene Formen <strong>der</strong> Benachteiligung<br />

und Diskrim<strong>in</strong>ierung fort. Dabei<br />

unterliegen Lesben nicht nur <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung homosexueller Menschen,<br />

son<strong>der</strong>n werden zudem von <strong>der</strong><br />

Benachteiligung von Frauen <strong>in</strong> den immer<br />

noch männlich orientierten Strukturen und<br />

Handlungsweisen unserer Gesellschaft<br />

betroffen. Es wird ihnen so schwer<br />

gemacht, e<strong>in</strong> eigenes Selbstwertgefühl aufzubauen.<br />

Wir müssen diese Strukturen und<br />

Handlungsweisen überw<strong>in</strong>den.<br />

In e<strong>in</strong>em demokratischen Rechtsstaat<br />

haben Lesben und Schwule e<strong>in</strong>en Anspruch<br />

auf Schutz vor Diskrim<strong>in</strong>ierung und<br />

Gewalt. E<strong>in</strong> je<strong>der</strong> soll se<strong>in</strong> Leben selbstbestimmt<br />

entfalten können. Wir wollen die<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund sexueller Identität<br />

bekämpfen.<br />

Das Grundgesetz än<strong>der</strong>n ± Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

abbauen<br />

Wir wollen die Grundlagen für Leben von<br />

Lesben und Schwulen ohne Angst vor<br />

Benachteiligung und Diskrim<strong>in</strong>ierung verbessern.<br />

Dazu wollen wir <strong>in</strong> Artikel 3<br />

Absatz 3 des Grundgesetzes e<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong><br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund <strong>der</strong> sexuellen<br />

Identität verankern und den Schutzbereich


des Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes<br />

auf an<strong>der</strong>e auf Dauer angelegte Lebensgeme<strong>in</strong>schaften<br />

ausweiten. Entsprechende<br />

Regelungen s<strong>in</strong>d bereits <strong>in</strong> den Landesverfassungen<br />

von Berl<strong>in</strong>, Brandenburg, Thür<strong>in</strong>gen<br />

und Sachsen-Anhalt verankert worden.<br />

Die Erfahrung <strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n<br />

zeigt, daû es s<strong>in</strong>nvoll ist, Lesben und<br />

Schwulen e<strong>in</strong>e Handhabe zu geben, sich<br />

auf Verfassungsrechte berufen zu können.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus for<strong>der</strong>n wir, daû die Bundesregierung<br />

und die Landesregierungen<br />

e<strong>in</strong>en Bericht zur Situation von Schwulen<br />

und Lesben und über Maûnahmen zum<br />

Abbau von Diskrim<strong>in</strong>ierung und Benachteiligung<br />

vorlegen.<br />

Die Lebensformenpolitik neu gestalten<br />

Homosexuelle Menschen haben ± im<br />

Gegensatz zu heterosexuellen Paaren ± faktisch<br />

ke<strong>in</strong>e Möglichkeit, überhaupt zu entscheiden,<br />

ob sie die Rechte und die Pflichten<br />

annehmen wollen, die an die<br />

Institution Ehe gebunden s<strong>in</strong>d. Wir Sozialdemokraten<br />

plädieren dafür, daû auch<br />

an<strong>der</strong>e als heterosexuelle, auf Dauer angelegte<br />

gleichgeschlechtliche Paare und<br />

Lebensgeme<strong>in</strong>schaften Schutz des Staates<br />

erhalten. Selbst nach langjähriger Lebenspartnerschaft<br />

gelten bis heute die Betroffenen<br />

als ¹Fremdeª. Bei Unglücks- o<strong>der</strong><br />

Krankheitsfällen des Partners o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Partner<strong>in</strong> werden Betroffene häufig nicht<br />

zu Rate gezogen o<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong>formiert.<br />

Auch müssen H<strong>in</strong>terbliebene regelmäûig<br />

um die geme<strong>in</strong>same Mietwohnung<br />

fürchten o<strong>der</strong> um das Erbe des verstorbenen<br />

Lebenspartners/<strong>der</strong> verstorben Lebenspartner<strong>in</strong><br />

kämpfen. Schwierigkeiten gibt es<br />

auch bei <strong>der</strong> wechselseitigen Altersversorgung<br />

sowie <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Sorge für<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, daû<br />

diese unwürdigen Zustände beseitigt werden.<br />

Wir wollen gleichgeschlechtlichen<br />

Paaren durch Gesetz die gleichen rechtlichen<br />

Möglichkeiten zur Ausgestaltung<br />

ihrer Partnerschaft eröffnen, wie sie verschiedengeschlechtlichen<br />

Paaren offenstehen.<br />

Deshalb unterstützen wir die Schaffung<br />

e<strong>in</strong>es Rechts<strong>in</strong>stituts, das vergleichbare<br />

Rechte und Pflichten wie die Ehe<br />

umfaût.<br />

B<strong>in</strong>ationale Partnerschaften absichern<br />

Ausländische Lebenspartner<strong>in</strong>nen von Lesben<br />

und Lebenspartner von Schwulen, die<br />

nicht aus <strong>der</strong> EU kommen, sollen künftig<br />

e<strong>in</strong> gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten.<br />

Dabei übernimmt zugleich ihr deutscher<br />

Lebenspartner/Lebenspartner<strong>in</strong> die Pflichten,<br />

wie sie vergleichbar bei Eheleuten<br />

zugrundegelegt werden.<br />

Menschenrechte schützen<br />

Die Rechte von Schwulen und Lesben s<strong>in</strong>d<br />

Teil <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en bürgerlichen und<br />

sozialen Menschenrechte. Die <strong>SPD</strong> setzt<br />

sich dafür e<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong>en Schutz <strong>in</strong>tegrierter<br />

Bestandteil <strong>der</strong> weltweiten Menschenrechtspolitik<br />

Deutschlands se<strong>in</strong> muû. Homosexuelle,<br />

die <strong>in</strong> ihrem Heimatland aufgrund<br />

ihrer sexuellen Identität staatlicher Verfolgung<br />

ausgesetzt s<strong>in</strong>d, haben <strong>in</strong> Deutschland<br />

grundsätzlich Anspruch auf Asyl.<br />

Die Gleichstellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft, vor<br />

allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt erreichen<br />

Homosexualität wird <strong>in</strong> vielen gesellschaftlichen<br />

Bereichen, auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeits- und<br />

Berufswelt nach wie vor tabuisiert und diskrim<strong>in</strong>iert.<br />

Aus diesem Grunde sehen sich<br />

viele Lesben und Schwule immer noch veranlaût,<br />

<strong>in</strong> ihrem Arbeitsalltag e<strong>in</strong> Doppelleben<br />

zu führen. Wir setzen uns e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong><br />

Gleichbehandlungsgesetz. Es soll zum<br />

e<strong>in</strong>en wirksame Maûnahmen gegen die<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung von Schwulen und Lesben<br />

im Privatrechtsverkehr vorsehen und den<br />

Betroffenen ausreichende Möglichkeiten an<br />

die Hand geben, sich gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

effektiv zur Wehr zu setzen (Klagebefugnis<br />

für Verbände, Schadensersatz- und<br />

Unterlassungsanspruch). Zum an<strong>der</strong>en s<strong>in</strong>d<br />

bestehende Vorschriften gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

im Arbeitsrecht (Betriebsverfassungsgesetz)<br />

und Öffentlichen Dienstrecht<br />

(Beamtenrechtsrahmengesetz, Bundesbeamtengesetz,<br />

Personalvertretungsgesetz, Soldatengesetz<br />

und Soldatenlaufbahnverordnung)<br />

um das Kriterium <strong>der</strong> sexuellen<br />

Identität zu erweitern.<br />

Lesbische Frauen erleben <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er<br />

Weise die Benachteiligung von Frauen <strong>in</strong><br />

337


Arbeitswelt und Gesellschaft. Es ist <strong>in</strong><br />

ihrem beson<strong>der</strong>en Interesse, unser Sozialsystem<br />

stärker auf die Belange von Frauen<br />

e<strong>in</strong>zustellen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die soziale<br />

Absicherung von alle<strong>in</strong>erziehenden Müttern<br />

zu gewährleisten. Der öffentliche<br />

Dienst muû als Arbeitgeber e<strong>in</strong>e offene<br />

Lebensweise von Lesben und Schwulen<br />

durch geeignete Maûnahmen för<strong>der</strong>n.<br />

Erfahrungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

zeigen, daû die E<strong>in</strong>richtung von Referaten<br />

für gleichgeschlechtliche Lebensweisen<br />

hilfreich beim Abbau <strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

von Lesben und Schwulen s<strong>in</strong>d. Dies trägt<br />

dazu bei, daû sich das gesellschaftliche<br />

Klima <strong>der</strong> Akzeptanz gegenüber homosexuellen<br />

Menschen verstärkt.<br />

Der Gewalt entgegentreten<br />

Von <strong>der</strong> Zunahme an Gewalt <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft s<strong>in</strong>d Homosexuelle beson<strong>der</strong>s<br />

betroffen. Dagegen wollen wir vorgehen.<br />

Für die Präventionsarbeit ist e<strong>in</strong>e Erforschung<br />

<strong>der</strong> Gewaltursachen und -motive<br />

notwendig. Bislang gibt es über die Motive<br />

gegen Lesben und Schwule gerichteter<br />

Gewalttaten ke<strong>in</strong>e ausreichenden Erhebungen.<br />

Wir setzen uns deshalb für die Durchführung<br />

entsprechen<strong>der</strong> Untersuchungen<br />

und Forschungsvorhaben e<strong>in</strong>, um auf <strong>der</strong>en<br />

Grundlage Präventionsprogramme zu entwickeln.<br />

Opfer von Gewalt scheuen oftmals<br />

den Weg zur Polizei. Hier müssen Berührungsängste<br />

durch e<strong>in</strong>e offene Informationspolitik<br />

abgebaut werden. Hilfreich s<strong>in</strong>d<br />

beson<strong>der</strong>e Ansprechpersonen bei <strong>der</strong> Polizei,<br />

dies ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bundeslän<strong>der</strong>n mit<br />

Erfolg bereits geschehen. Dazu müssen<br />

Informationen über H<strong>in</strong>tergründe und<br />

Bed<strong>in</strong>gungen für Gewalt gegen Schwule<br />

und Lesben Bestandteil <strong>der</strong> Polizeiaus- und<br />

-fortbildung werden.<br />

Lernen von Akzeptanz und Selbstbestimmung<br />

<strong>in</strong> Schule, Erwachsenenbildung und<br />

Jugendarbeit verankern ± die Bedeutung<br />

<strong>der</strong> Kultur<br />

Die Schule hat als Sozialisations<strong>in</strong>stanz für<br />

Jugendliche e<strong>in</strong>e erhebliche Bedeutung. Sie<br />

ist e<strong>in</strong> Ort, an dem Toleranz, Offenheit<br />

sowie Respekt vor dem Leben und <strong>der</strong><br />

338<br />

Lebensweise an<strong>der</strong>er Menschen gelernt<br />

werden können. Wir wollen, daû Selbstbewuûtse<strong>in</strong>,<br />

selbstbestimmtes Leben und<br />

selbstbestimmte sexuelle Orientierung<br />

bereits dort ermöglicht und geför<strong>der</strong>t werden.<br />

Da unsere Gesellschaft bislang ausschlieûlich<br />

heterosexuelle Leitbil<strong>der</strong> vorgibt,<br />

muû Schule <strong>der</strong> Darstellung von<br />

lesbischem und schwulem Leben und ihren<br />

Traditionen Raum geben. Schulbücher mit<br />

schwulen- o<strong>der</strong> lesbenfe<strong>in</strong>dlichen Inhalten<br />

darf es nicht geben. Um e<strong>in</strong>e vorurteilsfreie<br />

Gestaltung des Unterrichts zu för<strong>der</strong>n, treten<br />

wir dafür e<strong>in</strong>, Modellprojekte für die<br />

Aus- und Fortbildung von Lehrer<strong>in</strong>nen<br />

und Lehrern zu entwickeln.<br />

In <strong>der</strong> Erwachsenenbildung ist das Thema<br />

lesbisches und schwules Leben und se<strong>in</strong>e<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> das Angebot <strong>der</strong> Träger<br />

<strong>der</strong> Erwachsenenbildung aufzunehmen.<br />

Wir wollen dabei lesbische und schwule<br />

Bildungsarbeit und <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen<br />

zur Stärkung von Identität, Selbstbewuûtse<strong>in</strong><br />

und Lebensstil von Lesben und<br />

Schwulen unterstützen.<br />

Aufgabe <strong>der</strong> auûerschulischen Jugendarbeit<br />

ist es, die Selbstf<strong>in</strong>dung von jungen Schwulen<br />

und Lesben positiv zu begleiten. Auûerdem<br />

s<strong>in</strong>d Projekte und Aktionen <strong>der</strong> auûerschulischen<br />

Jugendarbeit zur Aufklärung,<br />

Identitätsför<strong>der</strong>ung und Gewaltprävention<br />

zu unterstützen.<br />

Menschen benötigen für ihre Identitätsf<strong>in</strong>dung<br />

und für das Zusammenleben mit<br />

an<strong>der</strong>en die Kultur als Medium <strong>der</strong> Kommunikation.<br />

Lesbische und schwule Kultur<br />

bietet Ansatzpunkte für die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit <strong>der</strong> eigenen Person. Sie ermöglicht<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft <strong>in</strong>sgesamt die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit und das bessere<br />

Verständnis für homosexuelles Leben. Wir<br />

wollen deshalb lesbische und schwule<br />

Interessen bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung kultureller<br />

Projekte und E<strong>in</strong>richtungen berücksichtigen.<br />

Die Teilhabe von Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten sichern<br />

Die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenarbeit ignoriert bisher häufig<br />

Sexualität und sexuelle Identität <strong>der</strong>


Betroffenen und reduziert sie damit auf<br />

ihre Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung. Auch hier wollen wir<br />

durch e<strong>in</strong>e Neubewertung von Sexualität <strong>in</strong><br />

unserer Gesellschaft erreichen, daû Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

mit ihren sexuellen Bedürfnissen<br />

wahrgenommen und akzeptiert werden.<br />

Pflege-, Therapie- und Betreuungspersonal<br />

s<strong>in</strong>d häufig die e<strong>in</strong>zigen Bezugspersonen<br />

für beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen. Beson<strong>der</strong>s sie<br />

s<strong>in</strong>d es, die durch ihre Vorurteilsfreiheit<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen Selbstverleugnung<br />

ersparen und so zur Lebensqualität beitragen<br />

können. Wir treten deshalb dafür e<strong>in</strong>,<br />

den Umgang mit Sexualität und sexueller<br />

Identität verstärkt <strong>in</strong> die Aus- und Fortbildung<br />

von Pflege-, Therapie- und Betreuungspersonal<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen, um e<strong>in</strong>en vorurteilslosen<br />

Umgang mit den Bedürfnissen<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Menschen zu för<strong>der</strong>n.<br />

Die Selbsthilfe beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Menschen und<br />

die Arbeit ihrer Organisationen, auch <strong>der</strong><br />

lesbischen und schwulen Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenselbsthilfe,<br />

s<strong>in</strong>d wertvolle, weil unverzichtbare<br />

Bestanteile <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenarbeit. Die<br />

<strong>SPD</strong> wird deshalb ihre Arbeit und E<strong>in</strong>beziehung<br />

<strong>in</strong> die Gestaltung <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenarbeit<br />

unterstützen und för<strong>der</strong>n.<br />

Wissenschaft und Forschung vorantreiben<br />

Forschung und Lehre zum Thema Homosexualität<br />

haben bisher viele Fragen auûer<br />

acht gelassen. Erforscht werden muû vor<br />

allem, warum <strong>in</strong> verschiedenen Zeiten<br />

homosexuelle Menschen diskrim<strong>in</strong>iert und<br />

verfolgt wurden und wo die Ursachen e<strong>in</strong>es<br />

gestörten Umganges mit Sexualität <strong>in</strong><br />

unserer Gesellschaft liegen. Wir unterstützen<br />

deshalb den Aufbau e<strong>in</strong>es Forschungsnetzwerks<br />

für die Erforschung lesbischer<br />

und schwuler Lebensweisen und Kultur.<br />

Gesundheitspolitik fortentwickeln ± Erfahrungen<br />

mit HIV und AIDS berücksichtigen<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung und Ausgrenzung s<strong>in</strong>d<br />

immer auch gesundheitse<strong>in</strong>schränkende<br />

Faktoren, da sie bei den Betroffenen negative<br />

psychische und physische Folgen haben<br />

können. Indem wir dies bekämpfen, för<strong>der</strong>n<br />

wir die Gesundheit <strong>der</strong> Betroffenen und<br />

machen sie damit auch für e<strong>in</strong>e zielgruppenspezifische<br />

Präventionsarbeit empfänglicher.<br />

Wir werden die Arbeit <strong>der</strong> Selbsthilfegruppen<br />

von Schwulen und Lesben und ihre<br />

E<strong>in</strong>richtungen unterstützen und för<strong>der</strong>n, da<br />

diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch <strong>der</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />

und Prävention dienen.<br />

HIV und AIDS haben an Schwule beson<strong>der</strong>e<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt. Dabei haben<br />

die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Krankheit und<br />

Tod, aber auch Solidarität und Freundschaft<br />

e<strong>in</strong>en neuen Stellenwert erlangt.<br />

Diese Erfahrungen s<strong>in</strong>d durch die Selbsthilfebewegung<br />

umgesetzt worden. Schwule<br />

haben e<strong>in</strong>e eigene Hospizbewegung<br />

geschaffen. Sie ist beispielhaft und wird<br />

von uns unterstützt.<br />

Lesben und Schwule aktiv vertreten<br />

In Deutschland arbeitet ± wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

westlichen Län<strong>der</strong>n ± e<strong>in</strong>e aktive und<br />

selbstbewuûte Lesben- und Schwulenbewegung.<br />

Die <strong>SPD</strong> begrüût ihr gesellschaftliches<br />

und politisches Engagement und würdigt<br />

ihren Beitrag zur Aufklärung über<br />

fortbestehende Formen von Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

und zu ihrem Abbau. Wir werden die<br />

Arbeit von Selbsthilfegruppen und E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>der</strong>, sozialen, juristischen, psychologischen<br />

und gesundheitlichen Beratung<br />

unterstützten, f<strong>in</strong>anziell för<strong>der</strong>n und mit<br />

ihnen zusammenarbeiten, um geme<strong>in</strong>sam<br />

die Emanzipation von Schwulen und Lesben<br />

zu för<strong>der</strong>n und gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

und Gewalt vorzugehen.<br />

Wir laden alle politisch <strong>in</strong>teressierten<br />

homosexuellen Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger,<br />

die sich zu den Zielen <strong>der</strong> Sozialdemokratie<br />

bekennen, e<strong>in</strong>, sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, ihren<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften und auch im<br />

Arbeitskreis lesbischer Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />

und schwuler Sozialdemokraten<br />

(Schwusos) für die Verwirklichung e<strong>in</strong>er<br />

menschenwürdigen und diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien<br />

Gesellschaft e<strong>in</strong>zusetzen und ihre<br />

Belange zu vertreten. Alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, das dafür notwendige<br />

Klima <strong>der</strong> Offenheit und des Respekts<br />

vor <strong>der</strong> Identität und Lebensweise aller <strong>in</strong><br />

unseren Reihen zu schaffen.<br />

(Angenommen)<br />

339


Antrag I 243<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />

(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />

Maûnahmen zur<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Schwer-<br />

Krim<strong>in</strong>alität<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, die Schwer-<br />

Krim<strong>in</strong>alität vorrangig zu bekämpfen.<br />

Hierzu s<strong>in</strong>d zu zählen: Die Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität,<br />

die Subventionskrim<strong>in</strong>alität, die<br />

Steuerkrim<strong>in</strong>alität, die organisierte Krim<strong>in</strong>alität,<br />

die Drogenkrim<strong>in</strong>alität, <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationale<br />

Waffenhandel, <strong>der</strong> Menschenhandel,<br />

die illegale Prostitution und die<br />

Schwarzarbeit.<br />

Zur Bekämpfung dieser Krim<strong>in</strong>alitätsformen<br />

ist es notwendig, vorrangig die<br />

Gew<strong>in</strong>ne (und die entsprechenden Z<strong>in</strong>sen)<br />

aus diesen Geschäften zu beschlagnahmen,<br />

die Geldwäschestrukturen zu zerschlagen<br />

und die Haupttäter aus dem H<strong>in</strong>tergrund<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit zum eigenständigen wirtschaftlichen<br />

Handel zu nehmen.<br />

Das Instrumentarium zur Bekämpfung und<br />

Bestrafung für diese Tätergruppen wird<br />

entsprechend erweitert.<br />

Dazu muû auch das Risiko für Banken, die<br />

zur Geldwäsche beitragen, drastisch verschärft<br />

werden.<br />

Hier s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Entzug <strong>der</strong> Konzession, die<br />

Beschlagnahme <strong>der</strong> Gel<strong>der</strong> sowie bei m<strong>in</strong><strong>der</strong>schweren<br />

Fällen die zeitweise Sperrung<br />

(bis zu Jahren) des Geschäftsbetriebes<br />

wichtige Mittel.<br />

Für die Vorstände, Aufsichtsräte und die<br />

entsprechenden Direktoren wird die persönliche<br />

Haftung erweitert.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

340<br />

Antrag I 244<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Lünen-Stadt<br />

(Bezirk Westliches Westfalen)<br />

Jugendkrim<strong>in</strong>alität<br />

1. Das Strafmündigkeitsalter wird nicht<br />

vom 14. Lebensjahr auf das 12. Lebensjahr<br />

gesenkt.<br />

2. Für die Heranwachsenden (18 Jahre bis<br />

zum vollendeten 20. Lebensjahr) bleibt<br />

die Vorgabe des § 105 Jugendgerichtsgesetz<br />

erhalten, daû sie weiterh<strong>in</strong> wie<br />

Jugendliche verurteilt werden können,<br />

wenn die entsprechen<strong>der</strong> Voraussetzungen<br />

gegeben s<strong>in</strong>d.<br />

3. Im Bereich <strong>der</strong> Jugendstrafrechtspflege<br />

werden die Möglichkeiten unterstützt<br />

und geför<strong>der</strong>t, die Justiz und Jugendhilfeträger<br />

<strong>in</strong> die Lage versetzen, <strong>der</strong><br />

Erziehungsgedanken des Jugendrechts<br />

auch tatsächlich verwirklichen zu können.<br />

Diese For<strong>der</strong>ung gilt für den stationären<br />

und ambulanten Bereich gleichermaûen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 246<br />

Kreisverband Sigmar<strong>in</strong>gen<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

Wahlrecht für EU-Bürger<br />

Die <strong>SPD</strong>-Fraktionen im Europaparlament,<br />

Deutschen Bundestag und <strong>in</strong> den Landtagen<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, e<strong>in</strong>en Richtl<strong>in</strong>ienentwurf<br />

bzw. Gesetzesentwürfe <strong>in</strong> die<br />

betreffenden Parlamente e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen mit<br />

dem Ziel, daû Bürger <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union bereits bei <strong>der</strong> nächsten Bundestagswahl<br />

bzw. bei den nächsten Landtagswahlen<br />

das aktive und passive Wahlrecht besitzen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)


Antrag I 247<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Wiesbaden-Westend<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Neufassung des Bundestagswahlgesetzes<br />

Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

schnellstens für die Verabschiedung<br />

<strong>der</strong> Neufassung des Bundestagswahlgesetzes<br />

zu sorgen, das gleichen Wert für jede<br />

Wählerstimme sichert, die endgültige Zahl<br />

und Abgrenzung <strong>der</strong> Wahlkreise be<strong>in</strong>haltet<br />

und zur Reduzierung <strong>der</strong> überhöhten<br />

Zahl <strong>der</strong> Abgeordneten führt, wie schon<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit den Wählern versprochen.<br />

So s<strong>in</strong>d nach den statistischen E<strong>in</strong>wohnerzahlen<br />

von 1995 die Zahl <strong>der</strong> Bundestagswahlkreise<br />

auf höchstens 280 zu verr<strong>in</strong>gern<br />

und die Gesamtzahl <strong>der</strong> Bundestagsabgeordneten<br />

zur nächsten Bundestagswahl auf<br />

599 und <strong>in</strong> <strong>der</strong> dann folgenden auf 555 zu<br />

verr<strong>in</strong>gern.<br />

Es ist zu ermöglichen, daû <strong>in</strong> den Wahlkreisen<br />

auch Ersatzkandidaten aufgeführt<br />

werden, die im Falle e<strong>in</strong>er Mandatsnie<strong>der</strong>legung<br />

für e<strong>in</strong>en direkt gewählten Kandidaten<br />

nachrücken können. Gleichfalls ist zu<br />

ermöglichen, daû anstelle von Landeslisten<br />

auch die Zulassung von Bundeslisten statthaft<br />

ist.<br />

Auf <strong>der</strong> Basis des Bundesgebietes hat die<br />

Berechnung <strong>der</strong> Mandatsverteilung nach<br />

<strong>der</strong> Wahl zu erfolgen. Von <strong>der</strong> Gesamtzahl<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Liste zustehenden Mandatszahl<br />

s<strong>in</strong>d die direkt errungenen Mandate abzuziehen,<br />

<strong>der</strong> verbleibende Rest wird dann<br />

anteilmäûig über Landes- und Bundeslisten<br />

verteilt. Parteien verschiedenen Namens,<br />

die <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Wahlperiode vor <strong>der</strong><br />

Wahl e<strong>in</strong>e Fraktion bildeten, gelten dabei<br />

als e<strong>in</strong>e Partei.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 248<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Samtgeme<strong>in</strong>de Isenbüttel<br />

Unterbezirk Gifhorn<br />

(Bezirk Braunschweig)<br />

Wahlgesetze<br />

Die bestehenden Wahlgesetze<br />

a) für die Kommunalwahlen<br />

b) für die Landtagswahlen<br />

c) für die Bundestagswahlen<br />

s<strong>in</strong>d dah<strong>in</strong>gehend zu än<strong>der</strong>n und zu ergänzen,<br />

daû auch EDV-Listen und Disketten<br />

zur E<strong>in</strong>reichung von Kandidat(<strong>in</strong>nen)vorschlägen<br />

möglich s<strong>in</strong>d.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktion)<br />

Antrag I 249<br />

Unterbezirk Passau<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Integration von<br />

Auslän<strong>der</strong>Innen<br />

Sozialdemokratische Politik für Zuwan<strong>der</strong>er<br />

zielt ab auf die Integration, d. h. die<br />

gleichberechtigte Teilhabe am Rechts-,<br />

Sozial- und Wirtschaftssystem unserer<br />

Gesellschaft. Deutschland ist nicht zuletzt<br />

durch die gezielte Anwerbung von ausländischen<br />

Arbeitskräften zum Lebensmittelpunkt<br />

für Millionen von Menschen frem<strong>der</strong><br />

Staatsangehörigkeit geworden. Die Zuwan<strong>der</strong>er<br />

haben jahrzehntelang zum wirtschaftlichen<br />

Wachstum beigetragen und mit<br />

ihren Steuern und Sozialbeiträgen die<br />

sozialen Sicherungssysteme mitf<strong>in</strong>anziert.<br />

Sehr viele dieser Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen leben <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> zweiten o<strong>der</strong> dritten Generation <strong>in</strong><br />

Deutschland. Aus Gästen von e<strong>in</strong>st s<strong>in</strong>d<br />

faktisch E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>er und Mitbürger<strong>in</strong>nen<br />

geworden. Dieser faktische Zustand spiegelt<br />

sich aber noch nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er chancenund<br />

rechtsgleichen Teilhabe an allen gesellschaftlichen<br />

Bereichen wi<strong>der</strong>, soziale Ausgrenzung<br />

und rechtliche Unsicherheit<br />

erschweren die dauerhafte Integration.<br />

341


Die <strong>SPD</strong> tritt daher dafür e<strong>in</strong>, den zugewan<strong>der</strong>ten<br />

Menschen durch verb<strong>in</strong>dliche,<br />

nicht mehr revidierbare und je<strong>der</strong>zeit e<strong>in</strong>klagbare<br />

Rechtsansprüche e<strong>in</strong>e längerfristige<br />

Lebensplanung zu ermöglichen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

muû mit zunehmen<strong>der</strong><br />

Aufenthaltsdauer auch die Aufenthaltssicherheit<br />

wachsen, die Ausweisungsmöglichkeiten<br />

haben <strong>der</strong> stufenweisen Verfestigung<br />

des Aufenthaltsrechts Rechnung zu tragen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e for<strong>der</strong>n wir:<br />

± e<strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsrecht für alle Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen,<br />

die sich seit m<strong>in</strong>destens acht<br />

Jahren rechtmäûig <strong>in</strong> Deutschland aufhalten.<br />

Es ist ohne Auflagen und<br />

Beschränkungen auszugestalten. Mit<br />

Gewährung des Nie<strong>der</strong>lassungsrechts<br />

wird die Ausweisung <strong>in</strong> jedem Falle<br />

unzulässig; bei Straffälligkeit greift <strong>der</strong><br />

Sühneanspruch des Staates bzw. <strong>der</strong><br />

Anspruch auf Resozialisierung.<br />

± e<strong>in</strong>en Verzicht auf Ausweisungen<br />

± bei ausländischen Ehegatten e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Deutschen,<br />

± bei m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Auslän<strong>der</strong>s,<br />

wenn sich <strong>der</strong> Sorgeberechtigte<br />

rechtmäûig <strong>in</strong> Deutschland aufhält,<br />

± bei e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Deutschland geborenen<br />

Auslän<strong>der</strong>, wenn er m<strong>in</strong>destens zehn<br />

Jahre hier gewohnt hat,<br />

± bei Asylbewerbern, Asylberechtigten<br />

o<strong>der</strong> Staaten- o<strong>der</strong> Heimatlosen.<br />

± e<strong>in</strong>e Zulässigkeit von Ausweisungen nur<br />

± bei Mitarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verbotenen Vere<strong>in</strong>igung,<br />

± bei Besuchsaufenthalten im Falle schwerwiegen<strong>der</strong><br />

Gefährdung <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Sicherheit,<br />

± bis zum Erwerb des Nie<strong>der</strong>lassungsrechts<br />

im Falle <strong>der</strong> Begehung e<strong>in</strong>er<br />

Straftat, wenn die Strafzumessung<br />

wenigstens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe von<br />

sechs Monaten besteht,<br />

± bei längerfristigen Aufenthalt von mehr<br />

als fünf Jahren nach Verurteilung zu<br />

e<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe von m<strong>in</strong>destens drei<br />

Jahren,<br />

342<br />

± und nach rechtskräftiger Verurteilung.<br />

± e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>bürgerungsanspruch nach<br />

zehnjährigem rechtmäûigen Aufenthalt.<br />

E<strong>in</strong>e weitere bestehende Staatsangehörigkeit<br />

soll diesem Anspruch nicht im<br />

Weg stehen.<br />

Wir SozialdemokratInnen wenden uns<br />

auch dagegen, daû e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit<br />

straffällig gewordener Auslän<strong>der</strong>Innen als<br />

Begründung für den Stillstand <strong>der</strong> Integrationspolitik<br />

verwendet wird. Vor allem deswegen,<br />

weil die Aussagen zur Auslän<strong>der</strong>Innenkrim<strong>in</strong>alität<br />

fast ausschlieûlich anhand<br />

<strong>der</strong> Polizeilichen Krim<strong>in</strong>alitätsstatistik<br />

(PKS) gemacht werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Vorbemerkung<br />

es bereits heiût: ¹Es kann nicht<br />

von e<strong>in</strong>er feststehenden Relation von<br />

begangenen und statistisch erfaûten Straftaten<br />

ausgegangen werden. Die Polizeiliche<br />

Krim<strong>in</strong>alstatistik bietet ke<strong>in</strong> getreues Spiegelbild<br />

<strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alitätswirklichkeit, son<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>e je nach Deliktsart mehr o<strong>der</strong><br />

weniger starke Annäherung an die Realität.ª<br />

Bere<strong>in</strong>igt man die PKS um auslän<strong>der</strong>spezifische<br />

Straftaten, um die Illegalen,<br />

Touristen, Durchreisenden etc., dann kann<br />

man feststellen, daû Auslän<strong>der</strong>Innen<br />

genauso viele Straftaten begehen wie Deutsche<br />

vergleichbarer sozialer Situation.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 250<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Für e<strong>in</strong>e humane und liberale<br />

Auslän<strong>der</strong>(<strong>in</strong>nen)politik<br />

E<strong>in</strong> Auslän<strong>der</strong>recht nach unseren Vorstellungen<br />

steht auf <strong>der</strong> Grundlage von Humanismus,<br />

Aufklärung und Solidarität. Sozialdemokratische<br />

Politik für Zuwan<strong>der</strong>er/<br />

<strong>in</strong>nen zielt auf die Integration, d.h. die<br />

gleichberechtigte Teilhabe am Rechts-,<br />

Sozial- und Wirtschaftssystem unserer<br />

Gesellschaft.


