Parteitag der SPD in Hannover
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<strong>Parteitag</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Hannover</strong><br />
2.–4. Dezember 1997<br />
Beschlüsse
Impressum<br />
Herausgeber: Vorstand <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, Referat Organisation, Bonn<br />
Druckvorstufe: Satzbetrieb Schäper GmbH, Bonn<br />
Druck: Union Druckerei, Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
12-97-A1-1,8 Bestell-Nr. 380 0455<br />
2
Inhaltsverzeichnis<br />
Seite<br />
I. Angenommene und überwiesene Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Auûen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
Europapolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
Innovations-, Wirtschafts-, Beschäftigungs- und<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84<br />
Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228<br />
Informations-, Kommunikations- und Medienpolitik . . . . . . . . 269<br />
Sozial- und Gesundheitspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286<br />
Innen- und Rechtspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329<br />
Jugend- und Bildungspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />
Organisationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377<br />
Resolutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392<br />
II. Weitere Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394<br />
3
I. Angenommene und<br />
überwiesene Anträge<br />
Abkürzungen:<br />
AG ± Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
An ± Angenommen<br />
Bez ± Bezirk<br />
BTF ± Überwiesen an Bundestagsfraktion<br />
IA ± Initiativantrag<br />
KV ± Kreis/Kreisverband<br />
LTF ± Überwiesen an die Landtagsfraktionen<br />
LV ± Landesverband<br />
LO ± Landesorganisation<br />
OV ± Ortsvere<strong>in</strong> (Distrikt, Abteilung)<br />
PR ± Parteirat<br />
PV ± Überwiesen an Parteivorstand<br />
SPE ± Überwiesen an Fraktion <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Europas<br />
UB ± Unterbezirk<br />
Angenommene Anträge s<strong>in</strong>d fett gedruckt.<br />
5
Übersicht<br />
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
A 1 Parteivorstand Auûen-, Sicherheits- und<br />
Entwicklungspolitik<br />
A 10 KV Nordfriesland,<br />
LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
A 12 UB Gött<strong>in</strong>gen, Bez<br />
<strong>Hannover</strong><br />
A 13 KV Kiel,<br />
LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
A 14 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
A 15 UB Köln,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
A 16 KV Karlsruhe-Stadt,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
6<br />
Unsere friedens- und sicherheitspolitischen<br />
Ziele:<br />
Text-<br />
Nr.<br />
An 22<br />
PV 34<br />
Wehrpolitik PV 35<br />
Zukunft <strong>der</strong> Wehrpflicht BTF 35<br />
Rüstungskonversion ± Strukturfrage<br />
und Friedenspolitik<br />
Für mehr Gerechtigkeit bei<br />
Zivil- und Wehrdienst<br />
BTF 35<br />
BTF 40<br />
Zivildienst BTF 40<br />
A 17 LV Baden-Württemberg<br />
Landm<strong>in</strong>en BTF 40<br />
A 18 LV Berl<strong>in</strong> Landm<strong>in</strong>en An 41<br />
A 19 Parteivorstand Globalisierung und nachhaltige<br />
Entwicklung<br />
An 41<br />
A 22 LV Saar K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit BTF 53<br />
A 24 OV Furtwangen,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
A 25 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
Das nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />
Bodenrecht weiterentwickeln<br />
Kurd<strong>in</strong>nen schützen ± Verbote<br />
aufheben ± Waffenexporte<br />
stoppen<br />
PV 53<br />
PV 53<br />
IA 7 Stärkung <strong>der</strong> Europafähigkeit<br />
<strong>der</strong> Türkei<br />
PV 55<br />
IA 9 Zur Lage <strong>in</strong> Belarus An 57<br />
Eu 26 Parteivorstand Unsere Perspektive: Europa ±<br />
e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>iger Kont<strong>in</strong>ent des<br />
Friedens, des Wohlstands<br />
An 58<br />
IA 8 Bewertung des EU Beschäftigungsgipfels<br />
An 73<br />
Eu 29 Bez Mittelrhe<strong>in</strong> Europäische Währungsunion An 74
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
Eu 33 LV Bayern Chancengleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Europäischen Union<br />
Eu 38 KV Emmend<strong>in</strong>gen,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
Erweiterung <strong>der</strong> Kompetenzen<br />
des Europäischen Parlaments<br />
Eu 39 UB Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus, Verfassung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Bez Hessen-Süd Union/Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />
für Volksabstimmung<br />
Eu 40 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Sozialdemokratischer<br />
Frauen<br />
Eu 41 OV Bonn-Poppelsdorf/Südstadt,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
Eu 42 UB Groû-Gerau,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
Eu 43 LV Baden-Württemberg,<br />
OV Stühl<strong>in</strong>ger,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
Europäisches Jahr gegen<br />
Rassismus und Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit:<br />
Frauenrechte s<strong>in</strong>d<br />
Menschenrechte<br />
Text-<br />
Nr.<br />
An 74<br />
PV 76<br />
An/PV 77<br />
An 77<br />
Europol An 78<br />
EU-Bürger als ehrenamtliche<br />
Arbeits- und Sozialrichter<br />
Europäische Integration und<br />
gesamteuropäische Friedensordnung<br />
An 78<br />
PV/BTF 79<br />
I 44 Parteivorstand Innovationen für Deutschland An 84<br />
IA 25 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 44 PV 108<br />
IA 26 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu IA 25<br />
(zu I 44)<br />
PV 109<br />
IA 45 Innovationspolitik PV 109<br />
I 45 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und<br />
Juristen (ASJ)<br />
I 49 OV Düsseldorf-Stadtmitte,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
I 50 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
¾n<strong>der</strong>ungsantrag zum Leitantrag<br />
des Parteivorstandes ¹Innovationen<br />
für Deutschlandª<br />
Für e<strong>in</strong>e zukunftsgerichtete<br />
Politik<br />
Viel mehr Zukunft! Lebensentwürfe<br />
junger Frauen absichern<br />
BTF 110<br />
PV 110<br />
PV 113<br />
IA 33 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 50 PV 125<br />
IA 49 Zur aktuellen Lage <strong>der</strong><br />
Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt<br />
An 125<br />
7
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
8<br />
Text-<br />
Nr.<br />
I 55 LV Bayern Wege aus <strong>der</strong> Krise PV 126<br />
I 58 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e Arbeitszeitoffensive<br />
± Neue Strategien<br />
e<strong>in</strong>er Vollbeschäftigungspolitik<br />
I 59 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />
Arbeit und Umwelt<br />
I 61 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
Antrag zur aktiven Beschäftigungspolitik<br />
PV/BTF 133<br />
PV/BTF 145<br />
PV 148<br />
I 62 UB München,<br />
LV Bayern<br />
Wege zur Vollbeschäftigung PV/BTF 151<br />
I 63 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Sozialdemokratische Wege aus<br />
<strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />
PV/BTF 159<br />
I 64 UB München,<br />
LV Bayern<br />
Arbeit für alle PV/BTF 164<br />
I 67 KV Ahrweiler,<br />
Bez Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-<br />
Nassau<br />
Massenarbeitslosigkeit PV 167<br />
I 68 UB Goslar,<br />
Bez Braunschweig<br />
Perspektiven für Arbeit und<br />
Beschäftigung<br />
PV/BTF 168<br />
I 70 Bez Braunschweig Perspektiven für Arbeit und<br />
Beschäftigung<br />
PV/BTF 169<br />
I 72 UB Kassel-Stadt,<br />
Bez Hessen-Nord<br />
Bündnis für Arbeit BTF 171<br />
I 74 UB München,<br />
LV Bayern<br />
Für e<strong>in</strong>e gerechte Verteilung<br />
<strong>der</strong> Arbeit<br />
I 75 LV Bayern Arbeitszeitpolitik für Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
I 77 OV Aligse-Kolshorn-<br />
Röddensen,<br />
Bez <strong>Hannover</strong><br />
I 79 UB Schwabach,<br />
LV Bayern<br />
I 82 OV Frankfurt/Ma<strong>in</strong>-<br />
Nordwest III-Süd,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
I 83 OV Schwanewede,<br />
Bez Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
¹Zukunft <strong>der</strong> Arbeit und <strong>der</strong><br />
Demokratieª<br />
PV 171<br />
PV/BTF 172<br />
PV 177<br />
Arbeitnehmerüberlassung BTF 177<br />
Rücknahme des ¹Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzesª:<br />
¹Den<br />
Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Republik<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />
PV 178<br />
Umschulungsmaûnahmen BTF 179
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
I 84 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Austausch von öffentlichem<br />
Dienst und an<strong>der</strong>en Berufsbereichen<br />
Text-<br />
Nr.<br />
An 179<br />
I 85 Bez Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
Wirtschafts- und Steuerpolitik PV 179<br />
I 86 Bez Hessen-Süd Steuergerechtigkeit herstellen,<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n, den Weg<br />
<strong>in</strong> die Zukunft f<strong>in</strong>anzieren<br />
PV 180<br />
I 87 Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
I 88 LV Bayern Eckpunkte für e<strong>in</strong>e sozialdemokratische<br />
Steuerreform<br />
I 89 LV Saar Glaubwürdigkeit und soziale<br />
Gerechtigkeit wie<strong>der</strong>herstellen<br />
Sozialdemokratische<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong> neues<br />
Steuersystem<br />
I 90 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
I 91 UB München,<br />
LV Bayern<br />
Für e<strong>in</strong>e neue Steuerpolitik PV 188<br />
Orientierungsrahmen zur<br />
Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
Arbeit und Gerechtigkeit ± Für<br />
e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung <strong>der</strong><br />
steuerpolitischen Positionen <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
I 92 LV Berl<strong>in</strong> Den Konjunkture<strong>in</strong>bruch<br />
auffangen ± mit antizyklischer<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik des Bundes<br />
gestalten<br />
I 93 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Sozialdemokratischer<br />
Frauen<br />
I 94 OV Neuhausen-Oberwiesenfeld,<br />
LV Bayern<br />
I 97 OV Reichenhall,<br />
LV Bayern<br />
For<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e ¹Groûe<br />
Steuerreformª<br />
Eckdaten sozialdemokratischer<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
PV/BTF/<br />
LTF<br />
190<br />
An 195<br />
PV 196<br />
PV 199<br />
PV/BTF 208<br />
PV 210<br />
PV/BTF 211<br />
Steuerkonzept PV 211<br />
I 98 LV Berl<strong>in</strong> Ökologische Steuerreform PV 212<br />
I 99 OV Dreieich,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
Renten- und Steuerreform BTF 213<br />
I 102 Bezirksverband Oberbayern,<br />
LV Bayern<br />
Groûe Vermögensbesitzer PV 213<br />
9
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
10<br />
Text-<br />
Nr.<br />
I 103 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen Besteuerung von Wertzuwächsen<br />
(Spekulationsgew<strong>in</strong>nen)<br />
BTF/LTF 214<br />
I 104 UB Kassel-Stadt,<br />
Bez Hessen-Nord<br />
Spekulationsgew<strong>in</strong>ne BTF 214<br />
I 105 LV Bayern Steuerpolitik/Wohnort BTF 214<br />
I 106 LV Bayern Steuerpolitik/Kapital PV 214<br />
I 107 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es dritten Mehrwertsteuersatzes<br />
BTF/LTF 214<br />
IA 34 Sicherung und Stärkung <strong>der</strong><br />
f<strong>in</strong>anziellen Handlungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Kommunen<br />
PV 215<br />
I 114 UB Gött<strong>in</strong>gen,<br />
Bez <strong>Hannover</strong><br />
I 115 UB Uelzen/Lüchow-<br />
Dannenberg,<br />
Bez <strong>Hannover</strong><br />
I 116 KV Sigmar<strong>in</strong>gen, LV<br />
Baden-Württemberg<br />
I 117 Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
I 118 OV Marienburger<br />
Höhe/Itzum,<br />
Bez <strong>Hannover</strong><br />
I 119 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
Arme Städte können sich nur<br />
Reiche leisten<br />
Kommunale Ausgaben für<br />
Sozialhilfe<br />
Geme<strong>in</strong>deanteil an <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
BTF/LTF 216<br />
PV 217<br />
LTF 217<br />
Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung BTF/LTF 217<br />
Kommunalf<strong>in</strong>anzen PV/BTF 218<br />
Kommunen als Konkurrenten<br />
des Mittelstands<br />
I 120 Bezirk Weser-Ems Frauen wollen die Hälfte <strong>der</strong><br />
Zukunft ± für e<strong>in</strong>e doppelte<br />
Umverteilung<br />
I 121 Bezirk Weser-Ems För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> maritimen<br />
Wirtschaft<br />
I 122 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
I 123 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Selbständigen/<br />
Unternehmer <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
I 124 Unterbezirk<br />
Kassel-Stadt<br />
(Bezirk Hessen-Nord)<br />
För<strong>der</strong>ung von kle<strong>in</strong>en und<br />
mittleren Unternehmen<br />
Bundesweite E<strong>in</strong>führung von<br />
Lohnkostenzuschüssen für kle<strong>in</strong>e<br />
und mittlere Unternehmen<br />
För<strong>der</strong>programm zugunsten <strong>der</strong><br />
Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />
PV/LTF 219<br />
PV 219<br />
BTF 221<br />
PV 223<br />
BTF 223<br />
BTF 224
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
I 125 Bezirk <strong>Hannover</strong> Privilegien bestimmter strukturellerUnternehmen/Unternehmungen<br />
Text-<br />
Nr.<br />
BTF 224<br />
I 126 Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Gemischte Wohnstrukturen PV 224<br />
I 127 Kreisverband Erlangen Barrierefreies Bauen soll Ver- BTF 225<br />
(Landesverband Bayern) pflichtung werden<br />
I 128 Kreisverband Erlangen Die För<strong>der</strong>ung des genossen- PV 225<br />
(Landesverband Bayern) schaftlichen Wohnungsbau soll<br />
verstärkt werden<br />
I 129 Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Die ökologischen Steuerungsmöglichkeiten<br />
im sozialen<br />
Wohnungsbau müssen verstärkt<br />
werden<br />
An 226<br />
I 132 Landesverband Thür<strong>in</strong>- Abwasserbeseitigung<br />
gen Kreisverband Gotha<br />
(Landesverband Thür<strong>in</strong>gen)<br />
BTF/SPE 226<br />
I 133 Landesverband Saar Postfilialkonzept BTF/LTF 227<br />
I 136 Bez Hessen-Süd Politik für e<strong>in</strong> zukunftsfähiges<br />
Deutschland<br />
An 228<br />
I 137 OV Bonn-Süd,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
I 140 UB Osterode,<br />
OV Herzberg,<br />
Bez Braunschweig<br />
Reformen für e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />
Entwicklung <strong>in</strong><br />
Deutschland, Europa und <strong>in</strong>ternational<br />
durchsetzen<br />
Technische Anleitung Siedlungsabfall<br />
PV 236<br />
An 238<br />
I 141 Bez Mittelrhe<strong>in</strong> Energiepolitik PV 238<br />
I 142 UB Oberhausen,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
Energiepolitische Leitsätze PV 247<br />
I 143 KV Rems-Murr, LV<br />
Baden-Württemberg<br />
I 144 LV Saar,<br />
UB Rhe<strong>in</strong>-Sieg-KV,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
Leitsätze für e<strong>in</strong>e strategische<br />
Energie-Initiative<br />
Europa braucht neue Energien<br />
+ Aktionsplan zum Ausbau <strong>der</strong><br />
erneuerbaren Energien<br />
I 145 Bez Weser-Ems Beschluû für e<strong>in</strong>e nachhaltige<br />
Energiepolitik<br />
PV 250<br />
An 260<br />
An 264<br />
11
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
I 146 UB Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
I 148 UB Mettmann,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
I 151 UB Kassel-Stadt,<br />
Bez Hessen-Nord<br />
I 152 UB Kassel-Stadt,<br />
Bez Hessen-Nord<br />
I 153 OV Rhe<strong>in</strong>bach,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
I 155 UB Kassel-Stadt,<br />
Bez Hessen-Nord<br />
I 156 KV Lauenburg,<br />
LV Schleswig-<br />
Holste<strong>in</strong><br />
I 157 OV Ammersbek,<br />
LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
I 158 OV Sü<strong>der</strong>holz,<br />
LV Mecklenburg-<br />
Vorpommern<br />
12<br />
Mehr Arbeit ± weniger Energieverbrauch<br />
+ Umbau des Steuersystems<br />
zur Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen und Schonung<br />
<strong>der</strong> Umwelt<br />
Text-<br />
Nr.<br />
PV 266<br />
Atompolitik An 267<br />
Zukunftsorientierte Nahverkehrspolitik<br />
Beschäftigungseffekte durch den<br />
öffentlichen Nahverkehr<br />
LTF 267<br />
LTF 267<br />
F<strong>in</strong>anzierung des ÖPNV BTF 268<br />
Stellenabbau bei <strong>der</strong> Bahn BTF 268<br />
Transrapid An 268<br />
Transrapid PV 268<br />
Transrapid PV 268<br />
I 159 Parteivorstand Von <strong>der</strong> Utopie zur Wirklichkeit:<br />
+ Aufbruch <strong>in</strong> die Informationsgesellschaft<br />
I 160 OV Oberhausen-<br />
Rhe<strong>in</strong>hausen,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
Die <strong>SPD</strong> tritt für e<strong>in</strong>e soziale<br />
und demokratische Gestaltung<br />
<strong>der</strong> Informationsgesellschaft e<strong>in</strong><br />
An 269<br />
PV 280<br />
I 162 LV Bayern Telearbeitsplätze PV 283<br />
I 163 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und<br />
Juristen<br />
Persönlichkeitsschutz <strong>in</strong> den<br />
Medien<br />
IA 38 Bestandssicherung des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks<br />
IA 42 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 159 ¹Von<br />
<strong>der</strong> Utopie zur Wirklichkeit:<br />
Aufbruch <strong>in</strong> die Informationsgesellschaftª<br />
An 284<br />
An 284<br />
PV/BTF 285
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
Text-<br />
Nr.<br />
I 167 LV Bayern Für e<strong>in</strong>e Reform des Sozialstaates<br />
PV/BTF 286<br />
I 168 Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong> Reform des Sozialstaates ±<br />
Eckpunkte e<strong>in</strong>es Innovationskonzepts<br />
PV/BTF 289<br />
I 169 LV Bayern Zukunft <strong>der</strong> Sozialpolitik PV/BTF 295<br />
I 170 Bez Weser-Ems Entschlieûung zur Sozialpolitik PV/BTF 304<br />
I 171 Bez Ostwestfalen- Vom Generationsvertrag zum PV/BTF 306<br />
Lippe<br />
Gesellschaftsvertrag<br />
I 178 OV Frankfurt/Ma<strong>in</strong>- Rücknahme <strong>der</strong> Renten¹reformª: PV/BTF 308<br />
Nordwest III-Süd, + ¹Den Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />
Bez Hessen-Süd Republik verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />
I 179 OV Zwickau Mitte/<br />
Nord, LV Sachsen<br />
I 180 UB Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
I 183 OV Schwanewede,<br />
Bez Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
I 184 UB KV Viersen,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
I 185 OV Tangstedt,<br />
LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Beseitigung <strong>der</strong> Benachteiligung<br />
bei den Vorsorgungsaufwendungen<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen<br />
PV/BTF 308<br />
Versorgungskasse PV/BTF 309<br />
Ger<strong>in</strong>gfügige Beschäftigung PV/BTF 309<br />
Sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigungsverhältnisse<br />
Sozialversicherungs- und Steuerpflicht<br />
I 186 LV Saar Versicherungspflicht für alle<br />
Beschäftigungsverhältnisse<br />
I 187 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Beitragsbemessungsgrundlage<br />
für die Sozialversicherung<br />
I 188 UB München,<br />
LV Bayern<br />
I 189 KV Emmend<strong>in</strong>gen,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
I 190 OV Ostbahnhof,<br />
Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
I 191 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Versicherungspflicht für alle<br />
Beschäftigten von <strong>der</strong> ersten bis<br />
zur letzten Mark.<br />
Bemessungsgrundlage für die<br />
Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung<br />
E<strong>in</strong>beziehung von groûen Vermögen<br />
<strong>in</strong> die F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />
Sozialversicherungssysteme<br />
PV/BTF 309<br />
PV/BTF 309<br />
PV/BTF 310<br />
PV/BTF 310<br />
PV/BTF 311<br />
PV/BTF 311<br />
PV/BTF 311<br />
Ergänzungsabgabe PV/BTF 311<br />
13
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
I 192 OV Ostbahnhof,<br />
Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
I 193 OV Ostbahnhof,<br />
Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
14<br />
Erhalt und F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />
Sozialversicherungssysteme<br />
E<strong>in</strong>führung des Umsatzes als<br />
weitere Grundlage für Zahlungen<br />
an die Sozialversicherungen<br />
Text-<br />
Nr.<br />
PV/BTF 311<br />
PV/BTF 312<br />
I 194 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Pflegeversicherung PV/BTF 312<br />
I 195 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
Pflegeversicherungsgesetz PV/BTF 314<br />
I 196 LV Berl<strong>in</strong> Pflegeversicherung PV/BTF 314<br />
I 197 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
I 198 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 199 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Novellierung des Pflegeversicherungsgesetzes<br />
Nachbesserung ambulante<br />
Pflegeversicherung<br />
PV/BTF 315<br />
PV/BTF 315<br />
Rücklagen Pflegeversicherung PV/BTF 315<br />
I 200 LV Berl<strong>in</strong> Pflegeversicherung PV/BTF 315<br />
I 201 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
Standard-Pflegesatz-Modell PV/BTF 315<br />
I 202 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
Betreuungsrecht PV/BTF 316<br />
I 203 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
Der sog. ¹Bayerische Wegª PV/BTF 316<br />
I 204 UB Mettmann,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
Gesundheitspolitik PV/BTF 316<br />
I 205 Bez <strong>Hannover</strong> Gesundheitsreform PV/BTF 317<br />
I 206 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Gesundheitsreform! PV/BTF 321<br />
I 207 OV Velbert,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
Gesundheitspolitik PV/BTF 322<br />
I 208 OV Karlsfeld,<br />
LV Bayern<br />
Gesundheitsreform PV/BTF 323<br />
I 209 OV Frankfurt/Ma<strong>in</strong>- Rücknahme <strong>der</strong> 3. Stufe <strong>der</strong> PV/BTF 323<br />
Nordwest III-Süd,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
Gesundheits¹reformª:<br />
I 210 LV Saar Ablehnung von Selbstbeteiligung<br />
im Krankheitsfall<br />
I 211 Bez Braunschweig Arbeitsplätze sichern Kur und<br />
Rehabilitation im Harz erhalten<br />
PV/BTF 323<br />
PV/BTF 324
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
I 212 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 213 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 214 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 215 UB Goslar,<br />
Bez Braunschweig<br />
I 216 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 217 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
Text-<br />
Nr.<br />
Rehabilitationsmaûnahmen PV/BTF 324<br />
Rehabilitationsmaûnahmen PV/BTF 325<br />
Rehabilitationsanträge PV/BTF 325<br />
Belegungsrückgänge im Kurund<br />
Reha-Bereich stoppen<br />
PV/BTF 325<br />
Überleben als Rechenexempel PV/BTF 325<br />
Gleichstellung <strong>der</strong> psychisch<br />
Kranken mit den somatisch<br />
Kranken<br />
PV/BTF 325<br />
I 218 UB Herne,<br />
Bez Westliches Westfalen<br />
Werbung An 326<br />
I 220 LV Berl<strong>in</strong> Sozialhilfereform PV/BTF 326<br />
I 221 UB Passau, LV Bayern Sozialhilfe PV/BTF 326<br />
I 222 LV Baden-Württem- Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg nach dem PV/BTF 326<br />
berg<br />
Erziehungsurlaub<br />
I 223 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen Reform des K<strong>in</strong><strong>der</strong>lastenausgleichs<br />
PV/BTF 326<br />
I 225 Bez Rhe<strong>in</strong>hessen Reform <strong>der</strong> Eigenheimzulage BTF/LTF 327<br />
I 226 Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe,<br />
UB M<strong>in</strong>den-<br />
Lübbecke,<br />
Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
Reichtumsbericht An 327<br />
IA 40 Solidarität zwischen Alt<br />
und Jung: Sozialbeiträge<br />
stabilisieren, Renten sichern<br />
1 228 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />
(ASJ)<br />
I 229 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Sozialdemokratischer<br />
Frauen<br />
I 230 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
An 327<br />
Sozialstaatsgebot An 329<br />
Gleichstellung von Männern<br />
und Frauen auch im Ehrenamt<br />
Freiwilliges Engagement für die<br />
Geme<strong>in</strong>schaft<br />
An 329<br />
PV 332<br />
15
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
I 231 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 232 UB Bergstraûe,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
16<br />
Frauenrechte SPE/BTF/<br />
LTF<br />
Text-<br />
Nr.<br />
332<br />
Politik braucht Frauen PV 335<br />
I 233 LV Bayern Weg mit dem § 218! BTF/LTF 335<br />
I 235 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Lesben- und schwulenpoliti- An 336<br />
Sozialdemokratischer<br />
Frauen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong><br />
Jungsozialist<strong>in</strong>nen und<br />
Jungsozialisten<br />
sches Programm <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
I 243 OV Ostbahnhof,<br />
Bez Ostwestfalen-<br />
Lippe<br />
I 244 OV Lünen-Stadt,<br />
Bez Westliches-<br />
Westfalen<br />
I 246 KV Sigmar<strong>in</strong>gen,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
I 247 OV Wiesbaden-Westend,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
I 248 OV Samtgeme<strong>in</strong>de<br />
Isenbüttel,<br />
UB Gifhorn,<br />
Bez Braunschweig<br />
I 249 UB Passau,<br />
LV Bayern<br />
I 250 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 251 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />
(ASJ)<br />
Maûnahmen zur Bekämpfung<br />
<strong>der</strong> Schwer-Krim<strong>in</strong>alität<br />
BTF 340<br />
Jugendkrim<strong>in</strong>alität An 340<br />
Wahlrecht für EU-Bürger BTF 340<br />
Neufassung des Bundestagswahlgesetzes<br />
BTF 341<br />
Wahlgesetze BTF/LTF 341<br />
Integration von Auslän<strong>der</strong>Innen PV 341<br />
Für e<strong>in</strong>e humane und liberale<br />
Auslän<strong>der</strong>(<strong>in</strong>nen)politik<br />
Aussetzung <strong>der</strong> Abschiebung<br />
von Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>n<br />
aus humanitären<br />
Gründen im E<strong>in</strong>zelfall<br />
I 256 LV Saar Sicherstellung e<strong>in</strong>er ärztlichen<br />
Betreuung bei Schwangerschaften<br />
von Asylbewerber<strong>in</strong>nen und<br />
Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen<br />
PV 342<br />
An 345<br />
BTF 345<br />
1 257 KV Leer,<br />
Bez Weser-Ems<br />
Strafverfahren beschleunigen BTF 345<br />
I 259 Parteivorstand Verbot des Klonens An 346
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
1 261 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
I 262 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
I 263 OV Isarvorstadt,<br />
LV Bayern<br />
I 264 LV Baden-Württemberg<br />
I 265 KV Erlangen,<br />
LV Bayern<br />
I 267 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />
(ASJ)<br />
I 268 UB Hochsauerland,<br />
Bez Westliches<br />
Westfalen<br />
I 269 UB Hochsauerland,<br />
Bez Westliches<br />
Westfalen<br />
Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommen<br />
zur Biomediz<strong>in</strong><br />
Text-<br />
Nr.<br />
BTF 346<br />
Patientenverfügung BTF 346<br />
Mut zu e<strong>in</strong>er besseren Drogenpolitik<br />
PV 346<br />
Drogenpolitik PV 347<br />
Betäubungsmittel PV 348<br />
Verabschiedung des Arbeitsvertragsgesetzes<br />
Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz<br />
sichern<br />
Novellierung Betriebsverfassungsgesetz<br />
An 348<br />
PV 348<br />
PV 349<br />
I 270 Bez <strong>Hannover</strong> Beamt<strong>in</strong>nen und Beamte PV 349<br />
I 271 LV Berl<strong>in</strong> Beamtenrecht PV 349<br />
I 273 LV Sachsen Unterhaltsrecht m<strong>in</strong><strong>der</strong>jähriger<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
BTF 350<br />
I 274 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Öffnungsklausel für auûer- An 350<br />
sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />
(ASJ)<br />
gerichtliche Konfliktregelung<br />
I 275 UB <strong>Hannover</strong>-Stadt,<br />
Bez <strong>Hannover</strong><br />
Mitwirkung <strong>der</strong> Städte und<br />
Geme<strong>in</strong>den an <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />
verbessern<br />
BTF/LTF 350<br />
I 276 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Kommunalpolitische Initiative An 351<br />
I 277 Bez <strong>Hannover</strong> Opferrenten für<br />
NS-Verbrecher<br />
An 351<br />
I 278 OV Hettenshausen,<br />
KV Pfaffenhofen,<br />
LV Bayern<br />
Handwerksordnung BTF 351<br />
I 279 UB Northeim-E<strong>in</strong>beck,<br />
Bez <strong>Hannover</strong><br />
Vergaberichtl<strong>in</strong>ien BTF/LTF 352<br />
17
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
18<br />
Text-<br />
Nr.<br />
I 280 LV Berl<strong>in</strong> Prostitution als Beruf BTF 352<br />
I 282 OV Kiel-Süd-West,<br />
LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Offenlegung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverhältnisse<br />
von<br />
Abgeordneten<br />
An 352<br />
IA 32 Groûer Lauschangriff An 352<br />
IA 48 Gegen die unmenschliche<br />
Abschiebepraxis <strong>der</strong> bayerischen<br />
Staatsregierung<br />
I 283 Parteivorstand Bildung für die Zukunft ±<br />
Bildung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lernfähigen<br />
und lernenden Gesellschaft<br />
I 285 Parteivorstand Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> neues<br />
BAföG für Studierende ±<br />
jetzt!<br />
An 353<br />
An 354<br />
An 363<br />
I 289 LV Bayern Berufliche Bildung PV 365<br />
I 290 UB Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
Umlagef<strong>in</strong>anzierung An 371<br />
I 291 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
Jugend gestaltet Zukunft An 371<br />
IA 29 Studienbed<strong>in</strong>gungen verbessern,<br />
Hochschulen ausbauen<br />
und reformieren<br />
An 372<br />
IA 30 ¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 283 PV 375<br />
O 292 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§§ 28-30<br />
An 377<br />
O 296 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 8 a<br />
An 378<br />
O 297 Bez <strong>Hannover</strong> ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 20<br />
PV/PR 378<br />
O 298 UB Saarbrücken-Stadt,<br />
OV Luxemburg,<br />
LV Saar<br />
Europa <strong>der</strong> BürgerInnen PV 378<br />
O 299 LV Saar Europa <strong>der</strong> BürgerInnen PV 379<br />
O 300 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 10<br />
An 380
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
O 301 UB Unna,<br />
Bez Westliches<br />
Westfalen,<br />
vom <strong>Parteitag</strong> Köln<br />
1996 überwiesen<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 2<br />
Text-<br />
Nr.<br />
An 380<br />
O 302 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
(vom <strong>Parteitag</strong> Köln<br />
1996 überwiesen<br />
Wahlrecht 16 An 380<br />
O 303 Parteivorstand,<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten,<br />
LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 10<br />
O 304 Parteivorstand ¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 23<br />
O 305 Bez Weser-Ems ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wahlordnung<br />
§ 3<br />
O 313 Parteivorstand E<strong>in</strong>setzung e<strong>in</strong>er Beitragskommission<br />
O 314 Bez Weser-Ems Mehr Beitragsehrlichkeit durch<br />
wirklichkeitsnahe Beiträge und<br />
Familienbeiträge<br />
O 315 KV V ± Ha<strong>der</strong>n, ±<br />
Laim, ± Neuhausen-<br />
Nymphenburg,<br />
LV Bayern<br />
An 380<br />
An 381<br />
An 381<br />
An 381<br />
PV 381<br />
Neue Beitragstabelle erstellen PV 381<br />
O 316 LV Schleswig-Holste<strong>in</strong> Beitragstabelle PV 382<br />
O 317 OV Tangstedt,<br />
LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Beitragstabelle PV 382<br />
O 318 OV L<strong>in</strong>dau,<br />
LV Bayern<br />
Mitgliedsbeiträge PV 382<br />
O 319 UB KV Wesel,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
O 320 OV Kirchheim,<br />
LV Bayern<br />
O 321 UB Köln,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
Neugestaltung <strong>der</strong> Beitragstabelle<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
O 322 Bez Mittelrhe<strong>in</strong> ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
PV 382<br />
PV 382<br />
PV 383<br />
PV 383<br />
19
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
O 323 KV 2 München,<br />
LV Bayern<br />
O 324 Bezirksverband Oberbayern,<br />
LV Bayern<br />
O 325 UB Wuppertal,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
O 326 UB Eichstätt,<br />
LV Bayern<br />
O 327 Bezirksverband Oberbayern,<br />
LV Bayern<br />
O 328 KV Neuburg-<br />
Schrobenhausen,<br />
LV Bayern<br />
O 329 OV Goldlauter-<br />
Hei<strong>der</strong>sbach,<br />
LV Thür<strong>in</strong>gen<br />
O 330 OV Herxheim,<br />
Bez Pfalz<br />
O 331 OV Freigericht,<br />
Bez Hessen-Süd<br />
O 334 OV Köln-Buchheim,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
O 345 OV Boldecker Land,<br />
Bez Braunschweig,<br />
vom <strong>Parteitag</strong> Mannheim<br />
1995 überwiesen<br />
O 364 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
O 366 UB Coesfeld, Bez<br />
Westliches Westfalen,<br />
OV Asel, OV Diekholzen,<br />
OV Harsum, OV<br />
Ra<strong>in</strong>, OV Rautenberg,<br />
OV Sorsum, OV Syke,<br />
OV Twistr<strong>in</strong>gen, Bez<br />
<strong>Hannover</strong>, OV Weisma<strong>in</strong>,<br />
LV Bayern<br />
O 367 UB Düsseldorf,<br />
Bez Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
20<br />
Text-<br />
Nr.<br />
Beitragstabelle PV 383<br />
Neue Beitragstabelle PV 383<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 13 und <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
PV 384<br />
PV 384<br />
Beitragsfreie Mitgliedschaft PV 384<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Die F<strong>in</strong>anzkraft <strong>der</strong> Ortsvere<strong>in</strong>e<br />
stärken<br />
Urwahl des/<strong>der</strong> Kanzlerkandidaten/<strong>in</strong><br />
Namensgebung <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
PV 385<br />
PV 385<br />
PV 385<br />
PV 385<br />
PV 385<br />
PV 386<br />
PV 386<br />
Netzwerk Tierschutz PV 386<br />
Arbeitskreis ¹Zukunft <strong>der</strong><br />
groûen Städteª<br />
An 386
Antrag<br />
Nr. Antragsteller Stichwort Entscheidung<br />
O 368 UB Rhe<strong>in</strong>-Sieg-KV,<br />
Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er auûen-,<br />
europa- und sicherheitspolitischen<br />
Kommission<br />
Text-<br />
Nr.<br />
An 387<br />
O 372 OV Leiferde,<br />
Bez Braunschweig<br />
Zugang zum Plenum An 387<br />
O 374 UB Osterode, Bez<br />
Braunschweig<br />
Frauenseite im ¹Vorwärtsª PV 387<br />
O 375 LV Saar E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-Card<br />
auf Bundesebene<br />
An 388<br />
O 376 KV Böbl<strong>in</strong>gen,<br />
LV Baden-Württemberg<br />
O 379 Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Sozialdemokratischer<br />
Frauen<br />
<strong>SPD</strong> muû Programmpartei<br />
bleiben<br />
Innerparteiliche Gleichstellung<br />
verwirklichen<br />
PV 388<br />
PV 389<br />
O 381 OV Unkel und<br />
Bruchhausen,<br />
Bez Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-<br />
Nassau<br />
Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª PV 390<br />
O 383 OV Köln-Weidenpesch-Mauenheim-<br />
Niehl, Bez Mittelrhe<strong>in</strong><br />
Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen PV 390<br />
O 384 OV Altstadt,<br />
LO Bremen<br />
Wahl- und Regierungsprogramm PV 391<br />
IA 4 Regierungsprogramm PV 391<br />
Resolutionen Schluû mit den Billigjobs An 392<br />
Arbeitskampf von IG Medien<br />
und Deutschem Journalistenverband<br />
An 393<br />
21
Auûen-, Sicherheits- und<br />
Entwicklungspolitik<br />
Antrag: A1<br />
Parteivorstand<br />
Auûen-, Sicherheits- und<br />
Entwicklungspolitik<br />
I. Die Welt an <strong>der</strong> Schwelle zum<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
II. Ziele und Pr<strong>in</strong>zipien<br />
1. Stabiler Frieden<br />
2. Unveräuûerliche Menschenrechte<br />
3. Umfassende Sicherheit<br />
4. Zukunftsfähiger Wohlstand<br />
5. Solidarität<br />
6. Integration und Kooperation<br />
7. Prävention<br />
8. Risikovorsorge<br />
III. Aufgaben<br />
1. Die Weltwirtschaft mitgestalten<br />
2. Die Entwicklungsregionen för<strong>der</strong>n<br />
3. Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen stärken<br />
4. Verständigung zwischen den Kulturen<br />
för<strong>der</strong>n<br />
5. Abrüstung vorantreiben<br />
6. E<strong>in</strong>e europäische Friedensordnung<br />
schaffen<br />
7. Europäische Auûen- und Sicherheitspolitik<br />
verwirklichen<br />
8. Die transatlantischen Beziehungen<br />
festigen<br />
9. Mit <strong>der</strong> NATO Stabilität sichern<br />
10. Die OSZE aufwerten<br />
IV. Bundeswehr<br />
V. Tradition und Verantwortung<br />
22<br />
I. Die Welt an <strong>der</strong> Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Die verän<strong>der</strong>te weltpolitische Lage seit<br />
1989 verlangt e<strong>in</strong>e zeitgemäûe Standortbestimmung<br />
<strong>der</strong> deutschen Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik. Neue Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
for<strong>der</strong>n neue Antworten. Neue Chancen<br />
können ergriffen und neue Wege<br />
beschritten werden. Die <strong>SPD</strong> läût sich<br />
dabei leiten von dem Vermächtnis, das<br />
Willy Brandt <strong>der</strong> Sozialdemokratie <strong>der</strong><br />
ganzen Welt h<strong>in</strong>terlassen hat:<br />
¹Auch nach <strong>der</strong> Epochenwende 1989 und<br />
1990 konnte die Welt nicht nur ¹gutª werden.<br />
Unsere Zeit allerd<strong>in</strong>gs steckt, wie<br />
kaum e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e zuvor, voller Möglichkeiten<br />
± zum Guten und zum Bösen. Nichts<br />
kommt von selbst. Und nur wenig ist von<br />
Dauer. Darum ± bes<strong>in</strong>nt Euch auf Eure<br />
Kraft und darauf, daû jede Zeit eigene Antworten<br />
will und man auf ihrer Höhe zu<br />
se<strong>in</strong> hat, wenn Gutes bewirkt werden soll.ª<br />
Wir leben heute nicht mehr mit <strong>der</strong> ständig<br />
gegenwärtigen Gefahr e<strong>in</strong>es Atomkrieges<br />
und <strong>der</strong> Selbstvernichtung <strong>der</strong> Menschheit.<br />
Voraussetzung für das Ende des<br />
Kalten Krieges und den damit eröffneten<br />
Chancen für die weltweite Verwirklichung<br />
von Demokratie und Menschenrechten war<br />
die von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> entwickelte und von ihren<br />
Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut<br />
Schmidt durchgesetzte Friedens- und Entspannungspolitik.<br />
Dialogbereitschaft, Vertrauensbildung,<br />
Gewaltverzicht, Kooperation<br />
und fairer Interessenausgleich waren<br />
die Grundelemente dieser Politik. Sie gelten<br />
unverän<strong>der</strong>t für die Zukunft. Sie können<br />
auch jetzt <strong>in</strong> den Konfliktregionen <strong>der</strong><br />
Welt ihre friedensstiftenden Wirkungen<br />
entfalten.<br />
In <strong>der</strong> Zeit des Ost-West-Konfliktes waren<br />
Fragen <strong>der</strong> militärischen Sicherheit vorrangig,<br />
die an<strong>der</strong>en globalen Risiken traten
dah<strong>in</strong>ter zurück. Heute dagegen können<br />
und müssen Hunger und Verelendung,<br />
Umweltzerstörung, Ressourcenverknappung<br />
und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen<br />
weltweit geme<strong>in</strong>sam<br />
bekämpft werden, ebenso die neuen Risiken,<br />
die sich aus <strong>der</strong> globalen Entfesselung<br />
<strong>der</strong> Marktkräfte ergeben. An<strong>der</strong>e nichtmilitärische<br />
Sicherheitsprobleme bedürfen<br />
ebenfalls entschlossener Abwehr: <strong>in</strong>ternationaler<br />
Terrorismus, <strong>in</strong>ternationales Verbrechen<br />
und Drogenhandel. Der weltpolitische<br />
Umbruch hat <strong>in</strong> vielen Regionen<br />
Instabilität und neue gewaltsame Konflikte<br />
ausgelöst. Verläûliche Instrumente zur<br />
Beendigung solcher Konflikte s<strong>in</strong>d bisher<br />
nicht geschaffen worden.<br />
Seit <strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>heit liegt die Verantwortung<br />
für die deutsche Politik alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
deutschen Händen. Wir können und sollen<br />
unsere Interessen <strong>in</strong> eigener Verantwortung<br />
wahrnehmen. Deutschland soll als ¹Zivilmachtª<br />
e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle im <strong>in</strong>ternationalen<br />
System übernehmen. E<strong>in</strong>e Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik, die als ökologisch ausgerichtete,<br />
globalorientierte Wirtschafts- und<br />
Sozialpolitik angelegt ist, leistet e<strong>in</strong>en besseren<br />
Beitrag zu Sicherheit, Frieden und<br />
nachhaltiger Entwicklung als jede Form<br />
von Groûmachtpolitik. Im übrigen wissen<br />
wir, daû dem nationalstaatlichen Handeln<br />
Grenzen gesetzt s<strong>in</strong>d. Deutsche Politik <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em engen europäischen Verbund ist <strong>der</strong><br />
beste Weg, unsere politischen und wirtschaftlichen<br />
Interessen zu vertreten.<br />
II. Ziele und Pr<strong>in</strong>zipien<br />
Sozialdemokratische Auûen- und Sicherheitspolitik<br />
folgt <strong>der</strong> Vision e<strong>in</strong>er friedlichen,<br />
demokratischen und solidarischen<br />
Welt. Diese Vision entspricht deutschen<br />
Interessen, und wir wissen uns dabei im<br />
E<strong>in</strong>klang mit jenen Werten, für die sich die<br />
deutsche Sozialdemokratie seit ihrem Entstehen<br />
e<strong>in</strong>setzt.<br />
Wir lassen uns von folgenden Zielen leiten:<br />
1. Stabiler Frieden<br />
Frieden und <strong>in</strong>ternationale Stabilität s<strong>in</strong>d<br />
die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e sichere<br />
Zukunft unseres Landes. Deutsche Auûen-<br />
und Sicherheitspolitik muû dabei <strong>in</strong> allen<br />
ihren Schritten erkennbar dem Ziel e<strong>in</strong>er<br />
gewaltfreien Konfliktregelung dienen.<br />
2. Unveräuûerliche Menschenrechte<br />
Demokratie und Achtung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />
s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> sicherste Weg zur Erhaltung<br />
des Friedens. Die weltweite Durchsetzung<br />
dieser Pr<strong>in</strong>zipien kann nicht<br />
erzwungen, aber immer wie<strong>der</strong> aktiv geför<strong>der</strong>t<br />
werden.<br />
3. Umfassende Sicherheit<br />
Sicherheit muû auf <strong>der</strong> Grundlage politischer,<br />
wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer<br />
Zusammenarbeit erreicht werden.<br />
Der Grundsatz <strong>der</strong> souveränen Gleichheit<br />
aller Staaten und unsere Überzeugung, daû<br />
Interessengegensätze friedlich ausgeglichen<br />
werden müssen, verlangen e<strong>in</strong>e Auûenpolitik,<br />
die entschlossen für europäische Integration<br />
und weltweite Kooperation e<strong>in</strong>tritt.<br />
4. Zukunftsfähiger Wohlstand<br />
¹So wie wir Sicherheit nur geme<strong>in</strong>sam mit<br />
an<strong>der</strong>en erreichen können, so hängt unser<br />
Wohlstand davon ab, daû es auch an<strong>der</strong>en<br />
gut gehtª (Beschluû Wiesbaden). Wir wollen<br />
aber e<strong>in</strong>en Wohlstand för<strong>der</strong>n, <strong>der</strong><br />
zukunftsfähig ist, weil er mit e<strong>in</strong>er umweltund<br />
ressourcenschonenden Produktionsund<br />
Lebensweise vere<strong>in</strong>bar ist.<br />
Frieden, Demokratie, Menschenrechte,<br />
Sicherheit und Wohlstand ± das s<strong>in</strong>d die<br />
Ziele sozialdemokratischer Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik. Um sie zu verwirklichen<br />
setzen wir auf diese Handlungspr<strong>in</strong>zipien:<br />
5. Solidarität<br />
¹Wir Sozialdemokraten wissen: Es kann<br />
nicht gutgehen, wenn es wenigen immer<br />
besser und vielen immer schlechter gehtª<br />
(Beschluû Wiesbaden). Das gilt national<br />
und <strong>in</strong>ternational. Soziale Gerechtigkeit im<br />
Inneren ist die beste Voraussetzung für<br />
solidarisches Handeln nach auûen. Und <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Welt, die zusammenrückt, ist ¹Solidarität<br />
sowohl e<strong>in</strong> moralisches Gebot als auch<br />
e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung unserer Entwicklungª<br />
23
(Beschluû Wiesbaden). Die Kluft zwischen<br />
den armen und den reichen Regionen <strong>der</strong><br />
Erde macht die soziale Frage zur gröûten<br />
<strong>in</strong>ternationalen Herausfor<strong>der</strong>ung. Nur e<strong>in</strong>e<br />
Politik, die zur Überw<strong>in</strong>dung dieser Kluft<br />
beiträgt, kann die dar<strong>in</strong> liegenden Konfliktpotentiale<br />
entschärfen.<br />
6. Integration und Kooperation<br />
Die Politik <strong>der</strong> europäischen E<strong>in</strong>igung ist<br />
für unseren Kont<strong>in</strong>ent e<strong>in</strong> wertvolles Erbe<br />
des ausgehenden 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts. Sie muû<br />
bewahrt und weitergeführt werden. Europäische<br />
E<strong>in</strong>heit bleibt das oberste Ziel<br />
deutscher Politik.<br />
Der Umbruch von 1989 hat groûe Fortschritte<br />
für die Ausbreitung von Demokratie<br />
und Rechtsstaatlichkeit gebracht. Ruûland<br />
und die Län<strong>der</strong> Mittel/Osteuropas<br />
haben sich für den demokratischen Weg<br />
entschieden. Für die deutsche Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik ist diese Entwicklung<br />
günstig. Sie eröffnet die Chance, mit den<br />
mittel-/osteuropäischen Gesellschaften und<br />
Ruûland langfristig e<strong>in</strong>e Friedensstruktur<br />
aufzubauen, wie sie <strong>in</strong> Westeuropa seit vielen<br />
Jahren besteht.<br />
Die nordatlantische Partnerschaft ist e<strong>in</strong>e<br />
unverzichtbare Grundlage <strong>der</strong> Stabilität <strong>in</strong><br />
Europa. Sie hat sich bewährt und unsere<br />
Sicherheit garantiert. In dieser Partnerschaft<br />
kann und muû Europa e<strong>in</strong>e stärkere,<br />
gleichberechtigte Rolle spielen. Das setzt<br />
voraus, daû Europa <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Politik mit e<strong>in</strong>er Stimme spricht und<br />
geme<strong>in</strong>sam handelt.<br />
7. Prävention<br />
Konfliktprävention ist die beste Methode,<br />
die Anwendung von Gewalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik<br />
zwischen Staaten und <strong>in</strong>nerhalb von Staaten<br />
nicht entstehen zu lassen. Deutsche<br />
Auûen- und Sicherheitspolitik muû daher<br />
auf wirkungsvolle Instrumente <strong>der</strong> Konfliktprävention<br />
und den Vorrang <strong>der</strong> zivilen<br />
Konfliktregelung drängen. Dafür ist es<br />
erfor<strong>der</strong>lich, daû die Friedens- und Konfliktforschung<br />
<strong>in</strong>tensiviert und stärker<br />
f<strong>in</strong>anziell geför<strong>der</strong>t wird.<br />
24<br />
8. Risikovorsorge<br />
Die Lasten militärischer Sicherheit werden<br />
ger<strong>in</strong>ger, aber sie s<strong>in</strong>d nicht verschwunden.<br />
Die Fähigkeit zur Landesverteidigung im<br />
Bündnis bleibt als Risikovorsorge notwendig.<br />
Auch im Rahmen <strong>in</strong>ternationaler Konfliktbeilegung<br />
wird militärischer Beistand<br />
notwendig bleiben. Die Bundeswehr behält<br />
ihre wichtige Aufgabe im Rahmen unserer<br />
Friedenspolitik und muû so organisiert und<br />
ausgestattet se<strong>in</strong>, daû sie diese Aufgabe<br />
je<strong>der</strong>zeit erfüllen kann.<br />
III. Aufgaben<br />
Auûenpolitik für Deutschland heiût für uns<br />
Politik mit an<strong>der</strong>en und für an<strong>der</strong>e. Sicher<br />
können wir nur se<strong>in</strong>, wenn sich auch<br />
an<strong>der</strong>e sicher fühlen, und unser Wohlstand<br />
als Handelsnation hängt davon ab, daû es<br />
auch an<strong>der</strong>en gutgeht. Unsere Solidarität<br />
gilt aber nicht nur <strong>der</strong> heutigen Generation,<br />
son<strong>der</strong>n auch ihren Nachkommen.<br />
Ihre Sicherheit und ihr Wohlstand hängen<br />
davon ab, welche natürlichen Lebensgrundlagen<br />
wir ihnen h<strong>in</strong>terlassen. Deshalb<br />
setzen wir uns e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e globale Partnerschaft<br />
für Entwicklung und Umwelt, die<br />
auf dem ¹Erdgipfelª <strong>in</strong> Rio im Juni 1992<br />
verkündet und <strong>in</strong> <strong>der</strong> ¹Agenda 21ª konkretisiert<br />
worden ist.<br />
E<strong>in</strong>e globale Entwicklung zu för<strong>der</strong>n, die<br />
sozial und umweltgerecht ist, ist e<strong>in</strong>e langfristige<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung. Wir können sie<br />
nur schrittweise bewältigen und müssen<br />
dabei die konkreten Umstände und unsere<br />
eigenen Möglichkeiten berücksichtigen. In<br />
diesem S<strong>in</strong>ne stellen sich uns im Übergang<br />
zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t die folgenden Aufgaben:<br />
1. Die Weltwirtschaft mitgestalten<br />
Die ökonomische Globalisierung br<strong>in</strong>gt<br />
Chancen und Risiken zugleich. Sie ist<br />
gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e fast vollständige<br />
Internationalisierung <strong>der</strong> Kapital-, Geldund<br />
Devisenmärkte, aber auch e<strong>in</strong>e zunehmende<br />
Internationalisierung <strong>der</strong> Güterund<br />
Dienstleistungsmärkte (z.B. Kommunikationsleistungen).<br />
Dies br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>erseits
erhebliche Wachstums- und Entwicklungsfortschritte,<br />
z.B. <strong>in</strong> Südostasien und<br />
Late<strong>in</strong>amerika, führt aber an<strong>der</strong>erseits auch<br />
zu verstärkter <strong>in</strong>ternationaler Standortkonkurrenz<br />
bei Investitionen und Absatzmärkten,<br />
Interessenkonflikten um Rohstoffe,<br />
Energiequellen und Wasser, zu verstärkter<br />
Umweltzerstörung und sozialen Spannungen.<br />
Auûenpolitik wird zunehmend von solchen<br />
Konflikten und Interessengegensätzen mitbestimmt.<br />
Dies führt zum Teil zu Versuchen,<br />
unilaterale Machtpositionen durchzusetzen<br />
(USA), aber auch zu Tendenzen,<br />
regionale Wirtschafts- und Handelsbündnisse<br />
zu schlieûen, die die Gefahr <strong>der</strong><br />
Abschottung gegenüber an<strong>der</strong>en Regionen<br />
<strong>in</strong> sich bergen. Gleichzeitig wächst aber<br />
auch die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit<br />
und zu e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Regelwerk<br />
zur Schaffung anerkannter und <strong>in</strong>ternational<br />
akzeptierter Verhaltensregeln, um<br />
freien und fairen Wettbewerb zu sichern,<br />
wirtschaftliche Interessengegensätze <strong>in</strong><br />
friedlicher Form auszugleichen und die<br />
weltweite Umweltbedrohung geme<strong>in</strong>sam<br />
zu bekämpfen (z. B. Agenda 21).<br />
Die EU und mit ihr die Bundesrepublik<br />
tragen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>e<br />
Verantwortung. Die EU ist nicht nur<br />
e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> führenden Wirtschaftsregionen auf<br />
sehr hohem Entwicklungsniveau, sie hat<br />
auch im wirtschaftlichen und politischen<br />
Bereich den im Vergleich zu an<strong>der</strong>en regionalen<br />
Zusammenschlüssen bei weitem<br />
höchsten Stand <strong>der</strong> Integration erreicht.<br />
Sie und mit ihr die Bundesrepublik ist<br />
daher gefor<strong>der</strong>t, e<strong>in</strong>e Strategie <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
ihres Wirtschaftssystems voranzutreiben<br />
und gleichzeitig ihren E<strong>in</strong>fluû<br />
zur Erneuerung <strong>der</strong> ökonomischen, ökologischen,<br />
technologischen und sozialen<br />
Beziehungen geltend zu machen. Sie muû<br />
mit dazu beitragen, nicht nur das europäische<br />
Modell sozialer Demokratie durch<br />
konsensfähige Reformen fortzuentwickeln,<br />
son<strong>der</strong>n auch mit den an<strong>der</strong>en Weltwirtschaftsregionen<br />
unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong>en eigener wirtschaftlicher, sozialer und<br />
kultureller Traditionen geme<strong>in</strong>same Regelwerke<br />
für den wirtschaftlichen Wettbe-<br />
werb, für die sozialen Verhältnisse, für die<br />
dauerhafte Erhaltung <strong>der</strong> natürlichen<br />
Lebensgrundlagen und die Pr<strong>in</strong>zipien<br />
demokratischer und humaner Lebensverhältnisse<br />
zu entwickeln.<br />
E<strong>in</strong>e sozialdemokratisch geführte deutsche<br />
Auûenpolitik wird<br />
± <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>e konsequente Politik <strong>der</strong><br />
politischen und ökonomischen Integration<br />
betreiben, um die Grundlagen des<br />
europäischen Zivilisationsmodells<br />
behaupten zu können;<br />
± durch die Verwirklichung <strong>der</strong> stabilitätsorientierten<br />
europäischen Währungsunion<br />
für e<strong>in</strong>e starke Stellung Europas<br />
auf den <strong>in</strong>ternationalen Kapital-, Geldund<br />
Devisenmärkten sorgen;<br />
± die Kooperation <strong>der</strong> Währungsräume<br />
von Dollar, Yen und Euro för<strong>der</strong>n, um<br />
auch angesichts <strong>der</strong> Tendenz zur Regionalisierung<br />
von Wirtschaftsräumen (EU,<br />
NAFTA, MERCOSUR, APEC u. a.)<br />
mehr E<strong>in</strong>fluû auf die Kapital-, Geldund<br />
Währungsmärkte zu gew<strong>in</strong>nen;<br />
± darauf h<strong>in</strong>wirken, daû die Welthandelsorganisation<br />
(WTO) ihre Aufgabe als<br />
Hüter<strong>in</strong> multilateral anerkannter Regeln<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Beziehungen gerecht<br />
werden kann, und daû sie sich zugleich<br />
nicht nur als Motor weiterer Liberalisierungen<br />
versteht, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational<br />
verb<strong>in</strong>dliche und sanktionsfähige<br />
Wettbewerbsordnung unter E<strong>in</strong>schluû<br />
sozialer und ökologischer M<strong>in</strong>deststandards<br />
und Verhaltenscodices (z.B. bei<br />
Subventionen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong><br />
Korruption) erarbeitet;<br />
± engere Kooperation im Rahmen <strong>der</strong><br />
OECD, des IWF (Internationaler Währungsfonds)<br />
und <strong>der</strong> BIZ (Bank für Internationalen<br />
Zahlungsausgleich) suchen;<br />
± e<strong>in</strong>e abgestimmte und stärker koord<strong>in</strong>ierte<br />
Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>der</strong><br />
EU vorantreiben, um im <strong>in</strong>ternationalen<br />
Wettbewerb durch mehr Effizienz<br />
bestehen zu können.<br />
25
2. Die Entwicklungsregionen för<strong>der</strong>n<br />
Der Begriff ¹Dritte Weltª beschreibt die<br />
heutige Situation nicht mehr angemessen.<br />
Die Län<strong>der</strong> im Nahen und Mittleren<br />
Osten, <strong>in</strong> Afrika, Late<strong>in</strong>amerika und Asien<br />
entwickeln sich unterschiedlich. Gleichwohl<br />
hat sich <strong>der</strong> Abstand zwischen dem<br />
Pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong> den OECD-Län<strong>der</strong>n<br />
und den Entwicklungslän<strong>der</strong>n zwischen<br />
1960 und 1993 verdreifacht. Es s<strong>in</strong>d<br />
deshalb aus moralischen Gründen, aber<br />
auch aus wohlverstandenem eigenen Interesse<br />
heraus, verstärkte Anstrengungen notwendig,<br />
um die Schere zwischen Arm und<br />
Reich zu schlieûen, die Eigenanstrengungen<br />
zu unterstützen und damit auch die<br />
Ursachen für destabilisierende Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen<br />
und Flüchtl<strong>in</strong>gsströme<br />
zu bekämpfen.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>SPD</strong>-geführte deutsche Auûen- und<br />
Entwicklungspolitik wird deshalb folgende<br />
Schwerpunkte setzen:<br />
± Entwicklungspolitik muû e<strong>in</strong>e am Ziel<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeit orientierte Querschnittsaufgabe<br />
durch Vernetzung von<br />
Entwicklungs-, Auûen-, Wirtschafts-,<br />
Europa-, Landwirtschafts- und Umweltpolitik<br />
werden.<br />
± Die multilateralen Institutionen sollen<br />
gestärkt werden. Die UNO mit ihren<br />
Unter- und Son<strong>der</strong>organisationen,<br />
WTO, IWF und Weltbank sowie regionale<br />
Entwicklungsbanken müssen mit<br />
ihren Programmen und Transfers besser<br />
koord<strong>in</strong>iert werden.<br />
± Im Bereich <strong>der</strong> Wirtschafts- und Handelspolitik<br />
soll erreicht werden, daû<br />
arme Entwicklungslän<strong>der</strong> im Prozeû <strong>der</strong><br />
Globalisierung aufholen können. Entsprechende<br />
Strukturhilfe wird e<strong>in</strong><br />
Schwerpunkt <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Fairer Zugang zu den Märkten<br />
wird aktiv geför<strong>der</strong>t. Regionale<br />
Kooperation wird mit Vorrang unterstützt.<br />
± Die Entschuldung <strong>der</strong> am stärksten verschuldeten<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong> bei privaten<br />
und staatlichen Gläubigern, aber<br />
26<br />
auch bei multilateralen Organisationen,<br />
wird vorangetrieben.<br />
± Der Trend <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> OECD-Staaten,<br />
<strong>in</strong> denen <strong>der</strong> reale staatliche Transfer<br />
für Entwicklungszusammenarbeit nur<br />
noch 0,27 % des BSP mit s<strong>in</strong>ken<strong>der</strong> Tendenz<br />
beträgt, soll umgekehrt werden<br />
Unser Ziel ist es, <strong>in</strong> überschaubarer Zeit<br />
die <strong>in</strong>ternationale Vere<strong>in</strong>barung von<br />
0,7 % des BSP zu erfüllen.<br />
± Es wird stärker unterschieden werden<br />
zwischen Schwellenlän<strong>der</strong>n und armen<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n. Schwellenlän<strong>der</strong><br />
werden öffentliche Mittel vorrangig für<br />
die ökologische Umlenkung im Produktions-,<br />
Energie- und Verkehrssektor<br />
erhalten. Für die armen Län<strong>der</strong> werden<br />
die Mittel vorwiegend für Programme<br />
im Bereich <strong>der</strong> Armutsbekämpfung, <strong>der</strong><br />
Bildung, des Umweltschutzes, <strong>der</strong> eigenen<br />
Ernährungssicherung, <strong>der</strong> Frauenför<strong>der</strong>ung<br />
und <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Partizipation verwendet werden.<br />
Entwicklungspolitik muû e<strong>in</strong>en gröûeren<br />
Beitrag zur Stärkung von Frauen leisten.<br />
Den Beschlüssen und Aktionsprogrammen<br />
<strong>der</strong> Weltfrauenkonferenzen kommt<br />
bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Frauen e<strong>in</strong>e<br />
beson<strong>der</strong>e Rolle zu. Ihre Umsetzung<br />
muû konsequent und zügig vorangetrieben<br />
werden.<br />
± Bemühungen von Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
um demokratische Strukturen, Garantie<br />
von Menschen- und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenrechten<br />
und effektive Verwaltung werden <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em eigenen Schwerpunktprogramm<br />
verstärkt unterstützt. Programme <strong>der</strong><br />
militärischen Ausstattungshilfe werden<br />
nicht fortgesetzt.<br />
± Den beson<strong>der</strong>s für den Schutz von Menschenrechten<br />
und die Bewahrung <strong>der</strong><br />
Umwelt unerläûlichen Nicht-Regierungsorganisationen<br />
(NROs) müssen<br />
bessere Mitwirkungsmöglichkeiten e<strong>in</strong>geräumt<br />
werden.<br />
3. Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen (VN) stärken<br />
Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen s<strong>in</strong>d das wichtigste<br />
Instrument zur Bewältigung globaler Probleme.<br />
Die Bilanz ihrer Aktivitäten ist,
gemessen an den gegebenen Möglichkeiten,<br />
überwiegend positiv. Die Rolle <strong>der</strong><br />
VN bei <strong>der</strong> Sicherung des Friedens, <strong>der</strong><br />
Armutsbekämpfung, <strong>der</strong> Lösung von Entwicklungs-<br />
und Bevölkerungsproblemen<br />
und <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> globalen<br />
Umweltrisiken muû gestärkt werden.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>SPD</strong>-geführte deutsche Auûenpolitik<br />
wird dabei folgende Ziele verfolgen:<br />
± Die Reform <strong>der</strong> VN wird nachdrücklich<br />
unterstützt. Dabei geht es um erweiterte<br />
Kompetenzen <strong>in</strong> Wirtschafts-, Entwicklungs-,<br />
Sozial- und Umweltfragen, die<br />
Effizienz <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> den VN-Gremien,<br />
Arbeitsweise und Zusammensetzung<br />
des Sicherheitsrates, das F<strong>in</strong>anzsystem<br />
und die Aufwertung <strong>der</strong><br />
<strong>in</strong>ternationalen Gerichtshöfe.<br />
± Die Vorschläge zum E<strong>in</strong>satz von präventiven<br />
Maûnahmen durch die VN, die <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> ¹Agenda für den Friedenª und <strong>in</strong><br />
den Schluûerklärungen <strong>der</strong> Weltgipfel-<br />
Konferenzen dieses Jahrzehnts gemacht<br />
worden s<strong>in</strong>d, werden von uns mit Nachdruck<br />
verfolgt.<br />
± Deutschland wird e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>ladung, ständiges<br />
Mitglied des Weltsicherheitsrates<br />
zu werden, folgen, da e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer<br />
europäischer Sitz <strong>der</strong>zeit nicht erreichbar<br />
ist. Um neue regionale Ungleichgewichte<br />
zu vermeiden, müssen neue ständige<br />
Sicherheitsrats-Sitze für Asien,<br />
Late<strong>in</strong>amerika und Afrika geschaffen<br />
werden.<br />
± VN-Blauhelm-E<strong>in</strong>sätze s<strong>in</strong>d unter den<br />
richtigen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vor Ausbruch<br />
o<strong>der</strong> nach Beendigung von<br />
Kampfhandlungen e<strong>in</strong> erfolgreiches<br />
Instrument <strong>der</strong> Friedenssicherung. Wir<br />
wollen den Abschluû von Stand-by-<br />
Abkommen für re<strong>in</strong>e Blauhelm-Missionen,<br />
damit die VN <strong>in</strong> die Lage versetzt<br />
werden, vorausschauend zu planen, präventiv<br />
zu handeln und schnell und wirksam<br />
zu reagieren. Wir s<strong>in</strong>d bereit, dafür<br />
e<strong>in</strong> Bundeswehr-Kont<strong>in</strong>gent zur Verfügung<br />
zu stellen.<br />
± Das Instrument nichtmilitärischer <strong>in</strong>ternationaler<br />
Polizeie<strong>in</strong>sätze nach Herstellung<br />
e<strong>in</strong>es Waffenstillstandes soll zur<br />
Schaffung e<strong>in</strong>er stabilen Ordnung nach<br />
kriegerischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen entwickelt<br />
und genutzt werden.<br />
± Das Gewaltmonopol <strong>der</strong> VN darf nicht<br />
angetastet werden. Daher bedürfen militärische<br />
Zwangsmaûnahmen zur Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
des Friedens, wenn die VN<br />
diese Aufgabe aus eigener Kraft nicht<br />
erfüllen können, <strong>in</strong> jedem Falle e<strong>in</strong>es<br />
Mandats des Sicherheitsrates. Die <strong>SPD</strong><br />
wird sich je<strong>der</strong> Aufweichung dieses<br />
Grundsatzes wi<strong>der</strong>setzen.<br />
± Das Bundesverfassungsgericht hat die<br />
Teilnahme <strong>der</strong> Bundeswehr sowohl an<br />
Blauhelm-Missionen als auch an E<strong>in</strong>sätzen<br />
mit Erzw<strong>in</strong>gungscharakter für verfassungsrechtlich<br />
zulässig erklärt. Blauhelme<strong>in</strong>sätze<br />
erfor<strong>der</strong>n neben e<strong>in</strong>em<br />
Mandat <strong>der</strong> VN das E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong><br />
Beteiligten. Zwangsmaûnahmen können<br />
auch gegen den Willen <strong>der</strong> Betroffenen<br />
durchgesetzt werden. Es ist Sache des<br />
Deutschen Bundestages, im E<strong>in</strong>zelfall zu<br />
entscheiden, ob er e<strong>in</strong>er Beteiligung <strong>der</strong><br />
Bundeswehr an <strong>der</strong> Umsetzung e<strong>in</strong>es<br />
VN-Mandats zustimmt.<br />
± Bei ihren Entscheidungen wird die <strong>SPD</strong><br />
<strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall prüfen, ob e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges,<br />
auch politisch stimmiges Mandat<br />
vorliegt, ob vor Operationen mit<br />
dem Recht auf Erzw<strong>in</strong>gung alle nichtmilitärischen<br />
Möglichkeiten ausgeschöpft<br />
worden s<strong>in</strong>d und ob <strong>der</strong> friedenssichernde<br />
Charakter <strong>der</strong> Maûnahme unbezweifelbar<br />
ist. Berücksichtigt werden<br />
müssen ebenfalls mögliche politische<br />
H<strong>in</strong><strong>der</strong>ungsgründe, die speziell Deutschland<br />
betreffen, das Ausmaû des Risikos<br />
für die beteiligten Soldaten und die tatsächlichen<br />
praktischen Möglichkeiten.<br />
Grundwehrdienstleistende dürfen auûer<br />
zur Bündnisverteidigung zu Auslandse<strong>in</strong>sätzen<br />
nicht herangezogen werden.<br />
Auûerdem muû e<strong>in</strong> Zeitrahmen für die<br />
Maûnahme festgelegt werden. Grundsätzlich<br />
gilt: Jedes militärische E<strong>in</strong>greifen<br />
zur Beendigung von Kampfhandlungen<br />
muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zivile Begleitstrategie e<strong>in</strong>gebunden<br />
se<strong>in</strong>.<br />
± E<strong>in</strong>e realistische E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> VN legt e<strong>in</strong>e Stärkung<br />
27
28<br />
regionaler Abmachungen im S<strong>in</strong>ne von<br />
Kapitel 8 <strong>der</strong> VN-Charta nahe. Die<br />
bereits bestehenden regionalen Sicherheitssysteme<br />
o<strong>der</strong> Ansätze zu ihrer<br />
Schaffung sollen unterstützt und geför<strong>der</strong>t<br />
werden.<br />
4. Verständigung zwischen den Kulturen<br />
för<strong>der</strong>n<br />
Geme<strong>in</strong>sames weltweites Handeln erfor<strong>der</strong>t<br />
Verständigung über kulturelle Unterschiede<br />
h<strong>in</strong>weg. Wir wi<strong>der</strong>sprechen <strong>der</strong> These vom<br />
unausweichlichen Zusammenprall <strong>der</strong> Zivilisationen.<br />
Fundamentalismus gibt es überall,<br />
aber ke<strong>in</strong>e <strong>der</strong> groûen Weltreligionen<br />
steht e<strong>in</strong>em friedlichen Zusammenleben<br />
von Menschen und Völkern entgegen.<br />
Die <strong>SPD</strong> vertritt folgende Ziele:<br />
± Wir wollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenen <strong>in</strong>terkulturellen<br />
Dialog auf breiter Grundlage<br />
dafür sorgen, daû Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong> zurückgedrängt<br />
werden.<br />
± Wir wollen <strong>in</strong> diesem Dialog Institutionen<br />
und Werte identifizieren, die alle<br />
Kulturen geme<strong>in</strong>sam haben, und so zu<br />
geme<strong>in</strong>samen Regeln gegen Mord,<br />
Folter, Unterdrückung und Tyrannei<br />
kommen. Maûstab bleibt das universelle<br />
Verständnis von elementaren Menschenrechten,<br />
wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wiener Menschenrechtsdeklaration<br />
<strong>der</strong> VN von 1993<br />
nie<strong>der</strong>gelegt s<strong>in</strong>d.<br />
± Wir wollen e<strong>in</strong>e Menschenrechtspolitik<br />
ohne doppelte Standards und ohne doppelte<br />
Moral. In konkreten Fällen von<br />
Menschenrechtsverletzungen s<strong>in</strong>d die<br />
Instrumente anzuwenden, die die besten<br />
Erfolgschancen bieten. Dafür steht e<strong>in</strong><br />
breites Spektrum von Möglichkeiten zur<br />
Verfügung. Aber niemals dürfen Menschenrechtsverletzungen<br />
e<strong>in</strong>fach h<strong>in</strong>genommen<br />
werden, nur weil man glaubt,<br />
daû eigene ökonomische o<strong>der</strong> politische<br />
Interessen auf dem Spiel stehen.<br />
± Wir wollen die Möglichkeiten <strong>der</strong> Auswärtigen<br />
Kulturpolitik, des Auslandsrundfunks<br />
und <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen Kontakte zur För-<br />
<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es weltweiten <strong>in</strong>terkulturellen<br />
Dialogs e<strong>in</strong>setzen.<br />
5. Abrüstung vorantreiben<br />
Die kontrollierte Abrüstung von Massenvernichtungswaffen<br />
bleibt e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Aufgaben globaler Friedenssicherung.<br />
Die <strong>SPD</strong> hält an dem Ziel <strong>der</strong> vollständigen<br />
Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen<br />
fest. Aber auch die konventionelle<br />
Rüstung ist <strong>in</strong> Europa und weltweit immer<br />
noch viel zu hoch. Das Überangebot von<br />
Kriegswaffen und <strong>der</strong> leichte Zugang zu<br />
ihnen ermöglicht und verschärft regionale<br />
und lokale Konflikte. Deshalb müssen auch<br />
die Bemühungen um konventionelle Abrüstung<br />
verstärkt werden.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>SPD</strong>-geführte Auûen- und Sicherheitspolitik<br />
wird folgende Initiativen<br />
ergreifen:<br />
± Zur Umsetzung <strong>der</strong> Verpflichtungen zur<br />
atomaren Abrüstung aus dem Nichtverbreitungsvertrag,<br />
Art. 6, werden wir uns<br />
für e<strong>in</strong>en schrittweisen Abrüstungsprozeû<br />
aller Nuklearwaffen e<strong>in</strong>setzen. Dazu<br />
gehört:<br />
1. Absenkung des Alarmstatus <strong>der</strong><br />
Atomwaffen (de-alert<strong>in</strong>g) z. B. durch<br />
getrennte Lagerung <strong>der</strong> Sprengköpfe<br />
von den Trägersystemen;<br />
2. Verzicht auf den Erste<strong>in</strong>satz von<br />
Atomwaffen;<br />
3. E<strong>in</strong> Vertrag über die Nicht-Herstellung<br />
neuer Atomsprengköpfe und die<br />
Schlieûung aller Teststätten;<br />
4. Der Abschluû e<strong>in</strong>es Vertrages zum<br />
Stop <strong>der</strong> Produktion von Spaltmaterial<br />
(cut-off) und über die sichere und<br />
kontrollierte Lagerung vorhandener<br />
Spaltstoffe;<br />
5. Die Fortsetzung des START-Prozesses<br />
sowie e<strong>in</strong> Vertrag über die<br />
Abschaffung aller taktischen Atomwaffen;<br />
6. Die E<strong>in</strong>beziehung von Frankreich<br />
und Groûbritannien <strong>in</strong> den Abrüstungsprozeû<br />
ebenso wie die Ch<strong>in</strong>as.
Wir werden darauf h<strong>in</strong>wirken, daû alle<br />
Staaten dem Nichtverbreitungsvertrag<br />
beitreten.<br />
± Das Kontrollregime zur Nichtverbreitung<br />
von Atomwaffen soll durch wirksamere<br />
Mechanismen und erweiterte Kompetenzen<br />
<strong>der</strong> Wiener Atomenergie-<br />
Agentur gestärkt werden.<br />
± Damit die nuklearen Schwellenlän<strong>der</strong><br />
atomwaffenfrei bleiben, soll e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales<br />
Regime geschaffen werden, das<br />
über die bestehenden Regelungen h<strong>in</strong>aus<br />
alle Proliferationsvorgänge zuverlässig<br />
erfaût. Dazu ist e<strong>in</strong>e striktere Exportkontrolle<br />
bei sogenannten ¹Dual-Useª-<br />
Gütern nötig.<br />
± Im Verhältnis zu Ruûland werden Bemühungen<br />
unternommen, die Ratifizierung<br />
des START-II-Vertrages zu erreichen.<br />
Die amerikanischen Vorschläge über<br />
e<strong>in</strong>en START-III-Vertrag werden unterstützt.<br />
Wir treten dafür e<strong>in</strong>, daû auch die<br />
Abrüstung taktischer Atomwaffen<br />
Gegenstand <strong>der</strong> Verhandlungen wird.<br />
± Die Entsorgung abgerüsteter A-Waffen<br />
und die sichere Lagerung nuklearer<br />
Spaltmaterialien aus abgerüsteten Atomsprengköpfen<br />
muû unter die Aufsicht <strong>der</strong><br />
Wiener Atombehörde IAEO gestellt<br />
werden. Deutschland muû sich mit technischen<br />
und f<strong>in</strong>anziellen Mitteln an dieser<br />
Aufgabe stärker beteiligen.<br />
± Im Verhältnis zu Indien wird Deutschland<br />
darauf dr<strong>in</strong>gen, daû dieses wichtige<br />
Land se<strong>in</strong>e Blockade <strong>der</strong> vollständigen<br />
E<strong>in</strong>stellung von Atomwaffenversuchen<br />
aufgibt.<br />
± Unseren russischen Partnern muû mit<br />
sehr viel mehr Nachdruck vor Augen<br />
geführt werden, daû ohne Ruûlands Beitritt<br />
zum Chemiewaffen-Übere<strong>in</strong>kommen<br />
die kontrollierte Abschaffung aller<br />
Bestände chemischer Kampfstoffe nicht<br />
erreicht werden kann.<br />
± Der Vertrag über das Verbot biologischer<br />
Waffen von 1972 enthält ke<strong>in</strong>e<br />
wirksamen Verifikationsbestimmungen.<br />
Kontrolle und Verifikation des B-Waffenverbots<br />
müssen dr<strong>in</strong>gend verbessert<br />
werden.<br />
± Wir werden uns bei allen Staaten, die<br />
den Open-skies-Vertrag noch nicht ratifiziert<br />
haben, für die Ratifizierung e<strong>in</strong>setzen.<br />
± Deutschland wird e<strong>in</strong>e restriktive<br />
Rüstungsexport-Politik verfolgen und<br />
diesen Maûstab auch im Bereich von<br />
Rüstungskooperationen anlegen. Der<br />
Export von sogenannten ¹Dual-Useª-<br />
Gütern ist e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en Kontrolle<br />
zu unterwerfen. Wir verpflichten uns,<br />
die E<strong>in</strong>haltung dieser Politik durch e<strong>in</strong>en<br />
jährlichen Bericht nachzuweisen.<br />
± Deutschland wird sich für e<strong>in</strong> vollständiges<br />
Verbot <strong>der</strong> Herstellung und Verwendung<br />
sowie für die Beseitigung von Antipersonenm<strong>in</strong>en<br />
e<strong>in</strong>setzen und deshalb<br />
auch die <strong>in</strong>ternationalen Programme zur<br />
Räumung von M<strong>in</strong>en stärker unterstützen.<br />
± Wir werden für e<strong>in</strong> Gesprächs- und Verhandlungsforum<br />
e<strong>in</strong>treten, das das Ziel<br />
verfolgt, die Entwicklung qualitativ<br />
neuer Waffen und neuer Rüstungstechnologien<br />
<strong>in</strong>ternational zu kontrollieren<br />
und zu begrenzen.<br />
± Der ¹Vertrag über konventionelle Streitkräfte<br />
<strong>in</strong> Europaª (KSE-Vertrag) ist als<br />
gesamteuropäische Grundlage für e<strong>in</strong>e<br />
vernetzte Sicherheit auszubauen und so<br />
anzupassen, daû sich das Militärpotential<br />
<strong>der</strong> NATO durch die beschlossene<br />
Osterweiterung nicht erhöht. Im neuen<br />
KSE-Vertrag treten wir für folgende Verbesserungen<br />
e<strong>in</strong>:<br />
± weiterer Abbau von Waffen und Truppen;<br />
± nach Auflösung des Warschauer Paktes<br />
Abkehr vom Pr<strong>in</strong>zip gleicher Obergrenzen<br />
für militärische Bündnisgruppen,<br />
statt dessen E<strong>in</strong>führung nationaler<br />
und territorialer Obergrenzen;<br />
± defensive Ausrichtung <strong>der</strong> verbleibenden<br />
Streitkräfte;<br />
± E<strong>in</strong>beziehung maritimer Rüstung;<br />
± Öffnung für Staaten, die dem KSE-<br />
Vertrag noch nicht angehören;<br />
29
30<br />
± mehr Transparenz und Berechenbarkeit<br />
durch vertrauensbildende Maûnahmen.<br />
6. E<strong>in</strong>e europäische Friedensordnung<br />
schaffen<br />
E<strong>in</strong>e gesamteuropäische Friedensordnung<br />
zu schaffen ist e<strong>in</strong>e politische Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Stabilen Frieden gibt es zwischen<br />
Gesellschaften, <strong>in</strong> denen Menschen- und<br />
Bürgerrechte geachtet werden und die<br />
wirtschaftlich erfolgreich s<strong>in</strong>d. Demokratische<br />
Stabilität kann von auûen nur<br />
begrenzt geför<strong>der</strong>t werden. Sie muû <strong>in</strong><br />
erster L<strong>in</strong>ie von den politischen und gesellschaftlichen<br />
Kräften <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land gewollt<br />
und geschaffen werden. Politischer und<br />
wirtschaftlicher Fortschritt <strong>in</strong> Staaten kann<br />
jedoch durch Hilfe zur Selbsthilfe und<br />
günstige äuûere Bed<strong>in</strong>gungen erleichtert<br />
werden. Neben wirtschaftlicher und politischer<br />
Kooperation, materieller und personeller<br />
Unterstützung zum Aufbau und zur<br />
Festigung von Demokratie und Marktwirtschaft<br />
geht es dabei auch darum, e<strong>in</strong> europäisches<br />
Sicherheitssystem zu schaffen, das<br />
Sicherheit für alle und mit allen gewährleistet.<br />
± Wir treten dafür e<strong>in</strong>, daû es für alle<br />
europäischen Staaten e<strong>in</strong>e verläûliche<br />
und berechenbare Perspektive zur Aufnahme<br />
o<strong>der</strong> Mitwirkung <strong>in</strong> den europäischen<br />
Institutionen und zur Teilnahme<br />
an <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit den europäischen<br />
Sicherheitsorganisationen gibt.<br />
± Wir wollen dafür sorgen, daû durch die<br />
Erweiterung von EU und NATO <strong>in</strong><br />
Europa ke<strong>in</strong>e neuen Gräben aufgerissen<br />
werden. Dazu müssen gesamteuropäische<br />
Strukturen und Prozesse ebenso wie<br />
regionale Kooperation (z.B. Ostsee-<br />
Kooperation) gestärkt werden. Das<br />
gesamteuropäische Sicherheitssystem<br />
liegt <strong>in</strong> weiter Ferne, wenn man e<strong>in</strong>e<br />
neue, umfassende Institution schaffen<br />
will. Realistischer ist es, die bestehenden<br />
Organisationen so umzubauen und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
zu verzahnen, daû sie sich s<strong>in</strong>nvoll<br />
ergänzen und zu e<strong>in</strong>em funktionierenden<br />
Ganzen zusammenfügen.<br />
7. Europäische Auûen- und Sicherheitspolitik<br />
verwirklichen<br />
Die zentralen europäischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des Übergangs zum<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Ausbau <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union durch Vertiefung und<br />
Erweiterung und <strong>der</strong> Aufbau e<strong>in</strong>er gesamteuropäischen<br />
Friedensordnung durch Integration<br />
und Kooperation. Die Europäische<br />
Union ist e<strong>in</strong>e Friedensgeme<strong>in</strong>schaft und<br />
trotz aller immer wie<strong>der</strong> auftreten<strong>der</strong><br />
nationaler Egoismen e<strong>in</strong> unvergleichbar<br />
erfolgreiches Projekt für dauerhaften Frieden.<br />
Die gesamteuropäische Perspektive<br />
<strong>der</strong> europäischen E<strong>in</strong>igung ist die historische<br />
Chance, Frieden, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit,<br />
soziale Gerechtigkeit und<br />
Wohlstand <strong>in</strong> ganz Europa zu verwirklichen.<br />
Die <strong>SPD</strong> tritt dabei für folgende Ziele e<strong>in</strong>:<br />
± Wir wollen die Fortentwicklung <strong>der</strong><br />
Europäischen Union zu e<strong>in</strong>er Politischen<br />
Union, die sich <strong>in</strong> Weltpolitik und Weltwirtschaft<br />
behauptet.<br />
± Wir betreiben die Erweiterung <strong>der</strong><br />
Europäischen Union. Innerhalb <strong>der</strong><br />
Europäischen Union müssen die dafür<br />
notwendigen Reformen verwirklicht werden.<br />
Wir unterstützen beitrittswillige<br />
Staaten <strong>in</strong> ihren Bemühungen, die Aufnahmebed<strong>in</strong>gungen<br />
zu erfüllen. Wir treten<br />
für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same, umfassende<br />
Mittelmeer-Politik <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union e<strong>in</strong>.<br />
± Wir wollen e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Auûenund<br />
Sicherheitspolitik <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union durch die Vergeme<strong>in</strong>schaftung<br />
dieser Politikbereiche. Damit müssen<br />
stärkere Kontroll- und Mitwirkungsrechte<br />
des Europäischen Parlaments verbunden<br />
se<strong>in</strong>. Im Regelfall sollen Mehrheitsentscheidungen<br />
möglich se<strong>in</strong>.<br />
Gegen se<strong>in</strong>en Willen kann e<strong>in</strong> Mitgliedsstaat<br />
nicht zum E<strong>in</strong>satz se<strong>in</strong>er Streitkräfte<br />
verpflichtet werden. Wir werden<br />
die auf <strong>der</strong> Gipfel-Konferenz <strong>in</strong> Amsterdam<br />
geschaffenen Instrumente (Strategieplanungs-<br />
und Frühwarne<strong>in</strong>heit,<br />
Generalsekretär/Hoher Vertreter, Auûen-
vertretung, geme<strong>in</strong>same Strategien) aktiv<br />
nutzen.<br />
± Nach <strong>der</strong> Übernahme <strong>der</strong> sogenannten<br />
¹Petersberg-Aufgabenª <strong>der</strong> WEU <strong>in</strong> den<br />
EU-Vertrag bleibt es für uns dabei, daû<br />
die Wahrnehmung dieser Aufgaben <strong>der</strong><br />
Friedenssicherung jeweils an e<strong>in</strong> Mandat<br />
<strong>der</strong> UNO o<strong>der</strong> <strong>der</strong> OSZE gebunden ist.<br />
Militärische Zwangsmaûnahmen kann<br />
nur <strong>der</strong> UN-Sicherheitsrat legitimieren.<br />
Jedem EU-Staat bleibt die Entscheidung<br />
vorbehalten, ob er sich selber im E<strong>in</strong>zelfall<br />
beteiligen will.<br />
± Wir streben e<strong>in</strong>e wachsende Identität<br />
<strong>der</strong> EU-Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> sicherheits- und<br />
verteidigungspolitischen Fragen an. Erst<br />
dann kann die WEU <strong>in</strong> die GASP <strong>in</strong>tegriert<br />
werden und <strong>der</strong> Vertretung europäischer<br />
Interessen <strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO dienen.<br />
Schon heute kann sie unter entsprechenden<br />
Mandaten für europäische Beiträge<br />
zu <strong>in</strong>ternationalen friedenserhaltenden<br />
Maûnahmen stärker genutzt werden.<br />
± Wir wollen die Konzentration <strong>der</strong><br />
geme<strong>in</strong>samen europäischen Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik auf vordr<strong>in</strong>gliche<br />
Handlungsfel<strong>der</strong>: Konfliktprävention,<br />
Krisenmanagement, Entwicklungszusammenarbeit,<br />
ökologischer Umbau,<br />
Bekämpfung des Terrorismus und <strong>in</strong>ternationaler<br />
Krim<strong>in</strong>alität, Auûenwirtschaft.<br />
Europa hat weltweite Interessen. Bei <strong>der</strong><br />
Verfolgung dieser Interessen gilt als<br />
grundlegendes Pr<strong>in</strong>zip überall e<strong>in</strong>e Politik<br />
des Dialogs und <strong>der</strong> partnerschaftlichen<br />
Zusammenarbeit. Ziel ist <strong>in</strong> allen<br />
Fällen die För<strong>der</strong>ung von Friedensprozessen,<br />
die Sicherung von Demokratie<br />
und Menschenrechten und die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
aller Staaten <strong>in</strong> die Zusammenarbeit<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Geme<strong>in</strong>schaft<br />
auf allen Gebieten.<br />
± Als dr<strong>in</strong>glichste aktuelle Aufgabe<br />
geme<strong>in</strong>samer europäischer Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik sehen wir die Stabilisierung<br />
des Balkan-Raums. Notwendig<br />
ist die friedliche Beilegung <strong>der</strong> Grenzund<br />
M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitskonflikte, die Unterstützung<br />
demokratischer, rechtsstaatlicher<br />
und marktwirtschaftlicher Reformen und<br />
die För<strong>der</strong>ung regionaler Kooperation.<br />
Im ehemaligen Jugoslawien halten wir an<br />
den Pr<strong>in</strong>zipien und Zielen des Vertrages<br />
von Dayton fest. Das Problem <strong>der</strong><br />
Flüchtl<strong>in</strong>gsrückkehr kann nur gelöst und<br />
die Gefahr neuer Flüchtl<strong>in</strong>gsströme<br />
beson<strong>der</strong>s nach Deutschland nur vermieden<br />
werden, wenn <strong>in</strong> Bosnien-Herzegov<strong>in</strong>a<br />
e<strong>in</strong>e stabile Zivilgesellschaft entsteht<br />
und <strong>in</strong> Serbien und Kroatien demokratische<br />
Defizite abgebaut werden.<br />
± Um europäisch handeln zu können, muû<br />
die deutsche Auûenpolitik <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
die Beziehungen zu unseren Nachbarn<br />
pflegen. Aktuellen zusätzlichen Handlungsbedarf<br />
sehen wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gestaltung<br />
unseres Verhältnisses zu Frankreich,<br />
Polen und <strong>der</strong> Tschechischen Republik.<br />
Wir wollen die deutsch-französische<br />
Partnerschaft revitalisieren, die deutschpolnische<br />
Zusammenarbeit auf allen<br />
Gebieten verstärken und die deutschtschechischen<br />
Beziehungen im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />
Geme<strong>in</strong>samen Erklärung gestalten. Im<br />
Verhältnis zu unseren östlichen Nachbarn<br />
und dem gesamten mittel-osteuropäischen<br />
Raum treten wir für e<strong>in</strong>e<br />
schnelle Lösung <strong>der</strong> noch offenen Fragen<br />
im Zusammenhang mit NS-Unrecht<br />
e<strong>in</strong>.<br />
8. Die transatlantischen Beziehungen<br />
festigen<br />
Im Verhältnis zwischen Europa und den<br />
USA wollen wir <strong>der</strong> Gefahr entgegenwirken,<br />
daû Interessenkonflikte sich verschärfen<br />
und durch amerikanischen Unilateralismus<br />
und europäische Une<strong>in</strong>igkeit immer<br />
schwerer lösbar werden. Die Idee e<strong>in</strong>er<br />
sicherheitspolitischen Schicksalsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
trägt die transatlantischen Beziehungen<br />
nicht mehr alle<strong>in</strong>. Wir wollen e<strong>in</strong>e<br />
erweiterte transatlantische Agenda mit<br />
neuen Fel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Kooperation und effektiverer<br />
Arbeitsteilung.<br />
9. Mit <strong>der</strong> NATO Stabilität sichern<br />
Die NATO ist und bleibt e<strong>in</strong> Verteidigungsbündnis.<br />
Nach dem Ende des Ost-<br />
West-Konflikts kann sie darüber h<strong>in</strong>aus zur<br />
kollektiven Friedenssicherung beitragen.<br />
31
Sie kann und soll ebenfalls den europäischnordamerikanischen<br />
Stabilitätsraum vergröûern.<br />
Die <strong>SPD</strong> verfolgt <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> NATO<br />
diese Ziele:<br />
± Wir halten daran fest, daû die NATO<br />
bei allen E<strong>in</strong>sätzen, die nicht ihren kollektiven<br />
Verteidigungsauftrag nach Artikel<br />
5 des NATO-Vertrages betreffen, auf<br />
<strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>es VN- o<strong>der</strong> OSZE-<br />
Mandats handelt, wobei im Falle militärischer<br />
Zwangsmaûnahmen e<strong>in</strong> VN-<br />
Sicherheitsratsmandat zw<strong>in</strong>gend ist. Die<br />
NATO kann sich nicht selbst e<strong>in</strong> Mandat<br />
erteilen. Aus <strong>der</strong> NATO darf ke<strong>in</strong> globales<br />
Interventions<strong>in</strong>strument werden.<br />
Diese Erfor<strong>der</strong>nisse dürfen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
NATO nicht durch militärorganisatorische<br />
Maûnahmen, z.B. im Zusammenhang<br />
mit Krisenreaktionskräften, unterlaufen<br />
werden. Das Entscheidungsrecht<br />
des Deutschen Bundestages über den<br />
Streitkräftee<strong>in</strong>satz darf nicht bee<strong>in</strong>trächtigt<br />
werden.<br />
± Wir wollen die europäische Komponente<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> NATO stärken. Die Europäer<br />
können ihren E<strong>in</strong>fluû stärken, wenn<br />
sie geschlossen auftreten und ihren Beitrag<br />
zur Erfüllung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />
Aufgaben und Bewältigung <strong>der</strong> Lasten<br />
leisten. Darum unterstützen wir die<br />
Rückkehr Frankreichs <strong>in</strong> die militärischen<br />
Strukturen <strong>der</strong> NATO. In Verb<strong>in</strong>dung<br />
damit erwarten wir von den USA,<br />
daû sie e<strong>in</strong>e gröûere Verantwortung <strong>der</strong><br />
Europäer <strong>in</strong> den NATO-Kommandostrukturen<br />
akzeptieren.<br />
± Wir haben die im Juli 1997 <strong>in</strong> Madrid<br />
beschlossene NATO-Osterweiterung<br />
mitgetragen, weil sie zur Stabilisierung<br />
demokratischer Verhältnisse <strong>in</strong> den künftigen<br />
neuen Mitgliedsstaaten beitragen<br />
kann. Die Fortsetzung des Prozesses<br />
setzt voraus, daû die neuen Instrumente<br />
± Grundakte NATO-Ruûland, Charta<br />
NATO-Ukra<strong>in</strong>e und <strong>der</strong> Euro-Atlantische<br />
Partnerschaftsrat sowie das<br />
bestehende NATO-Programm ¹Partnerschaft<br />
für den Friedenª ± im S<strong>in</strong>ne von<br />
Vertrauensbildung und Kooperation<br />
32<br />
aktiv genutzt werden. Ruûland ist und<br />
bleibt e<strong>in</strong>e Groûmacht. Kooperative<br />
Sicherheit ist nur mit Ruûland erreichbar.<br />
Die Enttäuschung <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong><br />
beitrittswilligen Län<strong>der</strong> über die Entscheidung<br />
des NATO-Gipfels <strong>in</strong> Madrid<br />
kann begrenzt werden und e<strong>in</strong>e drohende<br />
Aufteilung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> ostmittel-<br />
und südosteuropäischen Transformationsstaaten<br />
<strong>in</strong> privilegierte und solche,<br />
die sich als benachteiligt fühlen, kann<br />
vermieden werden. Dazu muû e<strong>in</strong><br />
Gesamtkonzept für e<strong>in</strong>e europäische<br />
Sicherheits- und Integrationspolitik<br />
gefunden werden, zu <strong>der</strong> auch die künftige<br />
Offenheit <strong>der</strong> NATO für den Beitritt<br />
weiterer Mitglie<strong>der</strong> gehört.<br />
± Kostspielige Maûnahmen <strong>der</strong> Auf- und<br />
Umrüstung bei <strong>der</strong> Aufnahme neuer<br />
NATO-Mitglie<strong>der</strong> lehnen wir ab. Vielmehr<br />
treten wir dafür e<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong> Prozeû<br />
<strong>der</strong> NATO-Erweiterung zur Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> konventionellen Streitkräfte<br />
<strong>in</strong> Europa genutzt wird. Der Verteidigungshaushalt<br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland darf wegen des Beitritts<br />
neuer NATO-Mitglie<strong>der</strong> nicht erhöht<br />
werden.<br />
10. Die OSZE aufwerten<br />
Die Organisation für Sicherheit und<br />
Zusammenarbeit <strong>in</strong> Europa (OSZE) ist die<br />
e<strong>in</strong>zige Organisation, die alle europäischen<br />
Staaten sowie die USA und Kanada, die für<br />
Europas Sicherheit mitverantwortlich s<strong>in</strong>d,<br />
umfaût. Diese E<strong>in</strong>zigartigkeit macht sie<br />
unersetzlich. Insofern ist sie Eckpfeiler<br />
e<strong>in</strong>er gesamteuropäischen Friedensordnung.<br />
E<strong>in</strong>e gesamteuropäische Friedensordnung<br />
kann ohne die OSZE nicht entstehen.<br />
Wir begrüûen die Feststellung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
NATO-Ruûland-Grundakte, die OSZE als<br />
¹e<strong>in</strong>zige gesamteuropäische Sicherheitsorganisationª<br />
zu stärken und ihre Schlüsselrolle<br />
für Frieden und Stabilität <strong>in</strong> Europa<br />
anzuerkennen, damit sie im Zusammenwirken<br />
mit NATO, EU, Europarat und WEU<br />
zu e<strong>in</strong>er gesamteuropäischen Friedensordnung<br />
beiträgt. Entscheidend für die<br />
Zukunft <strong>der</strong> OSZE ist, daû sie ihre politischen<br />
Normen auch durchsetzen kann. Die
zwischen den OSZE-Mitgliedsstaaten vere<strong>in</strong>barten<br />
Verfahren und Maûnahmen stellen<br />
e<strong>in</strong> ausgezeichnetes Instrumentarium<br />
<strong>der</strong> Konfliktprävention und Konfliktregelung<br />
dar. Sie müssen politisch verb<strong>in</strong>dlicher<br />
gemacht werden.<br />
Deshalb for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>:<br />
± beim Ständigen Vorsitz e<strong>in</strong> sicherheitspolitisches<br />
Beratergremium e<strong>in</strong>zurichten;<br />
± die Befugnisse des OSZE-Generalsekretärs<br />
auszubauen (mehr Kompetenzen bei<br />
OSZE-Missionen und für die Ausarbeitung<br />
von Lösungsvorschlägen <strong>in</strong> Konfliktsituationen);<br />
± beim Konfliktverhütungszentrum e<strong>in</strong>e<br />
Planungs- und Analysestelle e<strong>in</strong>zurichten;<br />
± Anrufungen und Entscheidungen des<br />
Vergleichs- und Schiedsgerichtshofs <strong>der</strong><br />
OSZE politisch verb<strong>in</strong>dlicher zu<br />
machen;<br />
± die operativen Instrumente <strong>der</strong> OSZE<br />
personell und entsprechend das Budget<br />
besser auszustatten;<br />
± die Schaffung e<strong>in</strong>es Peace-keep<strong>in</strong>g-Stabes<br />
und die Benennung ziviler und militärischer<br />
Ressourcen durch die Mitgliedsstaaten,<br />
die sie vorbehaltlich <strong>der</strong><br />
Entscheidung im E<strong>in</strong>zelfall <strong>der</strong> OSZE<br />
für Peece-keep<strong>in</strong>g-Operationen zur Verfügung<br />
stellen,<br />
± die stärkere E<strong>in</strong>beziehung von Nichtregierungsorganisationen.<br />
IV. Bundeswehr<br />
Auch nach dem Ende des Ost-West-Konflikts<br />
bleibt die Bundeswehr unverzichtbar.<br />
Deutschland wird zwar militärisch nicht<br />
mehr direkt bedroht, aber die Fähigkeit zur<br />
Landes- und Bündnisverteidigung ist als<br />
Risikovorsorge weiterh<strong>in</strong> notwendig. Die<br />
Bundeswehr kann im Rahmen e<strong>in</strong>es UNOo<strong>der</strong><br />
OSZE-Mandats für Aufgaben <strong>der</strong><br />
Friedenssicherung wie <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> Bosnien<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden, und sie leistet durch<br />
Integration und Kooperation mit den<br />
Streitkräften unserer Partner e<strong>in</strong>en wichti-<br />
gen Beitrag zur sicherheitspolitischen Stabilisierung<br />
Europas.<br />
Die funktionale Aufgabenteilung zwischen<br />
den Streitkräften und <strong>der</strong> Bundeswehrverwaltung<br />
hat Verfassungsrang. Diese Aufgabenteilung<br />
hat sich bewährt, und die <strong>SPD</strong><br />
hält daran fest.<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e Bundeswehr, <strong>der</strong>en Soldaten<br />
gut ausgebildet s<strong>in</strong>d, die effektiv<br />
strukturiert und mo<strong>der</strong>n ausgerüstet ist,<br />
um ihre Aufgaben zu erfüllen und den<br />
bestmöglichen Schutz für die Soldaten<br />
sicherstellen zu können.<br />
Gegenwärtig ist die Bundeswehr durch<br />
unsolide F<strong>in</strong>anzpolitik und falsche Planung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en kritischen Zustand gebracht worden.<br />
Die Ersatzteilversorgung und Materialerhaltung<br />
<strong>in</strong> den Streitkräften ist besorgniserregend.<br />
Fahrzeuge, Ausrüstung und<br />
Bewaffnung veraltern zunehmend, weil für<br />
Investitionen das Geld fehlt. Für das bisherige<br />
und auf absehbare Zeit verfügbare<br />
Verteidigungsbudget gibt es ke<strong>in</strong>e Bundeswehrplanung.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t deshalb e<strong>in</strong>e parlamentarische<br />
Wehrstrukturkommission, die e<strong>in</strong>e<br />
saubere Bestandsaufnahme <strong>der</strong> Bundeswehr<br />
und <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmittel vornimmt und realistische,<br />
zukunftsweisende Lösungsvorschläge<br />
erarbeiten und dem Parlament<br />
unterbreiten soll.<br />
Das Ende des Kalten Krieges hat Möglichkeiten<br />
für Abrüstung geschaffen, die bisher<br />
nicht ausgeschöpft worden s<strong>in</strong>d. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
die Öffnung <strong>der</strong> NATO und die Fortführung<br />
des KSE-Prozesses müssen zu<br />
konkreten Abrüstungsschritten führen. In<br />
diesem Prozeû wird auch die Stärke <strong>der</strong><br />
Bundeswehr weiter verr<strong>in</strong>gert werden.<br />
Dann stellt sich zw<strong>in</strong>gend die Frage <strong>der</strong><br />
Wehrform. Die <strong>SPD</strong> will die Anwendung<br />
<strong>der</strong> Wehrpflicht solange wie vernünftig<br />
begründbar aufrecht erhalten. Die Anwendung<br />
<strong>der</strong> Wehrpflicht darf e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung<br />
unserer Streitkräfte nicht im Wege<br />
stehen. Die Alternativen s<strong>in</strong>d dann die Aussetzung<br />
<strong>der</strong> Wehrpflicht <strong>in</strong> normalen Friedenszeiten<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en weitere deutliche<br />
Verkürzung. Bei <strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong><br />
33
Wehrpflicht im Frieden müssen die Wehrgerechtigkeit<br />
und e<strong>in</strong>e angemessene Verwendungsdauer<br />
<strong>der</strong> Grundwehrdienstleistenden<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Truppe voll gewahrt<br />
bleiben.<br />
Von herausragen<strong>der</strong> Bedeutung bleibt die<br />
Integration <strong>der</strong> Bundeswehr <strong>in</strong> die Gesellschaft<br />
sowie ihre demokratische und<br />
rechtsstaatliche Verfaûtheit.<br />
Die Bundeswehr hat mit dem Konzept <strong>der</strong><br />
Inneren Führung und <strong>der</strong> Politischen Bildung<br />
den Staatsbürger <strong>in</strong> Uniform geprägt.<br />
Das Leitbild des Staatsbürgers <strong>in</strong> Uniform<br />
ist weiterzuentwickeln und behält zentrale<br />
Bedeutung für den Dienst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundeswehr.<br />
Die Bundeswehr braucht und verdient<br />
gerade auch <strong>in</strong> dieser für sie schwierigen<br />
Periode <strong>der</strong> Umstellung unser aller<br />
Unterstützung.<br />
V. Tradition und Verantwortung<br />
Deutschlands auûenpolitische Verantwortung<br />
liegt im Handeln für e<strong>in</strong>e friedliche,<br />
demokratische und solidarische Welt. Wir<br />
stehen damit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition e<strong>in</strong>er Politik,<br />
die von Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
geprägt, formuliert und umgesetzt<br />
worden ist.<br />
Für e<strong>in</strong>e Auûen-, Friedens- und Entwicklungspolitik,<br />
die e<strong>in</strong>e unverkennbar sozialdemokratische<br />
Handschrift trägt, stehen<br />
die groûen Leistungen unserer Bundeskanzler<br />
Willy Brandt und Helmut Schmidt.<br />
Wir bleiben den Erkenntnissen und Vorschlägen<br />
verpflichtet, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> von Willy<br />
Brandt geleiteten Nord-Süd-Kommission<br />
¹Das Überleben sichernª, <strong>der</strong> von Olof<br />
Palme geleiteten Abrüstungskommission<br />
zur ¹Geme<strong>in</strong>samen Sicherheitª, <strong>der</strong> von<br />
Gro-Harlem Brundland geleiteten<br />
Umwelt- und Entwicklungskommission<br />
¹Unsere geme<strong>in</strong>same Zukunftª und <strong>der</strong><br />
von Ingvar Carisson und Shridath Ramphal<br />
geleiteten Kommission ¹On global governanceª<br />
enthalten s<strong>in</strong>d.<br />
In <strong>der</strong> Regierungsverantwortung wird die<br />
<strong>SPD</strong> diese Tradition e<strong>in</strong>er berechenbaren<br />
und zuverlässigen <strong>in</strong>ternationalen Politik <strong>in</strong><br />
deutschem Interesse fortführen.<br />
(Angenommen)<br />
34<br />
Antrag A 10<br />
Kreisverband Nordfriesland<br />
(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />
Unsere friedens- und sicherheitspolitischen<br />
Ziele:<br />
1. Fortsetzung des Abrüstungsprozesses<br />
Der Abrüstungsprozeû <strong>in</strong> Europa ist nachhaltig<br />
fortzuführen. Vor allem im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> Öffnung <strong>der</strong> NATO für<br />
die Mittel-Ost-Europäischen Staaten<br />
(MOE-Staaten) und im Rahmen des laufenden<br />
KSE-Prozesses (Konferenz für<br />
Sicherheit <strong>in</strong> Europa) ist <strong>der</strong> Umfang <strong>der</strong><br />
deutschen Streitkräfte weiter zu reduzieren<br />
und auf das sicherheitspolitisch gebotene<br />
Maû festzulegen.<br />
2. Reform <strong>der</strong> Wehrstruktur<br />
Die Bundeswehr benötigt dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>e<br />
mo<strong>der</strong>ne Wehrstruktur, um ihren Verfassungsauftrag<br />
unter den verän<strong>der</strong>ten politischen<br />
und f<strong>in</strong>anziellen Bed<strong>in</strong>gungen une<strong>in</strong>geschränkt<br />
erfüllen zu können. Um die<br />
Qualität <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> Soldaten den<br />
neuen Anfor<strong>der</strong>ungen anpassen zu können,<br />
ist die Bundeswehr <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Freiwilligenarmee<br />
umzuwandeln. Die allgeme<strong>in</strong>e Wehrpflicht<br />
ist <strong>in</strong> normalen Friedenszeiten auszusetzen.<br />
Die E<strong>in</strong>zelheiten s<strong>in</strong>d zusammen<br />
mit allen Betroffenen von e<strong>in</strong>er Wehr- und<br />
Personalstrukturkommission zu erarbeiten.<br />
3. Qualifizierter ¹gesellschaftlicher<br />
Dienstª<br />
Die zivilen Hilfsorganisationen, die Katastrophenhilfe<br />
und <strong>der</strong> Entwicklungsdienst<br />
s<strong>in</strong>d zugleich durch e<strong>in</strong>en freiwilligen qualifizierten<br />
¹gesellschaftlichen Dienstª für<br />
Frauen und Männer zu unterstützen. Der<br />
qualifizierte ¹gesellschaftliche Dienstª<br />
umfaût soziale Dienste, ökologische Dienste,<br />
Entwicklungshilfe, zivilen Friedensdienst<br />
u.ä. Die Ableistung des qualifizierten<br />
¹gesellschaftlichen Dienstesª ist mit<br />
e<strong>in</strong>er anerkannten Berufsausbildung zu verb<strong>in</strong>den.<br />
Die praktische Tätigkeit ist bei<br />
entsprechenden Studiengängen und ähnli-
chen Ausbildungen anzuerkennen. Die bisher<br />
für den Zivildienst aufgewendeten Mittel<br />
s<strong>in</strong>d dem qualifizierten ¹gesellschaftlichen<br />
Dienstª zur Verfügung zu stellen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Regierungsprogramms)<br />
Antrag A 12<br />
Unterbezirk Gött<strong>in</strong>gen<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
Wehrpolitik<br />
1. Die Struktur <strong>der</strong> Bundeswehr muû den<br />
Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Demokratie im Innern<br />
Rechnung tragen. Die Beteiligungsrechte<br />
<strong>der</strong> Soldaten s<strong>in</strong>d zu erhöhen. Die scharfe<br />
Trennung zwischen den Laufbahngruppen<br />
ist aufzulösen. In die Wehrverfassung s<strong>in</strong>d<br />
Elemente stärkerer politischer Kontrolle<br />
aufzunehmen.<br />
2. E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Dienstpflicht wird<br />
abgelehnt, da sie den Grundsätzen von<br />
Freiheit und Demokratie wi<strong>der</strong>spricht.<br />
3. Jungen Menschen ist die Möglichkeit<br />
e<strong>in</strong>zuräumen, freiwillig e<strong>in</strong>en Dienst zu leisten.<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>es freiwilligen geme<strong>in</strong>nützigen<br />
Jahres, könnten junge Menschen<br />
sich beispielsweise im Sozial- o<strong>der</strong><br />
Umweltbereich engagieren. Dieses freiwillige<br />
Jahr ist angemessen zu vergüten. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus ist beispielsweise e<strong>in</strong> Bonus bei<br />
<strong>der</strong> Zulassung zum Studium o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Hilfe zur Existenzgründung zu geben.<br />
(Überwiesen an Kommission Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik beim Parteivorstand)<br />
Antrag A 13<br />
Kreisverband Kiel<br />
(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />
Zukunft <strong>der</strong> Wehrpflicht<br />
Die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Fraktion im Deutschen<br />
Bundestag werden aufgefor<strong>der</strong>t, als<br />
Grundlage für die weitere Diskussion über<br />
die ¹Zukunft <strong>der</strong> Wehrpflichtª e<strong>in</strong> Rechts-<br />
gutachten zu <strong>in</strong>itiieren, das Aufschluû über<br />
die verfassungsrechtliche Zulässigkeit e<strong>in</strong>er<br />
allgeme<strong>in</strong>en und gleichen Dienstpflicht<br />
gibt. Bis dah<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d alle diesbezüglichen<br />
partei<strong>in</strong>ternen Beschluûfassungen zurückzustellen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag A 14<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />
Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />
Rüstungskonversion ± Strukturfrage<br />
und Friedenspolitik<br />
I. E<strong>in</strong>leitung<br />
Die sich mit <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> Warschauer<br />
Vertragsorganisation vollzogene<br />
grundlegende Verän<strong>der</strong>ung des sicherheitspolitischen<br />
Kontextes h<strong>in</strong>terläût e<strong>in</strong>e für<br />
die aktuellen Bedürfnisse beträchtlich<br />
überdimensionierte Rüstungs<strong>in</strong>dustrie. Die<br />
Verkle<strong>in</strong>erung <strong>der</strong> Armeen, weitreichende<br />
Demobilisierung, Schlieûung von Militärbasen,<br />
die Senkung <strong>der</strong> Militärhaushalte<br />
und die Streckung bzw. vollständige Streichung<br />
groûangelegter Waffenbeschaffungsprogramme<br />
kennzeichnen die globale<br />
Situation Mitte <strong>der</strong> 90er Jahre. Ubiquitäre<br />
Engpässe <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte sorgen<br />
dafür, daû die weltweiten Rüstungsausgaben,<br />
<strong>der</strong>en Höhepunkt 1987 mit<br />
e<strong>in</strong>em Volumen von $ 1 Billion erreicht<br />
wurde, nach vorsichtiger Schätzung mit<br />
e<strong>in</strong>er jährlichen Degression von 3 % im<br />
Jahre 2000 auf $ 650 Milliarden fallen<br />
werden.<br />
Angesichts des beschriebenen Szenarios<br />
nimmt es nicht Wun<strong>der</strong>, daû Rüstungskonversion<br />
bereits weitgehend abgelaufen ist.<br />
Bei diesem oft auch von Groûkonzernen<br />
selbständig <strong>in</strong>itiierten Schritten kann<br />
jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nur von e<strong>in</strong>er Diversifikation<br />
gesprochen werden, d. h. dem Versuch,<br />
dem Unternehmen unter an<strong>der</strong>em<br />
e<strong>in</strong> ziviles Standbe<strong>in</strong> zu verpassen. Gleichzeitig<br />
geht das Bemühen von Militär und<br />
Industrie erkennbar dah<strong>in</strong>, vor allem im<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach<br />
35
e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Umstrukturierung <strong>der</strong> Bundeswehr<br />
von e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en Verteidigungsarmee<br />
zu weltweit operierenden Krisenreaktionskräften<br />
notwendigen Nachrüstung um neue<br />
Waffenbeschaffungsprogramme zu r<strong>in</strong>gen.<br />
Daû diese Lobby nach wie vor mit groûem<br />
Erfolg operiert, zeigt beson<strong>der</strong>s eklatant<br />
das Beispiel des vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong><br />
verän<strong>der</strong>ten Sicherheitslage militärstrategisch<br />
und angesichts <strong>der</strong> Parallelentwicklungen<br />
<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en verbündeten Staaten<br />
auch f<strong>in</strong>anziell vollkommen s<strong>in</strong>nlosen<br />
Eurofighter 2000.<br />
Wie gezeigt, gestaltet sich die Def<strong>in</strong>ition<br />
des Begriffes ¹Rüstungskonversionª durchaus<br />
unterschiedlich. Ist e<strong>in</strong>erseits nur von<br />
e<strong>in</strong>er Ablösung unrentabler <strong>in</strong>dustrieller<br />
Sektoren und <strong>der</strong> Erschlieûung neuer<br />
Wachstumsfel<strong>der</strong> die Rede <strong>in</strong> <strong>der</strong> Form,<br />
daû mit dem vorhandenen Produktionspotential<br />
zivile statt militärische Güter produziert<br />
werden können, gilt an<strong>der</strong>erseits, daû<br />
die ökonomische und friedenspolitische<br />
Dimension mit e<strong>in</strong>em Prozeû e<strong>in</strong>er weitgehenden<br />
Demokratisierung verknüpft wird.<br />
Rüstungskonversion ist für uns Hand <strong>in</strong><br />
Hand mit Abrüstung gehende friedenssowie<br />
gesellschaftspolitische Aufgabe. Als<br />
Akteure s<strong>in</strong>d neben den betroffenen Unternehmen<br />
beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>e steuernde Regional-<br />
und Strukturpolitik sowie e<strong>in</strong>e entsprechen<strong>der</strong><br />
bundespolitischer Rahmen<br />
gefor<strong>der</strong>t. Dieser Prozeû darf daher nicht<br />
kurzfristigen ökonomischen Interessen<br />
unterworfen se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n muû gezielt<br />
gesteuert werden, um gesellschaftlich s<strong>in</strong>nvolle<br />
Alternativen zu entwickeln. Bei <strong>der</strong><br />
Rüstungs<strong>in</strong>dustrie handelt es sich um e<strong>in</strong>en<br />
zwar politisch brisanten Sektor, sie stellt<br />
jedoch nur e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil des verarbeitenden<br />
Gewerbes <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD. Stark<br />
abhängig von <strong>der</strong> Rüstungs<strong>in</strong>dustrie s<strong>in</strong>d<br />
nur die Luft- und Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie,<br />
<strong>der</strong>en Umsatz zu e<strong>in</strong>em Drittel auf<br />
Beschaffung <strong>der</strong> Bundeswehr beruht, und<br />
<strong>der</strong> Schiffbau mit 20 % des Umsatzes.<br />
Daher ist die bundesdeutsche Rüstungs<strong>in</strong>dustrie,<br />
obwohl sie <strong>in</strong>ternational betrachtet<br />
e<strong>in</strong>e Spitzenstellung e<strong>in</strong>nimmt, gesamtwirtschaftlich<br />
nur von ger<strong>in</strong>ger Bedeutung und<br />
kann nicht mit den groûen Wirtschaftszweigen<br />
wie Chemie, Masch<strong>in</strong>enbau und<br />
36<br />
<strong>der</strong> Automobil<strong>in</strong>dustrie verglichen werden.<br />
Hier liegt auch die Chance, auf e<strong>in</strong>em<br />
überschaubaren Gebiet Erfahrungen zu<br />
sammeln, die auf an<strong>der</strong>e Konversionsbereiche<br />
anwendbar s<strong>in</strong>d.<br />
Konversion ist e<strong>in</strong>e ökonomische Antwort<br />
auf die vor uns liegenden Strukturanpassungskrisen.<br />
Aufgebaute Überkapazitäten<br />
müssen aus ökonomischen Gründen abgebaut<br />
werden. H<strong>in</strong>zu kommen ökologisch<br />
dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>liche Umstrukturierungen<br />
<strong>der</strong> Produktion und <strong>der</strong> Produkte. So müssen<br />
z.B. <strong>der</strong> Ausstieg aus <strong>der</strong> Automobil-<br />
Fixierung unserer Volkswirtschaft und <strong>der</strong><br />
Umbau des Energiesektors gel<strong>in</strong>gen. Dieses<br />
wird nur dann durchsetzbar se<strong>in</strong>, wenn<br />
wir Konversionskonzepte vorweisen können,<br />
die nicht weitere Arbeitslosigkeit produzieren.<br />
An<strong>der</strong>nfalls werden die bevorstehenden<br />
Strukturkrisen ohne Rücksicht auf<br />
Beschäftigte den Nie<strong>der</strong>gang solcher Industriezweige<br />
erzw<strong>in</strong>gen.<br />
II. Rüstungs<strong>in</strong>dustrie und Rüstungsexport<br />
Die Rüstungs<strong>in</strong>dustrie hat <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren erhebliche Beschäftigungse<strong>in</strong>brüche<br />
erfahren. Es wurden seit 1989 etwa<br />
140 000 Arbeitsplätze abgebaut. E<strong>in</strong><br />
Groûteil <strong>der</strong> Entlassungen ist allerd<strong>in</strong>gs<br />
rationalisierungsbed<strong>in</strong>gt. Nur rund 48 000<br />
<strong>der</strong> abgebauten Stellen s<strong>in</strong>d auf verr<strong>in</strong>gerte<br />
Rüstungsanstrengungen zurückzuführen.<br />
Rüstungs<strong>in</strong>dustrie zeichnet sich im allgeme<strong>in</strong>en<br />
durch e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Marktferne<br />
aus. Wo <strong>der</strong> Staat als so gut wie e<strong>in</strong>ziger<br />
Auftraggeber fungiert, ist ke<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />
Flexibilität gefragt. Diese höheren Preise<br />
und e<strong>in</strong>en sicheren Abnehmer garantierende<br />
Annehmlichkeit verkehrt sich bei<br />
s<strong>in</strong>kenden staatlichen Rüstungsaufträgen<br />
jedoch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e prekäre Abhängigkeit.<br />
Beson<strong>der</strong>s kraû werden dadurch die kle<strong>in</strong>en<br />
und mittleren (Zuliefer-)Firmen betroffen<br />
aufgrund <strong>der</strong> stark e<strong>in</strong>seitig ausgerichteten<br />
Fertigung, <strong>der</strong> oft ger<strong>in</strong>gen Kapitaldecke<br />
und <strong>der</strong> mangelnden Fähigkeit, <strong>in</strong>ternational<br />
zu agieren, so daû es unmöglich<br />
sche<strong>in</strong>t, kurzfristig Abfe<strong>der</strong>ungs- und<br />
Umsteuerungsprozesse zu beg<strong>in</strong>nen. Groûe
Rüstungsunternehmen reagieren <strong>in</strong> erster<br />
L<strong>in</strong>ie mit ersatzlosem Abbau von<br />
Rüstungskapazitäten o<strong>der</strong> Firmenzukauf<br />
und Diversifikation, um e<strong>in</strong>e Erweiterung<br />
<strong>der</strong> Produktpalette und folglich e<strong>in</strong>e gröûere<br />
Krisenfestigkeit zu erreichen. Hauptsächlich<br />
<strong>in</strong> den hochtechnologischen Bereichen<br />
<strong>der</strong> Luft- und Raumfahrt<strong>in</strong>dustrie<br />
und <strong>der</strong> Elektrotechnik ist e<strong>in</strong> Konzentrations-<br />
und Monopolisierungsprozeû zu<br />
beobachten. Die umsatzstärksten Rüstungsunternehmen<br />
verstärken zudem ihre Bemühungen,<br />
Produktion und Vertrieb zu <strong>in</strong>ternationalisieren,<br />
was etwa e<strong>in</strong>e Abkehr von<br />
dem lang gehegten Primat e<strong>in</strong>er autarken,<br />
nationalen Rüstungs<strong>in</strong>dustrie bedeutet. Die<br />
Tendenz zeigt, daû Ziel <strong>der</strong> groûen<br />
rüstungsorientierten Unternehmen ke<strong>in</strong>e<br />
Konversion son<strong>der</strong>n Bestandssicherung <strong>in</strong><br />
schrumpfenden Märkten ist.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund muû auch die<br />
For<strong>der</strong>ung nach schrittweisem Abbau <strong>der</strong><br />
Rüstungsexportbeschränkungen des Auûenwirtschaftsgesetzes<br />
bzw. <strong>der</strong> Auûenwirschaftsverordnung<br />
im Rahmen <strong>der</strong> EU-<br />
Harmonisierung gesehen werden. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
vermag auch e<strong>in</strong>e stärkere Exportorientierung<br />
die fehlende Nachfrage von<br />
seiten nationaler Regierungen nicht wettzumachen.<br />
Weltweit ist <strong>der</strong> Handel mit<br />
konventionellen Waffen seit 1987 rückläufig.<br />
Das Umsatzvolumen sank von $ 46<br />
Milliarden 1987 auf $ 24 Milliarden 1991.<br />
Dagegen steht die Expansion deutscher<br />
Rüstungsexporte, die seit 1991 die beiden<br />
groûen europäischen Militärmächte Frankreich<br />
und Groûbritannien übertreffen. Die<br />
Tatsache, daû deutsche Waffen im Krieg<br />
gegen das kurdischen Volk <strong>in</strong> Türkei-Kurdistan<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden, rückt dies neu <strong>in</strong><br />
das Bewuûtse<strong>in</strong>. Deutsche Firmen haben<br />
erheblich zur Aufrüstung des Irak o<strong>der</strong><br />
Libyens beigetragen. E<strong>in</strong> vollständiges<br />
Rüstungsexportverbot ist daher politisch<br />
geboten und dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich. E<strong>in</strong>e<br />
erste Sofortmaûnahme muû diesbezüglich<br />
das Verbot <strong>der</strong> Waffenexporte <strong>in</strong> alle<br />
Nicht-NATO-Staaten und die Türkei se<strong>in</strong>.<br />
Für ¹dual-useª Güter muû e<strong>in</strong>e strikte<br />
Endverbleibskontrolle e<strong>in</strong>geführt werden.<br />
Die Genehmigung <strong>in</strong>ternationaler Kooperationsmaûnahmen<br />
s<strong>in</strong>d ebenfalls an <strong>der</strong><br />
Garantie e<strong>in</strong>er solchen Kontrolle zu messen.<br />
III. Betriebliche Ansatzpunkte<br />
Rüstungsbetriebe haben e<strong>in</strong>e betriebliche<br />
¹Rüstungskulturª entwickelt, die Konversionsbemühungen<br />
hemmt. Es bestehen<br />
stabile Beziehungen zu dem Kunden Bundeswehr<br />
bzw. dem Bundesamt für Wehrtechnik<br />
und Beschaffung (BWB), jedoch<br />
ke<strong>in</strong> Kontakt zum zivilen Markt. Das<br />
Kostenbewuûtse<strong>in</strong> ist an<strong>der</strong>s als bei zivilen<br />
Betrieben nicht ausgeprägt, es gibt wenig<br />
Konkurrenz, Entwicklungszeiten s<strong>in</strong>d lang,<br />
ebenso die Zeit e<strong>in</strong>er Serienfertigung nach<br />
Vergabe e<strong>in</strong>es Auftrages. Auffällig ist die<br />
extrem aufwendige Güteprüfung, ebenso<br />
wie stark spezialisierte Abteilungen mit<br />
sehr formalisierten Arbeitsabläufen. Die<br />
überdurchschnittlichen Gew<strong>in</strong>ne und <strong>der</strong><br />
hohe technische Standard <strong>der</strong> Militärprodukte<br />
erzeugen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schätzung des eigenen<br />
Betriebes als technologisches Spitzenunternehmen.<br />
Diese Struktur hat sich auch<br />
bei den MitarbeiterInnen festgesetzt; hier<br />
ist e<strong>in</strong>e schnelle Umstellung sehr schwierig,<br />
die notwendige ¹Konversion <strong>in</strong> den Köpfenª<br />
oft unmöglich. Konversionsbetriebe<br />
haben deshalb wesentliche Teile <strong>der</strong> mittleren<br />
Führungsebene wegen Unfähigkeit<br />
zum Umdenken entlassen müssen.<br />
Auf jeden Fall ist die Herstellung e<strong>in</strong>zelbetrieblicher<br />
Wettbewerbsfähigkeit auf zivilen<br />
Märkten entscheidende Voraussetzung für<br />
die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen für<br />
die wegfallenden Rüstungsarbeitsplätze <strong>in</strong><br />
den Unternehmen. Dabei kann das Unternehmen<br />
entwe<strong>der</strong> Produkte, die an<strong>der</strong>e<br />
auch anbieten, qualitativ hochwertiger und/<br />
o<strong>der</strong> preisgünstiger anbieten bzw. sich<br />
durch neue Produkte e<strong>in</strong>en Vorteil sichern.<br />
Die Möglichkeiten s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs<br />
begrenzt.<br />
Bei Konversionsbestrebungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
typischen Rüstungsbetrieb s<strong>in</strong>d daher vier<br />
Punkte zu beachten:<br />
1. Produkt<strong>in</strong>novation und Diversifizierung<br />
2. Prozeû<strong>in</strong>novation und neue Arbeitsorganisationsformen<br />
37
3. Aufbau neuer Zuliefer- und Abnehmerbeziehungen<br />
4. Qualifizierung von Management und<br />
Beschäftigten<br />
Konversion braucht e<strong>in</strong> Standbe<strong>in</strong> im<br />
Betrieb, um von <strong>der</strong> Belegschaft ernstgenommen<br />
zu werden. Entsprechende<br />
Arbeitskreise sollten unbed<strong>in</strong>gt Unterstützung<br />
bei den Gewerkschaften suchen. Sie<br />
benötigt und aktiviert die Intelligenz <strong>der</strong><br />
Beschäftigten. Deshalb sollten <strong>der</strong>en Ideen<br />
e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />
Ohne verän<strong>der</strong>te Betriebsstrukturen ist<br />
Konversion nicht erfolgreich durchzuführen.<br />
Ziel ist daher vor allem auch die Mitbestimmung<br />
am Arbeitsplatz und <strong>der</strong><br />
Abbau von Hierarchien. E<strong>in</strong>e erweiterte<br />
Mitbestimmung <strong>in</strong> Konversionsunternehmen<br />
ist daher gesetzlich zu normieren.<br />
IV. Regionalpolitische Konversionsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
Für e<strong>in</strong>zelne Rüstungsunternehmen kann<br />
es ke<strong>in</strong>e Besitzstandsgarantie geben. Daher<br />
ist während des Umstellungsprozesses<br />
ebenfalls auf regionalpolitische Akteure zu<br />
rekurrieren. E<strong>in</strong>erseits obliegt ihnen die<br />
Aufgabe, e<strong>in</strong> konversionsfreundliches<br />
Klima zu erzeugen, so lange <strong>der</strong> Betrieb<br />
noch so profitabel ist, daû ihm Umstellungsmöglichkeiten<br />
gegeben s<strong>in</strong>d. Dabei ist<br />
beson<strong>der</strong>s Wert auf die Vermittlung zwischen<br />
Unternehmensverantwortlichen und<br />
den Ansprüchen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>teressierten<br />
Öffentlichkeit zu legen. Am besten wird<br />
den Interessen aller durch die E<strong>in</strong>richtung<br />
sogenannter Konversionsgesprächsrunden<br />
Rechnung getragen. An dieser Stelle wäre<br />
jedoch e<strong>in</strong> konkreter staatlicher E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong><br />
Bezug auf e<strong>in</strong> Unternehmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region<br />
verfehlt. Dieser ist für die gesamt- und<br />
regionalwirtschaftliche Anpassung und<br />
nicht für die Entwicklung e<strong>in</strong>es Unternehmens<br />
verantwortlich.<br />
An<strong>der</strong>erseits bedarf es dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>er Stärkung<br />
<strong>der</strong> regionalwirtschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong>sgesamt, um regionale Krisen zu<br />
vermeiden bzw. aufzufangen, wenn es nicht<br />
gel<strong>in</strong>gt, rüstungsorientierte Unternehmen<br />
38<br />
von <strong>der</strong> notwendigen Anpassung zu überzeugen<br />
und diese mit Arbeitsplatzabbau<br />
reagieren. Die Möglichkeiten zur Stärkung<br />
regionaler Strukturen s<strong>in</strong>d mannigfaltig.<br />
Sie können <strong>in</strong> <strong>der</strong> Identifikation neuer<br />
Märkte im In- und Ausland, im Auf- und<br />
Ausbau entsprechen<strong>der</strong> Infrastrukturen<br />
sowie <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Kooperationsund<br />
Verbundstrukturen zwischen wehrtechnischen<br />
Unternehmen, zivilorientierten<br />
Betrieben und Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />
liegen. Daneben ist die Qualifikation <strong>der</strong><br />
Beschäftigten gefragt, aber auch die<br />
betriebliche För<strong>der</strong>ung von Investitionen,<br />
<strong>in</strong>novativen Produkten, Unternehmensgründungen<br />
(Risikokapital-Bereitstellung,<br />
Zuschüsse, Bürgschaften o<strong>der</strong> sonstige<br />
Beteiligungen). E<strong>in</strong>e Steuerung über<br />
öffentliche Nachfrage ist dagegen nur <strong>in</strong><br />
ger<strong>in</strong>gem Umfang möglich aufgrund <strong>der</strong><br />
Pflicht, ab bestimmten Auftragssummen<br />
EU-weit auszuschreiben. Gleichzeitig<br />
besteht dafür jedoch die Möglichkeit, auf<br />
Mittel aus dem entsprechenden EU-Programm<br />
KONVER zurückzugreifen, wie<br />
dies das Land Bremen seit e<strong>in</strong>iger Zeit<br />
erfolgreich ausführt.<br />
V. Neue Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungs- und<br />
Entwicklungspolitik<br />
Die Forschungs- und Technologieanstrengungen<br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik konzentrieren<br />
sich immer <strong>in</strong> wenigen, gesellschaftlich<br />
zweifelhafte o<strong>der</strong> überflüssige Groûprojekte<br />
(Kern- und Fusionsenergie, Weltraumforschung,<br />
Militärforschung). Da es gerade<br />
e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> entscheidenden Aufgaben <strong>der</strong> Forschungspolitik<br />
ist, zukunftsorientierte Technologien<br />
und Arbeitsweisen zu entwickeln,<br />
muû hier e<strong>in</strong>e radikale Umorientierung<br />
erfolgen. Konversionsforschung und die<br />
Erforschung von Zukunftstechnologien hat<br />
<strong>in</strong> des Zentrum <strong>der</strong> FuE-Politik zu rücken.<br />
Zudem muû für den Bereich <strong>der</strong> öffentlichen<br />
FuE-Politik göûtmöglichste Transparenz<br />
hergestellt werden. Die Praxis des Verteidigungsm<strong>in</strong>isteriums,<br />
umstrittene und<br />
fragwürdige Projekte unter dem Schutz <strong>der</strong><br />
Geheimhaltung vorzubereiten, ist durch<br />
parlamentarische Kontrolle aufzubrechen.<br />
Dazu ist e<strong>in</strong>e Offenlegung <strong>der</strong> entsprechen-
den Haushalte vonnöten. Auch <strong>der</strong> Bereich<br />
<strong>der</strong> nichtmilitärischen Forschungs- und<br />
Entwicklungspolitik muû wegen <strong>der</strong> Gefahr<br />
des ¹dual-useª stärker öffentlichem E<strong>in</strong>fluû<br />
unterliegen.<br />
Gerade über die F.- und E.-Politik werden<br />
maûgeblich zukünftige Projekte <strong>der</strong> militärischen<br />
Planung bee<strong>in</strong>fluût. Erst wird<br />
geforscht, dann die dazu passende Verwertbarkeit<br />
konstruiert und damit die tatsächliche<br />
Notwendigkeit und Beschaffung<br />
begründet. Dieser zynische und vollkommen<br />
unökonomische Verlauf kann ebenfalls<br />
nur durchbrochen werden, <strong>in</strong>dem durch<br />
den politischen Willen zur Konversion<br />
Rüstungsbestrebungen abgelöst werden.<br />
VI. Bundespolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
Seit Jahren gibt es ke<strong>in</strong> spezielles Bundeskonversionsprogramm.<br />
Die von den durch<br />
die Krise <strong>der</strong> Rüstungs<strong>in</strong>dustrie beson<strong>der</strong>s<br />
betroffenen Län<strong>der</strong>n ausgehandelte Erhöhung<br />
des Län<strong>der</strong>anteils an <strong>der</strong> Umsatzsteuer<br />
um 2 Prozentpunkte von 35 % auf<br />
37 %, wobei 1 Prozentpunkt <strong>der</strong> Flankierung<br />
<strong>der</strong> Abrüstungsfolgen dienen soll,<br />
reicht nicht aus, e<strong>in</strong>e fehlende <strong>in</strong>dustriepolitische<br />
Initiative <strong>der</strong> Bundesregierung zu<br />
ersetzen. Diese trägt die Verantwortung,<br />
langfristig Planungen sicherzustellen und<br />
e<strong>in</strong>en politischen Rahmen für Konversion<br />
zu garantieren. Die Bundesregierung hat<br />
aus diesem Grund e<strong>in</strong>e Bundesanstalt Konversion<br />
(BAK) e<strong>in</strong>zurichten, die dem Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />
für Wirtschaft zugeordnet<br />
ist. Die BAK hat die Aufgabe, frühzeitig<br />
Planungen für Rüstungsunternehmen, militärische<br />
Liegenschaften und Standorte zu<br />
erstellen, bevor diese stillgelegt werden.<br />
Dazu ist die enge Zusammenarbeit mit den<br />
betroffenen Regionen und Beschäftigten zu<br />
suchen. Wesentliche Ziele s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Aufbau<br />
zukunftsorientierter Produktion und <strong>der</strong><br />
Erhalt bzw. Ausbau vorhandener Beschäftigung.<br />
Konversion muû sich als aktive<br />
Struktur- und Beschäftigungspolitik verstehen.<br />
Ferner s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> BAK entsprechende<br />
Haushaltsmittel zuzubilligen, um Konversionsforschung<br />
f<strong>in</strong>anziell und politisch zu<br />
unterstützen. E<strong>in</strong> Fonds für die F<strong>in</strong>anzierung<br />
wissenschaftlicher Begleitung e<strong>in</strong>zel-<br />
ner Konversionsprojekte ist ebenfalls bei<br />
<strong>der</strong> BAK anzusiedeln.<br />
Zudem s<strong>in</strong>d weitere wichtige Signale von<br />
seiten <strong>der</strong> Bundesregierung erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Nach auûen hieûe das <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Abrüstung,<br />
nach <strong>in</strong>nen drastische Verkle<strong>in</strong>erung<br />
<strong>der</strong> Bundeswehr und Umbau im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />
defensiven Verteidigung. Dennoch werden<br />
augenblicklich nur aufgrund des f<strong>in</strong>anziellen<br />
Defizits kurzfristig Waffenprogramme<br />
gestreckt, ansonsten jedoch die alten Fehler<br />
perpetuiert. Überzogene Vorstellungen des<br />
BMVg verteidigen Waffenprogramme, die<br />
unnötig und von <strong>der</strong> Öffentlichkeit kaum<br />
tragbar s<strong>in</strong>d, zudem unf<strong>in</strong>anzierbar wie <strong>der</strong><br />
Eurofighter 2000, bei dem das M<strong>in</strong>isterium<br />
noch immer um 10 % überplanen darf.<br />
Diese Botschaft hemmt den Umbau<br />
rüstungsorientierter Kapazitäten.<br />
VII. Fazit<br />
Angesichts <strong>der</strong> neu anstehenden Nach- und<br />
Aufrüstung <strong>der</strong> Bundeswehr mit unter<br />
an<strong>der</strong>em Groûraumtransportern o<strong>der</strong> auch<br />
den sogenannten <strong>in</strong>telligenten M<strong>in</strong>en, um<br />
wie<strong>der</strong> deutsche Interessen <strong>in</strong> aller Welt<br />
effektiv vertreten zu können, ist die Frage<br />
nach Konversion und damit deutlicher<br />
Abkehr von militärischem Gröûenwahn<br />
akut wie selten. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
ist daher aufgefor<strong>der</strong>t, diesem Prozeû<br />
entschieden entgegenzutreten und die oben<br />
genannten Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e sowohl<br />
friedens- als auch <strong>in</strong>dustriepolitisch s<strong>in</strong>nvolle<br />
Abrüstung <strong>der</strong> Rüstungs<strong>in</strong>dustrie zu<br />
unterstützen und <strong>der</strong>en Umsetzung e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n.<br />
(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />
39
Antrag A 15<br />
Unterbezirk Köln<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
Für mehr Gerechtigkeit bei<br />
Zivilund Wehrdienst<br />
Die Wehrpflicht ist e<strong>in</strong>e zeitweilige<br />
Beschneidung <strong>der</strong> Grundrechte und e<strong>in</strong><br />
erheblicher E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Lebensplanung<br />
junger Menschen. Sie muû daher nicht nur<br />
immer wie<strong>der</strong> demokratisch legitimiert<br />
werden, son<strong>der</strong>n auch so attraktiv wie<br />
möglich gestaltet werden. Unnötige Härten<br />
s<strong>in</strong>d zu vermeiden.<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich deshalb dafür e<strong>in</strong>:<br />
± daû <strong>der</strong> E<strong>in</strong>berufungsterm<strong>in</strong> stärker als<br />
bisher nach den <strong>in</strong>dividuellen Lebensplanungen<br />
ausgerichtet wird. Dazu gehört<br />
e<strong>in</strong>e Integration <strong>in</strong> die Schul-, Ausbildungs-<br />
und Studienzeiten.<br />
± daû <strong>der</strong> Dienstleistende so wohnungsnah<br />
wie möglich zum E<strong>in</strong>satz kommt.<br />
± Wehrsold soll sich orientieren an <strong>der</strong><br />
durchschnittlichen Vergütung e<strong>in</strong>es Auszubildenden.<br />
± daû im Interesse e<strong>in</strong>er ¹lebenslangen<br />
Ausbildungª den Dienstleistenden Fortund<br />
Weiterbildungsangebote bereitgestellt<br />
werden.<br />
± daû die Höhe <strong>der</strong> Abf<strong>in</strong>dung den Kosten<br />
zur Suche nach e<strong>in</strong>er angemessenen<br />
Beschäftigung besser Rechnung trägt.<br />
Für die Berufs- und Zeitsoldaten wollen<br />
wir:<br />
± E<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Beför<strong>der</strong>ungsbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong> den Unteroffiziersrängen.<br />
± E<strong>in</strong>e Durchlässigkeit zwischen Unteroffiziers-<br />
und Offizierslaufbahn.<br />
± E<strong>in</strong>e Trennung von Versetzung und<br />
Beför<strong>der</strong>ung.<br />
± E<strong>in</strong>e Verlängerung <strong>der</strong> Verweildauer an<br />
e<strong>in</strong>em Stationierungsort.<br />
± För<strong>der</strong>ung von Freizeitbeschäftigung<br />
auûerhalb <strong>der</strong> Kaserne.<br />
40<br />
± E<strong>in</strong>en ständigen Personalaustausch zwischen<br />
Krisenreaktionskräften und Heimatverteidigungskräften.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag A 16<br />
Kreisverband Karlsruhe-Stadt<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Zivildienst<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t, daû Zivildienstleistende<br />
ihren Ersatzdienst zukünftig zeitflexibel<br />
gestalten können. Dieser soll nicht mehr<br />
zwangsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em starren 13-Monate-<br />
Block erfolgen, son<strong>der</strong>n es muû dem ZDL<br />
möglich se<strong>in</strong>, se<strong>in</strong>en Dienst nach Absprache<br />
mit den Trägern <strong>in</strong> mehreren<br />
Abschnitten abzuleisten.<br />
Weiterh<strong>in</strong> sollen regelmäûige unbezahlte<br />
Tätigkeiten, die <strong>in</strong> ihrem Wesensgehalt<br />
dem Ersatzdienst nach § 12a entsprechen,<br />
dem ZDL auf die Dauer se<strong>in</strong>es Ersatzdienstes<br />
angerechnet werden.<br />
Die Gesamtdauer von <strong>der</strong>zeit 13 Monaten<br />
bleibt davon unberührt.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag A 17<br />
Landesverband Baden-Württemberg<br />
Landm<strong>in</strong>en<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
im Deutschen Bundestag e<strong>in</strong>en<br />
Antrag e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen, die Produktion und<br />
den Vertrieb von Landm<strong>in</strong>en zu untersagen.<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
im Deutschen Bundestag e<strong>in</strong>en<br />
Antrag zu stellen, die für die Entwicklung<br />
von M<strong>in</strong>en und M<strong>in</strong>enwerfgeräten bereitgestellten<br />
Gel<strong>der</strong> (354 Millionen DM im<br />
Jahre 1994) umzuwidmen zugunsten <strong>der</strong>
Rehabilitation und Entschädigung von<br />
M<strong>in</strong>enopfern und <strong>der</strong> Unterstützung e<strong>in</strong>es<br />
UNO-Fonds zur M<strong>in</strong>enräumung.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag: A 18<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Landm<strong>in</strong>en<br />
Die <strong>SPD</strong> lehnt die Produktion, die<br />
Beschaffung und den Export von Antipersonen-M<strong>in</strong>en<br />
ab. Sie unterstützt den<br />
Ottawa-Prozeû, <strong>der</strong> darauf abzielt, e<strong>in</strong><br />
umfassendes Verbot des E<strong>in</strong>satzes, <strong>der</strong> Entwicklung,<br />
<strong>der</strong> Produktion, <strong>der</strong> Lagerung<br />
und des Transfers von Antipersonen-M<strong>in</strong>en<br />
zu erreichen. Die <strong>SPD</strong> begrüût die Tatsache,<br />
daû bereits mehr als 100 Nationen an<br />
diesem Prozeû teilnehmen und for<strong>der</strong>t diejenigen<br />
Staaten auf, die bislang nicht teilnehmen,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e solche aktiven<br />
M<strong>in</strong>enproduzenten wie Ch<strong>in</strong>a, Ruûland,<br />
die USA, Indien und Pakistan, sich dem<br />
Ottawa-Prozeû anzuschlieûen und se<strong>in</strong>e<br />
Verpflichtungen zu erfüllen.<br />
Im weiteren Verlauf <strong>der</strong> Verhandlungen<br />
über das Verbot von Landm<strong>in</strong>en müssen<br />
auch an<strong>der</strong>e Typen von M<strong>in</strong>en, die ebenfalls<br />
Individuen gefährden, Teil e<strong>in</strong>er<br />
M<strong>in</strong>en-Konvention werden.<br />
Die <strong>SPD</strong> ruft die Bundesregierung und die<br />
<strong>in</strong>ternationale Geme<strong>in</strong>schaft auf, Wissen,<br />
Ausrüstung und f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen für<br />
das Aufspüren und die Zerstörung von<br />
Antipersonen-M<strong>in</strong>en, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den<br />
schwach entwickelten Län<strong>der</strong>n, die am<br />
meisten unter diesen Waffen leiden, bereitzustellen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag: A 19<br />
Parteivorstand<br />
Globalisierung und<br />
nachhaltige Entwicklung<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
I. Wir wollen die globale Zukunftsfähigkeit<br />
sichern<br />
II. Bedeutungswandel <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
III. E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Regierungsmanagement<br />
ist für die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit<br />
erfor<strong>der</strong>lich<br />
IV. Die Entwicklungspolitik muû reformiert<br />
werden<br />
1. Die Wirkung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
ist zu steigern<br />
2. Schaffung e<strong>in</strong>es Bundesm<strong>in</strong>isteri-<br />
V.<br />
ums für nachhaltige Entwicklung<br />
3. Die Querschnittsaufgabe <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
sichern<br />
4. Entwicklungspolitik auf e<strong>in</strong>e gesetzliche<br />
Grundlage stellen<br />
5. Die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
ist zu stärken<br />
Wir brauchen neue Handlungsfähigkeiten<br />
...<br />
1. auf globaler Ebene<br />
2. mit <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
3. auf <strong>der</strong> nationalen Ebene, <strong>in</strong> den<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
Ebene<br />
und auf lokaler<br />
I. Wir wollen die globale Zukunftsfähigkeit<br />
sichern<br />
Politik kann heute noch weniger als <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Vergangenheit nur <strong>in</strong> nationalen Kategorien<br />
denken. Während Wirtschafts- und<br />
Handelsunternehmen sowie die F<strong>in</strong>anzmärkte<br />
sich <strong>der</strong> Globalisierung nicht nur<br />
anpassen, son<strong>der</strong>n sich auch entsprechend<br />
organisieren, tut sich die Bundesregierung<br />
schwer <strong>in</strong> ihren politischen Antworten auf<br />
die Globalisierung. Die Politik muû die <strong>in</strong><br />
den Globalisierungsprozessen liegenden<br />
41
Chancen vielmehr nutzen und die wirtschaftlichen,<br />
sozialen und ökologischen<br />
Entwicklungsprozesse ordnungspolitisch<br />
für alle Beteiligten <strong>in</strong> die richtigen Bahnen<br />
lenken. Deshalb gilt es <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e, die<br />
Weltmärkte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch unsere<br />
eigenen Märkte, für Entwicklungslän<strong>der</strong> zu<br />
öffnen.<br />
Wir wollen die Globalisierung im Interesse<br />
<strong>der</strong> Menschen mitgestalten und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
daû <strong>der</strong> Sozialstaat demontiert, <strong>der</strong><br />
Umweltschutz kle<strong>in</strong>geschrieben und Armut<br />
und Hunger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt vergessen werden.<br />
Die Menschen <strong>in</strong> den Industriestaaten<br />
erkennen immer mehr, daû sie für die Probleme<br />
<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>bar entfernten Regionen<br />
ebenso mit verantwortlich wie von den<br />
Folgen betroffen s<strong>in</strong>d.<br />
Die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Globalisierungsprozesse<br />
und wirtschaftliche Wachstumserfolge<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Teilen <strong>der</strong> Welt bedeuten nicht<br />
automatisch, daû es den Menschen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Teilen <strong>der</strong> Welt ebenfalls besser geht.<br />
Auch wenn sich die Direkt<strong>in</strong>vestitionen auf<br />
e<strong>in</strong>en Rekordwert erhöht haben, flieûen<br />
diese <strong>in</strong> nur wenige Entwicklungslän<strong>der</strong>, so<br />
daû die ¾rmsten und auch die ärmeren<br />
Län<strong>der</strong> bisher viel zu wenig von <strong>in</strong>vestiertem<br />
Kapital profitieren. Noch immer<br />
wirken F<strong>in</strong>anz-, Wirtschafts- und Handels<strong>in</strong>teressen<br />
negativ auf notwendige Entwicklungsprozesse<br />
e<strong>in</strong>. Deshalb s<strong>in</strong>d die Beiträge<br />
<strong>der</strong> Entwicklungspolitik <strong>in</strong> den<br />
Bereichen <strong>der</strong> Wirtschafts-, Handels- und<br />
Umweltpolitik deutlich zu stärken. Dabei<br />
müssen wirtschafts- und f<strong>in</strong>anzpolitische<br />
Mechanismen sicherstellen, daû Produktivitätssteigerungen<br />
allen Bevölkerungsschichten<br />
zugute kommen.<br />
Damit die wohlstandsmehrenden Effekte<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Globalisierung nicht<br />
nur wenigen Privilegierten zugute kommen,<br />
bedarf es e<strong>in</strong>er aktiven Gestaltung<br />
durch die Politik, die ihre Aufgabe dar<strong>in</strong><br />
sehen muû, zur Entwicklung e<strong>in</strong>er funktionsfähigen<br />
sozialen und ökologischen<br />
Welt-Marktwirtschaft beizutragen. Entwicklungspolitik<br />
unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>der</strong> Globalisierung ist und bleibt somit e<strong>in</strong><br />
wichtiger Politikbereich, um zu e<strong>in</strong>er men-<br />
42<br />
schenwürdigen, nachhaltigen und zukunftsfähigen<br />
Entwicklung zu gelangen. Die entwicklungspolitische<br />
Kernfrage lautet: Wie<br />
können die Industrielän<strong>der</strong> dazu beitragen,<br />
um Entwicklungslän<strong>der</strong> so zu unterstützen,<br />
daû sie ihre Entwicklungschancen besser<br />
nutzen, und <strong>in</strong> diesem Prozeû <strong>der</strong> Globalisierung<br />
nicht ausgegrenzt zu werden. Die<br />
Hauptaufgaben <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
liegen dar<strong>in</strong>, auf nationaler und <strong>in</strong>ternationaler<br />
Ebene die politischen, wirtschaftlichen,<br />
sozialen und ökologischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n zu<br />
verbessern, Armut und Hunger zu überw<strong>in</strong>den,<br />
den Umweltschutz zu <strong>in</strong>tensivieren,<br />
zu Krisenvorbeugungen beizutragen<br />
und den Dialog zwischen den Kulturen im<br />
S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Bildung von Lerngeme<strong>in</strong>schaften<br />
zu för<strong>der</strong>n.<br />
II. Bedeutungswandel <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
Entwicklungspolitik steht vor e<strong>in</strong>er grundsätzlichen<br />
Wende. Stand <strong>in</strong> den 60er Jahren<br />
noch das Pr<strong>in</strong>zip ¹Barmherzigkeitª im<br />
Mittelpunkt <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
± man nannte sie damals richtigerweise<br />
¹Entwicklungshilfeª ± wurden <strong>in</strong> den 70er<br />
Jahren mit dem Begriff ¹Gerechtigkeitª<br />
bereits Ansätze für geme<strong>in</strong>same Verantwortung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>en Welt deutlich. Jetzt,<br />
Ende <strong>der</strong> 90er Jahre am Ausgang des 20<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts, wird vielen Menschen immer<br />
deutlicher, daû effiziente Entwicklungszusammenarbeit<br />
etwas mit dem Überleben<br />
unserer eigenen Gesellschaft ± unserer<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> und K<strong>in</strong>desk<strong>in</strong><strong>der</strong> ± zu tun hat.<br />
Viele von uns wissen, daû die Industrielän<strong>der</strong><br />
mit ihren knapp 20 % <strong>der</strong> Weltbevölkerung<br />
für 75 % <strong>der</strong> schädlichen Emissionen<br />
und für e<strong>in</strong>en verschwen<strong>der</strong>ischen<br />
Umgang mit Energie verantwortlich s<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> Deutscher verbraucht soviel Energie<br />
wie 12 Afrikaner. Die weitere systematische<br />
Ausbeutung <strong>der</strong> Naturschätze (<strong>in</strong> nur<br />
40 Jahren s<strong>in</strong>d 50 % des gesamten Urwaldes<br />
abgeholzt worden; e<strong>in</strong>e für uns selbstverständliche<br />
Mobilität mit e<strong>in</strong>em Auto pro<br />
E<strong>in</strong>wohner würde weltweit zu e<strong>in</strong>er Verzehnfachung<br />
des Automobilbedarfes führen)<br />
wird zu irreparablen Klimaschäden
führen. Das Modell Europa, und auch <strong>der</strong><br />
¹American way of lifeª taugen nicht als<br />
Vorbild für 80 % <strong>der</strong> Weltbevölkerung im<br />
Süden und Osten. Und doch wissen wir<br />
alle, daû diese 80 % sich nichts sehnlicher<br />
wünschen als e<strong>in</strong>en europäischen/amerikanischen<br />
Lebensstandard. Der Anteil <strong>der</strong><br />
Menschen im Süden wird bei den bisherigen<br />
Prognosen zum Bevölkerungswachstum<br />
<strong>in</strong> nur 30 Jahren um m<strong>in</strong>destens 1 Milliarde<br />
anwachsen. E<strong>in</strong>er Milliarde Menschen im<br />
noch wohlbehüteten Norden werden dann<br />
7 Milliarden Menschen im Süden/Osten<br />
gegenüberstehen und ihre Rechte e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n.<br />
Die <strong>der</strong>zeitigen Migrationsströme<br />
werden dann retrospektiv nur e<strong>in</strong> Lüftchen<br />
gewesen se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e ¹Festung Europaª wird<br />
aber vorhersehbar nicht funktionieren und<br />
zum Scheitern verurteilt se<strong>in</strong>.<br />
Mehr als e<strong>in</strong>e Milliarde Menschen leben<br />
<strong>der</strong>zeit unterhalb <strong>der</strong> Armutsgrenze. Der<br />
Teufelskreis zwischen Armut, Umweltzerstörung<br />
und Bevölkerungswachstum muû<br />
<strong>in</strong> absehbarer Zeit beendet werden, nicht<br />
zuletzt auch um die politische Stabilität <strong>in</strong><br />
Deutschland und Europa und an<strong>der</strong>en<br />
Industrielän<strong>der</strong>n zu gewährleisten.<br />
Die Weltkonferenzen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />
haben deutlich gemacht, daû es e<strong>in</strong><br />
groteskes Miûverhältnis gibt zwischen den<br />
globalen Risikoentwicklungen wie Umweltzerstörungen,<br />
Klimaverän<strong>der</strong>ung, Bevölkerungsdruck,<br />
Hunger und Armut, Flüchtl<strong>in</strong>gsbewegungen<br />
sowie Bürgerkriegen und<br />
ethnischen Konflikten auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite<br />
und den konkreten politischen Lösungsmöglichkeiten<br />
durch die nationalen Regierungen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Organisationen<br />
auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.<br />
Mehr und mehr privates Kapital flieût <strong>in</strong><br />
die Entwicklungslän<strong>der</strong>, wovon aber 80 %<br />
<strong>in</strong> nicht mehr als 12 Staaten, den sogenannten<br />
Schwellenlän<strong>der</strong>, gehen. Weltweit<br />
stagniert die öffentliche Entwicklungshilfe<br />
bei jährlich 60 Milliarden US-Dollar. Den<br />
Gesamtleistungen an Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
(öffentlich und privat) <strong>in</strong> Höhe von 240<br />
Milliarden US-Dollar (1995) stehen alle<strong>in</strong><br />
jährlich Z<strong>in</strong>s- und Tilgungsrückflüûe von<br />
195 Milliarden US-Dollar gegenüber.<br />
Aus vielerlei Gründen ist Entwicklungspolitik<br />
<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten nicht so<br />
erfolgreich gewesen, wie es wünschenswert<br />
und notwendig gewesen wäre. Entwicklungspolitik<br />
hat bitter lernen müssen,<br />
bescheidener zu werden. Wie <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
europäischen nationalen Gesellschaften ist<br />
auch im Weltmaûstab die Kluft zwischen<br />
Armen und Reichen immer tiefer geworden.<br />
Analysiert man die Ursachen für manche<br />
Miûerfolge ± ihre Erfolge werden lei<strong>der</strong><br />
häufig übersehen ± dann fällt auf, daû<br />
es neben dem unbestrittenen Versagen <strong>der</strong><br />
Staatseliten im Süden sehr handfeste Ursachen<br />
gibt, die ausschlieûlich die Industrielän<strong>der</strong><br />
zu verantworten haben. Da s<strong>in</strong>d<br />
zuerst die nach wie vor grassierenden<br />
Rüstungsexporte (<strong>in</strong>kl. aktiver Militärberatung)<br />
durch die Industrielän<strong>der</strong>, da s<strong>in</strong>d die<br />
e<strong>in</strong>seitigen, ungerechten Benachteiligungen<br />
<strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong><br />
Welthandelsorganisation WTO und die<br />
Lieferung von europäischen Überfluûnahrungsmitteln<br />
<strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> zu<br />
Dump<strong>in</strong>gpreisen zu nennen. Man müûte<br />
die Aufwendungen für Entwicklungszusammenarbeit<br />
(ODA) weltweit mehr als verzehnfachen,<br />
um auch nur ansatzweise diese<br />
unerwünschten Nebenwirkungen aus an<strong>der</strong>en<br />
Politikbereichen zu egalisieren. Die<br />
Konsequenzen dieses Fehlverhaltens s<strong>in</strong>d<br />
überdeutlich.<br />
Wir stehen vor <strong>der</strong> schwierigen Aufgabe,<br />
unseren Mitbürger<strong>in</strong>nen bewuût zu<br />
machen, daû die <strong>der</strong>zeitigen Lebens- und<br />
Konsumformen <strong>in</strong> den Industrielän<strong>der</strong>n<br />
mit globaler Verantwortung im S<strong>in</strong>ne von<br />
¹Zukunftsfähigkeitª nicht vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d.<br />
Deutschland kann und sollte e<strong>in</strong>e politische<br />
Vorbildfunktion übernehmen. Im S<strong>in</strong>ne<br />
dieser globalen Verantwortung müssen wir<br />
uns ± gerade auch die <strong>SPD</strong> mit ihrem<br />
historisch gut begründeten Anspruch auf<br />
Internationalität ± den Beschlüssen <strong>der</strong><br />
Umwelt- und Entwicklungskonferenz von<br />
Rio de Janeiro 1992 stellen. Wir müssen<br />
Abschied nehmen von <strong>der</strong> so angenehmen<br />
Vorstellung <strong>der</strong> Überlegenheit europäischer<br />
Kultur und bereit se<strong>in</strong>, zu e<strong>in</strong>em<br />
Dialog mit den Partnern im Süden/Osten.<br />
In wirklichen Lerngeme<strong>in</strong>schaften können<br />
wir erfahren, daû es im Süden strategische<br />
43
Lösungsansätze gibt, die auch für uns von<br />
Relevanz se<strong>in</strong> können.<br />
So waren die afrikanischen Kulturen jahrhun<strong>der</strong>telang<br />
geprägt von e<strong>in</strong>em bewuûten/unbewuûten<br />
Leben im Gleichgewicht<br />
mit <strong>der</strong> Natur. Auch das viel belächelte<br />
Konsenspr<strong>in</strong>zip afrikanischer Kulturen<br />
bietet Lösungsansätze für die komplexen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen unserer Zivilisation.<br />
Auûerdem verfügen unsere zahlreichen<br />
Durchführungsorganisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
über jahrzehntelange<br />
Erfahrungen mit <strong>der</strong> Implementierung<br />
neuer Denkweisen und<br />
Instrumente. Das Kriterium ¹nachhaltige<br />
Entwicklungª spielt bei ihnen e<strong>in</strong>e<br />
wesentlich gröûere Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> täglichen<br />
Praxis als bei uns <strong>in</strong> Europa. Auch<br />
Methoden <strong>der</strong> Erfolgskontrolle und <strong>der</strong><br />
Evaluierung von Interventionen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
vielen deutschen Politikfel<strong>der</strong>n noch<br />
Fremdwörter ± im Gegensatz zur Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Dies alles<br />
macht e<strong>in</strong>e Neubewertung und -positionierung<br />
<strong>der</strong> Entwicklungspolitik <strong>in</strong> unserer<br />
Gesamtpolitik überfällig.<br />
III. E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Regierungsmanagement<br />
ist für die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit<br />
erfor<strong>der</strong>lich<br />
Wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Politikbereichen gibt es<br />
auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegenwärtigen deutschen Entwicklungspolitik<br />
e<strong>in</strong>en Reformstau, <strong>der</strong> sich<br />
vornehmlich aus <strong>der</strong> Politikorganisation<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung ergibt: Das gegenwärtige<br />
Bundesm<strong>in</strong>isterium für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)<br />
ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er politischen Bedeutung marg<strong>in</strong>al<br />
und erfüllt we<strong>der</strong> die Ansprüche an<br />
e<strong>in</strong>e leistungsfähige Entwicklungspolitik<br />
noch ist es relevanter Teil <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Politikgestaltung.<br />
Die gegenwärtige Bundesregierung ist<br />
falsch organisiert, um <strong>in</strong>ternationale Entwicklungsaufgaben<br />
effizient zu bewältigen.<br />
Nicht selten arbeiten das Auswärtige Amt<br />
o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e M<strong>in</strong>isterien gegen entwicklungspolitische<br />
Erfor<strong>der</strong>nisse. Zahllose<br />
Aufgaben mit entwicklungspolitischen biund<br />
multilateralen Bezügen im weiteren<br />
44<br />
S<strong>in</strong>ne werden <strong>in</strong> mehr als 30 Referaten von<br />
dreizehn (!) unterschiedlichen Bundesm<strong>in</strong>isterien<br />
(auûerhalb des BMZ) wahrgenommen.<br />
Diese organisatorische Überkomplizierung<br />
verursacht Reibungsverluste, die<br />
zusätzlich durch unzureichend mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
abgestimmte Arbeitsziele, durch fehlende<br />
politische Information und teilweise gegensätzliche<br />
Interessen verstärkt werden. Die<br />
häufig anzutreffenden Überschneidungen<br />
von Arbeitsgebieten haben zu Doppelarbeit<br />
und zu ressortegoistischem Denken<br />
geführt, das e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Position<br />
Deutschlands <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Fragen<br />
oftmals blockiert.<br />
¹Globale Zukunftssicherungª stellt e<strong>in</strong>e <strong>der</strong><br />
zentralen Herausfor<strong>der</strong>ungen an künftiger<br />
Politikorganisation <strong>in</strong> den verschiedenen<br />
Ressorts dar. Nur durch e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes<br />
Regierungsmanagement ist es möglich, die<br />
erfor<strong>der</strong>liche Qualität politischen Handelns<br />
auch auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene zu sichern.<br />
Dazu ist e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes politisches Netzwerk-Management<br />
erfor<strong>der</strong>lich, das die<br />
enge Zusammenarbeit <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Politikbereiche garantiert und politische<br />
Kräfte mobilisiert, um das Ziel e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />
Entwicklungspolitik auch <strong>in</strong> den<br />
Fachressorts mitzugestalten.<br />
Deshalb ist hier e<strong>in</strong>e Reorganisation erfor<strong>der</strong>lich,<br />
die die Organisationsstrukturen<br />
strafft, Arbeitsaufgaben bündelt und die<br />
Arbeitseffizienz verbessert. E<strong>in</strong>e Konzentration<br />
sämtlicher entwicklungspolitischer<br />
Aufgaben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>isterium lieûen<br />
bürokratischen Leerlauf und isolierte Entscheidungsverfahren<br />
vermeiden. Mangelhafte<br />
Koord<strong>in</strong>ierung und ressortegoistische<br />
Interessen könnten so überwunden und das<br />
Instrument Entwicklungspolitik stärker <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e kohärente Auûenpolitik e<strong>in</strong>gebettet<br />
werden.<br />
IV. Die Entwicklungspolitik muû reformiert<br />
werden<br />
1. Die Wirkung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik ist<br />
zu steigern<br />
In <strong>der</strong> Vergangenheit krankte die Entwicklungspolitik,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e während des
Ost-West-Konflikts, auch an e<strong>in</strong>er Reihe<br />
von politischen Schwächen, die es künftig<br />
zu vermeiden gilt. Zu oft schuf sie e<strong>in</strong>e<br />
Kultur <strong>der</strong> Erwartung und Ansprüche statt<br />
e<strong>in</strong>er Kultur <strong>der</strong> Leistung und Belohnung.<br />
Sie ermutigte Regierungen <strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
zu Bettelei und Erpressung<br />
statt zur Bes<strong>in</strong>nung auf die eigenen Entwicklungspotentiale.<br />
Oftmals unterstützte<br />
sie die Fortführung e<strong>in</strong>er entwicklungsschädigenden<br />
Politik und verschleierte die<br />
Schädlichkeit von ¹Hilfeª vor <strong>der</strong> Bevölkerung;<br />
auch verlieh sie solchen Regierungen<br />
Respektabilität, die ihre eigene Bevölkerung<br />
ausbeuteten und an <strong>der</strong> Macht hielt.<br />
De facto bedeutete Entwicklungspolitik oft<br />
e<strong>in</strong>e Protektion für undemokratische,<br />
reformunfähige Entwicklungslän<strong>der</strong> und<br />
<strong>der</strong>en begüterte Oberschichten. Institutionelle<br />
Willkür und fehlende Rechtssicherheit<br />
unterliefen sowohl die Bemühungen<br />
<strong>der</strong> Auslandshilfe und <strong>der</strong>en wirksamen<br />
E<strong>in</strong>satz als auch die För<strong>der</strong>ung s<strong>in</strong>nvoller<br />
Eigenanstrengungen <strong>der</strong> Bevölkerung. Die<br />
das gesamte Netz <strong>der</strong> sozialen, wirtschaftlichen<br />
und politischen Beziehungen durchdr<strong>in</strong>gende<br />
Korruption stellte und stellt oft<br />
e<strong>in</strong> enormes Entwicklungsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nis dar.<br />
E<strong>in</strong> Problem, mit dem die Entwicklungspolitik<br />
seit langem zu kämpfen hat, ist das<br />
ihrer überschätzen Rolle bei <strong>der</strong> Überw<strong>in</strong>dung<br />
von ¹Unterentwicklungª. Wie alle<br />
historischen Prozesse ist Entwicklung e<strong>in</strong><br />
tiefgreifen<strong>der</strong>, langwieriger und komplexer<br />
Wandlungsprozeû, <strong>der</strong> wirtschaftliche,<br />
gesellschaftliche und politische Strukturen<br />
verän<strong>der</strong>t und dabei die Denk-, Verhaltensund<br />
Ausdrucksweisen <strong>der</strong> Menschen nicht<br />
unberührt läût. Erfolge durch Entwicklungszusammenarbeit<br />
werden sich deshalb<br />
auch nur selten rasch e<strong>in</strong>stellen. Entwicklung<br />
braucht Zeit. Entwicklungspolitik<br />
kann ± richtig e<strong>in</strong>gesetzt ± Notsituationen<br />
entschärfen und s<strong>in</strong>nvolle Beiträge und<br />
Impulse für die Entwicklung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Land leisten und <strong>in</strong>sofern Impulse mit Beispiel-<br />
und Modellcharakter liefern. In <strong>der</strong><br />
Vergangenheit ist sie jedoch zu oft durch<br />
ihre eigenen überzogenen Ansprüche <strong>in</strong><br />
ihren Möglichkeiten überbewertet worden.<br />
Alle<strong>in</strong> das F<strong>in</strong>anzvolumen (ca. DM 7,5 Mil-<br />
liarden <strong>in</strong> 1997 für ca. 60 Entwicklungslän<strong>der</strong>;<br />
zum Vergleich: Mehr als DM 100 Milliarden<br />
werden jährlich <strong>in</strong> die neuen<br />
Bundeslän<strong>der</strong> transferiert) macht deutlich,<br />
daû die Entwicklungspolitik <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong><br />
im gesamten Entwicklungsprozeû<br />
e<strong>in</strong>es Landes vielmehr nur Anstöûe und<br />
Anreize geben kann, um die Lage <strong>der</strong><br />
Menschen zu verbessern, o<strong>der</strong> als Katalysator<br />
für Problemlösungen dienen ± und<br />
zwar subsidiär zu den Eigenanstrengungen<br />
<strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n. Nicht mehr aber auch<br />
nicht weniger.<br />
Die Entwicklungswelt hat sich differenziert.<br />
Deshalb muû bei <strong>der</strong> Vergabe von<br />
F<strong>in</strong>anzmitteln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
künftig unterschieden werden<br />
zwischen Schwellenlän<strong>der</strong>n und ärmeren<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n. Schwellenlän<strong>der</strong>n<br />
sollen För<strong>der</strong>mittel <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für den<br />
Umwelt-, Energie- und Verkehrssektor,<br />
aber auch im Bereich <strong>der</strong> Demokratieför<strong>der</strong>ung<br />
erhalten, während die ärmeren Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> den Bereichen Bildung,<br />
Umweltschutz, Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung<br />
und <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Partizipation geför<strong>der</strong>t werden. Dabei ist<br />
die För<strong>der</strong>ung von Frauen zur Stärkung<br />
ihrer gesellschaftlichen Rolle beson<strong>der</strong>s zu<br />
berücksichtigen.<br />
Die Mittel für e<strong>in</strong>e qualitativ bessere Entwicklungszusammenarbeit<br />
müssen erhöht<br />
werden. Vorbeugende Friedenspolitik ist<br />
kostengünstiger als jedwede nachfolgende<br />
Schadensbeseitigung. Für die Entwicklungszusammenarbeit<br />
stehen seit den letzten<br />
Jahren immer weniger Mittel im Bundeshaushalt<br />
zur Verfügung. Während bei<br />
<strong>der</strong> sozialliberalen Koalition noch 0,48 %<br />
des BSP für Entwicklungszusammenarbeit<br />
aufgewendet wurden, ist dieser Anteil <strong>der</strong>zeit<br />
auf etwa 0,3 % des BSP abgesunken.<br />
Die staatlichen Leistungen <strong>der</strong> OECD-<br />
Län<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d seit Jahren kont<strong>in</strong>uierlich<br />
gesunken. Das wi<strong>der</strong>spricht den seit Jahrzehnten<br />
immer wie<strong>der</strong> angekündigten Verpflichtungen<br />
<strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong>, m<strong>in</strong>destens<br />
0,7 % des Bruttosozialprodukts für<br />
e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational abgestimmte und effizientere<br />
Zusammenarbeit mit den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
aufzuwenden. Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />
45
partnerschaftlichen und damit glaubwürdigen<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Nord-Süd-Ost-Beziehungen<br />
und aufgrund wohlverstandener<br />
Eigen<strong>in</strong>teressen <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong> müssen<br />
die staatlichen Leistungen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
<strong>in</strong> den nächsten Jahren<br />
deutlich erhöht werden. Es muû ± trotz<br />
<strong>der</strong> angespannten Haushaltslage ± energischer<br />
politischer Wille <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
se<strong>in</strong>, geme<strong>in</strong>sam mit den Regierungen<br />
an<strong>der</strong>er Industrielän<strong>der</strong> die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Schritte unternehmen und zusätzlich neue<br />
Vorschläge erarbeiten, um globale Entwicklungsf<strong>in</strong>anzierungen<br />
zu ermöglichen<br />
(z.B. die Tob<strong>in</strong>-Steuer). Mittelfristiges<br />
Zwischenziel sollte se<strong>in</strong>, den Abwärtstrend<br />
<strong>der</strong> letzten Jahre zu stoppen, schrittweise<br />
umzukehren und wie<strong>der</strong> den Anteil von<br />
2,5 % des Jahres 1988 ± (<strong>der</strong>zeit: 1,7 %) ±<br />
am Gesamthaushalt zu erreichen. Um dieses<br />
Ziel zu erreichen, müssen die Verpflichtungsermächtigungen<br />
im Entwicklungshaushalt<br />
pro Jahr regelmäûig um<br />
m<strong>in</strong>destens 10±15 % angehoben werden.<br />
Die Durchführungsorganisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
müssen gestärkt<br />
und ihre Wirksamkeit erhöht werden. Charakteristisch<br />
für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit<br />
ist die pluralistische<br />
Durchführungsstruktur. Diese <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Vielfalt ist im Laufe <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte<br />
gewachsen. Sie ermöglicht e<strong>in</strong>e<br />
breite Verankerung <strong>der</strong> Entwicklungsarbeit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Gesellschaft, e<strong>in</strong>en lebendigen<br />
entwicklungspolitischen Diskurs <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit und differenzierte Leistungsangebote<br />
an die Partner <strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />
Die Erfahrungen, die die<br />
Organisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
<strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten z. B.<br />
<strong>in</strong> den Bereichen <strong>der</strong> Armutsbekämpfung,<br />
im Umweltschutz o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />
von Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
gemacht haben, können und müssen<br />
künftig viel stärker auch für die eigenen<br />
gesellschaftlichen Probleme <strong>in</strong> Deutschland<br />
genutzt werden.<br />
Dennoch s<strong>in</strong>d Überlegungen erfor<strong>der</strong>lich,<br />
die politische Gestaltung und Durchführung<br />
<strong>der</strong> EZ zu optimieren. Dazu gehört<br />
neben <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> entwicklungs-<br />
46<br />
politischen Führungsfunktion des BMZ<br />
auch die Überprüfung <strong>der</strong> Aufgabenzuweisungen,<br />
des Zusammenspiels <strong>der</strong> Instrumente<br />
bis h<strong>in</strong> zur Überprüfung <strong>der</strong> organisatorischen<br />
Strukturen. Das BMZ hat<br />
e<strong>in</strong>en abgestimmten E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> Instrumente<br />
(e<strong>in</strong>schl. <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>-, Regional- und<br />
Sektorkonzepte) ebenso sicherzustellen wie<br />
e<strong>in</strong>e funktionale, gleichberechtigte und<br />
dauerhafte Zusammenarbeit <strong>der</strong> entwicklungspolitischenDurchführungsorganisationen.<br />
Insgesamt ist hier e<strong>in</strong>e Neuordnung erfor<strong>der</strong>lich,<br />
die auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />
Auftragsuntersuchung zu<br />
gestalten ist. Die Leitfrage muû se<strong>in</strong>: Wie<br />
können die Ziele <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
<strong>in</strong> Arbeitsteilung und Abstimmung durch<br />
effiziente Institutionen, Koord<strong>in</strong>ierung und<br />
Zusammenarbeit umgesetzt werden? Dabei<br />
müssen die funktionale Strukturen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
die organisatorischen<br />
Strukturen bestimmen. Aus den Aufgaben<br />
<strong>der</strong> Entwicklungspolitik ergeben sich<br />
die <strong>in</strong>stitutionellen Strukturen im Durchführungsbereich<br />
<strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Die Anwendung von Instrumenten<br />
<strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
leitet sich aus den entwicklungspolitischen<br />
Schwerpunktbereichen ab.<br />
2. Schaffung e<strong>in</strong>es Bundesm<strong>in</strong>isteriums für<br />
nachhaltige Entwicklung<br />
Entwicklungspolitik ist e<strong>in</strong>e staatliche Aufgabe,<br />
die von e<strong>in</strong>em eigenständigen M<strong>in</strong>isterium<br />
gestaltet werden sollte. Die neuen<br />
<strong>in</strong>ternationalen Anfor<strong>der</strong>ungen erfor<strong>der</strong>n<br />
von <strong>der</strong> staatlichen Politik e<strong>in</strong>e neue Qualität<br />
im politischen Handeln. Die Gestaltungskraft<br />
<strong>der</strong> Politik muû zurückgewonnen<br />
werden. Internationale Politik muû<br />
<strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> ihren Entscheidungen kohärenter<br />
werden. Auûen-, Wirtschafts-,<br />
Sicherheits-, F<strong>in</strong>anz- und Handelspolitik,<br />
Agrar-, Umwelt-, Bildungs-, Technologieund<br />
Entwicklungspolitik müssen <strong>in</strong> mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
vernetzten Zusammenhängen gesehen<br />
und umgesetzt werden. Vernetztes<br />
politisches Denken muû sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e organisatorische<br />
Vernetzung verschiedener<br />
Politikbereiche auswirken und umsetzen.