Die BRD ist zum Lebensmittelpunkt für<br />

Millionen von Menschen mit frem<strong>der</strong><br />

Staatsangehörigkeit geworden. Dies gilt<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die hier aufgewachsene<br />

o<strong>der</strong> geborene zweite o<strong>der</strong> dritte Generation<br />

<strong>der</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>er.<br />

Die ausländische Bevölkerung ist nach wie<br />

vor von e<strong>in</strong>er gleichberechtigten Teilhabe<br />

am gesellschaftlichen, rechtlichen und<br />

sozialen Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik ausgeschlossen.<br />

Trotz zahlreicher Bemühungen<br />

und For<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den letzten<br />

15 Jahren muû eher e<strong>in</strong>e Stagnation als e<strong>in</strong><br />

Vorwärtsschreiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>politik<br />

verzeichnet werden. Für viele Probleme,<br />

denen sich die Politik gegenübersieht, gibt<br />

es ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fachen Lösungen son<strong>der</strong>n sie<br />

erfor<strong>der</strong>n tiefgreifende und komplexe Verän<strong>der</strong>ungen.<br />

Schnell wird hier wie<strong>der</strong> die<br />

ausländische Bevölkerung als Sündenbock<br />

für die vielen Versäumnisse <strong>der</strong> Regierungspolitik<br />

benutzt.<br />

Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />

haben dies immer schon verurteilt und<br />

verurteilen dies auch heute.<br />

In bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlkämpfen<br />

1998 soll die negative<br />

Besetzung des Themas ¹Auslän<strong>der</strong>politikª,<br />

wie z.B. ¹Auslän<strong>der</strong>- und Krim<strong>in</strong>alität/<br />

Innere Sicherheitª als Wahlkampfthema<br />

vermieden werden. Wir halten diese Verknüpfung<br />

für gefährlich und kontraproduktiv.<br />

Die Würde des Menschen ist unantastbar:<br />

von diesem Grundsatz ausgehend, soll die<br />

Umsetzung <strong>der</strong> nachfolgenden Punkte dazu<br />

beitragen, den ausländischen Mitbürger/<br />

<strong>in</strong>nen unter uns e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Würde zu<br />

ermöglichen ± dies dient <strong>der</strong> Integration<br />

und dem gegenseitigen Verständnis und<br />

hilft Vorurteile abzubauen.<br />

Wir for<strong>der</strong>n den Bundesparteitag auf, über<br />

die folgenden Ziele <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>politik<br />

zu beschlieûen:<br />

1. Wer <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD geboren ist, muû automatisch<br />

die deutsche Staatsangehörigkeit<br />

besitzen. Sie darf ihm/ihr nicht<br />

aberkannt werden, es sei denn er/sie<br />

wählt sie mit dem 18. Lebensjahr ausdrücklich<br />

ab. Die Möglichkeit für e<strong>in</strong>e<br />

doppelte Staatsbürgerschaft muû vorhanden<br />

se<strong>in</strong>.<br />

2. Die E<strong>in</strong>bürgerung ausländischer Mitbürger/<strong>in</strong>nen<br />

wird erleichtert. Es soll<br />

e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes Recht auf E<strong>in</strong>bürgerung<br />

nach acht Jahren Aufenthalt <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> BRD geben. Nachgezogene Ehepartner/<strong>in</strong>nen<br />

müssen e<strong>in</strong> eigenständiges<br />

Aufenthaltsrecht bekommen. K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendliche sollen im Rahmen <strong>der</strong><br />

Familie ohne die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es<br />

eigenen Visums o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er eigenen Aufenthaltserlaubnis<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD leben, lernen<br />

und arbeiten können.<br />

3. E<strong>in</strong>e Abschiebung e<strong>in</strong>gebürgerter ausländischer<br />

Mitbürger/<strong>in</strong>nen ist nicht<br />

möglich. Nicht e<strong>in</strong>gebürgerte Auslän<strong>der</strong>/<strong>in</strong>nen<br />

können nur dann abgeschoben<br />

werden, wenn sie straffällig geworden<br />

und rechtskräftig verurteilt s<strong>in</strong>d.<br />

Hierbei ist e<strong>in</strong>e ¹Verbesserungª <strong>der</strong> bisherigen<br />

Praxis anzustreben: E<strong>in</strong>e<br />

Abschiebung ist frühestens nach zweimaliger<br />

Verurteilung zu m<strong>in</strong>destens<br />

e<strong>in</strong>em halben Jahr Gefängnis möglich.<br />

Wenn <strong>der</strong> Verurteilte bereits fünf Jahre<br />

hier gelebt hat, ist Abschiebung erst<br />

nach e<strong>in</strong>er Verurteilung zu drei o<strong>der</strong><br />

mehr Jahren Freiheitsstrafe möglich.<br />

4. K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche dürfen grundsätzlich<br />

nicht abgeschoben werden,<br />

wenn sie dadurch von <strong>der</strong> Familie<br />

getrennt werden.<br />

5. Nach <strong>der</strong> de facto Abschaffung des Art.<br />

16 GG soll zum<strong>in</strong>dest das Anerkennungsverfahren<br />

e<strong>in</strong>facher und humaner<br />

gestaltet werden. Die Möglichkeiten zur<br />

Erteilung e<strong>in</strong>er Aufenthaltsbefugnis aus<br />

humanitären Gründen soll erweitert<br />

werden. Asylbewerber sollen ihren<br />

Lebensunterhalt durch eigenständige<br />

Arbeit verdienen können. Dies för<strong>der</strong>t<br />

die soziale und wirtschaftliche Integration<br />

und hilft Vorurteile abzubauen.<br />

6. Die bisher durch das Auslän<strong>der</strong>gesetz<br />

verfolgte Praxis <strong>der</strong> Bundesregierung<br />

muû durch e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsgesetz<br />

ersetzt werden. Dies muû e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> vor-<br />

343


angigen Ziele e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong> geführten<br />

Bundesregierung se<strong>in</strong>.<br />

7. Ausländischen Mitbürger/<strong>in</strong>nen soll<br />

ohne Unterschied h<strong>in</strong>sichtlich des Herkunftslandes<br />

das kommunale Wahlrecht<br />

gewährt werden. Die E<strong>in</strong>schreibung <strong>in</strong><br />

Wähler/<strong>in</strong>nenlisten muû dabei vere<strong>in</strong>facht<br />

werden.<br />

8. Zur Integration <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger/<strong>in</strong>nen<br />

s<strong>in</strong>d gezielte För<strong>der</strong>maûnahmen<br />

zu ergreifen; beispielsweise sollten<br />

bei <strong>der</strong> Stellenbesetzung im<br />

öffentlichen Dienst ausländische Mitbürger/<strong>in</strong>nen<br />

ihrem Bevölkerungsanteil<br />

entsprechend berücksichtigt werden.<br />

Für Auslän<strong>der</strong>/<strong>in</strong>nen sollen die gleichen<br />

gesetzlichen und sozialen Standards gelten,<br />

wie für alle an<strong>der</strong>en Bürger <strong>der</strong> BRD. Dies<br />

schlieût die Verurteilung für Straftaten<br />

genauso e<strong>in</strong> wie die Geltung <strong>der</strong> unveräuûerlichen<br />

Grund- und Menschenrechte.<br />

Krim<strong>in</strong>alität ist e<strong>in</strong> Problem <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft. Dieses Problem ist jedoch <strong>in</strong><br />

ke<strong>in</strong>ster Weise mit <strong>der</strong> Staatsbürgerschaft<br />

verknüpft. Der pauschal geäuûerte Zusammenhang<br />

von angeblich steigen<strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alität<br />

und dem Anteil an ausländischen<br />

Mitbürger/<strong>in</strong>nen schürt Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong> und<br />

schafft rechten ¹law and or<strong>der</strong>ª-Parolen<br />

neue Freiräume.<br />

Diesen populistischen Vere<strong>in</strong>fachungen<br />

müssen wir Sozialdemokraten/<strong>in</strong>nen entschlossen<br />

entgegenwirken.<br />

E<strong>in</strong> Blick auf die Polizeiliche Krim<strong>in</strong>alstatistik<br />

(PKS) verdeutlicht die Fakten und hilft<br />

Vorurteile zu wi<strong>der</strong>legen:<br />

± 1993 war das bisherige Spitzenjahr <strong>der</strong><br />

registrierten Krim<strong>in</strong>alität, seither hat e<strong>in</strong><br />

leichter Rückgang stattgefunden (1993:<br />

8337 Straftaten pro 100000 E<strong>in</strong>wohner;<br />

1996: 8125);<br />

± In 1996 weist die PKS ca. 625 500 nichtdeutsche<br />

Tatverdächtige (von <strong>in</strong>sgesamt<br />

ca. 2,2 Mio.) aus, was e<strong>in</strong>em Anteil von<br />

28,3 % entspricht. Dies ist gegenüber<br />

1993 e<strong>in</strong> Rückgang von 5,3 Prozentpunkten.<br />

344<br />

± Diese Gesamtzahl wird dennoch häufig<br />

als e<strong>in</strong> angeblicher Beleg dafür genannt,<br />

daû Auslän<strong>der</strong> krim<strong>in</strong>eller seien als<br />

Deutsche.<br />

± Die offizielle Unterscheidung <strong>in</strong> Krim<strong>in</strong>alität<br />

von Auslän<strong>der</strong>n und Deutschen<br />

ist jedoch unpräzise.<br />

± Es gibt ke<strong>in</strong>e geeignete Zahlenbasis für<br />

¹Auslän<strong>der</strong>ª ± die E<strong>in</strong>wohnerstatistik<br />

erfaût z.B. ke<strong>in</strong>e Touristen, Durchreisende,<br />

Grenzpendler, Illegale etc.<br />

± Es ist also <strong>in</strong> Ermangelung e<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>reichenden<br />

Zahlenbasis nicht zulässig, den<br />

Auslän<strong>der</strong>anteil an den Tatverdächtigen<br />

<strong>der</strong> PKS mit dem weit niedrigeren Auslän<strong>der</strong>anteil<br />

an <strong>der</strong> <strong>in</strong>ländischen Wohnbevölkerung<br />

zu vergleichen.<br />

± E<strong>in</strong>e aussagekräftige vergleichende<br />

Untersuchung muû also<br />

± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt best. Personengruppen<br />

wie Touristen, Durchreisende,<br />

Asylbewerber etc. aus <strong>der</strong> Betrachtung<br />

herauszunehmen.<br />

± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt all jene Strafvorschriften<br />

ausblenden, gegen die von<br />

Deutschen nicht verstoûen werden kann,<br />

weil sie eigens gegen Auslän<strong>der</strong>/<strong>in</strong>nen<br />

gerichtet s<strong>in</strong>d (Straftaten nach dem Auslän<strong>der</strong><br />

und Asylverfahrensgesetz).<br />

± E<strong>in</strong>e solchermaûen bere<strong>in</strong>igte registrierte<br />

Auslän<strong>der</strong>krim<strong>in</strong>alität zeigt, daû Nichtdeutsche<br />

sich krim<strong>in</strong>alstatistisch nicht<br />

wesentlich von den erfaûten Deutschen<br />

unterscheiden.<br />

± Demgegenüber besteht e<strong>in</strong> wesentlicher<br />

Unterschied h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Gewaltkrim<strong>in</strong>alität<br />

jedoch dar<strong>in</strong>, daû Auslän<strong>der</strong><br />

häufiger Opfer fremdenfe<strong>in</strong>dlicher<br />

Gewalttaten werden als umgekehrt<br />

Deutsche Opfer nichtdeutscher Gewalttäter.<br />

Fakt ist, daû bei vergleichbarer sozialer<br />

Situation Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit<br />

ke<strong>in</strong>eswegs häufiger Straftaten<br />

begehen als Deutsche.<br />

Die Verteilung <strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alität steht <strong>in</strong><br />

starkem Zusammenhang mit <strong>der</strong> Betroffenheit<br />

von sozialer Ungleichheit.


Das wirksamste Mittel liegt deshalb <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Politik <strong>der</strong> konsequenten sozialen<br />

Integration.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 251<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />

Aussetzung <strong>der</strong> Abschiebung<br />

von Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und<br />

Auslän<strong>der</strong>n aus humanitären<br />

Gründen im E<strong>in</strong>zelfall<br />

Das Auslän<strong>der</strong>recht ist dah<strong>in</strong> zu än<strong>der</strong>n,<br />

daû ± wie bei Gruppen von Auslän<strong>der</strong>n<br />

nach § 54 Auslän<strong>der</strong>gesetz ± auch <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen<br />

e<strong>in</strong>e Aussetzung <strong>der</strong> Abschiebung<br />

aus humanitären Gründen über die Fälle<br />

<strong>der</strong> §§ 51 bis 53 AuslG h<strong>in</strong>aus ermöglicht<br />

wird. E<strong>in</strong>e solche Ausnahmeregelung sollte<br />

ähnlich wie e<strong>in</strong>e Gnadenentscheidung im<br />

Strafrecht ausgestaltet werden, um nicht<br />

den Ansatz für langwierige Gerichtsverfahren<br />

zu bilden. Auf diesem Weg könnten<br />

auch viele Fälle befriedigend gelöst werden,<br />

die sonst oft <strong>in</strong> Kirchenasyl münden,<br />

ohne daû e<strong>in</strong>e solche Ausnahmeregelung<br />

unter Berufung auf den Asylkompromiû<br />

abgelehnt werden könnte. Es würde auch<br />

e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Spielraum für Härtefallkommissionen<br />

auf Län<strong>der</strong>ebene geschaffen,<br />

denen Mitglie<strong>der</strong> des Landtags, <strong>der</strong> Exekutive,<br />

<strong>der</strong> Kirchen sowie von Organisationen<br />

wie Wohlfahrtsverbänden und amnesty<br />

<strong>in</strong>ternational angehören sollten.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 256<br />

Landesverband Saar<br />

Sicherstellung e<strong>in</strong>er ärztlichen<br />

Betreuung bei Schwangerschaften<br />

von Asylbewerber<strong>in</strong>nen und<br />

Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen<br />

Art. 25, Abs. 2, Satz 1 <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />

Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten<br />

Nationen lautet: ¹Mutter und K<strong>in</strong>d<br />

haben Anspruch auf beson<strong>der</strong>e Hilfe und<br />

Unterstützung.ª<br />

Nach § 4, Abs. 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes<br />

(AsylblG) s<strong>in</strong>d werdenden<br />

Müttern und Wöchner<strong>in</strong>nen ... ärztliche<br />

und pflegerische Hilfe und Betreuung,<br />

Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und<br />

Heilmittel zu gewährenª.<br />

Dies. gilt allerd<strong>in</strong>gs nur für Frauen, die<br />

sich an dem ihnen zugewiesenen Ort aufhalten.<br />

Die Erfahrungen zeigen allerd<strong>in</strong>gs, daû <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

schwangere Frauen dort leben,<br />

wo sich ihre Lebenspartner aufhalten.<br />

Wir for<strong>der</strong>n die Bundesregierung auf, daû<br />

diese <strong>in</strong> § 4, Abs. 2 AsylblG garantierten<br />

Leistungen <strong>in</strong> jedem Fall auch für die oben<br />

genannten Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen f<strong>in</strong>den, auch<br />

wenn sie nicht an dem ihnen zugewiesenen<br />

Ort aufhalten.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag 1 257<br />

Kreis Leer<br />

(Bezirk Weser-Ems)<br />

Strafverfahren beschleunigen<br />

Der Gesetzgeber wird aufgefor<strong>der</strong>t, dafür<br />

Sorge zu tragen, daû Strafverfahren<br />

beschleunigt durchzuführen s<strong>in</strong>d.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

345


Antrag I 259<br />

Parteivorstand<br />

Verbot des Klonens<br />

Das Klonen von Menschen ist technisch<br />

machbar geworden. Der Gesetzgeber muû<br />

<strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biologie am<br />

Menschen dort Grenzen setzen, wo sie mit<br />

<strong>der</strong> Würde des Menschen unvere<strong>in</strong>bar ist<br />

und Grundrechte und Grundfreiheiten des<br />

Menschen gefährdet werden. Das Klonen,<br />

die Technik, genetisch identische Menschen<br />

herzustellen, verstöût gegen die<br />

Würde des Menschen. Wir halten an dem<br />

<strong>in</strong> Deutschland bestehenden strafrechtlichen<br />

Verbot des Klonens von Menschen<br />

fest und setzen uns e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong> europaweites<br />

und weltweites Verbot des Klonens von<br />

Menschen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag 1 261<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommen<br />

zur Biomediz<strong>in</strong><br />

Der Bundesparteitag beobachtet mit groûer<br />

Sorge die vom Europarat ausgearbeiteten<br />

Vorschläge und Normen des zur Ratifizierung<br />

anstehenden Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommens<br />

zur Biomediz<strong>in</strong> (früher Bioethik-<br />

Konvention), das ethische Standards bei<br />

<strong>der</strong> Anwendung von Biologie und Mediz<strong>in</strong><br />

festlegen soll. Sie erwartet, daû e<strong>in</strong>e Ratifizierung<br />

dieses Übere<strong>in</strong>kommens durch die<br />

Bundesrepublik Deutschland nur dann<br />

erfolgt, wenn <strong>der</strong> Schutz e<strong>in</strong>willigungsunfähiger<br />

Personen gegen fremdnützige Forschung<br />

unzweideutig gewährleistet und<br />

damit e<strong>in</strong> umfassen<strong>der</strong> Persönlichkeitsschutz<br />

des betroffenen Personenkreises<br />

garantiert ist.<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t deshalb die<br />

<strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion auf, im Rahmen<br />

des Ratifizierungsverfahrens <strong>der</strong> vorliegenden<br />

Fassung des Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommens<br />

zur Biomediz<strong>in</strong> nicht zuzustim-<br />

346<br />

men und bei den weiteren Verhandlungen<br />

mit Nachdruck darauf zu drängen, daû<br />

Menschenrecht und Menschenwürde e<strong>in</strong>willigungsunfähiger<br />

Menschen umfassend<br />

gewahrt werden und nicht zum Spielball<br />

fragwürdiger kommerzieller Interessen verkommen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 262<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Patientenverfügung<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Fraktion<br />

im Bundestag auf, die Anerkennung<br />

<strong>der</strong> Patientenverfügungen gesetzlich zu<br />

regeln. Die dar<strong>in</strong> im Falle e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schränkung<br />

ihrer Willens- und Entscheidungsfähigkeit<br />

festgelegte Form <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />

Behandlung muû gelten.<br />

Das Gesetz muû sicherstellen, daû Patientenwünsche<br />

verb<strong>in</strong>dlich und gleichzeitig<br />

die behandelnden ¾rzte vor strafrechtlichen<br />

Folgen geschützt s<strong>in</strong>d.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 263<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Isarvorstadt<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Mut zu e<strong>in</strong>er besseren<br />

Drogenpolitik<br />

Die <strong>SPD</strong> wird den e<strong>in</strong>geschlagenen Weg<br />

e<strong>in</strong>es Kurswechsels <strong>in</strong> <strong>der</strong> Drogenpolitik<br />

konsequent fortsetzen und <strong>in</strong> ihrem Regierungsprogramm<br />

1998 e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Alternative zur verfehlten Drogenpolitik<br />

<strong>der</strong> bisherigen Bundesregierung anbieten.<br />

Die Bundestagsfraktion und die Landesregierungen<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, die e<strong>in</strong>gebrachten<br />

Gesetzesentwürfe zum Betäubungsmittelgesetz<br />

weiterzuverfolgen und<br />

weiterh<strong>in</strong> abzustimmen mit den folgenden<br />

Zielen und Grundsätzen:


± die wissenschaftliche Erforschung von<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Behandlungsprogrammen<br />

von Drogenkranken auch <strong>in</strong> Deutschland<br />

zu erleichtern, damit die positiven Erfahrungen<br />

aus <strong>der</strong> Schweiz bei <strong>der</strong> Vergabe<br />

von Hero<strong>in</strong> an Schwerstabhängige auch<br />

bei uns nachvollziehbar und nutzbar<br />

werden: Über die Erkenntnisse aus den<br />

Behandlungsprogrammen ist jährlich zu<br />

berichten, um die gesellschaftliche<br />

Akzeptanz für die Probleme Suchtkranker<br />

zu erhöhen und ¾ngste bei <strong>der</strong><br />

Bevölkerung abzubauen;<br />

± die Substitutionstherapie mit Methadon<br />

und ähnlichem <strong>in</strong> den Leistungskatalog<br />

<strong>der</strong> Gesetzlichen Krankenversicherung<br />

aufzunehmen. Der Zugang zu diesen<br />

Therapien ist zu erleichtern und dadurch<br />

auch die weltweit nur <strong>in</strong> Deutschland<br />

e<strong>in</strong>gesetzte uns<strong>in</strong>nige Code<strong>in</strong>-Substitution<br />

e<strong>in</strong>zuschränken. Die psycho-soziale<br />

Betreuung Drogenkranker und entsprechende<br />

± auch ambulante ± Therapieformen<br />

und Präventionsleistungen müssen<br />

als Kassenauftrag erhalten bzw. wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>geführt<br />

und ausgeweitet werden. Die<br />

Kassenausgaben für Hepatitis, Aids und<br />

an<strong>der</strong>e Sekundärerkrankungen werden<br />

dadurch ebenso s<strong>in</strong>ken wie die immensen<br />

gesellschaftlichen Kosten <strong>der</strong> Beschaffungskrim<strong>in</strong>alität;<br />

± e<strong>in</strong>e bundese<strong>in</strong>heitliche Rechtslage zu<br />

schaffen, um <strong>in</strong> staatlich anerkannten<br />

Drogenhilfestellen, Kontakt- und Krisenzentren<br />

neben vielfältigen Therapieund<br />

Hilfsangeboten auch den hygienischen<br />

Verbrauch von Drogen zu dulden,<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Verwahrlosung Süchtiger vorbeugen,<br />

Kontakt zu ansonsten nicht<br />

erreichbaren Abhängigen herstellen und<br />

die mediz<strong>in</strong>ische Notfallversorgung<br />

erleichtern kann;<br />

± praktische Erfahrungen zur Trennung<br />

<strong>der</strong> Märkte von harten und weichen<br />

Drogen durch e<strong>in</strong>en Modellversuch zu<br />

ermöglichen, die wie<strong>der</strong>holten<br />

Beschlüsse <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>gesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />

zu realisieren und die Initiative<br />

Schleswig-Holste<strong>in</strong>s dabei ausdrücklich<br />

zu unterstützen;<br />

± bei <strong>der</strong> Strafverfolgung des Drogenkonsums<br />

zu e<strong>in</strong>er bundesgesetzlichen e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Regelung zu kommen und<br />

Herstellung, Erwerb und Besitz ger<strong>in</strong>ger<br />

Drogenmengen zum Eigenkonsum ohne<br />

Fremdgefährdung straflos zu stellen.<br />

Dies bedeutet ke<strong>in</strong>e Freigabe von Drogen,<br />

son<strong>der</strong>n für Polizei, Staatsanwaltschaften<br />

und Gerichte e<strong>in</strong> flexibleres und<br />

e<strong>in</strong>heitliches Vorgehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Strafverfolgung<br />

suchtkranker Menschen;<br />

± den Konsum von legalen und illegalen<br />

Drogen als millionenfache gesellschaftliche<br />

Realität wahrzunehmen und bei den<br />

bundesweiten Maûnahmen zur Suchtprävention<br />

Glaubwürdigkeit und gesellschaftliche<br />

Akzeptanz anzustreben: Dazu<br />

gehört bei <strong>der</strong> Aufklärung Jugendlicher<br />

auch e<strong>in</strong>e ihren realen Erfahrungen<br />

gerecht werdende Gefährlichkeitse<strong>in</strong>schätzung<br />

<strong>der</strong> verschiedenen Suchtstoffe.<br />

Nicht Strafe, son<strong>der</strong>n die För<strong>der</strong>ung<br />

e<strong>in</strong>es verantwortungsvollen Umgangs<br />

mit allen Rauschmitteln, die Vorsorge<br />

gegen gesundheitliche Schäden und die<br />

Hilfe für diejenigen, die solche benötigen,<br />

müssen im Vor<strong>der</strong>grund stehen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 264<br />

Landesverband Baden-Württemberg<br />

Drogenpolitik<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich für e<strong>in</strong>e neue Bewertung<br />

von Drogen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft e<strong>in</strong>.<br />

Ziel ist e<strong>in</strong>e Gleichbehandlung <strong>der</strong> Drogen<br />

Alkohol, Nikot<strong>in</strong> und Cannabis, bei gleichzeitiger<br />

klarer Trennung von den sogenannten<br />

harten Drogen wie Hero<strong>in</strong>,<br />

Koka<strong>in</strong>, Ecstasy etc.<br />

Dazu s<strong>in</strong>d folgende Maûnahmen zu ergreifen:<br />

Die E<strong>in</strong>fuhr, <strong>der</strong> Erwerb, Anbau, Besitz<br />

und Konsum von THC-haltigen Stoffen<br />

zum Eigenbedarf soll straffrei gestellt werden.<br />

347


THC-haltige Stoffe dürfen über geeignete<br />

E<strong>in</strong>richtungen wie z.B. Apotheken o<strong>der</strong><br />

spezielle Geschäfte abgegeben werden.<br />

Der Erwerb bzw. die Abgabe darf die<br />

Höchstmenge von 20 g nicht überschreiten.<br />

Die Abgabe hat nach den Regelungen des<br />

Jugendschutzgesetzes zu erfolgen und ist<br />

an Personen unter 18 Jahren nicht gestattet.<br />

Es besteht grundsätzliches Werbeverbot für<br />

Alkohol, Nikot<strong>in</strong> und Cannabis.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 265<br />

Kreisverband Erlangen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Betäubungsmittel<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t, Erwerb und Besitz ger<strong>in</strong>ger<br />

Mengen von Betäubungsmitteln straflos<br />

zu stellen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprgramms)<br />

Antrag I 267<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />

Verabschiedung des Arbeitsvertragsgesetzes<br />

Entsprechend <strong>der</strong> Beschluûlage <strong>der</strong> Partei<br />

auf allen Ebenen for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundesparteitag<br />

die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und<br />

die <strong>SPD</strong>-geführten Län<strong>der</strong> auf, den vom<br />

Land Brandenburg <strong>in</strong> das Gesetzgebungsverfahren<br />

e<strong>in</strong>gebrachten Entwurf e<strong>in</strong>es<br />

Arbeitsvertragsgesetzes beschleunigt zu<br />

behandeln und zu verabschieden.<br />

Neben den Tarifverträgen würde dieses<br />

Gesetz den Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmern<br />

die notwendige Rechtssicherheit<br />

348<br />

geben. Die Bundesregierung erfüllt ihren<br />

Auftrag aus Artikel 30 des E<strong>in</strong>igungsvertrages,<br />

e<strong>in</strong> solches Gesetz vorzulegen nicht,<br />

weil sie Kritik aus den Reihen <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />

an klaren gesetzlichen Regelungen<br />

befürchtet. Dem gegenüber wird neben <strong>der</strong><br />

Arbeitnehmerschaft gerade die Arbeitsgerichtsbarkeit<br />

e<strong>in</strong> solches Gesetz begrüûen,<br />

das gesellschaftlich notwendig und sozialpolitisch<br />

ausgewogen ist. Unter den gegebenen<br />

Umständen ist es beson<strong>der</strong>s wichtig,<br />

daû <strong>der</strong> vorliegende Gesetzentwurf von<br />

e<strong>in</strong>em neuen Bundesland e<strong>in</strong>gebracht worden<br />

ist.<br />

Die For<strong>der</strong>ung aus, dem Entwurf des<br />

Regierungsprogramms <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> für die<br />

Bundestagswahl 1994, die gesetzliche<br />

Grundlage für e<strong>in</strong>e sozial fortschrittliche<br />

Gestaltung aller Arbeitsverhältnisse zu<br />

schaffen, gew<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> Zeiten wachsen<strong>der</strong><br />

sozialer Kälte mehr denn je an Bedeutung.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 268<br />

Unterbezirk Hochsauerland<br />

(Bezirk Westliches Westfalen)<br />

Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz<br />

sichern<br />

Die Novellierung des 1972 verabschiedeten<br />

Betriebsverfassungsgesetzes <strong>in</strong> Bezug auf<br />

Mitbestimmungsmöglichkeiten <strong>der</strong><br />

Betriebsräte <strong>in</strong> Konzernunternehmen ist<br />

auf Grund <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />

geän<strong>der</strong>ten Unternehmens- bzw.<br />

Konzernstrukturen zu än<strong>der</strong>n. Das Mitbestimmungsrecht<br />

<strong>der</strong> Betriebsräte ist diesen<br />

Strukturen anzupassen. Zur Zeit ist die im<br />

Betriebsverfassungsgesetz geregelte Mitbestimmung<br />

lediglich auf die Unternehmensebene<br />

begrenzt. Die Unternehmen, vor<br />

allem Konzernunternehmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />

letzten Jahrzehnten dazu übergegangen,<br />

E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e rechtlich selbständige<br />

Unternehmen aufzuspalten, <strong>in</strong> denen für<br />

den jeweiligen Betriebsrat die Mitbestimmung<br />

an <strong>der</strong> Unternehmensgrenze endet.<br />

Über diese Grenze h<strong>in</strong>aus im Konzern, hat


<strong>der</strong> Konzernbetriebsrat lediglich Informations-<br />

und Anhörungsrechte, während alle<br />

unternehmerisch wichtigen Entscheidungen<br />

<strong>in</strong> konzernführenden Hold<strong>in</strong>g-Gesellschaften<br />

getroffen werden.<br />

Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t deshalb den<br />

<strong>SPD</strong>-Bundesvorstand und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

auf, nach e<strong>in</strong>er Regierungsübernahme<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> Bonn nach <strong>der</strong><br />

nächsten Bundestagswahl die betriebsverfassungsrechtlichenMitbestimmungsmöglichkeiten<br />

auf Konzernbetriebsräte zu<br />

erweitern.<br />

Wir for<strong>der</strong>n die Aufnahme <strong>in</strong> das Wahlprogramm<br />

<strong>der</strong> Bundes-<strong>SPD</strong> zur nächsten<br />

Bundestagswahl.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 269<br />

Unterbezirk Hochsauerland<br />

(Bezirk Westliches Westfalen)<br />

Novellierung<br />

Betriebsverfassungsgesetz<br />

Durch die §§ 106±109 BetrVG wird <strong>der</strong><br />

Betriebsrat nur unzulänglich an wirtschaftlichen<br />

Angelegenheiten beteiligt. Er steht<br />

mehr o<strong>der</strong> weniger auûen vor, wenn durch<br />

Miûmanagement o<strong>der</strong> durch unternehmerische<br />

Fehlentscheidung e<strong>in</strong> Unternehmen<br />

ru<strong>in</strong>iert wird. Erst danach hat <strong>der</strong> Betriebsrat<br />

im Rahmen <strong>der</strong> §§ 111±113 BetrVG die<br />

Möglichkeit durch e<strong>in</strong>en Interessenausgleich<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Sozialplan die Folgen<br />

unternehmerischer Fehlentscheidung mitzugestalten.<br />

Im Vorfeld begrenzen sich<br />

se<strong>in</strong>e Beteiligungsmöglichkeiten lediglich<br />

auf Informations- und Anhörungsrechte.<br />

Hier muû dem Betriebsrat e<strong>in</strong>e stärkere<br />

Mitbestimmung e<strong>in</strong>geräumt werden.<br />

Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t deshalb den<br />

<strong>SPD</strong>-Bundesvorstand und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

auf, nach e<strong>in</strong>er Regierungsübernahme<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> Bonn nach <strong>der</strong><br />

nächsten Bundestagswahl e<strong>in</strong>e Erweiterung<br />

<strong>der</strong> betriebsverfassungsrechtlichen Mitbe-<br />

stimmung auf wirtschaftliche Angelegenheiten<br />

gesetzlich zu verankern.<br />

Wir for<strong>der</strong>n die Aufnahme <strong>in</strong> das Wahlprogramm<br />

<strong>der</strong> Bundes-<strong>SPD</strong> zur nächsten<br />

Bundestagswahl.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 270<br />

Bezirk <strong>Hannover</strong><br />

Beamt<strong>in</strong>nen und Beamte<br />

Für Beamte wird e<strong>in</strong>e eigenständige Pensionskasse<br />

e<strong>in</strong>gerichtet, die analog zu den<br />

Regelungen <strong>der</strong> gesetzlichen Rentenversicherung<br />

Beiträge vom Staat und von den<br />

Beamten f<strong>in</strong>anziert wird und schrittweise<br />

die Pensionen <strong>der</strong> Beamten übernimmt.<br />

Dazu s<strong>in</strong>d auch die erfor<strong>der</strong>lichen ¾n<strong>der</strong>ungen<br />

des Grundgesetzes e<strong>in</strong>zuleiten. Bei<br />

dem schrittweisen Umbau ist durch e<strong>in</strong>e<br />

Anhebung <strong>der</strong> unteren Bruttogehälter für<br />

e<strong>in</strong>en sozialen Ausgleich zu sorgen.<br />

Weiterh<strong>in</strong> ist die E<strong>in</strong>stellung neuer Beamt<strong>in</strong>nen<br />

und Beamter nur noch für hoheitliche<br />

Aufgaben nach e<strong>in</strong>em strengen Maûstab<br />

vorzunehmen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 271<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Beamtenrecht<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

darauf h<strong>in</strong>zuarbeiten, daû das<br />

Beamtenrecht so geän<strong>der</strong>t wird, daû politische<br />

Beamte nach <strong>der</strong>en Ausscheiden aus<br />

dem jeweiligen Amt neben den zum<br />

Lebensunterhalt erfor<strong>der</strong>lichen Berufse<strong>in</strong>künften<br />

nicht gleichzeitig noch Pensionen<br />

349


zw. nicht mehrere Pensionen gleichzeitig<br />

erhalten.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 273<br />

Landesverband Sachsen<br />

Unterhaltsrecht m<strong>in</strong><strong>der</strong>jähriger<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Die Bundestagsfraktion wird beauftragt,<br />

e<strong>in</strong>e ¾n<strong>der</strong>ung des Unterhaltsvorschuûgesetzes<br />

anzustreben mit <strong>der</strong> Maûgabe, die<br />

Anspruchsberechtigung auf alle m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> ohne eigenes E<strong>in</strong>kommen<br />

auszuweiten.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 274<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />

Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />

Öffnungsklausel für<br />

auûergerichtliche<br />

Konfliktregelung<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />

Landesregierungen werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

durch e<strong>in</strong>e weit gefaûte Öffnungsklausel<br />

im E<strong>in</strong>führungsgesetz zur<br />

Zivilprozeûordnung und im Gesetz über<br />

die freiwillige Gerichtsbarkeit den Landesgesetzgebern<br />

die Möglichkeit zu geben,<br />

Verfahrensvorschriften so auszugestalten,<br />

daû sich e<strong>in</strong> breit gefächertes Angebot für<br />

auûergerichtliche Konfliktregelung bzw.<br />

Streitschlichtung entwickeln kann.<br />

Den Län<strong>der</strong>n muû e<strong>in</strong> wesentlich weiterer<br />

Rahmen als jetzt im Gesetzentwurf für<br />

§ 15a EGZPO vorgesehen für die E<strong>in</strong>führung<br />

des obligatorischen Vorverfahrens vor<br />

350<br />

<strong>der</strong> Gütestelle e<strong>in</strong>geräumt werden, damit<br />

alle vom Streitgegenstand her geeigneten<br />

Fälle auch mit höheren Streitwerten von<br />

vornhere<strong>in</strong> an entsprechende Gütestellen<br />

verwiesen werden können, sofern <strong>in</strong> dem<br />

jeweiligen Land geeignete Stellen zur Verfügung<br />

stehen. (Zu diskutieren wäre dies<br />

z. B. für familienrechtliche Streitigkeiten<br />

nach dem FGG wie Hausratsverteilungsverfahren,<br />

Wohnungszuweisung, Umgangsregelung<br />

mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d, wie auch die<br />

entsprechenden zivilprozessual zu lösenden<br />

Konflikte zwischen Partnern nichtehelicher<br />

Lebensgeme<strong>in</strong>schaften und Wohngeme<strong>in</strong>schaften,<br />

Unterlassungsansprüche zwischen<br />

Lebenspartnern (Belästigungsverbote pp)<br />

und an<strong>der</strong>es mehr.)<br />

Die Län<strong>der</strong> sollten weiter die Möglichkeit<br />

bekommen, vorzusehen, daû e<strong>in</strong> Gericht<br />

e<strong>in</strong> bereits laufendes Verfahren für e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>igungsversuch <strong>in</strong> Schlichtungsverfahren<br />

unterschiedlichster Art (Mediation/rechtlich<br />

orientierte Schlichtungsverfahren/fachlich<br />

orientierte Güteverfahren mit Sachverständigen<br />

u. a.m.) überweisen kann.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 275<br />

Unterbezirk <strong>Hannover</strong>-Stadt<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

Mitwirkung <strong>der</strong> Städte und<br />

Geme<strong>in</strong>den an <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />

verbessern<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Fraktionen <strong>der</strong><br />

Landtage und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />

auf, die Initiative zu ergreifen, um durch<br />

die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er ¹Kommunalkammerª<br />

<strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen und auf Bundesebene die<br />

Beteiligung <strong>der</strong> Städte und Geme<strong>in</strong>den an<br />

<strong>der</strong> Gesetzgebung zu verbessern.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktionen)


Antrag I 276<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />

Kommunalpolitische Initiative<br />

Der demographische Wandel, d.h. Alterung<br />

und Abnahme <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen<br />

Bevölkerung, ist schon heute <strong>in</strong> den Städten,<br />

beson<strong>der</strong>s den Groû- und Mittelstädten,<br />

spürbar. Die Folgen <strong>der</strong> steigenden<br />

Lebenserwartung und kont<strong>in</strong>uierlich niedriger<br />

Geburtenraten werden noch verstärkt<br />

durch die überdurchschnittliche Abwan<strong>der</strong>ung<br />

von Jungen und den Zuzug von ¾lteren.<br />

Ab 2010 werden die geburtenstarken<br />

Jahrgänge <strong>in</strong> den Ruhestand wechseln. Das<br />

Verhältnis <strong>der</strong> ¾lteren zu an<strong>der</strong>en Gruppen<br />

<strong>der</strong> Stadtbevölkerungen wird sich dann von<br />

1 zu 3 auf 1 zu 2 verän<strong>der</strong>n. Neue soziale<br />

Situationen s<strong>in</strong>d im kommunalen Raum<br />

direkt erfahrbar, ebenso wie <strong>der</strong> Erfolg<br />

o<strong>der</strong> Miûerfolg politischen Planens und<br />

Handelns.<br />

Die AG <strong>SPD</strong> 60 plus wird e<strong>in</strong>e kommunalpolitische<br />

Initiative auf allen Ebenen<br />

ergreifen. Die <strong>SPD</strong> begrüût und unterstützt<br />

diese Initiative. Die Ergebnisse sollen<br />

für die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Handlungsanleitung<br />

bieten und <strong>in</strong> die Arbeit <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>flieûen.<br />

Die kommunalpolitische Initiative <strong>der</strong> AG<br />

<strong>SPD</strong> 60 plus wird sich mit Themen und<br />

Positionen beschäftigen, die die Fachdiskussion<br />

als neue Leitl<strong>in</strong>ien bestimmen und<br />

mit denen sich die Politik kritisch ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen<br />

soll.<br />

Zielpunkt ist e<strong>in</strong> bundesweiter Kongreû im<br />

Frühsommer 1999, <strong>der</strong> durch Fach- und<br />

Verbändegespräche, Veröffentlichungen<br />

und Sem<strong>in</strong>arangebote vorbereitet wird.<br />

In <strong>der</strong> Vorbereitung wird sich die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit folgenden<br />

Themen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen:<br />

Initiativen zur nachberuflichen Tätigkeit;<br />

För<strong>der</strong>ungsmodelle des Ehrenamtes;<br />

Selbsthilfe-Netzwerke ¾lterer; Gesund-<br />

heitspolitik; Dienstleistungen und ihre<br />

Qualitätssicherung; Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierung;<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an mo<strong>der</strong>ne Altenplanung;<br />

Stadtplanung/Stadtentwicklung/<br />

Kulturpolitik.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 277<br />

Bezirk <strong>Hannover</strong><br />

Opferrenten für NS-Verbrecher<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t, daû die rechtlichen<br />

Grundlagen für die Zahlung von Opferrenten<br />

für NS-Verbrecher (auch <strong>der</strong> im Ausland<br />

lebenden) und <strong>der</strong>en Angehörige<br />

überprüft und ggf. geän<strong>der</strong>t werden.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 278<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Hettenshausen<br />

Kreisverband Pfaffenhofen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Handwerksordnung<br />

Die Bundestagsfraktion und die Mitglie<strong>der</strong><br />

des Bundesrates <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Deutschlands werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

e<strong>in</strong>e ¾n<strong>der</strong>ung des Gesetzes zur Ordnung<br />

des Handwerkes (Handwerksordnung) <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Richtung herzuführen, daû es jeden<br />

Staatsbürger erlaubt wird, se<strong>in</strong> Recht auf<br />

freie Berufsausübung auszuüben. Ebenso<br />

ist es fraglich ob die deutsche Gesetzesgebung<br />

hier nicht mit dem Europäischen<br />

Recht kollidiert. Deshalb ist e<strong>in</strong>e Streichung<br />

o<strong>der</strong> ¾n<strong>der</strong>ung sämtlicher Paragraphen,<br />

die dieses Grundrecht e<strong>in</strong>schränken<br />

dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich. Denkbar wäre alternativ<br />

e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung des § 8 (HwO) <strong>in</strong><br />

dem S<strong>in</strong>n die Kannbestimmung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Muûbestimmung umzuwandeln.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

351


Antrag I 279<br />

Unterbezirk Northeim-E<strong>in</strong>beck<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

Vergaberichtl<strong>in</strong>ien<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, die Vergaberichtl<strong>in</strong>ien<br />

<strong>der</strong> öffentlichen Hände dah<strong>in</strong>gehend<br />

zu än<strong>der</strong>n, dass Betriebe, die ausbilden<br />

o<strong>der</strong> Ausbildungsplätze vorhalten, bei<br />

<strong>der</strong> Vergabe öffentlicher Aufträge unbed<strong>in</strong>gt<br />

bevorzugt behandelt werden. Öffentliche<br />

Aufträge s<strong>in</strong>d von sozialversicherungspflichtiger<br />

Beschäftigung und<br />

Tarifgebundenheit abhängig zu machen.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />

Landtagsfraktionen)<br />

Antrag I 280<br />

Landesverband Berl<strong>in</strong><br />

Prostitution als Beruf<br />

Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion<br />

soll sich dafür e<strong>in</strong>setzen, daû Prostitution<br />

als Beruf anerkannt wird. Dazu gehört<br />

vor allem:<br />

± die ¾n<strong>der</strong>ung des § 138 BGB, <strong>der</strong> die<br />

Sittenwidrigkeit von Prostitution festlegt<br />

und damit die Ursache für die Nichtigkeit<br />

von Rechtsgeschäften mit Prostituierten<br />

ist, und<br />

± die Abschaffung <strong>der</strong> Verwehrung <strong>der</strong><br />

Aufnahme <strong>in</strong> die Kranken-, Renten-,<br />

Arbeitslosen und Unfallversicherung.<br />

(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />

Antrag I 282<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Kiel-Süd-West<br />

(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

Offenlegung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverhältnisse<br />

von Abgeordneten<br />

Dem letzten ordentlichen Bundesparteitag<br />

haben mehrere Anträge mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />

nach Offenlegung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverhält-<br />

352<br />

nisse von Abgeordneten vorgelegen. Die<br />

Antragskommission hatte den folgenden<br />

IR 27 e<strong>in</strong>es Ortsvere<strong>in</strong>s aus Baden-Württemberg<br />

zur Annahme vorgeschlagen:<br />

¹Die Abgeordneten im Bundestag werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, sich <strong>in</strong> ihrer Fraktion dafür<br />

e<strong>in</strong>zusetzen, daû e<strong>in</strong>e gesetzliche Grundlage<br />

geschaffen wird, nach <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />

des Bundes- und <strong>der</strong> Landtage ihre Nebentätigkeiten<br />

und die daraus resultierenden<br />

E<strong>in</strong>künfte offenlegen müssen.ª<br />

Da aus zeitlichen Gründen e<strong>in</strong>e Beschluûfassung<br />

durch den Bundesparteitag nicht<br />

möglich war, wurde <strong>der</strong> Antrag an den Parteirat<br />

überwiesen, <strong>der</strong> ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er<br />

ersten Sitzungen nach dem Bundesparteitag<br />

ordnungsgemäû beschlossen hat.<br />

1. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

dem auûerordentlichen Bundesparteitag<br />

schriftlich zu berichten, was die Bundestagsfraktion<br />

und die e<strong>in</strong>zelnen Landtagsfraktionen<br />

zur Umsetzung dieses<br />

nach den Parteistatuten verb<strong>in</strong>dlichen<br />

Beschlusses <strong>in</strong>zwischen unternommen<br />

haben.<br />

2. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

soweit e<strong>in</strong>e gesetzliche Umsetzung an<br />

den Mehrheitsverhältnissen scheitert,<br />

die Bundestagsfraktion und die Landtagsfraktionen<br />

zu veranlassen, durch<br />

Ergänzungen <strong>der</strong> jeweiligen Geschäftsordnungen<br />

die Offenlegung aller steuerpflichtigen<br />

Nebene<strong>in</strong>künfte <strong>der</strong> Abgeordneten<br />

zu gewährleisten.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 32<br />

Groûer Lauschangriff<br />

Der Bundesparteitag nimmt den Zwischenbericht<br />

<strong>der</strong> Verhandlungskommission zur<br />

Umsetzung des <strong>Parteitag</strong>sbeschlusses von<br />

Wiesbaden 1993 zur Kenntnis.<br />

Um sicherzustellen, daû auch bei entschiedener<br />

Bekämpfung <strong>der</strong> Organisierten Krim<strong>in</strong>alität<br />

e<strong>in</strong> effektiver Grundrechtsschutz


aufrechterhalten wird, und um den Schutz<br />

<strong>der</strong> Privatsphäre und e<strong>in</strong>em freiheitlichen<br />

Klima <strong>in</strong> unserer Gesellschaft Rechnung zu<br />

tragen, for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Bundesparteitag folgende<br />

Klarstellungen:<br />

1. Beichte und seelsorgerisches Gespräch<br />

dürfen <strong>in</strong>nerhalb und auûerhalb von<br />

Wohnungen nicht akustisch überwacht<br />

werden. Das ist unverrückbar und unbezweifelbar<br />

klarzustellen.<br />

2. Gespräche im Rahmen beson<strong>der</strong>er Vertrauensverhältnisse<br />

<strong>in</strong>nerhalb und auûerhalb<br />

von Wohnungen (z.B. das Arzt-<br />

Patienten-Verhältnis o<strong>der</strong> das Anwalts-<br />

Mandanten-Verhältnis) müssen durch<br />

beson<strong>der</strong>e Beweiserhebungs- o<strong>der</strong><br />

Beweisverwertungsverbote verfassungsfest<br />

geschützt werden.<br />

3. Die akustische Wohnraumüberwachung<br />

muû aufgrund des damit immer verbundenen<br />

Grundrechtse<strong>in</strong>griffes auf den<br />

kle<strong>in</strong>en Kreis hochgefährlicher schwerer<br />

Strafttaten, die zur Organisierten Krim<strong>in</strong>alität<br />

führen (wozu auch Korruptionsdelikte<br />

gehören), begrenzt werden. Er<br />

muû verfahrensmäûig durch die B<strong>in</strong>dung<br />

<strong>der</strong> Anordnungsbefugnis an e<strong>in</strong>en<br />

OLG-Senat und durch die nachträgliche<br />

Benachrichtigung <strong>der</strong> Betroffenen noch<br />

besser abgesichert werden.<br />

4. Der präventive Lauschangriff ist strikt<br />

auf die Abwehr e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>en Gefahr<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Lebensgefahr zu begrenzen.<br />

5. Abhörmaûnahmen müssen laufend richterlich<br />

überwacht und dabei unzulässige<br />

Aufzeichnungen <strong>der</strong> Vernichtung zugeführt<br />

werden.<br />

6. Der Bundesparteitag betont die Aufrechterhaltung<br />

des Trennungsgebotes<br />

und lehnt die E<strong>in</strong>beziehung von Verfassungsschutzbehörden<br />

<strong>in</strong> den Bereich <strong>der</strong><br />

Verbrechensbekämpfung weiterh<strong>in</strong> ab.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 48<br />

Gegen die unmenschliche Abschiebepraxis<br />

<strong>der</strong> bayerischen<br />

Staatsregierung<br />

Der Bundesparteitag <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> wendet sich<br />

mit Abscheu gegen die <strong>in</strong>humane Abschiebepraxis<br />

<strong>der</strong> Bayerischen Staatsregierung!<br />

Wir unterstützen die Bemühungen des<br />

¹Asylkreises Eichenauª und des ¹Unterstützerkreises<br />

Zanª, für die Familie Zan e<strong>in</strong><br />

Bleiberecht zu erreichen.<br />

Familie Zan, kurdische Türken (Eltern und<br />

sechs K<strong>in</strong><strong>der</strong>, geb. zwischen 1980 und<br />

1989) lebt seit 1989 im Landkreis Fürstenfeldbruck/Bayern.<br />

Der Vater war <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Türkei wegen se<strong>in</strong>er Weigerung, als Dorfschütze<br />

zu arbeiten, drei und sechs Monate<br />

<strong>in</strong> Haft. 1991 und 1994 wurden Asylantrag<br />

bzw. Asylfolgeantrag abgelehnt, von 1994<br />

bis April 1996 lebte die Familie mit Landkreisduldung<br />

<strong>der</strong> damaligen <strong>SPD</strong>-Landrät<strong>in</strong><br />

im Kreis Fürstenfeldbruck. Zahlreiche<br />

Petitionen beim Bayerischen Landtag, u. a.<br />

durch Caritaspfarrer Neuhauser aus München<br />

und Hans-Jochen Vogel, blieben<br />

erfolglos.<br />

Familie Zan erfüllt sämtliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>der</strong> Härtefallregelung für e<strong>in</strong>e Aufenthaltsgewährung:<br />

± sie lebt sei 1989 ununterbrochen <strong>in</strong><br />

Deutschland<br />

± sie verfügt über e<strong>in</strong>e für ihre acht Familienangehörigen<br />

ausreichende Wohnung,<br />

die sie auch aus eigenen Mitteln bezahlt<br />

± sie hat e<strong>in</strong> festes monatliches E<strong>in</strong>kommen,<br />

das sie vom Bezug staatlicher<br />

Sozialleistungen unabhängig macht<br />

± die Eltern sowie die nicht mehr schulpflichtige<br />

Tochter haben feste Arbeitsplätze<br />

Die Bayerische Staatsregierung verlangt<br />

jetzt unter H<strong>in</strong>weis, nicht für 40 an<strong>der</strong>e<br />

Fälle (Familien!) e<strong>in</strong>en Präzedenzfall schaffen<br />

zu wollen, daû die Bed<strong>in</strong>gungen für die<br />

Anerkennung als Härtefall bereits zum<br />

Zeitpunkt <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> Härte-<br />

353


fallregelung am 29. 3. 96 hätten erfüllt se<strong>in</strong><br />

müssen.<br />

Dies wi<strong>der</strong>spricht dem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> humanitärer<br />

Weise anzuwendenden Härtefallregelung,<br />

bei <strong>der</strong> Raum zur Lösung für<br />

beson<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>zelfälle bleiben muû.<br />

354<br />

Der Bundesparteitag <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> verurteilt die<br />

hartherzige auslän<strong>der</strong>rechtliche Praxis <strong>der</strong><br />

bayerischen Staatsregierung.<br />

(Angenommen)


Jugend- und Bildungspolitik<br />

Antrag I 283<br />

Parteivorstand<br />

Bildung für die Zukunft ± Bildung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lernfähigen und<br />

lernenden Gesellschaft<br />

Wir wollen unser Land auf das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

vorbereiten. Wir wollen e<strong>in</strong>e neue<br />

Politik durchsetzen, die Bildung und Wissenschaft,<br />

Qualifikation und Innovation<br />

e<strong>in</strong>en neuen Stellenwert gibt und unser<br />

Land wie<strong>der</strong> zukunftsfähig macht. Wir<br />

wollen e<strong>in</strong>e Bildungspolitik, die junge und<br />

erwachsene Menschen darauf vorbereitet,<br />

daû die Menschheit nur mit e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />

Entwicklung e<strong>in</strong>e selbstbestimmte<br />

Zukunft haben wird.<br />

Unser Land braucht e<strong>in</strong>e neue Regierung.<br />

Die jetzige Bundesregierung hat <strong>in</strong> 15 Jahren<br />

Regierungstätigkeit die Grundlagen für<br />

die Bewältigung des Strukturwandels und<br />

den sozialen Zusammenhalt aufs Spiel<br />

gesetzt. Weit über vier Millionen Arbeitslose,<br />

darunter e<strong>in</strong>e halbe Million Jugendliche<br />

unter 25 Jahren und die auf über zwei<br />

Billionen Mark angestiegene Staatsverschuldung<br />

s<strong>in</strong>d hierfür Beleg.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird <strong>in</strong> ihrem Regierungsprogramm<br />

1998 Bildung, Qualifikation und<br />

Innovation, Forschung und Wissenschaft,<br />

e<strong>in</strong>en zentralen Stellenwert geben und<br />

zugleich deutlich machen, daû und <strong>in</strong> welchem<br />

Umfang sie die Bildungsausgaben<br />

des Bundes, die unter <strong>der</strong> konservativen<br />

Regierung e<strong>in</strong>en zukunftsschädigenden<br />

Tiefstand erreicht haben, ausweiten wird.<br />

Den Herausfor<strong>der</strong>ungen des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

kann nur e<strong>in</strong>e lernfähige Politik <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er lernfähigen Gesellschaft gerecht werden.<br />

± In <strong>der</strong> lernenden Gesellschaft muû<br />

lebenslanges Lernen ermöglicht und<br />

geför<strong>der</strong>t werden: Lernen <strong>in</strong> Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />

ebenso wie <strong>in</strong>formelles, <strong>in</strong>dividuelles<br />

Lernen; denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> lernenden<br />

Gesellschaft s<strong>in</strong>d Bildung und Ausbildung<br />

ke<strong>in</strong>e abgeschlossene Lebensphase,<br />

son<strong>der</strong>n ständige Aufgabe. Wir müssen<br />

uns orientieren an den vier Pr<strong>in</strong>zipien<br />

<strong>der</strong> lernenden Gesellschaft: Lernen zu<br />

lernen, lernen zu handeln, lernen für das<br />

Leben und Lernen für das Zusammenleben.<br />

± Die Gesellschaft muû lernen, daû das<br />

Wohlstandsmodell <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong><br />

die Lebensgrundlagen <strong>der</strong> gesamten<br />

Menschheit gefährdet: Globales Lernen<br />

und Umweltbildung als Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong>e an Nachhaltigkeit orientierte<br />

Denk- und Handlungsweise muû deshalb<br />

die Lernprozesse <strong>in</strong> allen Bereichen des<br />

Bildungswesens bestimmen. Unser Bildungssystem<br />

muû junge und erwachsene<br />

Menschen dazu befähigen, die Dynamik<br />

<strong>der</strong> beschleunigten ökologischen Verän<strong>der</strong>ungen<br />

zu begreifen und daraus<br />

Schluûfolgerungen für <strong>in</strong>dividuelles und<br />

gesellschaftliches Handeln zu ziehen.<br />

Deshalb müssen wir immer wie<strong>der</strong> neue<br />

Bildungschancen eröffnen. Wir müssen die<br />

unterschiedlichen Ausbildungsgänge durchlässig<br />

gestalten und flieûende und wechselnde<br />

Übergänge zwischen Bildung und<br />

Beruf schaffen. Dar<strong>in</strong> unterscheidet sich<br />

sozialdemokratische von konservativer<br />

Politik. Konservative wollen mit ideologisierten<br />

Schlagworten wie Wettbewerb und<br />

Eliteför<strong>der</strong>ung die Bildungsübergänge<br />

erschweren, frühzeitige Selektion und Privilegien<br />

erhalten und den Zugang zu Bildung<br />

wenigen, die über Marktmacht und<br />

Vermögen verfügen, vorbehalten.<br />

± Wir wollen die aufklärende und <strong>in</strong>tegrierende<br />

Kraft von Bildung stärken und<br />

355


356<br />

nutzen, um so Spaltungstendenzen und<br />

Ausgrenzungen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />

entgegenzuwirken. Die Schule als Ort, <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aller gesellschaftlichen<br />

Schichten begegnen, ist <strong>der</strong> wichtigste<br />

Ort für Integration <strong>in</strong> unserer<br />

Gesellschaft. Berufliche Bildung <strong>in</strong><br />

Betrieben, Schulen und Hochschulen<br />

eröffnen <strong>der</strong> jungen Generation den<br />

besten Zugang zur Arbeitswelt. Durch<br />

Bildung wird auch e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong><br />

Beitrag für das Zusammenwachsen<br />

Deutschlands, für die <strong>in</strong>nere E<strong>in</strong>heit<br />

Deutschlands geleistet.<br />

± Chancengleichheit bleibt für uns e<strong>in</strong><br />

unverrückbares Ziel. Wir bleiben dabei,<br />

daû Bildungschancen allen nach ihren<br />

Neigungen und Fähigkeiten offenstehen<br />

müssen und daû die Bildungsangebote<br />

sich an alle <strong>in</strong> geeigneter Weise zu wenden<br />

haben. Den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die aus bildungsferneren<br />

Schichten kommen o<strong>der</strong><br />

aus an<strong>der</strong>en Gründen e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en<br />

Ansprache und För<strong>der</strong>ung bedürfen, gilt,<br />

unser beson<strong>der</strong>es Augenmerk. Aber auch<br />

die Leistungsfähigeren werden wir ihren<br />

Möglichkeiten entsprechend for<strong>der</strong>n und<br />

för<strong>der</strong>n. Dabei halten wir daran fest, daû<br />

die Teilhabe an Bildung gegenüber <strong>der</strong><br />

Gesellschaft verpflichtet.<br />

± Bildung ist nicht nur e<strong>in</strong> Gut für den<br />

E<strong>in</strong>zelnen und se<strong>in</strong> Fortkommen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft; Bildung dient dem allgeme<strong>in</strong>en<br />

Wohlstand. Möglichst viele lernende<br />

und qualifizierte Menschen schaffen<br />

nicht nur die Voraussetzung für die<br />

wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit<br />

unserer Gesellschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft;<br />

durch Bildung bestimmt sich Deutschland<br />

auch als Kulturnation. Die systematische<br />

Weiterentwicklung und Umsetzung<br />

unseres Wissens schafft zugleich<br />

die Basis für die Bewältigung von<br />

Zukunftsproblemen; deshalb ist Bildung<br />

für uns Sozialdemokraten nicht nur e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>dividuelles, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> schutzwürdiges<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsgut.<br />

± Wir wollen deshalb die grundgesetzliche<br />

Garantie und die öffentliche Verantwor-<br />

tung für das Bildungswesen wahren:<br />

Zugleich wollen wir sowohl die Eigenverantwortlichkeit<br />

<strong>der</strong> Lehrenden als<br />

auch e<strong>in</strong>zelnen Institutionen stärken.<br />

Wir wollen den Institutionen des Lernens<br />

neue selbstverantwortete Gestaltungsspielräume<br />

geben und staatliche<br />

Verantwortung stärker durch Zielvorgaben<br />

und Ergebnisbewertung (<strong>in</strong> den<br />

Schulen: beratende Aufsicht) als durch<br />

Ablaufkontrolle und starre Verwaltungsvorgaben<br />

ausüben. In diesem S<strong>in</strong>ne wollen<br />

wir Schule und Hochschule neu denken<br />

und gestalten.<br />

± Ausbildung für alle soll nicht nur das<br />

<strong>in</strong>dividuelle Bedürfnis <strong>der</strong> Jugend nach<br />

bestmöglicher beruflicher Qualifizierung<br />

erfüllen, son<strong>der</strong>n auch den Wirtschaftsstandort<br />

Deutschland <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phase<br />

beson<strong>der</strong>er wirtschaftlicher und politischer<br />

Herausfor<strong>der</strong>ungen stärken. Staatliche<br />

und betriebliche Aufwendungen zur<br />

Realisierung dieses Zieles s<strong>in</strong>d als Investitionen<br />

<strong>in</strong> die Zukunft <strong>der</strong> Menschen<br />

unseres Landes und Europas zu betrachten.<br />

Deshalb ist für uns die nachhaltige<br />

Sicherung des dualen Systems <strong>der</strong><br />

Berufsausbildung e<strong>in</strong> zentrales politisches<br />

Ziel.<br />

± Wir wollen den Generationenvertrag<br />

zugunsten <strong>der</strong> Bildung erneuern, <strong>der</strong><br />

allen Jugendlichen neue Chancen bietet.<br />

Wir wissen, daû Solidarität mit den Jungen<br />

bedeutet, ihnen Wege zu Bildung<br />

und Qualifikation zu eröffnen und damit<br />

zugleich die Voraussetzung dafür zu<br />

schaffen, daû sie wie<strong>der</strong>um zukünftig den<br />

Generationenvertrag gegenüber den<br />

¾lteren ihrerseits werden e<strong>in</strong>lösen können.<br />

Zur Vorbereitung des Regierungsprogramms<br />

wird die <strong>SPD</strong> die Bildungsdebatte<br />

mit den vielen Interessierten, den jungen<br />

Menschen, den Eltern, Groûeltern, Arbeitnehmern<br />

und Arbeitgebern sowie den Lehrer<strong>in</strong>nen<br />

und Lehrern führen. So wollen<br />

wir e<strong>in</strong> Klima für die lernende Gesellschaft<br />

<strong>der</strong> Zukunft schaffen.


1. Bildung: Priorität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialen<br />

Demokratie<br />

Bildung und Qualifikation s<strong>in</strong>d von entscheiden<strong>der</strong><br />

Bedeutung für die Lebenschancen<br />

<strong>der</strong> Menschen, für die Zukunft <strong>der</strong><br />

sozialen Demokratie <strong>in</strong> Deutschland und<br />

nicht zuletzt für die wirtschaftliche, ökologische<br />

und kulturelle Entwicklung und<br />

damit für den allgeme<strong>in</strong>en Wohlstand<br />

unseres Landes.<br />

Willy Brandt hat 1969 mit <strong>der</strong> sozialliberalen<br />

Bundesregierung ebenso wie seither<br />

sozialdemokratisch geführte Bundes- und<br />

Landesregierungen die Weichen dafür<br />

gestellt, daû im Westen Deutschlands Bildung<br />

für viele und mehr Chancengleichheit<br />

möglich wurden. Mehr Demokratie wagen,<br />

gleiche Chancen für alle, Durchlässigkeit<br />

und Gleichwertigkeit von beruflicher und<br />

allgeme<strong>in</strong>er Bildung ± das waren und s<strong>in</strong>d<br />

bis heute unsere Leitziele.<br />

Den Bildungswillen <strong>der</strong> Menschen konnte<br />

auch die konservative Bundesregierung<br />

nicht aufhalten. Nie zuvor, läût sich nach<br />

den Jahren <strong>der</strong> Reform und des Ausbaus<br />

im Westen und nach <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong><br />

Erneuerung im Osten unseres Landes<br />

sagen, hat es <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>e so gut<br />

ausgebildete junge Generation und so gute<br />

Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e lernfähige, für<br />

e<strong>in</strong>e lernende Gesellschaft gegeben.<br />

Trotzdem haben wir nach 15 Jahren konservativer<br />

Regierung <strong>in</strong> Bonn e<strong>in</strong>en<br />

Höchststand <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und<br />

Staatsverschuldung bei höchster Abgabenlast<br />

für die Familien; und dennoch haben<br />

wir e<strong>in</strong>en Tiefstand <strong>der</strong> Bildungs- und Forschungsausgaben<br />

des Bundes. Unser Bildungssystem<br />

ist durch die Konservativen<br />

massiv gefährdet. Die junge Generation hat<br />

deshalb allen Grund mit Sorge und Pessimismus<br />

<strong>in</strong> die Zukunft zu blicken.<br />

Wer Innovation will, muû zur Verän<strong>der</strong>ung<br />

bereit se<strong>in</strong>; deshalb werden wir Sozialdemokraten<br />

neue Wege und Instrumente zur<br />

Erreichung unserer Ziele entwickeln. Wir<br />

werden jedoch an unseren Grundwerten<br />

festhalten, wenn es um die Verteidigung<br />

des Sozialstaates und des Kulturstaates<br />

geht.<br />

2. Der Ertrag <strong>der</strong> Bildungsreform<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Schulen, alle Lernorte <strong>der</strong><br />

dualen Berufsausbildung, Hochschulen und<br />

Institutionen <strong>der</strong> Weiterbildung, <strong>in</strong> denen<br />

heute gelernt und gelehrt wird, haben im<br />

Westen seit den Aufbruchsjahren <strong>der</strong> Bildungsreform<br />

und im Osten seit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung<br />

e<strong>in</strong>en kaum vorstellbaren Expansions-<br />

und Wandlungsprozeû durchlaufen.<br />

Das Qualifikations- und Bildungsniveau<br />

<strong>der</strong> heute im Arbeits- und Berufsleben Stehenden<br />

ist hoch; und die Nachfrage nach<br />

qualifizierter Bildung und Ausbildung ist<br />

ungebrochen. 17 Millionen Menschen lernen<br />

<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Schulen und Hochschulen;<br />

etwa 20 Millionen Menschen<br />

beteiligen sich an <strong>der</strong> Weiterbildung. Den<br />

allergröûten Teil <strong>der</strong> Bildungsausgaben tragen<br />

die Län<strong>der</strong>, die ger<strong>in</strong>gsten trägt mit<br />

dramatisch abnehmen<strong>der</strong> Tendenz <strong>der</strong><br />

Bund. Aufbau und Reform haben die Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />

und ihre Inhalte verän<strong>der</strong>t.<br />

± Im Westen f<strong>in</strong>den drei von vier K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />

im Osten nahezu jedes K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>en Platz<br />

im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten. Der Alltag <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten<br />

ist mehr als je zuvor k<strong>in</strong>dgerecht<br />

gestaltet.<br />

± Die Grundschulen s<strong>in</strong>d zu Zentren pädagogischer<br />

Reformen geworden. Ihre<br />

Arbeit strahlt <strong>in</strong> die weiterführenden<br />

Schulen aus. Dort haben die Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die von den <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten<br />

Umwelt heranwachsenden Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schülern sowie von <strong>der</strong><br />

Entwicklung <strong>der</strong> Gesamtschule ausgehen,<br />

e<strong>in</strong>en tiefgreifenden Wandlungsprozeû<br />

e<strong>in</strong>geleitet. Dieser Prozeû hat durch<br />

die Entwicklung <strong>in</strong> den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

e<strong>in</strong>en neuen Antrieb bekommen.<br />

± Neun von zehn jungen Menschen verfügen<br />

heute über e<strong>in</strong>e abgeschlossene<br />

Berufsausbildung. Die duale Berufsausbildung<br />

hat sich <strong>in</strong> Betrieb und Berufsschule<br />

als wandlungsfähig erwiesen; und<br />

sie gilt weltweit als vorbildlich. Um so<br />

357


dramatischer ist es, daû die s<strong>in</strong>kende<br />

Ausbildungsbereitschaft <strong>der</strong> Betriebe das<br />

System <strong>der</strong> dualen Berufsausbildung <strong>in</strong>sgesamt<br />

<strong>in</strong> Frage stellt. Im Osten<br />

Deutschlands ist nach <strong>der</strong> seit 1990 e<strong>in</strong>geleiteten<br />