Folglich erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> globalen<br />
Zukunftssicherung durch die Bundesregierung<br />
e<strong>in</strong> wirksames und signifikantes Qualitätsmanagement,<br />
das die verschiedenen<br />
Politikbereiche mit e<strong>in</strong>bezieht und die<br />
Zusammenarbeit staatlicher, nicht-staatlicher<br />
und <strong>in</strong>ternationaler Akteure erfor<strong>der</strong>t.<br />
Die Entwicklungszusammenarbeit alle<strong>in</strong><br />
kann nur e<strong>in</strong>en begrenzten Beitrag leisten:<br />
<strong>in</strong>sgesamt müssen jedoch die an<strong>der</strong>en oben<br />
genannten Politikbereiche e<strong>in</strong>gebunden<br />
se<strong>in</strong> und <strong>in</strong> ihren Zuständigkeiten ebenfalls<br />
Beiträge leisten. Es s<strong>in</strong>d also Anstrengungen<br />
für e<strong>in</strong>e Gesamtpolitik erfor<strong>der</strong>lich, die<br />
im H<strong>in</strong>blick auf globale Zukunftssicherung<br />
von <strong>der</strong> Bundesregierung <strong>der</strong>zeit nicht<br />
geleistet werden.<br />
E<strong>in</strong>e Neuorganisierung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung ist erfor<strong>der</strong>lich,<br />
um Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe<br />
zu gestalten, die auch die<br />
an<strong>der</strong>e Politikbereiche mit e<strong>in</strong>schlieût. Es<br />
ist unerläûlich, daû e<strong>in</strong> neues Zukunftsm<strong>in</strong>isterium,<br />
e<strong>in</strong> Bundesm<strong>in</strong>isterium für nachhaltige<br />
Entwicklung (BMNE), geschaffen<br />
werden muû, das das bisherige Bundesm<strong>in</strong>isterium<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung (BMZ) ersetzt und<br />
mehr Kompetenzen erhält, damit die Bundesregierung<br />
<strong>in</strong>sgesamt politisch den globalen<br />
Risikoentwicklungen besser begegnen<br />
kann. Die bisherigen Ressorts müssen daraufh<strong>in</strong><br />
überprüft werden, wo entwicklungsbezogene<br />
Aufgaben liegen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
M<strong>in</strong>isterium zusammengefaût werden sollten,<br />
damit die politischen Fragen <strong>der</strong><br />
Zukunftsfähigkeit optimal bearbeitet werden<br />
können.<br />
Der Berl<strong>in</strong>/Bonn-Umzug sollte dazu<br />
genutzt werden, die entwicklungspolitischen<br />
Aufgaben und Zuordnungen <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung neu zu organisieren.<br />
Das Fachwissen, die Kenntnis von<br />
Instrumenten und problembezogene Län<strong>der</strong>kenntnisse<br />
müssen gebündelt werden.<br />
Erhebliche E<strong>in</strong>sparpotentiale <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesverwaltung<br />
können durch die Zusammenlegung<br />
von entwicklungspolitischen<br />
Aufgaben <strong>in</strong> Abteilungen und Referaten<br />
erzielt werden, die bislang verstreut <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Ressorts liegen. Entwicklungs-<br />
politische Aufgaben und Zuständigkeiten <strong>in</strong><br />
bilateralen und multilateralen Bereichen,<br />
mit denen operative Maûnahmen verbunden<br />
s<strong>in</strong>d, sowie die entsprechenden Haushaltstitel<br />
(e<strong>in</strong>schl. Personal) müssen dem<br />
neuen Zukunftsm<strong>in</strong>isterium für globale<br />
Entwicklungsaufgaben übertragen werden.<br />
Die Fachressorts bleiben für <strong>in</strong>ternationale<br />
Aufgaben h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Vertragsverhandlungen<br />
o<strong>der</strong> Normbildungen bei <strong>in</strong>ternationalen<br />
Abkommen zuständig.<br />
Bei entwicklungsbezogenen Aufgaben mit<br />
Auswirkungen auf operative Durchführungen<br />
durch Projekte o<strong>der</strong> Programme ist<br />
das BMNE zuständig. Insbeson<strong>der</strong>e s<strong>in</strong>d<br />
hier zu nennen: Humanitäre und Katastrophenhilfe,<br />
Ausstattungs- und Demokratisierungshilfe,<br />
die EU-Entwicklungspolitik,<br />
Nord-Süd-bezogene <strong>in</strong>ternationale<br />
Umweltpolitik, die Entwicklungszusammenarbeit<br />
mit den Staaten Mittelosteuropas<br />
und <strong>der</strong> früheren Sowjetunion. Das<br />
BMNE muû die fe<strong>der</strong>führende Zuständigkeit<br />
für Entwicklungsaufgaben <strong>in</strong> den UN-<br />
Son<strong>der</strong>organisationen sowie bei den entwicklungspolitischen<br />
UN-Konferenzen<br />
erhalten. Dazu gehören auch die E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>der</strong> Auswärtigen Kulturpolitik,<br />
soweit sie entwicklungsbezogene Aufgaben<br />
durchführen. Insgesamt muû das Regierungsmanagement<br />
wirtschaftlicher arbeiten,<br />
Doppelarbeit vermeiden, Organisationsstrukturen<br />
straffen und unnütze bürokratische<br />
Vorschriften aufheben.<br />
Die Bundesregierung sollte sich auf konzeptionelle<br />
Aufgaben und politische Steuerung<br />
(Kontrolle), auf den politischen Dialog<br />
mit den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
konzentrieren sowie klare entwicklungspolitische<br />
Vorgaben für die staatlichen<br />
Durchführungsorganisationen setzen. Die<br />
Durchführungsaufgaben delegiert sie an<br />
kompetente Durchführungsorganisationen.<br />
Von <strong>der</strong> Bundesregierung unterstützte private<br />
Träger <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
(Kirchen, politische Stiftungen, Verbände,<br />
Nichtregierungsorganisationen)<br />
bewegen sich im vere<strong>in</strong>barten entwicklungspolitischen<br />
Rahmen. Das BMNE ist<br />
verantwortlich für die Erarbeitung von<br />
Län<strong>der</strong>-, Sektor- und Regionalkonzepten.<br />
47
Es beteiligt Vertreter <strong>der</strong> staatlichen und<br />
privaten Durchführungsorganisationen,<br />
Nichtregierungsorganisationen und <strong>der</strong><br />
Wirtschaft sowie Vertretern von E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>der</strong> Auswärtigen Kulturpolitik und<br />
E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wissenschaftszusammenarbeit.<br />
Es ist sicherzustellen,<br />
daû e<strong>in</strong>e gröûtmögliche Beteiligung<br />
<strong>der</strong> Partner (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Vertreter <strong>der</strong><br />
Zivilgesellschaft) <strong>in</strong> den jeweiligen Län<strong>der</strong>n<br />
erfolgt.<br />
Der Beschluû des Deutschen Bundestages,<br />
Bonn zu e<strong>in</strong>em ¹Zentrum für Entwicklungspolitik,<br />
nationale, <strong>in</strong>ternationale und<br />
supranationale E<strong>in</strong>richtungenª auszubauen,<br />
wird durch die Bereitstellung entsprechen<strong>der</strong><br />
Haushaltsmittel umgesetzt, um die<br />
Ansiedlung weiterer <strong>in</strong>ternationaler Organisationen<br />
und Nichtregierungsorganisationen,<br />
die ihren Sitz nach Bonn <strong>in</strong> das ¹Zentrum<br />
für <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeitª<br />
(Nord-Süd-Zentrum) verlagern wollen,<br />
weiter voranzutreiben. Ziel muû se<strong>in</strong>, den<br />
nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Organisationen<br />
durch die Schaffung entsprechen<strong>der</strong><br />
politischer Rahmenbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong> hohes<br />
Maû an Synergien zu ermöglichen, um im<br />
¹Zentrum für <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit,<br />
Bonn, neue Impulse für die Entwicklungs-,<br />
Auûen-, Europa- und UN-Politik<br />
entstehen zu lassen.<br />
3. Die Querschnittsaufgabe <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
sichern<br />
Entwicklungspolitik ist e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe,<br />
die auch an<strong>der</strong>e Politikbereiche<br />
mit e<strong>in</strong>schlieût. Politische Kohärenz muû<br />
sichergestellt werden. Um diese zwischen<br />
den verschiedenen M<strong>in</strong>isterien zu organisieren,<br />
s<strong>in</strong>d neue strukturbildende Maûnahmen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisation erfor<strong>der</strong>lich. Um<br />
politische Kohärenz zu verwirklichen, sollten<br />
die wichtigsten entwicklungsbezogenen<br />
Entscheidungsvorlagen aus dem Bundeslandwirtschaftsm<strong>in</strong>isterium,<br />
dem Auswärtigen<br />
Amt, dem Bundeswirtschaftsm<strong>in</strong>isterium,<br />
dem Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>isterium, dem<br />
Bundesumweltm<strong>in</strong>isterium, dem Bildungs-,<br />
Forschungs- und Technologiem<strong>in</strong>isterium,<br />
dem Bundesjustizm<strong>in</strong>isterium, dem Bundesbaum<strong>in</strong>isterium,<br />
dem Bundesarbeitsmi-<br />
48<br />
nisterium, dem Bundesgesundheitsm<strong>in</strong>isterium,<br />
dem Bundesf<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterium und<br />
dem Verteidigungsm<strong>in</strong>isterium e<strong>in</strong>schlieûlich<br />
aller Maûnahmen <strong>der</strong> globalen<br />
Zukunftssicherung e<strong>in</strong>er Entwicklungsverträglichkeitsprüfung<br />
(EVP) unterzogen<br />
werden. Denn durch die Unterschrift unter<br />
die Vere<strong>in</strong>barungen von Rio hat Deutschland<br />
die Verpflichtung zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>er nationalen Strategie für nachhaltige<br />
Entwicklung übernommen. Der nationale<br />
Bericht Deutschlands über nachhaltige<br />
Entwicklung muû die Grundlage dafür<br />
se<strong>in</strong>, Kriterien für Nachhaltigkeit zu entwickeln<br />
und die EVP entsprechend e<strong>in</strong>zuführen.<br />
Durch e<strong>in</strong>e obligatorische Entwicklungsverträglichkeitsprüfung,<br />
die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>term<strong>in</strong>isteriellen<br />
Koord<strong>in</strong>ierungsausschuû<br />
(Vorsitz: <strong>der</strong> Bundesm<strong>in</strong>ister für nachhaltige<br />
Entwicklung ± BMNE) durchgeführt<br />
werden, können <strong>in</strong> entsprechenden Ressortverhandlungen<br />
die entsprechenden<br />
Kab<strong>in</strong>ettsentscheidungen vorbereitet werden.<br />
Dem neuen Bundesm<strong>in</strong>isterium für<br />
nachhaltige Entwicklung (BMNE) ist im<br />
<strong>in</strong>term<strong>in</strong>isteriellen Koord<strong>in</strong>ierungsausschuû<br />
e<strong>in</strong> Vetorecht e<strong>in</strong>zuräumen.<br />
Dadurch wird Effektivität im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong><br />
politischen Zielerreichung (Soll-Ist-Planung)<br />
und die Effizienz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten<br />
Haushaltsmittel erhöht.<br />
Das Bundesm<strong>in</strong>isterium für nachhaltige<br />
Entwicklung (BMNE) ist für die Koord<strong>in</strong>ierung<br />
und Steuerung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
im engeren S<strong>in</strong>n zuständig. Der<br />
Bedeutungsverlust <strong>der</strong> deutschen Beiträge<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Organisationen muû<br />
rückgängig gemacht werden. Es muû künftig<br />
dafür Sorge tragen, daû die <strong>in</strong>ternationale<br />
Zusammenarbeit Deutschlands und<br />
mit ihr die Entwicklungspolitik wie<strong>der</strong><br />
stärker <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Organisationen<br />
und <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n selber<br />
präsent ist. Weiterh<strong>in</strong> muû es Aufgabe <strong>der</strong><br />
Entwicklungspolitik se<strong>in</strong>, die Effizienz <strong>der</strong><br />
Organisationen im UN-System und <strong>der</strong><br />
multilateralen Entwicklungsorganisationen<br />
zu steigern. Hierfür s<strong>in</strong>d konzeptionelle<br />
Vorstellungen zu entwickeln und e<strong>in</strong>zu-
<strong>in</strong>gen. Dazu gehören klare Def<strong>in</strong>itionen,<br />
welche entwicklungspolitische Aufgaben<br />
besser multilateral und welche bilateral<br />
durchgeführt werden. Die Bundesregierung<br />
muû sich aktiv um e<strong>in</strong>e höhere personelle<br />
deutsche Beteiligung <strong>in</strong> multilateralen<br />
Organisationen <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
bemühen.<br />
Entwicklungspolitik als vorbeugende Friedenspolitik<br />
wird <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen und<br />
entwicklungspolitischen Nord-Süd-Fragen<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Krisenprävention vorausschauend<br />
tätig. Dementsprechend muû<br />
das neue Bundesm<strong>in</strong>isterium für nachhaltige<br />
Entwicklung (BMNE) künftig im Bundessicherheitsrat<br />
vertreten se<strong>in</strong>. Es ist mit<br />
e<strong>in</strong>er entsprechend qualifizierten und<br />
bereits <strong>in</strong>ternational profilierten Persönlichkeit<br />
zu besetzen.<br />
4. Entwicklungspolitik auf e<strong>in</strong>e gesetzliche<br />
Grundlage stellen<br />
Die Bedeutung <strong>der</strong> Entwicklungspolitik für<br />
die Gestaltung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Beziehungen<br />
Deutschlands muû auf e<strong>in</strong>er<br />
gesetzlichen Grundlage verankert werden.<br />
Deshalb ist e<strong>in</strong> Gesetz zur Entwicklungspolitik<br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland<br />
erfor<strong>der</strong>lich, wie es an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong> schon<br />
lange haben (z.B. die USA, Schweiz,<br />
Schweden, Österreich). Die Verabschiedung<br />
e<strong>in</strong>es Bundesgesetzes zur Entwicklungspolitik<br />
und die Schaffung e<strong>in</strong>es Entwicklungskab<strong>in</strong>etts<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
könnten auch nach Auffassung des OECD-<br />
Entwicklungshilfeausschusses zur Kohärenz<br />
<strong>der</strong> Politik und <strong>der</strong> Programme <strong>der</strong> deutschen<br />
Entwicklungspolitik beitragen. Dazu<br />
gehört die Benennung e<strong>in</strong>es unabhängigen<br />
entwicklungspolitischen Beauftragten als<br />
Hilfsorgan des Deutschen Bundestages bei<br />
<strong>der</strong> Ausübung <strong>der</strong> parlamentarischen Kontrolle.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus sollte e<strong>in</strong> Unabhängiger<br />
Rat für globale Zukunftsaufgaben berufen<br />
werden, dem neben Vertretern <strong>der</strong> Wissenschaft<br />
auch aus Vertretern gesellschaftlich<br />
relevanter Gruppen (Arbeitgeber, Gewerkschaften,<br />
Kirchen, politische Stiftungen,<br />
Nichtregierungsorganisationen) zusammen-<br />
gesetzt se<strong>in</strong> sollte und dem Parlament<br />
e<strong>in</strong>en jährlichen Bericht über die Grundlagenforschung<br />
für zukunftsfähige Entwicklung,<br />
Langzeitperspektiven und Zukunftsprognosen<br />
<strong>in</strong> Deutschland vorzulegen hat.<br />
5. Die Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
ist zu stärken<br />
Die Globalisierung <strong>der</strong> Weltmärkte ist e<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong> zentralen Herausfor<strong>der</strong>ungen auch für<br />
die deutsche Wirtschaft. Immer mehr<br />
Wirtschaftsunternehmen erkennen, daû ihr<br />
Erfolg und die Ausschöpfung von Handlungsspielräumen<br />
langfristig auch von <strong>der</strong><br />
Qualität des Standorts abhängig ist. Die<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an das Umfeld steigen<br />
nicht nur h<strong>in</strong>sichtlich kostengünstiger Produktionen,<br />
Marktpotentialen, <strong>in</strong>stitutionellen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen o<strong>der</strong> funktionieren<strong>der</strong><br />
Infrastruktur, die für viele<br />
Wirtschaftsunternehmen entscheidend für<br />
die Kapital<strong>in</strong>vestitionen s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n auch<br />
langfristige gesellschaftliche Stabilitätskriterien.<br />
So hat <strong>der</strong> Verband deutscher Handelskammern<br />
se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n bereits<br />
Empfehlungen für die Beteiligung an <strong>der</strong><br />
Erarbeitung von Strategien zur nachhaltigen<br />
Entwicklung gegeben.<br />
Die Entwicklungspolitik hat die Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> Privatwirtschaft bislang<br />
vernachlässigt. Staatliche Entwicklungspolitik<br />
und private Geschäfts<strong>in</strong>teressen sollten<br />
sich nicht wi<strong>der</strong>sprechen, son<strong>der</strong>n ergänzen.<br />
Kapitalkraft und auch Kompetenzen<br />
von privatem Kapital und Management<br />
müssen für Entwicklungsprozesse genutzt<br />
werden. Von Direkt<strong>in</strong>vestitionen <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
<strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n können<br />
erhebliche entwicklungspolitische Effekte<br />
ausgehen: So z.B. För<strong>der</strong>ung des lokalen<br />
Unternehmertums, Schaffung und Erhalt<br />
von Arbeitsplätzen, Aus- und Fortbildungseffekte,<br />
Infrastrukturentwicklungen, Diversifizierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur,<br />
umweltschonende Effekte durch Mo<strong>der</strong>nisierungen<br />
und den E<strong>in</strong>satz neuer Technologien.<br />
Deshalb kommt dem entwicklungsorientierten<br />
Engagement und Know-how<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
e<strong>in</strong> hoher Stellenwert zu, das für<br />
49
e<strong>in</strong>e effiziente Entwicklungszusammenarbeit<br />
unerläûlich ist.<br />
Wir treten deshalb dafür e<strong>in</strong>, daû die deutsche<br />
Wirtschaft stärker als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
und am entwicklungspolitischen<br />
Dialog beteiligt werden muû. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
for<strong>der</strong>n und unterstützen wir nachdrücklich<br />
e<strong>in</strong>e massive Exportoffensive für umweltfreundliche<br />
Technologien, für W<strong>in</strong>d- und<br />
Solarenergien (e<strong>in</strong>schl. Photovoltaik),<br />
FCKW-Substitution, Wasserkle<strong>in</strong>kraftanlagen<br />
sowie für an<strong>der</strong>e regenerative Energien,<br />
die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch entsprechende<br />
Son<strong>der</strong>programme für die mittelständische<br />
Wirtschaft aufgelegt werden sollen.<br />
Die zunehmenden Vernetzungen <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
<strong>in</strong> Industrie- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en neuen Anlauf <strong>der</strong><br />
Zusammenarbeit zwischen <strong>der</strong> staatlichen<br />
Entwicklungspolitik, den Unternehmensverbänden<br />
und den Wirtschaftsunternehmen<br />
selber. Von elementarer Bedeutung ist<br />
e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Kohärenz und effektive<br />
Verknüpfung <strong>der</strong> Entwicklungs-, Wirtschafts-<br />
und Auûenpolitik mit dem Ziel,<br />
die Aktivitäten <strong>der</strong> Privatwirtschaft <strong>in</strong> den<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n zu for<strong>der</strong>n und e<strong>in</strong>e<br />
optimale Koord<strong>in</strong>ierung zwischen Politik,<br />
Privatwirtschaft und Nichtregierungsorganisationen<br />
zu gewährleisten.<br />
Wir setzen uns dafür e<strong>in</strong>, die strukturellen<br />
Voraussetzungen zu schaffen, daû die neue<br />
Rollenverteilung von Staat und Wirtschaft<br />
auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
ihren Nie<strong>der</strong>schlag f<strong>in</strong>det. Dazu gehören<br />
Maûnahmen <strong>der</strong> Beratung und Information<br />
ebenso wie die Übernahme von Risikokapital<br />
aus zusätzlichen Mitteln <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
und <strong>der</strong> Auûenwirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
sowie e<strong>in</strong>e direkte<br />
Unterstützung für die <strong>in</strong>nerbetriebliche<br />
Ausbildung bei Unternehmen, die <strong>in</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
<strong>in</strong>vestieren. Hermes-Kredite<br />
sollen künftig auf <strong>der</strong> Grundlage von<br />
Kriterien <strong>der</strong> Entwicklungsverträglichkeit<br />
vergeben werden. Gleichzeitig ist die Idee<br />
<strong>der</strong> Sozialpartnerschaft als e<strong>in</strong> erfolgreiches<br />
Element politischer Kultur zu stärken,<br />
<strong>in</strong>dem auch organisierte Arbeitnehmer-<br />
50<br />
schaften (Gewerkschaftsdachverbände, E<strong>in</strong>zelgewerkschaften,<br />
etc.) unterstützt werden.<br />
V. Wir brauchen neue Handlungsfel<strong>der</strong> ...<br />
1. ... auf globaler Ebene<br />
Seit Jahren wird auf unzähligen Konferenzen<br />
über die tiefgreifenden Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt-Gesellschaft geredet.<br />
Die Nationalstaaten s<strong>in</strong>d jedoch auf<br />
die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Globalisierung<br />
bisher nicht o<strong>der</strong> nur ansatzweise vorbereitet.<br />
Die Instrumente <strong>der</strong> traditionellen<br />
Auûenpolitik erweisen sich als unzureichend<br />
zur Lösung <strong>in</strong>ternationaler Probleme.<br />
Zwar wächst die E<strong>in</strong>sicht, daû die<br />
Globalisierung die Steuerungskapazitäten<br />
<strong>der</strong> Nationalstaaten überfor<strong>der</strong>t und die<br />
bisher praktizierten Formen des <strong>in</strong>ternationalen<br />
Krisenmanagements ± sei es im UN-<br />
Sicherheitsrat o<strong>der</strong> im Rahmen <strong>der</strong> G7-<br />
Gipfel ± den Herausfor<strong>der</strong>ungen nicht<br />
mehr gerecht werden. Aber dieser E<strong>in</strong>sicht<br />
s<strong>in</strong>d bisher kaum Taten gefolgt.<br />
Wir sehen die neuen <strong>in</strong>ternationalen<br />
Handlungsfähigkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em auszubauenden<br />
und funktionierenden System globaler<br />
Politikgestaltung. Das bedeutet, daû<br />
Handlungskompetenzen zur Lösung von<br />
Problemen, die die Nationalstaaten im<br />
Alle<strong>in</strong>gang nicht mehr bewältigen können,<br />
auf Nationalstaaten übergreifende (EU)<br />
o<strong>der</strong> globale Organisationen (UNO) übertragen<br />
werden. In <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Zusammenarbeit s<strong>in</strong>d verb<strong>in</strong>dliche Kooperationsregeln<br />
<strong>in</strong>ternational zu verrechtlichen.<br />
Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en neuen Anlauf zu menschenwürdigen,<br />
umweltverträglichen und<br />
solidarischen Lösungen, an dem viele<br />
beteiligt se<strong>in</strong> müssen: die UNO, ihre<br />
Unterorganisationen und <strong>in</strong>ternationale<br />
Organisationen wie die WTO, die regionalen<br />
Geme<strong>in</strong>schaften wie die EU, die Nationalstaaten,<br />
lokale Politik und Nichtregierungsorganisationen.<br />
Die UNO als das bedeutendste Forum <strong>der</strong><br />
Welt-Gesellschaft muû gestärkt und damit<br />
handlungsfähiger gemacht werden. Vorschläge<br />
dafür liegen längst auf dem Tisch.
Die Nationalstaaten werden sich <strong>in</strong> diesem<br />
System vor allem durch die Umsetzung<br />
von UN-Konferenzbeschlüssen bei sich zu<br />
Hause bewähren müssen. Zunehmen muû<br />
ihre Rolle <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationaler Kooperation,<br />
vor allem <strong>in</strong> regionalen Integrationsgeme<strong>in</strong>schaften<br />
wie die EU, die Entwicklungsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
im südlichen Afrika<br />
(SADC) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>same Markt im<br />
südlichen Amerika (Mercosur). Diese<br />
regionalen Integrationen müssen gestärkt<br />
werden. Langfristig können die globalen<br />
Kooperationen zu e<strong>in</strong>em rechtsverb<strong>in</strong>dlichen<br />
System globaler Normen <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternationalen<br />
Organisationen und Institutionen<br />
wichtige Impulse geben.<br />
Das gilt für das Völkerrecht und für die<br />
Menschenrechte; für die Welthandelsordnung,<br />
für e<strong>in</strong>e leistungsfähige Weltwährungs-<br />
und F<strong>in</strong>anzordnung e<strong>in</strong>schlieûlich<br />
e<strong>in</strong>er umfassenden Entschuldung <strong>der</strong> ärmsten<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>. In den WTO-<br />
Prozeû s<strong>in</strong>d mehr soziale und ökologische<br />
M<strong>in</strong>deststandards e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Zum Ausbau<br />
<strong>der</strong> Weltsozialordnung gehört neben<br />
sozialen Standardnormen auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationaler<br />
Lastenausgleich, <strong>der</strong> die zunehmende<br />
Marg<strong>in</strong>alisierung ganzer Weltregionen<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Und nicht zuletzt muû<br />
kurzfristig e<strong>in</strong>e effiziente und wirksame<br />
Welt-Umweltpolitik umgesetzt werden, um<br />
die drohenden Klimakatastrophen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
bzw. zu mil<strong>der</strong>n.<br />
2. ... mit <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
Der Bundesrepublik Deutschland fällt im<br />
Rahmen ihrer gestiegenen europapolitischen<br />
Verantwortung e<strong>in</strong>e wichtige Rolle<br />
zu. Im Rahmen <strong>der</strong> angestrebten Geme<strong>in</strong>samen<br />
Auûen- und Sicherheitspolitik <strong>der</strong><br />
Europäischen Union wird auch die Entwicklungspolitik<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen.<br />
Für die Bundesrepublik Deutschland<br />
geht es verstärkt darum, sich aktiv an <strong>der</strong><br />
Ausarbeitung e<strong>in</strong>er effizienten geme<strong>in</strong>samen<br />
europäischen Entwicklungspolitik zu<br />
beteiligen und die Beziehungen <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union mitzugestalten. Die Stärkung<br />
<strong>der</strong> Handlungsfähigkeiten <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union und <strong>der</strong> multilateralen<br />
Entwicklungsorganisationen erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e<br />
aktive Mitwirkung.<br />
Die Entwicklungszusammenarbeit <strong>der</strong> EU<br />
und ihrer Mitgliedslän<strong>der</strong> muû besser <strong>in</strong><br />
E<strong>in</strong>klang gebracht werden. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />
Arbeitsteilung <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
muû deutlicher als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
ernst genommen und umgesetzt werden,<br />
d. h. daû Projekt- und Programmdurchführungen<br />
mit den europäischen Mitgliedslän<strong>der</strong>n<br />
koord<strong>in</strong>iert werden müssen. Die<br />
geme<strong>in</strong>same Entwicklungspolitik muû ausgebaut<br />
und, wie es <strong>der</strong> Maastricht-Vertrag<br />
vorsieht, zu geme<strong>in</strong>samen Aktionen<br />
gebracht werden, sowie ihre regionale Ausrichtung<br />
verstärkt werden. Wi<strong>der</strong>sprüche<br />
zwischen Entwicklungspolitik und an<strong>der</strong>en<br />
Politikbereichen wie <strong>der</strong> Agrar- und<br />
Auûenhandelspolitik müssen beseitigt werden.<br />
Das <strong>in</strong> Art. 130 V im Vertrag von Maastricht<br />
nie<strong>der</strong>gelegte Kohärenzgebot sollte<br />
Deutschland auch für die nationalen Politikbereiche<br />
umsetzen. Die Sicherstellung<br />
von politischer Kohärenz heiût, die Ziele<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Politikbereiche zu verzahnen<br />
und <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang mit dem Ziel e<strong>in</strong>er<br />
globalen nachhaltigen Entwicklung zu<br />
br<strong>in</strong>gen. Im Artikel C) des Maastricht-Vertrages<br />
heiût es: ¹Die Union achtet <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
auf die Kohärenz aller von ihr<br />
ergriffenen auûenpolitischen Maûnahmen<br />
im Rahmen ihrer Auûen-, Sicherheits-,<br />
Wirtschafts- und Entwicklungspolitikª.<br />
Konsequente Anwendung dieses Gebots<br />
seitens <strong>der</strong> Bundesregierung könnte zu<br />
e<strong>in</strong>er ¹aus e<strong>in</strong>er Handª führen und hätte<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zum Ziel, Fragen <strong>der</strong> europäischen<br />
Entwicklungspolitik sowie die<br />
humanitäre Hilfe und <strong>in</strong>ternationale<br />
Umweltfragen im BMZ zusammenzufassen.<br />
3. ... auf <strong>der</strong> nationalen Ebene, <strong>in</strong> den<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n und auf lokaler Ebene<br />
und lokalen Ebenen<br />
Auch <strong>in</strong>nenpolitisch bedarf es neuer<br />
Ansätze, die darauf abzielen, zu e<strong>in</strong>er konsenssuchenden<br />
Kommunikation mit den<br />
Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern auch bei Themen<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Politik und<br />
Zusammenarbeit zu gelangen. Viele Menschen<br />
erleben die gegenwärtigen Globalisierungsprozesse<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Ent-<br />
51
wicklungen als Bedrohung ± nicht nur für<br />
den eigenen Arbeitsplatz, son<strong>der</strong>n auch für<br />
die Zukunft <strong>der</strong> Familien und <strong>der</strong> jungen<br />
Generation.<br />
Deshalb müssen die Anstrengungen erhöht<br />
werden, die Bevölkerung durch Informations-<br />
und Bildungsarbeit über die Zusammenhänge<br />
<strong>in</strong>ternationaler Politik und<br />
Interessen Deutschlands aufzuklären.<br />
Demokratie lebt unter an<strong>der</strong>em auch vom<br />
Vertrauen <strong>der</strong> Bürger <strong>in</strong> die Qualität politischen<br />
Handelns. Die Akzeptanz staatlicher<br />
Entscheidungen wird sowohl von <strong>der</strong><br />
Begründung zur Durchführung öffentlicher<br />
Maûnahmen als auch von <strong>der</strong> Bürgerbeteiligung<br />
bee<strong>in</strong>fluût. Deshalb s<strong>in</strong>d den verschiedenen<br />
Organisationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />
(Nichtregierungsorganisationen,<br />
Verbände, die Wirtschaft und Gewerkschaften<br />
u. a.) bessere Mitwirkungsmöglichkeiten<br />
e<strong>in</strong>zuräumen. Das bedeutet, daû<br />
¹globales Lernenª auf allen Ebenen <strong>der</strong><br />
schulischen, auûerschulischen und universitären<br />
Bildung und Ausbildung <strong>in</strong> den Ausbildungsplänen<br />
zu verankern ist.<br />
Nachhaltige Entwicklung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />
Gesellschaft setzt darüber h<strong>in</strong>aus die<br />
Beteiligung <strong>der</strong> Bevölkerung auf allen Ebenen<br />
voraus. Die notwendigen Verän<strong>der</strong>ungsprozesse<br />
werden nur dauerhaft se<strong>in</strong>,<br />
wenn sie von den Menschen gewollt, mitgestaltet,<br />
verantwortet und den jeweiligen<br />
Situationen flexibel angepaût werden. Die<br />
Son<strong>der</strong>generalversammlung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen im Juni 1997 hat erneut die<br />
Ohnmacht <strong>der</strong> Regierungen bewiesen, die<br />
die Beschluû- und Handlungsempfehlungen<br />
<strong>der</strong> UN-Konferenz von Rio über<br />
Umwelt und Entwicklung (¹Agenda 21ª)<br />
aus dem Jahre 1992 nicht umgesetzt werden<br />
konnten. Die jetzige Bundesregierung<br />
hat die Leitidee des Rio-Prozesses bewuût<br />
auf Umweltfragen verkürzt und damit die<br />
gleichgewichtigen sozialen, ökonomischen<br />
und ökologischen Fragen <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergrund<br />
gedrängt. Um so dr<strong>in</strong>glicher wird <strong>in</strong><br />
Zukunft die Beteiligung <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />
und Kommunen se<strong>in</strong>, die durch ihre<br />
beson<strong>der</strong>e Nähe zur Bevölkerung, ihrer<br />
Zuständigkeit für Bildung, Kultur, Wissenschaft<br />
und Kommunalangelegenheiten<br />
52<br />
sowie <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
<strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> über Möglichkeiten verfügen,<br />
nachhaltige Entwicklungsprozesse<br />
zu verwirklichen. Die Stärkung des lokalen<br />
Agenda-Prozesses (Lokale Agenda 21)<br />
durch aktive Unterstützung <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong><br />
ermöglicht Synergieeffekte im Nach-<br />
Rio-Prozeû, die nicht nur von e<strong>in</strong>zelnen,<br />
son<strong>der</strong>n von allen Bundeslän<strong>der</strong>n geför<strong>der</strong>t<br />
werden sollten. Län<strong>der</strong> und Kommunen<br />
sollten ihre Verantwortung wahrnehmen,<br />
ihre Aktivitäten vernetzen und den zum<br />
Teil bedrohlichen Abwärtstrend <strong>der</strong> Mittel<br />
für Entwicklungszusammenarbeit stoppen.<br />
Die von <strong>der</strong> Konferenz <strong>der</strong> Fraktionsvorsitzenden<br />
<strong>der</strong> Bundestags- und Landtagsfraktionen<br />
1994 beschlossene Erhöhung <strong>der</strong><br />
Mittel muû ± trotz <strong>der</strong> angespannten<br />
Haushaltslage ± verwirklicht werden.<br />
Sozialdemokraten för<strong>der</strong>n und unterstützen<br />
aktiv die Prozesse e<strong>in</strong>er nachhaltigen Entwicklung.<br />
Sie vertrauen auf die Beteiligung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung auf allen Ebenen als e<strong>in</strong>e<br />
zentrale Voraussetzung für das Gel<strong>in</strong>gen<br />
dieses partizipativen Umsteuerungsprozesses<br />
<strong>der</strong> Industriegesellschaften.<br />
¹Ohne Frieden ist alles nichtsª<br />
unter diesem Wort von Willy Brandt steht<br />
auch dieser Antrag. Er geht davon aus, daû<br />
die Weiterentwicklung kooperationswilliger<br />
und -fähiger überstaatlicher Regionen und<br />
globaler Politikgestaltung friedensstiftend<br />
ist.<br />
Wir setzen uns für weitere Abrüstungsschritte,<br />
für Rüstungskonversion und Waffenexportkontrolle<br />
und -abbau e<strong>in</strong>. Wir<br />
betrachten es als herausragende Aufgabe<br />
regionaler und globaler Politikgestaltung,<br />
neue Fähigkeiten <strong>der</strong> Konfliktlösung und<br />
Konfliktprävention zu entwickeln, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
auch für ethnische Konflikte.<br />
M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitenschutz und Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte<br />
± für K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Frauen und<br />
Männer ±, gleiche Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten<br />
im S<strong>in</strong>ne vielfältiger<br />
Konventionen und UN-Beschlüssen s<strong>in</strong>d<br />
für uns Leitmotiv. Es ist entstanden aus<br />
unserer Grundüberzeugung von <strong>der</strong> E<strong>in</strong>en<br />
Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir alle wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Boot sit-
zen, gegenseitig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abhängig und<br />
mit unseren Zukunfts<strong>in</strong>teressen mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
verbunden.<br />
Wir werden daran arbeiten, das Bewuûtse<strong>in</strong><br />
hierfür zu verstärken und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei<br />
uns <strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong> Europa, durch<br />
<strong>in</strong>terkulturellen Dialog und Zusammenarbeit<br />
die Toleranz und Offenheit gegenüber<br />
an<strong>der</strong>en Kulturen und Religionen zu erhöhen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag A 22<br />
Landesverband Saar<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
auf, sich umgehend für e<strong>in</strong>e Sozialklausel<br />
im Internationalen Handelsabkommen<br />
e<strong>in</strong>zusetzen, daû deutsche Importeure<br />
nur noch Teppiche mit dem Warenzeichen<br />
¹Rugmarkª e<strong>in</strong>führen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag A 24<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Furtwangen<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Das nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />
Bodenrecht weiterentwickeln<br />
Ausgehend von den Wiesbadener Beschlüssen,<br />
die Auûen- und Sicherheitspolitik weiterzuentwickeln,<br />
beantragt <strong>der</strong> OV Furtwangen<br />
beim <strong>SPD</strong>-Parteivorstand e<strong>in</strong>e<br />
Projektgruppe e<strong>in</strong>zusetzen mit dem Auftrag,<br />
das nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />
Bodenrecht weiterzuentwickeln. Dabei s<strong>in</strong>d<br />
auch die Positionen an<strong>der</strong>er sozialdemokratischer<br />
Parteien mite<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag A 25<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />
Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />
Kurd<strong>in</strong>nen schützen ± Verbote<br />
aufheben ± Waffenexporte<br />
stoppen<br />
Zur aktuellen Situation<br />
Am 2. März 1995, parallel zum Verbot <strong>der</strong><br />
rechtsextremistischen Freiheitlichen Arbeiterpartei<br />
FAP, hat <strong>der</strong> Bundes<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister<br />
Kanther das <strong>in</strong> Köln ansässige Kurdistan-<br />
Informationsbüro (KIB) mit <strong>der</strong> Begründung<br />
verboten, <strong>der</strong> Trägervere<strong>in</strong> sei e<strong>in</strong>e<br />
Ersatzorganisation des Kurdistan-Komitees,<br />
das bereits im November 1993 als<br />
Nebenorganisation <strong>der</strong> Arbeiterpartei Kurdistans<br />
(PKK) verboten worden war.<br />
Auûerdem wurden bundesweit zahlreiche<br />
KurdInnen-Vere<strong>in</strong>e verboten, sowie <strong>in</strong> fünf<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n Wohnungen durchsucht.<br />
Dies sei als Reaktion auf die Anschläge auf<br />
türkische Reisebüros zu verstehen, die Kurden<br />
zugeschrieben werden.<br />
Ke<strong>in</strong> kurdisches Kulturverbot!<br />
Im September 1994 veröffentlichte<br />
¹medico <strong>in</strong>ternationalª e<strong>in</strong> ¹Gutachten zu<br />
den völkerrechtlichen Fragen <strong>der</strong> Verbotsverfügung<br />
des BMI gegen kurdische Vere<strong>in</strong>e<br />
und Organisationenª, das am 22. 1.<br />
1993 verhängt worden war.<br />
Der bekannte völkerrechtliche Prof.<br />
Dr. Norman Paech kommt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Gutachten<br />
zu dem Schluû, daû zwar sämtliche<br />
Menschrechtsverletzungen <strong>der</strong> PKK und<br />
an<strong>der</strong>en verbotenen Vere<strong>in</strong>e und Organisationen<br />
selbstverständlich zu miûbilligen<br />
und strafrechtlich zu verfolgen seien, daû<br />
aber die PKK aus völkerrechtlicher Sicht<br />
als Befreiungsbewegung mit Kampf um<br />
e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> elementarsten Grundrechte, das<br />
<strong>der</strong> kulturellen Selbstbestimmung, zu sehen<br />
sei.<br />
Das Verbot <strong>der</strong> PKK ist daher nicht im<br />
E<strong>in</strong>klang mit <strong>der</strong> Genfer Konvention. Wir<br />
53
for<strong>der</strong>n die Aufhebung des rechtswidrigen<br />
PKK-Verbotes.<br />
Der Krieg gegen die kurdische Bevölkerung<br />
basiert nicht ± wie meist <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit dargestellt wird ± auf ethnischen<br />
Konflikten. Türkisch-Kurdistan ist<br />
nicht nur wegen se<strong>in</strong>es Reichtums an Rohstoffen<br />
von ökonomischer, son<strong>der</strong>n wegen<br />
se<strong>in</strong>er geographischen Lage auch von groûer<br />
militärisch-strategischer Bedeutung für<br />
den türkischen Staat.<br />
Die PKK ist mit zunehmen<strong>der</strong> Brutalität<br />
des Krieges die e<strong>in</strong>zige Kraft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei,<br />
die den Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> kurdischen Bevölkerung<br />
artikulieren kann. Doch nicht nur<br />
die Politik <strong>der</strong> türkischen Regierung treibt<br />
KurdInnen <strong>in</strong> die Radikalisierung und h<strong>in</strong>ter<br />
die PKK. Die Kurdenkrim<strong>in</strong>alisierungs-<br />
Kampagne <strong>der</strong> Bundesregierung und Teilen<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> (Organisations-, Demoverbote)<br />
führte dazu, daû die PKK auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
über e<strong>in</strong>e breite Massenbasis<br />
unter hier lebenden KurdInnen verfügt.<br />
Für JungsozialistInnen muû gelten, daû wir<br />
uns mit <strong>der</strong> kurdischen Befreiungsbewegung<br />
solidarisieren. Wir for<strong>der</strong>n die Aufhebung<br />
des PKK-Verbotes! Das bedeutet<br />
nicht, daû wir die Programmatik <strong>der</strong> PKK<br />
unterstützen; doch nur durch die offene<br />
Solidarität mit KurdInnen wird unsere Kritik<br />
an <strong>der</strong> PKK akzeptabel. Nur so haben<br />
wir die Möglichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> kurdischen<br />
Befreiungsbewegung e<strong>in</strong>e sozialistische<br />
Perspektive aufzuzeigen und von den <strong>in</strong><br />
Deutschland lebenden KurdInnen als politische<br />
Alternative zum Nationalismus <strong>der</strong><br />
PKK wahrgenommen zu werden.<br />
Das Verbot <strong>der</strong> PKK und an<strong>der</strong>er kurdischer<br />
Organisationen dient seither als<br />
Rechtfertigungsgrund, auch jegliches Engagement<br />
für e<strong>in</strong>e politische Lösung <strong>in</strong> Kurdistan<br />
zu krim<strong>in</strong>alisieren, gleich ob von<br />
KurdInnen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en. So wurde Ende<br />
des letzten Jahres e<strong>in</strong>e von deutschen Entwicklungsgruppen<br />
(u. a. BUKO) getragene<br />
Demo <strong>in</strong> Köln mit Verweis auf das PKK-<br />
Verbot und angeblich 10 000 zu erwartende<br />
kurdische DemonstrantInnen verboten.<br />
Anstelle <strong>der</strong> Vertuschung des Völkermordes<br />
und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Türkei <strong>in</strong> die<br />
54<br />
europäische Wirtschaftsunion for<strong>der</strong>n wir<br />
wirksame diplomatische Schritte und wirtschaftliche<br />
Sanktionen gegen die Türkei.<br />
Waffenexporte stoppen!<br />
Nach wie vor werden deutsche Militärgüter<br />
zum Mord am kurdischen Volk e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Auch wenn deutsche Waffen nicht direkt<br />
am Morden beteiligt wären, würden sie<br />
Waffenpotentiale freimachen, die bisher<br />
an<strong>der</strong>weitig gebunden s<strong>in</strong>d. Die Verträge<br />
zwischen <strong>der</strong> Bundesrepublik und <strong>der</strong> türkischen<br />
Staatsregierung s<strong>in</strong>d daher schlicht<br />
uns<strong>in</strong>nig und sche<strong>in</strong>heilig und werden darüber<br />
h<strong>in</strong>aus fortlaufend gebrochen.<br />
Wer Waffen <strong>in</strong> die Türkei liefert, ist am<br />
Völkermord beteiligt. Wir for<strong>der</strong>n die<br />
Bundesregierung auf, sofort alle Lieferungen<br />
von Waffen, waffenfähigem Material<br />
und sog. ¹dual useª-Gütern <strong>in</strong> die Türkei<br />
zu stoppen und sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Uno für e<strong>in</strong><br />
Waffenembargo gegen die Türkei e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus for<strong>der</strong>n wir die Bundesregierung<br />
auf, die Ausbildung türkischer Terrorkommandos<br />
durch die GSG 9, die<br />
Zusammenarbeit zwischen deutschem und<br />
türkischem Geheimdienst, sowie Manöver<br />
<strong>der</strong> Bundeswehr <strong>in</strong> Kurdistan zu beenden.<br />
KurdInnen schützen ± nicht abschieben!<br />
Fast zeitgleich zum Verbot weiterer Kurd-<br />
Innenorganisationen wurde beschlossen,<br />
den Abschiebestopp für KurdInnen nicht<br />
zu verlängern. Insbeson<strong>der</strong>e das Bundesland<br />
Bayern zeichnet sich e<strong>in</strong>mal mehr<br />
durch se<strong>in</strong>e harte Haltung <strong>in</strong> dieser Frage<br />
aus.<br />
Die <strong>SPD</strong>-regierten Län<strong>der</strong> for<strong>der</strong>n wir auf,<br />
ab sofort e<strong>in</strong>en Abschiebestopp aller Kurd<strong>in</strong>nen<br />
und Kurden zu praktizieren.<br />
Alle Menschenrechtsorganisationen weisen<br />
darauf h<strong>in</strong>, daû es ke<strong>in</strong>erlei B<strong>in</strong>nenfluchtmöglichkeiten<br />
für KurdInnen gibt. Kurd<strong>in</strong>nen<br />
und Kurden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Türkei<br />
an Leib und Leben bedroht.
Jede Abschiebung ist daher e<strong>in</strong> Tötungsversuch!<br />
(Überwiesen an Kommission Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik)<br />
Initiativantrag: 7<br />
Stärkung <strong>der</strong> Europafähigkeit<br />
<strong>der</strong> Türkei<br />
Aufgrund ihrer jahrhun<strong>der</strong>telangen Präsenz<br />
auf dem Balkan, ihrer selbstgewählten<br />
Westorientierung, ihrer laizistischen und<br />
demokratischen Staatsform und aufgrund<br />
<strong>der</strong> Anwesenheit von Millionen von Türken<br />
gehört die Türkei ebenso zu Europa<br />
wie zu Vor<strong>der</strong>asien, wo ihr eigentlicher<br />
geographischer Schwerpunkt liegt. Enge<br />
Verb<strong>in</strong>dungen <strong>der</strong> Türkei mit Europa liegen<br />
<strong>in</strong> ihrer Mitgliedschaft im Europarat<br />
und <strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO sowie aufgrund vielerlei<br />
Verträge mit <strong>der</strong> Europäischen Union bis<br />
h<strong>in</strong> zur Zollunion.<br />
Die <strong>SPD</strong> hat sich seit jeher für e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
Deutschland dauerhaft lebenden Türken<br />
e<strong>in</strong>gesetzt. Dazu gehört nach unserer<br />
Ansicht nicht nur die Zulassung des kommunalen<br />
Wahlrechtes, son<strong>der</strong>n auch die<br />
Erleichterung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>bürgerung beziehungsweise<br />
die Gewährung <strong>der</strong> doppelten<br />
Staatsbürgerschaft für Türken, die ihren<br />
Lebensschwerpunkt <strong>in</strong> Deutschland haben.<br />
In verschiedenen regionalen Konflikten,<br />
wie z.B. im Armenien-Aserbeidschan-Konflikt<br />
sowie auch <strong>in</strong> Bosnien hat die Türkei<br />
e<strong>in</strong>e positive mo<strong>der</strong>ierende Rolle gespielt<br />
und damit gezeigt, daû sie sich den europäischen<br />
sicherheitspolitischen Überzeugungen<br />
verpflichtet fühlt. Die Tatsache, daû<br />
sich die groûe Mehrheit <strong>der</strong> türkischen<br />
Bevölkerung zum Islam bekennt, darf pr<strong>in</strong>zipiell<br />
ke<strong>in</strong> Grund se<strong>in</strong>, die Türkei von<br />
weiteren Schritten <strong>in</strong> die europäischen<br />
Strukturen auszuschlieûen.<br />
Es gibt aber unzweifelhaft noch e<strong>in</strong>e Reihe<br />
von <strong>in</strong>nen- und auûenpolitischen Problemen,<br />
die die Türkei auf dem Wege ihres<br />
europäischen Integrationsprozesses zu<br />
überw<strong>in</strong>den hat. Dazu gehören:<br />
± Defizite im Bereich <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit<br />
und <strong>der</strong> Menschenrechte.<br />
± Die friedliche Lösung des Kurdenproblems.<br />
± Die Lösung wirtschaftlicher und sozialer<br />
Fragen.<br />
± Der Abbau <strong>der</strong> Spannungen mit Griechenland.<br />
± Die Lösung <strong>der</strong> Zypern-Frage.<br />
1. Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte<br />
Die <strong>SPD</strong> bedauert, daû die von allen türkischen<br />
Regierungen seit dem Ende <strong>der</strong> letzten<br />
Militärherrschaft gemachten Versprechungen,<br />
die Verfassung zu mo<strong>der</strong>nisieren,<br />
das Strafrecht zu liberalisieren und <strong>in</strong>sgesamt<br />
mehr Rechtsstaatlichkeit herbeizuführen,<br />
<strong>in</strong> den Anfängen steckengeblieben und<br />
zu e<strong>in</strong>em groûen Teil noch nicht verwirklicht<br />
s<strong>in</strong>d. Das gröûte Problem liegt dabei<br />
im Bereich <strong>der</strong> Menschenrechte. Trotz vielfältiger<br />
staatlicher Bekenntnisse zu den<br />
Menschenrechten werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis des<br />
normalen Strafvollzuges, <strong>in</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkung<br />
<strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungs- und Medienfreiheit<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausnahmesituation<br />
<strong>in</strong> den ostanatolischen Prov<strong>in</strong>zen die Menschenrechte<br />
täglich und vielfältig verletzt.<br />
Die <strong>SPD</strong> appelliert an alle Verantwortlichen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei, diese rechtsstaatlichen<br />
Defizite <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bereich, <strong>der</strong> essentiell für<br />
die Zugehörigkeit zur europäischen Wertegeme<strong>in</strong>schaft<br />
ist, abzubauen, den Menschenrechten<br />
im Alltag <strong>der</strong> Türkei Geltung<br />
zu verschaffen und den Aufbau <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />
zu för<strong>der</strong>n.<br />
2. Friedliche Lösung des Kurdenproblems<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, daû die kurdischen<br />
Bürger <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n, <strong>der</strong><br />
Region, <strong>in</strong> denen Kurden leben, das Recht<br />
auf kulturelle Selbstbestimmung und auf<br />
lokale Selbstverwaltung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> existierenden<br />
Staaten erhalten.<br />
Die <strong>SPD</strong> ist gegen Separatismus und verurteilt<br />
e<strong>in</strong>deutig den Terror <strong>der</strong> PKK. Wir<br />
55
halten diese menschenverachtende Praxis<br />
für ke<strong>in</strong> taugliches Instrument, e<strong>in</strong>en tragfähigen<br />
Frieden zwischen Türken und Kurden<br />
zu schaffen.<br />
Die <strong>SPD</strong> kritisiert, daû die Türkei seit vielen<br />
Jahren versucht, das Kurdenproblem<br />
vorwiegend durch Repression und militärische<br />
Gewalt zu lösen. Die Zerstörung von<br />
Siedlungen, <strong>der</strong> jahrelange Ausnahmezustand,<br />
das Dorfwächtersystem sowie vielfältige<br />
Methoden <strong>der</strong> Repression gegen politisch<br />
aktive Kurden können unserer<br />
Ansicht nach das Problem nicht lösen.<br />
Im Gegenteil: Wir s<strong>in</strong>d davon überzeugt,<br />
daû die Entfremdung zwischen Türken<br />
und Kurden dadurch zunimmt und separatistische<br />
Strömungen sich verschärfen. Die<br />
<strong>SPD</strong> setzt sich daher dafür e<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong><br />
türkische Staat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en konstruktiven Dialog<br />
mit allen Kurden e<strong>in</strong>tritt, die die Verwirklichung<br />
<strong>der</strong> berechtigten Interessen des<br />
kurdischen Volkes <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Grenzen<br />
<strong>der</strong> Türkei auf friedlichem Wege zu erreichen<br />
versuchen.<br />
Die <strong>SPD</strong> wendet sich gegen die militärische<br />
Internationalisierung des Konflikts,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch durch türkische Interventionen<br />
im Nord-Irak. Aus diesen Gründen<br />
hat die <strong>SPD</strong> Waffenlieferungen an die<br />
Türkei im Deutschen Bundestag seit Jahren<br />
abgelehnt.<br />
3. Lösung wirtschaftlicher und sozialer<br />
Probleme<br />
Die <strong>SPD</strong> sieht mit Sorge, daû trotz Wachstums<br />
e<strong>in</strong>e Fülle nur schwer lösbarer wirtschaftlicher<br />
Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei zu<br />
e<strong>in</strong>er Situation wachsen<strong>der</strong> sozialer Spannungen<br />
führen. Daraus kann e<strong>in</strong>e Zunahme<br />
fundamentalistischer Strömungen erwachsen,<br />
was erhebliche Gefahren für die <strong>in</strong>nere<br />
Stabilität <strong>der</strong> Türkei verursachen wird.<br />
Die <strong>SPD</strong> befürchtet, daû <strong>der</strong> heute schon<br />
groûe Wan<strong>der</strong>ungsdruck von Türken <strong>in</strong> die<br />
Europäische Union aufgrund zunehmen<strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit noch zunehmen wird.<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich daher dafür e<strong>in</strong>, die<br />
deutschen und <strong>in</strong>ternationalen Entwick-<br />
56<br />
lungsanstrengungen für die Türkei zu verstärken<br />
und diese <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zur L<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen und sozialen<br />
Probleme e<strong>in</strong>zusetzen. Die Türkei ihrerseits<br />
sollte die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen verbessern,<br />
damit durch mehr Investitionen aus<br />
Europa neue Arbeitsplätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Türkei<br />
geschaffen werden können.<br />
4. Verhältnis Türkei und Griechenland<br />
Die <strong>SPD</strong> ist <strong>der</strong> Ansicht, daû sowohl die<br />
Türkei, als auch Griechenland, die beide<br />
seit Jahrzehnten Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO<br />
s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Behandlung ihrer<br />
Grenzkonflikte gegen den Geist und die<br />
Regeln des Bündnisses verstoûen. Der<br />
Streit um kle<strong>in</strong>e unbewohnte Inseln, um<br />
Umfang und Nutzung <strong>der</strong> Hoheitsgebiete<br />
vor den Küsten und die Eskalation gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
gerichteter militärischer Manöver<br />
hat e<strong>in</strong>e Dimension angenommen, die zu<br />
e<strong>in</strong>em Sicherheitsrisiko im östlichen Mittelmeer<br />
geworden ist.<br />
Die <strong>SPD</strong> begrüût, daû die beiden M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />
Yilmaz und Simitis nun <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en konstruktiven Dialog e<strong>in</strong>getreten<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Wir ermuntern die Führung bei<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>,<br />
die auf <strong>der</strong> Konferenz von Kreta begonnenen<br />
Gespräche weiterzuführen und schrittweise<br />
die anstehenden Probleme e<strong>in</strong>er<br />
Lösung zuzuführen.<br />
5. Das Zypern-Problem<br />
Die <strong>SPD</strong> anerkennt die Mitverantwortung<br />
<strong>der</strong> Türkei und Griechenlands zusammen<br />
mit Groûbritannien im Entkolonialisierungsprozeû<br />
<strong>der</strong> Insel Zypern. Der E<strong>in</strong>satz<br />
<strong>der</strong> Türkei im Jahr 1974 für den Schutz<br />
<strong>der</strong> türkisch-zypriotischen Bevölkerungsteile<br />
war pr<strong>in</strong>zipiell zulässig und völkerrechtlich<br />
unumstritten.<br />
Die <strong>SPD</strong> hält aber Art und Umfang <strong>der</strong><br />
seitherigen türkischen Besetzung Nord-<br />
Zyperns für überzogen und e<strong>in</strong>em friedlichen<br />
Zusammenwachsen <strong>der</strong> beiden Inselteile<br />
abträglich. Auch die türkische Siedlungspolitik<br />
und die e<strong>in</strong>seitige, von ke<strong>in</strong>em<br />
an<strong>der</strong>en Land als <strong>der</strong> Türkei anerkannte
Ausrufung e<strong>in</strong>er ¹Türkischen Republik<br />
Nord-Zypernª diente eher <strong>der</strong> Spaltung als<br />
<strong>der</strong> Zusammenführung. Die <strong>SPD</strong> kritisiert<br />
die Rüstungsanstrengungen auf beiden Seiten.<br />
Dazu gehört sowohl die unverhältnismäûige<br />
türkische Militärpräsenz, als auch<br />
die Aufrüstung <strong>der</strong> griechischen Seite,<br />
dabei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die geplante Stationierung<br />
von russischen Luftabwehr-Raketen<br />
und griechischen Kampfflugzeugen.<br />
Die <strong>SPD</strong> begrüût das Treffen von Denktash<br />
und Klerides sowie alle <strong>in</strong>ternationalen<br />
Initiativen, das Zypern-Problem zu entschärfen<br />
und e<strong>in</strong>er Lösung zuzuführen.<br />
Unserer Me<strong>in</strong>ung nach kann nur e<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>tes<br />
Zypern Mitglied <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union werden, <strong>in</strong> dem beide Bevölkerungsgruppen<br />
gleichberechtigt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er von<br />
ihnen gewählten fö<strong>der</strong>alistischen Staatsform<br />
zusammenleben.<br />
Die <strong>SPD</strong> ermuntert daher alle Verantwortlichen<br />
sowohl auf beiden Seiten Zyperns,<br />
als auch <strong>in</strong> Ankara und Athen, alles zu<br />
unternehmen, um die Voraussetzungen zu<br />
schaffen, Zypern als ganzes ¹europafähigª<br />
zu machen. Dazu gehören als erstes vertrauensbildende<br />
Maûnahmen durch konkrete<br />
Schritte im Bereich <strong>der</strong> militärischen<br />
Abrüstung.<br />
(Überwiesen an die Kommission ¹Auûenund<br />
Sicherheitspolitikª beim Parteivorstand)<br />
Initiativantrag: 9<br />
Zur Lage <strong>in</strong> Belarus<br />
Aufgrund <strong>der</strong> aktuellen Entwicklung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Republik Belarus sieht <strong>der</strong> <strong>Parteitag</strong> sich <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Verantwortung, deutlich Stellung zu<br />
beziehen und sich solidarisch h<strong>in</strong>ter die<br />
sozialdemokratischen Genoss<strong>in</strong>nen und<br />
Genossen zu stellen.<br />
1. Die Sozialdemokratische Partei<br />
Deutschlands betrachtet mit Sorge die<br />
Entwicklung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik Belarus,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
± die fortschreitenden Repressionen <strong>der</strong><br />
Regierung gegen demokratische Parteien,<br />
Gewerkschaften und die unabhängige<br />
Presse,<br />
± die willkürliche, rechtswidrige Verurteilung<br />
gewählter Abgeordneter zu<br />
Gefängnis- und hohen Geldstrafen.<br />
2. Die <strong>SPD</strong> erklärt sich solidarisch mit den<br />
demokratischen Kräften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik<br />
Belarus und for<strong>der</strong>t den Präsidenten <strong>der</strong><br />
Republik Alexan<strong>der</strong> Lukaschenko auf,<br />
zu Rechtsstaatlichkeit, Wahrung <strong>der</strong><br />
Menschenrechte und Demokratie<br />
zurückzukehren.<br />
3. Unsere beson<strong>der</strong>e Solidarität gilt den<br />
sozialdemokratischen Genoss<strong>in</strong>nen und<br />
Genossen <strong>in</strong> Belarus. Viele von ihnen<br />
haben ihren Arbeitsplatz verloren, weil<br />
sie sich für die Wahrung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />
und für rechtsstaatliche Grundsätze<br />
e<strong>in</strong>setzten; an<strong>der</strong>e wurden aus diesen<br />
Gründen zu hohen Geldstrafen o<strong>der</strong><br />
zu Gefängnisstrafen verurteilt.<br />
4. Die <strong>SPD</strong> ruft ihre Parteiglie<strong>der</strong>ungen<br />
auf, durch konkrete Hilfeleistungen<br />
praktische Solidarität zu üben, zum Beispiel<br />
durch Partnerschaften mit Ortsvere<strong>in</strong>en<br />
(Parteiglie<strong>der</strong>ungen) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik<br />
Belarus.<br />
(Angenommen)<br />
57
Europapolitik<br />
Antrag: Eu 26<br />
Parteivorstand<br />
Unsere Perspektive: Europa ±<br />
e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>iger Kont<strong>in</strong>ent des<br />
Friedens, des Wohlstands und<br />
<strong>der</strong> sozialen Sicherheit<br />
I. Die Chance für e<strong>in</strong>e neue Europapolitik<br />
II. Europa im Interesse <strong>der</strong> Menschen<br />
gestalten<br />
III. Der Vertrag von Amsterdam: Schritte<br />
<strong>in</strong> die richtige Richtung ± aber nicht<br />
weit genug<br />
IV. Wir wollen die Wirtschafts- und<br />
Währungsunion<br />
Die Wirtschafts- und Währungsunion<br />
gestalten ± unsere aktuelle politische<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
V. Europa als Partner des Südens<br />
VI. Die kommenden Herausfor<strong>der</strong>ungen:<br />
Die Erweiterung <strong>der</strong> EU und die notwendigen<br />
Reformen<br />
I. Die Chance für e<strong>in</strong>e neue Europapolitik<br />
In Europa erkennen immer mehr Menschen,<br />
daû <strong>der</strong> soziale Rechtsstaat europäischer<br />
Prägung ± <strong>der</strong> <strong>in</strong> vielen Generationen<br />
von <strong>der</strong> Arbeiterbewegung erkämpft<br />
worden ist und dessen soziale Sicherungsfunktion<br />
die wirtschaftliche Entfaltung<br />
Europas <strong>in</strong> diesem Jahrhun<strong>der</strong>t überhaupt<br />
erst möglich gemacht hat ± <strong>der</strong> erfolgreichste<br />
Weg ist, um die Vorteile <strong>der</strong> Marktsteuerung<br />
zu nutzen und gleichzeitig<br />
soziale Sicherheit für alle zu gewährleisten.<br />
Auf dieser Erkenntnis gründet <strong>der</strong> Erfolg<br />
<strong>der</strong> sozialdemokratischen Parteien <strong>in</strong><br />
Europa.<br />
Die Sozialdemokratie ist heute die bestimmende<br />
politische Kraft <strong>in</strong> Europa. Seit den<br />
58<br />
Mai-Wahlen <strong>in</strong> Groûbritannien und Frankreich<br />
s<strong>in</strong>d die Sozialdemokraten und Sozialisten<br />
<strong>in</strong> Europa erstmals seit dem<br />
Abschluû <strong>der</strong> Römischen Verträge die<br />
bestimmende politische Kraft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mehrzahl<br />
<strong>der</strong> EU-Mitgliedstaaten. Immer mehr<br />
Menschen spüren am eigenen Leib, daû die<br />
Politik <strong>der</strong> Neoliberalen ke<strong>in</strong> humaner und<br />
zivilisierter Weg für die Mehrheit <strong>der</strong><br />
Menschen auf <strong>der</strong> Welt se<strong>in</strong> kann.<br />
Wenn man wie die neoliberalen Ideologen<br />
den Primat demokratischer Politik über die<br />
ökonomischen Interessen aufgibt und<br />
glaubt, an <strong>der</strong>en Stelle den sozial und ökologisch<br />
bl<strong>in</strong>den Steuerungsmechanismus<br />
Markt setzen zu können, dann führt das<br />
nicht alle<strong>in</strong> zu immer mehr Ungleichheit<br />
und sozialer Polarisierung unter den Menschen<br />
und Völkern ± auch <strong>in</strong> Europa ±, son<strong>der</strong>n<br />
auch zur Gefährdung und Auflösung<br />
<strong>der</strong> Demokratie. Das setzt nicht zuletzt den<br />
bei uns <strong>in</strong> Generationen erreichten Wohlstand<br />
aufs Spiel. Es gilt zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû<br />
Europa <strong>in</strong> Zukunft geprägt wird durch völlige<br />
Deregulierung und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
Zerschlagung hart erkämpfter sozialer<br />
Sicherungssysteme. Die Ausrichtung auf e<strong>in</strong><br />
ausschlieûlich quantitatives Wachstum steht<br />
im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em sozial und ökologisch<br />
verantwortlichen Europa.<br />
Angesichts <strong>der</strong> neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
kann erfolgreiche Wirtschaftspolitik nicht<br />
alle<strong>in</strong> auf nationaler Ebene betrieben werden.<br />
Die humanen und demokratisch verfaûten<br />
Gesellschaften <strong>in</strong> Europa, die sich<br />
am Leitbild des sozialen Rechtsstaates<br />
orientieren, können nur bewahrt und weiterentwickelt<br />
werden, wenn sie zu europäischer<br />
E<strong>in</strong>heit f<strong>in</strong>den und damit aus eigener<br />
Kraft zu e<strong>in</strong>em machtvollen Akteur des<br />
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen<br />
Weltgeschehens werden.<br />
E<strong>in</strong> so verfaûtes und handlungsfähiges<br />
Europa, das schon heute den gröûten
Markt <strong>der</strong> Welt darstellt, kann entscheidend<br />
dazu beitragen, <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />
e<strong>in</strong>en Ordnungsrahmen zu geben, <strong>der</strong> die<br />
E<strong>in</strong>führung und Beachtung sozialer und<br />
ökologischer Maûstäbe för<strong>der</strong>t und <strong>der</strong><br />
Kern für e<strong>in</strong>en sozial-ökologischen Gesellschaftsvertrag<br />
se<strong>in</strong> könnte, <strong>der</strong> zum Vorteil<br />
aller Menschen auf <strong>der</strong> Welt ausgedehnt<br />
werden könnte.<br />
Deshalb ist heute Europa das entscheidende<br />
Projekt sozialdemokratischer Politik.<br />
Sozialdemokratische Politik im nächsten<br />
Jahrtausend muû europäisch se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> sie<br />
wird nicht se<strong>in</strong>, weil sie sonst ihre politische<br />
Gestaltungskraft und damit das Vertrauen<br />
<strong>der</strong> Menschen verliert.<br />
Um das freie, gerechte, soziale und demokratisch<br />
legitimierte Europa zu erhalten<br />
und weiterzuentwickeln, für das Generationen<br />
vor uns gekämpft und gelitten haben,<br />
und das e<strong>in</strong>e bedeutende Hoffnung für<br />
Menschen <strong>in</strong> allen Teilen <strong>der</strong> Welt se<strong>in</strong><br />
könnte, bedarf es e<strong>in</strong>er sozialdemokratisch<br />
geführten Bundesregierung <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Sie wird alles das mit frischer Kraft und<br />
mit freiem Blick <strong>in</strong> Angriff nehmen, wozu<br />
die jetzige Bundesregierung nicht fähig ist.<br />
Die Bundesregierung aus CDU/CSU und<br />
FDP hat, wo immer sie konnte, ihre fehlerhafte<br />
Politik mit angeblich vorhandenen<br />
europäischen Zwängen zu bemänteln und<br />
zu verschleiern versucht. Dies und unbestreitbar<br />
vorhandene Mängel <strong>der</strong> EU und<br />
ihrer Institutionen haben bei vielen Menschen<br />
verständliche Skepsis und Besorgnis<br />
gegenüber <strong>der</strong> Europäischen Integration<br />
verstärkt. Die Sozialdemokratie stellt sich<br />
ihrer Verantwortung für die Menschen <strong>in</strong><br />
Deutschland und Europa: Sie will die<br />
wichtigsten Reformen vollziehen, die die<br />
Europäische Union heute braucht, um <strong>der</strong><br />
Zukunft gewachsen zu se<strong>in</strong> und um das<br />
Vertrauen <strong>der</strong> Menschen wie<strong>der</strong>herzustellen.<br />
Wir stellen die Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
an die erste Stelle <strong>der</strong> politischen<br />
Agenda. Wir wollen die Europäische<br />
Wirtschafts- und Währungsunion vollenden<br />
und die Europäische Union auch zu<br />
e<strong>in</strong>er Politischen Union, e<strong>in</strong>er Sozial- und<br />
Umweltunion weiterentwickeln.<br />
Wir wollen helfen, die E<strong>in</strong>heit Europas<br />
wie<strong>der</strong>herzustellen, die nach <strong>der</strong> deutschen<br />
Vere<strong>in</strong>igung und <strong>der</strong> Beendigung <strong>der</strong><br />
Blockkonfrontation möglich geworden ist.<br />
Es ist unsere Verantwortung, die Aufnahme<br />
neuer Mitglie<strong>der</strong> aus Mittel- und Osteuropa<br />
<strong>in</strong> die Europäische Union zu verwirklichen.<br />
Wir wollen die notwendigen Reformen <strong>der</strong><br />
EU-Institutionen, <strong>der</strong> Agrar- und Strukturpolitik<br />
<strong>der</strong> EU und ihrer F<strong>in</strong>anzierung<br />
vollziehen.<br />
Wir s<strong>in</strong>d bereit:<br />
Die <strong>SPD</strong>-geführte Deutsche Bundesregierung<br />
wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Hälfte des Jahres<br />
1999 die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen,<br />
die mit den Wahlen zum Europäischen<br />
Parlament und <strong>der</strong> Neubestimmung<br />
<strong>der</strong> Europäischen Kommission endet.<br />
Wir werden unsere Reformziele Arbeit,<br />
Umweltschutz, Gleichstellung <strong>der</strong> Frauen<br />
und Schutz <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>teressen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> EU absichern.<br />
Im Jahr 2007 wird die Europäische Union<br />
50 Jahre bestehen. Es gilt, die nächsten 10<br />
Jahre zu nutzen, damit die Europäische<br />
Union auch für kommende Generationen<br />
ihre Aufgaben erfüllen kann.<br />
II. Europa im Interesse <strong>der</strong> Menschen<br />
gestalten<br />
1. Arbeitslosigkeit untergräbt die Grundlagen<br />
unserer demokratischen Gesellschaften<br />
<strong>in</strong> Europa. Auch das Projekt <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union kann sich auf Dauer nicht<br />
legitimieren, wenn es ihr nicht gel<strong>in</strong>gt,<br />
e<strong>in</strong>en erkennbaren Beitrag zum Abbau<br />
<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit zu leisten.<br />
Mit <strong>der</strong> Verankerung des Beschäftigungskapitels<br />
im Vertrag von Amsterdam ist es<br />
gelungen, e<strong>in</strong>en Anfangserfolg im Kampf<br />
um die Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> neoliberalen<br />
Ideologie zu erreichen.<br />
Die Position ¹Beschäftigungspolitik geht<br />
die EU nichts anª ist überwunden worden.<br />
59
Damit beg<strong>in</strong>nt sich das bestehende<br />
Ungleichgewicht zwischen <strong>der</strong> Vollendung<br />
des B<strong>in</strong>nenmarktes, <strong>der</strong> Währungsunion<br />
und <strong>der</strong> bisher nur unzureichend entwikkelten<br />
Politischen und Sozialen Union auszupendeln.<br />
Das Beschäftigungskapitel gibt<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union die Möglichkeit,<br />
beschäftigungsför<strong>der</strong>nde Politiken <strong>in</strong> den<br />
Mitgliedstaaten anzuregen, diese zu überprüfen<br />
und ggfs. ergänzende Maûnahmen<br />
zu ergreifen. Die Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
ist damit künftig e<strong>in</strong>e<br />
geme<strong>in</strong>same Aufgabe <strong>der</strong> Union und ihrer<br />
Mitgliedstaaten. Es besteht damit die<br />
Chance, durch e<strong>in</strong>e neue Politik <strong>der</strong> sozialen<br />
Stabilität <strong>in</strong> Europa die gleiche Bedeutung<br />
e<strong>in</strong>zuräumen wie <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Stabilität.<br />
Dies ist e<strong>in</strong> Erfolg <strong>der</strong> europäischen<br />
Sozialdemokratie und das positivste Signal<br />
des Gipfels von Amsterdam.<br />
Zur Konkretisierung <strong>der</strong> <strong>in</strong> Amsterdam<br />
beschlossenen Verpflichtung zu e<strong>in</strong>er europäischen<br />
Beschäftigungspolitik und entsprechend<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong> Amsterdam gefaûten Entschlieûung<br />
über Wachstum und<br />
Beschäftigung schlägt die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e programmatische<br />
Initiative <strong>der</strong> EU und ihrer<br />
Mitgliedstaaten vor, die als ¹Beschäftigungspolitisches<br />
Aktionsprogramm <strong>der</strong><br />
EUª auch die noch nicht umgesetzten<br />
Empfehlungen des Weiûbuches zu Wachstum,<br />
Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit<br />
von Jacques Delors aufgreift und die<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen auf Wachstum und<br />
Beschäftigung ausrichtet:<br />
± Wir wollen, daû die Regierungen <strong>der</strong><br />
EU-Mitgliedstaaten e<strong>in</strong>e Ausbildungsund<br />
Beschäftigungsgarantie für Jugendliche<br />
vere<strong>in</strong>baren. Diese sollen sich<br />
verpflichten, ihre Wirtschafts- und<br />
Beschäftigungspolitik und ihre Ausbildungssysteme<br />
so auszurichten, daû ke<strong>in</strong><br />
Jugendlicher nach <strong>der</strong> Schulzeit <strong>in</strong> die<br />
Arbeitslosigkeit geschickt wird;<br />
± Die Regierungen s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, im<br />
Rat <strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister<br />
ihre ¹Grundzüge zur Wirtschaftspolitikª<br />
(Art. 103, Absatz 2 EG-Vertrag) zu<br />
e<strong>in</strong>em effektiven Instrument zur Koord<strong>in</strong>ierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />
zu entwickeln und die<br />
60<br />
¹Beschäftigungspolitische Ausrichtungª<br />
zu verstärken, wie es die beschäftigungspolitische<br />
Entschlieûung des Amsterdamer<br />
Gipfels verlangt. Das betrifft <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
die Bereiche <strong>der</strong> Infrastruktur<br />
(Transeuropäische Netze), <strong>der</strong> Forschungs-<br />
und Entwicklungspolitik, <strong>der</strong><br />
Strukturfonds, aber auch <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzpolitik.<br />
In <strong>der</strong> im Juli 1997 vom Rat<br />
verabschiedeten Verordnung zur ¹haushaltspolitischen<br />
Überwachungª wird ausdrücklich<br />
festgestellt, daû die Haushaltspolitik<br />
im E<strong>in</strong>klang mit den vom Rat<br />
beschlossenen ¹Grundzügen <strong>der</strong> Wirtschaftspolitikª<br />
stehen muû;<br />
± In <strong>der</strong> EU sollen endlich die zukunftsfähigen<br />
Infrastrukturmaûnahmen auf den<br />
Weg gebracht werden. Wir wollen e<strong>in</strong>e<br />
adäquate F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> transeuropäischen<br />
Netze (TEN) erreichen, wobei<br />
zunächst Planungskosten und Anschubf<strong>in</strong>anzierung<br />
aus dem EU-Haushalt<br />
gedeckt werden können;<br />
± Zwischen den EU-Mitgliedstaaten sollen<br />
Schritte zur Entlastung des Faktors<br />
Arbeit verabredet werden sowie <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> die ökologische Steuerreform,<br />
die e<strong>in</strong>en groûen Mo<strong>der</strong>nisierungsschub<br />
und Neu<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> Energieeffizienz<br />
auslösen wird;<br />
± Notwendig ist ebenso e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung<br />
<strong>der</strong> Mitgliedstaaten zur Beendigung des<br />
ru<strong>in</strong>ösen Wettlaufs um niedrige Unternehmenssteuern.<br />
Die bestehenden Steueroasen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> EU müssen endlich beseitigt<br />
werden;<br />
± EU-weite Regelungen zur Ordnung des<br />
Arbeitsmarktes sollen im H<strong>in</strong>blick auf<br />
die entstehende Informationsgesellschaft<br />
die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Arbeitszeitordnung<br />
und Arbeitsorganisation unter<br />
Wahrung arbeitsrechtlicher und Arbeitsschutz-Standards<br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er hohen<br />
Beschäftigungswirkung entwickeln. Auch<br />
müssen wirksame Regelungen gegen die<br />
weitere Ausbreitung <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />
und an<strong>der</strong>er Formen ungesicherter<br />
Arbeitsverhältnisse erreicht werden;<br />
± Die Europäische Investitionsbank soll<br />
zukünftig auch über den Europäischen
Investitionsfonds Eigenkapitalersatz für<br />
<strong>in</strong>novative Betriebe bereitstellen und<br />
Zukunftstechnologieprojekte kle<strong>in</strong>er und<br />
mittlerer Unternehmen unterstützen.<br />
Dabei sollen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong>novative<br />
umwelttechnologische Entwicklungen<br />
geför<strong>der</strong>t werden;<br />
± Die Mitgliedstaaten sollen e<strong>in</strong>e Erklärung<br />
verabschieden, die die EU künftig<br />
zur Aufnahme sozialer M<strong>in</strong>deststandards<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationale Handelsverträge (Verbot<br />
<strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung, Verbot <strong>der</strong><br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit, Koalitionsfreiheit) verpflichtet;<br />
± Um mehr Druck <strong>der</strong> Europäischen<br />
Arbeitnehmerschaft <strong>in</strong> Richtung auf<br />
aktive Beschäftigungspolitik und Arbeitnehmer<strong>in</strong>teressen<br />
zu ermöglichen, müssen<br />
endlich auch soziale Grundrechte,<br />
wie z.B. die grenzüberschreitende Koalitionsfreiheit,<br />
verankert werden. Wir wollen<br />
dies <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Charta <strong>der</strong> europäischen<br />
Grundrechte verwirklichen.<br />
2. Der Erhalt e<strong>in</strong>er an dem Leitziel des<br />
sozialen Rechtsstaats europäischer Prägung<br />
orientierten Gesellschaft ist e<strong>in</strong>e Notwendigkeit.<br />
Die Menschen werden nämlich<br />
nur dann auf Dauer bereit se<strong>in</strong>, die unter<br />
den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Globalisierung nötigen<br />
Verän<strong>der</strong>ungen zu akzeptieren, wenn<br />
sie sich auf die Gewährleistung sozialer<br />
Sicherheit verlassen können. Die Soziale<br />
Markwirtschaft bedarf heute e<strong>in</strong>es neuen<br />
und gröûeren Ordnungsrahmens, <strong>der</strong> sich<br />
an den Grundsätzen <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />
und des sozialen Ausgleichs orientiert.<br />
Soziale und gesellschaftliche Stabilität<br />
wird daher künftig <strong>in</strong> zunehmendem<br />
Maûe über die europäische Ebene zu erreichen<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Daher ist es e<strong>in</strong> Fortschritt, daû das Sozialabkommen,<br />
das bisher nur <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es<br />
Protokolls Bestandteil des Maastricht-Vertrages<br />
war, nun von Groûbritannien voll<br />
angewandt wird und vollständig <strong>in</strong> den<br />
Amsterdamer Vertrag überführt worden ist.<br />
Damit wird endlich die Rechtsgrundlage<br />
für die Durchsetzung sozialer M<strong>in</strong>deststandards<br />
<strong>in</strong> allen Mitgliedstaaten <strong>der</strong> EU<br />
gelegt.<br />
Die Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
werden darauf h<strong>in</strong> arbeiten, für alle<br />
Mitgliedstaaten die demokratischen, sozialen<br />
und rechtsstaatlichen Grundlagen weiter<br />
zu entwickeln, um Wettbewerbs- und<br />
Chancengleichheit zu för<strong>der</strong>n und <strong>der</strong> Ausbeutung<br />
von Arbeitsmigranten durch sozial<br />
ungesicherte Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>en<br />
Riegel vorzuschieben Soziale M<strong>in</strong>deststandards<br />
s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Schwächung <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit,<br />
son<strong>der</strong>n sie stärken den<br />
Standort Europa <strong>in</strong>sgesamt. Wir treten für<br />
e<strong>in</strong>e Novellierung des deutschen Entsendegesetzes<br />
e<strong>in</strong> mit dem Ziel, Generalunternehmer<br />
haftbar zu machen, wenn <strong>der</strong>en<br />
Subunternehmer die Vorschriften <strong>der</strong> Entsen<strong>der</strong>egelungen<br />
miûachten. Die europäische<br />
E<strong>in</strong>igung darf nicht mit Entdemokratisierung<br />
e<strong>in</strong>hergehen. Es muû<br />
sichergestellt werden, daû das Niveau <strong>der</strong><br />
Mitbestimmung durch europäische Regelungen<br />
nicht unterlaufen wird. Nur e<strong>in</strong><br />
Europa, <strong>in</strong> das die beschäftigten ihre Interessen<br />
e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können, ist mit sozialdemokratischen<br />
Zielvorstellungen vere<strong>in</strong>bar.<br />
Deswegen treten wir für e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />
<strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie zur E<strong>in</strong>führung europäischer<br />
Betriebsräte e<strong>in</strong> und verwahren uns<br />
gegen e<strong>in</strong>e Reduzierung <strong>der</strong> Mitbestimmungsmöglichkeiten<br />
bei <strong>der</strong> Ausarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es europäischen Gesellschaftsrechts.<br />
3. E<strong>in</strong>e wirkungsvolle und die Menschen<br />
überzeugende Umweltpolitik muû grenzübergreifend<br />
organisiert werden. Hohe<br />
Umweltstandards <strong>in</strong> Europa s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong><br />
Wettbewerbsnachteil. Sie sichern im<br />
Gegenteil die Zukunft Europas im weltweiten<br />
Wettbewerb.<br />
Gerade <strong>in</strong> Deutschland haben strenge<br />
Umweltauflagen Arbeitsplätze gebracht.<br />
E<strong>in</strong>e konsequente europäische Umweltpolitik<br />
ist e<strong>in</strong> Beschäftigungsfaktor, die daraus<br />
resultierenden Technologien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wertvolles<br />
Exportgut. Deshalb ist es gut, daû<br />
das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Präambel als Leitpr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> EU-<br />
Politik verankert wurde. Dies darf ke<strong>in</strong>e<br />
folgenlose Ankündigung bleiben. In <strong>der</strong><br />
Umweltpolitik muû die EU zukünftig bei<br />
allen Maûnahmen e<strong>in</strong> hohes Maû an<br />
Umweltschutz und die Verbesserung <strong>der</strong><br />
61
Qualität <strong>der</strong> Umwelt sicherstellen. Hier<br />
besteht weiterer Reformbedarf. Die <strong>SPD</strong><br />
will als wirksames Steuerungsmittel zum<br />
Schutz <strong>der</strong> Umwelt die E<strong>in</strong>führung von<br />
umweltorientierten, verbrauchsabhängigen<br />
Steuern im EU-Rahmen. E<strong>in</strong>e am Umweltschutz<br />
orientierte Steuerpolitik muû<br />
gewährleisten, daû Unternehmen und Bürger<br />
<strong>in</strong> allen EU-Län<strong>der</strong>n gleichermaûen<br />
belastet werden.<br />
4. Um e<strong>in</strong>e Klimakatastrophe mit zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
darf <strong>der</strong> Ausstoû von CO 2 und<br />
an<strong>der</strong>en Klimagasen im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
nicht weiter steigen, son<strong>der</strong>n muû kont<strong>in</strong>uierlich<br />
reduziert werden. E<strong>in</strong>e Neuorientierung<br />
<strong>der</strong> Energiepolitik ist daher<br />
unumgänglich. Im Energie-Mix <strong>der</strong><br />
Zukunft muû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren<br />
Energiequellen erheblich gesteigert werden.<br />
Neben e<strong>in</strong>er Politik zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Energieeffizienz ist e<strong>in</strong>e konsequente<br />
Politik zur Verbreitung <strong>der</strong> erneuerbaren<br />
Energien notwendig. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Industrielän<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d aufgerufen, den E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> das Solarzeitalter zu beg<strong>in</strong>nen.<br />
Die Umstellung <strong>der</strong> Energieerzeugung auf<br />
erneuerbare Energiequellen ist daher e<strong>in</strong>e<br />
umwelt-, forschungs-, technologie- und<br />
<strong>in</strong>dustriepolitische Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Mit Blick auf das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t ist e<strong>in</strong><br />
neuer Abschnitt <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen europäischen<br />
Energiepolitik notwendig. Europa<br />
muû zu e<strong>in</strong>em weltweiten Modell für e<strong>in</strong>e<br />
nachhaltige Entwicklung werden. Der E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> das Solarzeitalter ist dabei e<strong>in</strong> strategischer<br />
Punkt zur Erreichung von<br />
Zukunftsfähigkeit.<br />
Der Ausbau <strong>der</strong> erneuerbaren Energien<br />
bietet mehrere Vorteile: Neue Technologien<br />
geben Impulse für die europäische<br />
Wirtschaft, die dezentrale Nutzung dieser<br />
Energien för<strong>der</strong>t die mittelständische Industrie<br />
und das Handwerk, die Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen ist höher als bei an<strong>der</strong>en<br />
Energiearten und die erneuerbaren Energien<br />
bieten wachsende Exportchancen. So<br />
haben ca. 2 Milliarden Menschen auf <strong>der</strong><br />
Welt ke<strong>in</strong>en Zugang zu Elektrizität. Erneuerbare<br />
Energien s<strong>in</strong>d deshalb e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />
für Europa, noch enger mit den<br />
62<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n zusammenzuarbeiten.<br />
Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d von Natur aus<br />
unerschöpfliche und heimische Energiequellen.<br />
In den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union s<strong>in</strong>d die Potentiale von W<strong>in</strong>d, Wasser,.<br />
Solarthermie, Photovoltaik, Biomasse,<br />
Erdwärme, Gezeiten- und Wellenenergie<br />
um e<strong>in</strong> Mehrfaches gröûer als <strong>der</strong> jährliche<br />
Energieverbrauch.<br />
E<strong>in</strong> klares Ziel zur umfassenden För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> erneuerbaren Energien ist e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Botschaft an die Wissenschaft und die<br />
Wirtschaft, an die Investoren und Kreditgeber<br />
sowie an die gesamte Bevölkerung<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die junge Generation.<br />
Die Europäische Union soll aus unserer<br />
Sicht dieses klare Ziel vorgeben: Die Energieversorgung<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union<br />
muû bis zum Jahre 2050 zu 50 % auf<br />
erneuerbare Energien umgestellt werden.<br />
Als erster Schritt sollte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
erneuerbaren Energien am Energieverbrauch<br />
von <strong>der</strong>zeit 5 % auf 15 % am Energieverbrauch<br />
im Jahre 2010 gesteigert werden.<br />
5. Die Öffnung <strong>der</strong> Grenzen und <strong>der</strong> freie<br />
Warenverkehr haben bei vielen Menschen<br />
die Sorge ausgelöst, daû Qualitäts- und<br />
Gesundheitsschutz bee<strong>in</strong>trächtigt würden.<br />
Lebensmittelskandale wie BSE und unzureichende<br />
Schutzregelungen wie z.B. bei<br />
<strong>der</strong> Bestrahlung o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Genmanipulation<br />
beschädigen das Vertrauen <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />
und Verbraucher <strong>in</strong> die<br />
Europäische Politik. Die <strong>SPD</strong> will, daû <strong>in</strong><br />
Zukunft Verbraucherschutz und Gesundheitsschutz<br />
absolute Priorität erhalten.<br />
Die <strong>SPD</strong> begrüût daher, daû <strong>der</strong> Vertrag<br />
von Amsterdam die EU und ihre Mitgliedstaaten<br />
auf e<strong>in</strong> hohes Niveau des Verbraucherschutzes<br />
und des Gesundheitsschutzes<br />
verpflichtet.<br />
Zum ersten Mal wird Bürgern und Bürger<strong>in</strong>nen<br />
auf <strong>der</strong> Europäischen Ebene e<strong>in</strong><br />
Recht auf Information, Aufklärung und Bildung<br />
von Verbrauchervere<strong>in</strong>igungen zur<br />
Wahrung ihrer Interessen zugebilligt.
Damit wird endlich e<strong>in</strong>e eigenständige Verbraucherpolitik<br />
möglich, die nicht mehr<br />
nur e<strong>in</strong>e Begleitmaûnahme des B<strong>in</strong>nenmarktes<br />
se<strong>in</strong> muû. Die Verbraucherpolitik<br />
wird jetzt, ähnlich wie die Umweltpolitik,<br />
e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe <strong>der</strong> EU se<strong>in</strong>.<br />
Jetzt kommt es darauf an, die neuen Regelungen<br />
mit Leben zu erfüllen und die<br />
Rechte und Interessen <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />
und Verbraucher durchzusetzen. Dazu<br />
gehört die Wahrung <strong>der</strong> Verbraucher<strong>in</strong>teressen<br />
bei F<strong>in</strong>anzdienstleistungen, bei Überschuldung<br />
und zum Schutz ihrer Gesundheit.<br />
Die Menschen werden sich dabei auf<br />
die <strong>SPD</strong> verlassen können.<br />
6. Obwohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit die Europäischen<br />
Rechtssetzungen oft das Schutzniveau<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Län<strong>der</strong>n verbesserten,<br />
muûten wir erleben, daû <strong>der</strong> Europäische<br />
Gerichtshof fortschrittliche Län<strong>der</strong>gesetze<br />
zur Gleichstellung von Frauen im Berufsleben<br />
als unvere<strong>in</strong>bar mit dem Europäischen<br />
Recht bezeichnete und ¾n<strong>der</strong>ungen<br />
verlangte. Daher ist es richtig, daû jetzt<br />
e<strong>in</strong>e unmiûverständliche Regelung <strong>in</strong> den<br />
EU-Vertrag aufgenommen wurde, die die<br />
Rechtmäûigkeit dieser För<strong>der</strong>mechanismen<br />
festschreibt und das gesellschaftliche Ziel<br />
<strong>der</strong> Gleichstellung ausdrücklich verankert.<br />
Entschiedenes sozialdemokratisches Engagement<br />
aus den EU-Mitgliedslän<strong>der</strong>n hat<br />
erreicht, daû Gleichstellungspolitik mit<br />
dem Amsterdamer Vertrag auch EU-Vertragsgrundlage<br />
wird. Der Vertrag schreibt<br />
nunmehr vor, ¹Ungleichheiten zu beseitigen<br />
und die Gleichstellung von Männern<br />
und Frauen zu för<strong>der</strong>nª.<br />
Die <strong>SPD</strong> will mithelfen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU durch<br />
e<strong>in</strong>e progressive Politik <strong>der</strong> Gleichstellung<br />
von Männern und Frauen e<strong>in</strong> Modell zu<br />
entwickeln, das restaurativen Tendenzen <strong>in</strong><br />
manchen Nationalstaaten entgegen wirkt.<br />
7. Das Europäische Parlament muû aus<br />
unserer Sicht alle Rechte erhalten, die<br />
e<strong>in</strong>er von <strong>der</strong> europäischen Bevölkerung<br />
gewählten parlamentarischen Vertretung<br />
zukommen. Mit dem Vertrag von Amsterdam<br />
s<strong>in</strong>d die Rechte des Europäischen Parlamentes<br />
deutlich erweitert worden. Das<br />
Verfahren <strong>der</strong> Mitentscheidung <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU-<br />
Gesetzgebung wurde um 14 politische Fel<strong>der</strong><br />
erweitert. Diese erweiterten Rechte des<br />
Parlaments müssen jetzt im Interesse <strong>der</strong><br />
Menschen <strong>in</strong> Europa wirkungsvoll e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden.<br />
Die Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
setzen sich für e<strong>in</strong>e Europäische<br />
Union im Interesse <strong>der</strong> Menschen e<strong>in</strong>. Sie<br />
haben durch beharrliche Arbeit Verbesserungen<br />
auf vielen politischen Gebieten wie<br />
<strong>der</strong> Sozialpolitik (z.B. durch die Entsen<strong>der</strong>ichtl<strong>in</strong>ie)<br />
und beim Gesundheitsschutz<br />
(z. B. durch scharfe Kontrollen zum Schutz<br />
vor <strong>der</strong> Ausbreitung <strong>der</strong> R<strong>in</strong><strong>der</strong>seuche<br />
BSE) erreicht. Die Unterstützung <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong>-Abgeordneten bei den Wahlen zum<br />
Europäischen Parlament ist e<strong>in</strong>e Garantie<br />
für e<strong>in</strong>e an den Interessen <strong>der</strong> Menschen<br />
orientierte Europapolitik.<br />
8. Die EU sollte den Städten und<br />
Geme<strong>in</strong>den und den Län<strong>der</strong>n und Regionen<br />
die Aufgaben überlassen, die diese besser<br />
wahrnehmen können. Diese Perspektive<br />
ist im Subsidiaritäts-Protokoll, das im<br />
Rahmen des Vertrages von Amsterdam<br />
vere<strong>in</strong>bart wurde, verankert. Auf viele<br />
Fragen können die Mitgliedstaaten und<br />
die Regionen aber alle<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e wirkungsvolle<br />
Antwort mehr geben. Vielen Anliegen<br />
<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger kann<br />
nur noch durch e<strong>in</strong> europäisches Vorgehen<br />
entsprochen werden.<br />
Ebenso wie die <strong>SPD</strong> allen Ansätzen zu<br />
e<strong>in</strong>er Renationalisierung europäischer Politik<br />
e<strong>in</strong>e Absage erteilt, tritt sie nachdrücklich<br />
für den Erhalt und die Stärkung des<br />
Handlungs- und Gestaltungsspielraums <strong>der</strong><br />
Regionen e<strong>in</strong>. Die Stärkung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union und die Stärkung <strong>der</strong> Regionen<br />
s<strong>in</strong>d zwei Seiten <strong>der</strong>selben Medaille.<br />
Nur bei gleichzeitiger Stärkung <strong>der</strong> bürgernahen<br />
Politik und damit <strong>der</strong> Partizipation<br />
<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger an politischen<br />
Entscheidungen werden die Menschen die<br />
fortschreitende Europäisierung und Internationalisierung<br />
politischer Strukturen<br />
akzeptieren und teilen können. Dazu<br />
gehört auch, daû bürokratische Verfahren<br />
63
o<strong>der</strong> auch Überregulierungen <strong>in</strong> den EU-<br />
Institutionen beendet werden.<br />
Grenzüberschreitende Zusammenhänge<br />
gew<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Europa e<strong>in</strong>e immer gröûere<br />
Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, daû die<br />
Menschen, gesellschaftliche Gruppen,<br />
Kommunen und Regionen <strong>in</strong> Europa<br />
immer stärker den Dialog mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> aufnehmen.<br />
Ziel ist es, durch den Aufbau demokratischer<br />
Arbeits- und Entscheidungsstrukturen<br />
<strong>in</strong> grenzüberschreitenden Zusammenhängen<br />
geme<strong>in</strong>same Politik orts- und<br />
zeitnah zu ermöglichen und nachvollziehbar<br />
zu gestalten.<br />
III. Der Vertrag von Amsterdam: Schritte<br />
<strong>in</strong> die richtige Richtung ± aber nicht<br />
weit genug<br />
Im Vertrag von Amsterdam wurden, wie<br />
dargestellt, zahlreiche positive Verän<strong>der</strong>ungen<br />
gegenüber dem Vertrag von Maastricht<br />
verankert. Die Europäische Union hat stärkere<br />
Kompetenzen für Beschäftigung, das<br />
Sozialabkommen ist <strong>in</strong>tegriert, das Profil<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union konnte im<br />
Umweltschutz, beim Gesundheits- und<br />
Verbraucherschutz und bei <strong>der</strong> Geschlechtergleichstellung<br />
geschärft werden. Das<br />
Europäische Parlament ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong><br />
Gew<strong>in</strong>ner <strong>der</strong> Vertragsrevision. Das weiterh<strong>in</strong><br />
bestehende Demokratiedefizit <strong>der</strong><br />
Europäischen Union konnte damit gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
werden.<br />
Diese Gesamtbewertung führt dazu, daû<br />
die Sozialdemokratie den Vertrag von<br />
Amsterdam im Deutschen Bundestag und<br />
im Bundesrat ratifizieren wird. Diese Ratifizierung<br />
bedarf e<strong>in</strong>er Zweidrittelmehrheit.<br />
Wir kritisieren am Vertrag von Amsterdam,<br />
daû nicht zuletzt aufgrund des Verhaltens<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung die Reform <strong>der</strong> europäischen<br />
Institutionen nicht im notwendigen<br />
Umfang vollzogen wurde. Die Europäische<br />
Kommission konnte nicht verkle<strong>in</strong>ert,<br />
die Stimmgewichtung im Rat nicht verän<strong>der</strong>t,<br />
e<strong>in</strong> echter Durchbruch zu mehr<br />
Mehrheitsentscheidungen nicht erreicht<br />
werden. Der Vertrag von Amsterdam<br />
macht die EU damit noch nicht erweite-<br />
64<br />
rungsfähig. Es besteht damit die Gefahr,<br />
daû sich <strong>der</strong> Beitritt <strong>der</strong> mittel- und osteuropäischen<br />
Staaten verzögert, da sich nun<br />
erneut e<strong>in</strong>e Regierungskonferenz mit den<br />
notwendigen Reformen <strong>der</strong> EU-Institutionen<br />
wird beschäftigen müssen.<br />
Aber den Vertrag von Amsterdam wegen<br />
dieses gravierenden Mangels nicht zu ratifizieren,<br />
würde den Mangel nicht beseitigen:<br />
Der Vertrag von Maastricht bliebe unverän<strong>der</strong>t.<br />
Die <strong>SPD</strong> bedauert, daû sich die Europäischen<br />
Staats- und Regierungschefs nicht<br />
darauf gee<strong>in</strong>igt haben, dem Europäischen<br />
Parlament und den nationalen Parlamenten<br />
den Auftrag zur Ausarbeitung e<strong>in</strong>er Europäischen<br />
Grundrechtscharta zu erteilen.<br />
Mit e<strong>in</strong>em solchen Auftrag wäre e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Etappe e<strong>in</strong>geleitet worden, die bisherige<br />
Wirtschaftsgeme<strong>in</strong>schaft auf e<strong>in</strong>e Wertegeme<strong>in</strong>schaft<br />
h<strong>in</strong> zu entwickeln. Auch<br />
nach dem neuen Art. F des EU-Vertrages<br />
bezieht sich <strong>der</strong> Grundrechtsgehalt des<br />
Vertrages auf die Achtung <strong>der</strong> Grundrechte<br />
nach <strong>der</strong> Europäischen Konvention zum<br />
Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten.<br />
In Bezug auf den Grundrechtsteil<br />
des Kapitel 1 im ersten Abschnitt des<br />
Amsterdamer Vertrages ist jedoch positiv<br />
hervorzuheben, daû neue, geson<strong>der</strong>te<br />
Grundrechtsartikel formuliert wurden, die<br />
eigene, für die EU verb<strong>in</strong>dliche Grundrechte,<br />
z.B. bei <strong>der</strong> Gleichstellung von<br />
Frauen, bestimmen.<br />
Die <strong>SPD</strong> hat sich immer für die Vergeme<strong>in</strong>schaftung<br />
<strong>der</strong> Bereiche Asyl, Visa,<br />
E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ung und Kontrolle an den<br />
Auûengrenzen e<strong>in</strong>gesetzt. Daher ist es<br />
s<strong>in</strong>nvoll, daû diese Aufgaben <strong>in</strong> den sogenannten<br />
ersten Pfeiler des Vertrages übertragen<br />
werden. An<strong>der</strong>erseits hat e<strong>in</strong>e Mehrheit<br />
<strong>der</strong> Mitgliedstaaten unter aktiver<br />
Beteiligung <strong>der</strong> Bundesregierung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,<br />
daû <strong>in</strong> diesem Bereich Mehrheitsentscheidungen<br />
zur Anwendung kommen und<br />
damit auch Mitentscheidungsrechte des<br />
Europäischen Parlamentes verwirklicht<br />
werden. Der Deutsche Bundestag und <strong>der</strong><br />
Bundesrat müssen daher im Verfahren <strong>der</strong><br />
Ratifizierung sicherstellen, daû zukünftig
die Bundesregierung bei den Abstimmungen<br />
im M<strong>in</strong>isterrat, die weiterh<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stimmigkeit<br />
erfor<strong>der</strong>n, nur Entscheidungen<br />
treffen kann, die zuvor im Deutschen Bundestag<br />
e<strong>in</strong> positives Votum gefunden<br />
haben. Dies gilt auch bei den sogenannten<br />
Quasi-Richtl<strong>in</strong>ien für den Bereich <strong>der</strong> zwischenstaatlichen<br />
Zusammenarbeit im Dritten<br />
Pfeiler des EU-Vertrags.<br />
Dem Europäischen Parlament müssen <strong>in</strong><br />
Bezug auf die Tätigkeit von Europol fundierte<br />
parlamentarische Kontrollbefugnisse<br />
gewährt werden. Dies ist <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im<br />
H<strong>in</strong>blick auf die anstehenden Beratungen,<br />
Europol weitere operative Befugnisse bzw.<br />
langfristig auch hoheitliche Aufgaben mit<br />
exekutiven Befugnissen zu verleihen, von<br />
entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung. Um e<strong>in</strong>e auch<br />
rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende<br />
Kontrolle dieses Strafverfolgungsorgans<br />
zu gewährleisten, ist es erfor<strong>der</strong>lich,<br />
allen betroffenen Bürgern die Möglichkeit<br />
zu eröffnen, Entscheidungen dieser Polizeibehörde<br />
gerichtlich überprüfen zu lassen.<br />
Es bedarf demnach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />
Individualklagerechts <strong>der</strong> Betroffenen zum<br />
Europäischen Gerichtshof. Die Zusammenarbeit<br />
<strong>der</strong> EU-Mitgliedstaaten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Rechtspolitik muû kont<strong>in</strong>uierlich weiter<br />
ausgebaut werden. Wirksame Bekämpfung<br />
<strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alität setzt zügiges Handeln voraus.<br />
Notwendig ist daher e<strong>in</strong>e stärkere<br />
Kooperation u.a. <strong>in</strong> den Bereichen <strong>der</strong><br />
Bekämpfung des Mädchen- und Frauenhandels,<br />
<strong>der</strong> Schleuserbanden, des Drogenhandels,<br />
<strong>der</strong> Umweltkrim<strong>in</strong>alität, des organisierten<br />
Verbrechens, des illegalen<br />
Handels und des Diebstahls radioaktiven<br />
nuklearen Materials.<br />
Die im Vertrag von Amsterdam erzielten<br />
Bestimmungen im Bereich <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>samen<br />
Auûen- und Sicherheitspolitik (GASP)<br />
gehen aus unserer Sicht nicht weit genug.<br />
Die Kompetenzen s<strong>in</strong>d nicht erweitert, die<br />
Handlungsfähigkeit <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union ist nicht grundlegend gestärkt, die<br />
Integration nicht vertieft worden. Im<br />
Grunde verbleibt die Geme<strong>in</strong>same Auûenund<br />
Sicherheitspolitik <strong>in</strong> <strong>der</strong> zwischenstaatlichen<br />
Zusammenarbeit.<br />
E<strong>in</strong>zelne Schritte, die im neuen Vertrag<br />
enthalten s<strong>in</strong>d, f<strong>in</strong>den unsere ausdrückliche<br />
Unterstützung, wie die E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong><br />
vorgesehenen Planungs- und Analysee<strong>in</strong>heit,<br />
die e<strong>in</strong>en Beitrag zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
von Krisen, Konflikten und möglichen<br />
Kriegen leisten soll.<br />
Es bleibt die For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Europäischen Politischen Union<br />
die Geme<strong>in</strong>same Auûen- und Sicherheitspolitik<br />
zu vergeme<strong>in</strong>schaften. Dies kann letztlich<br />
auch europäisch <strong>in</strong>tegrierte Streitkräfte<br />
bedeuten. Damit würde <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Mitgliedstaaten e<strong>in</strong>e drastische Abrüstung<br />
möglich werden, die Zahl <strong>der</strong> Soldaten<br />
gegenüber dem heutigen Stand würde<br />
erheblich reduziert und die Militärausgaben<br />
könnten drastisch reduziert werden. Es ist<br />
nicht e<strong>in</strong>zusehen, daû <strong>in</strong> den westeuropäischen<br />
NATO-Mitgliedstaaten etwa zwei<br />
Millionen Soldaten Waffendienst leisten,<br />
wenn demnächst die mittel- und osteuropäischen<br />
Staaten Teil <strong>der</strong> EU werden. E<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong>artig hohe Zahl von Soldaten stellt e<strong>in</strong>en<br />
Anachronismus dar. E<strong>in</strong>e europäische<br />
Atomstreitmacht lehnen wir ab. Wir verlangen<br />
e<strong>in</strong>e umfassende atomare Abrüstung.<br />
IV. Wir wollen die Wirtschafts- und Währungsunion.<br />
Die Wirtschafts- und<br />
Währungsunion gestalten ± unsere<br />
aktuelle politische Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
Die Wirtschafts- und Währungsunion ist<br />
e<strong>in</strong>e Antwort auf die Herausfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
globalisierten F<strong>in</strong>anzmärkte. Sie läût <strong>in</strong><br />
Europa schon durch die Gröûe des Wirtschaftsraumes<br />
e<strong>in</strong>en relevanten Machtfaktor<br />
auf den globalisierten F<strong>in</strong>anzmärkten entstehen.<br />
Damit ist die EWWU e<strong>in</strong>e Chance<br />
für ausgewogenere Weltwährungsbeziehungen,<br />
<strong>in</strong>dem die Abhängigkeit <strong>der</strong> Teilnehmerlän<strong>der</strong><br />
von den real- und geldwirtschaftlichen<br />
Entwicklungen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Welthandelsregionen s<strong>in</strong>kt. Die Europäische<br />
Wirtschafts- und Währungsunion ist<br />
daher e<strong>in</strong> Instrument für e<strong>in</strong> neues Gleichgewicht<br />
gegenüber <strong>der</strong> US-amerikanischen<br />
Konjunktur- und F<strong>in</strong>anzpolitik sowie<br />
gegenüber Japan und <strong>der</strong> südostasiatischen<br />
Wachstumsregion und trägt so zu e<strong>in</strong>er<br />
gröûeren Selbstbehauptung Europas bei.<br />
65
Zwischen Regierung und Opposition<br />
besteht E<strong>in</strong>igkeit darüber, die Währungsunion<br />
als weiteren Schritt <strong>der</strong> Europäischen<br />
Integration zu befürworten. E<strong>in</strong><br />
scharfer Wi<strong>der</strong>spruch besteht aber darüber,<br />
was mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>samen<br />
Währung erreicht werden soll. Die<br />
Bundesregierung benutzt die Europäische<br />
Wirtschafts- und Währungsunion als Mittel,<br />
um Sozialkürzungen durchzusetzen.<br />
Damit verschärft sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz die<br />
Massenarbeitslosigkeit und erhöht die<br />
Staatsverschuldung. Diese Politik fortzusetzen,<br />
kann zum Verfall <strong>der</strong> EU und zu weiterer<br />
Renationalisierung führen sowie zu<br />
weiterem Verlust des Vertrauens <strong>der</strong> Menschen<br />
<strong>in</strong> die Europäische Union. Diese<br />
Politik verstellt damit den e<strong>in</strong>zigen Ausweg,<br />
<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Situation des drohenden<br />
Verlustes <strong>der</strong> Handlungsfähigkeit unter den<br />
Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Globalisierung überhaupt<br />
existiert. Die falsche Wirtschaftspolitik <strong>der</strong><br />
Bundesregierung kann nicht durch die Verschiebung<br />
<strong>der</strong> Dritten Stufe <strong>der</strong> Europäischen<br />
Wirtschafts- und Währungsunion<br />
korrigiert werden, son<strong>der</strong>n nur durch die<br />
Ablösung <strong>der</strong> Bundesregierung selbst.<br />
Unsere Alternative besteht dar<strong>in</strong>, den<br />
EURO als Instrument e<strong>in</strong>er auf Beschäftigung<br />
orientierten Währungs- und Wirtschaftspolitik<br />
e<strong>in</strong>zusetzen und zu nutzen.<br />
Für die Geldpolitik ist die Europäische<br />
Zentralbank zuständig. E<strong>in</strong>e wirkungsvolle<br />
europäische Beschäftigungspolitik bedarf<br />
<strong>der</strong> vorausschauenden Koord<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong><br />
nationalen Arbeitsmarkt-, Wirtschafts-und<br />
Beschäftigungspolitik gemäû den Vorgaben<br />
des Vertrags von Amsterdam. Der Rat <strong>der</strong><br />
Sozial-, Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister<br />
muû hierfür unter Beteiligung des Europäischen<br />
Parlamentes Leitl<strong>in</strong>ien erarbeiten.<br />
Die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um die Auslegung<br />
<strong>der</strong> Konvergenzkriterien wird so gleichsam<br />
zu e<strong>in</strong>er Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um die<br />
Zukunft des sozialstaatlichen Gesellschaftsvertrags.<br />
Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und<br />
Sozialdemokraten wollen die Europäische<br />
Wirtschafts- und Währungsunion für<br />
Wachstum und Beschäftigung nutzen. Die<br />
66<br />
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion<br />
ist e<strong>in</strong>e Chance, unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />
globalisierter F<strong>in</strong>anzmärkte Steuerungsfähigkeit<br />
zurückzugew<strong>in</strong>nen.<br />
Denn <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmarkt als e<strong>in</strong>zig wirklich<br />
globalisierter Markt schränkt heute die<br />
Souveränität <strong>der</strong> Nationalstaaten durch das<br />
Zusammenwirken <strong>der</strong> hoch verflochtenen<br />
Geld- und Währungsmärkte e<strong>in</strong>.<br />
Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion<br />
ist auch e<strong>in</strong> Instrument gegen<br />
Währungsspekulation und Wechselkursschwankungen.<br />
Wechselkursschwankungen s<strong>in</strong>d nach Aussagen<br />
<strong>der</strong> Wirtschafts<strong>in</strong>stitute <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
für den Verlust von tausenden<br />
von Arbeitsplätzen <strong>in</strong> Deutschland verantwortlich.<br />
Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion<br />
wird den europäischen B<strong>in</strong>nenmarkt<br />
vollenden und somit verbesserte<br />
Chancen für exportorientierte Volkswirtschaften<br />
wie die <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland schaffen. Ohne e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />
Währung lassen sich nicht alle Vorteile<br />
aus dem Geme<strong>in</strong>samen Markt entwikkeln.<br />
Diese Vorteile bestehen nicht nur <strong>in</strong><br />
den dann wegfallenden Umtauschkosten.<br />
Die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />
Währung wird auch dazu führen, daû<br />
Wechselkursschwankungen nicht mehr zur<br />
Verfälschung <strong>der</strong> wahren Wettbewerbsverhältnisse<br />
führen. Dies kann sich positiv auf<br />
die Auûenhandelsbeziehungen und das mittel-<br />
und langfristige Investitionsverhalten<br />
auswirken. Es verlangt aber auch b<strong>in</strong>nenwirtschaftliche<br />
Anpassungsmaûnahmen,<br />
damit bei sektoralen o<strong>der</strong> gesamtwirtschaftlichen<br />
Störungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedslän<strong>der</strong>n<br />
nicht die gesamten Lasten von den<br />
Arbeitnehmern und Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
durch Bee<strong>in</strong>trächtigung ihrer Beschäftigungs-<br />
und E<strong>in</strong>kommenschancen getragen<br />
werden müssen.<br />
Für die Verwirklichung <strong>der</strong> dritten Stufe<br />
<strong>der</strong> Wirtschafts- und Währungsunion gibt<br />
<strong>der</strong> Maastricht-Vertrag Konvergenzkriterien<br />
vor, die Inflationsbegrenzung, Z<strong>in</strong>sstabilität,<br />
verantwortliche Haushaltsführung
und maûvolle Staatsverschuldung be<strong>in</strong>halten.<br />
Im Prozeû <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong> im<br />
Maastricht-Vertrag festgehaltenen Konvergenzkriterien<br />
ist viel für die Währungsstabilität<br />
<strong>in</strong> den Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union erreicht worden. Der durch<br />
den Maastricht-Vertrag e<strong>in</strong>geleitete Konvergenzprozeû<br />
hat zu e<strong>in</strong>er stark verbesserten<br />
Preisstabilität <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Europäischen Union geführt. Das Z<strong>in</strong>sniveau<br />
hat sich <strong>in</strong> ähnlich positiver Form<br />
entwickelt. Ebenso s<strong>in</strong>d heute die Wechselkurse<br />
zwischen vielen EU-Mitgliedstaaten<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em hohem Maû stabil. H<strong>in</strong>sichtlich<br />
dieser monetären Kriterien ist <strong>in</strong>zwischen<br />
e<strong>in</strong>e so weitgehende Konvergenz zwischen<br />
e<strong>in</strong>er ganzen Reihe von EU-Mitgliedstaaten<br />
erreicht, wie sie durch den Maastricht-<br />
Vertrag verwirklicht werden sollte.<br />
Die Bundesregierung <strong>in</strong>terpretiert jedoch<br />
das Defizitkriterium nicht vertragsgerecht,<br />
<strong>in</strong>dem sie den im Vertrag angelegten möglichen<br />
Spielraum nicht ausreichend ausschöpft.<br />
Die <strong>SPD</strong> befürwortet die vertragsgerechte<br />
Verwirklichung <strong>der</strong> Dritten Stufe <strong>der</strong><br />
Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion<br />
e<strong>in</strong>schlieûlich des Zeitplans. Die vertragsgerechte<br />
Verwirklichung <strong>der</strong> dritten<br />
Stufe <strong>der</strong> Europäischen Wirtschafts- und<br />
Währungsunion e<strong>in</strong>schlieûlich des Zeitplanes<br />
ist von zentraler Bedeutung. Bisher<br />
wurde meist nur über den Schaden gesprochen,<br />
<strong>der</strong> bei e<strong>in</strong>er zu weichen Auslegung<br />
<strong>der</strong> Konvergenzkriterien entstehen könnte.<br />
Der Stellenwert <strong>der</strong> E<strong>in</strong>haltung des Zeitplans<br />
ergibt sich aber aus <strong>der</strong> Tatsache, daû<br />
e<strong>in</strong>e Verschiebung <strong>der</strong> Währungsunion<br />
deutlichen politischen und ökonomischen<br />
Schaden zur Konsequenz hätte.<br />
Wenn die Bundesregierung die Dritte Stufe<br />
<strong>der</strong> Wirtschafts- und Währungsunion verschieben<br />
will, weil sie nicht im Stande ist,<br />
die von ihr selbst formulierten Kriterien zu<br />
erfüllen, muû sie dies gegenüber den Bürgern<br />
und Bürger<strong>in</strong>nen offen bekennen. Sie<br />
trägt dann auch die Verantwortung für den<br />
entstehenden politischen und ökonomischen<br />
Schaden.<br />
Wir wollen sicherstellen, daû <strong>der</strong> nationalen<br />
Stabilisierungspolitik mehr Spielraum<br />
<strong>in</strong> konjunkturellen Schwächephasen zugestanden<br />
wird und gleichzeitig Anreize<br />
geboten o<strong>der</strong> Vorgaben gemacht werden<br />
zur Rückführung <strong>der</strong> Staatsverschuldung<br />
im Falle e<strong>in</strong>er anhaltenden Wachstumsphase.<br />
Gerade weil die <strong>SPD</strong> für die Verwirklichung<br />
<strong>der</strong> Europäischen Wirtschafts- und<br />
Währungsunion ist, setzen wir uns dafür<br />
e<strong>in</strong>, daû alle diejenigen, die sich heute Sorgen<br />
machen, umfassend über die praktischen<br />
Auswirkungen <strong>der</strong> Währungsumstellung<br />
<strong>in</strong>formiert werden: Die Rentner<strong>in</strong>nen<br />
und Rentner, die Sparer, die Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />
und Verbraucher. Die Umstellung<br />
auf den EURO kann nur dann Akzeptanz<br />
f<strong>in</strong>den, wenn die vorhandenen Befürchtungen<br />
frühzeitig ausgeräumt werden. Die<br />
Diskussion über den EURO nur aus <strong>der</strong><br />
Sicht <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
erreicht die meisten Menschen nicht.<br />
Die <strong>SPD</strong> tritt daher dafür e<strong>in</strong>, daû die<br />
F<strong>in</strong>anzmittel, die die Bundesregierung mit<br />
Werbung für den EURO ausgibt<br />
(17 Mio. DM <strong>in</strong> 1997), den Städten und<br />
Geme<strong>in</strong>den sowie den Verbraucherzentralen<br />
zur Verfügung gestellt werden, um<br />
damit wirkliche Information für Bürger<br />
und Bürger<strong>in</strong>nen vor Ort über die praktischen<br />
Fragen <strong>der</strong> Umstellung zu leisten<br />
(EURO-Ombudsmann).<br />
Es existieren bei den Menschen berechtigte<br />
Befürchtungen, daû es im Rahmen <strong>der</strong><br />
Währungsumstellung zu verdeckten Erhöhungen<br />
von Preisen und Gebühren kommt.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist es verständlich,<br />
daû die Verbraucherverbände für e<strong>in</strong>e<br />
Übergangsphase von sechs Monaten vor<br />
<strong>der</strong> Umstellung und sechs Monaten nach<br />
<strong>der</strong> Umstellung e<strong>in</strong>e doppelte Preisauszeichnung<br />
vorschlagen, damit die Verbraucher<strong>in</strong>nen<br />
und Verbraucher das neue Preisgefüge<br />
nachvollziehen können. Wir wollen,<br />
daû gesetzlich unmiûverständlich sichergestellt<br />
ist, daû die EURO-E<strong>in</strong>führung ke<strong>in</strong>e<br />
¾n<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> langfristigen Verträge o<strong>der</strong><br />
Darlehen nach sich ziehen darf. Wir wollen,<br />
daû vor allem die kle<strong>in</strong>en und mittle-<br />
67
en Betriebe umfassende Informationen<br />
und Hilfe zur Vorbereitung auf die E<strong>in</strong>führung<br />
des Euro erhalten. Kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />
Unternehmen haben es schwerer als<br />
groûe Unternehmen, sich auf den Beg<strong>in</strong>n<br />
<strong>der</strong> 3. Stufe <strong>der</strong> Europäischen Wirtschaftsund<br />
Währungsunion vorzubereiten. Gerade<br />
die kle<strong>in</strong>en und mittleren Unternehmen als<br />
Träger von zusätzlichen Beschäftigungsund<br />
Innovationspotentialen dürfen aber<br />
ke<strong>in</strong>en Wettbewerbsnachteil erleiden. Wir<br />
verlangen deshalb schnelle und umfassende<br />
Unterstützung dieser kle<strong>in</strong>en und mittleren<br />
Unternehmen bei ihrer Vorbereitung auf<br />
den EURO durch die Bundesregierung.<br />
Die Währungsunion muû sozial- und<br />
beschäftigungspolitisch flankiert werden.<br />
Dies ist mit den Vorschlägen <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> europäischen Sozial- und Beschäftigungspolitik<br />
gewährleistet.<br />
Auûerdem muû endlich <strong>der</strong> Wettlauf um<br />
niedrige Unternehmenssteuern zwischen<br />
den EU-Mitgliedstaaten beendet werden.<br />
Wer dies verkennt, höhlt die Steuergrundlage<br />
<strong>der</strong> Mitgliedstaaten aus. Wir brauchen<br />
geme<strong>in</strong>same M<strong>in</strong>destregelungen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
bei den Unternehmenssteuern und bei<br />
<strong>der</strong> Besteuerung von Kapitalerträgen.<br />
Unverzichtbar ist e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Regelung<br />
gegen Steuerdump<strong>in</strong>g sowie die Auflösung<br />
von Steueroasen <strong>in</strong> Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />
Europäischen Union.<br />
Um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû sich Län<strong>der</strong> durch<br />
e<strong>in</strong>e Politik des Lohndump<strong>in</strong>gs Wettbewerbsvorteile<br />
zu verschaffen suchen, ist<br />
e<strong>in</strong>e weitergehende Koord<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong><br />
Tarifpolitik auf <strong>der</strong> EU-Ebene erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Auch wenn M<strong>in</strong>deststandards und sozialpolitische<br />
Fortschritte mit e<strong>in</strong>em überarbeiteten<br />
EU-Vertrag erreicht werden, so bleiben<br />
doch die sozialen Sicherungssysteme an<br />
den nationalstaatlichen Rahmen gekoppelt.<br />
E<strong>in</strong>ige Mitgliedstaaten könnten versuchen,<br />
sich durch e<strong>in</strong>en überdurchschnittlichen<br />
Abbau ihrer Ausgaben für die sozialen<br />
Sicherungssysteme Wettbewerbsvorteile zu<br />
verschaffen. Um dies zu vermeiden, soll<br />
zwischen den EU-Mitgliedstaaten e<strong>in</strong><br />
sozialer Stabilitätspakt verabredet werden,<br />
68<br />
<strong>in</strong> dem sich die Mitgliedslän<strong>der</strong> verpflichten,<br />
ke<strong>in</strong> Dump<strong>in</strong>g bei den sozialen Sicherungssystemen<br />
zu praktizieren. Dazu können<br />
die europäischen Mitgliedstaaten<br />
Bandbreiten bei den Sozialleistungsquoten<br />
festlegen, die sich nach dem wirtschaftlichen<br />
Entwicklungsstand <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Län<strong>der</strong> richten, wobei die E<strong>in</strong>haltung<br />
sozialer Standards auf nationaler Ebene<br />
wirksam überprüft wird. Damit soll dreierlei<br />
erreicht werden: E<strong>in</strong>er Politik des<br />
Sozialdump<strong>in</strong>gs wird auf diese Weise e<strong>in</strong><br />
Riegel vorgeschoben, die schwächer entwickelten<br />
Volkswirtschaften werden durch<br />
diese Form <strong>der</strong> sozialpolitischen Regulierung<br />
ökonomisch nicht überfor<strong>der</strong>t und im<br />
Zuge des ökonomischen Aufholprozesses<br />
<strong>der</strong> schwächer entwickelten Län<strong>der</strong> können<br />
sich die Sozialleistungsquoten <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />
annähern.<br />
V. Europa als Partner des Südens<br />
Koord<strong>in</strong>ation und Kohärenz europäischer<br />
Entwicklungszusammenarbeit<br />
Die Entwicklungspolitik <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union hat sich zum Ziel gesetzt, die nachhaltige<br />
wirtschaftliche und soziale Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong> und ihre harmonische<br />
und schrittweise E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> die Weltwirtschaft zu för<strong>der</strong>n sowie die<br />
Armut <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n zu<br />
bekämpfen.<br />
Der geltende EU-Vertrag sieht e<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ierung<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelstaatlichen und <strong>der</strong><br />
Geme<strong>in</strong>schaftspolitik vor, um diese Ziele<br />
zu erreichen. Bisher ist man über Ansätze<br />
nicht h<strong>in</strong>aus gekommen. Programme und<br />
Projekte <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
wurden bisher zwischen den Mitgliedstaaten,<br />
<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsebene und <strong>in</strong>ternationalen<br />
Organisationen nicht effektiv<br />
koord<strong>in</strong>iert. Entwicklungsvorhaben sollten<br />
gezielter auf die Bedürfnisse <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
ausgerichtet werden, <strong>in</strong>dem die<br />
EU-Län<strong>der</strong> ihre Maûnahmen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
und mit <strong>der</strong> EU-Ebene entsprechend<br />
<strong>der</strong> eigenen komparativen Vorteile abstimmen<br />
und auf wenige Län<strong>der</strong> und Sektoren<br />
konzentrieren.