Umstrukturierung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wirtschaft und im Bildungswesen die<br />

Ausbildungsbereitschaft <strong>der</strong> Betriebe<br />

noch zu wenig entwickelt.<br />

± Insgesamt hat an den Hochschulen e<strong>in</strong><br />

Prozeû <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Reform und <strong>der</strong><br />

Neuorientierung <strong>in</strong> Lehre und Forschung<br />

e<strong>in</strong>gesetzt; sie haben damit kreativ<br />

und mit hohem Engagement auf die<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung reagiert, die durch die<br />

hohe Bildungsbereitschaft <strong>der</strong> jungen<br />

Menschen auf sie zugekommen ist. Die<br />

Hochschulen s<strong>in</strong>d dabei, ihre Studienangebote<br />

<strong>der</strong> um e<strong>in</strong> Mehrfaches gestiegenen<br />

Nachfrage anzupassen.<br />

Die Haushaltsmittel <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> für die<br />

Hochschulen haben jedoch mit den gestiegenen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen nicht Schritt halten<br />

können. Mangelnde Unterstützung und<br />

säumige Zahlung durch den Bund bei <strong>der</strong><br />

Hochschulbauför<strong>der</strong>ung haben zu beklagenswerten<br />

Zuständen an unseren Hochschulen<br />

geführt und den Aufbau <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />

E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> den<br />

neuen Län<strong>der</strong>n beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. H<strong>in</strong>zu kommen<br />

<strong>der</strong> Kahlschlag des Bundes beim BAföG<br />

und die s<strong>in</strong>kenden Mittel für die Forschung.<br />

± Die Weiterbildung, vor allem die berufliche<br />

Weiterbildung ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fortdauernden<br />

Expansionsprozeû; dies ist e<strong>in</strong>e<br />

Antwort auf die Anfor<strong>der</strong>ungen des<br />

Strukturwandels <strong>der</strong> Wirtschaft. Um so<br />

nachteiliger ist die Beschränkung <strong>der</strong><br />

För<strong>der</strong>möglichkeiten für Weiterbildung<br />

zum Beispiel im Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz.<br />

± Mädchen und junge Frauen haben im<br />

allgeme<strong>in</strong>bildenden Schulsystem gegenüber<br />

Jungen und jungen Männern aufgeholt.<br />

Seit 1995 stellen junge Frauen<br />

unter den Erstsemestern <strong>in</strong> Deutschland<br />

erstmals die Mehrheit; allerd<strong>in</strong>gs ist im<br />

Mittelbau <strong>der</strong> Hochschulen und unter<br />

den Professoren <strong>der</strong> Frauenanteil noch<br />

viel zu ger<strong>in</strong>g.<br />

358<br />

Die hohe Bildungsbeteiligung ist nach Auffassung<br />

<strong>der</strong> Sozialdemokraten e<strong>in</strong> wichtiger<br />

Pluspunkt für unserer Zukunftsfähigkeit.<br />

Wir wollen die Bildungsbeteiligung <strong>in</strong> ganz<br />

Deutschland weiter ausbauen und dabei die<br />

Priorität auf Reformen legen, den wirtschaftlichen<br />

Fortschritt und die Erneuerung<br />

unserer Gesellschaft beför<strong>der</strong>n. Vor<br />

allem <strong>in</strong> den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n ist<br />

die Erweiterung <strong>der</strong> Bildungsangebote auf<br />

<strong>der</strong> Tagesordnung: Die wirtschaftliche<br />

sowie die soziale Entwicklung s<strong>in</strong>d dort<br />

mehr noch als <strong>in</strong> den westlichen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

auf e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> Bildungsbeteiligung<br />

angewiesen.<br />

Es gilt, das Erreichte zu sichern gegen e<strong>in</strong>e<br />

konservative Trendwende <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildungspolitik<br />

und zugleich neue Wege für die<br />

Zukunft aufzuzeigen.<br />

3. Unsere Handlungsmaximen<br />

± Wir wollen die <strong>in</strong>tegrierende und orientierende<br />

Kraft von Bildung stärken und<br />

zugleich nutzen. In unserer Gesellschaft<br />

zeigen sich Spaltungstendenzen, die sich<br />

auch im Bildungswesen, <strong>in</strong> den Schulen<br />

wi<strong>der</strong>spiegeln. Schule muû wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />

Ort werden, <strong>in</strong> dem sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aller<br />

begegnen. Schule ist die wichtigste Integrations<strong>in</strong>stanz<br />

unserer Gesellschaft.<br />

Sozialdemokratische Bildungspolitik<br />

muû dies <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise berücksichtigen.<br />

Dies gilt aber auch für den<br />

Beitrag, den unser Bildungssystem für<br />

den <strong>in</strong>neren Zusammenhalt und das<br />

Zusammenwachsen Deutschlands leisten<br />

kann.<br />

± Wir wollen die Lernschwächeren ebenso<br />

wie die Leistungsfähigen ihren Fähigkeiten<br />

entsprechend för<strong>der</strong>n und for<strong>der</strong>n.<br />

Wir wollen, daû möglichst alle junge<br />

Menschen ihre Schulzeit mit e<strong>in</strong>em<br />

schulischen o<strong>der</strong> berufsbildenden<br />

Abschluû beenden. Zugleich wollen wir<br />

es ermöglichen, daû junge Menschen,<br />

die dies wollen und können, ihren Schulabschluû,<br />

z.B. das Abitur, zu e<strong>in</strong>em früheren<br />

Zeitpunkt als allgeme<strong>in</strong> vorgesehen,<br />

erreichen können. Über- und<br />

Unterfor<strong>der</strong>ung stellen gleichermaûen


e<strong>in</strong>e Vergeudung von menschlichen<br />

Fähigkeiten und von Lebenszeit dar.<br />

± Unsere Bildungspolitik muû <strong>der</strong> Tatsache<br />

Rechnung tragen, daû die Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />

vom E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />

bis zum Abschluû <strong>der</strong> beruflichen<br />

Erstausbildung für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Heranwachsende<br />

über viele Jahre h<strong>in</strong> Aufenthaltsort,<br />

für manche sogar Lebensmittelpunkt<br />

s<strong>in</strong>d. Das Bildungsangebot muû<br />

nicht nur för<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch for<strong>der</strong>n,<br />

muû erziehen und an die Lebenserfahrungen<br />

und Lebenswelten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

und Jugendlichen anknüpfen. Unser Bildungssystem<br />

muû denen, die <strong>in</strong> ihm lernen<br />

und arbeiten, e<strong>in</strong> Ort se<strong>in</strong>, an dem<br />

sie sich gerne aufhalten.<br />

± Unser Bildungssystem steht und fällt mit<br />

dem Engagement und <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong>er,<br />

die <strong>in</strong> ihm tätig s<strong>in</strong>d. Wir wollen daher<br />

dafür sorgen, daû Aus- und Weiterbildung<br />

<strong>der</strong> Lehrer, den neuen Aufgaben<br />

des Lehrerberufs Rechnung tragen.<br />

Angesichts <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> öffentlichen<br />

F<strong>in</strong>anzen werden wir geme<strong>in</strong>sam mit den<br />

Lehrenden <strong>in</strong> unseren Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

nach neuen und solidarischen<br />

Wegen suchen, um e<strong>in</strong>e Steigerung <strong>der</strong><br />

Effizienz unseres Bildungssystems zu<br />

erreichen, Qualitätssicherung zu garantieren<br />

und zugleich e<strong>in</strong>e Verschlechterung<br />

<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Lehrenden<br />

und Lernenden zu vermeiden.<br />

± Wir wollen erreichen, daû K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />

Jugendliche lernen, Probleme und Konflikte<br />

argumentativ im Gespräch, auch<br />

im Streitgespräch auszutragen. Der<br />

Wettbewerb um das bessere Konzept,<br />

nicht <strong>der</strong> Angriff auf die persönliche<br />

Me<strong>in</strong>ung muû Handlungsmaxime für<br />

junge Menschen werden. Dabei kann<br />

unser Bildungssystem e<strong>in</strong>en Beitrag zur<br />

Schaffung e<strong>in</strong>er diskursfähigen Öffentlichkeit<br />

leisten.<br />

4. Bildung <strong>in</strong> öffentlicher Verantwortung<br />

E<strong>in</strong> Sozialstaat <strong>der</strong> die Bildung aufgibt,<br />

gibt sich selbst auf. Deshalb stehen Sozialdemokraten<br />

dafür e<strong>in</strong>, daû das Bildungssy-<br />

stem auch <strong>in</strong> Zukunft öffentlich f<strong>in</strong>anziert<br />

und öffentlich verantwortet bleibt.<br />

Bildung schafft nicht nur berufliche Qualifikation,<br />

sie prägt junge Menschen auch als<br />

Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger unseres Staates.<br />

E<strong>in</strong> öffentlich verantwortetes Bildungssystem<br />

kann die Aufgabe am besten erfüllen<br />

und die Grundlagen <strong>der</strong> Demokratie durch<br />

e<strong>in</strong>e Erziehung zur Dialogfähigkeit am<br />

besten festigen. Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlich<br />

verantworteten Bildungssystem lassen sich<br />

Chancengleichheit und Durchlässigkeit<br />

garantieren. Private Angebote können dies<br />

ergänzen aber nicht ersetzen. Der Staat<br />

muû deshalb neben <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Verpflichtung<br />

auch e<strong>in</strong>e politische Verantwortung<br />

<strong>in</strong> diesem wichtigen Lebensbereich<br />

erhalten, Qualität und Leistung garantieren<br />

und sichern, ohne daû dieser Vorrang des<br />

Staates zu Überregulierung führen darf.<br />

Innerhalb staatlich gesetzter Rahmenvorgaben<br />

sollen die e<strong>in</strong>zelnen E<strong>in</strong>richtungen des<br />

Bildungssystems freier und selbständiger<br />

bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Inhalte, bei <strong>der</strong><br />

Auswahl <strong>der</strong> Personals und <strong>der</strong> Verwendung<br />

ihrer Ressourcen handeln können<br />

und sich selbst über den Stand ihrer Leistung<br />

vergewissern.<br />

Wir Sozialdemokraten stellen fest, daû<br />

durch e<strong>in</strong>e Vielzahl von E<strong>in</strong>zelregelungen,<br />

manche auch durchaus s<strong>in</strong>nvolle Normierungen<br />

die Handlungsbereitschaft <strong>der</strong><br />

Akteure <strong>in</strong> Schulen und Hochschulen lähmen.<br />

Wir treten deshalb für e<strong>in</strong>en Abbau<br />

von Überregulierungen, für e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>fachung<br />

von Verwaltungsabläufen und Entscheidungsmechanismen<br />

e<strong>in</strong>.<br />

Es ist und bleibt <strong>in</strong> unserem Verständnis<br />

die Rolle des Staates, dafür Sorge zu tragen,<br />

daû alle Heranwachsenden gerechte<br />

Bildungschancen erhalten. Zugleich bleibt<br />

<strong>der</strong> Staat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung, wenn es<br />

darum geht, <strong>in</strong>haltliche Standards und<br />

Gleichwertigkeit von Bildung und Ausbildung<br />

zu sichern. Die öffentliche Rahmenverantwortung<br />

für Bildung, Wissenschaft<br />

und Forschung ist für Sozialdemokraten<br />

unverzichtbar.<br />

359


Bei Wahrung se<strong>in</strong>er Verantwortung für die<br />

grundsätzlichen Ziele müssen sich Politik<br />

und Verwaltung aber von <strong>der</strong> Vorstellung<br />

lösen, sie kennen alle Wege zur Erreichung<br />

<strong>der</strong> gesteckten Ziele besser als die Handelnden<br />

vor Ort. Wir wollen deshalb e<strong>in</strong>e<br />

neue Bildungsreformbewegung von unten,<br />

aus den Institutionen heraus för<strong>der</strong>n. Wir<br />

wollen, daû unsere Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

<strong>der</strong>en Aufgabe die Bildung und Erziehung<br />

mündiger Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger ist, selber<br />

mündig handeln dürfen. Innerhalb<br />

staatlich gesetzter Rahmenvorgaben sollen<br />

die e<strong>in</strong>zelnen E<strong>in</strong>richtungen mehr Verantwortung<br />

bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Gestaltung,<br />

bei <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nung ihres Personals und bei<br />

<strong>der</strong> Verwendung ihrer Ressourcen wahrnehmen.<br />

Wir setzen darauf, daû dieser<br />

Freiraum Erneuerungskräfte und Selbststeuerung<br />

mobilisiert und ermutigt. Die<br />

Stärkung <strong>der</strong> Gestaltungsspielräume und<br />

Selbstverantwortung <strong>der</strong> Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

verlangt gleichzeitig e<strong>in</strong>e Verpflichtung<br />

zu selbstorganisierter Ergebniskontrolle,<br />

zur Rechenschaftslegung, zur<br />

Transparenz und zur Stärkung <strong>der</strong> Demokratie<br />

im <strong>in</strong>neren <strong>der</strong> Institutionen. Für<br />

uns heiût dies nicht nur Schule neu zu denken,<br />

son<strong>der</strong>n auch staatliches Handeln.<br />

Zugleich müssen wir das Zusammenwirken<br />

zwischen staatlichen und privaten Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />

das Verhältnis zwischen<br />

Staat und Wirtschaft selbstbewuût<br />

weiterentwickeln, neue Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

erproben und erweitern.<br />

5. Mehr F<strong>in</strong>anzen für die Bildung<br />

Wir treten für e<strong>in</strong>en neuen Generationenvertrag<br />

zugunsten von Bildung und Ausbildung<br />

e<strong>in</strong>; wesentliche Elemente <strong>der</strong> zu<br />

übernehmenden Generationenverpflichtung<br />

s<strong>in</strong>d:<br />

± Zur Sicherung <strong>der</strong> für die Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Mittel wollen<br />

wir das öffentliche Bildungsbudget <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland ausweiten.<br />

Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Bund, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren ± an<strong>der</strong>s als die Län<strong>der</strong>- se<strong>in</strong>e<br />

Bildungsausgaben ständig abgesenkt hat,<br />

muû hier e<strong>in</strong>en gewichtigen Beitrag zur<br />

Sicherung <strong>der</strong> Zukunft unseres Landes<br />

360<br />

leisten. Es muû unser Ziel se<strong>in</strong>, die Bildungs<strong>in</strong>vestitionen<br />

des Bundes <strong>in</strong> den<br />

nächsten fünf Jahren deutlich auszubauen.<br />

± Bildung und Ausbildung nach <strong>der</strong> persönlichen<br />

Fähigkeit und nach Neigung<br />

darf nicht an f<strong>in</strong>anziellen Barrieren<br />

scheitern. Da, wo f<strong>in</strong>anzielle För<strong>der</strong>ung<br />

gewährt wird, müssen die Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong><br />

Verteilungsgerechtigkeit und <strong>der</strong> Wirksamkeit<br />

Anwendung f<strong>in</strong>den. Unsere Vorschläge<br />

zum BAföG zeigen, wie wir dies<br />

verstehen.<br />

± Angesichts <strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt steigenden<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen an die öffentlichen Haushalte<br />

sollen vorhandene Ressourcen<br />

effektiver genutzt werden. Wir setzen<br />

dabei auch auf e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />

Ressourcennutzung durch autonome<br />

Mittelbewirtschaftung (Budgetierung,<br />

F<strong>in</strong>anzautonomie, erfolgsorientierte Mittelverteilung).<br />

± Wir unterstützen die Gesetzes<strong>in</strong>itiative<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion, die alle<br />

privaten und öffentlichen Arbeitgeber zu<br />

e<strong>in</strong>er solidarischen Ausbildungsleistung<br />

verpflichtet. Sie verfolgt das Ziel, auf<br />

dieser gesetzlichen Grundlage e<strong>in</strong> bundesweit<br />

und regional auswahlfähiges<br />

Ausbildungsplatzangebot zu garantieren,<br />

e<strong>in</strong>en gerechten Leistungsausgleich zwischen<br />

ausbildenden und nicht o<strong>der</strong><br />

unterdurchschnittlich ausbildenden<br />

Betrieben und Verwaltungen sicherzustellen,<br />

e<strong>in</strong>en überregionalen Ausgleich<br />

bei <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Mittel zur Schaffung<br />

zusätzlicher Ausbildungsplätze zu<br />

ermöglichen und <strong>in</strong>novative Ausbildungsprojekte<br />

zu för<strong>der</strong>n sowie neue<br />

Ausbildungsbereiche zu erschlieûen.<br />

± Zur f<strong>in</strong>anziellen För<strong>der</strong>ung des Studiums<br />

wollen wir alle ausbildungsbezogenen<br />

staatlichen Leistungen zusammenfassen<br />

und so e<strong>in</strong>setzen, daû e<strong>in</strong>e elternunabhängige<br />

Grundför<strong>der</strong>ung für alle während<br />

des regulären Studiums gezahlt<br />

werden kann, die je nach Bedarf durch<br />

e<strong>in</strong>e Zusatzför<strong>der</strong>ung ergänzt wird. Wir<br />

wollen so für die Studierenden e<strong>in</strong> neues<br />

BAföG schaffen, das se<strong>in</strong>en Namen wie<strong>der</strong><br />

verdient.


6. Das haben wir Sozialdemokraten uns<br />

vorgenommen:<br />

± Wir wollen e<strong>in</strong>e Lernkultur schaffen, die<br />

Lernen für das Leben und über die Institutionen<br />

h<strong>in</strong>aus ermöglicht. In e<strong>in</strong>er lernenden<br />

Gesellschaft s<strong>in</strong>d Institutionen<br />

nur e<strong>in</strong> ± wenn auch wesentlicher ± Ort<br />

<strong>der</strong> Bildung. Bildungs<strong>in</strong>stitutionen führen<br />

<strong>in</strong> das Lernen e<strong>in</strong>. Je mehr sie die<br />

Menschen zu e<strong>in</strong>er lernenden Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit ihrer Umwelt befähigen,<br />

um so erfolgreicher arbeiten sie. E<strong>in</strong><br />

bürgernahes Netz öffentlicher Bibliotheken<br />

sowie <strong>der</strong> Zugang zu mo<strong>der</strong>nen<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien<br />

und neuen Medien sowie <strong>der</strong>en<br />

Beherrschung haben <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

beson<strong>der</strong>es Gewicht. Die Befähigung<br />

zum kompetenten und verantwortungsvollen<br />

Umgang mit ihnen muû<br />

daher <strong>in</strong> den Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />

angelegt werden.<br />

Auch dem zunehmend wachsenden Markt<br />

von Selbstlernangeboten und von Bildungsangeboten<br />

im Rahmen <strong>der</strong> Medienwirtschaft<br />

müssen wir e<strong>in</strong>e gröûere Aufmerksamkeit<br />

widmen. Wirtschafts- und<br />

Bildungspolitik s<strong>in</strong>d aufgerufen, die hier<br />

entstehenden neuen Arbeitsfel<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n<br />

und wo nötig zu strukturieren. Bildungssoftware<br />

sollte z.B. als marktfähiges<br />

Produkt nicht nur bei uns erdacht und entwickelt,<br />

son<strong>der</strong>n auch produziert werden.<br />

Bildung als Dienstleistungsangebot, Konsumgut<br />

und Wirtschaftsfaktor müssen von<br />

uns zum Thema gemacht werden.<br />

Für die Bildungs<strong>in</strong>stitutionen bedeutet das:<br />

± Jedes K<strong>in</strong>d braucht e<strong>in</strong>en Platz im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten.<br />

Während das Ziel <strong>der</strong><br />

Bedarfsdeckung im Westen unseres Landes<br />

weitere Ausbauanstrengungen erfor<strong>der</strong>t,<br />

macht es im Osten den Erhalt von<br />

Angeboten auch da notwendig, wo dies<br />

aufgrund des starken Geburtenrückgangs<br />

beim Festhalten an bundesdurchschnittlichen<br />

Gruppengröûen nicht möglich<br />

wäre.<br />

± Wir wollen die <strong>in</strong>stitutionelle Ausgestaltung,<br />

die pädagogische Arbeit und die<br />

strukturelle Gestaltung <strong>der</strong> Schulen den<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zukunft entsprechend<br />

weiterentwickeln. Unsere Schulen<br />

benötigen gröûere Selbständigkeit <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>haltlicher, organisatorischer, personeller<br />

und f<strong>in</strong>anzieller H<strong>in</strong>sicht. Sie brauchen<br />

motivierte Lernende und Lehrer,<br />

e<strong>in</strong>e professionelle Schulleitung,<br />

mo<strong>der</strong>ne Führungs- und Organisationsstrukturen,<br />

mehr Mitwirkungsmöglichkeiten<br />

von Lehrern, Schülern und Eltern<br />

sowie zur Wahrung von Qualitätsstandards<br />

und Vergleichbarkeit e<strong>in</strong>e beratende<br />

und unterstützende Schulaufsicht.<br />

± Die pädagogischen Konzepte <strong>in</strong> unseren<br />

Schulen müssen sich daran orientieren,<br />

daû <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft mehr denn je<br />

Eigenschaften wie Selbstbewuûtse<strong>in</strong>,<br />

Selbständigkeit, Kreativität, Teamfähigkeit<br />

und Internationalität, aber eben<br />

auch Fachwissen gefor<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d. Weil das<br />

Beschäftigungssystem Hierarchie abbaut,<br />

wird die hierarchische Struktur des<br />

geglie<strong>der</strong>ten Schulsystems dysfunktional.<br />

Wir wollen unser Konzept <strong>der</strong> Gesamtschule<br />

weiterentwickeln. Weil <strong>in</strong> Forschung,<br />

Entwicklung und Produktion die<br />

Grenzen zwischen unterschiedlichen<br />

Bezugsdiszipl<strong>in</strong>en immer öfter überschritten<br />

werden, müssen die Schulen<br />

stärker überfachliches Lernen praktizieren.<br />

Weil im Arbeitsleben die Gruppe<br />

mit ihren Potentialen <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />

rückt, sollten Schulen aufhören, am <strong>in</strong>dividuellen<br />

Erfolg orientierte ¹E<strong>in</strong>zelkämpferª<br />

zu erziehen. Weil unsere<br />

Gesellschaft durch die anhaltende<br />

Zuwan<strong>der</strong>ung kulturell immer vielfältiger<br />

wird, müssen sich unsere Schulen<br />

darauf e<strong>in</strong>stellen. Weil Grenzüberschreitungen<br />

im Europa und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt mehr<br />

und mehr zur Regel werden, müssen<br />

Kenntnisse von Sprachen und Kulturen<br />

an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> zur Grundausstattung<br />

<strong>der</strong> Absolventen unserer Schulen gehören.<br />

± Wir wollen die Struktur unseres Schulsystems<br />

an den Zielen <strong>der</strong> Regionalität,<br />

<strong>der</strong> Durchlässigkeit und <strong>der</strong> Integration<br />

orientieren: Die demographische Entwicklung<br />

<strong>in</strong> den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />

sowie die regional sehr unterschiedliche<br />

361


Wahrnehmung <strong>der</strong> verschiedenen Bildungswege<br />

erfor<strong>der</strong>n ± <strong>in</strong>nerhalb des<br />

Rahmens e<strong>in</strong>er zehnjährigen Schulpflicht<br />

± regional ¹maûgeschnei<strong>der</strong>teª Angebotsstrukturen.<br />

± Der Ansatz <strong>der</strong> Regionalisierung bei<br />

strukturellen Lösungen sollte von e<strong>in</strong>em<br />

Ausbau des Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> Durchlässigkeit<br />

zwischen unterschiedlichen Bildungswegen<br />

begleitet werden.<br />

± Wir wollen die Möglichkeiten zur Integration<br />

beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter und von Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

bedrohter K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlicher<br />

± am Wunsch <strong>der</strong> Eltern orientiert ±<br />

ausweiten.<br />

± Für die Berufsausbildung im dualen<br />

System und <strong>in</strong> den berufsbildenden<br />

Schulen gilt: Unser Land ist <strong>in</strong> Gefahr,<br />

den hohen Ausbildungsstand <strong>der</strong> Bevölkerung,<br />

das wichtigste Potential se<strong>in</strong>er<br />

Entwicklung, leichtfertig zu verspielen.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den östlichen, aber auch<br />

<strong>in</strong> den westlichen Bundeslän<strong>der</strong>n, <strong>in</strong><br />

denen das Ausbildungsplatzangebot weiter<br />

h<strong>in</strong>ter dem Bedarf zurückbleibt, fehlt<br />

für e<strong>in</strong>en beträchtlichen Teil <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

die Möglichkeit, e<strong>in</strong>en Beruf zu<br />

erlernen. Unsere Politik wird dafür sorgen,<br />

daû die Sicherung <strong>der</strong> Ausbildung<br />

für alle Heranwachsenden des Landes<br />

nicht Jahr für Jahr zu e<strong>in</strong>er Zitterpartie<br />

wird.<br />

± Dies erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e erhebliche Ausweitung<br />

<strong>der</strong> Ausbildungskapazitäten <strong>in</strong><br />

Betrieben und Schulen. Private und<br />

öffentliche Arbeitgeber müssen dazu<br />

durch e<strong>in</strong>en solidarischen Leistungsausgleich<br />

zwischen ausbildenden und nicht<br />

o<strong>der</strong> unterdurchschnittlich ausbildenden<br />

Betrieben und Verwaltungen veranlaût<br />

werden.<br />

Daneben müssen vollzeitschulische Formen<br />

fortentwickelt und vorsorglich bereitgehalten<br />

werden. Dies gilt <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise<br />

für den Osten unseres Landes. Begleitet<br />

werden muû dieser quantitative Ausbau<br />

durch die Mo<strong>der</strong>nisierung bestehen<strong>der</strong> und<br />

die Schaffung neuer Berufe. E<strong>in</strong>em Abbau<br />

<strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Berufsbildung, etwa durch<br />

e<strong>in</strong>e undifferenzierte Reduzierung des zeit-<br />

362<br />

lichen Umfangs des Berufsschulunterrichts,<br />

als, Preis für e<strong>in</strong>e Vermehrung <strong>der</strong> Zahl<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsplätze werden wir nicht<br />

zustimmen. Den Bedürfnissen <strong>der</strong> Betriebe<br />

und unterschiedlichen Branchen bei e<strong>in</strong>er<br />

s<strong>in</strong>nvollen Gestaltung <strong>der</strong> Ausbildung kann<br />

und muû durch unterschiedliche Organisationsformen<br />

des Berufsschulunterrichts<br />

entsprochen werden.<br />

± Die Politik <strong>der</strong> Öffnung beim Hochschulzugang<br />

muû fortgeführt werden. In<br />

den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n wollen wir<br />

erreichen, daû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Studierenden<br />

an e<strong>in</strong>em Altersjahrgang sich dem<br />

<strong>der</strong> westlichen Bundeslän<strong>der</strong> angleicht.<br />

Wir sehen <strong>in</strong> dem Ausbau leistungsfähiger<br />

E<strong>in</strong>richtungen von Lehre und Forschung<br />

im Osten Deutschlands e<strong>in</strong> herausragendes<br />

Instrument zur Entwicklung<br />

<strong>der</strong> Infrastruktur und für den wirtschaftliche<br />

Aufbau im Osten unseres Landes.<br />

Noch stellt <strong>der</strong> Osten Deutschlands <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Industrieforschung nur etwa zwei<br />

Prozent des deutschen Potentials <strong>in</strong> Forschung<br />

und Entwicklung ± bei e<strong>in</strong>em<br />

Anteil von etwa 20 Prozent an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

Deutschlands.<br />

Wir wollen den Hochschulzugang für<br />

Berufserfahrene ohne Abitur öffnen und<br />

zugleich darauf achten, daû das Abitur<br />

nicht durch zusätzliche Hochschule<strong>in</strong>gangsprüfungen<br />

entwertet wird.<br />

Wir Sozialdemokraten lehnen Studiengebühren<br />

ab; diese erschweren den Hochschulzugang<br />

für junge Menschen aus Familien<br />

mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen und stellen<br />

neue soziale Barrieren vor die weiterführende<br />

Bildung. Wir wenden uns beim<br />

Hochschulzugang gegen neue F<strong>in</strong>anzbarrieren<br />

und die damit e<strong>in</strong>hergehende Verstärkung<br />

<strong>der</strong> sozialen Auslese.<br />

Zur verstärkten Sicherung <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong><br />

Lehre und Forschung <strong>in</strong> den Hochschulen<br />

wollen wir die Studienreform weiter vorantreiben,<br />

den Ausbau <strong>der</strong> Anreizsysteme für<br />

hervorragende Leistungen <strong>in</strong> Lehre und<br />

Forschung sowie e<strong>in</strong>e Effektivierung des<br />

Mittele<strong>in</strong>satzes durch die Stärkung <strong>der</strong><br />

Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Hochschulen.