Der EU-Vertrag schreibt schon seit 1993<br />
vor, daû die Ziele <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
bei an<strong>der</strong>en Politiken, welche<br />
die Entwicklungslän<strong>der</strong> berühren können,<br />
berücksichtigt werden müssen. Dieses<br />
Kohärenzgebot wird häufig nicht beachtet,<br />
wie beispielsweise europäische R<strong>in</strong>dfleischexporte<br />
nach West- und Südafrika gezeigt<br />
haben. Vor allem Maûnahmen <strong>der</strong> Agrar-,<br />
Auûenwirtschafts-, F<strong>in</strong>anz- und Sicherheitspolitik<br />
von nationaler wie europäischer<br />
Ebene konterkarieren Entwicklungsfortschritte.<br />
Um kontraproduktive Überschneidungen<br />
zu vermeiden, wollen wir<br />
dafür sorgen, daû entwicklungsrelevante<br />
Aufgaben auf nationaler und auf europäischer<br />
Ebene <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Hand gebündelt<br />
werden.<br />
Zukünftige Beziehungen zu den AKP-<br />
Staaten<br />
1998 werden die Verhandlungen über die<br />
Zusammenarbeit <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
mit den Staaten des afrikanischen, karibischen<br />
und pazifischen Raums beg<strong>in</strong>nen.<br />
Die <strong>SPD</strong> spricht sich für e<strong>in</strong>e Fortsetzung<br />
<strong>der</strong> Zusammenarbeit im Rahmen <strong>der</strong><br />
LomØ-Abkommen nach Ablauf des LomØ-<br />
IV-Vertrags im Februar 2000 aus.<br />
Trotz <strong>der</strong> Defizite e<strong>in</strong>iger Elemente des<br />
Abkommens stellt Lome IV die bisher<br />
weit-. gehendste Form <strong>der</strong> Kooperation<br />
zwischen e<strong>in</strong>er Staatengruppe des Nordens<br />
und e<strong>in</strong>er Staatengruppe des Südens zur<br />
Herstellung partnerschaftlicher und gleichberechtigter<br />
Beziehungen dar. Im zukünftigen<br />
LomØ-Abkommen müssen solidarische<br />
struktur- und handelspolitische Maûnahmen<br />
festgeschrieben werden, welche an<br />
den strukturellen Problemen <strong>der</strong> Unterentwicklung<br />
ansetzen und Armutsbekämpfung<br />
und die Deckung <strong>der</strong> Grundbedürfnisse <strong>in</strong><br />
den Vor<strong>der</strong>grund stellen. Die positiven<br />
Aspekte <strong>der</strong> bisherigen Abkommen müssen<br />
übernommen, Verbesserungen e<strong>in</strong>gearbeitet<br />
werden.<br />
Die Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten<br />
muû bei e<strong>in</strong>er künftigen Vertragsreform <strong>in</strong><br />
den EG-Vertrag aufgenommen und <strong>der</strong><br />
Europäische Entwicklungsfonds <strong>in</strong> den<br />
EU-Haushalt überführt werden.<br />
VI. Die kommenden Herausfor<strong>der</strong>ungen:<br />
Die Erweiterung <strong>der</strong> EU und die notwendigen<br />
Reformen<br />
Die Erweiterung <strong>der</strong> EU<br />
Mit dem Ende des Kalten Krieges und <strong>der</strong><br />
demokratischen Transformation <strong>in</strong> den<br />
Län<strong>der</strong>n Mittel- und Osteuropas ergibt<br />
sich am Ende dieses Jahrhun<strong>der</strong>ts die<br />
Chance, die unnatürliche Spaltung Europas<br />
zu überw<strong>in</strong>den und e<strong>in</strong>e tragfähige Grundlage<br />
für e<strong>in</strong>en dauerhaften Frieden <strong>in</strong><br />
Europa zu schaffen. Die EU bietet ihren<br />
Mitgliedstaaten die Gewähr für den Ausbau<br />
von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und<br />
wirtschaftlichem Wohlstand. Auch aus diesen<br />
Gründen ist die Erweiterung <strong>der</strong> EU<br />
politisch gewollt. Sie ist zudem langfristig<br />
ökonomisch, sozialpolitisch und ökologisch<br />
vernünftig und liegt im deutschen, aber<br />
auch im europäischen Interesse.<br />
Damit die Osterweiterung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union e<strong>in</strong> Erfolg wird, muû sie<br />
sorgfältig vorbereitet werden.<br />
Dazu s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>stitutionelle und politische<br />
Reformen <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> EU notwendig,<br />
um auch bei e<strong>in</strong>er höheren Anzahl von<br />
Mitglie<strong>der</strong>n handlungsfähig zu bleiben. Die<br />
EU muû die Voraussetzungen für e<strong>in</strong> reibungsloses<br />
Funktionieren ihrer Institutionen<br />
schaffen und gleichzeitig den erreichten<br />
Grad <strong>der</strong> Integration bewahren.<br />
An<strong>der</strong>erseits müssen sich die beitrittswilligen<br />
Län<strong>der</strong> gesellschaftlich, wirtschaftlich<br />
und sozial so weiterentwickeln, daû sie den<br />
im Vertrag festgelegten Anfor<strong>der</strong>ungen des<br />
Beitritts genügen können. Der von <strong>der</strong><br />
EU-Kommission vorgelegte Vorschlag,<br />
1998 Beitrittsverhandlungen mit fünf mittel-<br />
und osteuropäischen Län<strong>der</strong>n (Polen,<br />
Tschechien, Ungarn, Slowenien, Estland)<br />
und Zypern aufzunehmen, orientiert sich<br />
an den auf dem Kopenhagener EU-Gipfel<br />
beschlossenen objektiven Kriterien. Die<br />
neuen Mitgliedstaaten müssen demokratische<br />
und rechtsstaatliche Ordnungen aufgebaut<br />
haben, sie müssen e<strong>in</strong>e funktionsfä-<br />
69
hige soziale Marktwirtschaft vorweisen und<br />
dem <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU vorhandenen Wettbewerbsdruck<br />
standhalten können.<br />
S<strong>in</strong>nvoll gestaltet und gut vorbereitet, kann<br />
die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten aus<br />
Mittel- und Osteuropa <strong>in</strong> die Europäische<br />
Union e<strong>in</strong>en neuen Schub für Wachstum<br />
und wirtschaftliche Entwicklung bieten.<br />
Mit Rücksicht auf die wirtschaftliche und<br />
soziale Situation <strong>der</strong> beitrittswilligen Staaten<br />
bedarf es langer Übergangsfristen bis<br />
zur vollständigen Integration. Dies gilt<br />
auch für den Bereich <strong>der</strong> Freizügigkeit.<br />
E<strong>in</strong>e auch f<strong>in</strong>anziell ausgestattete ¹Vor-Beitrittsstrategieª<br />
soll die Heranführung auch<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Staaten gewährleisten, <strong>der</strong>en<br />
späterer Beitritt durch die Entscheidung<br />
<strong>der</strong> Kommission nicht <strong>in</strong> Frage gestellt<br />
wird. Weitere politische Unterstützung,<br />
regelmäûige Prüfung <strong>der</strong> Beitrittsfähigkeit<br />
und die Ausgestaltung <strong>der</strong> bestehenden<br />
Assoziierungsabkommen (¹Europaverträgeª)<br />
muû sicherstellen, daû ke<strong>in</strong>e neuen<br />
Grenzen <strong>in</strong> Europa gezogen werden.<br />
Zur Unterstützung <strong>der</strong> Staaten Mittel- und<br />
Osteuropas hält die <strong>SPD</strong> bereits heute e<strong>in</strong>e<br />
verstärkte För<strong>der</strong>ung für notwendig. So<br />
kann <strong>der</strong> Strukturwandel wirkungsvoll<br />
unterstützt werden, um die Grundlagen für<br />
den Beitritt dieser Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Europäische<br />
Union zu schaffen. Die <strong>SPD</strong> schlägt<br />
für die Unterstützung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> Mittelund<br />
Osteuropas die Zusammenfassung <strong>der</strong><br />
bereitgestellten f<strong>in</strong>anziellen Mittel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
neuen Fonds vor, <strong>der</strong> die bestehenden<br />
Maûnahmen zusammenfaût und mit dessen<br />
Hilfe die Län<strong>der</strong> bereits vor ihrem Beitritt<br />
zur Union gezielt beim Aufbau von Verwaltungsstrukturen,<br />
ihrer Wirtschaften und<br />
<strong>der</strong> Umwandlung <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
geför<strong>der</strong>t werden können.<br />
Mit ihrem Beitritt <strong>in</strong> die EU sollten die<br />
Staaten Mittel- und Osteuropas mit e<strong>in</strong>er<br />
geeigneten Übergangsregelung <strong>in</strong> die EU-<br />
Strukturpolitik <strong>in</strong>tegriert werden, die ihre<br />
Aufnahmefähigkeit berücksichtigt.<br />
70<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> EU<br />
Neben den notwendigen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> vertraglichen Grundlagen <strong>der</strong> EU ist<br />
aus sozialdemokratischer Sicht die Neuordnung<br />
<strong>der</strong> EU-F<strong>in</strong>anzierung dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich,<br />
um die Zukunft Europas gestalten<br />
zu können. Die Neuordnung <strong>der</strong> EU-<br />
F<strong>in</strong>anzierung muû dabei die kommenden<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen,. nämlich die Verwirklichung<br />
des Amsterdam-Vertrages, die konsequente<br />
Reform <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>samen Agrarpolitik<br />
und die Erweiterung <strong>der</strong> EU um<br />
zunächst fünf Staaten Mittel- und Osteuropas<br />
sowie Zyperns, berücksichtigen.<br />
Die Debatte über die F<strong>in</strong>anzen <strong>der</strong> EU<br />
muû rational geführt werden: Für die Bundesrepublik<br />
Deutschland als e<strong>in</strong> Land, das<br />
erheblich von den Vorteilen e<strong>in</strong>es B<strong>in</strong>nenmarktes<br />
profitiert, errechnet sich unser<br />
Nettobeitrag nicht alle<strong>in</strong> aus den E<strong>in</strong>- und<br />
Rückzahlungen <strong>in</strong> und aus dem Haushalt<br />
<strong>der</strong> EU. Die ¹Nettozahlerdebatteª <strong>in</strong><br />
Deutschland tut so, als ob die E<strong>in</strong>zahlungen<br />
<strong>in</strong> den Haushalt und Rückflüsse klar<br />
saldierbar s<strong>in</strong>d. Dem ist nicht so. Im Agrarbereich<br />
(47 % <strong>der</strong> Ausgaben <strong>der</strong> EU) s<strong>in</strong>d<br />
die Rückflüsse weitgehend zuzuordnen.<br />
Schon bei den Strukturfonds wird dies problematisch.<br />
Die Kommission hat <strong>in</strong> ihrem<br />
Kohäsionsbericht darauf verwiesen, daû<br />
z. B. von 100 ECU Strukturhilfen für Portugal<br />
46 ECU für Exporte an an<strong>der</strong>e Mitgliedstaaten<br />
zurückflieûen. Solche Importe<br />
o<strong>der</strong> Dienstleistungen können nicht e<strong>in</strong>deutig<br />
zugeordnet werden. E<strong>in</strong>e Aufteilung<br />
<strong>der</strong> Mittel <strong>in</strong> den Innen- und Auûenpolitiken<br />
(etwa 15 % <strong>der</strong> Ausgaben des Haushaltes<br />
<strong>der</strong> EU) läût sich nahezu überhaupt<br />
nicht erreichen.<br />
Die dieser Situation zugrunde liegenden<br />
Regelungen s<strong>in</strong>d im Jahre 1992 von Bundeskanzler<br />
Kohl und Bundesf<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister<br />
Waigel formuliert und im Europäischen<br />
Rat e<strong>in</strong>stimmig beschlossen worden.<br />
Für die Bundesrepublik ist <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenmarkt<br />
Europa von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />
Seit 1985 ist <strong>in</strong> Deutschland <strong>der</strong><br />
Anteil des <strong>in</strong>nergeme<strong>in</strong>schaftlichen Exports<br />
am Brutto<strong>in</strong>landsprodukt kont<strong>in</strong>uierlich<br />
gestiegen. Damit hängen viele Millionen
Arbeitsplätze <strong>in</strong> Deutschland von diesen<br />
Exporten ab. Daû Län<strong>der</strong> wie Griechenland,<br />
Spanien, Portugal und Irland, aber<br />
auch die Bundesrepublik für die neuen<br />
Län<strong>der</strong>, deshalb auf Strukturmaûnahmen<br />
bestehen, liegt nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Logik des<br />
Vertrages, son<strong>der</strong>n ist die zweite Seite <strong>der</strong><br />
Medaille des offenen Marktes. Vorschläge<br />
zu mehr Beitragsgerechtigkeit auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>nahmeseite<br />
müssen entwickelt und diskutiert<br />
werden.<br />
Wer aber wie wir e<strong>in</strong>e schnelle Entlastung<br />
<strong>der</strong> deutschen Steuerzahler will, muû dafür<br />
sorgen, daû auf <strong>der</strong> Ausgabenseite und bei<br />
den EU-Politiken reformiert wird. Dazu<br />
müssen vor allem die Subventionen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Geme<strong>in</strong>samen Agrarpolitik <strong>der</strong> EU drastisch<br />
gesenkt werden. Im Rahmen <strong>der</strong> notwendigen<br />
Agrarreform müssen Produktsubventionen<br />
und Exporterstattungen<br />
abgeschmolzen werden und muû sich die<br />
Agrarpolitik auf Strukturpolitik und direkte<br />
E<strong>in</strong>kommensbeihilfen mit ökologischer<br />
und sozialer Komponente konzentrieren.<br />
Dadurch würde auch die Gerechtigkeitslücke<br />
zwischen den reichen Län<strong>der</strong>n<br />
geschlossen, die dar<strong>in</strong> besteht, daû EU-<br />
Län<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>em groûen Agrarsektor<br />
übermäûig vom System profitieren. Dagegen<br />
haben Län<strong>der</strong> wie Deutschland und<br />
Groûbritannien relativ niedrige Agrarrückflüsse.<br />
Es ist nicht h<strong>in</strong>nehmbar, daû reiche<br />
Mitgliedstaaten wie Dänemark und Luxemburg<br />
Nettoempfänger s<strong>in</strong>d, Län<strong>der</strong> wie<br />
Frankreich e<strong>in</strong>en relativ ger<strong>in</strong>gen Nettobeitrag<br />
leisten. Dieses Problem entsteht aber<br />
nicht auf <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zahlerseite, son<strong>der</strong>n auf<br />
<strong>der</strong> Ausgabenseite.<br />
Für die Übergangszeit schlagen wir e<strong>in</strong>e<br />
Ausgleichszahlung zwischen den reichen<br />
Mitgliedstaaten <strong>der</strong> EU vor, die für mehr<br />
Gerechtigkeit beim deutschen EU-Beitrag<br />
sorgen soll. Die Höhe <strong>der</strong> Ausgleichszahlungen<br />
würde sich aus dem Wohlstandsfaktor<br />
(BSP o<strong>der</strong> BIP pro Kopf <strong>in</strong> Kaufkraftstandards)<br />
und Agrarrückflüssen errechnen.<br />
Die Reform <strong>der</strong> Agrarpolitik<br />
Die Agrarausgaben, die weiterh<strong>in</strong> nahezu<br />
die Hälfte des EU-Haushalts ausmachen,<br />
müssen durch die notwendige Reform<br />
deutlich gesenkt werden. Die Reduzierung<br />
<strong>der</strong> Agrarkosten im EU-Haushalt ist auch<br />
die wichtigste Voraussetzung für die Entlastung<br />
Deutschlands bei se<strong>in</strong>en Nettozahlungen<br />
und macht auch den Beitragsrabatt<br />
für Groûbritannien überflüssig.<br />
E<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> EU-Agrarpolitik ist auch<br />
im Interesse <strong>der</strong> Landwirte notwendig, bei<br />
denen e<strong>in</strong> Groûteil <strong>der</strong> EU-Agrarsubventionen<br />
gar nicht ankommt. Kommt es nicht<br />
zu umfassenden ¾n<strong>der</strong>ungen, so ist für das<br />
Jahr 2000 wie<strong>der</strong> mit erheblichen Marktstörungen<br />
zur rechnen. Diese wirken sich<br />
zwangsläufig negativ auf die E<strong>in</strong>kommen<br />
<strong>der</strong> Landwirte aus.<br />
Wir wollen, daû den Landwirten durch<br />
Direktzahlungen E<strong>in</strong>kommensverluste ausgeglichen<br />
werden.<br />
Die <strong>SPD</strong> begrüût, daû die von <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission vorgeschlagene Reform<br />
<strong>der</strong> Agrarpolitik auch strukturpolitische<br />
Aufgaben berücksichtigt. Wir wollen, daû<br />
letztlich diese strukturpolitischen Aufgaben<br />
<strong>in</strong> die Strukturfonds überführt werden, um<br />
e<strong>in</strong>e kohärente Politik für die ländlichen<br />
Räume entwickeln zu können. Trotz <strong>der</strong><br />
Agrarreform von 1992 werden noch erhebliche<br />
f<strong>in</strong>anzielle Mittel für die Marktordnungen<br />
und damit für die Subventionierung<br />
<strong>der</strong> Agrarüberschüsse ausgegeben.<br />
E<strong>in</strong>e nachhaltige und kostensenkende<br />
Agrarpolitik ist bislang nur <strong>in</strong> Ansätzen zu<br />
erkennen. Verän<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d vor allem<br />
im Bereich <strong>der</strong> Markt- und Preispolitik<br />
sowie <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommens- und Umweltpolitik<br />
notwendig, um die durch die WTO-<br />
Vere<strong>in</strong>barungen vorgegebene weitere Integration<br />
<strong>der</strong> europäischen Agrarpolitik <strong>in</strong><br />
die Weltagrarmärkte und die anstehende<br />
Osterweiterung <strong>der</strong> EU erfolgreich umzusetzen,<br />
denn die östlichen Agrarlän<strong>der</strong> werden<br />
nie zu vernünftigen Haushaltskosten <strong>in</strong><br />
den heutigen grünen Markt <strong>in</strong>tegriert werden<br />
können.<br />
E<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Agrarpolitik ist deshalb<br />
dr<strong>in</strong>gend geboten. Gegenüber diesen Notwendigkeiten<br />
nehmen sich die Vorschläge<br />
<strong>der</strong> Europäischen Kommission eher<br />
71
escheiden aus. Die <strong>SPD</strong> kämpft für e<strong>in</strong>e<br />
Politik, die E<strong>in</strong>kommensaspekte sowie<br />
hohe Umwelt- und hohe Verbraucherstandards<br />
aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abstimmt.<br />
Als grundlegende Perspektive für e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> EU-Agrarpolitik schlagen<br />
wir e<strong>in</strong>e Teilliberalisierung <strong>der</strong> Agrarmärkte,<br />
d.h. das Abschmelzen von<br />
Marktordnungen und Exportsubventionen,<br />
vor. Um die zu erwartenden E<strong>in</strong>kommensverluste<br />
<strong>der</strong> Landwirte abzufe<strong>der</strong>n, müûte<br />
diese Teilliberalisierung mit e<strong>in</strong>er Flächenprämie<br />
komb<strong>in</strong>iert werden, wobei e<strong>in</strong><br />
bestimmter, festzulegen<strong>der</strong> Betrag pro<br />
Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche<br />
gezahlt würde.<br />
Alternativ könnte die weitere Liberalisierung<br />
<strong>der</strong> Agrarmärkte mit e<strong>in</strong>er Arbeitsprämie<br />
verbunden werden, d.h. es würde statt<br />
e<strong>in</strong>er Flächenprämie e<strong>in</strong> festzulegen<strong>der</strong><br />
Betrag je Vollzeitarbeitskraft gezahlt.<br />
Die Entlastung für den EU-Haushalt liegt<br />
bei e<strong>in</strong>er Teilliberalisierung bei etwa ca. 7,6<br />
Milliarden DM, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>sparungseffekt für<br />
Deutschland bei ca. 2,3 Milliarden DM.<br />
Bei e<strong>in</strong>er vollen Liberalisierung betrüge<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>spareffekt für den EU-Haushalt<br />
sogar 28,5 Mrd. DM, auf Deutschland<br />
berechnet 8,6 Mrd. DM.<br />
E<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> EU-Agrarpolitik muû<br />
umwelt- und verbraucherorientiert se<strong>in</strong>. So<br />
könnte jegliche Art <strong>der</strong> Agrarför<strong>der</strong>ung an<br />
die Erfüllung umweltorientierter M<strong>in</strong>deststandards<br />
durch die Empfänger gebunden<br />
se<strong>in</strong>, wie beispielsweise die E<strong>in</strong>haltung von<br />
Höchstgrenzen beim Viehbestand je Flächene<strong>in</strong>heit<br />
o<strong>der</strong> die Bereitstellung von<br />
Fläche für Naturschutz und Biotopvernetzung.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus könnten Investitionshilfen<br />
verstärkt dort e<strong>in</strong>gesetzt werden, wo<br />
Investitionen zur Verbesserung des<br />
Umweltschutzes o<strong>der</strong> zur Umstellung auf<br />
e<strong>in</strong>e umweltfreundliche Wirtschaftsweise<br />
getätigt werden.<br />
Die anstehenden WTO-Verhandlungen<br />
und die Osterweiterung <strong>der</strong> EU verlangen<br />
schon heute e<strong>in</strong>e konsequente und gründliche<br />
Reform <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen EU-Agrarpolitik.<br />
Die im Zusammenhang mit den<br />
72<br />
WTO-Verhandlungen beabsichtigte Liberalisierung<br />
wird zwangsläufig auch für die<br />
Agrarmärkte gravierende Konsequenzen<br />
haben. Die vergleichsweise hohen ökologischen,<br />
sozialen und hygienischen Standards<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Union dürfen durch die weitere<br />
Reform und <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> WTO-Verhandlungen<br />
nicht bee<strong>in</strong>trächtigt werden, son<strong>der</strong>n<br />
müssen <strong>in</strong> vollem Umfang erhalten<br />
bleiben. Die Belastung von Boden, Wasser<br />
und Luft s<strong>in</strong>d durch noch sorgsameren<br />
Umgang mit Düngemitteln und Pestiziden<br />
zurückzuführen, um diese lebenswichtigen<br />
Ressourcen auch für nachfolgende Generationen<br />
verfügbar zu halten.<br />
Die Reform <strong>der</strong> EU-Strukturpolitik<br />
Das vertragliche Ziel <strong>der</strong> EU ist nicht nur<br />
die Schaffung e<strong>in</strong>es europäischen B<strong>in</strong>nenmarktes<br />
und die Verwirklichung <strong>der</strong> Wirtschafts-<br />
und Währungsunion, son<strong>der</strong>n auch<br />
die Sicherung des wirtschaftlichen und<br />
sozialen Zusammenhalts. Um dieses Ziel<br />
e<strong>in</strong>er sozial verträglichen und regional ausgewogenen<br />
Wirtschaftsentwicklung zu<br />
erreichen, s<strong>in</strong>d nationale und europäische<br />
Anstrengungen notwendig.<br />
Die Strukturfonds haben sich zum wichtigen<br />
Solidar<strong>in</strong>strument <strong>der</strong> EU entwickelt.<br />
Mit ihrer Hilfe werden Maûnahmen zur<br />
Wirtschaftsentwicklung rückständiger<br />
Regionen und zur Bewältigung regionaler<br />
Strukturkrisen europäisch geför<strong>der</strong>t. Diese<br />
umfangreichen Mittel müssen <strong>in</strong> Zukunft<br />
noch gezielter und wirksamer e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden.<br />
Der erste Kohäsionsbericht <strong>der</strong> Kommission<br />
hat gezeigt, daû es zwar vielen Regionen<br />
<strong>in</strong> den wirtschaftlich schwächeren<br />
Mitgliedstaaten gelungen ist, den Entwicklungsrückstand<br />
zu den Wirtschaftszentren<br />
<strong>der</strong> Union zu verr<strong>in</strong>gern, gleichzeitig hat<br />
aber regionale Arbeitslosigkeit und soziale<br />
Spaltung ± auch als Folge verfehlter nationaler<br />
Politik ± <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den entwikkelten<br />
Industriestaaten und -regionen <strong>der</strong><br />
Union zugenommen.<br />
Nach Auffassung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> muû sich die<br />
europäische Strukturpolitik daher noch<br />
stärker auf die Schaffung dauerhafter
Arbeitsplätze konzentrieren Auûerdem<br />
muû die EU-Erweiterung und die Wirtschafts-<br />
und Währungsunion bei <strong>der</strong> Neugestaltung<br />
<strong>der</strong> Strukturfonds berücksichtigt<br />
werden. Um diese zu stärken, sollten die<br />
Mittel aus dem Kohäsionsfonds, <strong>der</strong> den<br />
Mitgliedstaaten mit e<strong>in</strong>em Pro-Kopf-Bruttosozialprodukt<br />
von weniger als 90 % des<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsdurchschnitts zur Erfüllung<br />
<strong>der</strong> Konvergenzkriterien zugute kommt,<br />
nach Beitritt <strong>der</strong> bisherigen Empfängerlän<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> die Währungsunion den Strukturfonds<br />
zugeleitet werden.<br />
E<strong>in</strong>e grundlegende Reform <strong>der</strong> Strukturfonds<br />
ist mit Blick auf das 1999 auslaufende<br />
EU-F<strong>in</strong>anzsystem und die beabsichtigte<br />
Erweiterung <strong>der</strong> EU von <strong>der</strong><br />
Europäischen Kommission vorgeschlagen<br />
worden. Heute beträgt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Bevölkerung, <strong>der</strong> <strong>in</strong> EU-För<strong>der</strong>gebieten<br />
lebt, 51 Prozent. Die nachhaltige Konzentration<br />
<strong>der</strong> Strukturfondsmittel auf die<br />
beson<strong>der</strong>s benachteiligten Regionen ist<br />
daher jetzt erfor<strong>der</strong>lich, damit e<strong>in</strong>e wirksame<br />
Strukturpolitik f<strong>in</strong>anzierbar bleibt.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird sich aber dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />
für Regionen, die aus <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung herausfallen<br />
± wo notwendig ± Übergangsregelungen<br />
vorzusehen, die allerd<strong>in</strong>gs zeitlich<br />
klar begrenzt se<strong>in</strong> müssen. Die weitere<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Neuen Län<strong>der</strong> ist für uns<br />
unverzichtbar. Für die Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Bevölkerung ist es allerd<strong>in</strong>gs notwendig,<br />
daû sich die EU auch mit den Regionen<br />
solidarisch zeigt, die von Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />
beson<strong>der</strong>s stark betroffen s<strong>in</strong>d. Die<br />
<strong>SPD</strong> wird sich dafür e<strong>in</strong>setzen, bei den<br />
weniger benachteiligten För<strong>der</strong>regionen<br />
e<strong>in</strong>e Reduzierung <strong>der</strong> Höhe für Zuschüsse<br />
durch Übergang zu Darlehensleistungen<br />
mit Z<strong>in</strong>ssubventionen abzufe<strong>der</strong>n.<br />
Diese Reform sollte mit e<strong>in</strong>er Entbürokratisierung<br />
verbunden se<strong>in</strong>. Zum Beispiel sollen<br />
die Geme<strong>in</strong>schafts<strong>in</strong>itiativen deutlich<br />
gestrafft und mit den Zielen <strong>der</strong> Strukturfonds<br />
abgeglichen werden.<br />
Perspektiven <strong>der</strong> AGENDA 2000<br />
Die AGENDA 2000 ist <strong>der</strong> Vorschlag <strong>der</strong><br />
Europäischen Kommission. Er legt M<strong>in</strong>-<br />
destbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Reformen dar, die<br />
notwendig s<strong>in</strong>d, damit die Erweiterung <strong>der</strong><br />
Europäischen Union gel<strong>in</strong>gen kann. Diese<br />
Erweiterung <strong>der</strong> EU, die wir befürworten,<br />
darf nicht durch die Unfähigkeit zu Reformen<br />
<strong>in</strong> den EU-Mitgliedstaaten vertan<br />
werden Die europäische Sozialdemokratie<br />
steht dafür, daû die groûe Aufgabe <strong>der</strong><br />
Osterweiterung s<strong>in</strong>nvoll vorbereitet und<br />
vollendet werden kann.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag: 8<br />
Bewertung des EU-Beschäftigungsgipfels<br />
Das Beschäftigungskapitel im Vertrag von<br />
Amsterdam muûte gegen den massiven<br />
Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Bundesregierung durchgesetzt<br />
werden. Ebenso war es beim Beschäftigungsgipfel<br />
vom 20./21. November 1997.<br />
Gegen den massiven Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
haben die an<strong>der</strong>en EU-Mitgliedsregierungen<br />
e<strong>in</strong>e europäische<br />
Beschäftigungsstrategie verankert und<br />
dabei das Konvergenzpr<strong>in</strong>zip auch für den<br />
Bereich <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
festgelegt.<br />
Die Bundesregierung fürchtet offensichtlich,<br />
daû sie sich mit ihrer verfehlten Wirtschafts-<br />
und F<strong>in</strong>anzpolitik auf EU-Ebene<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Bewertung und Kritik aussetzt.<br />
Sie hat deshalb versucht, die Festlegung<br />
konkreter Ziele mit allen Mitteln zu<br />
bekämpfen und z.B. bei den Zielen zur<br />
Bekämpfung von Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit<br />
unvertretbar lange Fristen<br />
verankert.<br />
Die Vere<strong>in</strong>barungen zur Bekämpfung <strong>der</strong><br />
Jugendarbeitslosigkeit s<strong>in</strong>d zu begrüûen,<br />
nach denen Jugendlichen nach sechs<br />
Monaten Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e beschäftigungsför<strong>der</strong>nde Maûnahme<br />
angeboten werden muû. Nicht<br />
akzeptabel ist aber <strong>der</strong> Zeitraum von fünf<br />
Jahren zur Umsetzung. Wer heute arbeitslos<br />
ist, muû diese Frist als Hohn empf<strong>in</strong>den.<br />
Wir for<strong>der</strong>n die Bundesregierung<br />
73
daher auf, umgehend dem Deutschen Bundestag<br />
e<strong>in</strong> Maûnahmebündel zur E<strong>in</strong>lösung<br />
dieser Verpflichtung vorzulegen.<br />
Vere<strong>in</strong>bart wurde, daû nach e<strong>in</strong>em Jahr<br />
Arbeitslosigkeit je<strong>der</strong> Langzeitarbeitslose<br />
Anspruch auf e<strong>in</strong>e beschäftigungsför<strong>der</strong>nde<br />
Maûnahme hat. Das Ziel, Arbeit statt<br />
Arbeitslosigkeit zu f<strong>in</strong>anzieren, entspricht<br />
den For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>. Die Bundesregierung<br />
hat aber durchgesetzt, daû zu den<br />
beschäftigungsför<strong>der</strong>nden Maûnahmen bei<br />
Langzeitarbeitslosen bereits ¹<strong>in</strong>dividuelle<br />
Berufsberatungª zählt. E<strong>in</strong>e solche Mogelpackung<br />
ist aber ke<strong>in</strong> Konzept zur<br />
Bekämpfung struktureller Arbeitslosigkeit.<br />
Dafür s<strong>in</strong>d beschäftigungsför<strong>der</strong>nde, qualifikationssichernde<br />
Maûnahmen das M<strong>in</strong>deste,<br />
um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû Langzeitarbeitslose<br />
gänzlich <strong>in</strong>s soziale Abseits abrutschen.<br />
Daû die Europäische Investitionsbank<br />
zusätzliches Risikokapital und z<strong>in</strong>sbegünstigte<br />
Darlehen für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />
Unternehmen bereitstellen wird, ist positiv.<br />
Wir begrüûen beson<strong>der</strong>s, daû die Sozialistische<br />
Fraktion im Europäischen Parlament<br />
e<strong>in</strong>en eigenen Beitrag <strong>der</strong> EU zur<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit im EU-<br />
Haushalt verankert hat.<br />
Bis zum nächsten Europäischen Rat <strong>in</strong><br />
Cardiff im Juni 1998 unter britischer EU-<br />
Ratspräsidentschaft müssen alle EU-Mitgliedsregierungen<br />
ihren nationalen beschäftigungspolitischen<br />
Aktionsplan zur Umsetzung<br />
<strong>der</strong> festgelegten Ziele vorlegen. Die<br />
Bundesregierung wird dies erneut als<br />
lästige Pflichtübung behandeln. Die <strong>SPD</strong><br />
wird deshalb e<strong>in</strong>en eigenen nationalen<br />
beschäftigungspolitischen Aktionsplan im<br />
Rahmen ihrer europäischen Beschäftigungsstrategie<br />
vorlegen, um die beschäftigungspolitischen<br />
Ziele <strong>in</strong> Deutschland<br />
umzusetzen. Dabei werden wir e<strong>in</strong>en<br />
Schwerpunkt zugunsten <strong>der</strong> Bekämpfung<br />
von Jugendarbeitslosigkeit und <strong>der</strong> Langzeitarbeitslosigkeit<br />
setzen.<br />
Wir wollen die Chancen <strong>der</strong> EU für die<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
nutzen. Wir verlangen die Koord<strong>in</strong>ierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />
74<br />
mit dem Ziel von mehr Beschäftigung.<br />
Solange diese Bundesregierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />
blockiert, können die Chancen <strong>der</strong> EU nur<br />
unzureichend genutzt werden.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag: Eu 29<br />
Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong><br />
Europäische Währungsunion<br />
Die <strong>SPD</strong> wird mit e<strong>in</strong>em klaren Bekenntnis<br />
zum EURO <strong>in</strong> den Bundestagswahlkampf<br />
1998 gehen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag: Eu 33<br />
Landesverband Bayern<br />
Chancengleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union<br />
In den 15 Mitgliedstaaten <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union s<strong>in</strong>d rund 190 Mio. <strong>der</strong> 370<br />
Mio. E<strong>in</strong>wohner weiblich. Frauen müûten<br />
also m<strong>in</strong>destens die Hälfte <strong>der</strong> politischen<br />
und gesellschaftlichen Verantwortung <strong>der</strong><br />
Europäischen Union tragen. Das ist aber<br />
<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Land verwirklicht. Es gibt nur<br />
unterschiedlich ausgeprägte Benachteiligungen<br />
von Frauen, gewachsen <strong>in</strong> patriarchalischen<br />
Strukturen <strong>in</strong> Jahrhun<strong>der</strong>ten ± ja<br />
Jahrtausenden ± von männlicher Dom<strong>in</strong>anz.<br />
Das ist <strong>in</strong> Bayern nicht an<strong>der</strong>s.<br />
In <strong>der</strong> Aktionsplattform <strong>der</strong> IV. Weltfrauenkonferenz<br />
von Pek<strong>in</strong>g wurden nur sehr<br />
langsame Verbesserungen an <strong>der</strong> Situation<br />
von Frauen festgestellt. Der Frauenanteil<br />
<strong>in</strong> den nationalen Parlamenten schwankt<br />
beträchtlich ± auch <strong>in</strong> Europa ± von knapp<br />
6 % <strong>in</strong> Griechenland und Frankreich bis zu<br />
41 % <strong>in</strong> Schweden! Das Europäische Parlament<br />
nimmt mit rund 27 % Frauenanteil<br />
e<strong>in</strong>e Spitzenposition e<strong>in</strong>. Je nach Fraktion<br />
und nationaler Delegation gibt es jedoch<br />
erhebliche Unterschiede. Tendenziell ist zu<br />
bemerken, daû <strong>in</strong> den l<strong>in</strong>ken Fraktionen
mehr Frauen vertreten s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> den rechten.<br />
Die sozialdemokratische Fraktion hat sich<br />
zum Ziel gesetzt, Frauen <strong>in</strong> alle Entscheidungsprozesse<br />
paritätisch e<strong>in</strong>zubeziehen,<br />
was weit mehr heiût als ¹nurª die Hälfte<br />
<strong>der</strong> Parlamentssitze. Parität und<br />
Geschlechterdemokratie heiût gleichberechtigte<br />
Beteiligung von Frauen <strong>in</strong> Kontroll-<br />
und Aufsichtsgremien aller Art, <strong>in</strong><br />
den Führungsetagen von Wirtschaft, Universitäten,<br />
Verwaltungen und Medien, <strong>in</strong><br />
den Gewerkschaften, den Gerichtshöfen,<br />
usw. Mit unserer Fraktionsvorsitzenden<br />
Paul<strong>in</strong>e Green und e<strong>in</strong>em Vorstand, <strong>der</strong> zu<br />
über 60 % aus Frauen besteht, gibt die<br />
<strong>SPD</strong>-Fraktion e<strong>in</strong>e glaubwürdiges Beispiel<br />
für Gleichstellung ab.<br />
Unsere Regierungen haben sich verpflichtet,<br />
die 350 Artikel <strong>der</strong> Aktionsplattform<br />
<strong>der</strong> IV. Weltfrauenkonferenz umzusetzen.<br />
Wir wollen nun konkrete Maûnahmen<br />
sehen, angefangen von Gesetzesän<strong>der</strong>ungen<br />
mit Elim<strong>in</strong>ierung von Geschlechterdiskrim<strong>in</strong>ierung<br />
je<strong>der</strong> Art bis zur Festlegung von<br />
positiven Aktionen, um Frauen zu för<strong>der</strong>n.<br />
Das 4. Aktionsprogramm zur Chancengleichheit<br />
und das Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d die<br />
Hauptpfeiler <strong>der</strong> europäischen Gleichstellungspolitik.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />
1. Die Verankerung und Präzisierung <strong>der</strong><br />
Chancengleichheit im Vertrag über die<br />
Europäische Union wurde von <strong>der</strong> Regierungskonferenz<br />
<strong>in</strong> Amsterdam beschlossen.<br />
Neben <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierungsklausel<br />
muû e<strong>in</strong>e Offensive<br />
zur Gleichstellung von Männern und<br />
Frauen gestartet werden. Die Ergänzung<br />
von Artikel 119 EU-Vertrag, Absatz 4,<br />
muû positive Maûnahmen zur Frauenför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> allen Bereichen des Arbeitsund<br />
Erwerbslebens eröffnen. Das Sozialprotokoll,<br />
das Bestandteil des EU-Vertrages<br />
wird, und die EU-Beschäftigungs<strong>in</strong>itiative<br />
müssen mit dem Ziel <strong>der</strong><br />
Verankerung <strong>der</strong> Chancengleichheit <strong>in</strong><br />
allen Politikbereichen, konsequent für<br />
Gleichstellung genutzt werden.<br />
2. E<strong>in</strong> Mitglied <strong>der</strong> Europäischen Kommission<br />
muû für Gleichstellung zuständig<br />
se<strong>in</strong> und die neue Politik <strong>der</strong> Chancengleichheit<br />
<strong>in</strong> allen Politikbereichen,<br />
das sogenannte Ma<strong>in</strong>stream<strong>in</strong>g, durch<br />
alle Ressorts koord<strong>in</strong>ieren.<br />
3. Frauen- bzw. Gleichstellungsm<strong>in</strong>isterräte<br />
müssen m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Ratspräsidentschaft<br />
tagen, d.h. m<strong>in</strong>destens<br />
zweimal jährlich.<br />
4. Die Mittel des 4. Aktionsprogramms für<br />
die Chancengleichheit wurden im M<strong>in</strong>isterrat<br />
auf Betreiben Deutschlands von<br />
60 Mio. ECU auf 30 Mio. ECU<br />
halbiert! Zudem wurden die Vergabekriterien<br />
so geän<strong>der</strong>t, daû jetzt e<strong>in</strong> ¹Beraten<strong>der</strong><br />
Ausschuûª, gebildet aus Regierungsvertretern,<br />
über die zu för<strong>der</strong>nden<br />
Projekte entscheidet. Wir verurteilen die<br />
Renationalisierung durch die H<strong>in</strong>tertür<br />
und for<strong>der</strong>n transparente und nachvollziehbare<br />
Vergabeentscheidungen.<br />
5. Die Mittel aus den Strukturfonds werden<br />
<strong>in</strong> Deutschland von den. Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
verwaltet. Sie müssen dem<br />
Grundsatz <strong>der</strong> Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung<br />
entsprechen. Das ist nicht <strong>in</strong> allen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> Fall. Manche Landesregierungen<br />
erschweren den Mittelabfluû<br />
durch unnötige Bürokratisierung.<br />
6. Alle EU-Institutionen müssen nach den<br />
Grundsätzen <strong>der</strong> Geschlechterdemokratie<br />
stärker mit Frauen besetzt se<strong>in</strong>.<br />
Diese Demokratisierung be<strong>in</strong>haltet<br />
Quotenregelungen ± auch für den Europäischen<br />
Gerichtshof und den Europäischen<br />
Rechnungshof. Beide Institutionen<br />
haben ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Frau <strong>in</strong><br />
Spitzenpositionen! Da die Nom<strong>in</strong>ierungen<br />
national erfolgen, müssen die Kriterien<br />
entsprechend geän<strong>der</strong>t werden.<br />
7. Bei allen Rahmenabkommen und Programmen<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union mit<br />
Drittstaaten müssen die Interessen <strong>der</strong><br />
Frauen stärker programmatisch und<br />
f<strong>in</strong>anziell berücksichtigt werden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
mit den Staaten Mittel- und<br />
Osteuropas und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit.<br />
75
8. Die Rahmenrichtl<strong>in</strong>ie zum Elternurlaub<br />
muû auch <strong>in</strong> Deutschland als <strong>in</strong>dividuelles<br />
Recht von Vätern und Müttern<br />
umgesetzt werden, mit Anrecht auf<br />
dreimonatige Unterbrechung <strong>der</strong><br />
Erwerbsarbeit. Die Bundesregierung<br />
muû ihre Vorbehalte diesbezüglich aufgeben,<br />
notfalls auf dem Klageweg über<br />
den Europäischen Gerichtshof dazu<br />
gezwungen werden.<br />
9. Die Richtl<strong>in</strong>ien zur Umkehr <strong>der</strong><br />
Beweislast bei Diskrim<strong>in</strong>ierung und zur<br />
Regelung <strong>der</strong> atypischen Arbeitsverhältnissen<br />
d.h. Teilzeitarbeit, müssen im<br />
M<strong>in</strong>isterrat verabschiedet werden. Die<br />
Bundesregierung muû unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Vorschläge des Europäischen<br />
Parlaments e<strong>in</strong>e aktive Rolle für<br />
diese Gesetzes<strong>in</strong>itiativen <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission übernehmen.<br />
10. Die Gruppe <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Europaabgeordneten,<br />
<strong>SPD</strong>-Bundestags- und -Landtagsfraktion<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, <strong>in</strong><br />
ihrer Öffentlichkeitsarbeit die Interessen<br />
und Belange von Frauen wie<strong>der</strong><br />
mehr <strong>in</strong>s Zentrum zu rücken und die<br />
Geschlechterdemokratie für die<br />
Wähler<strong>in</strong>nen als attraktive Zukunftsperspektive<br />
<strong>der</strong> Sozialdemokratie darzustellen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag Eu 38<br />
Kreisverband Emmend<strong>in</strong>gen<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Erweiterung <strong>der</strong> Kompetenzen<br />
des Europäischen Parlaments<br />
Um das Demokratiedefizit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union abzubauen, müssen die<br />
Rechte des Europäischen Parlaments ± als<br />
die von den Völkern <strong>der</strong> EU-Mitgliedstaaten<br />
direkt gewählte Volksvertretung ±<br />
wesentlich gestärkt und die Entscheidungsverfahren<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong>facher und für<br />
je<strong>der</strong>mann durchschaubar gestaltet werden.<br />
Dazu s<strong>in</strong>d notwendig:<br />
1. Das Europäische Parlament muû an <strong>der</strong><br />
Verabschiedung von Gesetzen und des<br />
76<br />
Haushalts <strong>in</strong> vollem Umfange gleichberechtigt<br />
mit dem M<strong>in</strong>isterrat beteiligt<br />
werden. Notwendig ist die Mitentscheidung<br />
des Europäischen Parlaments bei<br />
allen Rechtsvorschriften, die vom M<strong>in</strong>isterrat<br />
mit qualifizierter Mehrheit angenommen<br />
wurden.<br />
2. Wenn die Europäische Union gesetzgeberisch<br />
tätig wird, müssen Mehrheitsentscheidungen<br />
im M<strong>in</strong>isterrat die Regel<br />
werden.<br />
3. Das Europäische Parlament muû e<strong>in</strong><br />
Gesetzgebungsrecht erhalten.<br />
4. Diese komplizierten und verwirrend<br />
vielfältigen europäischen Gesetzgebungsverfahren<br />
müssen vere<strong>in</strong>facht werden.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> legislativen Entscheidungsverfahren<br />
ist auf e<strong>in</strong>e notwendige,<br />
für die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger verständliche<br />
Zahl zu reduzieren.<br />
5. Zu sämtlichen <strong>in</strong>ternationalen Verträgen<br />
und Vertragsän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union ist die Zustimmung des<br />
Europäischen Parlaments notwendig.<br />
6. In <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Aussen- und<br />
Sicherheitspolitik bedarf es <strong>der</strong> Kontrolle<br />
durch das Europäische Parlament.<br />
7. Das Europäische Parlament wählt den<br />
Präsidenten <strong>der</strong> Kommission aufgrund<br />
e<strong>in</strong>er vom M<strong>in</strong>isterrat vorgelegten Vorschlagsliste.<br />
Die Kommissionsmitglie<strong>der</strong><br />
werden vom Präsidenten und den nationalen<br />
Regierungen ernannt, die endgültige<br />
Zustimmung obliegt dem Europaparlament.<br />
8. Das Europaparlament hat das Recht, die<br />
Amtsenthebung e<strong>in</strong>es Kommissionsmitgliedes<br />
zu beantragen.<br />
9. Das Europäische Parlament muû allen<br />
Ernennungen im EuGH, im Europäischen<br />
Rechnungshof, beim Europol<br />
und im Direktorium des Europäischen<br />
Zentralbanksystems zustimmen können.<br />
Bei Vorschlägen und Ernennungen müssen<br />
Frauen gleichberechtigt berücksichtigt<br />
werden.<br />
(Überwiesen an die Kommission Europapolitik<br />
beim Parteitvorstand)
Antrag: Eu 39<br />
Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Verfassung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union/Grundgesetzän<strong>der</strong>ung<br />
für Volksabstimmung<br />
Die Landtagsfraktionen und die Bundestagsfraktion<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
1. auf die Bundesregierung dah<strong>in</strong>gehend<br />
e<strong>in</strong>zuwirken, daû <strong>in</strong> <strong>der</strong> am 29. März<br />
1998 <strong>in</strong> Tur<strong>in</strong> beg<strong>in</strong>nenden Regierungskonferenz<br />
zur Überprüfung des Vertrages<br />
von Maastricht nicht nur e<strong>in</strong> Kapitel<br />
Beschäftigungspolitik <strong>in</strong> den EU-Vertrag<br />
aufgenommen wird und diesem<br />
e<strong>in</strong>e Charta <strong>der</strong> Bürgerrechte und Sozialen<br />
Grundrechte vorangestellt wird, son<strong>der</strong>n<br />
festgelegt wird, daû bei <strong>der</strong> nächsten<br />
Fortentwicklung des europäischen<br />
Vertragswerks e<strong>in</strong>e Verfassung für die<br />
Europäische Union ausgearbeitet wird,<br />
die den Grundsätzen des demokratischen<br />
Rechts- und Sozialstaats und e<strong>in</strong>er<br />
fö<strong>der</strong>ativen Ordnung e<strong>in</strong>es Europäischen<br />
Bundesstaates gerecht wird.<br />
2. E<strong>in</strong>e Verfassung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union muû <strong>in</strong> Deutschland durch e<strong>in</strong>e<br />
Volksabstimmung bestätigt werden.<br />
(Ziffer 1: Überwiesen an die Kommission<br />
Europapolitik beim Parteivorstand<br />
Ziffer 2: Angenommen)<br />
Antrag: Eu 40<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />
Frauen<br />
Europäisches Jahr gegen<br />
Rassismus und Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit:<br />
Frauenrechte<br />
s<strong>in</strong>d Menschenrechte<br />
Die Europäische Konvention zum Schutz<br />
<strong>der</strong> Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />
von 1950 schreibt <strong>in</strong> Artikel 14 vor, daû<br />
alle geltenden Rechte und Freiheiten ohne<br />
Unterschied des Geschlechts, <strong>der</strong> Rasse,<br />
Hautfarbe, Religion, politischen o<strong>der</strong> sonstigen<br />
Anschauungen, nationaler o<strong>der</strong><br />
sozialer Herkunft, Zugehörigkeit zu e<strong>in</strong>er<br />
nationalen M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit, des Vermögens, <strong>der</strong><br />
Geburt o<strong>der</strong> des sonstigen Status gewährleistet<br />
se<strong>in</strong> müssen. Für 1997 wurde das<br />
¹Europäische Jahr gegen Rassismus und<br />
Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeitª ausgerufen, um sich<br />
mit <strong>der</strong> Bedrohung ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen,<br />
die von Rassismus und Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit<br />
gegen Menschenrechte und Demokratie<br />
ausgeht.<br />
Der Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte und<br />
Grundfreiheiten ist e<strong>in</strong> herausragen<strong>der</strong><br />
Wert europäischer Identität. Es vergeht<br />
jedoch ke<strong>in</strong> Tag, an dem nicht grob gegen<br />
diesen Grundwert verstoûen wird. Darunter<br />
zu leiden haben vor allem die rund sieben<br />
Millionen Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Auslän<strong>der</strong>,<br />
die <strong>in</strong> Deutschland leben. Etwa 43<br />
Prozent davon s<strong>in</strong>d Frauen, die oft zusätzliche<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierungen erdulden müssen.<br />
Frauenrechte werden häufig nicht als Menschenrechte<br />
def<strong>in</strong>iert. Menschenrechtsverletzungen<br />
gegen Frauen gelten daher <strong>in</strong><br />
Deutschland im Gegensatz zu den USA<br />
und Kanada nicht als asylbegründend. Die<br />
US-E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsbehörde erkennt h<strong>in</strong>gegen<br />
an, daû es Verfolgungsarten gibt, <strong>der</strong>en<br />
Opfer nur Frauen werden können. In<br />
Deutschland dagegen darf mit Schutz<br />
jedoch nur rechnen, wer unmittelbar von<br />
staatlicher Verfolgung betroffen ist. Hier<br />
zählt nicht das Schicksal von Frauen,<br />
± die als Mütter, Partner<strong>in</strong>nen, Schwestern<br />
o<strong>der</strong> sonstige Nahestehende von Oppositionellen<br />
auch dann verfolgt werden,<br />
wenn sie selbst politisch nicht aktiv s<strong>in</strong>d<br />
bzw. waren<br />
± Frauen, die Opfer von Massenvergewaltigungen<br />
werden<br />
± Frauen, die Opfer von Folter und sexuellen<br />
Übergriffen durch Polizei und an<strong>der</strong>e<br />
Hoheitsträger im Herkunftsland werden<br />
± Frauen, die fliehen, um genitalen Verstümmelungen,<br />
Zwangsverheiratungen,<br />
Mitgiftmorden, grausamen Unterdrückungen<br />
und Bestrafungen zu entgehen<br />
77
± Frauen, die Opfer von Menschenhändlern<br />
und <strong>der</strong> Zwangsprostitution zugeführt<br />
werden.<br />
Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> bekräftigt se<strong>in</strong>e For<strong>der</strong>ung,<br />
daû frauenspezifische Fluchtgründe<br />
als Asylgrund anerkannt werden müssen.<br />
Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> spricht sich für e<strong>in</strong> spezifisches<br />
Schatz- und Bleiberecht für Frauenhandelsopfer<br />
aus, das mit <strong>der</strong> EU- und<br />
Europaratsebene koord<strong>in</strong>iert und abgestimmt<br />
werden muû.<br />
Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die sozialdemokratischen<br />
Innenm<strong>in</strong>ister auf, geme<strong>in</strong>sam<br />
mit den Frauenm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong>nen und den<br />
Justizm<strong>in</strong>ister(<strong>in</strong>nen) unter H<strong>in</strong>zuziehung<br />
von Expert<strong>in</strong>nen und Experten von Polizei,<br />
Justiz, Auslän<strong>der</strong>behörden, Nichtregierungsorganisationen<br />
usw. e<strong>in</strong> Handlungskonzept<br />
zu entwickeln, das e<strong>in</strong>erseits Maûnahmen<br />
enthält, die auch ohne Beteiligung<br />
<strong>der</strong> Bundesebene durchgeführt werden<br />
können, und an<strong>der</strong>erseits Handlungsschritte<br />
aufzeigt, die ergriffen werden sollen,<br />
wenn <strong>in</strong> Bonn e<strong>in</strong> Machtwechsel herbeigeführt<br />
ist.<br />
Als Sofortmaûnahme ist e<strong>in</strong>e Korrektur des<br />
§ 19 des Auslän<strong>der</strong>gesetzes vorzunehmen,<br />
um ausländischen Ehefrauen auch nach<br />
kurzer Ehedauer e<strong>in</strong> eigenständiges Aufenthaltsrecht<br />
ohne die E<strong>in</strong>schränkungen <strong>der</strong><br />
jetzt geltenden Härtefallklausel zu ermöglichen,<br />
wenn sie Opfer ehelicher Gewalt<br />
werden.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag: EU 41<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Bonn-Poppelsdorf/Südstadt<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
Europol<br />
Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die sozialdemokratisch<br />
geführten Landesregierungen<br />
auf, <strong>der</strong> Ratifizierung des Immunitätsproto-<br />
78<br />
kolls zur EUROPOL-Konvention im Bundestag<br />
und Bundesrat <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden<br />
Fassung nicht zuzustimmen.<br />
Beim Aufbau von Polizeiorganen, die E<strong>in</strong>griffsrechte<br />
<strong>in</strong> bürgerliche Grundfreiheiten<br />
erhalten sollen bzw. ± wie bei Europol<br />
geplant ± langfristig eigene Ermitlungszuständigkeiten<br />
erhalten werden, ist e<strong>in</strong>e<br />
Rechtsgrundlage erfor<strong>der</strong>lich, die allen<br />
rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt.<br />
Sowohl bei <strong>der</strong> Europolkonvention selbst,<br />
als auch beim Immunitätsprotokoll für<br />
Europol-Beamte gilt, daû die Rechtsweggarantie<br />
durch die Zuständigkeit des EuGH<br />
für Europol gewährleistet werden muû.<br />
Ebenso ist e<strong>in</strong>e umfassende parlamentarische<br />
Kontrolle sowohl auf nationaler als<br />
auch auf europäischer Ebene zur Zeit nicht<br />
gewährleistet. Ohne e<strong>in</strong>e solche Kontrolle<br />
ist Europol jedoch nicht ausreichend<br />
demokratisch legitimiert.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag: Eu 42<br />
Unterbezirk Groû-Gerau<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
EU-Bürger als ehrenamtliche<br />
Arbeits-und Sozialrichter<br />
Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die Bundespartei auf,<br />
e<strong>in</strong>e gesetzliche Regelung zu bewirken, die<br />
künftig die Berufung von ausländischen<br />
bzw. EU-Bürger<strong>in</strong>nen und -Bürgern zu<br />
ehrenamtlichen Arbeits- und Sozialrichtern<br />
ermöglicht.<br />
(Angenommen und überwiesen an die Bundestagsfraktion)
Antrag Eu 43<br />
Landesverband Baden-Württemberg<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Stühl<strong>in</strong>ger<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Europäische Integration<br />
und gesamteuropäische<br />
Friedensordnung<br />
Mit dem Ende des Kalten Krieges und <strong>der</strong><br />
Blockkonfrontation, mit <strong>der</strong> Auflösung des<br />
¹Warschauer Paktesª und <strong>der</strong> Sowjetunion<br />
und mit den tiefgreifenden Reform- und<br />
Transformationsprozessen <strong>in</strong> Ost- und<br />
Südosteuropa hat sich das Bild Europas <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren stark verän<strong>der</strong>t. Acht<br />
Jahre nach dem Fall <strong>der</strong> Mauer und dem<br />
Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> tiefgreifenden europäischen<br />
Wandlungsprozesse muû e<strong>in</strong>e kritische<br />
Bilanz gezogen werden: Gibt es Gefahren<br />
für den europäischen Integrationsprozeû,<br />
und wie können wir ihnen begegnen? S<strong>in</strong>d<br />
wir auf dem richtigen Weg zu e<strong>in</strong>er<br />
Gesamteuropäischen Friedensordnung, wie<br />
sie die <strong>SPD</strong> schon frühzeitig gefor<strong>der</strong>t hat?<br />
Verfügen wir über die richtigen Instrumente<br />
und Methoden, um neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
für den Frieden <strong>in</strong> Europa<br />
begegnen zu können? Und welche Prioritäten<br />
s<strong>in</strong>d beim Aufbau e<strong>in</strong>es neuen Europa<br />
ohne Systemgrenzen und ohne soziale Verwerfungen<br />
zu setzen?<br />
NATO-Erweiterung und Gefährdung <strong>der</strong><br />
Europäische Integration<br />
Europa hat nach Jahrzehnten <strong>der</strong> Spaltung<br />
die Chance, e<strong>in</strong>e ungeteilte Geme<strong>in</strong>schaft<br />
von Staaten zu werden, getragen von<br />
geme<strong>in</strong>samen Werten und Pr<strong>in</strong>zipien sowie<br />
von wechselseitiger Solidarität und <strong>in</strong>ternationaler<br />
Verantwortung. Der Weg <strong>in</strong> die<br />
europäische Integration muû dabei e<strong>in</strong>hergehen<br />
mit dem Aufbau e<strong>in</strong>er Gesamteuropäischen<br />
Friedensordnung. Dieser Weg<br />
bleibt weiterh<strong>in</strong> bedroht, wie <strong>der</strong> zerstörerische<br />
Krieg <strong>in</strong> Jugoslawien mit se<strong>in</strong>en Folgen<br />
und <strong>der</strong> Zusammenbruch <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Ordnung <strong>in</strong> Albanien als warnende<br />
Beispiele gezeigt haben.<br />
Der NATO-Gipfel <strong>in</strong> Madrid hat die über<br />
die Jahre geführte Diskussion über e<strong>in</strong>e<br />
Osterweiterung <strong>der</strong> westlichen Allianz mit<br />
dem Aufnahmeangebot an die osteuropäischen<br />
Reformstaaten Polen, Tschechien<br />
und Ungarn zu e<strong>in</strong>em vorläufigen<br />
Abschluû geführt. Noch <strong>in</strong> diesem Jahr sollen<br />
die Beitrittsverträge mit den drei neuen<br />
Mitgliedsstaaten ausgehandelt werden,<br />
damit 1998 die notwendigen Ratifizierungsprozesse<br />
beg<strong>in</strong>nen können.<br />
Die Erweiterung des westlichen Bündnisses<br />
verfolgt das erklärte Ziel, mehr Sicherheit<br />
und Stabilität <strong>in</strong> ganz Europa zu schaffen.<br />
Aus heutiger Sicht ersche<strong>in</strong>t aber ke<strong>in</strong>eswegs<br />
sicher, ob dieses Ziel tatsächlich<br />
erreicht werden kann. Denn die Art und<br />
Weise, wie die Entscheidungsprozesse<br />
dabei abliefen, hat <strong>der</strong> gesamteuropäischen<br />
Integration und dem Zusammenhalt des<br />
Bündnisses selbst geschadet.<br />
Die <strong>SPD</strong> kritisiert <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
folgende Fehlentwicklungen:<br />
± Jahrelang gehörte es zu den Liebl<strong>in</strong>gsbeschäftigungen<br />
westlicher Politiker, sich<br />
<strong>in</strong> den Hauptstädten <strong>der</strong> Transformationsstaaten<br />
Ost- und Südosteuropas dafür<br />
feiern zu lassen, daû sie sich vor Ort mit<br />
Nachdruck für die Aufnahme des Gaststaates<br />
<strong>in</strong> die EU und <strong>in</strong> die NATO aussprachen;<br />
± E<strong>in</strong>e ernsthafte Diskussion darüber, ob<br />
e<strong>in</strong>e NATO-Osterweiterung überhaupt<br />
s<strong>in</strong>nvoll ist und wie man sie gestalten<br />
muû, ohne dabei Europa erneut zu spalten<br />
und ohne neue Rüstungsschübe auszulösen,<br />
hat dagegen we<strong>der</strong> im Bundestag<br />
noch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
stattgefunden;<br />
± Die Staaten des Westens lieûen es zu,<br />
daû e<strong>in</strong> regelrechtes Wettrennen unter<br />
den beitrittswilligen Staaten entstand,<br />
das diese jungen Demokratien <strong>in</strong> die<br />
Rolle von Bittstellern vor den Toren <strong>der</strong><br />
NATO drängte;<br />
± Als die Entscheidungsphase näherrückte,<br />
platzten die geweckten Erwartungen,<br />
während Taktik und egoistische Motive<br />
das Verhalten <strong>der</strong> NATO-Staaten prägte:<br />
79
Frankreich unterstützte Rumänien, um<br />
das frankophone Element <strong>in</strong> <strong>der</strong> Allianz<br />
zu stärken, zahlreiche amerikanische<br />
Politiker favorisierten Slowenien wegen<br />
se<strong>in</strong>er strategischen Bedeutung auf dem<br />
Balkan, die Bundesregierung legte sich<br />
aus taktischen Gründen bis zum Ende<br />
nicht fest, und schlieûlich faûte Präsident<br />
Cl<strong>in</strong>ton den vielfach als ¹Diktatª empfundenen<br />
Beschluû, die erste Runde auf<br />
Warschau, Prag und Budapest zu<br />
begrenzen;<br />
± Die NATO-Län<strong>der</strong> haben es zugelassen,<br />
daû parallel dazu von den politischen<br />
Klassen und Regierungen <strong>in</strong> den beitrittswilligen<br />
Reformlän<strong>der</strong>n stellenweise<br />
e<strong>in</strong>e regelrechte NATO-Hysterie entfacht<br />
wurde, wobei die Frage des E<strong>in</strong>lasses<br />
<strong>in</strong> das Bündnis schon gelegentlich<br />
zur Existenzfrage <strong>der</strong> jungen Demokratien<br />
hochstilisiert wurde;<br />
± Die Tatsache, daû die Alle<strong>in</strong>entscheidung<br />
Wash<strong>in</strong>gtons schlieûlich den Ausschlag<br />
gab und dabei u. a. das Votum von 9 <strong>der</strong><br />
16 NATO-Mitglie<strong>der</strong> zugunsten e<strong>in</strong>er<br />
Aufnahme Rumäniens beiseite schob, hat<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Reform des Bündnisses<br />
geschadet und jene Kritiker bestätigt, die<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> NATO bis heute <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie<br />
e<strong>in</strong> Macht- und E<strong>in</strong>fluû<strong>in</strong>strument <strong>der</strong><br />
Vere<strong>in</strong>igten Staaten auf europäischem<br />
Boden sehen und die sogenannte ¹Stärkung<br />
des europäischen Pfeilersª für<br />
blanke Illusion halten;<br />
± Die Madri<strong>der</strong> Entscheidung enttäuscht 9<br />
von 12 NATO-Bewerbern, die jetzt verstärkt<br />
für ihre baldige Aufnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
2. o<strong>der</strong> 3. Erweiterungsrunde werben<br />
und dabei erheblichen Druck auf die<br />
Allianz ausüben werden.<br />
Die NATO betont zwar den ¹offenen Prozeûª<br />
ihrer Erweiterung und damit die<br />
Chancen aller Bewerber, auch später noch<br />
dem Bündnis beizutreten, hat aber die Voraussetzungen<br />
für künftige Erweiterungsrunden<br />
bisher nicht schaffen können: Wie<br />
soll die Zustimmung Ruûlands zu weiteren<br />
Beitrittsrunden gewonnen werden, o<strong>der</strong><br />
will man notfalls das jetzt mühsam<br />
erreichte Agreement mit Moskau über die<br />
80<br />
Grundakte für die nächste Erweiterungsrunde<br />
aufs Spiel setzen? Wie läût sich vermeiden,<br />
daû jede weitere Mitglie<strong>der</strong>aufnahme<br />
das Ausgrenzungsproblem<br />
verschärft, <strong>in</strong>dem dann immer weniger<br />
europäische Län<strong>der</strong> auûerhalb <strong>der</strong> NATO<br />
bleiben, bis schlieûlich alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> komplett<br />
isoliertes Ruûland übrigbleibt?<br />
Im achten Jahr nach dem Ende <strong>der</strong> Blockkonfrontationen<br />
ist durch Fahrlässigkeit<br />
e<strong>in</strong>e Situation entstanden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich das<br />
¹Fenster <strong>der</strong> Gelegenheitª für e<strong>in</strong>e gesamteuropäische<br />
Integration und e<strong>in</strong>e echte<br />
Partnerschaft mit Ruûland zu schlieûen<br />
droht und damit die Hoffnung <strong>der</strong> Jugend<br />
Europas auf e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gesicherten<br />
und umfassenden Friedensordnung enttäuscht<br />
werden könnte.<br />
Den Europäischen Integrationsprozeû<br />
absichern<br />
Die <strong>SPD</strong> sieht e<strong>in</strong>en dr<strong>in</strong>genden Handlungsbedarf,<br />
um weiteren Schaden für den<br />
europäischen Integrationsprozeû durch die<br />
NATO-Erweiterung abzuwehren und wird<br />
im e<strong>in</strong>zelnen dabei folgende Ziele verfolgen:<br />
1) Wir brauchen e<strong>in</strong> Gesamtkonzept für<br />
die europäische Integration mit e<strong>in</strong>em verläûlichen<br />
und berechenbaren Fahrplan für<br />
alle europäischen Län<strong>der</strong>, <strong>der</strong> den Staaten,<br />
die bisher noch ausgeschlossen bleiben von<br />
den europäischen Institutionen, e<strong>in</strong>e<br />
sichere Perspektive bietet, ohne sie dabei <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Korsett unflexibler und dogmatischer<br />
For<strong>der</strong>ungen zu zw<strong>in</strong>gen.<br />
2) Europa darf nicht zulassen, daû die<br />
NATO und die Staaten, die ihre Aufnahme<br />
<strong>in</strong> das Bündnis anstreben, weiterh<strong>in</strong> ihre<br />
Hauptressourcen für das R<strong>in</strong>gen um die<br />
Erweiterung verbrauchen. Stattdessen muû<br />
die NATO sich jetzt darauf konzentrieren,<br />
ihren Wandel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ¹Neue NATOª, <strong>der</strong><br />
<strong>in</strong> Madrid bedauerlicherweise zu wenig<br />
vorangekommen ist, mit entschlossenen<br />
Schritten fortzusetzen, e<strong>in</strong>e vernünftige<br />
Arbeitsteilung mit den übrigen europäischen<br />
Sicherheits<strong>in</strong>stitutionen zu def<strong>in</strong>ieren<br />
und sich den drängenden Sicherheits-
problemen <strong>in</strong>nerhalb des Bündnisses und<br />
<strong>in</strong> Europa zuzuwenden.<br />
3) Der <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundakte NATO-Ruûland<br />
und <strong>der</strong> Charta NATO-Ukra<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>geschlagene<br />
Weg, bei den europäischen<br />
Integrationsprozessen den fairen Interessensausgleich<br />
und den Konsens mit <strong>der</strong><br />
Russischen Fö<strong>der</strong>ation und <strong>der</strong> Ukra<strong>in</strong>e<br />
zu suchen, muû unbed<strong>in</strong>gt fortgesetzt<br />
werden. Es war richtig und notwendig,<br />
bei <strong>der</strong> ersten Erweiterungsrunde <strong>der</strong><br />
NATO durch e<strong>in</strong> Paket von gegenseitigen<br />
Vere<strong>in</strong>barungen und Verpflichtungen das<br />
Vertrauen <strong>in</strong> Moskau und Kiew <strong>in</strong> die<br />
Sicherheits- und Stabilitätsziele des<br />
Westens so weit es g<strong>in</strong>g zu verstärken. Bei<br />
den weiteren Integrationsschritten darf es<br />
ke<strong>in</strong>e Abweichung von diesem Weg<br />
geben.<br />
4) Der Wettlauf zwischen den beitrittswilligen<br />
Reformstaaten Ost-und Südosteuropas<br />
um e<strong>in</strong>e NATO-Aufnahme, <strong>der</strong> diese<br />
Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Rolle von Bittstellern<br />
drängt, darf sich nach dem Gipfel von<br />
Madrid nicht fortsetzen. Diese Län<strong>der</strong><br />
haben e<strong>in</strong> Recht auf e<strong>in</strong>e verläûliche und<br />
berechenbare Perspektive für ihre Aufnahme<br />
<strong>in</strong> den europäischen Integrationsprozeû,<br />
für die sowohl die EU wie die<br />
NATO die notwendigen Voraussetzungen<br />
schaffen müssen.<br />
5) Die Defizite bei <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>der</strong><br />
EU auf ihre Erweiterung, die beklagenswerterweise<br />
auch nach dem Amsterdamer<br />
Gipfel weiterbestehen, müssen schon deshalb<br />
jetzt entschlossen beseitigt werden,<br />
weil sonst das Drängen <strong>der</strong> Transformationsstaaten<br />
Ost-und Südosteuropas <strong>in</strong> die<br />
NATO als Ersatz<strong>in</strong>tegrations<strong>in</strong>stitution<br />
noch zunehmen wird. Die EU, die jahrelang<br />
über Assoziationsverträge, Weiûbücher<br />
und Fragebögen die Reformlän<strong>der</strong> zu<br />
umfangreichen Assimilationsleistungen<br />
getrieben hat, muû jetzt endlich wie versprochen<br />
ihre eigene Integrationsfähigkeit<br />
herstellen und den entwürdigenden Streit<br />
um Kommissarposten und Stimmengewichte<br />
beenden.<br />
Die Chancen <strong>der</strong> Grundakte NATO-Ruûland<br />
nutzen<br />
Ohne die Grundakte NATO-Ruûland und<br />
die Charta NATO-Ukra<strong>in</strong>e kann die<br />
NATO ihr Ziel bei dem Erweiterungsprozeû,<br />
nämlich mehr Sicherheit und Stabilität<br />
<strong>in</strong> Europa zu schaffen, nicht erreichen. Die<br />
NATO-Ruûland-Akte enthält groûe Chancen<br />
und Möglichkeiten, das alte Konfrontationsverhältnis<br />
def<strong>in</strong>itiv zu beenden und<br />
e<strong>in</strong>e echte Partnerschaft mit Ruûland aufzubauen.<br />
Ob dieser ¹Quantensprungª <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> europäischen Sicherheitspolitik (Javier<br />
Solana) aber tatsächlich stattf<strong>in</strong>den wird,<br />
hängt von <strong>der</strong> praktischen Verwirklichung<br />
<strong>der</strong> Absichtserklärungen ab, die <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Grundakte zum Ausdruck gebracht wurden.<br />
Um die Grundakte mit Leben zu füllen<br />
und ihre Chancen zu nutzen, hält die <strong>SPD</strong><br />
folgende konkreten Maûnahmen und Initiativen<br />
für erfor<strong>der</strong>lich:<br />
1) Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundakte vere<strong>in</strong>barte Stärkung<br />
<strong>der</strong> OSZE, <strong>der</strong> nach dem Dokument<br />
als e<strong>in</strong>ziger gesamteuropäischer Sicherheitsorganisation<br />
e<strong>in</strong>e ¹Schlüsselrolle für<br />
Frieden und Stabilität <strong>in</strong> Europaª<br />
zukommt, muû tatsächlich ohne Verzug<br />
erfolgen. Die <strong>SPD</strong> verlangt seit langem,<br />
die Fähigkeiten <strong>der</strong> OSZE zur Krisenprävention<br />
und zur nichtmilitärischen Konfliktlösung<br />
auszubauen und stärker zu nutzen.<br />
Die <strong>SPD</strong> erwartet von <strong>der</strong><br />
Bundesregierung, daû diese noch im Jahr<br />
1997 e<strong>in</strong>en Bericht darüber vorlegt, wie sie<br />
<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit den an<strong>der</strong>en europäischen<br />
Regierungen den Ausbau und die<br />
Funktionserweiterung <strong>der</strong> OSZE vorantreiben<br />
wird.<br />
2) Der neuzubildende ¹Ständige Geme<strong>in</strong>same<br />
NATO-Ruûland-Ratª muû tatsächlich<br />
das Gremium werden, <strong>in</strong> dem alle<br />
Friedens-und Sicherheitsprobleme <strong>in</strong><br />
geme<strong>in</strong>samer Verantwortung beraten werden.<br />
Die <strong>SPD</strong> wendet sich gegen schon<br />
jetzt erkennbare Tendenzen konservativer<br />
Bedenkenträger, die Kompetenzverlagerungen<br />
auf den ohne Ruûland tagenden Nordatlantikrat<br />
anstreben, um die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grund-<br />
81
akte vorgesehenen Mitspracherechte Ruûlands<br />
bei europäischen Sicherheitsfragen zu<br />
beschneiden.<br />
3) Die <strong>SPD</strong> ist darüber besorgt, daû auch<br />
nach Unterzeichnung <strong>der</strong> Grundakte durch<br />
Präsident Jelz<strong>in</strong> <strong>in</strong> Paris am 27. Mai 1997<br />
<strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand <strong>in</strong> <strong>der</strong> Russischen Staatsduma<br />
und im Fö<strong>der</strong>ationsrat gegen die<br />
NATO-Osterweiterung und die Kritik an<br />
dem Grundakten-Dokument anhalten. Wir<br />
nehmen die russische Demokratie ernst<br />
und warnen davor, sich im weiteren alle<strong>in</strong><br />
auf das E<strong>in</strong>verständnis mit <strong>der</strong> russischen<br />
Führung zu stützen. Der Westen muû<br />
se<strong>in</strong>e Kontakte und se<strong>in</strong>en Dialog mit den<br />
Abgeordneten von Staatsduma und Fö<strong>der</strong>ationsrat<br />
verstärken und für den <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Grundakte angelegten Vertrauensprozeû<br />
aktiv werben. Dasselbe gilt für den ¹Obersten<br />
Ratª <strong>in</strong> Kiew, das Parlament <strong>der</strong><br />
Ukra<strong>in</strong>e.<br />
4) Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Russische Staatsduma<br />
auf, endlich den START II-Vertrag,<br />
das Chemiewaffenübere<strong>in</strong>kommen und den<br />
Open-Skies-Vertrag zu ratifizieren. Die<br />
Zustimmung zu diesen Abrüstungs- und<br />
Rüstungskontrollverträgen von weltweiter<br />
Bedeutung, die z.T. schon länger als vier<br />
Jahre auf ihre Verwirklichung warten, entspricht<br />
dem Geiste <strong>der</strong> Grundakte. Nach<br />
Unterzeichnung <strong>der</strong> Grundakte läût sich<br />
e<strong>in</strong>e Verweigerung <strong>der</strong> Ratifizierung mit<br />
dem H<strong>in</strong>weis auf die Osterweiterung des<br />
westlichen Bündnisses nicht länger rechtfertigen.<br />
5) Ke<strong>in</strong>es <strong>der</strong> Reformlän<strong>der</strong> Ost- und Südosteuropas<br />
wird <strong>der</strong>zeit von auûen bedroht.<br />
Dies gilt auch für die jetzt zum NATO-<br />
Beitritt e<strong>in</strong>geladenen Län<strong>der</strong> Polen, Tschechien<br />
und Ungarn. Spannungen zwischen<br />
Nachbarlän<strong>der</strong>n konnten <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren durch e<strong>in</strong> Netz bilateraler Verträge<br />
<strong>in</strong> erfreulicher Weise abgebaut werden. Vor<br />
dem H<strong>in</strong>tergrund dieser positiven Entwicklung<br />
läût sich ke<strong>in</strong>e zusätzliche Rüstungsmaûnahme<br />
im Kontext mit <strong>der</strong> NATO-<br />
Osterweiterung rechtfertigen. Wie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Grundakte vorgesehen, muû die Erweiterung<br />
<strong>der</strong> Allianz den Weg zu weiteren<br />
Abrüstungszielen ebnen und über die<br />
82<br />
geme<strong>in</strong>same Organisation von Sicherheit<br />
zu E<strong>in</strong>sparungen bei den Verteidigungshaushalten<br />
<strong>der</strong> NATO und ihrer Mitglie<strong>der</strong><br />
fahren.<br />
6) Die <strong>SPD</strong> unterstützt e<strong>in</strong>en dauerhaften<br />
und verb<strong>in</strong>dlichen Verzicht auf die Stationierung<br />
von Atomwaffen und Truppenverbänden<br />
des Bündnisses <strong>in</strong> den neuen Mitgliedslän<strong>der</strong>n.<br />
Um die Beistandsgarantien<br />
nach dem Wash<strong>in</strong>gtoner Vertrag erfüllen<br />
zu können, reichen die <strong>der</strong>zeitigen militärischen<br />
Mittel <strong>der</strong> Allianz aus und bedürfen<br />
ke<strong>in</strong>er Erweiterung. Die <strong>SPD</strong> wendet sich<br />
gegen amerikanische Pläne, <strong>in</strong> gröûerem<br />
Umfang schnell bewegliche Verstärkungskräfte<br />
und zusätzliche Staffeln von Kampfflugzeugen<br />
<strong>in</strong> Westeuropa zur Bekräftigung<br />
<strong>der</strong> Beistandsgarantien bereitzustellen. Solche<br />
Rüstungsmaûnahmen f<strong>in</strong>den <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>zeitigen Bedrohungssituation ke<strong>in</strong>erlei<br />
Rechtfertigung und provozieren Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />
über die Kostenfrage <strong>der</strong><br />
NATO-Erweiterung. Die <strong>SPD</strong> lehnt auch<br />
die rasche Ausrüstung <strong>der</strong> neuen Mitgliedsstaaten<br />
mit mo<strong>der</strong>nen und teuren westlichen<br />
Kampfflugzeugen und Luftabwehrsystemen,<br />
wie sie die US-Regierung for<strong>der</strong>t,<br />
entschieden ab. Das massive Auftreten von<br />
Aquisiteuren westlicher Rüstungskonzerne<br />
<strong>in</strong> Osteuropa, um sich im Zuge <strong>der</strong> Osterweiterung<br />
<strong>der</strong> Allianz rechtzeitig Anteile an<br />
e<strong>in</strong>em künftig lukrativen Rüstungsmarkt zu<br />
sichern, schadet dem Ansehen des Westens,<br />
den Reformen <strong>in</strong> den Beitrittslän<strong>der</strong>n und<br />
den Zielen <strong>der</strong> europäischen Integration.<br />
7) Die NATO-Ruûland-Akte widmet Fragen<br />
<strong>der</strong> konventionellen Abrüstung <strong>in</strong><br />
Europa breitesten Raum. Tatsächlich entscheidet<br />
sich <strong>in</strong> Wien bei den KSE-Anpassungsverhandlungen,<br />
die im Januar 1997<br />
begonnen haben, ob die Osterweiterung<br />
<strong>der</strong> NATO neue Rüstungswellen auslöst<br />
o<strong>der</strong> neue Ziele für den bisher so erfolgreichen<br />
Prozeû <strong>der</strong> konventionellen Abrüstung<br />
vorgibt. Die <strong>SPD</strong> unterstützt Vorschläge,<br />
die von <strong>der</strong> veralteten, aus <strong>der</strong> Zeit<br />
des Kalten Krieges stammenden Gruppenzählweise<br />
wegführen. Die westlichen Vorschläge<br />
dürfen sich aber nicht alle<strong>in</strong> darauf<br />
beschränken, den KSE-Prozeû mit den<br />
Interessen <strong>der</strong> NATO-Osterweiterung
kompatibel zu machen. Pr<strong>in</strong>zipien wie Stabilität<br />
durch Gleichgewicht und technische<br />
Nichtangriffsfähigkeit dürfen nicht aufgegeben<br />
werden. Das KSE-Vertragswerk muû<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft luftbewegliche Kräfte<br />
begrenzen und darf <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Wirksamkeit<br />
nicht durch die Bildung massiver, schnell<br />
beweglicher Verstärkungskräfte unterlaufen<br />
werden. Die Bundesregierung wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
noch vor Jahresende ihre Vorstellungen<br />
zur Zukunft des KSE-Prozesses im<br />
Deutschen Bundestag und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
zur Diskussion zu stellen.<br />
Die gefährliche Reduktion <strong>der</strong> europäischen<br />
Sicherheitspolitik aufbrechen<br />
Die bisherigen Kontroversen um die<br />
NATO-Osterweiterung haben die europäische<br />
Sicherheitspolitik <strong>in</strong> gefährlicher<br />
Weise auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Thema reduziert<br />
und dabei erhebliche Ressourcen gebunden,<br />
die dadurch für an<strong>der</strong>e Aufgaben nicht<br />
zur Verfügung standen. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Europa<br />
und im Bündnisgebiet (von an<strong>der</strong>en Weltregionen<br />
ganz zu schweigen) haben sich<br />
aber <strong>in</strong>zwischen ernste Probleme aufgetürmt.<br />
Der erschreckende Stillstand im<br />
bosnischen Friedensprozeû, das Chaos <strong>in</strong><br />
Albanien, die politischen Wirren <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Türkei, das auf Entschärfung wartende<br />
Pulverfaû Zypern ± das s<strong>in</strong>d alles Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
die sich durch die Erweiterung<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> NATO-Mitglie<strong>der</strong> nicht<br />
lösen lassen. Die <strong>SPD</strong> ist besorgt über das<br />
Versagen <strong>der</strong> Krisenprävention, über den<br />
Mangel an Autorität, um e<strong>in</strong>mal beschlossene<br />
Friedensverträge auch durchzusetzen,<br />
und über die Gefahren, die aus dem Verhalten<br />
e<strong>in</strong>iger Bündnismitglie<strong>der</strong> resultieren.<br />
Ohne Sofortmaûnahmen, die noch <strong>in</strong><br />
diesem Jahr greifen müssen, wird <strong>der</strong> Dayton-Prozeû<br />
scheitern und damit <strong>der</strong><br />
gesamte europäische Integrationsprozeû <strong>in</strong><br />
Frage gestellt.<br />
Um aus dieser Lage herauszukommen, for<strong>der</strong>t<br />
die <strong>SPD</strong>:<br />
1) Sicherheitspolitik <strong>in</strong> Europa muû sich<br />
endlich wie<strong>der</strong> mit Sicherheitsfragen statt<br />
mit Beitrittsfragen beschäftigen. Die<br />
Reduktion auf die NATO und das Beitrittsthema<br />
muû aufgebrochen werden.<br />
2) Europa muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e wirksamere Krisenprävention<br />
<strong>in</strong>vestieren, wie <strong>der</strong> Flächenbrand<br />
<strong>der</strong> Instabilitäten <strong>in</strong> ganz Südosteuropa<br />
und beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Albanien gezeigt<br />
hat. Die besten Voraussetzungen zur wirksamen<br />
Früherkennung von Sicherheitsrisiken<br />
und zur Krisenprävention br<strong>in</strong>gt die<br />
OSZE mit sich. In Umkehrung <strong>der</strong><br />
bestehenden Trends müssen Mittel aus<br />
Rüstungsetats zugunsten <strong>der</strong> Friedensforschung<br />
und Friedenserziehung sowie zur<br />
Ausbildung von Fachleuten für nichtmilitärische<br />
Konfliktlösungen und zur Aufstellung<br />
von zivilen Friedenscorps umgewidmet<br />
werden.<br />
3) Die Entwicklung <strong>in</strong> Südosteuropa läût<br />
sich nicht länger durch die Entsendung<br />
von bewaffneten Expeditionscorps zur<br />
Schadensbegrenzung beantworten. Notwendig<br />
ist die Entwicklung e<strong>in</strong>er politischen<br />
Gesamtstrategie für Südosteuropa,<br />
die Wirkungen wie e<strong>in</strong>e Art regionaler<br />
Marshall-Plan entfaltet, um das politische,<br />
ökonomische und soziale Abdriften dieses<br />
Teils von Europa aufzuhalten.<br />
4) Die EU muû das gefährliche Autoritäts-<br />
Vakuum <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen Auûen- und<br />
Sicherheitspolitik beseitigen und mit <strong>der</strong><br />
Entwicklung e<strong>in</strong>er ¹Geme<strong>in</strong>samen Auûenund<br />
Sicherheitspolitikª (GASP) endlich die<br />
Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />
europäische Friedens- und Integrationspolitik<br />
schaffen.<br />
5) Die Vere<strong>in</strong>ten Nationen müssen <strong>in</strong> ihrer<br />
Verantwortung und Fähigkeit zur Durchführung<br />
friedenserhalten<strong>der</strong> Maûnahmen<br />
gestärkt werden.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Kommission Auûen- und Sicherheitspolitik<br />
beim Parteivorstand)<br />
83
Innovations-, Wirtschafts-, Beschäftigungsund<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
Antrag I44<br />
Parteivorstand<br />
Innovationen für Deutschland<br />
A Innovationen für Deutschland<br />
1. Wir setzen auf Innovation <strong>in</strong> Wirtschaft,<br />
Staat und Gesellschaft<br />
2. Die Wachstumskräfte stärken ± wir<br />
brauchen e<strong>in</strong>e Innovationspolitik für<br />
die Zukunft<br />
3. Innovationspolitik mit breitem<br />
B<br />
Ansatz und langem Atem<br />
Innovationsfel<strong>der</strong> für die Zukunft<br />
1. Forschung und Technologie stärken<br />
2. Bildung ist die Schlüsselressource<br />
für die Zukunft<br />
3. Arbeitsorganisation und Arbeitsmarkt<br />
weiterentwickeln<br />
4. Den Mittelstand als Innovationsträger<br />
stärken, Existenzgründungen<br />
för<strong>der</strong>n<br />
5. Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
voranbr<strong>in</strong>gen<br />
6. Den Dienstleistungssektor systematisch<br />
entwickeln<br />
7. Staat und Verwaltung <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Gesellschaft<br />
8. Neuen Konsens für e<strong>in</strong>e neue<br />
Sozialstaatlichkeit organisieren<br />
Die Bewältigung <strong>der</strong> vor uns liegenden<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen ist nicht durch Festhalten<br />
am Hergebrachten möglich. Wir<br />
Sozialdemokraten wollen zukunftsorientierte<br />
Antworten geben. Wir wollen Visionen<br />
formulieren, Kräfte bündeln und<br />
Anstöûe für die Entfaltung privater Initiative<br />
geben. Wir wollen Mut machen, die<br />
neuen Aufgaben zu lösen und dabei soziale<br />
Gerechtigkeit, Sicherheit und Arbeit für<br />
84<br />
alle schaffen. Wir wollen die Innovationskräfte<br />
<strong>in</strong> Technik, Wissenschaft und Qualifikation<br />
mobilisieren und die Bereitschaft<br />
für Verän<strong>der</strong>ungen stärken.<br />
Innovationen <strong>in</strong> Wirtschaft, Staat und<br />
Gesellschaft s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Schlüssel für die<br />
Schaffung neuer Arbeitsplätze, für die<br />
Sicherung <strong>der</strong> sozialen Stabilität und für<br />
e<strong>in</strong>e zukunftsfähige Entwicklung Deutschlands:<br />
± Mit <strong>der</strong> Stärkung von Forschung und<br />
Wissenschaft wollen wir dafür sorgen,<br />
daû Deutschland mit neuen Zukunftstechnologien<br />
die Zukunftsmärkte<br />
erobert. Spitzenprodukte zu wettbewerbsfähigen<br />
Preisen, das ist die Chance<br />
<strong>der</strong> deutschen Wirtschaft im globalen<br />
Wettbewerb.<br />
± Mit e<strong>in</strong>er groûangelegten Bildungsoffensive<br />
wollen wir erreichen, daû die<br />
Deutschen wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e führende Bildungsnation<br />
werden. Ausbildung und<br />
Qualifikation s<strong>in</strong>d die wichtigste Investition<br />
für die Zukunft unseres Landes.<br />
± Mit e<strong>in</strong>er Mo<strong>der</strong>nisierung des Arbeitsmarktes<br />
und e<strong>in</strong>er beschäftigungsorientierten<br />
Tarifpolitik s<strong>in</strong>d mehr Wachstum<br />
und mehr Beschäftigung zu schaffen.<br />
Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik<br />
müssen geme<strong>in</strong>sam neue Wege gehen,<br />
um die Arbeitslosigkeit zu überw<strong>in</strong>den.<br />
± Mit e<strong>in</strong>er gezielten Mittelstandspolitik<br />
wollen wir Innovation, Ausbildung und<br />
Beschäftigung stärken. Deutschland<br />
braucht e<strong>in</strong>e neue Grün<strong>der</strong>welle.<br />
± Mit e<strong>in</strong>er ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft schaffen wir zukunftssichere<br />
Arbeitsplätze und sichern die<br />
natürlichen Lebensgrundlagen für kommende<br />
Generationen. E<strong>in</strong>e marktwirtschaftliche<br />
Innovations- und Umweltpolitik<br />
gibt Anreize für neue Technologien<br />
und für neue Märkte.