± In allen Bereichen <strong>der</strong> Berufsausbildung<br />

sehen wir Sozialdemokraten e<strong>in</strong>e wichtige<br />

Aufgabe dar<strong>in</strong>, die jungen Frauen<br />

bei ihrem Bemühen zu stützen, ihre<br />

hohe schulische Qualifikation für e<strong>in</strong>e<br />

angemessene und gleichberechtigte<br />

Berufsausbildung zu nutzen.<br />

± Wir Sozialdemokraten halten an unserem<br />

Konzept <strong>der</strong> Weiterbildung für e<strong>in</strong>e<br />

menschliche Zukunft fest. Was für das<br />

Sachkapital selbstverständlich ist, die<br />

ständige Pflege, Instandhaltung und<br />

Erneuerung, muû erst recht für die Menschen<br />

gelten: Ihnen müssen ± eng verbunden<br />

mit <strong>der</strong> beruflichen Erstausbildung<br />

± Angebote zur ständigen<br />

Weiterbildung gegeben werden. In<br />

Deutschland ist zwar die Weiterbildungsbeteiligung<br />

bei den höher und<br />

hoch Qualifizierten gestiegen. Weniger<br />

Qualifizierte und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch<br />

nicht Erwerbstätige f<strong>in</strong>den dagegen nur<br />

schwer Zugang zu Weiterbildung. Wir<br />

wollen daher e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> öffentlich<br />

geför<strong>der</strong>ten Weiterbildungsmaûnahmen<br />

auf die sonst vom System beruflicher<br />

Weiterbildung nahezu<br />

ausgeschlossenen. Daneben werden wir<br />

aber auch das Angebot an Themen, die<br />

sich auf das soziale Zusammenleben und<br />

auf die Entfaltung <strong>der</strong> demokratischen<br />

Kultur beziehen, sichern.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 285<br />

Parteivorstand<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> neues<br />

BAföG für Studierende ± jetzt!<br />

Die <strong>SPD</strong> tritt für e<strong>in</strong>e gerechtere Ausbildungs-<br />

und Studienf<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>. Dies<br />

hat sie im Beschluû von Parteirat und Parteivorstand<br />

am 11./12. Dezember 1995<br />

festgehalten.<br />

Seither hat sich das Studenten-BAföG dramatisch<br />

weiter verschlechtert; die Geför<strong>der</strong>tenquote<br />

ist auf 15 % <strong>der</strong> Studierenden<br />

gesunken (während sie 1971 bei E<strong>in</strong>füh-<br />

rung des BAföG durch die sozialliberale<br />

Bundesregierung noch 45 % betrug und<br />

noch 1990 bei 30 % lag).<br />

Die <strong>SPD</strong> drängt deshalb auf e<strong>in</strong>e Beschleunigung<br />

<strong>der</strong> Beratungen zwischen Län<strong>der</strong>n<br />

und Bund über e<strong>in</strong> neues BAföG für Studierende.<br />

Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> neues BAföG ± jetzt!<br />

E<strong>in</strong>e Fortschreibung des alten BAföG hilft<br />

nicht mehr weiter; deshalb setzen wir<br />

Sozialdemokraten uns für e<strong>in</strong>e grundlegende<br />

Neuordnung <strong>der</strong> Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen Ausbildungsför<strong>der</strong>ungsgesetz<br />

für Studierende e<strong>in</strong>, das auch<br />

den ausbildungsbezogenen Familienleistungsausgleich<br />

mit e<strong>in</strong>bezieht:<br />

Das neue Ausbildungsför<strong>der</strong>ungsgesetz für<br />

Studierende muû folgende Eckpunkte<br />

berücksichtigen:<br />

1. Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en elternunabhängigen<br />

Grundbetrag (Ausbildungsgeld) für alle<br />

Studierenden während des regulären<br />

Studiums<br />

Dazu sollen die bisherigen Leistungen des<br />

Familienleistungsausgleichs ± K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld/<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge und Ausbildungsfreibeträge<br />

zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Grundför<strong>der</strong>ung<br />

und damit zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichem<br />

System des Familienleistungsausgleichs für<br />

die Ausbildung zusammengefaût werden.<br />

Dadurch wird das System des familienbezogenen<br />

Familienleistungsausgleichs vere<strong>in</strong>heitlicht<br />

und vere<strong>in</strong>facht; die beson<strong>der</strong>e<br />

Begünstigung von Beziehern hoher E<strong>in</strong>kommen<br />

wird abgebaut, und die Bezieher<br />

mittlerer und ger<strong>in</strong>ger E<strong>in</strong>kommen bei <strong>der</strong><br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Ausbildung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

spürbar entlastet werden.<br />

Die Studierenden können damit sicher über<br />

e<strong>in</strong>en bestimmten Betrag zur Abdeckung<br />

des Grundbedarfs ihrer Lebenshaltungskosten<br />

verfügen. Dies stärkt ihre Eigenständigkeit<br />

und die Planbarkeit des Lebensabschnittes<br />

Studium. Zuverdienst bzw. eigenes<br />

zusätzliches E<strong>in</strong>kommen muû <strong>in</strong>nerhalb<br />

bestimmter Grenzen möglich se<strong>in</strong>.<br />

363


2. Der Bezug <strong>der</strong> elternunabhängigen<br />

Grundför<strong>der</strong>ung (Ausbildungsgeld) soll<br />

± ebenso wie die elternabhängige Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

von Leistungsnachweisen<br />

während des Studiums abhängig gemacht<br />

werden.<br />

Dadurch wird sichergestellt, daû die f<strong>in</strong>anzielle<br />

För<strong>der</strong>ung für die Ausbildung, die<br />

allen zugute kommt, auch tatsächlich<br />

zweckgerecht verwendet wird. Nur wer tatsächlich<br />

studiert, soll auch von den staatlichen<br />

Leistungen profitieren.<br />

3. Darauf aufbauen soll e<strong>in</strong>e elternabhängige<br />

Zusatzför<strong>der</strong>ung (Ausbildungshilfe)<br />

analog des <strong>der</strong>zeitigen BAföG während<br />

des Studiums<br />

Auch <strong>in</strong> Zukunft sollen diejenigen Studierenden<br />

e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e staatliche För<strong>der</strong>ung<br />

erhalten, <strong>der</strong>en Familien die Kosten ihrer<br />

Ausbildung über den Grundbedarf h<strong>in</strong>aus<br />

nicht selbst tragen können.<br />

Die Schuldenlast für die geför<strong>der</strong>ten Studierenden<br />

wird <strong>in</strong> erträglichen Grenzen<br />

gehalten, da die Ausbildungshilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Regelför<strong>der</strong>ungszeit auch weiterh<strong>in</strong> als<br />

Zuschuû und unverz<strong>in</strong>stes Darlehen<br />

gewährt werden soll.<br />

4. Wir wollen die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

wie<strong>der</strong> so gestalten, daû e<strong>in</strong> Auslandsstudium<br />

und soziales Engagement, z. B.<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hochschulselbstverwaltung angemessen<br />

berücksichtigt werden<br />

Soziales Engagement und Mobilität dürfen<br />

nicht bestraft werden o<strong>der</strong> den wohlhaben<strong>der</strong>en<br />

Studierenden vorbehalten bleiben!<br />

Die Möglichkeiten <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Auslandsstudiums<br />

wollen wir stärken. Künftig<br />

darf es ke<strong>in</strong>e Rolle mehr spielen, ob e<strong>in</strong><br />

Studieren<strong>der</strong> <strong>in</strong> Köln o<strong>der</strong> <strong>in</strong> London studiert.<br />

5. Die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung muû regelmäûig<br />

bedarfsgerecht fortgeschrieben<br />

werden<br />

364<br />

6. Wir Sozialdemokraten werden angemessene<br />

Haushaltsmittel für die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

bereitstellen<br />

Unser Ziel ist es, die Ausgaben für Bildung,<br />

Wissenschaft und Forschung <strong>in</strong> den<br />

nächsten 5 Jahren deutlich zu stärken.<br />

Dazu gehört auch die Zukunftsaufgabe<br />

Ausbildungsför<strong>der</strong>ung. Wir werden e<strong>in</strong>e<br />

angemessene F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> neuen Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

sichern. Die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

darf nicht länger zur Sparkasse<br />

des Bundeshaushalts werden.<br />

Studienreform mit dem Ziel e<strong>in</strong>es schnelleren<br />

Studiums ist nur mit e<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>reichenden<br />

Studienför<strong>der</strong>ung möglich.<br />

Dies ist nicht nur e<strong>in</strong>e soziale Aufgabe und<br />

Ausgabe, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Investition<br />

<strong>in</strong> die Zukunft, die sich langfristig<br />

auszahlen wird. Denn Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

trägt zur Erhaltung zweier wesentlicher<br />

Standortfaktoren bei:<br />

Die gute Ausbildung, das Wissen und<br />

Know-how <strong>der</strong> jungen Menschen und den<br />

sozialen Frieden durch Schaffung von<br />

Chancengleichheit.<br />

7. Wir Sozialdemokraten wollen die Reform<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsför<strong>der</strong>ung noch <strong>in</strong><br />

dieser Legislaturperiode verwirklichen<br />

Die Lebenssituation <strong>der</strong> Studierenden muû<br />

jetzt verbessert werden. Sie dürfen nicht zu<br />

Opfern des Reformunwillens und <strong>der</strong><br />

Reformunfähigkeit werden. Nur wenn wir<br />

bei <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> jungen Menschen<br />

unseren Teil des Generationenvertrags<br />

erfüllen, werden später auch sie bereit und<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, ihren Teil beizutragen.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird <strong>in</strong> ihr Regierungsprogramm<br />

1998 e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Aussage für das<br />

zukünftige BAföG aufnehmen.<br />

Diese Reform erfor<strong>der</strong>t den politischen<br />

Handlungs- und Gestaltungswillen aller<br />

Beteiligten. Wir Sozialdemokraten s<strong>in</strong>d<br />

dazu bereit!<br />

(Angenommen)


Antrag I 289<br />

Landesverband Bayern<br />

Berufliche Bildung<br />

Für das Bundeswahlprogramm 1998 nimmt<br />

sich die <strong>SPD</strong> zum Thema Berufliche Bildung<br />

folgende Position zur Grundlage<br />

ihrer weiteren Arbeit und Diskussion.<br />

Zur Ausgangssituation am Ausbildungsstellenmarkt<br />

1. Das Angebot an Ausbildungsstellen ist ±<br />

wenngleich unterschiedlich regional ausgeprägt<br />

± quantitativ nicht ausreichend und<br />

qualitativ nicht identisch mit den Interessen<br />

<strong>der</strong> Jugendlichen:<br />

± Wegfall e<strong>in</strong>es Viertels <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />

<strong>in</strong>sgesamt, alle<strong>in</strong> von zwei Dritteln<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsplätze des öffentlichen<br />

Dienstes <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> letzten zehn<br />

Jahre<br />

± s<strong>in</strong>kende Angebots-Nachfrage-Relation:<br />

<strong>in</strong> dem Zeitraum seit 1992 verr<strong>in</strong>gerte<br />

sich die Zahl <strong>der</strong> gemeldeten Ausbildungsstellen<br />

um 57508, während die<br />

Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplatzbewerber<strong>in</strong>nen<br />

im gleichen Zeitraum um 24569 anstieg;<br />

(alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Nordbayern erfüllte 1996 nur<br />

noch e<strong>in</strong> Arbeitsamtsbezirk [von 14] den<br />

vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebenen<br />

M<strong>in</strong>destüberhang von<br />

12,5 %; bis zum Ausbildungsjahr 2005/<br />

2006 ist e<strong>in</strong> Anwachsen <strong>der</strong> Ausbildungslücke<br />

auf 19 045 unversorgter Bewerber<strong>in</strong>nen<br />

prognostiziert [unter <strong>der</strong><br />

Annahme e<strong>in</strong>es gleichbleibenden Standes<br />

an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen<br />

von 90 000 sowie e<strong>in</strong>es BGJ von<br />

7000 und e<strong>in</strong>em Anwachsen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nenzahlen<br />

an Berufsfachschulen]).<br />

± nur noch ger<strong>in</strong>ge Chancen auf e<strong>in</strong>en passenden<br />

Ausbildungsplatz <strong>in</strong> den Dienstleistungsberufen<br />

(v. a. <strong>in</strong> den kffr./kfm.<br />

und Büroberufen) und <strong>in</strong> den technischen<br />

Berufen auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong> Mehrangebot<br />

an Ausbildungsplätzen <strong>in</strong> für<br />

Jugendliche wenig attraktiven Berufen<br />

wie den Fertigungsberufen und den<br />

Ernährungsberufen (hauptsächlich aus<br />

Gründen ungünstiger Ausbildungsbed<strong>in</strong>gungen<br />

o<strong>der</strong> fragwürdiger Zukunftsperspektiven).<br />

± Ausbildungsplätze fehlen auch <strong>in</strong><br />

zukunftsorientierten Branchen; <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Wachstumsbranche Medien besteht die<br />

Ausbildung i.d. R. aus ,tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g on the<br />

job©, e<strong>in</strong>e Ausbildung gem. BBiG/HwO<br />

f<strong>in</strong>det kaum statt. Von e<strong>in</strong>em-auswahlfähigen<br />

Angebot kann nicht mehr gesprochen<br />

werden.<br />

Interessanterweise erfolgte e<strong>in</strong>e Steigerung<br />

des Ausbildungsumfanges <strong>in</strong> den Branchen,<br />

<strong>in</strong> denen zum e<strong>in</strong>en die höchste Ausbildungsvergütung<br />

gezahlt wird, und wo es<br />

zum an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>e Umlage zwischen ausbildenden<br />

und nicht ausbildenden Betrieben<br />

gibt.<br />

2. Die Ausbildungsquote <strong>in</strong> Industrie und<br />

Handel und im öffentlichen Dienst liegt<br />

weit unter, im Handwerk über ihren jeweiligen<br />

Beschäftigungsanteilen.<br />

3. Nach wie vor gibt es deutliche Geschlechtsunterschiede<br />

und noch immer,<br />

und erneut <strong>in</strong> zunehmendem Maûe auftretende<br />

Benachteiligung von Frauen auf dem<br />

Ausbildungsstellenmarkt:<br />

± nach e<strong>in</strong>em Höchststand mit 43,2 % im<br />

Jahr 1988 liegt <strong>der</strong> Frauenanteil an den<br />

Ausbildungsplätzen 1995 bei 40,3 %<br />

± im gewerblichen Bereich im Handwerk<br />

s<strong>in</strong>d die Frauen nur mit 15 % vertreten<br />

± die Ausbildung von Frauen <strong>in</strong> männlich<br />

dom<strong>in</strong>ierten Berufen geht seit 1990 <strong>in</strong><br />

den alten Län<strong>der</strong>n zurück ± nur noch<br />

8 % <strong>der</strong> weiblichen Auszubildenden<br />

erlernen e<strong>in</strong>en dieser Berufe; <strong>in</strong> 33 Ausbildungsberufen<br />

im Handwerk bzw. 29<br />

Ausbildungsberufen von Industrie und<br />

Handel s<strong>in</strong>d Frauen überhaupt nicht präsent;<br />

<strong>der</strong> öffentliche Dienst ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige<br />

Bereich, <strong>in</strong> dem die Frauenquote angestiegen<br />

ist und <strong>in</strong> dem die Frauen heute<br />

sogar über 50 % <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />

<strong>in</strong>nehalten<br />

± bei <strong>der</strong> Wahl (?) des Ausbildungsberufes<br />

existiert e<strong>in</strong>e starke geschlechtsspezifi-<br />

365


sche Orientierung und Konzentration:<br />

bei den Frauen gehören die am häufigsten<br />

gewählten Berufe dem kaufmännischen<br />

und dem Dienstleistungsbereich<br />

an, während die Männer sich überwiegend<br />

für gewerbliche Berufe entscheiden<br />

(nur e<strong>in</strong> Ausbildungsberuf unter den<br />

jeweils zehn am häufigsten gewählten ist<br />

bei Frauen und Männern identisch:<br />

Bankkauffrau/-mann)<br />

± beson<strong>der</strong>s ausgegrenzt s<strong>in</strong>d beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />

Frauen: nur jede/r 5. Auszubildende <strong>in</strong><br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten-Ausbildungsberufen <strong>in</strong><br />

Industrie <strong>in</strong> Handel ist e<strong>in</strong>e Frau, im<br />

Handwerk sogar nur jede/r 16.<br />

± nur jede/r 5. Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong> ist e<strong>in</strong>e Frau<br />

(am weitesten klafft die Schere zwischen<br />

e<strong>in</strong>em Auszubildendenanteil von 99 %<br />

und e<strong>in</strong>er Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong>nenquote von 17 %<br />

ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bei den freien Berufen), was<br />

e<strong>in</strong>e erhebliche ± wenngleich nur schwer<br />

meûbare ± Auswirkung auf Rollen- und<br />

Vorbil<strong>der</strong> bei jungen Menschen, u. U.<br />

auch auf die Vermittlung <strong>der</strong> Lern<strong>in</strong>halte<br />

haben dürfte<br />

± während die Lösungsquote 1985 noch<br />

bei den männlichen Auszubildenden<br />

höher ausfiel, hat sich das Verhältnis<br />

<strong>in</strong>zwischen ± mit zunehmen<strong>der</strong> Tendenz<br />

± umgekehrt; dies bedeutet e<strong>in</strong>e ungleich<br />

höhere ¸weibliche Abbruchquote als sie<br />

dem Ausbildungsanteil entspräche (die<br />

gröûte Spanne liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />

mit 30 % Ausbildungsanteil und<br />

gleichzeitig 40 % Anteil an den Vertragslösungen)<br />

± <strong>der</strong> Frauenanteil ist <strong>in</strong> nichtbetrieblichen<br />

Ausbildungen (d.h. entwe<strong>der</strong> ohne Ausbildungsvertrag<br />

und/o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Ausbildungsgängen,<br />

die nicht durch das BBiG/<br />

die HwO geregelt s<strong>in</strong>d, beson<strong>der</strong>s hoch<br />

(BVJ 55 %, nicht vollqual. BFSem 85 %,<br />

vollqual. BFSem 80 %).<br />

4. Die schulische Vorbildung stellt die<br />

Weichen für die spätere Berufsauswahl: die<br />

meisten Hauptschüler<strong>in</strong>nen f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />

gewerblichen Ausbildungsberufen des<br />

Handwerks, <strong>der</strong> Groûteil <strong>der</strong> Absolvent<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>es mittleren o<strong>der</strong> höheren Bildungs-<br />

366<br />

abschlusses <strong>in</strong> den kffr./kfm. Ausbildungsberufen<br />

<strong>in</strong> Industrie und Handel.<br />

5. Ausländische Jugendliche s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen<br />

zahlenmäûig ihrem Anteil an <strong>der</strong><br />

Wohnbevölkerung auf dem Gesamtausbildungsmarkt<br />

entsprechend vertreten, allerd<strong>in</strong>gs<br />

ist ihre starke Repräsentanz lediglich<br />

auf das Handwerk beschränkt; <strong>in</strong> den<br />

Berufsbereichen Industrie und Handel,<br />

städt. Hauswirtschaft und ganz beson<strong>der</strong>s<br />

<strong>in</strong> den Ausbildungsberufen des öffentlichen<br />

Dienstes und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft s<strong>in</strong>d sie<br />

nach wie vor unterrepräsentiert. Am häufigsten<br />

s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> den Fertigungs- und<br />

Dienstleistungsberufen aufzuf<strong>in</strong>den.<br />

Ausländische junge Frauen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt<br />

etwas stärker repräsentiert als ihre ausländischen<br />

Kollegen, v. a. im gewerblichen<br />

Bereich s<strong>in</strong>d sie um e<strong>in</strong> Drittel gefragter.<br />

Und sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen Berufsbereichen ± mit<br />

Ausnahme Industrie und Handel ± stärker<br />

als ihre deutschen Geschlechtsgenoss<strong>in</strong>nen<br />

vertreten; im Handwerk allerd<strong>in</strong>gs nur <strong>in</strong><br />

den gewerblichen Berufen ± <strong>in</strong> den kauffr.<br />

Ausbildungen liegt ihr Anteil um 1/7 unter<br />

dem Frauenanteil <strong>in</strong>sgesamt. H<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Repräsentanz <strong>der</strong> ausländischen Auszubildenden<br />

im Handwerk gibt es auch regionale<br />

Unterschiede: (unterrepräsentiert s<strong>in</strong>d<br />

sie <strong>in</strong> Coburg, Nie<strong>der</strong>bayern/Oberpfalz,<br />

Oberfranken und auch Unterfranken).<br />

Zusammengefaût ist e<strong>in</strong>e Konzentration<br />

ausländischer Jugendlicher auf Ausbildungsberufe<br />

mit niedriger Ausbildungsvergütung<br />

festzustellen.<br />

6. Die Quote <strong>der</strong> Ausbildungsabbrüche ist<br />

seit 1985 <strong>in</strong> allen Berufsbereichen (mit<br />

Ausnahme <strong>der</strong> städt. Hauswirtschaft mit<br />

ihrer schon seit damals höchsten Abbruchsquote<br />

von knapp 10 %) angestiegen ± 1995<br />

wurde jedes 15. Ausbildungsverhältnis vor<br />

Ausbildungsende aufgelöst.<br />

± Die meisten vorzeitigen Vertragslösungen<br />

erfolgen jedoch im 1. Ausbildungsjahr:<br />

jede/r 10. Auszubildende bricht die<br />

Ausbildung vorzeitig ab (<strong>in</strong> <strong>der</strong> städt.<br />

Hauswirtschaft ist es mehr als jede/r<br />

achte, im Handwerk jede/r neunte Auszubildende).


± Am höchsten war <strong>der</strong> Anstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Landwirtschaft (bei den Vertragsauflösungen<br />

im 1. Jahr von 4 auf 10 %),<br />

gefolgt vom Handwerk und den freien<br />

Berufen, am ger<strong>in</strong>gsten im öffentlichen<br />

Dienst (mit 1,7 auf 1,9 bzw. 2,5 %).<br />

± Die Situation ist geschlechtsspezifisch<br />

und regional sehr unterschiedlich:<br />

± In allen Berufsbereichen liegt die Auflösungsquote<br />

<strong>der</strong> Frauen über <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Männer.<br />

± Jede zehnte weibliche Auszubildende <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Landwirtschaft und jede elfte im<br />

Handwerk, je<strong>der</strong> 12. männliche-Auszubildende<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> städt. Hauswirtschaft<br />

und je<strong>der</strong> 14. <strong>in</strong> den freien Berufen lösen<br />

ihre Ausbildung vorzeitig auf.<br />

± (Die regional höchste Abbruchquote <strong>in</strong>sgesamt<br />

lag <strong>in</strong> Mittelfranken mit 10 %,<br />

die Abbruchquote <strong>der</strong> jungen Frauen<br />

erreichte ihren negativen Höhepunkt <strong>in</strong><br />

Coburg mit 12,3 %, wo sie sich auch am<br />

stärksten von <strong>der</strong> <strong>der</strong> jungen Männer<br />

abhob.)<br />

7. Der Anteil <strong>der</strong> Auszubildenden <strong>in</strong><br />

betrieblicher und überbetrieblicher Ausbildung<br />

an allen Jugendlichen <strong>in</strong> Berufsausbildung<br />

o<strong>der</strong> berufsvorbereitenden Maûnahmen<br />

von 1994 (80 % bzw. <strong>in</strong>nerhalb des<br />

dualen Systems 77 %) verr<strong>in</strong>gert sich<br />

zunehmend. Das bedeutet, daû gleichzeitig<br />

die überbetriebliche Ausbildung als auch<br />

die Ausbildung, die auûerhalb des BBiG<br />

bzw. <strong>der</strong> HwO stattf<strong>in</strong>det, zunehmend an<br />

Bedeutung gew<strong>in</strong>nen.<br />

Wir for<strong>der</strong>n<br />

1. Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />

durch Lastenausgleich<br />

Die <strong>SPD</strong> setzt sich für e<strong>in</strong>e bundese<strong>in</strong>heitliche<br />

und branchenübergreifende Neuregelung<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />

e<strong>in</strong>, die zum e<strong>in</strong>en<br />

± zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze<br />

<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong>, d.h. auch auswahlfähiger<br />

Anzahl schafft<br />

± die duale Berufsausbildung unabhängig<br />

von konjunkturellen Schwankungen<br />

sowie regionalen und sektoralen<br />

Ungleichgewichten macht<br />

± zu e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildungsqualität<br />

führt<br />

± zur Sicherung des Standorts Deutschland<br />

beiträgt,<br />

und zum zweiten<br />

± zu e<strong>in</strong>er gleichmäûigen Kostenbelastung<br />

aller Betriebe beiträgt, und auch Wettbewerbsverzerrungen<br />

zwischen ausbildenden<br />

und nicht ausbildenden Betrieben<br />

aufhebt.<br />

Privatbetriebe wie auch <strong>der</strong> öffentliche<br />

Dienst müssen sich gleichermaûen an <strong>der</strong><br />

Ausbildungsf<strong>in</strong>anzierung beteiligen.<br />

Die VOB ist dah<strong>in</strong>gehend zu verän<strong>der</strong>n,<br />

daû Betriebe, die den Vorgaben gemäû ausbilden,<br />

bei <strong>der</strong> Vergabe öffentlicher Aufträge<br />

e<strong>in</strong>en ¸Bonus erhalten.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> überproportionalen Ausbildung<br />

im Handwerk s<strong>in</strong>d Handwerksbetriebe<br />

stärker von den Kosten im Rahmen<br />

von Ausbildungsverbünden zu entlasten.<br />

Zur Organisierung <strong>der</strong> Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />

ist an die bestehenden Strukturen <strong>der</strong><br />

Arbeitsverwaltung anzuknüpfen. Die Ausbildungsabgabe<br />

ist geme<strong>in</strong>sam mit den<br />

Sozialabgaben auf dem üblichen Wege<br />

über die Krankenkassen an die Bundesanstalt<br />

für Arbeit abzuführen.<br />

Über die Verwendung <strong>der</strong> Mittel sollen die<br />

Selbstverwaltungsorgane <strong>der</strong> Bundesanstalt<br />

für Arbeit entscheiden. Dies soll weitestgehend<br />

dezentral, also <strong>in</strong> den Arbeitsamtsbezirken<br />

geschehen.<br />

E<strong>in</strong>e regionale Erfassung, För<strong>der</strong>ung und<br />

E<strong>in</strong>richtung von Ausbildungsplätzen ist<br />

auch öffentliche Aufgabe, die von den<br />

Gebietskörperschaften, unter f<strong>in</strong>anzieller<br />

und konzeptioneller Unterstützung durch<br />

den Bund und die Län<strong>der</strong>, zu erfüllen ist.<br />

2. Entwicklung und För<strong>der</strong>ung neuer Ausbildungsmodelle<br />

<strong>in</strong>nerhalb des dualen<br />

Systems<br />

367


Das duale System bedarf <strong>der</strong> Weiterentwicklung<br />

und Mo<strong>der</strong>nisierung. Die viel diskutierten<br />

neuen Ausbildungsmodelle müssen<br />

jedoch die Qualität <strong>der</strong> Ausbildung<br />

sichern und erhöhen, Ausbildungsverkürzungen<br />

und Ausbildungsgänge unterhalb<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Standards lehnen wir ab.<br />

Verbundausbildung<br />

Zur Sicherung und Ausweitung <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />

sowie zur qualitativen Verbesserung<br />

<strong>der</strong> betrieblichen Seite <strong>der</strong> dualen<br />

Berufsausbildung bzw. zur Entlastung und<br />

Weiterbildung <strong>der</strong> Betriebe und Behörden<br />

ist verstärkt Ausbildung im Verbund zu<br />

<strong>in</strong>itiieren. Modellversuche s<strong>in</strong>d gerade <strong>in</strong><br />

Bereichen, die kle<strong>in</strong>teilig strukturiert s<strong>in</strong>d,<br />

und <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>er ¸learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g<br />

weit verbreitet ist, zu starten, so z.B. im<br />

Medien- und Kommunikations-, Freizeit-,<br />

Messe- und Ausstellungs- und im Umweltschutzbereich.<br />

Zur Klärung von Ausbildungsbedarf und -<br />

potentialen, Initiierung und Koord<strong>in</strong>ierung<br />

von Verbundausbildung s<strong>in</strong>d regionale<br />

Regiestellen e<strong>in</strong>zurichten, die eng mit allen<br />

Institutionen <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />

(Kammern, Gewerkschaften, Berufsschulen,<br />

Schulämtern, Arbeitsämtern und kommunalen<br />

Gebietskörperschaften) zusammenarbeiten.<br />

Gerade die Verbundausbildung eignet sich,<br />

vor dem H<strong>in</strong>tergrund EU e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>haltlichen/personellen<br />

Austausch über Län<strong>der</strong>grenzen<br />

h<strong>in</strong>weg zu ermöglichen, d.h. e<strong>in</strong>zelne<br />

Ausbildungsabschnitte <strong>in</strong><br />

Fremdbetrieben/-behörden auch auûerhalb<br />

Deutschlands durchzuführen. Es ist e<strong>in</strong>e<br />

EU-Vere<strong>in</strong>barung anzustreben, <strong>der</strong>zufolge<br />

die entsprechende Berufsbildungsregelungen<br />

<strong>der</strong> entsendenden Staaten ihre Gültigkeit<br />

behalten.<br />

Modulare Ausbildungsmodelle<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> Diskussion zur modularen<br />

Ausbildung besteht Klärungsbedarf, was<br />

sich konkret h<strong>in</strong>ter dieser For<strong>der</strong>ung verbirgt,<br />

und v. a., welche Konsequenzen die<br />

gewünschte ¸Durchlässigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung<br />

im H<strong>in</strong>blick auf ihre Integration <strong>in</strong><br />

das System <strong>der</strong> sozialen Sicherung, auf die<br />

368<br />

E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Auszubildenden <strong>in</strong> die<br />

Erwerbsarbeit, auf ihre Erfassung durch<br />

das Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsgesetz,<br />

auf die Verb<strong>in</strong>dlichkeit von<br />

Ausbildungs<strong>in</strong>halten, auf die Ausbildungsvergütung<br />

etc. nach sich zieht. Bei e<strong>in</strong>er<br />

Zusammensetzung <strong>der</strong> Ausbildung aus<br />

Pflicht und Wahlbauste<strong>in</strong>en stellt sich die<br />

Frage, ob die Auswahl generell zu e<strong>in</strong>er<br />

Ausweitung <strong>der</strong> Grundqualifikation o<strong>der</strong><br />

aber letztendlich zu e<strong>in</strong>er Konzentration<br />

auf Betriebsspezifika führt, was die For<strong>der</strong>ung<br />

nach Flexibilität auf seiten <strong>der</strong> Auszubildenden<br />

ad absurdum führen würde.<br />

Auch besteht die Gefahr e<strong>in</strong>er Öffnung <strong>der</strong><br />

Ausbildungsqualität nach unten; dies würde<br />

die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung von Schmalspurausbildungen,<br />

neue Aufsplitterungen und Ausgrenzungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />

bedeuten. Die Frage des Bedarfs und <strong>der</strong><br />

Verwertbarkeit von Teil-Ausbildungen wird<br />

gerade von denen, die sie am vehementesten<br />

for<strong>der</strong>n, nicht beantwortet. Offen ist<br />

auch, <strong>in</strong> welcher Beziehung zum dualen<br />

System modulare Modelle letztendlich stehen.<br />

Solange die Unklarheiten und Gefahren<br />

nicht unzweideutig ausgeräumt werden<br />

können, erteilt die Bayern-<strong>SPD</strong> diesen<br />

Modellen e<strong>in</strong>e Absage.<br />

3. Stärkung <strong>der</strong> Regionen<br />

Zur Aufhebung <strong>der</strong> groûen regionalen<br />

Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Ausbildungssituation<br />

s<strong>in</strong>d gezielte För<strong>der</strong>maûnahmen<br />

erfor<strong>der</strong>lich:<br />

± die Erstellung regionaler Berufsbildungsbilanzen<br />

zur Ermittlung des Bedarfs an<br />

Ausbildungsplätzen und dessen Abgleichung<br />

mit <strong>der</strong> prognostizierten Wirtschaftsentwicklung<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Region<br />

± Unterstützung kommunaler Berufsbildungsbilanzen<br />

durch Bund und Län<strong>der</strong><br />

± Durchführung von (jeweils zu Jahresbeg<strong>in</strong>n<br />

stattf<strong>in</strong>denden) Ausbildungskonferenzen<br />

mit dem Ziel e<strong>in</strong>er Verständigung<br />

zwischen o.a. Institutionen <strong>der</strong> beruflichen<br />

Bildung sowie regionalen Planungsbeiräten<br />

h<strong>in</strong>sichtlich des (langfristigen)<br />

Bedarfs und Entwicklungsprognosen


± die Verzahnung <strong>der</strong> Ausbildungsplanung<br />

und -för<strong>der</strong>ung mit Ansätzen <strong>der</strong> regionalen<br />

Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung.<br />

4. Unterstützung <strong>der</strong> Mobilität von<br />

Jugendlichen<br />

Sowohl im Interesse Jugendlicher als auch<br />

im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> regionalen Entwicklung hat<br />

e<strong>in</strong>e wohnortnahe Ausbildung erste Priorität.<br />

In Anbetracht des enormen Gefälles<br />

zwischen den Län<strong>der</strong>n und Regionen ist<br />

jedoch dann, wenn dieses Ziel nicht e<strong>in</strong>gelöst<br />

werden kann, die Mobilität <strong>der</strong> betroffenen<br />

Jugendlichen gezielt zu för<strong>der</strong>n.<br />

Mobilitätshilfen können se<strong>in</strong> Umzugshilfen<br />

o<strong>der</strong> Unterstützung bei <strong>der</strong> Beschaffung<br />

von Wohnraum.<br />

Die Bundesregierung<br />

± entwickelt e<strong>in</strong>e Wohnraumbörse für<br />

Jugendliche und<br />

± erstellt e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzierungs- und sonstiges<br />

Unterstützungsprogramm (z. B. schafft<br />

sie entsprechenden Wohnraum <strong>in</strong> Landesliegenschaften).<br />

Materielle Voraussetzung für e<strong>in</strong>e Mobilität<br />

<strong>der</strong> Auszubildenden ist die Anhebung bzw.<br />

Sicherung e<strong>in</strong>er existenzsichernden Ausbildungsvergütung.<br />

Alle Bestrebungen <strong>der</strong><br />

Arbeitgeber, die aktuellen ± i. d.R. bei weitem<br />

unter dem Niveau <strong>der</strong> Existenzsicherung<br />

liegenden ± Ausbildungsvergütungen<br />

zu kürzen, s<strong>in</strong>d zurückzuweisen.<br />

5. Qualifizierung <strong>der</strong> Jugendlichen<br />

Die bereits im Beschäftigungspakt<br />

beschlossenen Maûnahmen zur schulischen<br />

Qualifizierung s<strong>in</strong>d konsequent umzusetzen.<br />

Vor allen D<strong>in</strong>gen ist die Vermittlung<br />

von Schlüsselquatifikationen (Teamfähigkeit,<br />

soziale Kompetenz, abstraktes Denkvermögen)<br />

gefor<strong>der</strong>t. Diese s<strong>in</strong>d erfor<strong>der</strong>lich,<br />

um schnell und flexibel auf<br />

Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Ausbildung und Beruf<br />

reagieren zu können.<br />

6. Koord<strong>in</strong>ierung von Angebot und Nachfrage<br />

Die Bundesregierung macht es sich zur<br />

Aufgabe, das Berufsbildungsprogramm<br />

kont<strong>in</strong>uierlich fortzuschreiben sowie e<strong>in</strong>en<br />

jährlichen Berufsbildungsbericht zu erstellen,<br />

<strong>der</strong> ± regional aufgeglie<strong>der</strong>t ± e<strong>in</strong>e<br />

qualitative Erhebung <strong>der</strong> jeweiligen Situation<br />

bzw. des künftigen Bildungsbedarfs<br />

umfaût. Für solche Berufsbildungsberichte<br />

werden Raster entwickelt, die auch von den<br />

Län<strong>der</strong>n fortgeschrieben werden können.<br />

Sowohl im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es umfassenden und<br />

rechtzeitigen Überblicks über das Angebot<br />

bzw. ggf. e<strong>in</strong>en Fehlbedarf an Ausbildungsstellen,<br />

als auch zur Stärkung <strong>der</strong> Kompetenz<br />

<strong>der</strong> Arbeitsämter zur Berufsberatung<br />

und Ausbildungsstellenvermittlung sollte<br />

für alle öffentlichen und privaten Arbeitgeber<br />

e<strong>in</strong>e Meldepflicht für Ausbildungsplätze<br />

e<strong>in</strong>geführt werden, <strong>der</strong> rechtzeitig<br />

beim örtlich zuständigen Arbeitsamt nachzukommen<br />

ist.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus berichtet die Bundesregierung<br />

jährlich über Bedarf und Entwicklung<br />

zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses.<br />

7. Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildungssituation<br />

Bundese<strong>in</strong>heitliche Regelung aller Ausbildungen<br />

Der Bund muû se<strong>in</strong>e bisherige Blockadehaltung<br />

gegenüber e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Regelung aller Ausbildungsberufe im Rahmen<br />

des BBiG aufgeben und e<strong>in</strong>er bundese<strong>in</strong>heitlichen<br />

Neuordnung <strong>der</strong> Ausbildung<br />

<strong>in</strong> den Gesundheits-, Heil-, Pflege- und<br />

Sozialberufen zustimmen.<br />

Der Staat als Ausbil<strong>der</strong> muû <strong>in</strong> quantitativer<br />

wie qualitativer H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e Vorbildfunktion<br />

wahrnehmen. Wo immer das<br />

möglich ist, s<strong>in</strong>d Ausbildungen im dualen<br />

System beamtenrechtlichen Son<strong>der</strong>wegen<br />

vorzuziehen.<br />

Berufsschule<br />

Die Qualität <strong>der</strong> Berufsschulen ist zu verbessern.<br />

Die technische, personelle und<br />

räumliche Ausstattung ist dem Stand <strong>der</strong><br />

Gymnasien anzupassen. Ziel muû se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Gleichstellung von beruflicher und allgeme<strong>in</strong>er<br />

Bildung.<br />

In Anbetracht <strong>der</strong> starken Weltmarktorientierung<br />

<strong>der</strong> Bundesrepublik ist e<strong>in</strong> qualifi-<br />

369


zierter Fremdsprachenunterricht an den<br />

Berufsschulen ± unabhängig vom Ausbildungsberuf<br />

± unverzichtbar.<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Kooperation <strong>der</strong> Lernorte<br />

s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>stitutionalisierte regionalisierte<br />

Gespräche zwischen Berufsschulen, Lehrer<strong>in</strong>nenverbänden,<br />

Wirtschaft, Gewerkschaften<br />

und Schulaufwandsträgern sicherzustellen,<br />

wie auch geme<strong>in</strong>same Fortbildungen<br />

von Lehrer<strong>in</strong>nen und Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong>nen<br />

durchzuführen.<br />

In e<strong>in</strong>er Zeit erhöhten Leistungsdrucks<br />

und gesteigerter Flexibilitätsanfor<strong>der</strong>ungen<br />

gegenüber Jugendlichen ist dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>e<br />

Schulsozialarbeit an den Berufsschulen zu<br />

entwickeln. Dazu s<strong>in</strong>d För<strong>der</strong>programme<br />

aufzubauen sowie entsprechend Sozialpädagog<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>zustellen und zu qualifizieren.<br />

8. Ausbildung für alle Jugendlichen<br />

Junge Frauen<br />

Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> anhaltenden und<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen sogar wie<strong>der</strong> zunehmenden<br />

Ausgrenzung junger Frauen vom Ausbildungsmarkt<br />

for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e 50%-<br />

Quote für junge Frauen bei <strong>der</strong> Besetzung<br />

<strong>der</strong> Ausbildungsplätze <strong>in</strong> den Ausbildungsberufen<br />

und -branchen, <strong>in</strong> denen Frauen<br />

unterrepräsentiert s<strong>in</strong>d. Zur Unterstützung<br />

e<strong>in</strong>er langfristigen Verän<strong>der</strong>ung von<br />

geschlechtsbezogenen Rollen- und Vorbil<strong>der</strong>n<br />

für junge Menschen müssen Wege<br />

gefunden werden, Frauen auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

angemessenen Anzahl als Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

den Betrieben und Behörden zu berücksichtigen.<br />

Die auf <strong>der</strong> Weltfrauenkonferenz<br />

<strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g 1995 beschlossene Aktionsplattform<br />

verpflichtet auch die Bundesrepublik<br />

Deutschland zur Beobachtung <strong>der</strong> Situation<br />

von Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung und<br />

<strong>der</strong>en Unterstützung. Danach müssen auch<br />

entsprechende För<strong>der</strong>maûnahmen ergriffen<br />

und Mittel zur Verfügung gestellt werden.<br />

Berufsvorbereitungsjahr<br />

Angesichts e<strong>in</strong>er sich immer mehr zuspitzenden<br />

Situation am Ausbildungsstellenmarkt<br />

ist das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ)<br />

e<strong>in</strong> wesentliches Element zur Qualifizie-<br />

370<br />

rung von Jugendlichen, die e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz<br />

anstreben, aber ke<strong>in</strong>en erhalten.<br />

Demzufolge<br />

± muû das BVJ sowohl quantitativ ausgedehnt<br />

als auch qualitativ erhalten bleiben,<br />

d.h. die Stundenzahl ist ab dem<br />

Schuljahr 1997/98 wie<strong>der</strong>um auf 34<br />

anzuheben und es s<strong>in</strong>d entsprechende<br />

Planstellen zu schaffen<br />

± ist die Stundenzahl für Jugendliche, die<br />

ke<strong>in</strong> Betriebspraktikum machen können,<br />

aufzustocken, um Leerzeiten zu vermeiden<br />

± ist die Handlungskompetenz von Lehrkräften<br />

an beruflichen Schulen im<br />

Umgang mit lern- und leistungsschwächeren<br />

Jugendlichen zu schulen<br />

± ist das BVJ wissenschaftlich zu begleiten,<br />

um die Übergänge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e betriebliche<br />

Ausbildung feststellen und die Erfahrungen<br />

mit den Betriebspraktika auswerten<br />

zu können.<br />

Je besser die Verzahnung <strong>der</strong> für den Bildungsbereich<br />

Zuständigen funktioniert und<br />

je differenzierter die Problematik vor Ort<br />

angegangen wird, desto eher kann e<strong>in</strong>e<br />

erfor<strong>der</strong>liche Flexibilität erreicht werden.<br />

Dazu ist u.a. erfor<strong>der</strong>lich<br />

± bei den Ausbildungskonferenzen frühzeitig<br />

den Bedarf sowie Maûnahmenträger<br />

für das BVJ festzustellen<br />

± Jugendliche, die ke<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz<br />

f<strong>in</strong>den, rechtzeitig und umfassend über<br />

¸Alternativ -Möglichkeiten zu <strong>in</strong>formieren<br />

± die Träger <strong>der</strong> öffentlichen Jugendhilfe<br />

mite<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

9. Ausbildungsabbrüchen entgegenwirken<br />

Ausbildungsabbrüchen ist durch e<strong>in</strong>e verbesserte<br />

Informationspolitik (Schulen,<br />

Kammern, Gewerkschaften, Arbeitsamt),<br />

bspw. durch Intensivierung <strong>der</strong> Ausbildungspraktika,<br />

organisierte Betriebsbesichtigungen<br />

und -gespräche im Rahmen des<br />

Schulunterrichts u. a., wie auch ± wo s<strong>in</strong>nvoll<br />

± durch die Berufsschulsozialarbeit<br />

vorzubeugen.


10. Übergang zur Hochschule<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er anzustrebenden Gleichstellung<br />

von beruflicher und allgeme<strong>in</strong>er Bildung<br />

ist Absolvent<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er betrieblichen<br />

Berufsausbildung <strong>der</strong> Zugang zur Hochschule<br />

zu erleichtern. Die Hochschulzugangsberechtigung<br />

soll ausnahmslos auch<br />

durch e<strong>in</strong>e abgeschlossene Berufsausbildung<br />

und 13 Jahre Schulbildung (e<strong>in</strong>schl.<br />

<strong>der</strong> Berufsschullehre, ggf. auch zu ergänzen<br />

durch e<strong>in</strong>e entsprechende Anzahl an Jahren<br />

<strong>der</strong> Berufstätigkeit) erreicht werden können.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag I 290<br />

Unterbezirk Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />

Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion<br />

wird aufgefor<strong>der</strong>t, alle gesetzgeberischen<br />

Schritte zur E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />

e<strong>in</strong>zuleiten. Die Landesregierungen werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, im Bundesrat die Initiative<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion zu unterstützen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag I 291<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten<br />

Jugend gestaltet Zukunft<br />

Politische Mitwirkung und soziales Engagement<br />

s<strong>in</strong>d Wesensmerkmale e<strong>in</strong>er aktiven<br />

Demokratie. Der ehrenamtlichen Tätigkeit<br />

kommt dabei e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />

zu. Ehrenamtliche Helfer<strong>in</strong>nen und Helfer<br />

setzen sich für e<strong>in</strong>e solidarische und<br />

menschliche Gesellschaft e<strong>in</strong>. Die Möglichkeiten<br />

<strong>der</strong> Gestaltung und Teilhabe s<strong>in</strong>d<br />

dabei genauso Basis ehrenamtlichen Engagements<br />

wie die Chance persönlicher<br />

Selbstverwirklichung durch die eigene<br />

Arbeit.<br />

Dies gilt im Beson<strong>der</strong>en für junge Menschen,<br />

die sich freiwillig engagieren. Sie<br />

bevorzugen Fel<strong>der</strong> des Engagements, die<br />

Selbstentfaltung, Identitätsf<strong>in</strong>dung und<br />

e<strong>in</strong>en hohen Freizeitwert versprechen. Mit<br />

ihrer Arbeit wollen junge Menschen gestalten,<br />

daher ist es ihnen wichtig, daû reden<br />

und handeln nah beie<strong>in</strong>an<strong>der</strong> liegen. Sie<br />

wollen ihre Fähigkeiten und ihre Phantasie<br />

e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und ihre Zukunft gestalten.<br />

Die Formen freiwilligen Engagements von<br />

Jugendlichen und jungen Erwachsenen s<strong>in</strong>d<br />

vielfältig: Kont<strong>in</strong>uierlich o<strong>der</strong> zeitlich<br />

begrenzt, <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Bandbreite von<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendgruppen verpflichtet<br />

o<strong>der</strong> begrenzt auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Ausrichtung,<br />

zum Beispiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Projekt. Freiwillige<br />

Tätigkeit von Jugendlichen f<strong>in</strong>det<br />

statt <strong>in</strong> Jugendverbänden, Initiativen, Projekten,<br />

Gewerkschaften o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Parteien<br />

Interessenorientierte freiwillige Tätigkeit<br />

o<strong>der</strong> ehrenamtliche Arbeit bleibt Grundlage<br />

unseres auf Beteiligung angelegten Bildes<br />

e<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaft.<br />

Es ist wichtig, jungen Menschen deutlich<br />

zu machen, daû ihr Engagement gewollt ist<br />

und daû sie mit ihrem E<strong>in</strong>satz etwas bewegen<br />

können. Wir wollen daher die Voraussetzungen<br />

dafür schaffen, daû Jugendliche<br />

ihre Kommunikationsbedürfnisse realisieren<br />

und ihre Lebensräume aktiv mitgestalten<br />

können, und wir wollen die Eigen<strong>in</strong>itiative,<br />

durch die sich phantasievolle<br />

Lebensräume entwickelt haben, unterstützen.<br />

Die <strong>SPD</strong> will ehrenamtliche Arbeit und die<br />

Selbstorganisation stärken. Diese sozialen<br />

Qualifikationen müssen stärker als bisher<br />

gesellschaftlich anerkannt werden. Die<br />

Arbeit ehrenamtlicher Helfer<strong>in</strong>nen und<br />

Helfer muû geför<strong>der</strong>t und unterstützt werden.<br />

Daher werden wir ihre Situation<br />

durch folgende Maûnahmen verbessern:<br />

1. den Ausbau und die Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> Aus-, Weiter- und Fortbildungsangebote<br />

für freiwillig/ehrenamtliche<br />

371


Tätigkeit sowie <strong>der</strong>en bedarfsgerechte<br />

F<strong>in</strong>anzierung<br />

2. die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er bundesweit e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Jugendleiter/<strong>in</strong>-Card, die zum<br />

e<strong>in</strong>en den § 73 des KJHG mit Leben<br />

füllt und zum an<strong>der</strong>en genutzt werden<br />

kann, für Jugendleiter/<strong>in</strong>nen Anerkennung<br />

und Vergünstigungen zu ermöglichen<br />

3. die Schaffung e<strong>in</strong>er bundese<strong>in</strong>heitlichen<br />

Regelungen für Freistellungen und Son<strong>der</strong>urlaub<br />

4. die Berücksichtigung des ehrenamtlichen<br />

Engagements bei <strong>der</strong> Studienplatzvergabe<br />

durch die Zentralstelle für die<br />

Vergabe von Studienplätzen (ZVS), um<br />

sicherzustellen, daû die Betroffenen ihre<br />

ehrenamtlichte Tätigkeit am Heimatort<br />

fortsetzen können.<br />

5. den E<strong>in</strong>satz ehrenamtlicher Mitarbeiter,<br />

die ihren Wehr- o<strong>der</strong> Ersatzdienst ableisten,<br />

an E<strong>in</strong>satzorten, die die Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> ehrenamtlichen Tätigkeit<br />

ermöglichen.<br />

6. e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ehrenamtlichen<br />

Tätigkeit durch die Übernahme<br />

<strong>der</strong> Kosten, die <strong>in</strong> ihrem Rahmen<br />

anfallen.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 29<br />

Studienbed<strong>in</strong>gungen<br />

verbessern, Hochschulen<br />

ausbauen und reformieren<br />

1. Für die <strong>SPD</strong> s<strong>in</strong>d Bildung, Wissenschaft<br />

und Forschung Schlüsselressourcen für die<br />

gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />

Entwicklung. Ihre Bedeutung wird im<br />

Übergang zu e<strong>in</strong>er nach<strong>in</strong>dustriellen<br />

Gesellschaft noch weiter zunehmen.<br />

Mo<strong>der</strong>ne Gesellschaften werden daher Bildungs-<br />

und Qualifikationspotentiale entwickeln<br />

müssen, damit sie die Daueraufgabe,<br />

immer wie<strong>der</strong> Innovationen zu<br />

<strong>in</strong>itiieren und umzusetzen, bewältigen können.<br />

Als Konsequenz hat die <strong>SPD</strong> deshalb<br />

372<br />

e<strong>in</strong>e deutliche Verstärkung <strong>der</strong> Bildungsanstrengungen<br />

zu e<strong>in</strong>em Kernprojekt ihrer<br />

Innovationsstrategie gemacht.<br />

Der Streik <strong>der</strong> Studierenden an Hochschulen<br />

<strong>in</strong> verschiedenen Län<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong><br />

öffentliches Signal, damit endlich die Weichen<br />

für e<strong>in</strong>e verträgliche Zukunft an den<br />

Hochschulen gestellt werden. Die Situation<br />

an den e<strong>in</strong>zelnen Hochschulen und <strong>in</strong> den<br />

verschiedenen Studienfächern ist unterschiedlich.<br />

Die Studierenden streiken, um ihren Protest<br />

gegen unhaltbare Zustände an den<br />

deutschen Hochschulen und <strong>der</strong> bundesdeutschen<br />

Sparpolitik im Bildungs- und<br />

Sozialbereich zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Den streikenden Studierenden nur Verständnis<br />

entgegenzubr<strong>in</strong>gen reicht alle<strong>in</strong><br />

nicht aus. Den Worten müssen alsbald<br />

Taten folgen.<br />

2. Wir Sozialdemokraten wollen, daû <strong>der</strong><br />

Bildungs- und Wissenschaftsstandort<br />

Deutschland nicht zum Brachland verkommt.<br />

E<strong>in</strong>e grundlegende Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anz- und <strong>der</strong> Bildungspolitik ist<br />

dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Ursache für die Unterf<strong>in</strong>anzierung des Bildungssystems<br />

s<strong>in</strong>d die erodierenden Staatse<strong>in</strong>nahmen.<br />

Deswegen bedarf es e<strong>in</strong>er<br />

wesentlichen Neuorientierung <strong>der</strong> Steuerpolitik.<br />

Ziel muû es se<strong>in</strong>, dem Staat zu<br />

ermöglichen, se<strong>in</strong>en wesentlichen Aufgaben<br />

<strong>in</strong> Zukunft wie<strong>der</strong> gerecht zu werden. Das<br />

Problem <strong>der</strong> ungerechten Steuererhebung<br />

muû angegangen werden. Es kann nicht<br />

se<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong> Staat sich hauptsächlich aus<br />

<strong>der</strong> Lohn- und E<strong>in</strong>kommensteuer sowie<br />

<strong>in</strong>direkten Steuern (Mehrwertsteuer, M<strong>in</strong>eralöl-<br />

und Tabaksteuer), also von den kle<strong>in</strong>en<br />

und mittleren E<strong>in</strong>kommen, f<strong>in</strong>anziert.<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung und die <strong>in</strong>haltliche Ausgestaltung<br />

von Bildung, Wissenschaft und<br />

Forschung ist Aufgabe des Staates. Bildung<br />

darf nicht weiter kaputt gespart werden.<br />

Stellen- und Mittelkürzungen haben dazu<br />

geführt, daû Hochschulgebäude sich vielfach<br />

<strong>in</strong> schlechtem Zustand bef<strong>in</strong>den, Lehrveranstaltungen<br />

überfüllt, die Lehrmittel<br />

veraltet s<strong>in</strong>d und Dozent<strong>in</strong>nenstellen feh-


len. Soll die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit<br />

<strong>der</strong> deutschen Hochschulen<br />

gewahrt o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>gewonnen werden,<br />

muû auch e<strong>in</strong> universales Studiengangspektrum<br />

erhalten werden, anstatt e<strong>in</strong>seitig<br />

wirtschaftsorientierte Schmalspurhochschulen<br />

zu schaffen.<br />

Der Bildung kommt e<strong>in</strong>e Schlüsselposition<br />

bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Gesellschaft zu. Sie<br />

hat e<strong>in</strong> Bewuûtse<strong>in</strong> von zentralen Problemen<br />

<strong>der</strong> Gegenwart und Zukunft zu vermitteln.<br />

Die Erforschung <strong>der</strong> Ursachen globaler<br />

Probleme und die Erarbeitung von<br />

Lösungsstrategien stehen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />

Das Bildungssystem muû von gleichberechtigter<br />

Teilhabe ausgehen und darf ke<strong>in</strong>e<br />

Unterschiede nach <strong>der</strong> Herkunft o<strong>der</strong> Mittelausstattung<br />

<strong>der</strong> Lernenden machen. Bildung<br />

muû f<strong>in</strong>anziell so ausgestattet se<strong>in</strong>,<br />

daû Chancengleichheit gewahrt bleibt.<br />

3. Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Bundesregierung<br />

auf, mit den Län<strong>der</strong>n unverzüglich Verhandlungen<br />

über e<strong>in</strong> kurzfristiges Aktionsprogramm<br />

vordr<strong>in</strong>glicher Maûnahmen und<br />

e<strong>in</strong> mittel- und langfristiges Sanierungsund<br />

Mo<strong>der</strong>nisierungsprogramm für die<br />

Hochschulen aufzunehmen. In diese Beratungen<br />

s<strong>in</strong>d die Vorschläge <strong>der</strong> Studierendenverbände,<br />

<strong>der</strong> Hochschulorganisationen<br />

und <strong>der</strong> Hochschulen e<strong>in</strong>zubeziehen. Die<br />

Probleme <strong>der</strong> Hochschulen rechtfertigen<br />

ke<strong>in</strong>en weiteren Aufschub.<br />

Die Koalitionsfraktionen haben bei <strong>der</strong><br />

abschlieûenden Beratung des Bundeshaushalts<br />

1998 e<strong>in</strong> solches Verhandlungsangebot<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> ausgeschlagen. Statt dessen<br />

haben sie e<strong>in</strong>en Beschluû über ihre ¹e<strong>in</strong>malige<br />

Aktionshilfe für e<strong>in</strong> Hochschul-Bibliotheksprogramm<br />

<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>ª verabschiedet.<br />

E<strong>in</strong> solches Trostpflaster für die Studierenden<br />

löst die Probleme <strong>der</strong> Hochschulen<br />

und <strong>der</strong> Studierenden nicht. Der Bund<br />

wird so se<strong>in</strong>er Verantwortung für die<br />

F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Hochschulen nicht<br />

gerecht.<br />

Der Bund hat <strong>in</strong> den letzten Jahren ke<strong>in</strong>e<br />

ausreichende f<strong>in</strong>anzielle Ausstattung für die<br />

Hochschulen sichergestellt (Geme<strong>in</strong>schaftsaufgaben<br />

Hochschulbau, Forschungsför<strong>der</strong>ung).<br />

Die Län<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lage, angesichts <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> öffentlichen<br />

Haushalte die Kürzungen des Bundes<br />

zu kompensieren.<br />

4. Die jahrelange Vernachlässigung <strong>der</strong><br />

Hochschulen ist unverantwortlich:<br />

± weil wir als rohstoffarmes Land auf Wissen<br />

und Qualifikation elementar angewiesen<br />

s<strong>in</strong>d;<br />

± weil wir die Studierenden auf diese<br />

Weise zu den langen Studienzeiten nötigen,<br />

die die Bundesregierung dann<br />

beklagt;<br />

± weil wir e<strong>in</strong> Interesse daran haben, daû<br />

viele junge Menschen gute Qualifizierungen<br />

erhalten;<br />

± weil wir den jungen Menschen e<strong>in</strong>e gute<br />

Ausbildung schulden.<br />

In den nächsten Jahren wird die Zahl <strong>der</strong><br />

Studierenden weiter ansteigen. E<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaft, die den Bildungswillen ihrer<br />

Jugend als Last o<strong>der</strong> gar als ¹Überlastª<br />

empf<strong>in</strong>det, darf sich über Protest nicht<br />

wun<strong>der</strong>n.<br />

Allen Überlegungen, die hohe Belastung<br />

unserer Hochschulen durch e<strong>in</strong>e<br />

Erschwerung des Zugangs zum Studium zu<br />

reduzieren, erteilen wir e<strong>in</strong>e klare Absage.<br />

Wenn wir e<strong>in</strong>e zukunftsorientierte Wirtschafts-<br />

und Gesellschaftspolitik verwirklichen<br />

wollen, haben wir nicht zu viele, son<strong>der</strong>n<br />

zu wenig Studierende. Die<br />

Begrenzung <strong>der</strong> Studentenzahlen durch<br />

E<strong>in</strong>führung von Studiengebühren lehnen<br />

wir daher ebenso ab wie e<strong>in</strong>e Privatisierung<br />

<strong>der</strong> Hochschulen. Gleichzeitig treten wir<br />

für e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Ausbildungsf<strong>in</strong>anzierung<br />

e<strong>in</strong>.<br />

5. Die Universitäten und Fachhochschulen<br />

bedürfen <strong>der</strong> demokratischen Umgestaltung.<br />

Hochschulgremien müssen von e<strong>in</strong>er<br />

kollegialen Entscheidungsf<strong>in</strong>dung ausgehen<br />

und dürfen nicht durch autokratische<br />

Strukturen zerstört werden. Für die Sozialdemokraten<br />

steht fest, daû unter dieser<br />

Bed<strong>in</strong>gung die Hochschulen mehr Autonomie<br />

und mehr Gestaltungsspielraum erhalten<br />

sollen. Die Hochschulen müssen die<br />

Autonomie nutzen, um auch selbst dafür<br />

zu sorgen, daû die öffentlichen Mittel effi-<br />

373


zient e<strong>in</strong>gesetzt werden und sie ihre Aufgaben<br />

besser wahrnehmen können.<br />

E<strong>in</strong>e stärkere Orientierung auf die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

<strong>der</strong> Studierenden, e<strong>in</strong> stärkeres<br />

Gewicht auf e<strong>in</strong>e verbesserte Lehre, e<strong>in</strong>e<br />

bessere Betreuung <strong>der</strong> Anfangssemester,<br />

e<strong>in</strong>e effizientere Selbststeuerung <strong>der</strong> Hochschulen<br />

und e<strong>in</strong>e Qualitätssicherung <strong>der</strong><br />

Forschung müssen Schritt für Schritt <strong>in</strong><br />

Angriff genommen werden. Die Betreuung<br />

gerade <strong>der</strong> Anfangssemester muû verbessert<br />

werden, damit sie ihre akademischen Freiheiten<br />

im Interesse e<strong>in</strong>es zielgerichteten,<br />

zügigen Studiums selbstverantwortlich<br />

wahrnehmen können.<br />

Mit e<strong>in</strong>er gröûeren Haushaltsautonomie<br />

auf <strong>der</strong> Grundlage klarer Zielvere<strong>in</strong>barungen,<br />

<strong>der</strong> kont<strong>in</strong>uierlichen Evaluation von<br />

Forschung und Lehre und e<strong>in</strong>em effizienteren<br />

Hochschulmanagement wollen wir<br />

diese Ziele erreichen. Notwendig ist auch<br />

e<strong>in</strong>e den Aufgaben adäquate Organisationsreform<br />

<strong>der</strong> Hochschulen.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Frauen am wissenschaftlichen<br />

Personal ist zu niedrig. Von 100 Professor<strong>in</strong>nen<br />

s<strong>in</strong>d im bundesweiten Durchschnitt<br />

nur 8,5 % Frauen. Daher for<strong>der</strong>n<br />

wir, <strong>der</strong>en Anteil sukzessive deutlich zu<br />

erhöhen. In Forschung und Lehre sollen<br />

freiwerdende Stellen verstärkt mit Frauen<br />

besetzt werden.<br />

6. In <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Studierenden steht<br />

auch <strong>der</strong> Entwurf für e<strong>in</strong> neues Hochschulrahmengesetz<br />

(HRG). Die Län<strong>der</strong> haben<br />

im Bundesrat e<strong>in</strong>e Reihe von notwendigen<br />

Ergänzungen und Korrekturen am Entwurf<br />

<strong>der</strong> Bundesregierung vorgelegt. Vor allem<br />

haben die Län<strong>der</strong> beantragt, die Studiengebührenfreiheit<br />

im Hochschulrahmengesetz<br />

festzuschreiben.<br />

Im neuen HRG betrifft e<strong>in</strong>e zentrale Verän<strong>der</strong>ung<br />

die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er neuen Studienstruktur<br />

(Bachelor/Master). Für die<br />

<strong>SPD</strong> ist dies nur akzeptabel unter folgenden<br />

Voraussetzungen:<br />

± Es handelt sich um die Erprobung neuer<br />

Studienstrukturen, soweit hierfür e<strong>in</strong>zelne<br />

Fächer tatsächlich geeignet s<strong>in</strong>d.<br />

Bevor die herkömmlichen Abschlüsse<br />

(Diplom, Staatsexamen, Magister) hier-<br />

374<br />

durch abgelöst werden, müssen die<br />

erprobten neuen Studiengänge e<strong>in</strong>gehend<br />

evaluiert werden, auch h<strong>in</strong>sichtlich<br />

<strong>der</strong> Verwertbarkeit <strong>der</strong> neuen Abschlüsse<br />

auf dem Arbeitsmarkt unter E<strong>in</strong>schluû<br />

des öffentlichen Dienstes.<br />

± Ziel ist die europäische Harmonisierung<br />

von Hochschulabschlüssen, nicht die<br />

willkürliche Zweiteilung des Studiums<br />

mit dem Ziel, die groûe Masse <strong>der</strong> Studierenden<br />

<strong>in</strong> Kurzausbildungsgängen<br />

möglichst rasch durch die Hochschulen<br />

zu br<strong>in</strong>gen und ihnen e<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />

Ausbildung vorzuenthalten.<br />

± Zwischen Bachelor- und anschlieûendem<br />

Master-Studiengang muû Durchlässigkeit<br />

gewährleistet werden, d. h. alle Absolventen<br />

e<strong>in</strong>es Bachelorstudienganges müssen<br />

das Recht haben, anschlieûend den<br />

Masterstudiengang zu absolvieren.<br />

± Dies erfor<strong>der</strong>t zw<strong>in</strong>gend, daû <strong>der</strong><br />

Anspruch auf <strong>in</strong>dividuelle Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />

den Masterstudiengang mit<br />

e<strong>in</strong>schlieût.<br />

Der vorliegende HRG-Entwurf wird <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er öffentlichen Anhörung des Ausschusses<br />

für Bildung und Forschung des Deutschen<br />

Bundestages am 5. Dezember 1997<br />

zusammen mit den Studierendenverbänden<br />

und den Organisationen im Hochschulbereich<br />

erörtert. Die <strong>SPD</strong> erwartet, daû die<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> Anhörung <strong>in</strong> die abschlieûenden<br />

parlamentarischen Beratungen e<strong>in</strong>flieûen.<br />

Wir wollen substantielle Verbesserungen<br />

durchsetzen. Hiervon machen wir<br />

unser endgültiges Votum zur HRG-<br />

Novelle abhängig. Hierzu gehören:<br />

± ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung von Studiengebühren<br />

± e<strong>in</strong>e verfaûte Studentenschaft <strong>in</strong> allen<br />

Län<strong>der</strong>n<br />

± Reform <strong>der</strong> Studien<strong>in</strong>halte und Strukturen<br />

ohne neue Zugangsbarrieren<br />

± Öffnung für qualifizierte Berufstätige<br />

± e<strong>in</strong>e bessere Frauenför<strong>der</strong>ung<br />

± e<strong>in</strong>e tarifvertragliche Öffnungsklausel für<br />

Zeitverträge.<br />

7. Die HRG-Novelle mit den von uns<br />

gefor<strong>der</strong>ten ¾n<strong>der</strong>ungen ist e<strong>in</strong> Bauste<strong>in</strong>


für e<strong>in</strong>e notwendige Reform <strong>der</strong> Hochschulen.<br />

Diese Reform muû e<strong>in</strong>schlieûen:<br />

± e<strong>in</strong> neues Ausbildungsför<strong>der</strong>ungssystem,<br />

<strong>in</strong> dem alle ausbildungsbezogenen staatlichen<br />

Leistungen zusammengefaût werden,<br />

und das nach Bedarf aufgestockt<br />

wird, damit auch K<strong>in</strong><strong>der</strong>n weniger wohlhaben<strong>der</strong><br />

Eltern e<strong>in</strong> Studium ermöglicht<br />

wird,<br />

± e<strong>in</strong>e deutliche Aufstockung <strong>der</strong> Hochschulbauför<strong>der</strong>ung,<br />

um für die steigenden<br />

Studentenzahlen die notwendigen<br />

Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen,<br />

± e<strong>in</strong>e deutliche Aufstockung <strong>der</strong> Mittel<br />

für Forschung und die Verbesserung des<br />

Wissenschaftstransfers,<br />

± e<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Personalstruktur und<br />

die För<strong>der</strong>ung des wissenschaftlichen<br />

Nachwuchses an den Hochschulen.<br />

(Angenommen)<br />

Initiativantrag 30<br />

¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 283<br />

Punkt 3: Unsere Handlungsmaximen:<br />

Der erste Unterpunkt erhält folgende<br />

Fassung:<br />

± Wir wollen die <strong>in</strong>tegrierende und orientierende<br />

Kraft von Bildung stärken und<br />

zugleich nutzen. In unserer Gesellschaft<br />

zeigen sich Spaltungstendenzen, die sich<br />

auch im Bildungswesen, <strong>in</strong> den Schulen<br />

wi<strong>der</strong>spiegeln. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />

und Sozialdemokraten müssen daher den<br />

fortschreitenden sozialen Differenzierungen<br />

zwischen den Schulen begegnen.<br />

Es gilt heute mehr denn je deutlich zu<br />

machen, da die <strong>in</strong>tegrierte Gesamtschule<br />

für die <strong>SPD</strong> die bevorzugte Schulform<br />

ist, <strong>der</strong>en möglichst flächendeckende<br />

Ausbreitung durch beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung,<br />

pädagogische Kooperation mit ortsnahen<br />

Grundschulen und Aufklärung <strong>der</strong><br />

Eltern voranzutreiben ist. Die Weiterentwicklung<br />

dieser Schulform ist jedoch<br />

längst nicht abgeschlossen. Durch För<strong>der</strong>kurse<br />

und verstärkte Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> LehrerInnen (geme<strong>in</strong>same Unter-<br />

richtsvorbereitung usw.) muû e<strong>in</strong>e<br />

höhere Durchlässigkeit <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Gesamtschulen erreicht werden.<br />

Gerade durch Budgetierung <strong>der</strong> Schulen<br />

und die Aufstellung von Schulprogrammen<br />

ist bei allen positiven Effekten auch<br />

e<strong>in</strong>e verstärkte Ausbildung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen<br />

und sozialen Ungleichheiten zwischen<br />

den Schulen zu befürchten. Es<br />

s<strong>in</strong>d daher Son<strong>der</strong>töpfe für den Strukturausgleich<br />

zwischen Schulen e<strong>in</strong>zurichten.<br />

Tendenzen, die freie Schulwahl durch<br />

das Abschieben von schwächeren SchülerInnen<br />

an an<strong>der</strong>e Schul(-formen) und<br />

das Aufstellen von <strong>in</strong>offiziellen Aufnahmekriterien<br />

e<strong>in</strong>zuschränken ist entschieden<br />

entgegenzutreten.<br />

Schule ist die wichtigste Integrations<strong>in</strong>stanz<br />

unserer Gesellschaft. Sozialdemokratische<br />

Bildungspolitik muû dies <strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Weise berücksichtigen. Dies<br />

gilt aber auch für den Beitrag, den unser<br />

Bildungssystem für den <strong>in</strong>neren Zusammenhalt<br />

und das Zusammenwachsen<br />

Deutschlands leisten kann.<br />

An den zweiten Unterpunkt wird angefügt:<br />

Die <strong>SPD</strong> bekennt sich jedoch ausdrücklich<br />

zum 13. Schuljahr. Das Überspr<strong>in</strong>gen von<br />

Klassen kann nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen s<strong>in</strong>nvoll<br />

se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e ¹Straffungª <strong>der</strong> Oberstufe<br />

auf zwei Jahre ist für die <strong>SPD</strong> <strong>in</strong>diskutabel.<br />

An den vierten Unterpunkt wird angefügt.<br />

Es ist nötig, je<strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong> und jedem<br />

Lehrer e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaû an jährlichen Fortbildungsveranstaltungen<br />

gesetzlich aufzuerlegen,<br />

um die neuen pädagogischen didaktischen<br />

und <strong>in</strong>haltlichen Ansätze schneller<br />

als bisher an die Schulen zu tragen.<br />

H<strong>in</strong>ter dem fünften Unterpunkt wird e<strong>in</strong>gefügt.<br />

± Demokratie soll <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule nicht nur<br />

gelernt, son<strong>der</strong>n auch gelebt werden. Im<br />

Unterricht soll den SchülerInnen Partizipation<br />

und Engagement <strong>in</strong> <strong>der</strong> Demokratie<br />

nahegelegt werden. Daû es <strong>der</strong><br />

Gesellschaft ernst ist damit, sollten<br />

SchülerInnen schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule erfahren.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs müssen diese wissen, daû<br />

375


376<br />

sie ernstgenommen werden und ihre<br />

Vorschläge und Konzepte e<strong>in</strong>e faire<br />

Chance haben. Ihr Wort und Gewicht<br />

haben, sonst resignieren sie und ziehen<br />

ihr Engagement zurück. Durch weitergehende<br />

Kompetenzen <strong>der</strong> Schülervertretungen<br />

können SchülerInnen viel eher<br />

dazu bewegt werden, sich an <strong>der</strong> Schule<br />

zu engagieren. Nicht zuletzt s<strong>in</strong>d die<br />

Erfahrungen, die hier gemacht werden<br />

auch prägend für das Verhalten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Demokratie, auch lange nach <strong>der</strong> Schulzeit.<br />

(Überwiesen an Kommission Bildung und<br />

Wissenschaft beim Parteivorstand)