± Mit e<strong>in</strong>er Weiterentwicklung des Dienstleistungssektors<br />
wollen wir neue<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten erschlieûen.<br />
E<strong>in</strong>e neue Dienstleistungskultur schafft<br />
nicht nur neue Arbeitsplätze, son<strong>der</strong>n<br />
auch neue Lebensqualität.<br />
± Mit dem Abbau überflüssiger Bürokratie<br />
und e<strong>in</strong>er Neubestimmung staatlicher<br />
Leistungen wollen wir die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für neue Arbeitsplätze<br />
verbessern. E<strong>in</strong> wirtschaftlicher und bürgernaher<br />
Staat ist unverzichtbare Voraussetzung<br />
für e<strong>in</strong>e leistungsfähige Wirtschaft.<br />
± Mit e<strong>in</strong>er Reform des Sozialstaates wollen<br />
wir die sozialen Sicherungssysteme<br />
stabilisieren und die Zielgenauigkeit<br />
staatlicher Hilfen verbessern. Die solidarische<br />
Gesellschaft braucht e<strong>in</strong> Gleichgewicht<br />
von sozialer Sicherung und Eigenverantwortung.<br />
A. Innovationen für Deutschland<br />
1. Wir setzen auf Innovation <strong>in</strong> Wirtschaft,<br />
Staat und Gesellschaft<br />
Deutschland ist Teil e<strong>in</strong>es weltweiten Wandels<br />
<strong>der</strong> Arbeits- und Lebensbed<strong>in</strong>gungen.<br />
Wie immer wir die Gesellschaft von morgen<br />
bezeichnen ± ob als Informations-,<br />
Wissens- o<strong>der</strong> Dienstleistungsgesellschaft ±<br />
e<strong>in</strong>es ist schon heute sicher: Mit e<strong>in</strong>er bloûen<br />
Fortschreibung <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />
Politik werden wir die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts nicht meistern können.<br />
Dies gilt für alle gesellschaftlichen<br />
Bereiche, für das Beschäftigungssystem<br />
ebenso wie für das Bildungs- und Wissenschaftssystem<br />
und die soziale Sicherheit.<br />
Deutschland braucht e<strong>in</strong>en Aufbruch nach<br />
vorne und e<strong>in</strong>en Politikwechsel. Wir setzen<br />
auf Innovationen <strong>in</strong> Wirtschaft, Staat und<br />
Gesellschaft. Nur so werden wir die Chancen<br />
des technologischen, ökonomischen<br />
und gesellschaftlichen Wandels nutzen<br />
können. Wir haben Chancen zur Sicherung<br />
und Mehrung des erreichten Wohlstands,<br />
Chancen für neue Arbeitsplätze und für<br />
e<strong>in</strong>en verantwortlichen Umgang mit <strong>der</strong><br />
Natur, Chancen für e<strong>in</strong>en neuen sozialen<br />
Konsens, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong> Gerechtigkeit und<br />
Sicherheit schafft. Diese Chancen wollen<br />
wir nutzen.<br />
An <strong>der</strong> Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t stellen<br />
sich <strong>der</strong> Sozialdemokratie neue Aufgaben.<br />
Erneut geht es darum, Verän<strong>der</strong>ungen<br />
und ihre Auswirkungen so zu gestalten,<br />
daû Menschenwürde, Wohlstand, Bildung<br />
und Sicherheit für alle gewährleistet s<strong>in</strong>d.<br />
Mit e<strong>in</strong>er neuen Politik wollen wir die<br />
Ziele <strong>der</strong> europäischen Aufklärung und <strong>der</strong><br />
europäischen Sozialdemokratie Freiheit,<br />
Gerechtigkeit, Solidarität und Teilhabe verwirklichen.<br />
Ökonomische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
und soziale Mo<strong>der</strong>nität müssen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang<br />
stehen.<br />
Für diese Ziele wollen wir arbeiten. Um<br />
sie zu erreichen, müssen wir Deutschlands<br />
Stellung im Bereich wichtiger Spitzentechnologien<br />
verbessern und unser Bildungssystem<br />
e<strong>in</strong>schlieûlich <strong>der</strong> Hochschulen und<br />
<strong>der</strong> Weiterbildung effektiver und beweglicher<br />
gestalten. Wir wollen helfen, daû<br />
Erf<strong>in</strong>dungen schneller <strong>in</strong> Produkte und<br />
Dienstleistungen umgesetzt werden, Unternehmensgründungen<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>novativen Bereichen<br />
för<strong>der</strong>n, effizienter mit Energie und<br />
Rohstoffen umgehen, und die Organisationsstrukturen<br />
von Unternehmen und Staat<br />
verbessern. Deutschland und Europa haben<br />
gute Voraussetzungen, um im weltweiten<br />
Wettbewerb erfolgreich zu se<strong>in</strong> ± vor allem<br />
die Qualifikationen <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer.<br />
Innovationen bedeuten oft Abkehr vom<br />
Gewohnten. In den letzten Jahren wurde<br />
die Diskussion um Globalisierung <strong>in</strong>strumentalisiert,<br />
um den Reichtum unserer<br />
Gesellschaft umzuverteilen, um soziale Leistungen<br />
zu kürzen, um an Forschung und<br />
Ausbildung zu sparen. Die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft wird<br />
nicht mit konservativen Konzepten von<br />
gestern gel<strong>in</strong>gen. Deutschland kann se<strong>in</strong>e<br />
Wettbewerbsfähigkeit nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Kostensenkungswettlauf sichern. Wir müssen<br />
uns vielmehr auf unsere Stärken und<br />
Tugenden bes<strong>in</strong>nen: Erf<strong>in</strong><strong>der</strong>geist und Leistungsbereitschaft,<br />
Qualifikation und tech-<br />
85
nologischer Vorsprung, Diszipl<strong>in</strong> und<br />
Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n.<br />
Die Antwort auf die Globalisierung erfor<strong>der</strong>t<br />
aktive Pionierarbeit auf neuen Gütermärkten,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Produkt- und Verfahrens<strong>in</strong>novation<br />
und bei <strong>der</strong> Reform des Staates<br />
sowie des Bildungs- und Forschungssystems.<br />
Notwendig ist zudem e<strong>in</strong>e bessere<br />
und <strong>in</strong>tensivere europäische Zusammenarbeit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Handels- und Währungs- sowie<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungs- und Technologiepolitik.<br />
Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik<br />
setzt auch auf e<strong>in</strong>e solidarische <strong>in</strong>ternationale<br />
Zusammenarbeit. Wir plädieren dafür,<br />
die soziale und ökologische Marktwirtschaft<br />
zur Grundlage zu machen. Denn wo<br />
<strong>der</strong> Verlust nationaler Kompetenz nicht<br />
durch <strong>in</strong>ternationale Regeln ausgeglichen<br />
wird, gilt das Recht des Stärkeren. Deshalb<br />
brauchen wir <strong>in</strong>ternationale Vere<strong>in</strong>barungen<br />
auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union, <strong>der</strong> OECD, auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong><br />
Welthandelsorganisation und des <strong>in</strong>ternationalen<br />
Währungsfonds sowie <strong>der</strong> Internationalen<br />
Arbeitsorganisation (ILO).<br />
Vor allem aber braucht e<strong>in</strong>e erfolgversprechende<br />
Innovationsstrategie e<strong>in</strong>e dialogorientierte<br />
Wirtschaftspolitik, die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
verbessert und die Teilhabe<br />
breiter Schichten <strong>der</strong> arbeitenden Bevölkerung<br />
am Haben und Sagen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
ermöglicht.<br />
Die Erfolge <strong>der</strong> sozialdemokratischen Parteien<br />
<strong>in</strong> Frankreich und Groûbritannien<br />
zeigen, daû immer mehr Bürger<strong>in</strong>nen und<br />
Bürger Europas <strong>der</strong> Sozialdemokratie vertrauen,<br />
die groûen Verän<strong>der</strong>ungen des<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>ts nach den Pr<strong>in</strong>zipien Freiheit,<br />
Gerechtigkeit, Solidarität und Teilhabe<br />
aktiv zu gestalten.<br />
2. Die Wachstumskräfte stärken ± wir<br />
brauchen e<strong>in</strong>e Innovationspolitik für die<br />
Zukunft<br />
Wirtschaftswachstum ist für die Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen unverzichtbar. Deshalb<br />
müssen die Wachstumskräfte gestärkt werden.<br />
Umwelt- und Ressourcenschutz s<strong>in</strong>d<br />
dabei <strong>in</strong>tegraler Bestandteil wirtschaftlichen<br />
86<br />
Wachstums und selbst Quelle von Innovationen<br />
für die Märkte <strong>der</strong> Welt. Dazu<br />
bedarf es<br />
± e<strong>in</strong>er konjunkturgerechten Fiskalpolitik:<br />
Die aktuellen Probleme <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Haushalte und Sozialversicherungssysteme<br />
werden sich nur dann lösen lassen,<br />
wenn wie<strong>der</strong> mehr Beschäftigung<br />
geschaffen wird. Deshalb erfor<strong>der</strong>t die<br />
Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte<br />
den Abbau struktureller Haushaltsdefizite<br />
und e<strong>in</strong> hohes Investitionsniveau<br />
vor allem für Bildung, Forschung,<br />
öffentliche Infrastruktur und die Bewahrung<br />
<strong>der</strong> Lebensgrundlagen. Notwendig<br />
ist e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Konjunktur<br />
und e<strong>in</strong>e Stärkung von Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen.<br />
± e<strong>in</strong>er ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />
Wirtschaft und Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten:<br />
Wir wollen unsere Wirtschaft nachhaltig<br />
entwickeln. Der Faktor Arbeit soll e<strong>in</strong>erseits<br />
durch schrittweise Senkung von<br />
Abgaben und Steuern entlastet werden,<br />
um die Nachfrage nach Arbeit zu<br />
erhöhen. Auûerdem sollen marktwirtschaftliche<br />
Anreize für die Entwicklung<br />
ressourcenschonen<strong>der</strong> Produkte und<br />
Produktionsverfahren, für Umweltschutz<br />
und Energiee<strong>in</strong>sparung durch maûvolle<br />
und schrittweise Belastung des umweltschädlichen<br />
Energie- und Ressourcenverbrauchs<br />
geschaffen werden. Auch die<br />
öffentlichen Investitionen s<strong>in</strong>d am Ziel<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeit auszurichten.<br />
± e<strong>in</strong>er Stärkung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenmärkte:<br />
Die Unternehmen werden nur <strong>in</strong> neue<br />
Arbeitsplätze <strong>in</strong>vestieren, wenn auch die<br />
B<strong>in</strong>nennachfrage wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> Schwung<br />
kommt. Dazu ist die Kaufkraft <strong>der</strong> Normalverdiener<br />
zu stärken. Die Konsumquote<br />
unterer und mittlerer E<strong>in</strong>kommensbezieher<br />
ist am höchsten. Deshalb<br />
wird die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e Steuer- und Abgabenreform<br />
durchsetzen, die nicht nur aus<br />
sozialen, son<strong>der</strong>n auch aus wirtschaftspolitischen<br />
Gründen die Entlastungen auf<br />
die normalverdienenden Arbeitnehmer<br />
und Familien sowie auf die mittelständische<br />
Wirtschaft konzentriert. Darüber
h<strong>in</strong>aus brauchen wir e<strong>in</strong>e neue E<strong>in</strong>kommenspolitik<br />
durch die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Beteiligung am Produktivkapital und<br />
e<strong>in</strong>e neue Tarifpolitik.<br />
± e<strong>in</strong>er Sicherung <strong>der</strong> Märkte von morgen:<br />
Bedeutende Zukunftsmärkte liegen <strong>in</strong><br />
den dynamischen Industrieregionen Ostasiens<br />
und <strong>in</strong> Osteuropa. Wenn sich die<br />
osteuropäischen Län<strong>der</strong> entwickeln, entsteht<br />
Nachfrage nach Investitionsgütern,<br />
also Produkten, <strong>in</strong> denen Deutschland<br />
beson<strong>der</strong>s stark ist. Hier liegen gewaltige<br />
Wachstumspotentiale. In absehbarer Zeit<br />
können wir mit osteuropäischen Nachbarlän<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong>e Handelsverflechtung wie<br />
heute mit den Benelux-Län<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> mit<br />
Frankreich haben. Zur Unterstützung<br />
dieses Prozesses ist das vorhandene<br />
Know-how <strong>in</strong> Ostdeutschland <strong>in</strong> Bezug<br />
auf die osteuropäischen Märkt zu nutzen.<br />
Die neuen Län<strong>der</strong> können dabei die<br />
Rolle e<strong>in</strong>er Brückenfunktion e<strong>in</strong>nehmen.<br />
Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er europäischen<br />
Währung wird vorhandene Markte<strong>in</strong>trittsbarrieren<br />
weiter abbauen.<br />
± e<strong>in</strong>er Stabilisierung <strong>der</strong> Wechselkurse:<br />
Die hohen Schwankungen <strong>der</strong> Wechselkurse<br />
gefährden die <strong>in</strong>ternationale<br />
Arbeitsteilung und verursachen enorme<br />
Wohlstandsverluste. Notwendig s<strong>in</strong>d<br />
Instrumente zur Stabilisierung <strong>der</strong><br />
Wechselkurse und damit kalkulierbare<br />
Austauschbeziehungen. E<strong>in</strong> wichtiger<br />
Beitrag kann die Europäische Währungsunion<br />
se<strong>in</strong>.<br />
± e<strong>in</strong>er wachstumsgerechten Z<strong>in</strong>spolitik:<br />
Niedrige Realz<strong>in</strong>sen s<strong>in</strong>d zugleich e<strong>in</strong>e<br />
wesentliche Voraussetzung für mehr Investitionen<br />
und für mehr Beschäftigung.<br />
Deshalb müssen <strong>in</strong> enger Zusammenarbeit<br />
zwischen <strong>der</strong> amerikanischen, <strong>der</strong><br />
japanischen und den europäischen Zentralbanken<br />
alle Spielräume genutzt werden,<br />
um die Realz<strong>in</strong>sen konjunktur- und<br />
beschäftigungsorientiert zu gestalten.<br />
± e<strong>in</strong>er Harmonisierung <strong>der</strong> Steuerpolitik<br />
<strong>in</strong> Europa:<br />
Die EU-Kommission for<strong>der</strong>t <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> EU und darüber h<strong>in</strong>aus auch für die<br />
gesamte OECD e<strong>in</strong>e Steuerharmonisie-<br />
rung mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er effektiven<br />
M<strong>in</strong>destbesteuerung im Bereich <strong>der</strong><br />
Unternehmens- und Kapitalertragssteuern.<br />
Diese Initiative unterstützen wir.<br />
Zudem s<strong>in</strong>d Maûnahmen zur E<strong>in</strong>dämmung<br />
e<strong>in</strong>es unfairen Steuerwettbewerbs<br />
zu ergreifen, damit die <strong>in</strong>ternationale<br />
Steuerflucht wirksamer bekämpft werden<br />
kann.<br />
Dieser makroökonomische Rahmen bedarf<br />
e<strong>in</strong>er mikroökonomischen Unterfütterung<br />
durch e<strong>in</strong>e bessere Nutzung des Knowhows<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer,<br />
durch mo<strong>der</strong>nste betriebliche<br />
Organisation und auch e<strong>in</strong> effektives und<br />
effizientes Zusammenspiel von Wirtschaft,<br />
Gewerkschaften, Staat und Verwaltung<br />
gerade auch auf e<strong>in</strong>zelwirtschaftlicher/<br />
betrieblicher Ebene.<br />
3. Innovationspolitik mit breitem Ansatz<br />
und langem Atem<br />
Das deutsche Innovationsproblem ist nicht<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> technisches Problem,<br />
obwohl es auch hier Defizite gibt. Die<br />
¹weichenª Standortfaktoren gew<strong>in</strong>nen an<br />
Bedeutung. Innovationspolitik muû daher<br />
an den Strukturen hochentwickelter Industriestaaten<br />
ansetzen, also bei Bildung, Forschung<br />
und Entwicklung, Organisation,<br />
Kultur, <strong>der</strong> Infrastruktur und dem Zusammenspiel<br />
von Staat, Wirtschaft, Tarifparteien<br />
und Verwaltung.<br />
Innovationspolitik ist ke<strong>in</strong> Feld für kurzfristige<br />
Modeprojekte. Das schnell Machbare<br />
und leicht Verkaufbare ist oft nicht sehr<br />
zukunftsträchtig. Wer langfristig etwas<br />
bewegen will, darf also nicht zu kurz treten:<br />
± Die gesamte Wertschöpfungskette im<br />
Auge haben:<br />
Innovation muû an <strong>der</strong> gesamten Wertschöpfungskette,<br />
angefangen von <strong>der</strong><br />
Erf<strong>in</strong>dung bis h<strong>in</strong> zum Verkauf von Produkten<br />
o<strong>der</strong> Dienstleistungen, ansetzen,<br />
und kann sich nicht nur auf E<strong>in</strong>zelelemente<br />
konzentrieren. E<strong>in</strong>e technische<br />
Neuerung nutzt wenig, wenn sie nicht<br />
marktfähig gemacht wird. Dieser ganzheitliche<br />
Ansatz ist vor allem für die ost-<br />
87
deutschen Län<strong>der</strong> von überragen<strong>der</strong><br />
Bedeutung, da durch den Transformationsprozeû<br />
ehemals vorhandene Netzwerke<br />
bzw. Wertschöpfungsketten fast<br />
vollständig zerstört worden s<strong>in</strong>d.<br />
± Innovationskulturen <strong>in</strong> Gesellschaft und<br />
Unternehmen schaffen:<br />
Innovationen hängen immer mehr von<br />
<strong>der</strong> Bereitschaft und <strong>der</strong> Motivation <strong>der</strong><br />
Beschäftigten und ihres gesellschaftlichen<br />
Umfelds ab, sich auf etwas Neues e<strong>in</strong>zulassen.<br />
Diese Bereitschaft kann sich nur<br />
<strong>in</strong> kreativen Milieus entwickeln, die dem<br />
E<strong>in</strong>zelnen Anregungen und Entfaltungsspielraum<br />
bieten. Innovation bedeutet<br />
nicht alle<strong>in</strong> die För<strong>der</strong>ung von Spitzentechnologien,<br />
son<strong>der</strong>n die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
<strong>der</strong> gesamten Wirtschaft e<strong>in</strong>schlieûlich<br />
<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />
sowie des gesellschaftlichen Umfelds.<br />
± Der Bildung e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung<br />
geben:<br />
Bildung wird immer stärker zur kulturellen,<br />
sozialen und ökonomischen Schlüsselressource<br />
des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts.<br />
Mo<strong>der</strong>ne Gesellschaftspolitik muû daher<br />
viel konsequenter die Bildungs- und<br />
Qualifikationspotentiale entwickeln. Die<br />
Verbreitung vieler technischer Entwicklungen<br />
wird zudem über die Aus- und<br />
Weiterbildung angestoûen, die gegenüber<br />
<strong>der</strong> technischen Hardware an<br />
Bedeutung gew<strong>in</strong>nt.<br />
± An<strong>der</strong>s arbeiten und lernen:<br />
Die Flexibilitätspotentiale neuer Technologien<br />
können nicht <strong>in</strong> den alten Unternehmensstrukturen<br />
entfaltet werden,<br />
son<strong>der</strong>n erfor<strong>der</strong>n neue Formen <strong>der</strong> Ausbildung,<br />
<strong>der</strong> Arbeitsorganisation und <strong>der</strong><br />
Arbeitszeit. Das Arbeitsleben wird <strong>in</strong><br />
Zukunft nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> überkommenen<br />
starren Abfolge von Bildung und<br />
Arbeit organisiert se<strong>in</strong>; notwendig s<strong>in</strong>d<br />
flexiblere Erwerbsverläufe, die lebenslanges<br />
Lernen ermöglichen. Es müssen jetzt<br />
Brücken <strong>in</strong> die mo<strong>der</strong>ne Arbeitsgesellschaft<br />
von morgen gebaut werden.<br />
± Die Möglichkeiten <strong>der</strong> technischen<br />
Produktpalette nutzen:<br />
Mit se<strong>in</strong>er breiten Produktionspalette<br />
und se<strong>in</strong>em groûen Forschungspotential<br />
88<br />
kann die Bundesrepublik nicht wie kle<strong>in</strong>e<br />
Län<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Nischenstrategie verfolgen<br />
o<strong>der</strong> nur auf e<strong>in</strong>zelne Zukunftstechnologien<br />
setzen, son<strong>der</strong>n muû <strong>in</strong> den Kernbereichen<br />
aller neuen Innovationsfel<strong>der</strong><br />
± angefangen von den Bio- und Gen- bis<br />
h<strong>in</strong> zu den Informationstechnologien ±<br />
vertreten se<strong>in</strong>. Dort, wo nationale<br />
Märkte zu kle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, müssen die Chancen<br />
des Weltmarktes, des europäischen<br />
B<strong>in</strong>nenmarktes und europäischer Kooperationsformen<br />
gezielt genutzt werden.<br />
± Grundlagen- und anwendungsorientierte<br />
Forschung verknüpfen:<br />
Innovationspolitik muû am unmittelbar<br />
Machbaren ansetzen, also anwendungsorientierte<br />
Forschung und die Umsetzung<br />
ihrer Ergebnisse för<strong>der</strong>n und Freiräume<br />
für Grundlagenforschung<br />
schaffen, die auf Erkenntnisgew<strong>in</strong>n<br />
abzielt wie auch den Menschen hilft, sich<br />
im gesellschaftlichen Wandlungsprozeû<br />
zu orientieren.<br />
± Kooperation zwischen Wissenschaft und<br />
Praxis för<strong>der</strong>n:<br />
Neue Produktideen entstehen zunehmend<br />
<strong>in</strong> Grenzbereichen zwischen den<br />
Wissenschaften, die neue Formen <strong>der</strong><br />
Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern<br />
unterschiedlicher Diszipl<strong>in</strong>en und<br />
zwischen Praktikern und Wissenschaftlern<br />
bed<strong>in</strong>gen. Dazu bieten die europäischen<br />
Netzwerke und <strong>in</strong>dustrielle<br />
Kooperationen e<strong>in</strong>en Vielzahl von Möglichkeiten.<br />
± Nicht nur Forschung, son<strong>der</strong>n auch<br />
Nachfrage nach neuen Lösungen unterstützen:<br />
Neue Märkte expandieren dort sehr<br />
rasch, wo Marktimpuls, Produktion und<br />
Forschungskompetenz zusammenfallen.<br />
Viele neue Produkte ± wie zum Beispiel<br />
die Solartechnik o<strong>der</strong> viele Umweltschutzprodukte<br />
± werden sich nur verbreiten,<br />
wenn <strong>der</strong> Staat auch ausreichende<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die<br />
Startnachfrage schafft.<br />
± Mobilisierende Leitprojekte formulieren:<br />
Innovationspolitik kann nicht auf die<br />
Verteilung von f<strong>in</strong>anziellen Mitteln<br />
begrenzt werden, son<strong>der</strong>n muû auch
Anstöûe geben und Aufbruchstimmung<br />
erzeugen. Wir benötigen gesellschaftliche<br />
Leitprojekte, <strong>der</strong>en Bezug zum<br />
gesellschaftlichen Fortschritt klar<br />
ersichtlich ist und die öffentlich kommunizierbar<br />
und nachvollziehbar s<strong>in</strong>d.<br />
Innovationspolitik ist e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe<br />
und nicht auf e<strong>in</strong>zelne Fachpolitiken<br />
begrenzbar. Notwendig s<strong>in</strong>d daher Innovationsallianzen<br />
von Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und Politik, die auch Handeln jenseits<br />
überkommener Strukturen ermöglichen<br />
und dabei nationale und europäische Formen<br />
nutzen. Angesichts des sich <strong>in</strong>tensivierenden<br />
Strukturwandels durch Globalisierung<br />
und <strong>der</strong> Restriktionen <strong>in</strong> den<br />
öffentlichen Haushalten ist e<strong>in</strong>e neue Qualität<br />
<strong>der</strong> regionalisierten Strukturpolitik<br />
gefragt. Es geht um die konsequente Nutzung<br />
<strong>der</strong> Chancen neuer Produkte, Verfahren<br />
und Qualifikationen für neue Märkte<br />
und <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnisse.<br />
B. Innovationsfel<strong>der</strong> für die Zukunft<br />
1. Forschung und Technologie stärken<br />
Unser hoch<strong>in</strong>dustrialisiertes Land sichert<br />
se<strong>in</strong>en Wohlstand im wesentlichen durch<br />
Produktion und Export von Gütern und<br />
Dienstleistungen <strong>der</strong> Hoch- und Spitzentechnologie.<br />
Die Forschungs- und Technologiepolitik<br />
muû deshalb zentrales Element<br />
e<strong>in</strong>er aktiven Innovationspolitik se<strong>in</strong>. Sie<br />
muû <strong>in</strong> Deutschland wie<strong>der</strong> den herausragenden<br />
Stellenwert erhalten, <strong>der</strong> ihr für<br />
Wohlstandssicherung und Wettbewerbsfähigkeit<br />
unserer Volkswirtschaft zukommt.<br />
Notwendig ist<br />
± e<strong>in</strong>e Erhöhung des Anteils <strong>der</strong> privaten<br />
und öffentlichen F. u. E.-Ausgaben:<br />
Erfor<strong>der</strong>lich ist e<strong>in</strong>e Steigerung <strong>der</strong><br />
öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben.<br />
E<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> privaten<br />
Forschungs- und Entwicklungsausgaben<br />
soll durch e<strong>in</strong>e öffentliche<br />
Forschungsför<strong>der</strong>ung angestoûen werden.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund des dramatischen<br />
E<strong>in</strong>bruchs bei den privaten und<br />
öffentlichen Forschungsaktivitäten <strong>in</strong><br />
den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n ist hier e<strong>in</strong><br />
beson<strong>der</strong>er Handlungsbedarf gegeben.<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts muû<br />
Deutschland wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Spitzenplatz<br />
bei den F. u. E.-Ausgaben e<strong>in</strong>nehmen.<br />
± e<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Organisationsstrukturen<br />
<strong>in</strong> den F. u. E.-E<strong>in</strong>richtungen:<br />
E<strong>in</strong>e durchgreifende Reform <strong>der</strong> Organisationsstrukturen<br />
<strong>in</strong> den F. u. E. E<strong>in</strong>richtungen<br />
ist erfor<strong>der</strong>lich, die die Flexibilität<br />
und die Eigenverantwortung <strong>der</strong><br />
öffentlichen F. u. E.-E<strong>in</strong>richtungen stärkt<br />
und ihnen Spielräume für Innovationsverbünde<br />
von Wissenschaft, Wirtschaft<br />
und öffentlicher Verwaltung eröffnet.<br />
± e<strong>in</strong>e Verbesserung des Transfers von<br />
Forschungsergebnissen:<br />
Die Erleichterung von technologieorientierten<br />
Unternehmensgründungen ist <strong>der</strong><br />
effizienteste Beitrag zum Technologietransfer.<br />
Ansatzpunkte liegen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gründung von Forschungs- und Verwertungsgesellschaften<br />
an den Hochschulen<br />
wie auch <strong>in</strong> auûeruniversitären Forschungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
<strong>in</strong> denen <strong>in</strong>novative<br />
Verfahren und Produkte zur<br />
Marktreife gebracht werden. Patentanmeldungen<br />
aus dem Wissenschaftsbereich<br />
müssen erleichtert werden; dazu<br />
s<strong>in</strong>d auch die Instrumente des europäischen<br />
Patentsystems stärker zu nutzen.<br />
± e<strong>in</strong>e bessere Nachwuchsför<strong>der</strong>ung für<br />
junge Wissenschaftler/Wissenschaftler<strong>in</strong>nen<br />
und Hochschulabsolventen/Hochschulabsolvent<strong>in</strong>nen:<br />
Das wichtigste Transfer<strong>in</strong>strument ist<br />
immer noch <strong>der</strong> ¹Transfer über Köpfen.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Studienanfänger <strong>in</strong> Mathematik,<br />
Natur- und Ingenieurwissenschaft<br />
ist wegen <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gen Neue<strong>in</strong>stellungen<br />
<strong>in</strong> den letzten vier Jahren überproportional<br />
von 104 000 auf 82000 zurückgegangen.<br />
Erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d deshalb neue<br />
Instrumente für e<strong>in</strong>e schnelle E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<br />
junger Akademiker<strong>in</strong>nen und Akademiker<br />
<strong>in</strong> Forschungse<strong>in</strong>richtungen und<br />
-projekte und <strong>in</strong> Betriebe. Innovation ist<br />
nicht zuletzt e<strong>in</strong> Produkt des Zusammenwirkens<br />
von jungen mit erfahrenen<br />
Forschern und Entwicklern. Deshalb<br />
s<strong>in</strong>d Überalterung und <strong>der</strong> Verzicht auf<br />
die Heranbildung qualifizierten Nachwuchses<br />
unverantwortlich. Vor allem für<br />
89
die neuen Bundeslän<strong>der</strong> ist es erfor<strong>der</strong>lich,<br />
daû dort ausgebildete, hoch qualifizierte<br />
Nachwuchskräfte durch attraktive<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen vor Ort gehalten<br />
werden.<br />
± e<strong>in</strong>e Bündelung <strong>der</strong> Forschungsför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> zukunftsweisenden Leitprojekten:<br />
Um die Treffsicherheit <strong>der</strong> gegenwärtig<br />
unkoord<strong>in</strong>ierten Forschungsför<strong>der</strong>ung zu<br />
verbessern, schlagen wir e<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ierung<br />
durch Leitprojekte vor. Es sollten<br />
För<strong>der</strong>schwerpunkte e<strong>in</strong>gerichtet werden,<br />
die durch Programme <strong>der</strong> Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />
flankiert werden.<br />
± Innovationen nicht nur anschieben,<br />
son<strong>der</strong>n auch freisetzen:<br />
Es gibt auf Län<strong>der</strong>ebene bereits heute<br />
e<strong>in</strong>e Vielzahl von Initiativen zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> technologischen Infrastruktur<br />
und des Angebots an mo<strong>der</strong>nsten Technologien.<br />
Doch das alle<strong>in</strong> reicht nicht.<br />
Denn viele Innovationen können erst<br />
durch Demonstrationsprogramme und<br />
e<strong>in</strong>e Starthilfe mittels <strong>der</strong> Sicherung<br />
e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>destnachfrage die kritische<br />
E<strong>in</strong>stiegsschwelle zur Marktreife überschreiten.<br />
± mit Zukunftstechnologien Märkte von<br />
morgen schaffen:<br />
Es fehlt an neuen Märkten ± Märkte, die<br />
e<strong>in</strong>e Investitionsneigung stimulieren, die<br />
die Grundlage für e<strong>in</strong>e neue ¹lange<br />
Welleª <strong>der</strong> Konjunktur bieten können.<br />
Wir müssen Basis<strong>in</strong>novationen für neue<br />
Produkte realisieren, die unseren <strong>in</strong>dustriellen<br />
Paradebranchen <strong>in</strong> Masch<strong>in</strong>en-,<br />
Fahrzeug- und Ablagenbau, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Elektrotechnik<br />
und <strong>in</strong> <strong>der</strong> chemischen Industrie<br />
Wachstumsperspektiven über zwei<br />
bis drei Dekaden eröffnen.<br />
Die Sicherung von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit<br />
ist ohne technischen<br />
Fortschritt nicht denkbar. Erf<strong>in</strong><strong>der</strong>geist<br />
und herausragende Ingenieurleistungen<br />
s<strong>in</strong>d es gewesen, die im ausgehenden<br />
20. Jahrhun<strong>der</strong>t die deutsche Spitzenstellung<br />
<strong>in</strong> den <strong>in</strong>dustriellen Leitbranchen<br />
ermöglicht und damit das Fundament<br />
für unseren Wohlstand gelegt haben.<br />
90<br />
± Die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
annehmen:<br />
Jede Industriegesellschaft, die die <strong>in</strong>formationstechnologische<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
versäumt o<strong>der</strong> beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, wird nicht nur<br />
ihr Beschäftigungsniveau nicht halten<br />
können, son<strong>der</strong>n sie wird darüber h<strong>in</strong>aus<br />
enorme Arbeitsplatzverluste h<strong>in</strong>nehmen<br />
müssen. Das gilt für Volkswirtschaften<br />
ebenso wie für e<strong>in</strong>zelne Unternehmen<br />
und Branchen. Die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>in</strong>formationstechnologisch<br />
gestützter Innovationen<br />
ist gleichbedeutend mit e<strong>in</strong>em<br />
Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und<br />
e<strong>in</strong>em Rückgang beschäftigungswirksamen<br />
Wachstums. Was not tut, ist e<strong>in</strong>e<br />
mittel- und langfristige Strategie <strong>in</strong><br />
Deutschland und Europa, mit <strong>der</strong> wir<br />
die Position unserer Unternehmen auf<br />
den globalen Märkten <strong>der</strong> Medien- und<br />
Telekommunikationswirtschaft festigen.<br />
± Biotechnologie und Gentechnologie<br />
verantwortlich entwickeln:<br />
Die Bio- und Gentechnologie ist e<strong>in</strong>e<br />
Basis<strong>in</strong>novation mit vielfältigen neuen<br />
Produkt- und Beschäftigungschancen.<br />
Sie br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>en Innovationsschub <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Mediz<strong>in</strong> für die Herstellung neuer, wirksamerer<br />
Medikamente. Sie br<strong>in</strong>gt Chancen<br />
im landwirtschaftlichen Bereich. Sie<br />
br<strong>in</strong>gt zudem e<strong>in</strong>en Innovationsschub<br />
zur Optimierung von Rohstoffen und<br />
Ausgangsstoffen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Produktion<br />
und kann dazu beitragen, Schadstoffe<br />
durch unbedenkliche Produkte zu<br />
ersetzen. Wir brauchen e<strong>in</strong>e Informationsoffensive<br />
zu Fragen <strong>der</strong> Bio- und<br />
Gentechnologie, zu <strong>der</strong>en Möglichkeiten<br />
und Chancen und zu den Grenzen des<br />
Verantwortbaren dieser Technik. Gentechnik<br />
muû fehlerfreundlich und rückholbar<br />
und von künftigen Generationen<br />
zu revidieren se<strong>in</strong>. Die Anwendung <strong>der</strong><br />
Gentechnik darf die Würde des Menschen<br />
nicht verletzten und muû demokratisch<br />
kontrollierbar bleiben. E<strong>in</strong> Land<br />
wie die Bundesrepublik muû die verantwortbaren<br />
Potentiale, die <strong>in</strong> diesem<br />
Bereich liegen, systematisch entwickeln<br />
und ausbauen. Dabei müssen im E<strong>in</strong>zelfall<br />
bestehende gesundheitliche und öko-
logische Risiken und ethische Konflikte<br />
berücksichtigt werden.<br />
Dafür müssen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
geschaffen werden, damit diese Wachstumsbranche<br />
am Standort Deutschland<br />
<strong>in</strong>ternational wettbewerbsfähig ist.<br />
Wir wollen die Chancen <strong>der</strong> Biotechnologie<br />
offensiv nutzen. Diese dürfen aber<br />
nicht auf die Gentechnologie verengt<br />
werden. Nur e<strong>in</strong> Bruchteil des wirtschaftlich<br />
auf vielfältige Weise nutzbaren<br />
Potentials des vorhandenen Pflanzenreichtums<br />
<strong>der</strong> Erde ist bisher erforscht.<br />
Dieses Potential an nachwachsenden<br />
Rohstoffen, Wirk- und Wertstoffen muû<br />
erschlossen werden. Gerade deshalb ist<br />
e<strong>in</strong>e Erhaltung <strong>der</strong> biologischen Vielfalt<br />
von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung auch für<br />
unsere wirtschaftliche Zukunft. Dazu<br />
gehört die Sicherung <strong>der</strong> freien Verfügbarkeit<br />
zu dem natürlichen Reichtum <strong>der</strong><br />
Erde durch den Aufbau von öffentlichen<br />
Genbanken und die Beschränkung des<br />
Patentrechts auf technische Erf<strong>in</strong>dungen<br />
statt auf die Entdeckung des von <strong>der</strong><br />
Natur bereitgestellten Materials.<br />
± Synergien zwischen Chemie, Physik und<br />
Biologie ausschöpfen:<br />
Wir brauchen nicht weniger, son<strong>der</strong>n<br />
mehr Innovationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Physik, Biologie<br />
und Chemie. Wir stehen am Beg<strong>in</strong>n<br />
e<strong>in</strong>er ¾ra, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich die Naturwissenschaften<br />
und die technische Anwendung<br />
und Umsetzung zunehmend überlagern<br />
und die Chance auf neue Synergien<br />
eröffnet. Die von <strong>der</strong> Physik u. a. angestoûene<br />
Entwicklung h<strong>in</strong> zu neuen<br />
Werkstoffen, dem E<strong>in</strong>satz von Supra-<br />
Leitung sowie <strong>der</strong> immer wirkungsvoller<br />
werdenden Verkle<strong>in</strong>erung technischer<br />
Apparate, die von <strong>der</strong> Chemie u.a. angestoûene<br />
dynamische Entwicklung <strong>der</strong><br />
Pharmazie, die von <strong>der</strong> Biologie und<br />
Chemie u.a. ausgelösten Entwicklungssprünge<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bio- und Gentechnologie<br />
ergeben die Chance, das Deutschland<br />
hier im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t mit an <strong>der</strong><br />
Spitze steht. Über die Hälfte <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Innovationen bis zum Jahre 2020<br />
wird von diesen Bereichen getragen.<br />
± Den ökologischen Strukturwandel voranbr<strong>in</strong>gen:<br />
Die Umstellung unserer Wirtschaft auf<br />
e<strong>in</strong>e nachhaltige, umweltverträgliche<br />
Entwicklung bleibt Daueraufgabe. Ohne<br />
den sparsamen und effizienten Umgang<br />
mit natürlichen Ressourcen und umweltverträglichen<br />
Technologien ist das nicht<br />
zu erreichen. Wir müssen deshalb mit<br />
Umweltschutzmaûnahmen und Umwelttechnologien<br />
die Stagnation <strong>der</strong> globalen<br />
und nationalen Umweltpolitik überw<strong>in</strong>den.<br />
Umwelttechnologien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />
Wachstumsmarkt, wenn die Umweltstandards<br />
auf hohem Niveau schrittweise<br />
<strong>in</strong>ternational harmonisiert werden. Wir<br />
müssen dafür sorgen, daû die Europäische<br />
Geme<strong>in</strong>schaft hier e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle<br />
übernimmt. Dann werden wir<br />
überdurchschnittliche jährliche Wachstumsraten<br />
dieses Industriezweiges aufweisen,<br />
wie es Untersuchungen <strong>der</strong><br />
OECD voraussagen. Diese Entwicklung<br />
wird durch die Schaffung e<strong>in</strong>er Ökosozialproduktstatistik<br />
unterstützt. Der<br />
Markt für Umweltgüter und -technologien<br />
muû auch wachsen, um die zunehmende<br />
Industrialisierung <strong>in</strong> Entwicklungs-<br />
und Schwellenlän<strong>der</strong>n ökologisch<br />
zu gestalten. Die früheren Fortschritte <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> nationalen Umweltpolitik <strong>der</strong> 70er<br />
und 80er Jahre mit Spitzenplätzen beim<br />
Export s<strong>in</strong>d zwischenzeitlich verspielt<br />
worden. Wir wollen diesen Spitzenplatz<br />
beim Export von Umwelttechnologien<br />
zurückgew<strong>in</strong>nen.<br />
Der Schwerpunkt muû <strong>in</strong> Zukunft auf<br />
<strong>in</strong>tegrierten Umwelttechniken liegen, die<br />
zur Vermeidung von Umweltbelastungen<br />
den Produktionsprozeû unter dem<br />
Gesichtspunkt <strong>der</strong> Energie- und Stoffeffizienz<br />
optimieren. Neues Produktdesign<br />
muû die Nutzungsdauer und Wie<strong>der</strong>verwertbarkeit<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Materialien<br />
erhöhen, damit im Interesse künftiger<br />
Generationen Rohstoffe und Ressourcen<br />
<strong>der</strong> Erde geschont werden.<br />
± Mobilitätswirtschaft mit neuen Verkehrstechnologien<br />
voranbr<strong>in</strong>gen:<br />
Auto und LKW werden auf absehbare<br />
Zeit den gröûten Anteil <strong>der</strong> Verkehrslei-<br />
91
92<br />
stungen erbr<strong>in</strong>gen. Ihre Bedeutung wird<br />
<strong>in</strong> den Schwellen- und Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
sogar noch zunehmen. Sie müssen<br />
deshalb sicherer, sparsamer und umweltverträglicher<br />
gemacht werden. Die Fahrzeugemissionen<br />
können noch entscheidend<br />
gesenkt werden. Dies gilt ebenso<br />
für den Kraftstoffverbrauch. Mit e<strong>in</strong>em<br />
abgasarmen, sparsamen und umweltverträglichen<br />
Auto können wir uns an die<br />
Spitze des technologischen Fortschritts<br />
setzen und die Wettbewerbsposition <strong>der</strong><br />
deutschen Wirtschaft entscheidend stärken.<br />
Um unser Verkehrssystem <strong>in</strong> Deutschland<br />
auf Dauer leistungsfähig und<br />
umweltverträglich zu machen, ist e<strong>in</strong>e<br />
gezielte Politik <strong>der</strong> Verkehrsvermeidung<br />
und <strong>der</strong> Verkehrsverlagerung auf<br />
umweltverträgliche Verkehrswege wie<br />
Schiene und Wasserstraûen erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Hier bedarf es <strong>in</strong>telligenter Lösungen<br />
mit deutlichem Schwerpunkt auf<br />
Telekommunikation, Ausbau <strong>der</strong> Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />
und Nutzung von<br />
Technologien zur Verknüpfung <strong>der</strong><br />
Transportketten. Durch Ausbau <strong>der</strong><br />
Güterverkehrs<strong>in</strong>frastruktur ist mittelund<br />
langfristig e<strong>in</strong>e Trennung des langsamen<br />
Güterverkehrs vom schnelleren<br />
Personenverkehr vorzunehmen. Zur Vernetzung<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Verkehrsträger<br />
muû <strong>der</strong> komb<strong>in</strong>ierte Verkehr ausgebaut<br />
werden. Durch Telematik <strong>in</strong> allen<br />
Verkehrsbereichen muû die Nutzung <strong>der</strong><br />
Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur effizienter gestaltet<br />
werden.<br />
± Effizienzrevolution <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Energiepolitik:<br />
Aus Gründen des Klimaschutzes und <strong>der</strong><br />
Ressourcenschonung muû <strong>der</strong> umweltschädliche<br />
Energieverbrauch absolut<br />
gesenkt werden. Nur dann kann <strong>der</strong><br />
zügige Abbau <strong>der</strong> durch den Verbrauch<br />
fossiler Energien hervorgerufenen ökologischen<br />
Belastungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong><br />
CO 2-Emissionen, erfolgreich se<strong>in</strong>. Über<br />
die Wege <strong>der</strong> rationellen Energienutzung,<br />
des Ausbaus und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
erneuerbarer Energien und e<strong>in</strong>es energiebewuûten<br />
Konsumverhaltens ist die<br />
Effizienzrevolution <strong>in</strong> <strong>der</strong> Energiepolitik<br />
erreichbar. Dazu muû <strong>der</strong> neue Wettbewerbsrahmen<br />
ökologische Flankierungen<br />
enthalten und <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren<br />
Energien an <strong>der</strong> Stromerzeugung bis<br />
zum Jahre 2010 verdoppelt werden.<br />
Diese langfristige Strategie hat hohe<br />
Akzeptanz bei <strong>der</strong> Bevölkerung. Mit<br />
e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation von high-tech- und<br />
low-tech-Maûnahmen, die von <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
Spitzentechnologie z.B.<br />
im Solarbereich bis zu Handwerksleistungen<br />
aus e<strong>in</strong>er Hand bei <strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>sparung<br />
und Wärmedämmung reichen,<br />
werden auch neue Arbeitsplätze<br />
geschaffen.<br />
Technikalternativen, die wirkungsvoll zur<br />
Kohlendioxid-Entlastung beitragen, s<strong>in</strong>d<br />
verstärkt weiterzuentwickeln, dies gilt<br />
zum Beispiel für die Brennstoffzelle, die<br />
Photovoltaik und die Wasserstofftechnologie.<br />
Über den Aufbau von Pilot- und<br />
Demonstrationsprojekten muû <strong>der</strong> technische<br />
Durchbruch zur Wirtschaftlichkeit<br />
angestrebt werden.<br />
2. Bildung ist die Schlüsselressource für die<br />
Zukunft<br />
Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit<br />
hängen immer mehr von Kreativität, Kompetenz<br />
und Wissensvorsprüngen ab. Dem<br />
Bildungssystem kommt e<strong>in</strong>e Schlüsselrolle<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Innovationspolitik zu.<br />
Die Trennung <strong>der</strong> Lebensabschnitte Bildung<br />
und Arbeit entspricht nicht mehr den<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gesellschaft. Bildung<br />
und Ausbildung werden vielmehr e<strong>in</strong>e dauernde<br />
Aufgabe. Auf diese Notwendigkeit<br />
lebensbegleitenden Lernens müssen wir<br />
uns <strong>in</strong> Schulen, Hochschulen, beruflicher<br />
Bildung und Weiterbildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
e<strong>in</strong>stellen. Die Weiterbildung als vierte<br />
Säule des Bildungssystems ist zu stärken.<br />
Chancengleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildung muû<br />
auch für Erwachsene gelten: beson<strong>der</strong>s för<strong>der</strong>ungsbedürftig<br />
s<strong>in</strong>d bildungsungewohnte<br />
und benachteiligte Bevölkerungsschichten.<br />
Die öffentliche und öffentlich geför<strong>der</strong>te<br />
Erwachsenenbildung auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong>
Volkshochschule, Erwachsenenbildungsund<br />
Bildungsurlaubsgesetzes s<strong>in</strong>d unverzichtbare<br />
Bestandteile <strong>der</strong> vierten Säule des<br />
Bildungswesens. Lebenslanges Lernen ist<br />
e<strong>in</strong> wichtiger Beitrag zum Zusammenhalt<br />
von Wirtschaft und Gesellschaft.<br />
Die Schulen und Hochschulen brauchen<br />
mehr Selbständigkeit, um e<strong>in</strong> eigenes Profil<br />
aufzubauen und durch mo<strong>der</strong>ne Führungsund<br />
Organisationsstrukturen die Unterrichtsqualität<br />
und den Lernerfolg zu verbessern.<br />
Die Schulen und die Lehrenden<br />
müssen <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, angemessen<br />
auf neue Herausfor<strong>der</strong>ungen ± wie<br />
z.B. die Entwicklung von Medienkompetenz,<br />
Mehrsprachigkeit und Vertrautheit im<br />
Umgang mit fremden Kulturen ± zu reagieren.<br />
Wichtige Ansatzpunkte s<strong>in</strong>d:<br />
± Die Schulen müssen gröûere Selbständigkeit<br />
erhalten:<br />
Der Staat ist verpflichtet, durch Investitionen<br />
und zentrale Vorgaben die<br />
Gleichheit <strong>der</strong> Bildungschancen für alle<br />
Schüler zu gewährleisten. Die Schulen<br />
sollen mehr Gestaltungsfreiheit im pädagogischen<br />
Bereich erhalten. Grundlage<br />
dazu ist e<strong>in</strong>e angemessene Ausstattung<br />
und auch zusätzliche Entscheidungskompetenzen<br />
<strong>in</strong> den Bereichen Personal,<br />
F<strong>in</strong>anzen und Mittelbewirtschaftung.<br />
Die Eigenständigkeit <strong>der</strong> Schulen muû<br />
durch Beratung unterstützt werden, die<br />
sich auf die gesamte Schule und weniger<br />
auf den e<strong>in</strong>zelnen Lehrer bezieht, so daû<br />
sich die Schulen als lernende Organisation<br />
entwickeln können.<br />
± Mehrsprachigkeit för<strong>der</strong>n:<br />
Die Beherrschung e<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> mehrerer<br />
Fremdsprachen ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er globalen<br />
Ökonomie immer wichtiger. Der Fremdsprachenunterricht<br />
sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundschule<br />
beg<strong>in</strong>nen, wenn die Schüler am<br />
leichtesten e<strong>in</strong>e Sprache lernen und <strong>in</strong><br />
den weiterführenden Schulen als fremdsprachiger<br />
Unterricht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />
Fächern ausgebaut werden. Ziel muû es<br />
se<strong>in</strong>, daû ab dem Jahre 2010 alle Schulabgänger<br />
e<strong>in</strong>e Fremdsprache beherrschen<br />
und möglichst e<strong>in</strong>e weitere verstehen.<br />
± Medienkompetenz als Leitbild verankern:<br />
In <strong>der</strong> von Informationstechnologien<br />
und <strong>der</strong> weltweiten schnellen Erreichbarkeit<br />
von Informationen bestimmten<br />
Gesellschaft ist Medienkompetenz e<strong>in</strong>e<br />
zentrale Schlüsselkompetenz für alle<br />
Lebensbereiche. Diese ist stets mehr als<br />
technische Beherrschung <strong>der</strong> Computer<br />
und <strong>der</strong> elektronischen Netze. Erst die<br />
Fähigkeit, Informationen auszuwählen,<br />
zu bewerten und autonom damit umzugehen,<br />
befähigt zu voller gesellschaftlicher<br />
Teilhabe. Dazu bedarf es mehr als<br />
<strong>der</strong> Initiative ¹Schulen ans Netzª, nämlich<br />
e<strong>in</strong>er auf Dauer angelegten Bildungspartnerschaft<br />
zwischen Staat,<br />
Medien und Telekommunikationswirtschaft<br />
sowie <strong>der</strong> Entwicklung pädagogischer<br />
Konzepte und Lernmittel (Software).<br />
Der Hochschulzugang muû für alle Schichten<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung offen bleiben. Wir<br />
haben nicht zu viele Studierende, son<strong>der</strong>n<br />
± im Gegenteil ± zu wenig qualifizierte<br />
Arbeitsplätze. Allen Beschäftigungsprognosen<br />
zur Folge wird <strong>der</strong> Bedarf an Hochschulabsolventen<br />
weiter steigen. Die E<strong>in</strong>führung<br />
von Studiengebühren lehnen wir<br />
daher ab. Notwendig ist e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte<br />
Ausbildungsför<strong>der</strong>ung.<br />
Unser Hochschulsystem erbr<strong>in</strong>gt hervorragende<br />
Forschungsleistungen, aber die<br />
Lehre ist verbesserungswürdig. Die Lehrbefähigung<br />
spielt bei Berufungen kaum<br />
e<strong>in</strong>e Rolle. Die Defizite bei <strong>der</strong> Studienorganisation<br />
und die generell viel zu langen<br />
Zeiträume für die Erneuerung von Prüfungs-<br />
und Studienordnungen s<strong>in</strong>d unübersehbar.<br />
Unsere Hochschulen s<strong>in</strong>d im Detail<br />
¹übersteuertª und im Ergebnis ¹untersteuertª.<br />
Wir werden e<strong>in</strong>e zukunftsorientierte, <strong>in</strong>novative<br />
Hochschulreform fortsetzen und verstärken.<br />
Wir streben dabei folgende Ziele<br />
an:<br />
± Die Selbststeuerungskapazität <strong>der</strong> Hochschulen<br />
muû erhöht werden:<br />
Entscheidungsträger an den Hochschulen<br />
(Hochschullehrer, Dekane, Instituts-<br />
93
leiter) müssen mehr professionelle, personelle<br />
und f<strong>in</strong>anzielle Verantwortlichkeit<br />
erhalten. E<strong>in</strong> professionelles Hochschulmanagement,<br />
das eng mit den<br />
Kollegialorganen zusammenwirkt, muû<br />
ermöglicht werden, um mehr Flexibilität,<br />
Selbstregulierung und mehr wissenschaftliche<br />
Exzellenz zu erreichen.<br />
± Wir wollen e<strong>in</strong>e erfolgsorientierte Hochschulf<strong>in</strong>anzierung:<br />
Um eigenes wissenschaftliches Profil<br />
entwickeln und transparent darlegen zu<br />
können, benötigen Hochschulen e<strong>in</strong>e<br />
starke Haushaltsautonomie. Die Mittel<br />
sollen den Hochschulen global zugeteilt<br />
und differenziert nach Erfolgskriterien<br />
verteilt werden.<br />
± Forschung und Lehre evaluieren:<br />
F<strong>in</strong>anzautonomie <strong>der</strong> Hochschulen<br />
macht zugleich Maûnahmen <strong>der</strong> Qualitätssicherung<br />
und <strong>der</strong> Evaluierung von<br />
Forschung und Lehre notwendig. Die<br />
Ergebnisse dieses Evaluierungsprozesses<br />
müssen auch <strong>der</strong> Öffentlichkeit zugänglich<br />
se<strong>in</strong>. Diese Evaluierungsmaûnahmen<br />
erfor<strong>der</strong>n die Entwicklung professioneller<br />
Standards für den Qualitätswettbewerb<br />
<strong>in</strong>nerhalb und zwischen den Hochschulen<br />
und objektivierter Kriterien für<br />
leistungsgerechte Mittelvergabe.<br />
± För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zusammenarbeit zwischen<br />
Hochschule und Wirtschaft:<br />
Lehr- und Forschungskooperation zwischen<br />
Hochschulen und Wirtschaft muû<br />
im Interesse <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Lehre,<br />
<strong>der</strong> schnelleren Umsetzung von Forschungsergebnissen<br />
<strong>in</strong> neue Produkte<br />
und Verfahren geför<strong>der</strong>t werden. Dazu<br />
gehört <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Möglichkeit,<br />
zwischen Hochschulen, auûeruniversitären<br />
Forschungse<strong>in</strong>richtungen, <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
und Verwaltungen häufiger und<br />
selbstverständlicher Personal auszutauschen.<br />
Die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />
voranbr<strong>in</strong>gen<br />
E<strong>in</strong> breites Angebot qualifizierter Arbeitskräfte<br />
ist das Rückgrat unserer auf technische<br />
Spitzenleistungen orientierten Volkswirtschaft.<br />
Das duale System <strong>der</strong><br />
94<br />
beruflichen Bildung war <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
Garant des hohen Qualifikationsniveaus<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmer <strong>in</strong> Deutschland.<br />
Die Stärke dieses Systems liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Komb<strong>in</strong>ation von theoretischem und praktischem<br />
Lernen, im Berufspr<strong>in</strong>zip mit se<strong>in</strong>en<br />
Qualifikationsstandards und dem Konsenspr<strong>in</strong>zip,<br />
nach dem Arbeitgeber,<br />
Gewerkschaften und <strong>der</strong> Staat sich auf<br />
neue Ausbildungsordnungen verständigen.<br />
Dennoch steht das duale System angesichts<br />
des raschen Strukturwandels <strong>in</strong> Wirtschaft<br />
und Arbeitsleben gegenwärtig vor entscheidenden<br />
quantitativen und qualitativen Herausfor<strong>der</strong>ungen:<br />
Auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite unzureichendes<br />
Lehrstellenangebot wegen des<br />
Rückzugs <strong>der</strong> Wirtschaft aus <strong>der</strong> Ausbildungsverantwortung,<br />
Rückständigkeit <strong>in</strong><br />
Organisation und Ausbildungs<strong>in</strong>halten auf<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite.<br />
Wir wollen am dualen System <strong>der</strong> beruflichen<br />
Bildung festhalten, d. h. wir reklamieren<br />
die unternehmerische Verantwortung.<br />
Wir müssen das duale System mo<strong>der</strong>nisieren,<br />
damit die Berufsbildung an <strong>der</strong><br />
Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t unserer<br />
Volkswirtschaft weiterh<strong>in</strong> Vorsprung durch<br />
Qualifikation sichert. Und wir müssen wie<strong>der</strong><br />
dah<strong>in</strong> kommen, daû alle jungen Menschen,<br />
die ausgebildet werden wollen, auch<br />
ausgebildet werden. Wenn wir die Zahl <strong>der</strong><br />
betrieblichen Ausbildungsplätze wie<strong>der</strong><br />
steigern wollen, dann geht das nur <strong>in</strong> enger<br />
Kooperation mit <strong>der</strong> Wirtschaft. Um die<br />
heranwachsende Generation bestmöglich<br />
zu qualifizieren und die Chancen <strong>der</strong><br />
Beschäftigten wie <strong>der</strong> Arbeitslosen zu verbessern,<br />
durch Qualifizierung mit <strong>der</strong> Entwicklung<br />
Schritt zu halten, werden folgende<br />
Maûnahmen vorgeschlagen:<br />
± Aktionsprogramm 2005 ± mehr Ausbildungsplätze<br />
schaffen:<br />
Die steigende Zahl <strong>der</strong> Schulabgänger<br />
erfor<strong>der</strong>t <strong>in</strong> den nächsten Jahren e<strong>in</strong>e<br />
deutliche Steigerung des Angebots an<br />
Ausbildungsplätzen. Neben e<strong>in</strong>em solidarischen<br />
F<strong>in</strong>anzausgleich und e<strong>in</strong>em<br />
Son<strong>der</strong>programm ¹Ostdeutschlandª ist<br />
e<strong>in</strong> Bündel von Aktivitäten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Wir müssen die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />
steigern. Das ist wegen <strong>der</strong> <strong>in</strong> den
nächsten Jahren steigenden Nachfrage<br />
nach Lehrstellen erfor<strong>der</strong>lich. E<strong>in</strong>e enge<br />
Kooperation mit <strong>der</strong> Wirtschaft ist dafür<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Die Wirtschaft muû <strong>in</strong><br />
eigener Verantwortung für e<strong>in</strong> ausreichendes<br />
Lehrstellenangebot sorgen.<br />
Erfüllt sie ihre Verpflichtung nicht, wird<br />
e<strong>in</strong>e faire Lastenteilung zwischen ausbildenden<br />
und nichtausbildenden Betrieben<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage des Gesetzentwurfes<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion notwendig.<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsberater <strong>in</strong> den<br />
Kammerbezirken muû erhöht werden,<br />
auf regionaler Ebene müssen Ausbildungskonferenzen<br />
durchgeführt und e<strong>in</strong><br />
regionaler Konsens zur Vermehrung von<br />
Ausbildungsstellen gefunden werden.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus sollen Ausbildungsverbünde<br />
geför<strong>der</strong>t werden, überbetriebliche<br />
Ausbildungsstätten mo<strong>der</strong>nisiert und<br />
zusätzliche Ausbildungsstellen an berufsbildenden<br />
Schulen bereitgestellt werden.<br />
± Erhöhung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Auszubildenden<br />
im Dienstleistungssektor:<br />
Bis heute liegt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Auszubildenden<br />
im Dienstleistungssektor<br />
deutlich unter dem entsprechenden<br />
Beschäftigungsanteil. Das Ausbildungsengagement<br />
des Dienstleistungssektors<br />
muû verbessert werden. Unerläûlich ist,<br />
den Umgang mit neuen Medien <strong>in</strong><br />
bestehende Berufsbil<strong>der</strong> zu <strong>in</strong>tegrieren<br />
bzw. die heute bereits Beschäftigten<br />
durch Weiterbildung für den Umgang<br />
mit den neuen technischen Möglichkeiten<br />
zu qualifizieren.<br />
± Schnellere Anpassung und höhere Flexibilität<br />
<strong>der</strong> Berufsordnungen:<br />
Berufsausbildung wird e<strong>in</strong>erseits immer<br />
stärker zur hochqualifizierten Fachausbildung;<br />
sie setzt an<strong>der</strong>erseits aber<br />
zugleich die Fähigkeit zu übergreifendem<br />
Denken, eigenverantwortlichem<br />
Handeln und e<strong>in</strong>e breite Palette an Wissen<br />
und sozialen Qualifikationen voraus.<br />
Notwendig s<strong>in</strong>d daher kürzere, aber kont<strong>in</strong>uierliche<br />
Verfahren zur Weiterentwicklung<br />
bestehen<strong>der</strong> und Erarbeitung<br />
neuer Ausbildungsordnungen. Dazu<br />
gehört auch e<strong>in</strong>e neue Gewichtung e<strong>in</strong>er<br />
Grundbildung im Berufsfeld und e<strong>in</strong>er<br />
auf die beson<strong>der</strong>en betrieblichen Aufgaben<br />
bezogene Spezialisierung. Das macht<br />
die Verständigung <strong>der</strong> Sozialpartner und<br />
des Staates auf Leitbil<strong>der</strong> und Zielgröûen<br />
künftiger Arbeits- und Unternehmensstrukturen<br />
unverzichtbar.<br />
± Flexibilitätsspielräume ausschöpfen:<br />
Angesichts <strong>der</strong> wachsenden Bedeutung<br />
von Sprache, Mathematik, Systemkenntnissen<br />
und politischer Bildung ist e<strong>in</strong>e<br />
Reduzierung des Berufsschulunterrichts<br />
nicht s<strong>in</strong>nvoll. Die Klagen vieler<br />
Betriebe über die berufsschulbed<strong>in</strong>gte<br />
Unterbrechung <strong>der</strong> Ausbildung ¹on the<br />
jobª s<strong>in</strong>d oft berechtigt. Die richtige<br />
Antwort liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er vor Ort von<br />
Betrieben, Berufsschulen und überbetrieblichen<br />
Ausbildungsstätten abgestimmten<br />
zeitlichen Organisation des<br />
Berufsschulunterrichts <strong>in</strong> den verschiedenen<br />
Ausbildungsabschnitten.<br />
± Lebenslanges Lernen för<strong>der</strong>n:<br />
Weiterbildung wird nur dann e<strong>in</strong> lebensbegleiten<strong>der</strong><br />
Prozeû, wenn sie am<br />
Arbeitsplatz ansetzt und die Arbeit e<strong>in</strong>bezieht<br />
und stets die Zusammenhänge<br />
von Lernen, Arbeiten und Leben<br />
bewahrt. Qualifizierungsbauste<strong>in</strong>e<br />
erleichtern es dem E<strong>in</strong>zelnen, Anschluû<br />
zu halten, wenn se<strong>in</strong>e Ausbildung länger<br />
zurückliegt, o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Aufstieg zu realisieren.<br />
Berufs<strong>in</strong>tegrierte Studien sollen<br />
beruflich Qualifizierten den Aufstieg <strong>in</strong><br />
Führungspositionen ermöglichen. Weiterbildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
Betriebe,<br />
Fachhochschulen und Universitäten werden<br />
hierfür neue Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
entwickeln müssen.<br />
± Berufliche Weiterbildung als 4. Säule<br />
des Bildungssystems verankern:<br />
Die Weiterbildung wird im Verlauf des<br />
Berufslebens immer wichtiger. Staat und<br />
Tarifpartner s<strong>in</strong>d gefor<strong>der</strong>t, Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
und Möglichkeiten für Weiterbildung<br />
und Qualifikation <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />
zu verbessern. Kle<strong>in</strong>e und<br />
mittlere Unternehmen können dies nicht<br />
immer aus eigener Kraft leisten. Sie<br />
müssen dabei unterstützt werden. Dazu<br />
brauchen wir leistungsstarke überbetriebliche<br />
Ausbildungsstätten, regionale<br />
95
96<br />
Ausbildungsverbünde und e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere<br />
Zusammenarbeit zwischen Berufsschule<br />
und Weiterbildungsträgern.<br />
3. Arbeitsorganisation und Arbeitsmarkt<br />
weiterentwickeln<br />
Mit den herkömmlichen Strukturen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Arbeitswelt lassen sich die anstehenden<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen nicht bewältigen. Notwendig<br />
s<strong>in</strong>d neue Formen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation,<br />
flexiblere, kürzere und differenziertere<br />
Arbeitszeit und neue Ansätze <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik. Die Unternehmen<br />
müssen das Potential ihrer Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeiter an Wissen, Erfahrungen,<br />
Verantwortungsbewuûtse<strong>in</strong> und<br />
Kooperationsfähigkeit ausschöpfen und<br />
daher ihre Organisationsstrukturen gründlich<br />
än<strong>der</strong>n. Zu diesem Zweck muû die<br />
gleichberechtigte Beteiligung und qualifizierte<br />
Mitbestimmung <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften<br />
bei wirtschaftlichen und sozialen<br />
Entscheidungen gesichert, ausgebaut und<br />
qualitativ weiter entwickelt werden: am<br />
Arbeitsplatz, im Betrieb, <strong>in</strong> den Leitungsund<br />
Führungsstrukturen <strong>der</strong> groûen Unternehmen.<br />
Chancen <strong>der</strong> Gleichstellung von Männern<br />
und Frauen im Berufsleben nutzen:<br />
Der grundlegende Strukturwandel <strong>der</strong><br />
Wirtschafts- und Arbeitswelt ist für die<br />
Zukunft <strong>der</strong> Frauenerwerbsarbeit von groûer<br />
Bedeutung. Der Wandel <strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur<br />
mit e<strong>in</strong>em Trend zur Infrastruktur<br />
und Dienstleistungstätigkeiten <strong>in</strong><br />
allen Branchen wird sich verstärkt fortsetzen.<br />
Dies begünstigt die Hauptbeschäftigungsbereiche<br />
von Frauen. Aber auch <strong>der</strong><br />
demographische Wandel verbessert die<br />
Startchancen nachwachsen<strong>der</strong> Generationen<br />
von Frauen. Aufgrund gleicher<br />
Qualifikationen, zurückgehen<strong>der</strong> Erfahrungsdefizite<br />
und allgeme<strong>in</strong> steigenden<br />
Fachkräftebedarfs erhalten sie bessere Weiterbildungs-<br />
und Aufstiegschancen. Auch<br />
Flexibilisierungstendenzen bei Arbeitszeiten<br />
und neuen Variationen von Arbeitszeitgestaltungen<br />
kommen Gleichstellungs<strong>in</strong>teressen<br />
entgegen. Die Chancen zur<br />
Überw<strong>in</strong>dung von Benachteiligungen und<br />
überkommenen Arbeitsteilungen zwischen<br />
den Geschlechtern müssen deshalb zukünftig<br />
stärker genutzt werden.<br />
Zur Verwirklichung dieser Ziele gehören<br />
die Gewährung gleichen Lohnes für gleiche<br />
bzw. gleichwertige Arbeit, die Überprüfung<br />
von Kriterien <strong>der</strong> Bewertung von<br />
Tätigkeiten und <strong>der</strong> Festsetzungen von<br />
Löhnen und Gehältern, die Verwirklichung<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie und Beruf<br />
sowie von gesellschaftlichen Aktivitäten für<br />
Frauen und Männer durch flexible Arbeitszeitmodelle,<br />
familienfreundliche Freistellungsregelungen<br />
und geteilten Erziehungsurlaub<br />
und Erziehungsgeld <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe,<br />
die es auch für Väter attraktiv macht, die<br />
Erwerbstätigkeit zu unterbrechen.<br />
Die Beseitigung <strong>der</strong> Schwierigkeiten bei<br />
<strong>der</strong> Existenzgründung von Frauen gehört<br />
ebenso zu den Maûnahmen dazu wie die<br />
Schaffung gesetzlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
zur För<strong>der</strong>ung frauenfreundlicher<br />
Betriebe und die B<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Vergabe<br />
öffentlicher Aufträge an Betriebe, die frauenför<strong>der</strong>nde<br />
Maûnahmen nachweisen können.<br />
Die Arbeitslosigkeit wird ohne e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligentere<br />
und flexiblere Organisation von<br />
Arbeit kaum deutlich verr<strong>in</strong>gert werden<br />
können. Überstunden müssen abgebaut<br />
und Personalabbau soweit wie möglich<br />
durch beschäftigungssichernde Arbeitszeitmodelle<br />
vermieden werden. Weiterh<strong>in</strong><br />
benötigen wir mehr Teilzeitarbeitsplätze<br />
und beweglichere Lebensarbeitszeiten mit<br />
flexibleren Übergängen zwischen Arbeit<br />
e<strong>in</strong>erseits und Bildung, Nichterwerbstätigkeit<br />
und Ruhestand an<strong>der</strong>erseits.<br />
Durch e<strong>in</strong>e aktive Innovationspolitik wird<br />
<strong>der</strong> Strukturwandel beschleunigt, und es<br />
werden <strong>in</strong> verstärktem Maû Arbeitsplatzwechsel<br />
notwendig. Daher müssen Übergänge<br />
zwischen alter und neuer Beschäftigung<br />
vor allem durch e<strong>in</strong>e aktive<br />
Qualifizierungspolitik, beson<strong>der</strong>e Vermittlungsbemühungen<br />
sowie Hilfe zur Selbsthilfe<br />
über Beratung und Umorientierung<br />
begleitet werden.