Organisationspolitik<br />

Antrag O 292<br />

Parteivorstand<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§§ 28±30<br />

§28<br />

(1) Der Parteirat berät den Vorstand und<br />

för<strong>der</strong>t durch eigene Initiativen die Willensbildung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei.<br />

(2) Der Parteirat ist anzuhören vor<br />

Beschlüssen des Parteivorstandes über<br />

± grundlegende auûen- und <strong>in</strong>nenpolitische<br />

Entscheidungen,<br />

± grundsätzliche organisatorische Fragen,<br />

± E<strong>in</strong>richtungen von zentralen Partei<strong>in</strong>stitutionen,<br />

die die Partei dauernd erheblich<br />

belasten,<br />

± die Vorbereitung von Bundestags- und<br />

Europawahlen.<br />

(3) Über die von e<strong>in</strong>em Bundesparteitag an<br />

den Parteirat überwiesenen Anträge<br />

beschlieût <strong>der</strong> Parteirat abschlieûend.<br />

(4) Über die von e<strong>in</strong>em Bundesparteitag an<br />

den Parteivorstand und Parteirat überwiesenen<br />

Anträge beschlieût <strong>der</strong> Parteivorstand,<br />

nachdem <strong>der</strong> Parteirat zuvor e<strong>in</strong>e<br />

Empfehlung abgegeben hat.<br />

(5) Der Parteirat faût Beschlüsse im Rahmen<br />

se<strong>in</strong>er Aufgaben, soweit diese nicht<br />

durch Gesetz o<strong>der</strong> Satzung an<strong>der</strong>en Organen<br />

vorbehalten s<strong>in</strong>d. Se<strong>in</strong>e Rechte aus den<br />

§§ 6 Abs. 2, 17 Abs. 2 Organisationsstatut<br />

und § 1 Abs. 4 F<strong>in</strong>anzordnung bleiben<br />

unberührt.<br />

(6) Der Parteirat wählt auf Vorschlag des<br />

Parteivorstandes die Delegierten für die<br />

Sozialdemokratische Partei Europas.<br />

(7) Der Parteirat berät bei <strong>der</strong> Abstimmung<br />

<strong>der</strong> Politik <strong>in</strong> Europa, im Bund, <strong>in</strong><br />

den Län<strong>der</strong>n und Geme<strong>in</strong>den.<br />

§29<br />

(1) Der Parteirat setzt sich zusammen:<br />

1. Mitglie<strong>der</strong><br />

90 von den <strong>Parteitag</strong>en <strong>der</strong> Bezirke/Landesverbände<br />

<strong>in</strong> geheimer Abstimmung zu<br />

wählende Vertreter und Vertreter<strong>in</strong>nen.<br />

Dabei erhält je<strong>der</strong> Bezirk/Landesverband<br />

vorab e<strong>in</strong> Grundmandat. Die weiteren<br />

Mandate werden nach dem Schlüssel für<br />

die Errechnung <strong>der</strong> Delegiertenzahlen auf<br />

den Bundesparteitagen auf die Bezirke/<br />

Landesverbände verteilt.<br />

2. Beratende Mitglie<strong>der</strong><br />

a) die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kontrollkommission,<br />

b) die Vorsitzenden <strong>der</strong> Landesverbände <strong>in</strong><br />

den Län<strong>der</strong>n mit mehr als e<strong>in</strong>em Bezirk,<br />

c) die Vorsitzenden <strong>der</strong> Landtagsfraktionen,<br />

d) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende <strong>der</strong> Bundestagsfraktion,<br />

e) <strong>der</strong> Vorsitzende o<strong>der</strong> die Vorsitzende<br />

<strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Abgeordneten im<br />

Europaparlament,<br />

f) die sozialdemokratischen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

EU-Kommission,<br />

g) die sozialdemokratischen M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />

und M<strong>in</strong>isterpräsident<strong>in</strong>nen bzw.<br />

stellvertretenden M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />

und M<strong>in</strong>isterpräsident<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>,<br />

h) die sozialdemokratischen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Bundesregierung,<br />

i) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Seniorenrats,<br />

j) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Gewerkschaftsrats,<br />

377


k) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzenden <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften<br />

auf Bundesebene,<br />

l) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>,<br />

m)die leitenden Landes- und Bezirksgeschäftsführer/<strong>in</strong>nen.<br />

Der Parteivorstand nimmt an den Sitzungen<br />

des Parteirates teil.<br />

(2) Für die Leitung <strong>der</strong> Sitzungen wählt<br />

<strong>der</strong> Parteirat e<strong>in</strong>e Vorsitzende o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Vorsitzenden und <strong>der</strong>en bzw. dessen Stellvertreter<br />

o<strong>der</strong> Stellvertreter<strong>in</strong>.<br />

§ 30<br />

(1) Der Parteirat wird durch den Vorsitzenden<br />

o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Parteirates<br />

im Benehmen mit dem Parteivorstand<br />

unter Angabe <strong>der</strong> Tagesordnung e<strong>in</strong>berufen.<br />

Er tritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel vierteljährlich<br />

zusammen.<br />

(2) Auf Antrag e<strong>in</strong>es Drittels se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong>,<br />

<strong>der</strong> zu begründen ist, muû e<strong>in</strong>e<br />

auûerordentliche Sitzung e<strong>in</strong>berufen werden.<br />

(3) Die E<strong>in</strong>ladungen sollen den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

des Parteirates <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel spätestens<br />

fünf Tage vor <strong>der</strong> Sitzung zugehen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 296<br />

Parteivorstand<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 8 a<br />

Die <strong>SPD</strong> bildet zusammen mit europäischen<br />

Schwesterparteien die Sozialdemokratische<br />

Partei Europas (SPE).<br />

Der Parteivorstand gewährleistet die Beteiligung<br />

<strong>der</strong> Parteimitglie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Willensbildung<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> SPE, wobei die Glie<strong>der</strong>ungen<br />

und die Fraktion im EU-<br />

378<br />

Parlament vorrangig zu berücksichtigen<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 297<br />

Bezirk <strong>Hannover</strong><br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 20<br />

Die Delegierten <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> für Konferenzen<br />

<strong>der</strong> SPE sollen künftig nicht mehr nach<br />

Zugriffs- o<strong>der</strong> Zufallspr<strong>in</strong>zip ausgewählt,<br />

son<strong>der</strong>n vom Bundesparteitag gewählt werden.<br />

Dementsprechend ist das Organisationsstatut<br />

<strong>in</strong> § 20 um e<strong>in</strong>e Ziffer zu erweitern.<br />

Nach Ziffer 2 ist e<strong>in</strong>e neue Ziffer 3 zu<br />

ergänzen; die bisherigen Ziffern 3 und 4<br />

werden zu Ziffer 4 und 5.<br />

§ 20,3. lautet künftig:<br />

3. die Wahl von Delegierten zu SPE-Konferenzen.<br />

Je<strong>der</strong> Bezirk/Landesbezirk erhält e<strong>in</strong><br />

Grundmandat. Hierfür haben die Bezirke<br />

e<strong>in</strong> Vorschlagsrecht. Für die restlichen<br />

Delegierten werden Vorschläge aller<br />

Antragsberechtigten berücksichtigt.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand und<br />

Parteirat)<br />

Antrag O 298<br />

Unterbezirk Saarbrücken-Stadt<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Luxemburg<br />

(Landesverband Saar)<br />

Europa <strong>der</strong> BürgerInnen<br />

Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand und die SPE werden<br />

aufgefor<strong>der</strong>t, die satzungsrechtlichen<br />

Voraussetzungen zu schaffen, daû


1. die Sozialdemokratische Partei Europas<br />

(SPE) die Mitgliedschaft e<strong>in</strong>zelner Parteimitglie<strong>der</strong><br />

vorsieht und dies von allen<br />

Mitgliedsparteien-anerkannt wird;<br />

2. Parteimitglie<strong>der</strong>, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

Mitgliedstaat wohnen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialdemokratischen<br />

Partei dieses Mitgliedstaates<br />

als gleichberechtigte Mitglie<strong>der</strong><br />

aufgenommen werden können;<br />

3. die SPE den Status dieser Mitglie<strong>der</strong><br />

h<strong>in</strong>sichtlich Beitragspflicht und Teilnahme<br />

an eventuellen SPE-weiten<br />

Abstimmungen regelt, um doppelte<br />

Pflichten o<strong>der</strong> Rechte zu vermeiden;<br />

4. die SPE die grenzüberschreitende<br />

Zusammenarbeit regionaler Parteistrukturen<br />

för<strong>der</strong>t und diesen Gremien e<strong>in</strong>e<br />

angemessene Vertretung auf ihren Kongressen<br />

e<strong>in</strong>räumt;<br />

5. die <strong>in</strong>dividuellen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> SPE<br />

die Möglichkeit erhalten, entsprechend<br />

ihrem zahlenmäûigen Anteil Delegierte<br />

zu den Kongressen <strong>der</strong> SPE zu entsenden;<br />

6. die Delegierten <strong>der</strong> nationalen Mitgliedsparteien<br />

zu den Kongressen <strong>der</strong><br />

SPE von <strong>der</strong> Basis gewählt und nicht<br />

lediglich von den Parteileitungen<br />

bestimmt werden;<br />

7. die Fraktion <strong>der</strong> SPE im Europäischen<br />

Parlament <strong>in</strong> allen Organen <strong>der</strong> SPE<br />

gleichgewichtig vertreten ist;<br />

8. die SPE e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Wahlkampfplattform<br />

verabschiedet, ausführliche<br />

Stellungnahmen zu europäischen Politikfel<strong>der</strong>n<br />

erarbeitet und e<strong>in</strong> künftiges<br />

europäisches Parteiprogramm entwikkelt;<br />

9. die SPE über die notwendigen F<strong>in</strong>anzmittel<br />

verfügen sollte, um im S<strong>in</strong>ne von<br />

Art. 138 a EG-V auf europäischer Ebene<br />

Informations- und Wahlkampagnen<br />

durchzuführen;<br />

10. die SPE die Mitgliedsparteien dazu<br />

anhält, zu den Europa- und Kommunalwahlen<br />

e<strong>in</strong>e angemessene Zahl von<br />

Kandidat<strong>in</strong>nen aus an<strong>der</strong>en Mitgliedstaaten<br />

aufzustellen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 299<br />

Landesverband Saar<br />

Europa <strong>der</strong> BürgerInnen<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t den <strong>SPD</strong>-Parteivorstand<br />

und den Vorstand <strong>der</strong> SPE auf,<br />

für die Durchführung <strong>der</strong> nachstehenden<br />

Vorschläge Sorge zu tragen und die jeweils<br />

erfor<strong>der</strong>lichen satzungsgemäûen Beschlüsse<br />

zu fassen.<br />

1. Parteimitglie<strong>der</strong>, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />

Mitgliedstaat wohnen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialdemokratischen<br />

Partei dieses Mitgliedstaates<br />

als gleichberechtigte Mitglie<strong>der</strong> aufgenommen<br />

werden können;<br />

2. die SPE den Status dieser Mitglie<strong>der</strong><br />

h<strong>in</strong>sichtlich Beitragspflicht und Teilnahme<br />

an eventuellen SPE-weiten<br />

Abstimmungen regelt, um doppelte<br />

Pflichten o<strong>der</strong> Rechte zu vermeiden;<br />

3. die SPE die grenzüberschreitende<br />

Zusammenarbeit regionaler Parteistrukturen<br />

för<strong>der</strong>t.<br />

4. die Delegierten <strong>der</strong> nationalen Mitgliedsparteien<br />

zu den Kongressen <strong>der</strong><br />

SPE von <strong>der</strong> Basis gewählt und nicht<br />

lediglich von den Parteileitungen<br />

bestimmt werden;<br />

5. die Fraktion <strong>der</strong> SPE im Europäischen<br />

Parlament <strong>in</strong> allen Organen <strong>der</strong> SPE<br />

angemessen vertreten ist;<br />

6. die SPE e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Wahlkampfplattform<br />

verabschiedet, ausführliche<br />

Stellungnahmen zu europäischen Politikfel<strong>der</strong>n<br />

erarbeitet und e<strong>in</strong> künftiges<br />

europäisches Parteiprogramm entwikkelt;<br />

7. die SPE über die notwendigen F<strong>in</strong>anzmittel<br />

verfügen sollte, um im S<strong>in</strong>ne von<br />

Art. 138 a EG-V auf europäischer Ebene<br />

Informations- und Wahlkampagnen<br />

durchzuführen;<br />

8. die SPE die Mitgliedsparteien dazu<br />

anhält, zu den Europa- und Kommunalwahlen<br />

e<strong>in</strong>e angemessene Zahl von KandidatInnen<br />

aus an<strong>der</strong>en Mitgliedstaaten<br />

aufzustellen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

379


Antrag O 300<br />

Parteivorstand<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 10<br />

§ 10 des Organisationsstatuts <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Deutschlands wird um<br />

folgenden Absatz 2 ergänzt:<br />

¹Im Rahmen e<strong>in</strong>es Modellprojektes können<br />

bis zum 31. 12. 2000 für die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen und<br />

Jungsozialisten folgende Regelungen<br />

erprobt werden:<br />

Unterschreitet bei Wahlen für den Bundesvorstand<br />

o<strong>der</strong> für Delegationen zum Bundeskongreû<br />

die Zahl <strong>der</strong> gewählten Kandidat<strong>in</strong>nen<br />

e<strong>in</strong>en Anteil von 40 %, so<br />

verr<strong>in</strong>gert sich die Gröûe des Bundesvorstandes<br />

bzw. <strong>der</strong> Delegation so weit, daû<br />

die Zahl <strong>der</strong> weiblichen Mitglie<strong>der</strong> des<br />

Bundesvorstandes bzw. <strong>der</strong> Delegation<br />

e<strong>in</strong>en Anteil von m<strong>in</strong>destens 40 % erreicht.<br />

Der Mann bzw. die Männer mit <strong>der</strong> niedrigsten<br />

Stimmenzahl gehört bzw. gehören<br />

<strong>in</strong> diesem Fall dem Bundesvorstand bzw.<br />

<strong>der</strong> Delegation nicht an; bei Stimmengleichheit<br />

entscheidet das Los. Für Delegationen<br />

zum Bundeskongreû kann vorgesehen<br />

werden, daû verh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Mitglie<strong>der</strong><br />

nur von Ersatzdelegierten des gleichen<br />

Geschlechts vertreten werden können.ª<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 301<br />

Unterbezirk Unna<br />

(Bezirk Westliches Westfalen)<br />

(vom <strong>Parteitag</strong> Köln 1996 überwiesen)<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 2<br />

Die untere Altersgrenze für den E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong><br />

die <strong>SPD</strong> wird von 16 auf 14 Jahre gesenkt.<br />

§ 2 des Organisationsstatus, <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />

Partei Deutschlands ist wie<br />

folgt neu zu fassen: ¹Zur Sozialdemokrati-<br />

380<br />

schen Partei Deutschlands gehört jede Person,<br />

die sich zu den Grundsätzen <strong>der</strong> Partei<br />

bekennt und die Mitgliedschaft<br />

erworben hat. Die untere Grenze für den<br />

E<strong>in</strong>tritt ist das vollendete 14. Lebensjahr.ª<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 302<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten (vom <strong>Parteitag</strong> Köln<br />

1996 überwiesen)<br />

Wahlrecht 16<br />

Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion sowie die<br />

<strong>SPD</strong>-Fraktionen <strong>der</strong> Landtage werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

soweit noch nicht geschehen,<br />

parlamentarische Aktivitäten zur E<strong>in</strong>führung<br />

des aktiven Wahlrechts ab 16 Jahre zu<br />

ergreifen und somit den entsprechenden<br />

Wiesbadener <strong>Parteitag</strong>sbeschluû umzusetzen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 303<br />

Parteivorstand<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialisten LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 10<br />

Der zum 31. 12. 1998 befristete Modellversuch<br />

zur ¹Öffnung für Nichtmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />

und Jungsozialistenª wird auf<br />

unbefristete Zeit verlängert.<br />

(Angenommen)


Antrag O 304<br />

Parteivorstand<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 23<br />

§ 23 Absatz 7 wird wie folgt verän<strong>der</strong>t:<br />

Der amtierende Vorstand unterbreitet zwei<br />

Wochen vor dem <strong>Parteitag</strong> den Delegierten<br />

e<strong>in</strong>en Vorschlag zur Wahl des Vorstandes.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 305<br />

Bezirk Weser-Ems<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wahlordnung<br />

§ 3<br />

Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t, die<br />

Wahlordnung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> zu überarbeiten mit<br />

dem Ziel, das auûerordentlich zeitraubende<br />

Wahlverfahren zu vere<strong>in</strong>fachen respektive<br />

zu verkürzen. Damit soll dem Problem<br />

Rechnung getragen werden, daû <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

jüngere Mitglie<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> aufwendigen<br />

Wahlregulierung immer häufiger<br />

unseren Versammlungen fernbleiben.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 313<br />

Parteivorstand<br />

E<strong>in</strong>setzung e<strong>in</strong>er Beitragskommission<br />

Der Parteivorstand wird beauftragt, e<strong>in</strong>e<br />

Beitragskommission e<strong>in</strong>zusetzen, die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

folgende Aufgaben hat:<br />

± Überprüfung <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />

Abflachung <strong>der</strong> Beitragstabelle bei<br />

Erhaltung <strong>der</strong> bisherigen E<strong>in</strong>nahmen<br />

± Prüfung <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>es Familienbeitrages.<br />

± Vorschläge zur Dynamisierung <strong>der</strong> Beitragse<strong>in</strong>nahmen.<br />

Der Kommission gehören neben den vom<br />

Parteivorstand benannten Mitglie<strong>der</strong>n<br />

jeweils e<strong>in</strong>/e Vertreter/<strong>in</strong> aus den Bezirken<br />

an, die für den Bundesparteitag <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong><br />

Anträge zur ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mitgliedsbeiträge<br />

gestellt haben. Die Kommission<br />

legt dem nächsten ordentlichen <strong>Parteitag</strong><br />

e<strong>in</strong>en abstimmungsreifen Neuentwurf für<br />

e<strong>in</strong>e gerechtere Beitragstabelle vor.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 314<br />

Bezirk Weser-Ems<br />

Mehr Beitragsehrlichkeit durch<br />

wirklichkeitsnahe Beiträge und<br />

Familienbeiträge<br />

Die aktuelle Beitragstabelle <strong>der</strong> Bundes-<br />

<strong>SPD</strong> ist mit dem Ziel zu überarbeiten,<br />

wirklichkeitsnahe Beiträge zu nennen, die<br />

auch als akzeptabler Anhalt für Beitragsgespräche<br />

mit Alt- und Neumitglie<strong>der</strong>n<br />

benutzt werden können.<br />

Ebenfalls ist die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Familienmitgliedschaft<br />

anzustreben.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 315<br />

Kreisverband V ± Ha<strong>der</strong>n, ± Laim, ± Neuhausen-Nymphenburg<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Neue Beitragstabelle erstellen<br />

Der Parteivorstand wird beauftragt, e<strong>in</strong>e<br />

neue Beitragstabelle zu erstellen, die sich<br />

an <strong>der</strong> Realität orientiert und s<strong>in</strong>kende<br />

Nettolöhne und hohe Arbeitslosenzahlen<br />

berücksichtigt.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

381


Antrag O 316<br />

Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />

Beitragstabelle<br />

Die Bundes-<strong>SPD</strong> wird aufgefor<strong>der</strong>t, die<br />

aktuelle Beitragstabelle zu überarbeiten mit<br />

dem Ziel, wirklichkeitsnahe (niedrigere)<br />

Beiträge zu nennen, die auch als akzeptabler<br />

Anhalt für Beitragsgespräche mit Altund<br />

Neumitglie<strong>der</strong>n benutzt werden können.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 317<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Tangstedt<br />

(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />

Beitragstabelle<br />

¹Die aktuelle Beitragstabelle wird überarbeitet,<br />

mit dem Ziel wirklichkeitsnahe<br />

(niedrigere) Beiträge zu nennen, die auch<br />

als akzeptabler Anhalt für Beitragsgespräche<br />

mit Alt- und Neumitglie<strong>der</strong>n benutzt<br />

werden können.<br />

Es wird e<strong>in</strong>e Kommission gebildet, die<br />

anschlieûend zum folgenden Bundesparteitag<br />

Vorschläge über e<strong>in</strong> verän<strong>der</strong>tes Beitragssystem,<br />

wie z. B. feste Monatsbeträge<br />

mit Härte-/Sozialklausel vorlegt.ª<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 318<br />

Ortsvere<strong>in</strong> L<strong>in</strong>dau<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Mitgliedsbeiträge<br />

Die bisherige Staffelung <strong>der</strong> Mitgliedsbeiträge<br />

wird neu überarbeitet und auf e<strong>in</strong><br />

überschaubares ¹Dreistufensystemª zusammengefaût.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

382<br />

Dabei soll auf die bisher unrealistisch<br />

hohen Beitragssätze mit Koppelung an das<br />

Nettoe<strong>in</strong>kommen verzichtet werden, so<br />

daû jedem Mitglied e<strong>in</strong>e korrekte und<br />

transparente E<strong>in</strong>stufung ermöglicht wird.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 319<br />

Unterbezirk Kreis Wesel<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Neugestaltung <strong>der</strong> Beitragstabelle<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

Der Parteivorstand wird beauftragt, die<br />

Beitragstabelle grundlegend neu zu gestalten.<br />

Ziel dieser Neugestaltung muû es se<strong>in</strong>,<br />

Beiträge zu erheben, die e<strong>in</strong>e breite Akzeptanz<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung f<strong>in</strong>den.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 320<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Kirchheim<br />

(Landesverband Bayern)<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Der Bundesparteitag möge die <strong>in</strong> § 1<br />

F<strong>in</strong>anzordnung aufgeführten Mitgliedsbeiträge<br />

auf e<strong>in</strong> realistisches Niveau zurückführen.<br />

Die geltenden Mitgliedsbeiträge s<strong>in</strong>d zu<br />

hoch. In <strong>der</strong> Praxis werden sie deshalb so<br />

auch nicht entrichtet. In <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />

Höhe s<strong>in</strong>d sie auch nicht geeignet, <strong>der</strong> Partei<br />

neue Mitglie<strong>der</strong> zuzuführen, sie schrekken<br />

vielmehr von e<strong>in</strong>em Beitritt ab.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)


Antrag O 321<br />

Unterbezirk Köln (Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Die F<strong>in</strong>anzordnung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> soll wie folgt<br />

geän<strong>der</strong>t werden:<br />

Die bisherige Fassung von § 1 Absatz 2a<br />

(mit <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er Regelanpassung<br />

<strong>der</strong> Beiträge durch e<strong>in</strong>fache Mehrheit e<strong>in</strong>es<br />

<strong>Parteitag</strong>es) entfällt.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 322<br />

Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong><br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Die F<strong>in</strong>anzordnung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> soll wie folgt<br />

geän<strong>der</strong>t werden:<br />

Die bisherige Fassung von § 1 Absatz 2a<br />

(mit <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er Regelanpassung<br />

<strong>der</strong> Beiträge durch e<strong>in</strong>fache Mehrheit e<strong>in</strong>es<br />

<strong>Parteitag</strong>es) entfällt.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 323<br />

Kreisverband 2 München<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Beitragstabelle<br />

Der <strong>Parteitag</strong> möge folgende Beitragstabelle<br />

beschlieûen:<br />

Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen<br />

erwarteter<br />

Betrag<br />

bis<br />

2 500<br />

7,00-<br />

15,00<br />

25 00-<br />

5 000<br />

15,00-<br />

50,00<br />

5 000-<br />

7 500<br />

50,00-<br />

200,00<br />

über<br />

7 500<br />

200,00<br />

und<br />

mehr<br />

M<strong>in</strong>destbeitrag bleibt bei DM 4 monatlich.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 324<br />

Bezirksverband Oberbayern<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Neue Beitragstabelle<br />

Die <strong>der</strong>zeit gültige Beitragstabelle wird<br />

durch die folgende ersetzt:<br />

Monatliches<br />

Haushalts-<br />

Netto-<br />

E<strong>in</strong>kommen<br />

1 000 bis<br />

1 499<br />

1 500 bis<br />

1 999<br />

2 000 bis<br />

2 499<br />

2 500 bis<br />

2 999<br />

3 000 bis<br />

3 999<br />

4 000 bis<br />

4 999<br />

5 000 und<br />

mehr<br />

Erwarteter monatlicher M<strong>in</strong>destbeitrag<br />

Alle<strong>in</strong>stehend<br />

Faktor:<br />

1<br />

4 4<br />

5 bis<br />

8<br />

8 bis<br />

12<br />

13 bis<br />

18<br />

18 bis<br />

32<br />

32 bis<br />

50<br />

Verheiratet<br />

Faktor:<br />

0,6<br />

4 bis<br />

5<br />

5 bis<br />

7<br />

8 bis<br />

11<br />

11 bis<br />

19<br />

19 bis<br />

30<br />

Bis 2<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

Faktor:<br />

0,4<br />

4<br />

4 bis<br />

5<br />

5 bis<br />

7<br />

7 bis<br />

13<br />

13 bis<br />

20<br />

Ab 3<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

4<br />

Faktor:<br />

0,3<br />

4 bis<br />

5<br />

5 bis<br />

10<br />

10 bis<br />

15<br />

1 % 0,6 % 0,4 % 0,3 %<br />

vom monatlichen Haushalts-<br />

Netto-E<strong>in</strong>kommen<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

383


Antrag O 325<br />

Unterbezirk Wuppertal<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

1. Die Korrektur <strong>der</strong> Mitgliedsbeiträge <strong>in</strong><br />

Form e<strong>in</strong>er Regelanpassung alle zwei<br />

Jahre wird abgeschafft (Streichung des<br />

§ 1 Absatz 2a <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung).<br />

2. Der monatliche Höchstbeitrag wird <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Gruppe des Monatsnettoe<strong>in</strong>kommens<br />

von 2000 DM bis 3000 DM um<br />

50 Prozent gekürzt. Die monatlichen<br />

M<strong>in</strong>dest- und Höchstbeiträge <strong>in</strong> den<br />

Gruppen <strong>der</strong> Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong><br />

Höhe von 3000 DM bis 4000 DM und<br />

4000 DM bis 6 000 DM werden um<br />

50 Prozent gekürzt. Ab <strong>der</strong> Gruppe des<br />

Monatsnettoe<strong>in</strong>kommens von 6 000 bis<br />

8000 DM wird <strong>der</strong> Beitrag um 25 Prozent<br />

gekürzt.<br />

384<br />

So ist es jetzt!<br />

Beitragstabelle ab dem 1. 1. 1997 (gemäû<br />

F<strong>in</strong>anzordnung)<br />

bis<br />

1 500<br />

8,50<br />

bis<br />

9,60<br />

Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong> DM<br />

1 500<br />

bis<br />

2 000<br />

10,70<br />

bis<br />

14,±<br />

2 000<br />

bis<br />

3 000<br />

15,±<br />

bis<br />

54,±<br />

3 000<br />

bis<br />

4 000<br />

59,±<br />

bis<br />

118,±<br />

4 000<br />

bis<br />

6 000<br />

141,±<br />

bis<br />

295,±<br />

So soll es künftig se<strong>in</strong>!<br />

6 000<br />

bis<br />

8 000<br />

321,±<br />

bis<br />

428,±<br />

über<br />

8 000<br />

471,±<br />

und<br />

mehr<br />

Beitragstabelle nach Ziffer 2 des Beschluûvorschlages<br />

bis<br />

1 500<br />

8,50<br />

bis<br />

9,60<br />

Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong> DM<br />

1 500<br />

bis<br />

2 000<br />

10,70<br />

bis<br />

14,±<br />

2 000<br />

bis<br />

3 000<br />

15,±<br />

bis<br />

27,±<br />

3 000<br />

bis<br />

4 000<br />

29,50<br />

bis<br />

59,±<br />

4 000<br />

bis<br />

6 000<br />

70,50<br />

bis<br />

147,50<br />

6 000<br />

bis<br />

8 000<br />

240,75<br />

bis<br />

321,±<br />

über<br />

8 000<br />

353,25<br />

und<br />

mehr<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 326<br />

Unterbezirk Eichstätt<br />

(Landesverband Bayern)<br />

¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />

§ 13 und <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

§ 13 Organisationsstatut wird wie folgt geän<strong>der</strong>t:<br />

Jedes Mitglied hat Beiträge zu zahlen. Ausnahmen<br />

regelt die F<strong>in</strong>anzordnung, die<br />

Bestandteil des Organisationsstatuts ist.<br />

§ 1 F<strong>in</strong>anzordnung wird wie folgt geän<strong>der</strong>t:<br />

Neu:<br />

§ 1 (2b)<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, die Sozialhilfe o<strong>der</strong><br />

Arbeitslosenhilfe beziehen o<strong>der</strong> sich wegen<br />

Pflegebedürftigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pflegeheim<br />

bef<strong>in</strong>den, können auf Antrag von <strong>der</strong> Beitragspflicht<br />

befreit werden.<br />

Der Antrag auf Befreiung von <strong>der</strong> Beitragspflicht<br />

ist beim Vorstand des Ortsvere<strong>in</strong>s<br />

zu stellen. Dieser entscheidet <strong>in</strong>nerhalb<br />

von zwei Monaten über den Antrag.<br />

Die Befreiung gilt für e<strong>in</strong> Jahr und wird<br />

nur auf Antrag verlängert. Mehrmalige<br />

Verlängerung ist möglich.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 327<br />

Bezirksverband Oberbayern<br />

(Landesverband Bayern)<br />

Beitragsfreie Mitgliedschaft<br />

Nach strenger Prüfung des E<strong>in</strong>zelfalles<br />

durch den jeweiligen UB/KV besteht für<br />

Mitglie<strong>der</strong>, die aufgrund persönlicher<br />

Umstände den M<strong>in</strong>destbeitrag nicht mehr<br />

aufbr<strong>in</strong>gen können die Möglichkeit <strong>der</strong><br />

beitragsfreien Mitgliedschaft.


Dazu zählen:<br />

1. Arbeitslose<br />

2. Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen<br />

3. Senior<strong>in</strong>nen (z.B. bei Pflegebedürftigkeit<br />

o<strong>der</strong> bei Betreuung)<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 328<br />

Kreisverband Neuburg-Schrobenhausen<br />

(Landesverband Bayern)<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, die Sozialhilfe o<strong>der</strong><br />

Arbeitslosenhilfe beziehen, werden für die<br />

Dauer dieses Bezugs von <strong>der</strong> Beitragspflicht<br />

befreit.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 329<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Goldlauter-Hei<strong>der</strong>sbach<br />

(Landesverband Thür<strong>in</strong>gen)<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Die <strong>SPD</strong>-Mitglie<strong>der</strong>beiträge für Personen<br />

ohne E<strong>in</strong>kommen und für Ger<strong>in</strong>gverdienende<br />

werden wie folgt gesenkt:<br />

± E<strong>in</strong>stiegsbeitrag ohne E<strong>in</strong>kommen<br />

1,± DM<br />

± Staffelung für Ger<strong>in</strong>gverdienende<br />

2,± DM bis 4,± DM<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 330<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Herxheim<br />

(Bezirk Pfalz)<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Die Beitragssatzung sollte dah<strong>in</strong>gehend<br />

geän<strong>der</strong>t werden, daû arbeitslose Mitglie<strong>der</strong><br />

von <strong>der</strong> Beitragszahlung für die Zeit<br />

ihrer Arbeitslosigkeit gänzlich befreit werden.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 331<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Freigericht<br />

(Bezirk Hessen-Süd)<br />

¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />

§ 1<br />

Der Mitgliedsbeitrag für Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>en Lebenslagen (Sozialhilfeempfänger,<br />

Arbeitslose, Mitglie<strong>der</strong> ohne E<strong>in</strong>kommen,<br />

BAföG-Empfänger u.ä.) ist zu<br />

streichen.<br />

(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />

zu Antrag O 313)<br />

Antrag O 334<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Köln-Buchheim<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

Die F<strong>in</strong>anzkraft <strong>der</strong> Ortsvere<strong>in</strong>e<br />

stärken<br />

Die Zukunft des Ehrenamtes <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

sichern<br />

Der Bundesparteitag beschlieût, daû <strong>der</strong><br />

neue Vorstand <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres verbesserte<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Ortsvere<strong>in</strong>e<br />

zu schaffen hat.<br />

1. Die Ehrenamtlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> muû<br />

für die Zukunft e<strong>in</strong>e bessere Achtung<br />

385


und Anerkennung erhalten, beson<strong>der</strong>s<br />

von den hauptamtlichen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />

und Mitarbeitern.<br />

2. Ebenso ist <strong>der</strong> Entwicklung von <strong>der</strong><br />

Mitglie<strong>der</strong>- zur Medienpartei entgegenzuwirken.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 345<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Boldecker Land<br />

(Bezirk Braunschweig)<br />

(vom <strong>Parteitag</strong> Mannheim 1995<br />

überwiesen)<br />

Urwahl des/<strong>der</strong> Kanzlerkandidaten/<strong>in</strong><br />

In Ergänzung des § 39 b: ¹Urwahl des/<strong>der</strong><br />

Kanzlerkandidaten/<strong>in</strong>ª soll e<strong>in</strong>e Bestimmung<br />

des/<strong>der</strong> Kandidaten/<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zeitlichen<br />

Zusammenhang mit <strong>der</strong> anstehenden<br />

Wahl erfolgen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 364<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong><br />

Namensgebung <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

Der Bundesparteitag wird gebeten, e<strong>in</strong>er<br />

Namenserweiterung <strong>der</strong> AGS zuzustimmen.<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>SPD</strong> (AGS) ± Sozialdemokratische Unternehmer<strong>in</strong>nen.<br />

Der positiv besetzte Begriff ¹Unternehmerª<br />

soll damit für die Partei nutzbar gemacht<br />

werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

386<br />

Antrag O 366<br />

Unterbezirk Coesfeld<br />

(Bezirk Westliches Westfalen)<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Asel<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Diekholzen<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Harsum<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Ra<strong>in</strong><br />

Ortsvere<strong>in</strong> Rautenberg<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Sorsum<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Syke<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Twistr<strong>in</strong>gen<br />

(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Weisma<strong>in</strong><br />

(Landesverband Bayern)<br />

Netzwerk Tierschutz<br />

Beim Parteivorstand wird e<strong>in</strong> ¹<strong>SPD</strong> Netzwerk<br />

Tierschutzª e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> das alle<br />

an Tierschutzfragen <strong>in</strong>teressierten Parteimitglie<strong>der</strong><br />

aufgenommen werden, die sich<br />

auf e<strong>in</strong>en entsprechenden H<strong>in</strong>weis im<br />

¹Vorwärtsª beim EOH gemeldet haben.<br />

Aufgabe des Netzwerkes ist es <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie, Hilfestellung bei <strong>der</strong> Gründung<br />

lokaler und regionaler Tierschutzarbeitskreise<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> zu leisten und e<strong>in</strong>en Informationsaustausch<br />

zwischen diesen Arbeitskreisen<br />

und se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n zu<br />

organisieren.<br />

Das Netzwerk veranstaltet im Jahre 1998<br />

noch vor <strong>der</strong> Bundestagswahl e<strong>in</strong>e Konferenz<br />

¹Tierschutz und Ökologieª.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 367<br />

Unterbezirk Düsseldorf<br />

(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />

Arbeitskreis ¹Zukunft <strong>der</strong><br />

groûen Städteª<br />

Der Parteivorstand <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> setzt e<strong>in</strong>en<br />

Arbeitskreis<br />

¹Zukunft <strong>der</strong> groûen Städteª<br />

e<strong>in</strong>.


In ihm sollen Mandatsträger von Bund,<br />

Län<strong>der</strong>n und Geme<strong>in</strong>den, die SGK, Wissenschaftler<br />

und Vertreter gesellschaftlicher<br />

Organisationen e<strong>in</strong> Leitbild für die<br />

Zukunft unserer Städte entwickeln. In den<br />

Städten spiegeln sich die Chancen und<br />

Gefahren <strong>der</strong> Globalisierung <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er<br />

Weise wie<strong>der</strong>. Der Bedeutungsverlust des<br />

Nationalstaates muû sowohl durch mehr<br />

<strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit als auch<br />

durch e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> Regionen aufgefangen<br />

werden. E<strong>in</strong> wichtiger Ansatzpunkt<br />

ist die Umsetzung <strong>der</strong> Lokalen Agenda 21.<br />

(Angenommen und überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 368<br />

Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>-Sieg-Kreis<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er auûen-,<br />

europa- und sicherheitspolitischen<br />

Kommission<br />

Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

erneut e<strong>in</strong>e auûen-, europa- und sicherheitspolitische<br />

Kommission e<strong>in</strong>zurichten.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e sollen dort folgende Aspekte<br />

diskutiert werden:<br />

± Kann unter den neuen politischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />

<strong>in</strong> Europa noch an <strong>der</strong> Vision<br />

e<strong>in</strong>es europäischen Bundesstaates festgehalten<br />

werden und wenn ja, welche <strong>in</strong>stitutionelle<br />

Gestalt e<strong>in</strong>es mo<strong>der</strong>nen europäischen<br />

Bundesstaates streben wir an?<br />

± Welcher gesellschaftlichen Voraussetzungen<br />

bedarf die Vision e<strong>in</strong>es europäischen<br />

Bundesstaates (Parteien, Medien, Verfassung,<br />

Kultur, Sprachen etc.)?<br />

± Wo liegen die <strong>in</strong>stitutionellen und geographischen<br />

Grenzen <strong>der</strong> europäischen<br />

Integration?<br />

± Wenn die EU kle<strong>in</strong>er bleibt als Gesamteuropa:<br />

Wie kann das Verhältnis zu den<br />

europäischen Nicht-Mitglie<strong>der</strong>n, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Ruûland gestaltet werden?<br />

± Gibt es nach dem Ende <strong>der</strong> Systemkonkurrenz<br />

noch ausreichende Triebkräfte<br />

für die europäische Integration?<br />

± Wie kann trotz ¹Europäisierungª das<br />

transatlantische Verhältnis gestärkt werden?<br />

± Wie lassen sich die Osterweiterungsprozesse<br />

von NATO und EU aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

abstimmen?<br />

Die Kommission solle sich zusammensetzen<br />

aus Mitglie<strong>der</strong>n von PV und Bundestagsfraktion,<br />

den Bezirken und Wissenschaftlern<br />

aus den Bereichen Internationale<br />

Politik, Europaforschung. Ziel ist die Weiterentwicklung<br />

<strong>der</strong> europapolitischen Programmatik<br />

<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>.<br />

(Angenommen und überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 372<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Leiferde<br />

(Bezirk Braunschweig)<br />

Zugang zum Plenum<br />

Für alle Teilnehmer/<strong>in</strong>nen am Wettbewerb<br />

¹Lebendiger Ortsvere<strong>in</strong>ª und ¹Wilhelm-<br />

Dröscher-Preisª ist zu gewährleisten, daû<br />

sie den Beratungen des <strong>Parteitag</strong>es folgen<br />

können.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 374<br />

Unterbezirk Osterode<br />

(Bezirk Braunschweig)<br />

Frauenseite im ¹Vorwärtsª<br />

Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t, dafür<br />

Sorge zu tragen, daû e<strong>in</strong>e ständige redaktionelle<br />

¹Frauenseiteª im ¹Vorwärtsª e<strong>in</strong>gerichtet<br />

wird.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

387


Antrag O 375<br />

Landesverband Saar<br />

E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-Card<br />

auf Bundesebene<br />

Der Parteivorstand wird gebeten, erneut<br />

die Kommission Organisationspolitik und<br />

politische Bildung zu beauftragen, e<strong>in</strong><br />

Konzept für die bundesweite E<strong>in</strong>führung<br />

e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-Card zu entwickeln.<br />

Die <strong>SPD</strong>-Card soll das Mitgliedsbuch<br />

nicht ersetzen, son<strong>der</strong>n den Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Partei e<strong>in</strong> zusätzliches attraktives Leistungsangebot<br />

zur Verfügung stellen.<br />

(Angenommen)<br />

Antrag O 376<br />

Kreisverband Böbl<strong>in</strong>gen<br />

(Landesverband Baden-Württemberg)<br />

<strong>SPD</strong> muû Programmpartei<br />

bleiben<br />

Soziale und ökologische Erneuerung als<br />

Leitl<strong>in</strong>ie<br />

1. Das Ziel<br />

Die Herstellung und Bewahrung von Frieden,<br />

Gerechtigkeit und des Ökosystems<br />

s<strong>in</strong>d, weit über die <strong>SPD</strong> h<strong>in</strong>aus, als notwendige<br />

Bed<strong>in</strong>gungen für das Überleben<br />

unserer Zivilisation erkannt.<br />

Der Verbund dieser Ziele ist deshalb die<br />

Leitl<strong>in</strong>ie unseres Grundsatzprogramms<br />

(Berl<strong>in</strong> 20. 12. 1989).<br />

Schon damals war klar, daû höchste Eile<br />

geboten ist, um die sich abzeichnenden<br />

globalen Katastrophen abzuwenden. Die<br />

<strong>in</strong>zwischen ohne entscheidende Fortschritte<br />

verstrichene Zeit macht e<strong>in</strong> Handeln um so<br />

dr<strong>in</strong>glicher.<br />

2. Der Weg<br />

Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Arbeitswelt ordnet sich<br />

<strong>der</strong> soziale und ökologische Umbau <strong>der</strong><br />

388<br />

Industriegesellschaft als e<strong>in</strong> sowohl unausweichlicher<br />

wie auch gangbarer Weg <strong>in</strong><br />

dieses Programm e<strong>in</strong>.<br />

Zahlreiche Politiker unserer Partei haben,<br />

zusammen mit weltweit renommierten<br />

Wissenschaftlern, aufgezeigt, wie dieser<br />

Wandel e<strong>in</strong>geleitet und durchgeführt werden<br />

kann. Modellrechnungen, gestützt<br />

durch e<strong>in</strong>zelne erfolgreich erprobte Maûnahmen,<br />

zeigen, daû er volkswirtschaftlich<br />

rentabel wäre und sogar e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n an<br />

Lebensqualität zur Folge hätte. Der politische<br />

Ansatzpunkt ist dabei die Energiepolitik.<br />

Erste Schritte s<strong>in</strong>d erwiesenermaûen auch<br />

im nationalen Alle<strong>in</strong>gang möglich. Sie s<strong>in</strong>d<br />

notwendig, um durch positive Erfahrungen<br />

die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit voranzutreiben,<br />

damit die soziale und ökologische<br />

Wende auch global mehrheitsfähig<br />

wird.<br />

3. Glaubwürdigkeit<br />

Alle unsere SpitzenpolitikerInnen haben<br />

dem Grundsatzprogramm zugestimmt.<br />

Manche nehmen es aber entwe<strong>der</strong> nicht<br />

ernst o<strong>der</strong> sie leisten sich aus Angst um<br />

Wählerstimmen <strong>in</strong> Wahlprogrammen und<br />

-Reden verme<strong>in</strong>tlich ¹realpolitischeª<br />

Alle<strong>in</strong>gänge.<br />

Das hat verheerende Folgen:<br />

Bei skeptischen WählerInnen werden damit<br />

unser Programm und se<strong>in</strong>e Vertreter als<br />

wirklichkeitsfremd diffamiert. Freunde<br />

unserer Ziele zweifeln am Ernst <strong>der</strong> Partei,<br />

diese zu verfolgen.<br />

Die notwendige langfristige Me<strong>in</strong>ungsbildung,<br />

die Voraussetzung um Mehrheiten<br />

zu gew<strong>in</strong>nen, wird so, zusammen mit unserer<br />

Glaubwürdigkeit, zweifelhafter Wahltaktik<br />

geopfert.<br />

4. Vertrauensarbeit<br />

Wer die Gesellschaft verän<strong>der</strong>n will, mutet<br />

ihr Risiken zu und begegnet daher berechtigter<br />

Skepsis. Diese ist nur zu überw<strong>in</strong>den,<br />

wenn e<strong>in</strong> langfristig angelegtes, schlüsselfertiges<br />

Programm von den Leitfiguren <strong>der</strong><br />

Partei bis zu den e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>n vor


Ort verstanden, vertreten und vorgelebt<br />

wird. Das kostet Mühe, weil wir vor sehr<br />

schwierigen Aufgaben stehen. Der dr<strong>in</strong>gend<br />

notwendige Bewuûtse<strong>in</strong>swandel wird<br />

nur durch geduldige Vertrauensarbeit und<br />

persönliche Glaubwürdigkeit möglich.<br />

Es geht nicht bequemer: Die <strong>SPD</strong> muû ihr<br />

Programm ernstnehmen und mit Entschiedenheit<br />

vertreten. Sie muû Programmpartei<br />

bleiben.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />

e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />

Antrag O 379<br />

Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />

Frauen<br />

Innerparteiliche Gleichstellung<br />

verwirklichen<br />

Die 1988 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Satzung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> verankerte<br />

M<strong>in</strong>destabsicherung <strong>der</strong> Geschlechter<br />

ist von Männern und Frauen mit groûer<br />

Mehrheit beschlossen worden, weil es dem<br />

ernsthaften Willen <strong>der</strong> Partei entsprach,<br />

nicht zuletzt im Interesse <strong>der</strong> politischen<br />

Glaubwürdigkeit <strong>in</strong>nerparteiliche Gleichstellung<br />

zu praktizieren. Die <strong>SPD</strong> hat<br />

damit als erste Volkspartei e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche<br />

Vorgabe zur Selbstverpflichtung<br />

gemacht, die <strong>in</strong>zwischen zu e<strong>in</strong>drucksvollen<br />

Erfolgen geführt hat. Die Gleichstellungsberichte,<br />

die den <strong>Parteitag</strong>en regelmäûig<br />

pflichtgemäû vorgelegt werden, belegen<br />

dies e<strong>in</strong>drucksvoll. Auf allen Glie<strong>der</strong>ungsebenen<br />

s<strong>in</strong>d Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parteispitze vertreten,<br />

auf manchen <strong>Parteitag</strong>en erreichen<br />

sie die Hälfte <strong>der</strong> Delegierten.<br />

Dennoch ist es noch nicht gelungen,<br />

Frauen gleichermaûen <strong>in</strong> Vorsitzendenämter<br />

zu br<strong>in</strong>gen, und es gibt nach wie vor<br />

Probleme, die M<strong>in</strong>destabsicherung bei parlamentarischen<br />

Mandaten umzusetzen.<br />

Die Quotenregelung ist e<strong>in</strong>e Satzungsbestimmung<br />

wie jede an<strong>der</strong>e auch. Sie darf<br />

nicht als Bestimmung m<strong>in</strong><strong>der</strong>en Ranges<br />

angesehen werden, gegen die man(n) ungestraft<br />

verstoûen kann. Die Debatte um<br />

Sanktionen bei Nichte<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Quote<br />

ist so alt wie die Quote selbst. Die <strong>SPD</strong><br />

hat 1988 aus guten Gründen zunächst auf<br />

e<strong>in</strong>e Sanktionsregel verzichtet. Heute aber,<br />

nach fast zehn Jahren, ist es an <strong>der</strong> Zeit,<br />

Mechanismen e<strong>in</strong>zusetzen, die den Glie<strong>der</strong>ungen<br />

die Ernsthaftigkeit <strong>der</strong> Verpflichtung<br />

deutlich machen.<br />

Bezirke und Landesverbände s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

Listen für Parlamentswahlen so zu<br />

gestalten, daû die bestmögliche Absicherung<br />

von Frauen erreicht wird.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus fühlen sich sozialdemokratische<br />

Gremien, die nicht unmittelbar <strong>der</strong><br />

Satzung unterworfen s<strong>in</strong>d, mitunter nicht<br />

verpflichtet, die Grundsätze <strong>in</strong>nerparteilicher<br />

Gleichstellung ausreichend zu beachten.<br />

Sie s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, gleichfalls nach<br />

den Regelungen des Organisationsstatuts<br />

zu verfahren.<br />

Der Parteivorstand wird daher aufgefor<strong>der</strong>t,<br />

e<strong>in</strong>e entsprechende Ergänzung des<br />

Statuts auf den Weg zu br<strong>in</strong>gen und im<br />

übrigen zur Umsetzung <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destabsicherung<br />

entsprechende Anreize zu schaffen,<br />

<strong>in</strong> dem z.B. diejenigen Glie<strong>der</strong>ungen,<br />

die die Quotenregelung <strong>in</strong> vorbildlicher<br />

Art und Weise erfüllen, f<strong>in</strong>anzielle<br />

Zuschüsse für die Frauenarbeit auf <strong>der</strong><br />

jeweiligen Glie<strong>der</strong>ungsebene erhalten und<br />

mit e<strong>in</strong>em zusätzlichen Wahlkampfzuschuû<br />

ausgestattet werden.<br />

Als deutliches Signal nach <strong>in</strong>nen und auûen<br />

ist e<strong>in</strong>e paritätische Besetzung des Regierungsteams,<br />

mit dem die <strong>SPD</strong> 1998 <strong>in</strong> den<br />

Wahlkampf geht, unerläûlich.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand mit <strong>der</strong><br />

Maûgabe bis Ende 1998 e<strong>in</strong> Votum abzugeben)<br />

389


Antrag O 381<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Unkel und Bruchhausen<br />

(Bezirk Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-Nassau)<br />

Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª<br />

Der Bundesparteitag möge beschlieûen, auf<br />

Bundesebene e<strong>in</strong>e Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª<br />

zu <strong>in</strong>itiieren.<br />

Der Wechsel <strong>der</strong> Bundesregierung ist überfällig.<br />

Diese Auffassung wird von vielen<br />

Mitbürger<strong>in</strong>nen-und Mitbürgern geteilt.<br />

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands<br />

ist für e<strong>in</strong>e Übernahme <strong>der</strong> Regierungsverantwortung<br />

vorbereitet. Sie hat<br />

seit dem Mannheimer <strong>Parteitag</strong> gezeigt,<br />

daû sie willens und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, das<br />

Schiff Bundesrepublik Deutschland wie<strong>der</strong><br />

auf e<strong>in</strong>en guten Kurs zu br<strong>in</strong>gen. Hierbei<br />

erhalten die von Lasalle im vergangenen<br />

Jahrhun<strong>der</strong>t geprägten sozialdemokratischen<br />

Grundsätze ¹Freiheit, Gerechtigkeit<br />

und Solidaritätª wie<strong>der</strong> zentrale Bedeutung.<br />

Es gilt vor allem, die Ursachen und<br />

Folgen <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit wirksam<br />

zu bekämpfen. Arbeitslosigkeit führt zur<br />

E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> persönlichen Freiheit<br />

und ist ungerecht. Sie verlangt e<strong>in</strong> hohes<br />

Maû an Solidarität <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz<br />

besitzenden Bevölkerung gegenüber den<br />

arbeitslosen Mitbürger<strong>in</strong>nen und Mitbürgern.<br />

Nur durch e<strong>in</strong>e solidarische Grunde<strong>in</strong>stellung<br />

können letztlich wirksame<br />

Maûnahmen zur Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />

realisiert werden.<br />

Die <strong>SPD</strong> wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regierungsverantwortung<br />

e<strong>in</strong>e gerechte und sozial ausgewogene<br />

Politik betreiben. Sie wird e<strong>in</strong>e ungerechte<br />

Lastenverteilung beenden, die dazu führt,<br />

daû Reiche immer reicher und Arme<br />

immer ärmer werden. Um den Regierungswechsel<br />

zu erreichen, ist die <strong>SPD</strong> aber auf<br />

die Unterstützung <strong>der</strong> Bevölkerung angewiesen.<br />

Sie muû e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Möglichkeit<br />

anbieten, mit <strong>der</strong> sich ihr <strong>der</strong> überwiegende<br />

Teil <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger solidarisch<br />

anschlieûen kann. E<strong>in</strong>e solche Möglichkeit<br />

könnte <strong>der</strong> Abschluû e<strong>in</strong>es ¹Treuepaktsª<br />

mit den e<strong>in</strong>en Regierungswechsel<br />

390<br />

für notwendig erachtenden Bürger<strong>in</strong>nen<br />

und Bürgern se<strong>in</strong>.<br />

Der überwiegende Teil <strong>der</strong> Bevölkerung<br />

erkennt die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Regierungswechsels<br />

durch Übernahme durch die<br />

<strong>SPD</strong>. Viele dieser Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />

s<strong>in</strong>d zu diesem Zweck bereit, die <strong>SPD</strong> zu<br />

unterstützen. E<strong>in</strong>em Beitritt als Parteimitglied<br />

stehen sie aber vielfach zurückhaltend<br />

gegenüber. Der <strong>SPD</strong> Ortsvere<strong>in</strong> Unkel und<br />

Bruchhausen schlägt daher vor, diesen<br />

Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>dung auf<br />

Zeit anzubieten. Sie sollen sich im Wahlkampf<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Treuepakt mit <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />

solidarisch zeigen und somit den Regierungswechsel<br />

aktiv unterstützen können.<br />

Insoweit entspricht <strong>der</strong> Treuepakt e<strong>in</strong>er Art<br />

För<strong>der</strong>mitgliedschaft auf Zeit. Hierzu sollte<br />

e<strong>in</strong> Button entwickelt werden, <strong>der</strong> zu<br />

e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen Betrag zu erwerben ist.<br />

Der diesen Button erwerbende Bürger<br />

zeigt hiermit se<strong>in</strong>e Solidarität zur <strong>SPD</strong> und<br />

se<strong>in</strong>e grundsätzliche Bereitschaft zur aktiven<br />

Unterstützung zum Regierungswechsel.<br />

Auf diese Weise könnte es zu e<strong>in</strong>er<br />

Bewegung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung kommen,<br />

die e<strong>in</strong>en Schulterschluû erreicht, wie er<br />

etwa 1972 mit <strong>der</strong> Kampagne ¹Willy wählenª<br />

realisiert wurde. Die <strong>in</strong>haltliche Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª<br />

müûte im e<strong>in</strong>zelnen unter<br />

H<strong>in</strong>zuziehung fachlich geeigneter Berater<br />

noch vorgenommen werden.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 383<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Köln-Weidenpesch-Mauenheim-Niehl<br />

(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />

Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen<br />

Der Bundesparteitag-beauftragt den Bundesparteivorstand,<br />

Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen <strong>in</strong><br />

den Bundestagswahlkampf e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />

Hierzu gehört nicht nur e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />

<strong>in</strong> das Informationssystem <strong>der</strong> Wahlkampfleitung,<br />

son<strong>der</strong>n auch die Zulieferung von<br />

geeigneten Materialien für die Ortsvere<strong>in</strong>s-


edaktionen und die f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />

bei <strong>der</strong> Herstellung von Ortsvere<strong>in</strong>zeitungen<br />

im Wahljahr 1998 zur Steigerung<br />

des Ersche<strong>in</strong>ungsrhythmus und <strong>der</strong><br />

Auflage vorhandener Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen<br />

o<strong>der</strong> zur Herausgabe neuer Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Antrag O 384<br />

Ortsvere<strong>in</strong> Altstadt<br />

(Landesorganisation Bremen)<br />

Wahl- und Regierungsprogramm<br />

Der Bundesparteitag begrüût mit Nachdruck<br />

das von <strong>der</strong> Grundwertekommission<br />

beim Parteivorstand <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> erarbeitete<br />

Memorandum ¹ ¸Globalisierung ± Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

und Chanceª. In ihm werden <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er überzeugenden Argumentation und ±<br />

nicht zuletzt ± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er klaren allgeme<strong>in</strong>verständlichen<br />

Sprache zentrale E<strong>in</strong>sichten,<br />

Zielvorstellungen und Strategien sozialdemokratischer<br />

Gesellschaftspolitik dargestellt.<br />

Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t daher den<br />

Parteivorstand und den künftigen Bundeskanzlerkandidaten<br />

<strong>der</strong> Partei auf, dem<br />

Wahl- und Regierungsprogramm <strong>der</strong> Partei<br />

für die Bundestagswahlen 1998 die <strong>in</strong><br />

dem Memorandum entwickelten Überlegungen<br />

zugrundezulegen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

Initiativantrag 4<br />

Regierungsprogramm<br />

Der Parteivorstand legt den Entwurf e<strong>in</strong>es<br />

Regierungsprogramms so rechtzeitig vor ±<br />

spätestens zum 15. 2. 1998 ±, daû die Parteiglie<strong>der</strong>ungen<br />

die Möglichkeit haben, ihn<br />

gründlich zu diskutieren und rechtzeitig<br />

Anträge zum <strong>Parteitag</strong> <strong>in</strong> Leipzig zu stellen.<br />

(Überwiesen an Parteivorstand)<br />

391


Resolutionen<br />

Schluû mit den Billigjobs!<br />

Die auch von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> unterstützte öffentlichkeitswirksame<br />

Kampagne des Deutschen<br />

Gewerkschaftsbundes und vieler<br />

Unterstützergruppen aus e<strong>in</strong>em breiten<br />

gesellschaftlichen Spektrum ¹Mittendr<strong>in</strong><br />

und trotzdem drauûenª hat auf den Miûstand<br />

<strong>der</strong> sozialversicherungfreien Billigjobs<br />

aufmerksam gemacht und damit die<br />

Chancen verbessert, e<strong>in</strong>e gesetzliche Korrektur<br />

vorzunehmen. Die Leidtragenden<br />

<strong>der</strong> Beschäftigungsverhältnisse <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze s<strong>in</strong>d ganz überwiegend<br />

Frauen, denen Leistungsansprüche<br />

vorenthalten werden, aber auch die Sozialversicherungskassen,<br />

denen Beitragsgel<strong>der</strong><br />

entgehen, und die Arbeitgeber, die nur<br />

reguläre Arbeitsverhältnisse e<strong>in</strong>gehen und<br />

daher höhere Arbeitskosten tragen müssen.<br />

Fünf bis sechs Millionen Menschen s<strong>in</strong>d<br />

heute auf sogenannte Billigjobs angewiesen.<br />

Schlimm genug, daû immer mehr<br />

reguläre Arbeitsplätze verloren gehen. Aber<br />

zusätzlich müssen diese Menschen auch die<br />

sozialen Risiken selbst tragen.<br />

± Mit e<strong>in</strong>em Verdienst von 610 Mark<br />

maximal monatlich im Westen und nur<br />

520 Mark im Osten liegen sie unterhalb<br />

<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Sozialversicherung, es besteht also ke<strong>in</strong>erlei<br />

Anspruch auf Kranken- Pflegeund<br />

Rentenversicherung.<br />

± Immer mehr Arbeitgeber zerstückeln<br />

reguläre Arbeitsverhältnisse, um Kosten<br />

zu sparen. Die Folge: Zwischen 1992<br />

und 1996 ist die Zahl <strong>der</strong> versicherungspflichtig<br />

Beschäftigten um 5,6 % gesunken,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Zeit ist die Zahl <strong>der</strong><br />

ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten um 20 %<br />

gestiegen. Die Konsequenzen tragen<br />

Arbeitnehmer und Betriebe gleichermaûen.<br />

392<br />

± Durch die Inflation <strong>der</strong> 610/520-Mark-<br />

Jobs gehen jedes Jahr rechnerisch<br />

400 000 Vollzeit- und 800000 Teilzeitarbeitsplätze<br />

verloren. Die Sozialversicherung<br />

muû deshalb jährlich E<strong>in</strong>nahmeverluste<br />

<strong>in</strong> Höhe von 15 Milliarden Mark<br />

verkraften.<br />

± Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t statt dessen: Wir brauchen<br />

e<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Arbeitszeitpolitik, die<br />

Teilzeitarbeit för<strong>der</strong>t und Arbeit mit<br />

sozialer Absicherung gerechter verteilt.<br />

Wer die Aufspaltung <strong>in</strong> Billigjobs zuläût,<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die Schaffung von Hun<strong>der</strong>ttausenden<br />

von Teilzeitarbeitsplätzen.<br />

Bereits vor zwei Jahren hat die <strong>SPD</strong><br />

e<strong>in</strong>en Gesetzesentwurf vorgelegt (Drucksache<br />

13/3301), <strong>der</strong> darauf zielt, die Zerstückelung<br />

regulärer Arbeitsverhältnisse,<br />

Sche<strong>in</strong>selbständigkeit und Lohndump<strong>in</strong>g<br />

zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

± Die <strong>SPD</strong> tritt für fairen Wettbewerb e<strong>in</strong>:<br />

Arbeitgeber sollen, von e<strong>in</strong>er Bagatellgrenze<br />

abgesehen, auch für ger<strong>in</strong>gfügig<br />

Beschäftigte beitragspflichtig werden.<br />

Arbeitgeber, die reguläre Arbeitsverhältnisse<br />

anbieten, werden entsprechend entlastet.<br />

± Arbeit mit ger<strong>in</strong>ger Stundenzahl soll nur<br />

dort weiterh<strong>in</strong> möglich se<strong>in</strong>, wo sie<br />

betriebswirtschaftlich notwendig ist und<br />

von den Beschäftigten gewünscht wird.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs nur zu den Konditionen, die<br />

für alle an<strong>der</strong>en arbeiten auch gelten.<br />

Das heiût, auch ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigte<br />

werden sozial abgesichert.<br />

± Die Arbeitskosten werden nicht erhöht,<br />

son<strong>der</strong>n gerechter verteilt.<br />

± Wenn mehr Beiträge <strong>in</strong> die Sozialkassen<br />

flieûen, können Lohnnebenkosten ±<br />

gesenkt werden. Die Arbeit wird also<br />

wie<strong>der</strong> billiger.<br />

Auch wenn ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigte durch<br />

ihre Ehemänner ausreichend versorgt s<strong>in</strong>d


und e<strong>in</strong>en Anspruch auf Witwenrente<br />

haben, erhöht e<strong>in</strong>e Rentenversicherungspflicht<br />

das verfügbare Alterse<strong>in</strong>kommen.<br />

Im E<strong>in</strong>zelfall wird <strong>der</strong> Gang zum Sozialamt<br />

vermieden. Wenn auch alle<strong>in</strong> mit ger<strong>in</strong>gfügiger<br />

Beschäftigung ke<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong><br />

Rentenanspruch erworben wird, gilt: <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Rentenversicherung führt je<strong>der</strong> zusätzliche<br />

Beitrag zu e<strong>in</strong>er höheren Rente. Das nützt<br />

vor allem Frauen, die wegen <strong>der</strong> Familienaufgaben<br />

häufig e<strong>in</strong>e unterbrochene Rentenbiographie<br />

aufweisen, <strong>der</strong>en Lücken<br />

durch Versicherungspflicht für ger<strong>in</strong>gfügige<br />

Beschäftigung zum<strong>in</strong>dest teilweise ausgeglichen<br />

werden können.<br />

Daher: Schluû mit den Billigjobs!<br />

(Angenommen)<br />

Arbeitskampf von IG Medien<br />

und Deutschem Journalistenverband<br />

e. V.<br />

Der <strong>Parteitag</strong> hat die folgende Resolution<br />

zum Arbeitskampf von IG Medien und<br />

Deutschem Journalistenverband e. V. (DJV)<br />

zustimmend zur Kenntnis genommen:<br />

¹Die Delegierten des <strong>SPD</strong>-Bundesparteitages<br />

<strong>in</strong> <strong>Hannover</strong> erklären sich solidarisch<br />

mit dem Arbeitskampf <strong>der</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen<br />

und Kollegen <strong>der</strong> IG Medien und dem<br />

Deutschen Journalistenverband. Die Kündigung<br />

u. a. des Manteltarifvertrages durch<br />

den Bundesvorstand Deutscher Zeitungsverleger,<br />

womit auch die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />

bereits vere<strong>in</strong>barten 35-Stunden-Woche<br />

verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden soll, trifft mit Recht auf<br />

den Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Gewerkschaften. Wir<br />

for<strong>der</strong>n die Arbeitgeberseite auf, bald an<br />

den Verhandlungstisch zurückzukehren.ª<br />

(Angenommen)<br />

393


II. Weitere Anträge<br />

1. Für erledigt erklärt wurden die Anträge<br />

(zum Teil s<strong>in</strong>d diese Anträge <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Beschlüsse e<strong>in</strong>geflossen):<br />

A 2±A 9, A 11, A 3a, A 20, A 21, A 23,<br />

Eu 27, Eu 28, Eu 31, Eu 32, Eu 34, Eu 35,<br />

Eu 36, Eu 37, I 46±I 48, I 51±I 54, I 56,<br />

I 57, I 60, I 65, I 78, I 81, I 95, I 109, I 110,<br />

I 138, I 139, I 147, I 148 (Teil a), I 149,<br />

I 150, I 161, I 166, I 172±I 177, I 181,<br />

I 182, I 219, I 227, I 234, I 236, I 237±<br />

1 242, I 252±I 255, I 258, I 260, I 266,<br />

I 272, I 281, I 284, I 286±I 288, O 306,<br />

O 312, O 342, O 369, O 370, O 373,<br />

O 377, O 382<br />

IA 1 (1. Spiegelstrich, 3. Spiegelstrich letzter<br />

Satz und 6. Spiegelstrich),<br />

IA 2 (ohne Satz 1), IA 3 (ohne Absatz 8),<br />

IA 5, IA 6, IA 10±IA 16, IA 17 (ohne Vorschlag<br />

1), IA 18, IA 19 (¾n<strong>der</strong>ungen 1±3, 4,<br />

6/1. Satz), IA 20, IA 21, IA 22 (3. Satz),<br />

IA 23, IA 24, IA 27, IA 35 (ohne ¾n<strong>der</strong>ungen<br />

2 + 5), IA 36, IA 37, IA 41, IA 42<br />

(¾n<strong>der</strong>ungen 5, 7, 9±14), IA 43, IA 44<br />

(¾n<strong>der</strong>ungen 1 + 4), IA 45 (¾n<strong>der</strong>ung 4),<br />

IA 46, IA 50±IA 52<br />

394<br />

2. Abgelehnt wurden die Anträge:<br />

Eu 30, I 69, I 101, I 108, I 113, I 130,<br />

I 131, I 134, I 154, I 164, I 165, I 224,<br />

I 245, O 293±O 295, O 307±O 311, O 332,<br />

O 333, O 335, O 346, O 356±O 363,<br />

O 365, O 371, O 378, O 380<br />

IA 1 (2. Spiegelstrich Satz 1 + 2, 3. Spiegelstrich<br />

ohne letzten Satz, 4. + 5. Spiegelstrich),<br />

IA 2 (1. Satz), IA 3 (Absatz 8), IA 17<br />

(Vorschlag 1), IA 19 (¾n<strong>der</strong>ungen 4 + 6<br />

ohne den 1. Satz), IA 22 (ohne Satz 3),<br />

IA 31, IA 35 (¾n<strong>der</strong>ungen 2 + 5), IA 42<br />

(¾n<strong>der</strong>ungen 1, 2, 4, 6), IA 44 (¾n<strong>der</strong>ungen<br />

2, 3, 5), IA 47, IA 53<br />

3. ¹Nichtbefassungª wurde beschlossen für<br />

die Anträge:<br />

I 66, I 71, I 73, I 76, I 80, I 96, I 100, I 111,<br />

I 112, O 336±O 341, O 343, O 344, O 347±<br />

O 355, O 385±O 388


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