± E<strong>in</strong> Programm Innovation durch<br />
Arbeit:<br />
Die Tarifpartner und die betrieblichen<br />
Verhandlungsparteien stehen <strong>in</strong> den<br />
nächsten Jahren vor verschiedenen<br />
Groûprojekten, wie zum Beispiel die<br />
Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> überkommenen Aufteilung<br />
<strong>in</strong> Arbeiter und Angestellte, die<br />
Anpassung <strong>der</strong> Lohn- und Gehaltsstrukturen<br />
an neue Formen <strong>der</strong> Arbeitsorganisation,<br />
die Dezentralisierung <strong>der</strong><br />
Unternehmensorganisationen, die Vere<strong>in</strong>barung<br />
flexibler Modelle von Jahresund<br />
Lebensarbeitszeiten und des lebenslangen<br />
Lernens sowie die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Gleichstellung von Männern und Frauen<br />
im Berufsleben. Der Staat kann die<br />
Sozialpartner bei diesen Gestaltungsaufgaben<br />
unterstützen, <strong>in</strong>dem er Modellversuche<br />
for<strong>der</strong>t, Entwicklungstrends analysiert<br />
und vor allem KMU©s bei <strong>der</strong><br />
betrieblichen Reorganisation berät. Die<br />
bislang weitgehend auf betriebliche<br />
Modellversuche und auf E<strong>in</strong>zelthemen<br />
begrenzten Forschungs- und Entwicklungsprogramme<br />
sollten gebündelt und,<br />
ähnlich wie wir das bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />
neuer Berufsbil<strong>der</strong> kennen, auch um<br />
überbetriebliche Analysen erweitert werden.<br />
± Reform des Flächentarifvertrages:<br />
Die Tarifautonomie, d.h. die Regelung<br />
von Arbeitse<strong>in</strong>kommen, Arbeitszeiten<br />
und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen durch die Tarifparteien<br />
ohne staatlichen E<strong>in</strong>fluû, ist <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Gesellschaft und e<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong>novativen Wirtschaft unverzichtbar.<br />
Tarifverträge <strong>der</strong> Zukunft sollen Wahlund<br />
Gestaltungsmöglichkeiten für differenzierte<br />
Gegebenheiten zwischen den<br />
Betrieben und unterschiedliche Wünsche<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten enthalten. Die Flächentarifverträge<br />
müssen durch die<br />
Tarifvertragsparteien reformiert werden,<br />
wenn ihre Schutz- und Ordnungsfunktion<br />
erhalten werden soll. Flächentarifverträge<br />
sollen auch <strong>in</strong> Zukunft M<strong>in</strong>destbed<strong>in</strong>gungen<br />
regeln, z.B. bei<br />
E<strong>in</strong>kommen und Arbeitszeiten, die verb<strong>in</strong>dlich<br />
gelten, aber darüber h<strong>in</strong>aus<br />
Möglichkeiten eröffnen, die wirtschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Betriebe diffe-<br />
renziert zu berücksichtigen. Solche<br />
Regelungen dürfen aber ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>bahnstraûe<br />
se<strong>in</strong>: Wenn Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer <strong>in</strong> schwierigen Phasen<br />
ihren Solidarbeitrag zum Erhalt von<br />
Arbeitsplätzen und Unternehmen leisten,<br />
müssen sie <strong>in</strong> guten Zeiten auch <strong>in</strong><br />
beson<strong>der</strong>er Weise am Unternehmensertrag<br />
beteiligt werden.<br />
± Beschäftigungsorientierte Arbeitszeitpolitik<br />
entwickeln:<br />
E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative Wirtschaft braucht e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>telligente Organisation <strong>der</strong> Arbeit und<br />
e<strong>in</strong>e flexibel ausgestaltete, nach Betriebsgröûen<br />
und Branchen differenzierte Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit, um das enorme<br />
Wachstum <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit (Produktivität)<br />
mit <strong>der</strong> Sicherung von<br />
Arbeitsplätzen und dem Aufbau neuer<br />
Arbeit <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen. Neue<br />
Wachstums- und Beschäftigungsfel<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
Produktion und Dienstleistung alle<strong>in</strong><br />
werden nicht ausreichen, um die Arbeitslosigkeit<br />
entscheidend zu verr<strong>in</strong>gern.<br />
Wir for<strong>der</strong>n die Unternehmer auf, die<br />
vorhandenen tarifvertraglichen Flexibilisierungsmöglichkeiten<br />
umfassend zu nutzen.<br />
Bei kürzeren und flexiblen Arbeitszeiten<br />
können teure Masch<strong>in</strong>en und<br />
Anlagen länger laufen, ohne daû Menschen<br />
länger arbeiten müssen. Im Rahmen<br />
flexibler Arbeitszeiten s<strong>in</strong>d aber<br />
auch Vere<strong>in</strong>barungen mit den Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmern möglich,<br />
die mehr Zeitsouveränität verwirklichen.<br />
Anstelle von dauern<strong>der</strong> Mehrarbeit s<strong>in</strong>d<br />
mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Mit<br />
Arbeitszeitkonten, die sich auf die Jahres-<br />
und Lebensarbeit beziehen, können<br />
die Interessen <strong>der</strong> Betriebe und die<br />
Belange <strong>der</strong> Beschäftigten <strong>in</strong> vielen Fällen<br />
gleichermaûen berücksichtigt werden.<br />
Gesamtwirtschaftlich s<strong>in</strong>d Arbeitszeitverlängerungen<br />
<strong>in</strong> allen Sektoren <strong>der</strong><br />
Wirtschaft <strong>der</strong> falsche Weg zur Sicherung<br />
vorhandener und zum Aufbau<br />
zukunftsfähiger Arbeitsplätze.<br />
Die Novellierung des Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzes<br />
muû es ermöglichen, den Tarifparteien<br />
und Betrieben f<strong>in</strong>anzielle<br />
Anreize für Arbeitszeitverkürzungen mit<br />
97
E<strong>in</strong>stellungsgarantien zu geben. Wir<br />
wollen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch die Verb<strong>in</strong>dung<br />
von Bildungs- Qualifizierungsmaûnahmen<br />
mit Arbeitszeitverkürzung för<strong>der</strong>n.<br />
± Neue Arbeitszeitmodelle för<strong>der</strong>n und<br />
Erfahrungen verbreiten:<br />
Viele Betriebe experimentieren mit<br />
neuen Arbeitszeitmodellen. Der Transfer<br />
dieser Erfahrungen muû verbessert werden.<br />
E<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Transferansatz ist die<br />
För<strong>der</strong>ung von Verbünden zwischen<br />
Betrieben, Wissenschaftlern und Sozialpartnern<br />
zu neuen Arbeitszeitmodellen<br />
mit unterschiedlichen thematischen<br />
Schwerpunkten, wie elternfreundliche<br />
Arbeitszeiten, Abbau von Überstunden,<br />
flexibler Übergang <strong>in</strong> den Ruhestand,<br />
temporäre Arbeitszeitverkürzungen zur<br />
Vermeidung von Entlassungen o<strong>der</strong> neue<br />
Arbeitszeitmodelle <strong>in</strong> bestimmten Branchen.<br />
± Neue Selbständigkeit för<strong>der</strong>n:<br />
Erwerbsarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
wird zu e<strong>in</strong>em groûen Teil selbständige<br />
Arbeit se<strong>in</strong>. Bis zum Jahr 2010<br />
wird sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Selbständigen<br />
voraussichtlich verdoppeln. Wir Sozialdemokraten<br />
wollen selbständige Arbeit<br />
als immer wichtiger werdende Erwerbsquelle<br />
för<strong>der</strong>n. Wir wollen dazu beitragen,<br />
e<strong>in</strong> gesellschaftliches Bewuûtse<strong>in</strong> zu<br />
erzeugen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong> beruflichen Selbständigkeit<br />
zuerst die Chance und nicht<br />
das Risiko erblickt. Unsere Gesellschaft<br />
braucht e<strong>in</strong>e neue Aufgeschlossenheit für<br />
<strong>in</strong>dividuellen Mut zu <strong>in</strong>dividuellem<br />
Risiko.<br />
± Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Teilzeit<br />
verbessern:<br />
Die Teilzeitoffensiven <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
s<strong>in</strong>d weitgehend <strong>in</strong>s Leere gelaufen.<br />
Die rechtlichen und faktischen Benachteiligungen<br />
von Teilzeitarbeit müssen<br />
daher abgebaut werden. Im Rahmen flexibler<br />
Jahres- und Lebensarbeitszeiten<br />
sollen neue Formen <strong>der</strong> Teilzeitarbeit,<br />
die nur knapp unter <strong>der</strong> Arbeitszeit von<br />
Vollzeitarbeit liegen, angeboten werden,<br />
um auch für Kernbeschäftigte Teilzeitarbeit<br />
attraktiv zu machen. Bewährt haben<br />
98<br />
sich. etliche Teilzeitarbeitsmodelle im<br />
öffentlichen Dienst. Diese könnten nach<br />
<strong>der</strong> ¾n<strong>der</strong>ung des Dienstrechtes ausgebaut<br />
und noch flexibler ausgestaltet werden.<br />
± Miûstände auf dem Arbeitsmarkt beseitigen<br />
± für e<strong>in</strong>en fairen Wettbewerb<br />
Auf dem Arbeitsmarkt haben sich während<br />
<strong>der</strong> vergangenen Jahre gravierende<br />
Miûstände breitgemacht. Zu den Miûständen<br />
zählen vor allem die betrieblichen<br />
Strategien zur Umwandlung von<br />
Vollzeitarbeitsplätzen <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gfügige<br />
Beschäftigung (610-DM- o<strong>der</strong> 520-DM-<br />
Jobs), die Entlassung <strong>in</strong> die Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />
sowie die illegale Beschäftigung.<br />
In all diesen Fällen geht die Initiative<br />
für Miûstände nicht von den<br />
Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmern<br />
aus.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird dem Miûbrauch <strong>der</strong><br />
ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigung energisch<br />
entgegentreten. Die Beitragsausfälle führen<br />
dazu, daû <strong>der</strong> Beitragssatz für die<br />
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten<br />
und ihre Arbeitgeber um mehr als e<strong>in</strong>en<br />
Prozentpunkt höher ausfällt. Die Akzeptanz<br />
für die Sozialversicherung schw<strong>in</strong>det<br />
weiter. Die Gesetzentwürfe <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-<br />
Bundestagsfraktion wollen dem entgegenwirken.<br />
Die betriebliche Flexibilität<br />
bei Saisonbeschäftigungen und kurzfristigen<br />
Aushilfen soll erhalten bleiben.<br />
Das Problem würde zusätzlich entschärft,<br />
wenn die Entlastung von Sozialversicherungsbeiträgen<br />
für entlohnte<br />
Arbeitsplätze h<strong>in</strong>zukäme.<br />
± Arbeitsmarktpolitik stärker mit Struktur-<br />
und betrieblicher Personalpolitik<br />
verknüpfen:<br />
Die <strong>SPD</strong> hat hierzu den Entwurf zu<br />
e<strong>in</strong>em Arbeits- und Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetz<br />
vorgelegt. Dar<strong>in</strong> werden Vorschläge<br />
zur Umschichtung von passiven<br />
<strong>in</strong> aktive Maûnahmen <strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ung<br />
entwickelt. Dies soll u.a. durch e<strong>in</strong>e<br />
Komb<strong>in</strong>ation von Mitteln <strong>der</strong> Arbeitsmarkt-<br />
mit <strong>der</strong> Strukturpolitik <strong>in</strong> den<br />
Regionen und e<strong>in</strong>e präventive Qualifizierungspolitik<br />
zum Schutz vor dem Verlust<br />
des Arbeitsplatzes erreicht werden.
± Die passive F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
umwandeln <strong>in</strong> aktive För<strong>der</strong>ung<br />
neuer Arbeit:<br />
Zu viele Menschen s<strong>in</strong>d zu lange ohne<br />
Arbeit. Um dem Verfall an Freiheit,<br />
Selbstbewuûtse<strong>in</strong> und Qualifikation entgegenzuwirken,<br />
wollen wir ger<strong>in</strong>g Qualifizierte<br />
und Langzeitarbeitslose qualifizieren<br />
und ihnen für neue Arbeitsplätze<br />
± beispielsweise <strong>in</strong> sozialen Diensten,<br />
privaten Dienstleistungen o<strong>der</strong> im<br />
Umweltschutz ± entsprechende Hilfen<br />
zur Verfügung stellen. Befristete und<br />
degressiv gestaltete Lohnkostenzuschüsse<br />
s<strong>in</strong>d dafür e<strong>in</strong> Mittel, um im Rahmen<br />
tariflich abgesicherter Arbeitsplätze neue<br />
Arbeit zu för<strong>der</strong>n. Dafür setzen wir jene<br />
Mittel e<strong>in</strong>, die bisher zur F<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit verwendet wurden.<br />
± Flexible Übergänge <strong>in</strong>s Erwerbsleben<br />
für Arbeitslose schaffen:<br />
Die Langzeitarbeitslosigkeit hat sich <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren zunehmend verfestigt.<br />
Notwendig s<strong>in</strong>d zusätzliche Instrumente<br />
des schrittweisen Übergangs von Langzeitarbeitslosen<br />
<strong>in</strong> den ersten Arbeitsmarkt.<br />
Erfolgreiche Ansätze, die ausgebaut<br />
werden sollen, s<strong>in</strong>d die nicht<br />
gew<strong>in</strong>norientierte Arbeitnehmerüberlassung<br />
(z. B. Start NRW), Existenzgründungen<br />
über soziale Betriebe o<strong>der</strong><br />
beson<strong>der</strong>e Vermittlungsagenturen für<br />
Langzeitarbeitslose (z.B. Maatwerk).<br />
¾hnlich wie <strong>in</strong> Skand<strong>in</strong>avien sollte man<br />
langfristig bei Freistellungen für Elternschaftsurlaub<br />
o<strong>der</strong> Weiterbildung den<br />
Betrieben Langzeitarbeitslose als Vertreter<br />
vermitteln (Jobrotationsprogramme).<br />
± Entlastung von Sozialversicherungsbeiträgen<br />
für ger<strong>in</strong>g entlohnte Arbeitsplätze:<br />
Die hohe Langzeitarbeitslosigkeit ger<strong>in</strong>g<br />
Qualifizierter zeigt, daû wir auch mehr<br />
e<strong>in</strong>fache Arbeitsplätze brauchen. Seriösen<br />
Prognosen zu Folge wird sich <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Arbeitsplätze für ger<strong>in</strong>g Qualifizierte<br />
bis zum Jahr 2010 auf etwa 10<br />
Prozent halbieren. Zugleich weist<br />
Deutschland schon heute e<strong>in</strong>e groûe<br />
Beschäftigungslücke im Bereich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen<br />
und personenbezogenen Dienst-<br />
leistungen auf, die gröûtenteils für<br />
unsere im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich nur<br />
mäûige Beschäftigungsbilanz verantwortlich<br />
ist.<br />
Deshalb müssen wir neue Wege f<strong>in</strong>den,<br />
um den Kostendruck auf weniger produktive<br />
Arbeitsplätze zu l<strong>in</strong><strong>der</strong>n und<br />
gleichzeitig die E<strong>in</strong>kommenssituation<br />
ger<strong>in</strong>g Qualifizierter verbessern, um den<br />
Anreiz für reguläre Erwerbsarbeit auf<br />
beiden Seiten des Arbeitsmarktes zu stärken.<br />
Wir wollen ke<strong>in</strong>en amerikanischen<br />
Arbeitsmarkt, ke<strong>in</strong> ¹hire und fireª und<br />
ke<strong>in</strong>e ¹Verarmung trotz Arbeitª. Für uns<br />
gilt <strong>der</strong> Grundsatz:<br />
Es gehört zur menschlichen Würde je<strong>der</strong><br />
und jedes E<strong>in</strong>zelnen, den Lebensunterhalt<br />
aus eigener Kraft bestreiten zu können<br />
± ggf. mit Hilfe des Staates, aber<br />
nicht <strong>in</strong> langwähren<strong>der</strong> Abhängigkeit<br />
von staatlichen Transferzahlungen.<br />
Für neue Arbeitsplätze mit niedrigen<br />
Stundenlöhnen sollen die Mittel, die bisher<br />
für die F<strong>in</strong>anzierung von Arbeitslosigkeit<br />
verwendet werden, zur Entlastung<br />
von Sozialversicherungsbeiträgen genutzt<br />
werden. Diese Maûnahme kommt<br />
Arbeitgebern und Arbeitnehmers gleichermaûen<br />
zu Gute und kann vor allem<br />
bei personenbezogenen Dienstleistungen<br />
neue Arbeitsplätze schaffen.<br />
± Arbeitsaufnahme für Sozialhilfeempfänger<br />
erleichtern:<br />
Die Sozialhilfe soll das Existenzm<strong>in</strong>imum<br />
für diejenigen sichern, die ihren<br />
Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten<br />
können. Sozialhilfe kann und darf aber<br />
nur subsidiär e<strong>in</strong>greifen. Der Sozialstaat<br />
hat primär die Aufgabe, den Menschen<br />
e<strong>in</strong>e eigenständige Existenzsicherung zu<br />
ermöglichen.<br />
Bereits heute stellen viele Kommunen<br />
für Sozialhilfeempfänger (befristete)<br />
Arbeitsstellen zur Verfügung. Trotz teilweise<br />
beachtlicher Erfolge greift dieses<br />
Mittel oft zu kurz, vor allem erschwert<br />
die mangelnde Abstimmung zwischen<br />
Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz (demnächst<br />
SGB III) und Bundessozialhilfegesetz<br />
99
e<strong>in</strong>e zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen<br />
Arbeitsamt und Sozialamt. Beson<strong>der</strong>e<br />
Probleme entstehen für diejenigen,<br />
die Leistungen aus beiden Systemen<br />
erhalten.<br />
Für Sozialhilfeempfänger ist <strong>der</strong> Übergang<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> existenzsicherndes Beschäftigungsverhältnis<br />
angesichts <strong>der</strong> Lage am<br />
Arbeitsmarkt nur schwer möglich. Unbefriedigend<br />
ist auch die Möglichkeit,<br />
durch Teilzeitbeschäftigung o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>g<br />
bezahlte Jobs zum<strong>in</strong>dest den Kontakt<br />
zum Arbeitsmarkt aufrechtzuerhalten.<br />
Bei <strong>der</strong> Sozialhilfe ist nämlich Erwerbse<strong>in</strong>kommen<br />
im Regelfall bis zur Höhe<br />
von ca. 265,± DM (halber Regelsatz)<br />
monatlich frei, darüber h<strong>in</strong>aus wird es<br />
voll angerechnet (Kappungsgrenze).<br />
Für Sozialhilfeempfänger sollen die<br />
f<strong>in</strong>anziellen Bed<strong>in</strong>gungen zur Aufnahme<br />
e<strong>in</strong>er Beschäftigung gesteigert werden.<br />
Das Lohnabstandsgebot muû erhalten<br />
bleiben. Schon gar nicht sollen Ger<strong>in</strong>gverdiener<strong>in</strong>nen<br />
zusätzlich <strong>in</strong> die Sozialhilfe<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wachsen. Zu prüfen ist, ob<br />
Leistungsempfänger vorübergehend<br />
ergänzende E<strong>in</strong>kommenszuschüsse erhalten,<br />
wenn sie e<strong>in</strong>e Arbeit aufnehmen<br />
(Kombi-E<strong>in</strong>kommen). Bei <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung<br />
darf es für Kommunen ke<strong>in</strong>e<br />
zusätzliche Belastung geben.<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich langfristig für e<strong>in</strong><br />
gesetzliches Modell e<strong>in</strong>, nach dem<br />
schrittweise allen Sozialhilfeempfängern<br />
angemessene Arbeitsangebote <strong>in</strong> neuen<br />
und zusätzlichen Arbeitsfel<strong>der</strong>n angeboten<br />
werden. Im Zusammenhang mit diesen<br />
positiven Anreizen werden wir dafür<br />
sorgen, daû Sozialhilfeempfänger angebotene<br />
Arbeitsplätze auch annehmen.<br />
Sollten angebotene Arbeitsplätze ohne<br />
wichtigen Grund nicht angenommen<br />
werden, so müssen die bestehenden<br />
gesetzlichen Vorschriften zur Kürzung<br />
<strong>der</strong> Sozialhilfe angewandt werden.<br />
4. Den Mittelstand als Innovationsträger<br />
stärken, Existenzgründungen för<strong>der</strong>n<br />
Die Unternehmenslandschaft ist im<br />
Umbruch, Groûunternehmen dezentralisie-<br />
100<br />
ren und lagern Teilfunktionen aus. Unterhalb<br />
<strong>der</strong> Ebene weltumspannen<strong>der</strong> Konzerne<br />
entstehen mittelständische<br />
Strukturen. Dieser Prozeû <strong>der</strong> Restrukturierung<br />
und des Reeng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g <strong>der</strong> Groûunternehmen<br />
hat maûgeblich zur heutigen<br />
Massenarbeitslosigkeit beigetragen.<br />
Beschäftigungszuwächse haben <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren wesentlich <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetrieben<br />
(KMU) stattgefunden. Beschäftigungs-<br />
und Innovationspolitik müssen sich<br />
deshalb wesentlich stärker als bisher auf<br />
KMU konzentrieren.<br />
Neue Unternehmen und neue Arbeitsplätze<br />
im Mittelstand entstehen dort, wo neue<br />
Technologien <strong>in</strong> neue Produkte und neue<br />
Märkte umgesetzt werden und wo sich<br />
Wachstumsmärkte aus e<strong>in</strong>stigen Marktnischen<br />
für spezialisierte Produkte und<br />
Dienstleistungen entwickeln. Die Politik<br />
hat bisher auf diese neuen Entwicklungen<br />
nicht o<strong>der</strong> nicht sachgerecht reagiert. Auf<br />
die Mittelstandsför<strong>der</strong>ung entfallen z. B.<br />
nur zwischen 2 und 4 % aller Subventionen.<br />
Der Mittelstand ist nach wie vor auch<br />
<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Politikbereichen wie <strong>der</strong> Steuerpolitik,<br />
<strong>der</strong> Technologie- und Wirtschaftspolitik<br />
benachteiligt. Notwendig ist deshalb<br />
für die Zukunft e<strong>in</strong> neuer ganzheitlicher<br />
Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mittelstandspolitik. Die<br />
grundlegende Aufgabe besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wettbewerbs- und Steuerpolitik, <strong>der</strong> staatlichen<br />
För<strong>der</strong>politik für Forschung, Entwicklung<br />
und Markterschlieûung sowie vor<br />
allem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Existenzgründungs<strong>in</strong>itiative<br />
zur Erneuerung und Verbreiterung <strong>der</strong><br />
Unternehmenslandschaft. E<strong>in</strong> Schwerpunkt<br />
muû dabei für die technologie- und dienstleistungsorientierten<br />
Unternehmen gesetzt<br />
werden. Hier liegen die gröûten Wachstumspotentiale<br />
zur Schaffung zukunftsorientierter<br />
Arbeitsplätze.<br />
Wir schlagen folgende Maûnahmen vor:<br />
± Mittelstandsfreundliche Wettbewerbspolitik:<br />
E<strong>in</strong>e Novellierung des Gesetzes gegen<br />
Wettbewerbsbeschränkungen muû wirksame<br />
Kontrollen und Maûnahmen gegen<br />
die Entstehung und miûbräuchliche Aus-
übung von Marktmacht verwirklichen.<br />
Das nationale und europäische Wettbewerbsrecht<br />
müssen besser harmonisiert<br />
und mittelstandsfreundlich weiterentwikkelt<br />
werden.<br />
± E<strong>in</strong>e Gründungs- und Wachstumsoffensive:<br />
Dazu gehört die Bündelung <strong>der</strong> zahlreichen<br />
Programme <strong>der</strong> Mittelstandsför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> übersichtliche Bauste<strong>in</strong>e. Deren<br />
Kernelemente müssen se<strong>in</strong>: För<strong>der</strong>ung<br />
von Existenzgründungen und Betriebsübernahmen,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Beratung <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> schwierigen Startphase, Unterstützung<br />
bestehen<strong>der</strong> Unternehmen bei <strong>der</strong><br />
Entwicklung neuer Technologien, bei<br />
zukunftsträchtigen Investitionen zur<br />
Markterschlieûung und für neue Arbeitsplätze<br />
und beim Schritt <strong>in</strong> wichtige Auslandsmärkte.<br />
Die deutschen Banken<br />
müssen ihre bisher an den Tag gelegte<br />
Unbeweglichkeit ablegen und mit <strong>der</strong><br />
Bereitstellung von Chancen-Kapital <strong>der</strong><br />
anstehenden Gründungswelle und dem<br />
Wachstum den notwendigen Schub<br />
verleihen. Gleichzeitig müssen die<br />
bestehenden öffentlichen Programme <strong>der</strong><br />
Eigenkapitalhilfe zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen,<br />
leistungsfähigen und mittelstandsgerechten,<br />
subsidiären zusätzlichen Chancen-<br />
Kapitalfonds zusammengefaût werden.<br />
Fehlendes Eigenkapital und Vermögen<br />
<strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n und die damit verbundenen<br />
Schwächen im unternehmerischen<br />
Bereich verdeutlichen die Dr<strong>in</strong>glichkeit<br />
dieser Maûnahme vor allem auch<br />
<strong>in</strong> den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n.<br />
Zur Flankierung e<strong>in</strong>er technologieorientierten<br />
Existenzgründungs- und Mittelstandsoffensive<br />
soll das von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
e<strong>in</strong>gestellte Programm<br />
¹För<strong>der</strong>ung technologieorientierter<br />
Unternehmensgründungen (TOU)ª,<br />
erneut aufgelegt werden. Ziel ist, technologieorientierteUnternehmensgründungen<br />
beson<strong>der</strong>s zu unterstützen und zu<br />
för<strong>der</strong>n und so auch risikoreiche Produktionsverfahren<br />
und Produktentwicklungen<br />
zu ermöglichen. Steuerliche Erleichterungen<br />
s<strong>in</strong>d für diese Unternehmen<br />
ke<strong>in</strong> geeignetes Instrument, da Steuerab-<br />
zugsmodelle ± <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch bei<br />
Unternehmen <strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n ±<br />
angesichts <strong>der</strong> vielfach ungünstigen<br />
Ertragssituationen <strong>in</strong> absehbarer Zeit<br />
nicht greifen werden.<br />
± Bereitstellung von Chancenkapital für<br />
junge wachstums<strong>in</strong>tensive High-Tech-<br />
Unternehmen:<br />
Junge Technologieunternehmen verfügen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht über ausreichende<br />
Eigenmittel. Ihnen wird auûerdem <strong>der</strong><br />
Börsenzugang unnötig erschwert. Alle<br />
Bestrebungen <strong>der</strong> Börsen, wie die Initiative<br />
¹Neuer Marktª <strong>in</strong> Frankfurt, die<br />
<strong>in</strong>novativen Jungunternehmen den<br />
Zugang zum Aktienmarkt öffnet, sollen<br />
unterstützt werden. Die H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse im<br />
Bereich des Steuerrechts, das Kreditf<strong>in</strong>anzierung<br />
bevorzugt und Eigenkapital<br />
benachteiligt, müssen beseitigt werden.<br />
Die deutschen Banken müssen zu Partnern<br />
für <strong>in</strong>novative Unternehmensgründungen<br />
werden und bereit se<strong>in</strong>, solchen<br />
Unternehmen unbürokratisch und flexibel<br />
den Marktzugang zu ermöglichen.<br />
Wir wollen, daû das reichlich vorhandene<br />
Anlagekapital künftig stärker <strong>in</strong><br />
produktive Investitionen im Inland flieût.<br />
Um das Angebot an Beteiligungskapital<br />
zu verbessern,<br />
± brauchen wir e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> Aktie<br />
als F<strong>in</strong>anzierungs<strong>in</strong>strument, z.B. im<br />
Rahmen <strong>der</strong> Arbeitnehmerbeteiligung<br />
am Produktivkapital;<br />
± wollen wir die Entwicklung unternehmerisch<br />
arbeiten<strong>der</strong> Kapitalbeteiligungsgesellschaften<br />
voranbr<strong>in</strong>gen, um<br />
zu mehr Transparenz über Risiken<br />
und Chancen von Beteiligung und<br />
Investment beizutragen;<br />
± wollen wir Jungunternehmen den<br />
Zugang zum Aktienmarkt eröffnen<br />
und erleichtern;<br />
± wollen wir Kapitalsammelstellen wie<br />
z.B. Pensionskassen und Lebensversicherungen<br />
den Zugang zu Risikokapitalfonds<br />
erleichtern,<br />
± wollen wir ± unter Beteiligung <strong>der</strong><br />
Kreditwirtschaft ± e<strong>in</strong>en Chancenkapitalfonds<br />
gründen, um <strong>in</strong>novativen,<br />
101
unkonventionellen Pionierunternehmen<br />
Chancen am Markt zu eröffnen.<br />
Dieser Fonds muû nach professionellen<br />
Maûstäben geführt werden. E<strong>in</strong>e<br />
öffentliche Risikoabstützung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Anfangsphase kann entfallen, wenn<br />
solche Fonds sich am Markt etabliert<br />
haben.<br />
Wir wollen Ostdeutschland zu e<strong>in</strong>er<br />
Innovationswerkstatt machen. Zentrale<br />
wirtschaftspolitische Zielorientierung für<br />
die neuen Bundeslän<strong>der</strong> kann nur <strong>der</strong><br />
Aufbau e<strong>in</strong>es Produktionspotentials mit<br />
leistungsstarken Industrie- und produktionsnahen<br />
Dienstleistungsunternehmen <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em Zentrum se<strong>in</strong>. Der För<strong>der</strong>ung<br />
von <strong>in</strong>novativen Unternehmen, von Forschung<br />
und Entwicklung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> betriebsnahen Forschung und Entwicklung,<br />
kommt deshalb e<strong>in</strong>e Schlüsselstellung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Entwicklungsstufe<br />
des wirtschaftlichen Aufbaus zu.<br />
± Forschungs- Peronalkostenzuschuû-Programm<br />
für kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen:<br />
Für forschungs<strong>in</strong>tensive Unternehmen<br />
stellen die Forschungspersonalkosten<br />
e<strong>in</strong>en kritischen Kostenfaktor dar. Das<br />
Programm soll die Forschungsbereitschaft<br />
junger Unternehmen erhöhen und<br />
gleichzeitig neue Beschäftigungschancen<br />
für junge Wissenschaftler<strong>in</strong>nen und Wissenschaftler<br />
eröffnen. Die För<strong>der</strong>ung soll<br />
als Zulage ausgestaltet werden, da<br />
Abschreibungs- o<strong>der</strong> Steuerabzugsmodelle<br />
bei jungen Technologieunternehmen<br />
nicht greifen. Vorgeschlagen wird<br />
e<strong>in</strong>e Zulage <strong>in</strong> Höhe von 20 Prozent <strong>der</strong><br />
Kosten für FuE-Personal mit degressiver<br />
Ausgestaltung und e<strong>in</strong>er Laufzeit von<br />
sechs Jahren. Antragsberechtigt s<strong>in</strong>d<br />
Unternehmen, die die Kriterien <strong>der</strong> EU<br />
für kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen<br />
erfüllen.<br />
± Vere<strong>in</strong>fachung und Beschleunigung von<br />
Genehmigungsverfahren:<br />
Bei vielen Groûansiedlungen und Groûprojekten<br />
s<strong>in</strong>d Genehmigungsverfahren<br />
schnell umgesetzt worden. Im Mengengeschäft<br />
mit den Kle<strong>in</strong>en tun sich die<br />
Behörden jedoch schwer. Hier ist e<strong>in</strong><br />
102<br />
Umdenken notwendig. Das Zusammenspiel<br />
zwischen den Behörden muû<br />
beschleunigt, Dienstleistungen müssen<br />
aus e<strong>in</strong>er Hand angeboten und den<br />
Betrieben aufwendige Wege zwischen<br />
den Behörden erspart werden. In vielen<br />
Fällen ist es möglich, auch den Behörden<br />
die Arbeit zu erleichtern und Genehmigungen<br />
nach bestimmten Fristen automatisch<br />
wirksam werden zu lassen, wenn<br />
die Behörde nicht begründet Auflagen<br />
formuliert.<br />
± Verselbständigung aus Forschungse<strong>in</strong>richtungen<br />
unterstützen:<br />
Mitarbeiter aus Forschungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
die sich auf <strong>der</strong> Basis ihres technologischen<br />
Wissens selbständig machen<br />
und e<strong>in</strong> Unternehmen gründen wollen,<br />
s<strong>in</strong>d zu unterstützen. Der Gesetzgeber<br />
kann helfen und vor e<strong>in</strong>em endgültigen<br />
Ausscheiden aus <strong>der</strong> Sozialversicherung<br />
Übergangs- und Wartezeiten während<br />
<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s risikoreichen Startzeit e<strong>in</strong>führen.<br />
± Regulierungen prüfen, straffen, entrümpeln:<br />
Bei gewerblichen Baugenehmigungen<br />
s<strong>in</strong>d bis zu 500 Gesetze, Verordnungen<br />
und DIN-Vorschriften zu beachten.<br />
Viele dieser Regelungen haben ihren<br />
S<strong>in</strong>n verloren und bremsen ± wie etwa<br />
das Handwerksrecht ± die Entfaltungsmöglichkeiten<br />
kle<strong>in</strong>er und mittlerer<br />
Betriebe. Gerade im Dienstleistungsbereich<br />
gibt es zahlreiche Regulierungen,<br />
die nicht mehr zeitgemäû s<strong>in</strong>d und die<br />
Innovation, Wettbewerb und Transparenz<br />
für die Verbraucher mehr beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
als för<strong>der</strong>n. Entrümpelung und Vere<strong>in</strong>fachung<br />
müssen auf <strong>der</strong> Tagesordnung <strong>der</strong><br />
Politik e<strong>in</strong>en Spitzenplatz erhalten.<br />
5. Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung voranbr<strong>in</strong>gen:<br />
Zur Bewahrung <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen<br />
brauchen wir für die kommenden<br />
Jahrzehnte e<strong>in</strong>e nachhaltige, umweltverträgliche<br />
Form des Wirtschaftens. Das<br />
erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>en ökologischen Ordnungsrahmen<br />
ebenso wie die Formulierung von
Umweltqualitätszielen. Dazu zählen beispielsweise:<br />
± die Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> von den Menschen<br />
verursachten Klimagase zum Schutz <strong>der</strong><br />
Erdatmosphäre,<br />
± die Sanierung <strong>der</strong> natürlichen Grundund<br />
Oberflächengewässer,<br />
± die Sicherung <strong>der</strong> vielfältigen Funktionen<br />
<strong>der</strong> Böden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ihrer<br />
Fruchtbarkeit und Produktivität,<br />
± die Erhaltung <strong>der</strong> biologischen Vielfalt<br />
und des Artenschutzes.<br />
Sparsamer Umgang mit Rohstoffen und<br />
Bodenschätzen, Schonung von Luft, Boden<br />
und Wasser, Senkung des Energieverbrauchs<br />
und e<strong>in</strong>e Organisation von Produktion<br />
und Verbrauch, die aus den e<strong>in</strong>gesetzten<br />
Stoffen gröûtmöglichen Nutzen<br />
zieht, ist Gebot <strong>der</strong> Zukunft.<br />
Diese Form nachhaltigen Wirtschaftens ist<br />
nötig. Der Energieverbrauch kann selbst<br />
bei allgeme<strong>in</strong>em Wachstum absolut gesenkt<br />
werden, weil groûe E<strong>in</strong>sparpotentiale <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Industrie, im Verkehr und bei den<br />
Gebäuden ebenso ungenutzt s<strong>in</strong>d, wie Effizienzsteigerungen<br />
bei <strong>der</strong> Energienutzung.<br />
Die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e soziale und<br />
ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft nicht schlecht. Es gibt e<strong>in</strong><br />
hohes Umweltbewuûtse<strong>in</strong>. Zahlreiche wissenschaftliche<br />
E<strong>in</strong>richtungen und Universitäten<br />
beschäftigen sich mit diesen Fragen<br />
und Konzepten. In Betrieben und Verwaltungen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren die<br />
Anstrengungen für Umweltschutz und<br />
Energiee<strong>in</strong>sparung deutlich verstärkt worden.<br />
Die Steigerung <strong>der</strong> Nutzungseffizenz<br />
ermöglicht vielen Unternehmen Kostensenkungen<br />
und Innovationschancen, weil <strong>in</strong><br />
vielen Bereichen Vermeiden wirtschaftlicher<br />
ist als e<strong>in</strong> steigen<strong>der</strong> Material- und<br />
Energiee<strong>in</strong>satz.<br />
Wir orientieren uns an folgenden Zielen:<br />
± den umweltpolitischen Instrumentenmix<br />
erweitern:<br />
Neben ordnungsrechtlichen Vorgaben<br />
bedarf es hierzu <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ökonomischer<br />
Anreize und e<strong>in</strong>er aktiven Beteili-<br />
gung aller gesellschaftlichen Kräfte.<br />
Selbstverpflichtungen <strong>der</strong> Wirtschaft mit<br />
kontrollierbaren Zielen s<strong>in</strong>d dabei e<strong>in</strong><br />
wichtiges Mittel. Wichtig ist es auch, das<br />
Eigen<strong>in</strong>teresse des Herstellers durch entsprechende<br />
Rahmensetzungen zu steigern.<br />
Von zentraler Bedeutung ist auch e<strong>in</strong>e<br />
ökologische Steuerreform, die zu e<strong>in</strong>er<br />
Kostenentlastung des Faktors Arbeit<br />
führt und den umweltschädlichen Verbrauch<br />
von Energie und natürlichen Ressourcen<br />
schrittweise stärker belastet,<br />
damit Anreize für e<strong>in</strong>en ökologischen<br />
Strukturwandel gesetzt werden, <strong>der</strong> auch<br />
groûe Beschäftigungschancen eröffnet.<br />
Sie wird auch auf die Kostenbelastung<br />
<strong>der</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb stehenden<br />
Unternehmen Rücksicht nehmen.<br />
± Öffentliche Investitionen am Schutz <strong>der</strong><br />
Lebensgrundlagen orientieren:<br />
Wir wollen die Investitionen <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Hand am Ziel des nachhaltigen<br />
Wirtschaftens und an <strong>der</strong> Bewahrung <strong>der</strong><br />
Lebensgrundlagen orientieren und auf<br />
e<strong>in</strong>em möglichst hohen Niveau bündeln.<br />
Angesichts <strong>der</strong> seit Jahren erfolgenden<br />
Kürzungen öffentlicher Investitionen<br />
gibt es viele zurückgestellte und daher<br />
schnell umsetzbare Projekte. Um qualitatives<br />
Wachstum sicherzustellen, werden<br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen auf den Gebieten<br />
<strong>der</strong> ökologischen Erneuerung sowie von<br />
Hochschulen, Wissenschaft und Forschung<br />
<strong>der</strong> Vorrang gegeben.<br />
Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />
± Ausbau und Mo<strong>der</strong>nisierung des<br />
ÖPNV und leistungsfähigere Schienennetze<br />
± Maûnahmen <strong>der</strong> Stadtentwicklung und<br />
Stadtsanierung<br />
± Verbesserung <strong>der</strong> kommunalen Infrastruktur<br />
± vor allem <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
± Sanierung von Altlasten<br />
± Ersatz<strong>in</strong>vestitionen im Bereich <strong>der</strong><br />
Entsorgung und Kanalisation<br />
± Maûnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong><br />
Umweltbelastungen zur För<strong>der</strong>ung<br />
103
von Energiee<strong>in</strong>sparung und erneuerbarer<br />
Energien, Aufbau e<strong>in</strong>er effizienten<br />
Stoffwirtschaft<br />
± Investitionen für Hochschule, Wissenschaft<br />
und Forschung und Aufgaben<br />
zur Verbesserung <strong>der</strong> Studienbed<strong>in</strong>gungen.<br />
Mit diesen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen können<br />
bis zu 750 000 Arbeitsplätze geschaffen<br />
werden.<br />
± die arbeitsplatzschaffenden Potentiale<br />
<strong>der</strong> Umweltschutzgüter<strong>in</strong>dustrie nutzen:<br />
Wir brauchen zukunftsfähige Arbeitsplätze.<br />
Zukunftsfähig <strong>in</strong> doppelter H<strong>in</strong>sicht:<br />
Sie müssen ökologisch zukunftsfähig<br />
se<strong>in</strong> und sie müssen ökonomisch<br />
zukunftsfähig se<strong>in</strong>, also unsere <strong>in</strong>ternationale<br />
Wettbewerbsfähigkeit steigern.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Umweltschutz<strong>in</strong>dustrie<br />
am nationalen Bruttosozialprodukt stagniert<br />
seit Jahren bei unter 2 %. Beim<br />
Export von Umweltgütern s<strong>in</strong>d wir im<br />
<strong>in</strong>ternationalen Vergleich auf den dritten<br />
Platz zurückgefallen. Bis heute s<strong>in</strong>d<br />
4000 Unternehmen im Bereich <strong>der</strong><br />
Umwelttechnik tätig, es werden rund<br />
1 Million Menschen direkt o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt<br />
im Umweltschutz beschäftigt. Bei allen<br />
Patentanmeldungen für Umwelttechnik<br />
entfielen zwischen 1985 und 1990 knapp<br />
über 30 % auf die Bundesrepublik. Das<br />
Weltmarktpotential <strong>der</strong> Umweltschutz<strong>in</strong>dustrie<br />
wird im Jahre 2000 um rund<br />
30 % höher als heute geschätzt. Noch<br />
gröûer wären die wirtschaftlichen und<br />
beschäftigungspolitischen Potentiale,<br />
wenn es zu e<strong>in</strong>em forcierten Wandel h<strong>in</strong><br />
zu e<strong>in</strong>em produktions- und produkt<strong>in</strong>tegrierten<br />
Umweltschutz und zur systematischen<br />
Erschlieûung neuer Märkte<br />
käme. Umfangreiche neue Anwendungschancen<br />
ergeben sich dabei aus <strong>der</strong> Integration<br />
von Solar- und Informationsund<br />
an<strong>der</strong>en Elektroniktechnologien.<br />
Öko-Produktivität und die weitgehende<br />
Schlieûung von Stoffkreisläufen führen<br />
nicht nur zu e<strong>in</strong>er quantitativen Verr<strong>in</strong>gerung<br />
und höherwertigen Zusammensetzung<br />
<strong>der</strong> Stoffströme, son<strong>der</strong>n auch<br />
zur Entwicklung e<strong>in</strong>es produktionsorien-<br />
104<br />
tierten Dienstleistungssektors. Produktionsorientierte<br />
Dienstleistungen stärken<br />
wie<strong>der</strong>um regionale Wirtschaftstätigkeiten,<br />
die auch für die Zukunft des <strong>in</strong>dustriellen<br />
Sektors Bedeutung haben. Sie<br />
erfor<strong>der</strong>n spezifische Fähigkeiten für den<br />
E<strong>in</strong>satz von E<strong>in</strong>spar- und Solartechniken,<br />
neue Werkstoffe und Reparaturkompetenz.<br />
± ökologischen Fortschritt und Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft zu Konsensthemen<br />
machen:<br />
Wir müssen ökologischen Fortschritt<br />
und die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
zu Konsensthemen machen. Dazu gehört<br />
e<strong>in</strong> offener Dialog über die damit verbundenen<br />
Chancen und Risiken. Verantwortbarer<br />
Fortschritt ist ohne Risikobewertung<br />
bei <strong>der</strong> Bewältigung <strong>der</strong><br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zukunft nicht<br />
denkbar. Die <strong>SPD</strong> bekräftigt ihre Haltung<br />
zur Atompolitik. Wir wollen ke<strong>in</strong>e<br />
neuen Anlagen und mit dem Ausstieg so<br />
schnell wie möglich beg<strong>in</strong>nen. E<strong>in</strong>e ökologische<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung braucht e<strong>in</strong>e<br />
verstärkte Kooperation <strong>der</strong> Akteure aus<br />
Politik, Wirtschaft, gesellschaftlichen<br />
Gruppen, Gewerkschaften und Wissenschaft<br />
und muû durch staatliche Rahmensetzungen<br />
geför<strong>der</strong>t und abgesichert<br />
werden.<br />
6. Den Dienstleistungssektor systematisch<br />
entwickeln<br />
Deutschland braucht e<strong>in</strong>e neue Dienstleistungskultur.<br />
Im Dienstleistungsbereich liegen<br />
weiterh<strong>in</strong> die gröûten Potentiale für<br />
künftiges Beschäftigungswachstum, selbst<br />
wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bereichen die Beschäftigung<br />
zurückgehen wird.<br />
Diese Potentiale müssen ausgeschöpft werden.<br />
Deutschland darf nicht die Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
se<strong>in</strong>es Dienstleistungssektors verpassen.<br />
Mehr und bessere Qualifizierung,<br />
die Nutzung mo<strong>der</strong>ner Technik, neue<br />
Organisationskonzepte und mehr Kundenorientierung<br />
s<strong>in</strong>d die Schlüsselherausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
vor denen Wirtschaft, Politik und<br />
Verwaltung bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong><br />
Dienstleistungswirtschaft stehen.
Die Gestaltungsanfor<strong>der</strong>ungen, aber auch<br />
die Gestaltungschancen für Dienstleistungspolitik<br />
s<strong>in</strong>d vielfältig:<br />
± Impulse geben und mo<strong>der</strong>ieren:<br />
Viele Innovationen im Dienstleistungssektor<br />
werden nur im Verbund zwischen<br />
verschiedenen Akteuren zu bewältigen<br />
se<strong>in</strong>. Zusammenarbeit kommt <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wirtschaft aber oftmals nicht von selbst<br />
zustande. Politik, Verwaltung und auch<br />
Wissenschaft können hierfür <strong>in</strong>haltliche<br />
Impulse geben und die notwendigen<br />
Begegnungen und Dialoge organisieren<br />
und mo<strong>der</strong>ieren. Zusätzlich können über<br />
öffentliche Leitnachfrage o<strong>der</strong> über<br />
öffentlich unterstützte Pilotprojekte<br />
Anstöûe gegeben werden.<br />
± Synergiepotentiale von Technik und<br />
Dienstleistungen besser nutzen:<br />
Industrielle Erzeugnisse lassen sich oftmals<br />
nur noch dann verkaufen, wenn<br />
komplementär Dienstleistungen mitgeliefert<br />
werden. Es zeigt sich, daû sich<br />
viele neue und attraktive Angebote nur<br />
durch Nutzung mo<strong>der</strong>ner Technologie<br />
entwickeln lassen. Viele Beispiele für den<br />
Bedeutungsgew<strong>in</strong>n solcher ¹servo-<strong>in</strong>dustriellerª<br />
Kompetenzen liefert <strong>der</strong><br />
Bereich <strong>der</strong> Gesundheits- und Mediz<strong>in</strong>technik.<br />
Neue technische Angebote können<br />
sich hier erfolgreich etablieren,<br />
wenn sie Bestandteil umfassen<strong>der</strong>, ganzheitlicher<br />
Versorgungskonzepte s<strong>in</strong>d.<br />
Diese synergetischen Potentiale zwischen<br />
Technik und Dienstleistungen müssen<br />
gezielt entwickelt werden.<br />
± Haushaltsnahe Dienste professionalisieren:<br />
Angesichts des sozio-demographischen<br />
Wandels ± Altern <strong>der</strong> Gesellschaft, wachsende<br />
Frauenerwerbstätigkeit, Bedeutungsverlust<br />
<strong>der</strong> familiären B<strong>in</strong>dungen ±<br />
besteht e<strong>in</strong> zunehmen<strong>der</strong> Bedarf an ±<br />
professionellen ± Haushaltsdienstleistungen.<br />
Vielfach reicht die Nachfrage e<strong>in</strong>es<br />
Haushaltes allerd<strong>in</strong>gs nicht e<strong>in</strong>mal für<br />
e<strong>in</strong>e Teilzeitbeschäftigung aus und es<br />
fehlen die f<strong>in</strong>anziellen Mittel. Notwendig<br />
s<strong>in</strong>d deshalb Konzepte, die die<br />
Beschäftigung von Haushaltsdienstleistungen<br />
<strong>in</strong> gewerblich tätigen o<strong>der</strong><br />
geme<strong>in</strong>nützigen Agenturen bündeln und<br />
die Dienstleistungen soweit verbilligen,<br />
daû sich die Nachfrage auch entfalten<br />
kann. Ziel e<strong>in</strong>er För<strong>der</strong>ung muû se<strong>in</strong>,<br />
daû möglichst viele, sozialversicherungspflichtige<br />
Arbeitsplätze mit existenzsicherndem<br />
Lohn entstehen, daû Normalverdiener-Haushalte<br />
die Dienstleistungen<br />
tatsächlich bezahlen können und daû<br />
auch Langzeitarbeitslose neue Integrationschancen<br />
erhalten.<br />
± Die wirtschaftlichen Chancen bei<br />
Gesundheit und Soziales nutzen:<br />
Gesundheits- und soziale Dienste waren<br />
die wichtigste Wachstumsbranche <strong>der</strong><br />
letzten 20 Jahre. In den nächsten Jahren<br />
können hier neue Arbeitsplätze entstehen,<br />
wenn es gel<strong>in</strong>gt, die Leistungen<br />
effizienter zu erbr<strong>in</strong>gen. Bei e<strong>in</strong>em<br />
kostengünstigen Angebot läût sich auch<br />
zusätzliche private Nachfrage mobilisieren.<br />
± Wachstumpotentiale im Fremdenverkehr<br />
und Freizeitsektor beschäftigungswirksam<br />
nutzen:<br />
In Deutschland arbeiten <strong>der</strong>zeit etwa<br />
2 Mio. Menschen im Bereich Freizeit<br />
und Tourismus. Das deutsche Leistungsbilanzdefizit<br />
von fast 50 Mrd. DM pro<br />
Jahr <strong>in</strong> diesem Bereich kann nur verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
werden, wenn sich deutsche Anbieter<br />
entscheidend verbessern. Voraussetzung<br />
dafür ist die Entwicklung von<br />
Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten<br />
und des Tourismus.<br />
7. Den Staat mo<strong>der</strong>nisieren<br />
Die Verbesserung <strong>der</strong> Qualität des Staatshandelns<br />
ist e<strong>in</strong>e wichtige Zukunftsaufgabe.<br />
Um diese zu bewältigen, bedarf es e<strong>in</strong>er<br />
grundlegenden Mo<strong>der</strong>nisierung des Staates.<br />
Diese kann sich nicht im Kostenmanagement<br />
(¹schlanker Staatª) und Deregulierung<br />
erschöpfen. Es geht vielmehr um e<strong>in</strong>e<br />
Neudef<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Kernaufgaben staatlichen<br />
Handelns, das auch <strong>in</strong> Zukunft gesellschafts-<br />
und wirtschaftspolitische Ziele und<br />
Standards zu gewährleisten hat. Die Neudef<strong>in</strong>ition<br />
staatlichen Handelns muû nach<br />
den Grundsätzen <strong>der</strong> Effizenz und <strong>der</strong><br />
Wirtschaftlichkeit, <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
105
Akzeptanz und <strong>der</strong> demokratischen Teilhabe<br />
entschieden werden. Unsere Leitl<strong>in</strong>ien<br />
zur Mo<strong>der</strong>nisierung des Staates müssen<br />
vor den hier formulierten Grundsätzen<br />
verstanden werden:<br />
± Neubestimmung <strong>der</strong> Aufgaben zwischen<br />
Staat und Gesellschaft:<br />
Grundsätzlich gilt: Wo Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
und Selbstregulierungskräfte <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
greifen, ist <strong>der</strong> Staat nicht gefor<strong>der</strong>t.<br />
Umgekehrt steht auûer Frage, daû<br />
die hoheitlichen Aufgaben <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren<br />
und äuûeren Sicherheit, die Rechtsprechung,<br />
e<strong>in</strong> funktionsfähiges Bildungswesen<br />
und e<strong>in</strong>e leistungsfähige Infrastruktur<br />
staatlicherseits bereitgestellt werden<br />
müssen. Die gesellschaftlichen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
und die immer enger werdenden<br />
F<strong>in</strong>anzspielräume erfor<strong>der</strong>n aber, staatliche<br />
Leistungen auf den Prüfstand zu<br />
stellen. Dazu gehören Teilbereiche des<br />
Ordnungsrechts, bei denen die Verantwortung<br />
ggf. unter Verschärfung <strong>der</strong><br />
Gewährleistungs- und Produkthaftung<br />
Privaten übertragen werden kann. Auch<br />
bei öffentlicher Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
kann und muû die Privat<strong>in</strong>itiative stärker<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Müllabfuhr und Wasserwirtschaft,<br />
die Pflege von Parks, Straûenre<strong>in</strong>igung<br />
und Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung<br />
können im Wettbewerb von privaten<br />
Unternehmen o<strong>der</strong> von Regiebetrieben<br />
erbracht werden.<br />
± Wirtschaftlichkeit und Effizienz<br />
verbessern:<br />
Die Bürger haben e<strong>in</strong> Recht darauf, daû<br />
mit ihren Steuermitteln so sparsam und<br />
wirtschaftlich wie möglich umgegangen<br />
wird. Deswegen ist e<strong>in</strong>e Reform des<br />
Haushaltsrechts erfor<strong>der</strong>lich: Durch<br />
Globalhaushalte und Controll<strong>in</strong>gverfahren<br />
kann für e<strong>in</strong>e effizientere Mittelverwendung<br />
gesorgt werden, durch Umgestaltung<br />
des öffentlichen<br />
Haushaltswesens nach kaufmännischen<br />
Gesichtspunkten mit Kosten- und Leistungsanrechnung<br />
können Spielräume<br />
für wirtschaftliche Optimierung geschaffen<br />
werden. Dezentrale Steuerungsmechanismen<br />
mit klaren Kompetenzregeln<br />
und mo<strong>der</strong>ne Management<strong>in</strong>strumente,<br />
106<br />
weniger Hierarchiestufen und ergebnisorientierte<br />
Aufbau- und Ablauforganisationen<br />
s<strong>in</strong>d Maûnahmen, die Effizienz<br />
und Wirtschaftlichkeit <strong>der</strong> Verwaltung<br />
steigern.<br />
± Motivation und Leistungsanreize für<br />
den öffentlichen Dienst:<br />
Eigenverantwortung und Leistungsanreize<br />
s<strong>in</strong>d unverzichtbare Elemente für<br />
die Motivation von Mitarbeitern im<br />
öffentlichen Dienst. Die Besoldung im<br />
öffentlichen Sektor muû sich deshalb<br />
stärker an <strong>der</strong> Leistung orientieren. Re<strong>in</strong><br />
zeitablaufbezogene Beför<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d<br />
zu vermeiden, Dienstalterszulagen durch<br />
befristete Leistungszulagen zu ersetzen.<br />
E<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Verwaltung kann nur mit<br />
den dort Beschäftigten und nicht gegen<br />
sie geschaffen werden. Leistungsanreize<br />
und Dezentralisierung bedeuten auch,<br />
daû mehr Verantwortung <strong>in</strong> die Verwaltung<br />
verlagert wird. E<strong>in</strong> Dienstrecht, das<br />
Eigenverantwortung schafft, stärkt und<br />
belohnt, muû schrittweise entwickelt<br />
werden. E<strong>in</strong>e unkritische Übertragung<br />
privatwirtschaftlicher Methoden wird<br />
den Beson<strong>der</strong>heiten e<strong>in</strong>er öffentlichen<br />
Verwaltung nicht gerecht. Wir brauchen<br />
deshalb e<strong>in</strong>e breite Palette von Modellvorhaben,<br />
um neue Wege auszuprobieren.<br />
Wir brauchen leistungsfähige Fortbildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
und<br />
Verwaltungswissenschaften neuen Stils.<br />
Wir wollen die Erkenntnisse <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Arbeitswissenschaften nutzen, um<br />
mit <strong>der</strong> Verwaltung zusammen neue leistungsfähige<br />
Strukturen und Verfahren<br />
zu schaffen.<br />
± Innovationsspielräume erweitern:<br />
Die staatliche Rechtsetzung erfaût heute<br />
alle wesentlichen Lebensbereiche. Dabei<br />
hat die Regulierungsdichte e<strong>in</strong> Ausmaû<br />
angenommen, das oft als Belastung o<strong>der</strong><br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung von Eigen<strong>in</strong>itiative empfunden<br />
wird. Das hohe Tempo <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>in</strong> Wirtschaft und Gesellschaft<br />
erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e permanente<br />
Überprüfung und Anpassung <strong>der</strong> Rechtsvorschriften<br />
an heutige Verhältnisse und<br />
künftige Anfor<strong>der</strong>ungen. Dazu kann die<br />
Befristung von Gesetzen e<strong>in</strong> Instrument
se<strong>in</strong>. In diesem S<strong>in</strong>ne haben wir das Ziel,<br />
mehr Freiräume für neue Entwicklungen,<br />
gröûere Eigen<strong>in</strong>itiative und schnellere<br />
Reaktionsmöglichkeiten auf die sich<br />
wandelnden Lebensverhältnisse zu schaffen.<br />
± Entbürokratisierung für mehr Bürgernähe:<br />
Die öffentliche Verwaltung <strong>in</strong> Deutschland<br />
ist besser als ihr Ruf. Viele Län<strong>der</strong><br />
beneiden uns um die Leistungsfähigkeit<br />
des öffentlichen Dienstes. Um die Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Zukunft zu bewältigen,<br />
muû die öffentliche Verwaltung<br />
aber permanent verbessert werden. Leitbild<br />
<strong>der</strong> Verwaltungstätigkeit muû <strong>der</strong><br />
Dienst am Bürger se<strong>in</strong>. Servicedenken<br />
und Kundenfreundlichkeit müssen auch<br />
<strong>in</strong> den Amtsstuben E<strong>in</strong>zug halten. Verfahrensabläufe<br />
müssen entbürokratisiert<br />
und ergebnisorientiert ausgestaltet werden.<br />
Im Interesse <strong>der</strong> Bürger müssen die<br />
wichtigsten Dienstleistungsangebote <strong>in</strong><br />
Dienstleistungszentren zusammengefaût<br />
werden (¹bürgernahes Rathausª), wobei<br />
kundenfreundliche Öffnungszeiten sowie<br />
e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Bearbeitungszeiten<br />
erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d.<br />
8. Neuen Konsens für e<strong>in</strong>e neue Sozialstaatlichkeit<br />
organisieren<br />
Die Innovationsoffensive muû sich auch<br />
auf den Sozialstaat selbst beziehen. Gerade<br />
weil das Sozialstaatspr<strong>in</strong>zip bewahrt werden<br />
soll, müssen die sozialpolitischen Leistungen<br />
und Institutionen an die verän<strong>der</strong>ten<br />
ökonomischen, demographischen und<br />
sozial-strukturellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
angepaût werden.<br />
E<strong>in</strong>e Offensive für Innovation und Beschäftigung<br />
setzt e<strong>in</strong>en neuen gesellschaftlichen<br />
Konsens voraus. Ohne sozialen Ausgleich<br />
und e<strong>in</strong>e Sicherung gegen die sozialen Risiken<br />
gew<strong>in</strong>nt Innovationspolitik nur<br />
begrenzte Akzeptanz auch <strong>in</strong> diesem Feld.<br />
Aber es ist nicht alles f<strong>in</strong>anzierbar, was<br />
wünschenswert ist. Wir brauchen deshalb<br />
e<strong>in</strong> richtiges Verhältnis von Eigenverantwortung<br />
und Solidarität und e<strong>in</strong>en effektiveren<br />
und zielgenaueren Ressourcene<strong>in</strong>satz.<br />
Bei <strong>der</strong> Leistungsgestaltung müssen die<br />
verän<strong>der</strong>ten Lebenslagen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />
und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie berücksichtigt werden.<br />
Wir stehen vor <strong>der</strong> Aufgabe, e<strong>in</strong>en neuen<br />
sozialen Konsens herzustellen.<br />
Die Verknüpfung von Individualität und<br />
Solidarität dokumentiert sich vor allem <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Sozialversicherung. Das deutsche<br />
Modell <strong>der</strong> Sozialversicherung mit se<strong>in</strong>en<br />
Elementen <strong>der</strong> am Lohn ausgerichteten<br />
Beitragsf<strong>in</strong>anzierung, Lebensstandardsicherung,<br />
Leistungsdynamik, sozialen Ausgleich,<br />
paritätischer Mittelaufbr<strong>in</strong>gung und<br />
Selbstverwaltung ist besser als alle an<strong>der</strong>en<br />
Modelle geeignet, die soziale Sicherheit zu<br />
schaffen und den Zusammenhalt <strong>der</strong> Generationen<br />
zu organisieren. Der Abbau <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit und e<strong>in</strong> hohes Beschäftigungsniveau<br />
verbessert die Voraussetzungen<br />
für die Reform unserer sozialstaatlichen<br />
Strukturen und <strong>der</strong>en zukunftsfähige<br />
Weiterentwicklung. Die Grundstrukturen<br />
unseres Sozialstaates haben sich bewährt<br />
und müssen erhalten bleiben.<br />
Der Sozialstaat ist nicht alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kostenfaktor,<br />
son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e unverzichtbare Produktivkraft<br />
<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nen Gesellschaften.<br />
Sie wirkt positiv auf die wirtschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit zurück. Die soziale<br />
Marktwirtschaft ist die Erfolgsgarantie für<br />
die Verb<strong>in</strong>dung von ökonomischer Effizienz,<br />
wachsendem Wohlstand, sozialer<br />
Sicherheit und Demokratie. Notwendig ist:<br />
± Den Sozialstaat e<strong>in</strong>facher und überschaubarer<br />
gestalten:<br />
Überflüssige Bürokratie muû abgebaut<br />
und Rationalisierungs- und Wirtschaftlichkeitsreserven<br />
aufgespürt werden.<br />
Ökonomisches Denken und sozialstaatliche<br />
Orientierung s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Gegensätze.<br />
Wenn es gel<strong>in</strong>gt, die knappen Ressourcen<br />
zielgenauer und effizienter e<strong>in</strong>zusetzen,<br />
lassen sich Qualitätsverbesserung<br />
und Kostensenkung s<strong>in</strong>nvoll mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
verb<strong>in</strong>den. So werden Mittel frei, um<br />
auch auf neue sozialpolitische Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
reagieren zu können.<br />
± Prävention stärken:<br />
E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>ner Sozialstaat zielt erst nachrangig<br />
auf den Ausgleich sozialer Risi-<br />
107
ken. Vorrang muû die Vermeidung von<br />
Schäden haben. Auch wenn soziale<br />
Risiko- und Bedarfslagen bereits e<strong>in</strong>getreten<br />
s<strong>in</strong>d, darf sich Sozialpolitik nicht<br />
darauf beschränken, die betroffenen<br />
Menschen lediglich als passive Empfänger<br />
von Transfers zu behandeln.<br />
± Sozialpolitik muû aktivieren:<br />
Hilfe zur Selbsthilfe muû das Ziel sozialstaatlichen<br />
Handelns se<strong>in</strong>. Es ist wi<strong>der</strong>s<strong>in</strong>nig,<br />
Arbeitslosigkeit statt Arbeit zu<br />
f<strong>in</strong>anzieren. Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik<br />
müssen vielmehr <strong>in</strong>e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>greifen,<br />
um <strong>der</strong> groûen Zahl von<br />
arbeitsfähigen und arbeitswilligen Leistungsempfängern<br />
e<strong>in</strong>en Zugang zur<br />
Arbeit zu verschaffen.<br />
± Die Zielgenauigkeit sozialer Transferleistungen<br />
erhöhen:<br />
E<strong>in</strong> leistungsfähiger und gesellschaftlich<br />
akzeptierter Sozialstaat beruht auf e<strong>in</strong>er<br />
Balance zwischen solidarischer Sicherung<br />
und Eigenverantwortung. Es ist stets ±<br />
vor dem H<strong>in</strong>tergrund von F<strong>in</strong>anzierungsfähigkeit<br />
und sozialen Problemlagen<br />
± aufs Neue abzuwägen, was privat<br />
und was solidarisch zu lösen ist. Dort wo<br />
Menschen <strong>in</strong>dividuelle Vorsorge leisten<br />
können, sollen sie dazu ermutigt werden.<br />
± Solidarische Potentiale <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
stärken:<br />
Solidarität, Selbsthilfe und Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n<br />
müssen sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Familie, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachbarschaft,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de entfalten<br />
können. Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />
müssen befähigt und motiviert werden,<br />
Verantwortung für sich und das Geme<strong>in</strong>wohl<br />
zu übernehmen und soziale Aufgaben<br />
auf freiwilliger Basis zu erfüllen. Es<br />
geht nicht nur um die wirtschaftliche<br />
Produktivität e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>wesens, son<strong>der</strong>n<br />
auch um die soziale Produktivität.<br />
± Die Sozialversicherung auf breitere<br />
Basis stellen:<br />
Wir müssen das Ziel verfolgen, die<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />
auf breitere Basis zu stellen. Die<br />
Ordnung auf dem Arbeitsmarkt muû<br />
wie<strong>der</strong> hergestellt werden. Dazu gehört<br />
zunächst die Bekämpfung von Sche<strong>in</strong>-<br />
108<br />
selbständigkeit und die Sozialversicherungspflicht<br />
ger<strong>in</strong>gfügiger Beschäftigung.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 25<br />
¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu 144<br />
Teil B, Kapitel 2, ¹Bildung ist die ¹Schlüsselressource<br />
für die Zukunftª<br />
Der erste Spiegelstrich soll wie folgt<br />
ergänzt werden: ¹Dies erfor<strong>der</strong>t auch e<strong>in</strong>e<br />
grundlegende Reform <strong>der</strong> Unterrichts- und<br />
Stundenplanstrukturª.<br />
E<strong>in</strong> neuer Spiegelstrich soll e<strong>in</strong>gefügt werden:<br />
¹Die pädagogische und fachspezifische<br />
Fortbildung ist, verpflichtend für alle Lehrer/<strong>in</strong>nen,<br />
neu zu organisieren und bedarfsgerecht<br />
zu systematisieren. Die Vernetzung<br />
von Praxis und wissenschaftlicher Entwicklung<br />
ist <strong>in</strong> Zusammenarbeit zwischen allen<br />
Schulformen und Hochschule dauerhaft zu<br />
gewährleisten. Die Lehreraus- und -fortbildung<br />
muû darauf ausgerichtet se<strong>in</strong>, das<br />
Schulsystem <strong>in</strong>sgesamt weiterzuentwickeln<br />
und angesichts <strong>der</strong> europäischen Integration<br />
den Austausch zwischen den Bildungssystemen,<br />
vor allem <strong>der</strong> unmittelbaren<br />
Nachbarlän<strong>der</strong>, zu ermöglichen.ª<br />
Nach dem 10. Spiegelstrich ¹Schnellere<br />
Anpassung ...ª sollen zwei weitere angefügt<br />
werden:<br />
± ¹In e<strong>in</strong>er Reihe von Branchen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Wachstumsbranchen, gibt es e<strong>in</strong>en<br />
deutlichen Bedarf für die Entwicklung<br />
neuer Berufsbil<strong>der</strong>. Damit eröffnet sich<br />
e<strong>in</strong> neues Potential für qualifizierte Ausbildungsplätze.<br />
Die Entwicklung neuer<br />
Berufsbil<strong>der</strong> und <strong>der</strong> entsprechenden<br />
Ausbildungsordnungen, muû daher,<br />
gemäû dem schnellen Wandlungsprozeû<br />
<strong>in</strong> Wirtschaft und Verwaltung, zügig<br />
erfolgen. Die Erprobung neuer Ausbildungsgänge<br />
muû bei Bedarf im Vorgriff<br />
auf den Erlaû von Ausbildungsverordnungen<br />
ermöglicht werden.ª
± ¹Rund 15 Prozent e<strong>in</strong>es Altersjahrgangs<br />
bleiben <strong>der</strong>zeit ohne Berufsabschluû.<br />
Diese Jugendlichen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
und Perspektivlosigkeit ausgesetzt,<br />
von sozialem Abstieg und gesellschaftlicher<br />
Ausgrenzung bedroht. Es<br />
besteht daher e<strong>in</strong> dr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Handlungsbedarf,<br />
für lernschwache und benachteiligte<br />
Jugendliche differenzierte Lösungen<br />
anzubieten. In dafür geeigneten Berufen<br />
s<strong>in</strong>d, bedarfsgerecht, Ausbildungsgänge<br />
<strong>in</strong> Stufenform (Beispiel: Kle<strong>in</strong>er Gesellenbrief)<br />
zu entwickeln. Dabei muû die<br />
Zertifizierung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Stufen und<br />
ihre Durchlässigkeit gesichert se<strong>in</strong>. So<br />
eröffnen sie auch für diesen Personenkreis<br />
Möglichkeiten e<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen<br />
beruflichen Qualifizierung mit<br />
anerkannten Abschlüssen.ª<br />
Teil B, Kap. 5, letzter Spiegelstrich<br />
Anstatt ¹und des Tourismusª soll <strong>der</strong><br />
Schluû lauten: ¹... sowie zukunftsfähiger<br />
Tourismuskonzepte.ª<br />
Teil B, Kap. 6, ¹Arbeitsplätze durch Innovationenª:<br />
In die Fassung <strong>der</strong> Antragskommission<br />
sollte an entsprechen<strong>der</strong> Stelle e<strong>in</strong>gefügt<br />
werden:<br />
¹Wir wollen die Konsensbereitschaft zwischen<br />
den Sozialpartnern und <strong>der</strong> Politik<br />
herstellen. Wir werden e<strong>in</strong> ,Bündnis für<br />
Arbeitª & realisierenª.<br />
(Überwiesen an Kommission Bildung und<br />
Wissenschaft beim Parteivorstand)<br />
Initiativantrag 26<br />
¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu IA 25<br />
(zu I 44)<br />
Im drittletzten Ansatz wird <strong>der</strong> vierte Satz<br />
wie folgt gefaût:<br />
¹In dafür geeigneten Berufen s<strong>in</strong>d, bedarfsgerecht,<br />
Ausbildungsgänge <strong>in</strong> Stufenform<br />
zu entwickeln, die <strong>in</strong> jedem Fall zu e<strong>in</strong>em<br />
vollwertigen Abschluû zur Erlangung <strong>der</strong><br />
beruflichen Qualifikation führen müssen.ª<br />
Die im letzten Absatz enthaltene Passage<br />
kann <strong>in</strong> den Punkt B 3 <strong>der</strong> Antragskommission<br />
im ersten Absatz nach dem zweiten<br />
Satz e<strong>in</strong>gefügt werden.<br />
(Überwiesen an Kommission Bildung und<br />
Wissenschaft beim Parteivorstand)<br />
Initiativantrag 45<br />
Innovationspolitik<br />
± Stafettenmodelle sozial absichern<br />
Stafettenmodelle als e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />
Form von Arbeitszeitverkürzung und<br />
-teilung zwischen den Generationen<br />
können e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit leisten.<br />
Berufse<strong>in</strong>steiger/<strong>in</strong>nen, die mit e<strong>in</strong>er<br />
reduzierten Arbeitszeit beg<strong>in</strong>nen, müssen<br />
dabei die Möglichkeit haben, spätestens<br />
nach 5 Jahren die normale Wochenarbeitszeit<br />
zu erreichen. Aufgrund <strong>der</strong> verkürzten<br />
Arbeitszeit und des reduzierten<br />
E<strong>in</strong>kommens ergeben sich für im Stafettenmodell<br />
bef<strong>in</strong>dliche Beschäftigte E<strong>in</strong>buûen<br />
bei <strong>der</strong> Renten- und Arbeitslosenversicherung.<br />
Um diese auszugleichen,<br />
wird im Falle <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit das<br />
Vollzeite<strong>in</strong>kommen zur Berechnungsgrundlage<br />
genommen. Die Kosten müssen<br />
als versicherungsfremde Leistungen<br />
steuerf<strong>in</strong>anziert werden.<br />
Neben den Anpassungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenund<br />
Arbeitslosenversicherung sollte die<br />
Unterstützung von Vorruhestand, Altersteilzeit<br />
u. ä. durch öffentliche Gel<strong>der</strong> an<br />
e<strong>in</strong>e Ersetzung durch jüngere Arbeitnehmer/-<strong>in</strong>nen<br />
gebunden werden, um so die<br />
Verb<strong>in</strong>dlichkeit von Stafettenmodellen<br />
zu erhöhen. Gleiche Chancen für Frauen<br />
und Männer müssen gewährleistet se<strong>in</strong>.<br />
Die Durchsetzung <strong>der</strong> tariflichen Altersteilzeit<br />
durch die IG Metall war e<strong>in</strong> groûer<br />
Schritt <strong>in</strong> die richtige Richtung.<br />
Dies wollen wir durch die Absenkung <strong>der</strong><br />
Beitragsätze zur Arbeitslosenversicherung<br />
für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber entspre-<br />
109
chend <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit. Mit<br />
dieser dynamischen Arbeitspolitik entstehen<br />
f<strong>in</strong>anzielle Anreize für Beschäftigte<br />
und Unternehmen, Arbeitszeit zur verkürzen<br />
und auf mehr Arbeitnehmer/-<strong>in</strong>nen zu<br />
verteilen. Wer gleichviel arbeitet wie bisher,<br />
zahlt weiter die gleichen Arbeitslosenversicherungsbeiträge.<br />
Wer 32 Stunden<br />
Wochenarbeitszeit o<strong>der</strong> weniger arbeitet,<br />
dessen Beitragssätze s<strong>in</strong>ken dementsprechend.<br />
Dies setzt e<strong>in</strong>e effektive Durchsetzung<br />
<strong>der</strong> neuen tarifvertraglich gebundenen<br />
Arbeitszeit voraus. Ebenso müssen Umgehungsmöglichkeiten<br />
auf tariflichem und<br />
gesetzlichem Weg ausgeschlossen se<strong>in</strong>.<br />
Alle Beschäftigten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die Sozialversicherung<br />
e<strong>in</strong>zubeziehen. Für die Durchführung<br />
ger<strong>in</strong>gfügiger Beschäftigungsverhältnisse<br />
schlagen wir Dienstleistungs- und<br />
Beschäftigungsschecks vor. Mit ihnen wird<br />
das zu versteuernde und zu versichernde<br />
E<strong>in</strong>kommen erfaût. Dabei trägt <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />
die Sozialversicherungskosten ganz.<br />
Im Gegenzug dazu entfällt die Pauschalbesteuerung<br />
für diese Beschäftigungssparte.<br />
Im übrigen können heilberufliche und<br />
soziale Dienstleistungen (Pflege etc.) schon<br />
nach geltendem Recht bzw. nach e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />
Anpassung mehrwertsteuerfrei<br />
gestellt werden. Dadurch kann die vielgefürchtete<br />
Kostensteigerung und die daraus<br />
folgende Arbeitsplatzvernichtung beim<br />
Übergang <strong>in</strong> die Sozialversicherungspflichtigkeit<br />
vermieden werden.<br />
Für die Abwicklung von mehreren ger<strong>in</strong>gfügigen<br />
Beschäftigungsverhältnissen des/<br />
<strong>der</strong>selben Arbeitnehmer<strong>in</strong> bietet sich die<br />
E<strong>in</strong>richtung von z.B. den Arbeitsämtern<br />
zugeordneten Dienstleistungsagenturen an,<br />
die solche Arbeitsangebote bündeln und an<br />
die <strong>in</strong>teressierte Arbeitnehmer/-<strong>in</strong>nen vermitteln.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
110<br />
Antrag I 45<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen<br />
und Juristen (ASJ)<br />
¾n<strong>der</strong>ungsantrag zum<br />
Leitantrag des Parteivorstandes<br />
¹Innovationen für<br />
Deutschlandª<br />
In den Leitantrag des <strong>SPD</strong>-Parteivorstands<br />
¹Innovationen für Deutschland für den<br />
<strong>Parteitag</strong> 2.±4. Dezember <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong>ª<br />
ist an den Text des ersten Glie<strong>der</strong>ungspunktes<br />
¹Mittelstandsfreundliche Wettbewerbspolitikª<br />
folgen<strong>der</strong> Satz anzufügen:<br />
¹Mittelständischer E<strong>in</strong>zelhandel und Handwerk<br />
s<strong>in</strong>d auch durch e<strong>in</strong>en wirksamen<br />
Geschäftsraum-Mieterschutz vor dem <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren stark angestiegenen Verdrängungswettbewerb<br />
durch unzumutbare<br />
und ungerechtfertigte Mieterhöhungen zu<br />
bewahren.ª<br />
(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 49<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Düsseldorf-Stadtmitte<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Für e<strong>in</strong>e zukunftsgerichtete<br />
Politik<br />
I<br />
Frieden, Freiheit, Sozialismus ± das waren<br />
(und s<strong>in</strong>d?) die klassischen Zielsetzungen<br />
<strong>der</strong> Sozialdemokratie. Frieden gedeiht auf<br />
<strong>der</strong> Basis von Freiheit und Gerechtigkeit,<br />
er bedeutet mehr als die Abwesenheit von<br />
Krieg. Er setzt vor allem die Wahrung <strong>der</strong><br />
Menschenrechte voraus, im Innern wie <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> auswärtigen Politik. Freiheit ist auch<br />
die Freiheit von materieller Not. Sozialismus<br />
als wi<strong>der</strong>spruchsvolle Verb<strong>in</strong>dung von
Gleichheit und Gerechtigkeit bedarf e<strong>in</strong>er<br />
neuen umfassenden Def<strong>in</strong>ition, die auch<br />
die Brauchbarkeit des Begriffs für unsere<br />
Zeit mitprüft.<br />
II<br />
Um die notwendige Kurskorrektur zu<br />
erreichen, muû sich die alltägliche politische<br />
Arbeit beson<strong>der</strong>s an folgenden Themen<br />
orientieren:<br />
± Respektierung <strong>der</strong> Menschenwürde<br />
± Soziale Gerechtigkeit<br />
± Zukunftsfähigkeit<br />
± Möglichkeiten politischer Alternativen<br />
Dazu e<strong>in</strong>ige Anmerkungen.<br />
III<br />
1.<br />
Die Menschenwürde wird täglich ± weltweit<br />
und auch bei uns ± vielfach verletzt,<br />
nicht zuletzt durch unwürdige Lebensbed<strong>in</strong>gungen.<br />
Hierzulande trifft es vor allem<br />
± aber nicht nur ± sogenannte Randgruppen<br />
und Auslän<strong>der</strong>.<br />
Beschämen<strong>der</strong>weise werden Menschen, die<br />
vor Verfolgung an<strong>der</strong>swo Schutz bei uns<br />
gesucht haben, an Leib und Leben bedroht<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> vielen Fällen ungerechten<br />
bürokratischen Abschiebeverfahren ausgesetzt.<br />
In den Stadtteilen erleben wir täglich,<br />
daû die Preisgabe des Asylrechts nicht die<br />
versprochene Wirkung hat. Nur die tatsächlich<br />
politisch Verfolgten haben kaum<br />
noch Chancen. Hier hat auch unsere Partei<br />
e<strong>in</strong>en schrecklichen Fehler begangen, <strong>der</strong><br />
korrigiert werden muû.<br />
Die Würde des Menschen (Artikel 1<br />
Grundgesetz) bed<strong>in</strong>gt auch dessen Teilhabe<br />
an den Entscheidungen, die über ihn und<br />
se<strong>in</strong>e Lebensumstände getroffen werden.<br />
¹No taxation without representationª ±<br />
ke<strong>in</strong>e Besteuerung ohne (parlamentarische)<br />
Vertretung ± die Losung <strong>der</strong> amerikanischen<br />
Revolution bleibt aktuell. Hier heiût<br />
das: aktives und passives Kommunal- und<br />
Landtagswahlrecht für jeden gleich welcher<br />
Herkunft, <strong>der</strong> legal länger als fünf Jahre <strong>in</strong><br />
Folge se<strong>in</strong>en Wohnsitz <strong>in</strong> Deutschland hat,<br />
e<strong>in</strong> erster Schritt wäre die Umsetzung<br />
unserer bereits seit langem gefaûten<br />
Beschlüsse zum Kommunalwahlrecht für<br />
Auslän<strong>der</strong>. Dies muû begleitet werden von<br />
e<strong>in</strong>er auf Integration statt Ghettobildung<br />
abzielenden Politik. Integration bedeutet<br />
Verän<strong>der</strong>ung bei allen Beteiligten. Die bei<strong>der</strong>seitige<br />
Bereitschaft hierfür zu stärken<br />
und diesen Prozeû behutsam zu för<strong>der</strong>n,<br />
muû unser Anliegen se<strong>in</strong>.<br />
Sozialhilfeempfänger haben e<strong>in</strong> Recht auf<br />
e<strong>in</strong> an den Maûstäben unserer Gesellschaft<br />
orientiertes menschenwürdiges Leben, was<br />
mehr ist als bloûes Überleben. Menschen<br />
dürfen nicht durch e<strong>in</strong>e verfehlte Drogenpolitik<br />
noch tiefer <strong>in</strong>s Elend gestoûen und<br />
e<strong>in</strong>er gewalttätigen krim<strong>in</strong>ellen Szene ausgeliefert<br />
werden. Die Rechtsprechung hat<br />
die menschliche Würde voranzustellen.<br />
Nicht nur das private Eigentum <strong>der</strong> Bürger<br />
ist zu sichern, und zwar auch gegenüber<br />
dem Staat und mächtigen Wirtschafts<strong>in</strong>teressen,<br />
son<strong>der</strong>n zuvor<strong>der</strong>st <strong>der</strong>en Leben und<br />
Gesundheit.<br />
Jugendlichen ist e<strong>in</strong>e Perspektive zu bieten<br />
durch die Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Geschehen, die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Ausbildung<br />
und e<strong>in</strong>es Starts <strong>in</strong>s Berufsleben.<br />
Erwerbsarbeit <strong>in</strong> Form abhängiger Lohnarbeit<br />
ist für e<strong>in</strong>e Mehrheit nach wie vor<br />
Hauptquelle des E<strong>in</strong>kommens zur Bestreitung<br />
des Lebensunterhalts, Grundlage des<br />
Selbstwertgefühls und Voraussetzung für<br />
dauerhafte soziale Kontakte auûerhalb des<br />
Familienbereichs. Es gilt, Arbeitszeitenund<br />
Formen den neuen Bedürfnissen <strong>der</strong><br />
Menschen anzupassen, vorhandene Arbeitsmöglichkeiten<br />
gerecht zu verteilen. Durch<br />
rechtzeitige Umstellung muû Politik die<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen dafür setzen, daû für<br />
Frauen und Männer zukunftsträchtige,<br />
menschengerechte Arbeitsplätze geschaffen<br />
und Erwerbstätige nebst ihren Familien<br />
etwa bei <strong>der</strong> Betreuung und Erziehung von<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>n entlastet. werden. Die Schaffung<br />
von wohnortnahen, umweltfreundlichen<br />
Arbeitsplätzen kann durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligente<br />
Kommunalpolitik, die Verkehr, Wohnen,<br />
Arbeiten und Umwelt zusammen sieht,<br />
unterstützt werden.<br />
111
Es berührt die Menschenwürde des aktiven<br />
und leistungsbereiten Kerns <strong>der</strong> Gesellschaft,<br />
wenn immer mehr Menschen die<br />
Möglichkeit genommen wird, ihren<br />
Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu<br />
bestreiten; und daû diejenigen, die (noch)<br />
abhängig beschäftigt s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> ¹ihrenª<br />
Betrieben e<strong>in</strong>en weitgehend demokratiefreien<br />
und oft auch rechtsfreien Raum vorf<strong>in</strong>den,<br />
verletzt die Menschenwürde gleichermaûen.<br />
2.<br />
Gerechtigkeit <strong>in</strong> den menschlichen Beziehungen<br />
zu schaffen, ist e<strong>in</strong>e ständige Aufgabe<br />
<strong>der</strong> ganzen Gesellschaft. Der Staat<br />
hat hier Hilfestellung zu geben und die<br />
entsprechenden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zu<br />
schaffen. Beson<strong>der</strong>er Wert ist auf die<br />
Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14<br />
GG) zu legen.<br />
Die e<strong>in</strong>seitige Abwälzung <strong>der</strong> Krisenlasten<br />
auf die abhängig Beschäftigten und die<br />
sozial Schwachen wi<strong>der</strong>spricht eklatant<br />
dem Gebot <strong>der</strong> Gerechtigkeit. Die Lasten<br />
müssen von allen getragen werden, und<br />
zwar nach Maûgabe <strong>der</strong> jeweiligen <strong>in</strong>dividuellen<br />
Leistungsfähigkeit. Unter diesem<br />
Gebot <strong>der</strong> Gerechtigkeit ist <strong>der</strong> Generationenvertrag<br />
neu zu verhandeln.<br />
Genaue Abwägung und Vorsicht bei E<strong>in</strong>schnitten<br />
<strong>in</strong> das soziale Netz, Erhaltung<br />
e<strong>in</strong>er für alle zugänglichen kulturellen<br />
Sphäre, Schaffung e<strong>in</strong>es gerechten und<br />
übersichtlichen Steuerrechts (Vorschläge<br />
dazu liegen längst vor), das Stopfen von<br />
Steuerschlupflöchern, aktive Beschäftigungspolitik<br />
± das s<strong>in</strong>d die aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Die Themen Arbeit und<br />
soziale Gerechtigkeit werden für die<br />
Zukunft <strong>der</strong> Sozialdemokratie entscheidend<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Sozialdemokraten können nicht h<strong>in</strong>ter die<br />
Erkenntnis des Kirchenlehrers August<strong>in</strong><br />
zurückfallen, nach <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Staat, <strong>in</strong> dem es<br />
ke<strong>in</strong>e Gerechtigkeit gibt, nichts als e<strong>in</strong>e<br />
Räuberbande ist.<br />
3.<br />
Zukunftsfähigkeit heiût, Politik und Wirtschaft<br />
so auszurichten, daû Raubbau an<br />
112<br />
den natürlichen Ressourcen vermieden<br />
wird und daû den zukünftigen Generationen<br />
die Voraussetzungen für e<strong>in</strong> menschenwürdiges<br />
Leben für alle erhalten bleiben.<br />
Das erfor<strong>der</strong>t die Abkehr von alten<br />
Gewohnheiten und e<strong>in</strong>e vorausschauende<br />
Politik, wobei die Kommunen ebenso ihren<br />
Beitrag leisten müssen und können wie die<br />
Weltgeme<strong>in</strong>schaft als Ganzes. ¹Nachhaltigesª<br />
Wirtschaften, Teilen als Gebot <strong>in</strong>ternationaler<br />
Solidarität ± auch je<strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelne<br />
ist hier gefor<strong>der</strong>t.<br />
E<strong>in</strong>ige Stichworte: Energiewende (die Klimawende<br />
setzt <strong>in</strong> den Kommunen an ±<br />
Düsseldorf z.B. ist immer noch nicht Mitglied<br />
im Klimabündnis), weitgehende<br />
Abkehr vom Verbrauch fossiler Energieträger,<br />
(rechtzeitige Umstrukturierung betroffener<br />
Regionen hilft Härten vermeiden ± s.<br />
diverse Kohlekrisen, Lausitz, Garzweiler<br />
II), stufenweise Reduzierung <strong>der</strong> Subventionierung<br />
für die För<strong>der</strong>ung fossiler Energien,<br />
dagegen För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nung<br />
regenerativer Energien, Ausstieg aus <strong>der</strong><br />
Atomwirtschaft ± nachhaltiges Wirtschaften:<br />
Das Leitbild ¹susta<strong>in</strong>able developmentª<br />
(nachhaltige, besser: zukunftsfähige)<br />
Entwicklung wurde 1987 von <strong>der</strong> UN-Son<strong>der</strong>kommission<br />
für Umwelt und Entwicklung<br />
(Brundlandt-Kommission) geprägt,<br />
also schon vor ¹Rioª. Im Schluûbericht<br />
dieser Kommission heiût es: ¹Dauerhafte<br />
Entwicklung ist Entwicklung, die die<br />
Bedürfnisse <strong>der</strong> Gegenwart befriedigt, ohne<br />
zu riskieren, daû künftige Generationen<br />
ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen<br />
können.ª<br />
Das setzt unter u. a. voraus: faire Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen<br />
für ökologisch orientierte<br />
Unternehmen, gezielte Auftragsvergabe<br />
und -kontrolle <strong>der</strong> öffentlichen Hand,<br />
Umorientierung <strong>der</strong> Landwirtschaft. Hier<br />
lohnt es sich, Entwicklungen <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten<br />
Staaten, den Nie<strong>der</strong>landen, Dänemark<br />
zu verfolgen und mit aufgeschlossenen<br />
Unternehmern und Managern zu<br />
kooperieren.<br />
IV<br />
E<strong>in</strong> neues Reformbündnis (über die parteipolitische<br />
Perspektive Rot-Grün h<strong>in</strong>aus)
muû von <strong>der</strong> Basis aus wachsen. E<strong>in</strong> neues<br />
gesellschaftliches Klima (Offenheit für neue<br />
Lösungen statt diffuser ¾ngste) kann von<br />
<strong>der</strong> Politik geför<strong>der</strong>t werden, wenn sie dem<br />
bewuûtlosen ¹weiter soª <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />
Regierung und dem aggressiven Machtanspruch<br />
<strong>der</strong> tatsächlich Herrschenden e<strong>in</strong>e<br />
klar formulierte Alternative gegenüberstellt.<br />
Für uns muû es heiûen,<br />
± Politik bedenkt die Zukunft, wenn sie<br />
heute Probleme löst, die Menschen müssen<br />
ihre Geme<strong>in</strong>samkeiten entdecken,<br />
statt gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> geführt zu werden,<br />
± die Wirtschaft hat e<strong>in</strong>e dienende Funktion,<br />
± die Würde des Menschen muû <strong>der</strong> Maûstab<br />
für alle Entscheidungen <strong>in</strong> Politik<br />
und Wirtschaft se<strong>in</strong>.<br />
Das geht kaum <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er groûen Koalition,<br />
klare Abgrenzung ± durchaus bei geme<strong>in</strong>samen<br />
Sachentscheidungen, wo es s<strong>in</strong>nvoll<br />
und notwendig ist ± und die Darstellung<br />
e<strong>in</strong>er glaubhaften Alternative werden uns<br />
befähigen, für unsere eigene Mehrheit zu<br />
arbeiten. Unter den gegebenen Umständen<br />
müssen wir uns darüber im klaren se<strong>in</strong>, daû<br />
angesichts <strong>der</strong> realistischen Wahlchancen<br />
<strong>der</strong>zeit nur die Perspektive e<strong>in</strong>es rot-grünen<br />
Reformbündnisses bleibt. Im übrigen<br />
gilt: Politik ± d.h., das Zusammenleben <strong>der</strong><br />
Menschen bewuût (möglichst vernünftig)<br />
zu organisieren ± ist Sache aller und f<strong>in</strong>det<br />
im Alltag statt. Daû die bewuûte Teilhabe<br />
S<strong>in</strong>n hat und Freude machen kann, hoffen<br />
wir geme<strong>in</strong>sam zu erfahren.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 50<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
Viel mehr Zukunft!<br />
Lebensentwürfe junger Frauen<br />
absichern<br />
1. Frauenpolitik <strong>in</strong> den 90ern:<br />
Die fem<strong>in</strong>istische Debatte: Zurück zur Differenz?<br />
Die Jugend-Debatte: Mädchen als Gew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong>nen?<br />
2. Lebensansprüche junger Frauen: Der<br />
Doppelte Lebensentwurf ± Wir wollen<br />
alles!<br />
3. Den ¹Doppelten Lebensentwurfª lebbar<br />
machen:<br />
Gesellschaftliche Lösungsmodelle<br />
¹Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ungª ± E<strong>in</strong> Projekt für<br />
e<strong>in</strong>e neue sozialdemokratische Reformpolitik<br />
3.1. Arbeit an<strong>der</strong>s bewerten<br />
3.2 Arbeit an<strong>der</strong>s verteilen<br />
A. Teilzeitarbeit?<br />
B. Allgeme<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />
Erwerbsarbeitszeit!<br />
3.3 Sozialstaat umbauen<br />
3.4 Ausbildung<br />
4. Wer, wenn nicht wir?<br />
1. Frauenpolitik <strong>in</strong> den 90ern:<br />
Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen<br />
an gesellschaftlichen und wirtschaftlichen<br />
Prozessen ist nicht gewährleistet. Zwar<br />
eröffnete sich für Frauen durch qualifiziertere<br />
Bildung und Ausbildung verstärkt <strong>der</strong><br />
Zugang zur Erwerbsarbeit. Die Übernahme<br />
familiärer Aufgaben durch den<br />
Sozialstaat und <strong>der</strong>en Entwicklung zu professionalisierten<br />
Frauenerwerbstätigkeiten<br />
erleichterte es Frauen, aus <strong>der</strong> ökonomischen<br />
Abhängigkeit von Männern zu entfliehen,<br />
die geschlechtsspezifische Arbeits-<br />
113
teilung und die ihnen zugewiesene Rolle<br />
als Hausfrau, Mutter und <strong>der</strong> je<strong>der</strong>zeit verfügbaren<br />
Ehefrau zum Teil aufzubrechen<br />
und eigenständig ihr Leben gestalten zu<br />
können. Die zunehmende Erwerbsarbeit<br />
von Frauen, die sich hauptsächlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Zunahme an Teilzeitarbeit nie<strong>der</strong>schlägt,<br />
hat jedoch nicht dazu geführt, daû die<br />
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufgehoben<br />
wird. Gleichberechtigte Partizipationsmöglichkeiten<br />
für Frauen im Erwerbsleben<br />
können nur auf Grundlage von<br />
Vollbeschäftigung und e<strong>in</strong>es umfassenden<br />
Ausbaus sozialstaatlicher Leistungen erzielt<br />
werden.<br />
Derzeit gerät die Frauenpolitik von verschiedenen<br />
Seiten unter Druck. Zum e<strong>in</strong>en<br />
trifft die Krise des Arbeitsmarktes Frauen<br />
stärker als Männer, und Frauen haben auch<br />
stärker unter dem Kahlschlag des Sozialstaates<br />
zu leiden. Zu nennen s<strong>in</strong>d hier z. B.<br />
die Heraufsetzung des Rentene<strong>in</strong>trittsalters<br />
für Frauen und die weitere Auflockerung<br />
des Kündigungsschutzes. Zum an<strong>der</strong>en gibt<br />
es aber auch auf <strong>der</strong> ¹kulturellenª Ebene<br />
zunehmend wie<strong>der</strong> Rückdrängungsversuche.<br />
Oftmals greifen natürlich auch die<br />
materiellen Interessen <strong>der</strong> ¹old boysª und<br />
die Propagierung traditioneller Frauenbil<strong>der</strong><br />
zusammen und verstärken sich gegenseitig.<br />
Die fem<strong>in</strong>istische Debatte: Zurück zur<br />
Differenz?<br />
Frauenpolitik bef<strong>in</strong>det sich (wie jede<br />
an<strong>der</strong>e fortschrittliche Politik zur Zeit) <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Defensive. Dies ist vielleicht auch e<strong>in</strong>er<br />
<strong>der</strong> Gründe, warum es <strong>in</strong> <strong>der</strong> fem<strong>in</strong>istischen<br />
Debatte auch zu heftigen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />
über Ziel und Weg <strong>der</strong> Frauenpolitik<br />
kommt. Neuerd<strong>in</strong>gs flammt <strong>in</strong><br />
diesem Zusammenhang e<strong>in</strong> Streit aus den<br />
80er Jahren wie<strong>der</strong> auf: Die Frage nämlich,<br />
ob eher die Gleichheit o<strong>der</strong> die Differenz<br />
<strong>der</strong> Geschlechter Ausgangspunkt aller<br />
emanzipatorischer Politik sei.<br />
Während sich die <strong>SPD</strong> bereits Mitte <strong>der</strong><br />
80er Jahre darauf verständigte, daû das<br />
Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Gleichheit von Frau und Mann<br />
zentral für die Entwicklung fem<strong>in</strong>istischer<br />
114<br />
und sozialdemokratischer Strategie sei,<br />
greifen <strong>in</strong> den letzten Jahren wie<strong>der</strong> mehr<br />
Wissenschaftler<strong>in</strong>nen diesen ¹traditionellen<br />
Fem<strong>in</strong>ismusª an. Sie beziehen sich dabei<br />
auf Debatten <strong>der</strong> Postmo<strong>der</strong>ne sowie des<br />
Poststrukturalismus, d.h. sie machen die<br />
Differenz <strong>der</strong> Erfahrungen von Frauen und<br />
Männern zum Ausgangspunkt ihrer politischen<br />
Strategie. Dieser neue Differenzensatz<br />
postuliert nicht die Unterschiedlichkeit<br />
<strong>der</strong> Geschlechter, son<strong>der</strong>n schon die totale<br />
Verschiedenheit <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />
Geschlechts. Dies führt zu e<strong>in</strong>em neuen<br />
Politikansatz, <strong>der</strong> nicht mehr auf die<br />
Gleichstellung zielt, son<strong>der</strong>n auf die Anerkennung<br />
<strong>der</strong> Differenzen. Den traditionellen<br />
Ansätzen unterstellen die ¹Post-Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nenª,<br />
Differenzen zwischen Frauen<br />
zu leugnen und zu verwischen und damit<br />
neue Herrschaftsansprüche zu formulieren.<br />
Sie erklären damit das Gleichheitspr<strong>in</strong>zip<br />
im Fem<strong>in</strong>ismus, das se<strong>in</strong>e politische Entsprechung<br />
<strong>in</strong> <strong>in</strong>stitutionalisierten Formen ±<br />
z. B. <strong>in</strong> den (kommunalen) Gleichstellungsstellen<br />
und) Frauenför<strong>der</strong>plänen ± f<strong>in</strong>det,<br />
für gescheitert.<br />
Die Erfolge dieser Politik <strong>der</strong> Gleichberechtigung<br />
schlagen sich aber deutlich <strong>in</strong><br />
gesetzlichen Regelungen und ihren Konsequenzen<br />
nie<strong>der</strong>. Daher halten wir weiterh<strong>in</strong><br />
an <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong> Gleichheit als e<strong>in</strong>em wichtigen<br />
emanzipativen Begriff fest. Dabei<br />
geht es ke<strong>in</strong>eswegs um die Negierung aller<br />
Individualität. Vielmehr ist die Gleichheit<br />
<strong>der</strong> Lebenschancen überhaupt erst die Voraussetzung,<br />
um dann Verschiedenartiges<br />
leben zu können.<br />
Die Jugend-Debatte: Mädchen als<br />
Gew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong>nen?<br />
Die aktuelle Jugend-Debatte wird von<br />
Schlagwörtern wie Individualisierung und<br />
Pluralisierung bestimmt. Dabei gelten<br />
junge Frauen zum e<strong>in</strong>en als die Vorreiter<strong>in</strong>nen<br />
dieses Prozesses, so z. B. als Gew<strong>in</strong>ner<strong>in</strong>nen<br />
<strong>der</strong> ¹Bildungsexpansionª. Zum<br />
an<strong>der</strong>en ersche<strong>in</strong>en sie aber immer wie<strong>der</strong><br />
als rückständig, da sie ihre Biographie nicht<br />
ausschlieûlich am Erwerbsleben orientieren.
Absehbar ist schon jetzt, daû sich die weiblichen<br />
Lebensentwürfe pluralisieren. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
s<strong>in</strong>d die Frauen mit den sich daraus<br />
ergebenden Problemen alle<strong>in</strong> gelassen und<br />
müssen diese je <strong>in</strong>dividuell lösen.<br />
Mit <strong>der</strong> Individualisierungsthese wird oftmals<br />
die Behauptung verbunden, daû sich<br />
traditionelle B<strong>in</strong>dungen mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
aufgelöst haben und politisches Handeln<br />
von Gruppen daher immer unwahrsche<strong>in</strong>licher<br />
wird. Die Frauenperspektive zeigt:<br />
Frauen wurde schon immer vermittelt, ihre<br />
privaten Probleme seien alle<strong>in</strong> ihre eigenen<br />
und nur sie selbst könnten sie auch lösen.<br />
Bei jungen Frauen kommt nun aber e<strong>in</strong><br />
entscheiden<strong>der</strong> Aspekt h<strong>in</strong>zu: In 14 Jahren<br />
konservativer Hegemonie hatten sie weniger<br />
denn je die Chance, Erfolge kollektiver<br />
Lösungsmodelle zu erleben. Deshalb<br />
sche<strong>in</strong>t bei ihnen <strong>der</strong> Bruch zwischen <strong>in</strong>dividuellen<br />
Problemlagen und kollektiven<br />
Lösungen noch gröûer zu se<strong>in</strong> als bei<br />
männlichen Jugendlichen. Die Tendenz zur<br />
Entsolidarisierung wirkt sich bei Männern<br />
alle<strong>in</strong> auf den Erwerbsarbeitsbereich aus,<br />
während bei Frauen die Lösung des Problems<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barkeit endgültig <strong>in</strong>dividuellen<br />
Strategien unterliegt.<br />
Zeitgleich gibt es vielfach die Behauptung,<br />
die Girlie-Bewegung zeige e<strong>in</strong>en Trendwechsel<br />
unter jungen Frauen an: Weg vom<br />
verstaubten Emanzen-Image h<strong>in</strong> zu peppiger<br />
Women-Power. Das kurze Leben dieser<br />
¹Bewegungª zeigt an, daû es sich hierbei<br />
vor allen D<strong>in</strong>gen um e<strong>in</strong> Medien-<br />
Konstrukt handelte.<br />
Dennoch stellt sich die Frage, ob sich h<strong>in</strong>ter<br />
<strong>der</strong> medialen Vermarktung e<strong>in</strong>zelner<br />
Vorzeige-Girlies e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung im<br />
Bewuûtse<strong>in</strong> junger Frauen abzeichnet.<br />
Umstritten bleibt, ob sich dah<strong>in</strong>ter wirklich<br />
e<strong>in</strong> neues Selbstverständnis von unabhängigen,<br />
aber lustbetonten jungen Frauen f<strong>in</strong>det,<br />
das e<strong>in</strong>e etwas überdimensionierte<br />
mediale Vermarktung erfahren hat, o<strong>der</strong> ob<br />
die Girlie-Welle <strong>in</strong> den männlich geprägten<br />
Medien e<strong>in</strong>e bewuûte und beson<strong>der</strong>s<br />
raff<strong>in</strong>ierte Variante des Backlash war.<br />
Woran soll also fem<strong>in</strong>istische und (jung)sozialistische<br />
Frauenpolitik heute anknüpfen?<br />
Es ist an <strong>der</strong> Zeit, sich nicht nur mit <strong>der</strong><br />
Ideologie über Frauen zu beschäftigen,<br />
son<strong>der</strong>n zu betrachten, welche Erwartungen<br />
und Ansprüche Frauen selbst formulieren<br />
und wie sich die gesellschaftliche Sicht<br />
<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge aus Frauenperspektive darstellt.<br />
Dies ist um so erfor<strong>der</strong>licher, weil mit<br />
e<strong>in</strong>em neuen Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frauenpolitik<br />
zwei D<strong>in</strong>ge gleichzeitig erreicht werden<br />
sollen: Zum e<strong>in</strong>en müssen die schon<br />
erkämpften Rechte und Positionen verteidigt<br />
werden. Zum an<strong>der</strong>en müssen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
junge Frauen neu motiviert werden,<br />
sich für Frauenpolitik und ihre<br />
ureigensten Belange zu <strong>in</strong>teressieren. Dazu<br />
müssen die Verän<strong>der</strong>ungen, die sich im<br />
Selbstverständnis <strong>der</strong> jungen Frauen <strong>in</strong> den<br />
letzten Jahren ergeben haben, ernst<br />
genommen werden. Sie s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong>e<br />
Anfrage an unsere Politikkonzepte.<br />
2. Lebensansprüche junger Frauen:<br />
¹Der Doppelte Lebensentwurfª ±<br />
Wir wollen alles!<br />
War es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Republik Adenauers die<br />
milde lächelnde Hausfrau, die unablässig <strong>in</strong><br />
Werbekampagnen und Sonntagsreden<br />
erschien, so dom<strong>in</strong>ierte <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR schon<br />
recht früh das Leitbild <strong>der</strong> ¹berufstätigen<br />
Muttiª die öffentliche Wahrnehmung, was<br />
aber ke<strong>in</strong>e Gleichberechtigung zur Folge<br />
hatte, son<strong>der</strong>n für die Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> DDR<br />
zur Dreifach-Belastung als Mutter, Hausfrau<br />
und Berufstätige führte.<br />
Seit gut 20 Jahren s<strong>in</strong>d diese starren Weiblichkeitsbil<strong>der</strong><br />
allerd<strong>in</strong>gs alte Hüte. In den<br />
70er Jahren war die formale Gleichstellung<br />
im Osten, z.B. gemessen an <strong>der</strong> Frauenerwerbsquote,<br />
bereits viel weiter fortgeschritten<br />
als <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik. Aber auch<br />
im Westen eröffnete <strong>in</strong> dieser Zeit vor<br />
allem die sozialdemokratische Bildungsreform<br />
jungen Frauen gröûere Wahlmöglichkeiten.<br />
Fortan konnten sie ihr Recht auf<br />
Bildung und Erwerbsarbeit wahrnehmen<br />
und muûten nicht mehr zwangsläufig dem<br />
Hausfrauenvorbild ihrer Mütter folgen.<br />
115
Der entscheidende Unterschied zu früheren<br />
Generationen ist heute die ausgesprochen<br />
hohe Berufsorientierung unter jungen<br />
Frauen <strong>in</strong> Ost- und Westdeutschland.<br />
Dabei haben im Osten die Töchter schon<br />
ihre Mütter zum Vorbild, im Westen differieren<br />
hier Tochter- und Muttergeneration<br />
erheblich.<br />
Junge Frauen wollen genau wie junge<br />
Männer e<strong>in</strong>e gute Ausbildung erhalten und<br />
e<strong>in</strong>en Beruf erlernen und ergreifen, <strong>der</strong><br />
ihren Fähigkeiten und Kompetenzen angemessen<br />
ist und sie f<strong>in</strong>anziell unabhängig<br />
macht.<br />
Dennoch gibt es e<strong>in</strong>en ganz entscheidenden<br />
Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensplanung<br />
junger Frauen und Männer. Wichtigstes<br />
Merkmal <strong>der</strong> Vorstellung von Selbstverwirklichung<br />
junger Frauen ist ihr ¹Doppelter<br />
Lebensentwurfª, d.h. sie stellen Beruf<br />
und Privatleben gleichberechtigt nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />
Der Wunsch nach Vere<strong>in</strong>barkeit bei<strong>der</strong><br />
Bereiche mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> prägt ihre<br />
Lebensgestaltung.<br />
Dabei umfaût die e<strong>in</strong>e Säule das Streben<br />
nach Bildung und Erwerbstätigkeit und die<br />
an<strong>der</strong>e Säule den gesamten privaten<br />
Bereich (Pflege zwischenmenschlicher<br />
Beziehungen, Hobbies, politisches Engagement,<br />
Haus- und Familienarbeit, etc.).<br />
Damit entwickeln junge Frauen e<strong>in</strong>en<br />
umfassen<strong>der</strong>en Lebensanspruch als Männer.<br />
Männliche Lebensentwürfe orientieren<br />
sich nach wie vor fast ausschlieûlich an <strong>der</strong><br />
Erwerbstätigkeit. Zwar haben natürlich<br />
auch junge Männer e<strong>in</strong> Privatleben. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
hat dies <strong>in</strong> ihrer Lebensplanung<br />
e<strong>in</strong>en deutlich ger<strong>in</strong>geren Stellenwert.<br />
Natürlich s<strong>in</strong>d die Lebenspläne junger<br />
Frauen sehr unterschiedlich. Junge Frauen<br />
wählen ganz verschiedenartige Wege, ihr<br />
Leben zu gestalten. Trotzdem existiert e<strong>in</strong><br />
grundlegen<strong>der</strong> Unterschied zwischen den<br />
Geschlechtern: Während Männer <strong>in</strong> ihrer<br />
Lebensplanung davon ausgehen, daû das<br />
Private automatisch <strong>in</strong> ihre Erwerbsbiographie<br />
e<strong>in</strong>fügen läût, bauen es Frauen <strong>in</strong> ihre<br />
Lebensgestaltung von Beg<strong>in</strong>n an bewuût<br />
e<strong>in</strong>.<br />
116<br />
Im ¹Doppelten Lebensentwurfª ist die<br />
Erwerbsarbeit ebenso zentral wie <strong>der</strong> private<br />
Bereich und bestimmend für das<br />
Selbstverständnis von Menschen. Erwerbsarbeit<br />
kann ohne den privaten Bereich<br />
nicht stattf<strong>in</strong>den: die Erledigung <strong>der</strong> Hausund<br />
Familienarbeit und die Pflege zwischenmenschlicher<br />
Beziehungen ermöglichen<br />
erst den beruflichen Lebensweg und<br />
haben darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e eigene Lebensqualität.<br />
Wer sich nur auf den beruflichen<br />
o<strong>der</strong> nur auf den privaten Lebensbereich<br />
beschränkt, vernachlässigt jeweils e<strong>in</strong>en<br />
entscheidenen Teil des Lebens. Die <strong>SPD</strong><br />
hält dagegen an e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Bild<br />
von Lebensgestaltung fest. Danach ist die<br />
Vere<strong>in</strong>barung bei<strong>der</strong> Lebensbereiche Ausgangspunkt<br />
für jede Emanzipation des<br />
Menschen und Voraussetzung für die Entwicklung<br />
gleichberechtigter Lebensverhältnisse<br />
für alle Menschen.<br />
Doch nach 14 Jahren Kohl-Regierung hat<br />
e<strong>in</strong> ganzheitlicher Lebensentwurf ke<strong>in</strong>erlei<br />
Chance auf Verwirklichung:<br />
± In Zeiten anhalten<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
werden Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
zunehmend <strong>in</strong> den Bereich <strong>der</strong> Hausund<br />
Familienarbeit und <strong>in</strong> nicht sozial<br />
abgesicherte Jobs zurückgedrängt, während<br />
immer weniger männliche Beschäftigte<br />
immer mehr an Erwerbsarbeit leisten.<br />
± Immer weniger junge Menschen haben<br />
noch e<strong>in</strong>e Chance auf e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz,<br />
wobei junge Frauen nach wie<br />
vor vor <strong>der</strong> Entscheidung stehen, entwe<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>en schlecht bezahlten Beruf o<strong>der</strong><br />
gar ke<strong>in</strong>en zu erlernen.<br />
± Teilweise zuvor vergesellschaftete Reproduktionsarbeiten,<br />
wie z. B. die K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung<br />
o<strong>der</strong> die Pflege alter Menschen,<br />
werden wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die kostenlosen Hände<br />
<strong>der</strong> Mütter und (Schwieger-)Töchter<br />
zurückgegeben.<br />
Daher haben die meisten Frauen die<br />
¹Kompromiûl<strong>in</strong>ieª schon gleich mit im<br />
Kopf. Obwohl sich viele Männer wie<br />
Frauen gleichermaûen K<strong>in</strong><strong>der</strong> wünschen,<br />
verb<strong>in</strong>den sich damit unterschiedliche Aufgaben<br />
und Ansprüche. Die Aufgaben, die
nach <strong>der</strong> Familiengründung entstehen, s<strong>in</strong>d<br />
auch <strong>in</strong> den 90ern klar verteilt: Nach wie<br />
vor s<strong>in</strong>d Frauen hauptsächlich für die<br />
Reproduktionsarbeit verantwortlich. Im<br />
Westen so, daû es meist zu e<strong>in</strong>er Berufsunterbrechung<br />
kommt, im Osten ehemals mit<br />
<strong>der</strong> doppelt- und dreifach Belastung und<br />
staatlicher Unterstützung.<br />
Zudem ist <strong>der</strong> Arbeits- und Ausbildungsmarkt<br />
<strong>in</strong> Ost wie West nach wie vor<br />
geschlechtsspezifisch geteilt. Junge Frauen<br />
haben oft gar ke<strong>in</strong>e Berufs¹wahlª, son<strong>der</strong>n<br />
müssen auf das vorhandene Angebot<br />
zurückgreifen, was ihnen die schlechter<br />
bezahlten Berufe meist ohne Aufstiegschancen<br />
zuweist. Junge Frauen ¹wählenª diese<br />
Jobs, auch <strong>in</strong> dem Glauben, hier besser<br />
Familie und Beruf koord<strong>in</strong>ieren zu können.<br />
(Wo man ke<strong>in</strong>e Karriere machen kann,<br />
führt auch e<strong>in</strong>e Berufsunterbrechung nicht<br />
zum Karriereknick!)<br />
Diese doppelte Orientierung ist lange Zeit<br />
(auch von Fem<strong>in</strong>ist<strong>in</strong>nen) als Hemmnis auf<br />
dem Weg zur Gleichstellung verstanden<br />
worden. Diese Bewertung wandelt sich nun<br />
grundlegend. Denn defizitär ersche<strong>in</strong>en<br />
Frauen nur dann, wenn sie an den männlichen<br />
(Erwerbs-)Biographien gemessen werden,<br />
die fast ausschlieûlich am Erwerbsleben<br />
ausgerichtet s<strong>in</strong>d. Verstehen wir die<br />
Doppelorientierung aber nicht als Mo<strong>der</strong>nisierungsrückstand,<br />
son<strong>der</strong>n als e<strong>in</strong>en<br />
an<strong>der</strong>en, ebenso s<strong>in</strong>nvollen Lebensentwurf,<br />
ergibt sich e<strong>in</strong> ganz an<strong>der</strong>es Bild: Diese<br />
Doppelorientierung kann dann zum Maûstab<br />
für Um- und Ausbau unseres (Sozial-)<br />
Staates werden.<br />
Zwar reagieren junge Frauen mit diesem<br />
Anspruch des ¹doppelten Lebensentwurfsª<br />
zunächst auf den Druck des geschlechtshierarchisch<br />
geteilten Arbeitsmarktes und<br />
suchen <strong>in</strong>dividuelle Lösungen. Auch wollen<br />
sie sich mit ihren umfassenden Ansprüchen<br />
an Leben und Arbeit nicht bewuût dem<br />
Bild des Menschen als Ware im kapitalistischen<br />
Produktionsprozeû wi<strong>der</strong>setzen.<br />
Genau an dieser Stelle jedoch kann die<br />
<strong>SPD</strong> mit e<strong>in</strong>em sozialistischen Reformprojekt<br />
anknüpfen, <strong>in</strong>dem wir diese Zusam-<br />
menhänge aufdecken und geme<strong>in</strong>sam mit<br />
jungen Frauen nach kollektiven Lösungsmodellen<br />
suchen, die dem ¹doppelten<br />
Lebensentwurfª junger Frauen, die autonome<br />
Gestalter<strong>in</strong>nen aller Lebensbereiche<br />
se<strong>in</strong> wollen, gerecht werden.<br />
Zur Zeit ist <strong>der</strong> Lebensentwurf junger<br />
Frauen nur sehr bed<strong>in</strong>gt lebbar. Aber e<strong>in</strong><br />
re<strong>in</strong>es Anpassen und Qualifizieren <strong>der</strong><br />
Frauen für das Erwerbsleben greift zu kurz.<br />
Der gesamte Arbeitsmarkt muû umgebaut<br />
werden, damit Frauen wirklich gleichberechtigt<br />
mit ihren Lebenswünschen daran<br />
teilnehmen können.<br />
3. Den ¹Doppelten Lebensentwurfª lebbar<br />
machen: Gesellschaftliche Lösungsmodelle<br />
Die <strong>in</strong>dividuellen Ansprüche junger Frauen<br />
an e<strong>in</strong>en ¹Doppelten Lebensentwurfª<br />
haben e<strong>in</strong>e Reihe von notwendigen politischen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen zur Folge:<br />
± Bildung und Ausbildung müssen vermitteln,<br />
daû Privates gleichberechtigt neben<br />
<strong>der</strong> Erwerbsarbeit steht.<br />
± Die Erwerbsarbeit selbst muû so organisiert<br />
se<strong>in</strong>, daû beruflicher und privater<br />
Lebensbereich vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d.<br />
± Tätigkeiten <strong>der</strong> Haus- und Familienarbeit<br />
müssen vergesellschaftet werden.<br />
Dies gilt vor allem für die Betreuung<br />
von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und alten Menschen, welche<br />
bei weitem <strong>in</strong> Quantität und Qualität<br />
noch nicht ausreichend gewährleistet<br />
ist.<br />
± Sozialstaatliche Konzepte dürfen nicht<br />
mehr an <strong>der</strong> männlichen Erwerbsbiographie<br />
ausgerichtet se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n den<br />
Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe<br />
an Erwerbsarbeit und Privatleben z. B.<br />
mit <strong>der</strong> Anerkennung von Erziehungszeiten<br />
für die Rente absichern.<br />
Im Mittelpunkt dieser For<strong>der</strong>ungen steht<br />
jedoch <strong>der</strong> Umbau <strong>der</strong> Erwerbsarbeit, da<br />
hier die gröûten Hemmnisse für e<strong>in</strong>e Realisierung<br />
des ¹Doppelten Lebensentwurfesª<br />
existieren.<br />
117
¹Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ungª ± e<strong>in</strong> Projekt für<br />
e<strong>in</strong>e neue sozialdemokratische Reformpolitik<br />
Arbeit wird <strong>in</strong> dieser Gesellschaft nur nach<br />
Profitgesetzen def<strong>in</strong>iert. Wir h<strong>in</strong>gegen<br />
haben e<strong>in</strong>en umfassen<strong>der</strong>en Arbeitsbegriff:<br />
Arbeit bedeutet nicht nur bezahlte, öffentlich<br />
sichtbare und gesellschaftlich anerkannte<br />
Erwerbsarbeit, son<strong>der</strong>n auch die<br />
Reproduktion des Lebens ± also unbezahlte,<br />
private und gesellschaftlich unterbewertete<br />
Haus-, Familien- und Beziehungsarbeit.<br />
Darum for<strong>der</strong>n wir nicht e<strong>in</strong>e<br />
Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit, son<strong>der</strong>n eher<br />
e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung: Die durchschnittliche<br />
Erwerbsarbeitszeit muû für alle verkürzt<br />
werden. Da wir aber vor allem mehr<br />
Frauen <strong>in</strong> die Erwerbsarbeit br<strong>in</strong>gen wollen,<br />
wird sich die durchschnittliche<br />
Erwerbsarbeitszeit für Frauen erhöhen.<br />
Gleichzeitig wollen wir die Haus- und<br />
Familienarbeit gleichmäûig auf beide<br />
Geschlechter verteilen. Auch wenn wir das<br />
noch ungenutzte Potential vergesellschafteter<br />
Reproduktionsarbeit ausschöpfen,<br />
bedeutet dies für Männer e<strong>in</strong>e durchschnittliche<br />
Verlängerung <strong>der</strong> Haus- und<br />
Familienarbeit, da immer e<strong>in</strong> Rest an<br />
Reproduktionsarbeit bleiben wird. Natürlich<br />
wird durch e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />
Erwerbsarbeitszeit nicht automatisch<br />
erreicht, daû Männer die gewonnene freie<br />
Zeit für die Erledigung von Reproduktionsarbeit<br />
nutzen. Aber damit ist zum<strong>in</strong>dest<br />
die Rahmenbed<strong>in</strong>gung dafür geschaffen!<br />
Darum müûten wir eigentlich von e<strong>in</strong>er<br />
Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ung sprechen, denn es<br />
geht uns um die For<strong>der</strong>ung nach dem<br />
Sechs-Stunden-Tag für alle. Ansonsten laufen<br />
wir Gefahr, <strong>in</strong> <strong>der</strong> gewerkschaftlich ±<br />
und damit meist männlich ± besetzten<br />
Debatte um kürzere Erwerbsarbeitszeiten<br />
für Männer steckenzubleiben. Für Frauen<br />
bedeutete dies dann: Die Hausarbeit, die<br />
ihre Männer <strong>in</strong> <strong>der</strong> gröûeren Freizeit produzieren,<br />
dürfen sie auch noch erledigen!<br />
3.1. Arbeit an<strong>der</strong>s bewerten<br />
E<strong>in</strong>e Neubewertung <strong>der</strong> Arbeit wollen wir<br />
durch e<strong>in</strong>e Umstrukturierung <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />
erreichen, die nicht nur Arbeitsverkür-<br />
118<br />
zung mit vollem Lohnausgleich <strong>in</strong> den<br />
Mittelpunkt stellt, son<strong>der</strong>n auch versucht,<br />
geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten<br />
zu verän<strong>der</strong>n und zu überkommen. Über<br />
Sozialisation und Motivation, über Berufsberatung,<br />
Quoten und Frauenför<strong>der</strong>ungsmaûnahmen<br />
muû und kann Frauen e<strong>in</strong> verstärkter<br />
Zugang zu sog. männertypischen<br />
Berufen ermöglicht werden, die v. a. im<br />
gewerbl.-techn. Bereich angesiedelt s<strong>in</strong>d.<br />
Gleichzeitig müssen auch Berufe im sozialen<br />
und pflegerischen Bereich und Dienstleistungsberufe<br />
für Männer attraktiv<br />
gemacht werden.<br />
Die Herausbildung sogenannter ¹Frauenberufeª,<br />
die grundsätzlich schlechter<br />
bezahlt werden als sogenannte ¹Männerberufeª<br />
reproduziert die geschlechtsspezifische<br />
Arbeitsteilung im Produktionsbereich<br />
und begründet sich e<strong>in</strong>erseits auf Eigenschaften<br />
und Fähigkeiten, die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Frauen zugeschrieben werden (Helfen,<br />
Dienen, Erziehen, Zuarbeiten), an<strong>der</strong>erseits<br />
auf Tätigkeiten, die als Funktionen aus <strong>der</strong><br />
Familie ausdifferenziert worden s<strong>in</strong>d und<br />
beruflich organisiert werden (K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärtner<strong>in</strong>,<br />
Erzieher<strong>in</strong>, Kranken- und Altenpflege).<br />
In <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Berufe hat<br />
sich die Ungleichheit zwischen den<br />
Geschlechtern nicht verr<strong>in</strong>gert. Zwar hat<br />
<strong>der</strong> Tertiarisierungsprozeû die Disparitäten<br />
zwischen den Geschlechtern tendenziell<br />
verkle<strong>in</strong>ert, doch diese Fortschritte s<strong>in</strong>d<br />
durch e<strong>in</strong>e rigi<strong>der</strong> gewordene geschlechtsspezifische<br />
Typisierung <strong>der</strong> Berufe wie<strong>der</strong><br />
verlorengegangen.<br />
Die Hälfte <strong>der</strong> berufstätigen Frauen ist auf<br />
nur sieben Berufe verteilt. Darunter dom<strong>in</strong>ieren<br />
<strong>der</strong> Beruf <strong>der</strong> Verkäufer<strong>in</strong> und<br />
Bürofachkräfte. 1990 verteilten sich rund<br />
55 Prozent <strong>der</strong> weiblichen Auszubildenden<br />
auf 10 Berufe. In den klassischen Männerberufen<br />
gelten Frauen immer noch als<br />
Exot<strong>in</strong>nen. Bemühungen zur Öffnung dieser<br />
Berufsfel<strong>der</strong> durch Modellversuche zur<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ausbildung von Mädchen <strong>in</strong><br />
gewerblich-technischen Berufen konnten<br />
nur ger<strong>in</strong>ge ¾n<strong>der</strong>ungen bewirken. Zwar<br />
hat sich <strong>der</strong> Anteil von jungen Frauen <strong>in</strong><br />
männerdom<strong>in</strong>ierten Berufen <strong>in</strong> den alten
Bundeslän<strong>der</strong>n während <strong>der</strong> letzten 15<br />
Jahre mehr als verdreifacht, jedoch konzentrieren<br />
sich Frauen <strong>in</strong>nerhalb dieses Feldes<br />
wie<strong>der</strong>um auf sehr wenige, frauentypische<br />
Aufgaben, während ihnen gerade die<br />
mo<strong>der</strong>nen, entwicklungsfähigen Bereiche<br />
weiterh<strong>in</strong> verschlossen bleiben.<br />
In <strong>der</strong> ehemaligen DDR, wo die Berufsstruktur<br />
nicht ganz so geschlechtsspezifisch<br />
bestimmt war, gleicht sich die Berufswahl<br />
<strong>der</strong> Frauen mittlerweile dem Westen an.<br />
Obwohl die Herausbildung neuer Berufe<br />
vor allem im Dienstleistungsbereich die<br />
Zugangschancen für Frauen im mittleren<br />
Qualifikationsbereich des Erwerbssystems<br />
erhöht haben, bleiben Führungspositionen<br />
für Frauen <strong>in</strong> sämtlichen Arbeitsmarktsegmenten<br />
immer noch schwer erreichbar.<br />
Frauen verbleiben <strong>in</strong> sehr viel höherem<br />
Maûe als Männer <strong>in</strong> jenen Positionen, <strong>in</strong><br />
denen sie ihre Erwerbstätigkeit begonnen<br />
haben. Umgekehrt s<strong>in</strong>d Frauen häufiger<br />
vom Risiko des beruflichen Abstiegs<br />
bedroht. Die geschlechtshierarchische<br />
Arbeitsteilung <strong>in</strong> Familie und Erwerbsarbeitsbereich<br />
korrespondiert eng mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>,<br />
bed<strong>in</strong>gt sich wechselseitig und wird<br />
immer wie<strong>der</strong> über den jeweils an<strong>der</strong>en<br />
Bereich hergestellt.<br />
Trotz des gesetzlichen Verbotes <strong>der</strong> Lohndiskrim<strong>in</strong>ierung<br />
fand bisher ke<strong>in</strong>e Angleichung<br />
<strong>der</strong> Lebensverhältnisse von Frauen<br />
und Männern statt. Dies liegt e<strong>in</strong>erseits<br />
daran, daû Maûstäbe zur Bewertung von<br />
gleicher und gleichwertiger Arbeit fehlen.<br />
Die Arbeitsbewertung ist nach wie vor e<strong>in</strong><br />
E<strong>in</strong>fallstor für die relative Abwertung typischer<br />
¹Frauenª-Tätigkeiten.<br />
E<strong>in</strong>e gerechte Entlohnung von Frauen und<br />
Männern kann nur gel<strong>in</strong>gen, wenn durch<br />
e<strong>in</strong>e konsequent betriebene Umverteilungspolitik<br />
von oben nach unten, Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
e<strong>in</strong>e verstärkte Teilhabe an erzielten<br />
Produktivitätszugew<strong>in</strong>nen ermöglicht wird.<br />
Kurzfristig sollen Lohnerhöhungen <strong>in</strong><br />
Tarifverträgen nicht mehr nur prozentual,<br />
son<strong>der</strong>n auch durch Sockelbeträge für<br />
untere E<strong>in</strong>kommen erfolgen. Diese Umverteilungspolitik<br />
muû verbunden se<strong>in</strong> mit<br />
e<strong>in</strong>er Umstrukturierung des Berufswahlver-<br />
haltens und wenn Karriereblockaden für<br />
Frauen abgebaut werden, um ihnen e<strong>in</strong>en<br />
Aufstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong> betrieblichen Hierarchie zu<br />
ermöglichen.<br />
3.2. Arbeit an<strong>der</strong>s verteilen<br />
Nach etlichen Jahren Reallohnverzicht ist<br />
es zwar traurige Wahrheit, daû so mancher<br />
Monatslohn nur durch die Aufstockung<br />
von bis zu 80 Überstunden zum Leben<br />
reicht. Dieser Überstunden-Rekord ist aus<br />
Sicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen ± zumeist männlichen ±<br />
Beschäftigten zwar verständlich, trotzdem<br />
gesamtwirtschaftlich nicht mehr h<strong>in</strong>zunehmen.<br />
Wo die Erwerbsarbeit im Unternehmen<br />
für hun<strong>der</strong>te von Überstunden reicht,<br />
dort reicht sie auch für die E<strong>in</strong>stellung von<br />
zusätzlichen Arbeitskräften.<br />
In <strong>der</strong> Bundesrepublik beschreibt das Vollzeitarbeitsverhältnis<br />
als sogenanntes Normalarbeitsverhältnis<br />
die Standards und<br />
Normen, die zu e<strong>in</strong>em ausreichend abgesicherten<br />
Beschäftigungsverhältnis gehören.<br />
Es s<strong>in</strong>d dar<strong>in</strong> elementare Schutzfunktionen<br />
h<strong>in</strong>sichtlich des Bestands des Arbeitsverhältnisses<br />
und e<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>reichenden sozialen<br />
Absicherung e<strong>in</strong>geschlossen. Jede(r)<br />
Beschäftigte im Normalarbeitsverhältnis<br />
kann somit an den gesetzlichen und tarifvertraglichen<br />
Absicherungen, angefangen<br />
vom Arbeitsschutz bis zur Mitbestimmung,<br />
une<strong>in</strong>geschränkt partizipieren. Am Normalarbeitsverhältnis<br />
kann <strong>der</strong> Grad von Absicherung<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Arbeitsverhältnisse<br />
gemessen werden. Darüberh<strong>in</strong>aus ist<br />
das öffentliche Leben, angefangen von den<br />
Öffnungszeiten von Behörden und<br />
Geschäften bis h<strong>in</strong> zu Veranstaltungen im<br />
kulturellen o<strong>der</strong> politischen o<strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Bereich mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
stark auf das Normalarbeitsverhältnis, als<br />
Regelfall für den Rhythmus von Arbeitszeit<br />
und Freizeit, ausgerichtet. Die Teilnahme<br />
am öffentlichen Leben ist somit nicht<br />
zuletzt durch die Qualität des jeweiligen<br />
Arbeitsverhältnisses def<strong>in</strong>iert.<br />
Bei dem öffentlichen Angebot an sozialen<br />
Diensten, wie z. B. den Öffnungszeiten von<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen und Schulen,<br />
wird allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>e Rücksicht auf die<br />
119
Regelarbeitszeit genommen. Diese Situation<br />
wird durch den krassen Fehlbestand<br />
an Betreuungsplätzen weiter verschärft, so<br />
daû Frauen mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n die Aufnahme<br />
e<strong>in</strong>es Normalarbeitsverhältnisses <strong>in</strong> den<br />
meisten Fällen verwehrt ist.<br />
Die kollektive Regelung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
stellt neben <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach höheren<br />
Löhnen und Gehältern e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Instrumentarien <strong>der</strong> Gewerkschaften dar,<br />
sich gegen die Ausweitung <strong>der</strong> Konkurrenz<br />
auf dem Arbeitsmarkt zu schützen. Um die<br />
Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten<br />
im Arbeitsprozeû zu begrenzen, muûte den<br />
Unternehmen die Möglichkeit genommen<br />
werden, die Arbeitskräfte zeitlich nahezu<br />
unbegrenzt auszunutzen. Um Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
vor e<strong>in</strong>em allzu schnellen Gesundheitsverschleiû<br />
zu schützen und ihnen ausreichend<br />
Zeit für Ruhe und Regeneration<br />
zu verschaffen, war e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />
täglichen Arbeitszeit notwendig. Durch<br />
e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Lebensarbeitszeit<br />
konnten sich eigenständige Lebensphasen<br />
wie Jugend und Alter herausbilden. Durch<br />
e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit bleibt aber<br />
auch Zeit zur Befriedigung persönlicher<br />
Bedürfnisse, für soziale, politische und kulturelle<br />
Tätigkeiten.<br />
Neben dem Humanisierungspekt und <strong>der</strong><br />
Erfüllung von Lebens<strong>in</strong>teressen und<br />
-bedürfnissen verbessert die Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit nicht nur die <strong>in</strong>dividuelle<br />
Lebenslage <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen, son<strong>der</strong>n<br />
ist auch e<strong>in</strong> wesentliches Instrument,<br />
durch e<strong>in</strong>e Umverteilung von Arbeit für<br />
e<strong>in</strong>e Ausweitung von Beschäftigung zu sorgen<br />
und die Konkurrenz zwischen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
e<strong>in</strong>zuschränken. Um die<br />
geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufbrechen<br />
zu können, ist die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />
30-Stunden-Woche und die Verkürzung<br />
<strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit auf 6 Stunden<br />
e<strong>in</strong>e zentrale Voraussetzung. Mit <strong>der</strong> Festlegung<br />
e<strong>in</strong>er verkürzten Normalarbeitszeit<br />
begründet sich sowohl <strong>der</strong> Maûstab für die<br />
Arbeitsbelastungen, die ohne Gesundheitsgefährdungen<br />
und Überbeanspruchungen<br />
ertragen werden können, als auch <strong>der</strong><br />
Anspruch auf e<strong>in</strong> regelmäûig zu zahlendes<br />
Arbeitsentgelt, das zur <strong>in</strong>dividuellen Exi-<br />
120<br />
stenzsicherung ausreicht. Voraussetzung<br />
dafür, daû die verkürzte Normalarbeitszeit<br />
die Garantiefunktion für das E<strong>in</strong>kommen<br />
übernimmt, ist <strong>der</strong> Lohnausgleich. Bei<br />
e<strong>in</strong>er Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich<br />
bliebe für die breite Mehrheit <strong>der</strong><br />
Beschäftigten die angestrebte Teilhabe am<br />
sozialen, politischen und kulturellen Leben<br />
unerreichbar. Aus dem Wunsch, mehr<br />
Raum für persönliche Bedürfnisse zu<br />
haben, entsteht bei Lohne<strong>in</strong>buûen <strong>der</strong><br />
Zwang zur subsistenzsichernden Eigenarbeit,<br />
zur Nebenerwerbstätigkeit o<strong>der</strong> zur<br />
Mehrarbeit.<br />
Aktive Arbeitsmarktpolitik: Aufhebung <strong>der</strong><br />
Benachteiligung von Frauen<br />
Frauen s<strong>in</strong>d auf dem Arbeitsmarkt beson<strong>der</strong>s<br />
benachteiligt. Hier ist die aktive<br />
Arbeitsmarktpolitik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, aktiv die<br />
Qualifizierung und Beschäftigung von<br />
Frauen zu för<strong>der</strong>n. Dazu müssen verb<strong>in</strong>dliche<br />
Zielvorgaben zur Beteiligung von<br />
Frauen an allen Maûnahmen <strong>der</strong> aktiven<br />
Arbeitsmarktpolitik e<strong>in</strong>geführt werden, die<br />
sicherstellen, daû Frauen m<strong>in</strong>destens entsprechend<br />
ihres Anteils an den Erwerbsarbeitslosen<br />
berücksichtigt werden. Familienbed<strong>in</strong>gte<br />
Erwerbsunterbrechungen und<br />
Teilzeitarbeit dürfen für Faruen und Männer<br />
ke<strong>in</strong>e Benachteiligung beim Zugang zu<br />
Leistungen <strong>der</strong> aktiven Arbeitsmarktpolitik<br />
se<strong>in</strong>.<br />
A. Teilzeitarbeit?<br />
Teilzeitarbeit als Instrument <strong>der</strong> Umverteilung<br />
von Erwerbsarbeit birgt jedoch gerade<br />
für Frauen e<strong>in</strong>e Menge Risiken, und bereits<br />
jetzt ist Teilzeitarbeit mit e<strong>in</strong>em Anteil von<br />
90 % e<strong>in</strong>e ¹Frauendomäneª. Teilzeitarbeit<br />
br<strong>in</strong>gt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel dauerhafte E<strong>in</strong>kommensverluste<br />
mit sich, so daû e<strong>in</strong>e eigenständige<br />
Existenzsicherung, aber auch die<br />
soziale Sicherung nicht immer gewährleistet<br />
ist. Teilzeitarbeit wird darüber h<strong>in</strong>aus<br />
gesellschaftlich nicht son<strong>der</strong>lich hoch<br />
bewertet, was wohl zum e<strong>in</strong>en an dem nach<br />
wie vor männlich dom<strong>in</strong>ierten Leitbild <strong>der</strong><br />
Vollzeitbeschäftigung liegt, aber auch an<br />
dem ger<strong>in</strong>gen Anteil (10 %) <strong>der</strong> Männer <strong>in</strong><br />
Teilzeitarbeitsverhältnissen. Teilzeitarbeit
wird zumeist nur <strong>in</strong> den unteren Hierarchieebenen<br />
e<strong>in</strong>es Unternehmens o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Institution möglich gemacht, d.h. bei e<strong>in</strong>er<br />
Teilzeitstrategie zur Umverteilung <strong>der</strong><br />
Arbeit im Interesse <strong>der</strong> Frauen blieben diese<br />
weiterh<strong>in</strong> von Führungspositionen ausgeschlossen.<br />
Und die Praxis <strong>der</strong> Teilzeitarbeit<br />
hat gezeigt, daû das Abgeben von Arbeitsstunden<br />
von e<strong>in</strong>zelnen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
häufig lediglich zur ersatzlosen Streichung<br />
von Stellen geführt hat, und nicht etwa zur<br />
Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />
Die gröûte Gefahr liegt jedoch dar<strong>in</strong>, daû<br />
die <strong>in</strong>dividuelle Teilzeitarbeitslösung vielfach<br />
als ultimatives und kollektives Modell<br />
zur Vere<strong>in</strong>barung von Beruf und Familie<br />
gesehen wird. So nämlich haben dann alle<br />
Frauen Platz auf dem Arbeitsmarkt und<br />
kommen erst gar nicht auf die Idee, das<br />
Leitbild <strong>der</strong> männlichen Erwerbsbiographie<br />
aufbrechen zu wollen. Alles bleibt<br />
beim alten, <strong>der</strong> Mann als Hauptverdienerund<br />
Familienversorger, <strong>der</strong> Frau bleibt <strong>der</strong><br />
Status <strong>der</strong> Zuverdiener<strong>in</strong> ± und damit auch<br />
die Abhängigkeit. Teilzeitarbeit kann also<br />
ke<strong>in</strong>e längerfristige Strategie se<strong>in</strong>, um<br />
Umverteilungsprozesse <strong>in</strong> Gang zu setzen,<br />
die e<strong>in</strong>e strukturelle Verän<strong>der</strong>ung im<br />
Geschlechterverhältnis zur Folge haben.<br />
Frauen können vom ¹M<strong>in</strong><strong>der</strong>heitsstatus <strong>der</strong><br />
Teilzeitbeschäftigten her Strukturen, die<br />
sich Männer (ohne Verantwortung für K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />
an<strong>der</strong>e Familienangehörige, ja nicht<br />
mal für ihre eigene Versorgung) so und<br />
nicht an<strong>der</strong>s geschaffen haben nicht verän<strong>der</strong>nª<br />
(Ursula Knapp, 1995).<br />
Die zur Zeit diskutierten Entwürfe zu Teilzeitausbildungen<br />
lehnen wir entschieden<br />
ab. Diese sollen zu neudef<strong>in</strong>ierten Berufsabschlüssen<br />
mit m<strong>in</strong><strong>der</strong>er Qualifikation<br />
führen und den Berufse<strong>in</strong>stieg für Frauen<br />
angeblich erleichtern. Tatsächlich drängen<br />
sie Frauen <strong>in</strong> Niedriglohngruppen, die sie<br />
nicht wie<strong>der</strong> verlassen können, und die<br />
nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts<br />
ausreichen. Daher verfestigen sie<br />
bestehende Diskrim<strong>in</strong>ierungen, anstatt sie<br />
aufzuheben.<br />
Teilzeitarbeit zeichnet sich dadurch aus,<br />
daû häufig nicht nur die Dauer <strong>der</strong><br />
Arbeitszeit variabel gestaltet ist, son<strong>der</strong>n<br />
zugleich die Lage und Verteilung <strong>der</strong><br />
Arbeitszeit. Teilzeitarbeit ist e<strong>in</strong> Experimentier-<br />
und Exerzierfeld für die umfassende<br />
Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit.<br />
Teilzeitarbeit bedeutet <strong>in</strong>dividuelle Arbeitszeitverkürzung<br />
ohne Lohnausgleich. Nur<br />
die kont<strong>in</strong>uierlich geleistete, tarifvertraglich<br />
festgelegte Normalarbeitszeit bietet e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>dividuelle Existenzsicherungs- und<br />
soziale Schutzfunktion, sowohl <strong>in</strong> aktueller<br />
Perspektive als auch im H<strong>in</strong>blick auf die<br />
längerfristige Absicherung bei Arbeitslosigkeit<br />
und im Alter. Das heiût, daû e<strong>in</strong> Teilzeite<strong>in</strong>kommen<br />
<strong>in</strong> aller Regel nicht zum<br />
eigenständigen Lebensunterhalt ausreicht<br />
und erst recht nicht geeignet ist, ausreichende<br />
Sozialversicherungsansprüche aufzubauen.<br />
Für bestehende und zukünftige Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />
for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e vollständige<br />
Absicherung <strong>in</strong> den Sozialversicherungen<br />
und die betriebliche Gleichstellung<br />
von Teilzeit- und Vollzeitarbeitsplätzen<br />
(Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot bei Beför<strong>der</strong>ungen,<br />
etc.)<br />
B. Allgeme<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit!<br />
Durch die Zunahme <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
werden Frauen wie<strong>der</strong> aus dem<br />
Erwerbsleben gedrängt und an den Herd<br />
o<strong>der</strong> <strong>in</strong> prekäre Beschäftigungsverhältnisse<br />
abgeschoben. Insbeson<strong>der</strong>e von Langzeitarbeitslosigkeit<br />
s<strong>in</strong>d Frauen überproportional<br />
betroffen. Durch die gegenwärtige wirtschaftliche<br />
Krise und 7 Millionen Arbeitslosen<br />
verstärkt sich die Konkurrenzsituation<br />
auf dem Arbeitsmarkt. Frauen werden<br />
als sogenannte Doppelverdiener<strong>in</strong>nen diffamiert,<br />
Frauenarbeitsschutzrechte werden<br />
abgebaut und regulierte Arbeitsbeziehungen<br />
mit dem H<strong>in</strong>weis auf Flexibilisierung<br />
und Wettbewerbsfähigkeit drastisch gelokkert.<br />
Die E<strong>in</strong>führung spezieller ungeschützter<br />
Niedriglohnbereiche v. a. im<br />
sozialen und ökologischen Dienstleistungsbereich<br />
bedeutet vor allem für Frauen, daû<br />
ihnen e<strong>in</strong>e existenzsichernde und emanzipatorische<br />
Erwerbsarbeit verwehrt bleiben<br />
wird. An <strong>der</strong> sozialen Situation von Frauen,<br />
121
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong> den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n,<br />
wird deutlich, wie wenig die<br />
gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik mit zivilgesellschaftlichen<br />
Errungenschaften, vergröûerten<br />
<strong>in</strong>dividuellen Handlungsspielräumen und<br />
e<strong>in</strong>er demokratischen Lebensweise zu tun<br />
hat. Im Mittelpunkt steht für uns die<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
und die Ausweitung von Beschäftigungsverhältnissen.<br />
Um den Zugang von Frauen <strong>in</strong><br />
zukunftssichere Beschäftigungsfel<strong>der</strong> zu<br />
öffnen, muû Frauenför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>tegraler<br />
Bestandteil von Beschäftigungsprogrammen<br />
werden. So muû über Quoten und Auflagen<br />
sowie über differenzierte Qualifikationsprogramme<br />
sichergestellt werden, daû<br />
<strong>der</strong> Anteil von Frauen erhöht wird. Vordr<strong>in</strong>glich<br />
ist e<strong>in</strong>e beschäftigungspolitische<br />
Offensive im sozialen Dienstleistungsbereich.<br />
Die soziale Infrastruktur steht<br />
zunehmend im eklatanten Wi<strong>der</strong>spruch zu<br />
den gewachsenen Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Bevölkerung. Die traditionelle geschlechtsspezifische<br />
Arbeitsteilung kann nur überwunden<br />
werden, wenn qualitativ hochwertige<br />
humane Dienstleistungen zur<br />
Verfügung stehen. Schwerpunkte e<strong>in</strong>es solchen<br />
Beschäftigungsprogramms müssen die<br />
Versorgung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n aller Altersstufen<br />
(K<strong>in</strong><strong>der</strong>krippen, K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Horte, Freizeitheime),<br />
<strong>der</strong> Ausbau auf lokale Bedürfnisse<br />
zugeschnittener Altenpflegee<strong>in</strong>richtungen,<br />
zum Beispiel ambulante<br />
Pflegedienste, sowie <strong>der</strong> qualitative Ausbau<br />
des Bildungs- und Gesundheitswesens se<strong>in</strong>.<br />
Um Frauen e<strong>in</strong>e gleichberechtigte Teilhabe<br />
am Erwerbsprozeû zu ermöglichen und<br />
gleichzeitig dem ¹Doppelten Lebensentwurfª<br />
junger Frauen Rechnung zu tragen,<br />
ist e<strong>in</strong>e radikale Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
nötig, wobei sich diese nicht auf die Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit beschränken<br />
darf. Dauer und Zeitpunkt <strong>der</strong> Arbeit<br />
sollten dabei ± so weit wie <strong>in</strong> <strong>der</strong> arbeitsteiligen<br />
Gesellschaft möglich ± selbstbestimmt<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Dabei existieren pr<strong>in</strong>zipiell drei Ansatzpunkte<br />
zur Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit:<br />
122<br />
± Tarifpolitisch:<br />
Nach den Kämpfen für die 35-Stunden-<br />
Woche steht für die Gewerkschaften nun<br />
<strong>der</strong> nächste Schritt an: Die Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden<br />
bei vollem Lohnausgleich. Dabei muû<br />
die Lage <strong>der</strong> Arbeitszeit so ausgestaltet<br />
se<strong>in</strong>, daû sie den Bedürfnissen <strong>der</strong><br />
Beschäftigten Rechnung trägt und die<br />
Vere<strong>in</strong>barung mit privaten Lebensbereichen<br />
möglich macht.<br />
± Gesetzlich:<br />
Das Arbeitszeitgesetz ist so zu än<strong>der</strong>n,<br />
daû<br />
± die Höchstgrenze <strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit<br />
auf maximal 8 Stunden und <strong>der</strong><br />
wöchentlichen Arbeitszeit auf maximal<br />
40 Stunden reduziert wird<br />
± die Verpflichtung von zeitnahem Freizeitausgleich<br />
bei Überstunden besteht<br />
± Arbeit auf Abruf (Kapazitätsorientierte<br />
variable Arbeitszeit (Kapovaz) verboten<br />
wird<br />
± Sonntags- und Nachtarbeit auf e<strong>in</strong><br />
unbed<strong>in</strong>gt nötiges Maû reduziert wird.<br />
± Betrieblich:<br />
Flexible Arbeitszeitmodelle, wie z.B.<br />
Zeitkonten o<strong>der</strong> Sabbatjahr, müssen nach<br />
den Wünschen <strong>der</strong> Beschäftigten und <strong>in</strong><br />
enger Kooperation mit den Betriebsund<br />
Personalräten ausgehandelt werden.<br />
Entscheidend ist, daû die Zeitsouveränität<br />
<strong>in</strong> den Händen, <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen<br />
bleibt.<br />
An dieser Stelle müssen die e<strong>in</strong>zelnen<br />
Modelle und Verteilungsmuster sehr genau<br />
unter dem Aspekt <strong>der</strong> Lebensentwürfe von<br />
jungen Frauen geprüft werden.<br />
Entscheidend ist die tarifliche Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit, wobei die mögliche<br />
Zahl neu entstehen<strong>der</strong> Beschäftigungsverhältnisse<br />
we<strong>der</strong> gegen vollen Lohnausgleich<br />
noch gegen die Ansprüche junger<br />
Frauen ausgespielt werden darf. Pr<strong>in</strong>zip<br />
e<strong>in</strong>er Politik <strong>der</strong> Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ung<br />
muû zukünftig se<strong>in</strong>: Jede Person ist selbst<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, ihren Lebensunterhalt zu verdienen<br />
und gleichzeitig die zu ihrer Repro-
duktion notwendigen Arbeiten erledigen zu<br />
können.<br />
Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen selbstbestimmter<br />
Erwerbsarbeit und Freizeit müssen<br />
geschaffen werden. Dabei stehen die<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Erwerbsarbeit und <strong>der</strong> Freizeit<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen Zusammenhang.<br />
Gerade junge Frauen streben e<strong>in</strong>en ganzheitlichen<br />
Lebensentwurf an und formulieren<br />
Ansprüche an die Qualität von<br />
Erwerbsarbeit und Freizeit.<br />
3.3. Sozialstaat umbauen!<br />
Auch wenn die Neubewertung und Umverteilung<br />
von Arbeit <strong>der</strong> strategisch wichtigste<br />
Ansatzpunkt für die Umgestaltung e<strong>in</strong>er<br />
Gesellschaft ist, die auch den Lebensentwürfen<br />
junger Frauen gerecht wird, s<strong>in</strong>d<br />
flankierende Maûnahmen im sozialstaatlichen<br />
Bereich ebenso notwendig. Denn<br />
auch die <strong>der</strong>zeitige Konstruktion des<br />
Sozialstaats fuût auf den Elementen<br />
geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, d. h.<br />
die männliche Erwerbsbiographie und die<br />
Ehe als Versorgungs<strong>in</strong>stitut für Frauen s<strong>in</strong>d<br />
die geltenden Normen des westlichen<br />
Sozialstaatsmodells, die nicht nur aus Sicht<br />
<strong>der</strong> Frauen längst überholt se<strong>in</strong> sollten.<br />
Die Folgen <strong>der</strong> Politik des Abbaus sozialer<br />
Leistungen durch die Bundesregierung s<strong>in</strong>d<br />
gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e drastische<br />
Zunahme von Armut. Armut zeigt sich <strong>in</strong><br />
massiver Unterversorgung <strong>in</strong> zentralen<br />
Lebensbereichen wie Arbeit, Bildung,<br />
Wohnen, Gesundheit und Teilhabe am<br />
gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen<br />
Leben.<br />
Wesentliche For<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>es frauenorientierten<br />
Umbau des Sozialstaates bleiben:<br />
± Öffentliche Dienstleistungen zur K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung<br />
und K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung müssen<br />
bedarfsdeckend zur Verfügung gestellt<br />
werden. Jedes K<strong>in</strong>d muû ± nicht nur im<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenalter ± e<strong>in</strong>en Rechtsanspruch<br />
auf wohnortnahe, bezahlbare,<br />
öffentliche, h<strong>in</strong>reichend personell und<br />
mit Sachmitteln ausgestattete Betreuung<br />
haben.<br />
± Öffentliche E<strong>in</strong>richtungen und ambulante<br />
Angebote zur Betreuung und<br />
Pflege kranker und alter Menschen s<strong>in</strong>d<br />
quantitativ und qualitativ so auszubauen,<br />
daû die Pflegebedürftigen e<strong>in</strong> selbstbestimmtes<br />
und aktives Leben führen können.<br />
± Das K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld ist auf e<strong>in</strong> Niveau anzuheben,<br />
welches den tatsächlichen Kosten<br />
des Unterhalts, <strong>der</strong> Erziehung und <strong>der</strong><br />
Ausbildung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n Rechnung<br />
trägt.<br />
± Ehegattensplitt<strong>in</strong>g und K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge<br />
s<strong>in</strong>d zugunsten e<strong>in</strong>es dreijährigen Elternurlaubs<br />
mit Elterngeld und Arbeitsplatzgarantie<br />
abzuschaffen. Da Frauen <strong>in</strong> vielen<br />
Partnerschaften noch immer die<br />
schlechter Verdienenden s<strong>in</strong>d, müssen<br />
Anreize und gesetzliche Regelungen<br />
geschaffen werden, damit die traditionelle<br />
Arbeitsteilung, nach <strong>der</strong> Frauen<br />
den ganzen o<strong>der</strong> den gröûten Teil des<br />
Erziehungsurlaubs nehmen, überwunden<br />
wird und damit Männer sich m<strong>in</strong>destens<br />
zur Hälfte am Erziehungsurlaub beteiligen.<br />
± Als Kernelement e<strong>in</strong>er umfassenden<br />
Reform <strong>der</strong> sozialen Sicherung ist e<strong>in</strong>e<br />
bedarfsorientierte M<strong>in</strong>destsicherung als<br />
erster Schritt e<strong>in</strong>zuführen. Sie kommt<br />
dann zum Zuge, wenn die Existenzsicherung<br />
durch Erwerbsarbeit <strong>in</strong> bestimmten<br />
Lebenslagen, wie z.B. Studium, Ausbildung,<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung, nicht möglich<br />
ist. Notwendig ist die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />
sozialen Grundsicherung für alle. Sie<br />
ermöglicht allen Menschen unabhängig<br />
von Lohnarbeit die Teilhabe am gesellschaftlichen<br />
Leben.<br />
Die sozialen Sicherungssysteme dürfen<br />
sich nicht mehr an dem traditionellen,<br />
schon längst überkommenen Bild <strong>der</strong><br />
Familie mit männlichem Erwerbstätigen,<br />
<strong>der</strong> das Familiene<strong>in</strong>kommen verdient,<br />
orientieren. Das Konzept <strong>der</strong> sozialen<br />
Grundsicherung ± für alle unabhängig<br />
von <strong>der</strong> Erwerbsarbeit ± ermöglicht<br />
Frauen die volle Gleichberechtigung und<br />
e<strong>in</strong>e selbstbestimmte Lebensgestaltung.<br />
123
3.4. Ausbildung<br />
¹Beson<strong>der</strong>s wichtig ist für uns die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Ausbildungssituation von jungen<br />
Frauen. (...) Unser Ziel ist es deshalb,<br />
durch Frauenför<strong>der</strong>ung und gleichstellungspolitische<br />
Maûnahmen Benachteiligungen<br />
aufzuheben und ihnen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Zugang zu gewerblich-technischen<br />
Berufen zu ermöglichen.ª<br />
H<strong>in</strong>zugefügt werden muû, daû Berufsberatung<br />
darauf h<strong>in</strong>zuwirken hat, daû junge<br />
Frauen über Chancen und Risiken auf dem<br />
Arbeitsmarkt qualifiziert <strong>in</strong>formiert werden.<br />
Notwendiges Element all dieser gleichstellungspolitischen<br />
Maûnahmen muû e<strong>in</strong>e<br />
verb<strong>in</strong>dliche Quotierung entsprechend <strong>der</strong><br />
Anzahl <strong>der</strong> Bewerbungen bei <strong>der</strong> Vergabe<br />
von Ausbildungsplätzen se<strong>in</strong>.<br />
Um diese Quote auch <strong>in</strong> Bereichen, die für<br />
junge Frauen bisher noch nicht ¹attraktivª<br />
gemacht wurden, durchzuhalten, müssen<br />
verstärkte Anstrengungen und ¹Werbungª<br />
sowie e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Situation am<br />
Arbeitsplatz <strong>in</strong> Angriff genommen werden.<br />
4. Wer, wenn nicht wir?<br />
Die <strong>SPD</strong> muû das <strong>in</strong>novative Potential für<br />
e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Gesellschaft, das <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Lebensentwurf liegt,<br />
erkennen und aufgreifen. Das bedeutet auch,<br />
Frauenleben als Indikator für die Richtigkeit<br />
unserer Umbaukonzepte zu begreifen.<br />
Frauen haben e<strong>in</strong> elementares Interesse an<br />
<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung von Erwerbsarbeit, Sozialstaat<br />
und Gesellschaft. Dar<strong>in</strong> liegt die e<strong>in</strong>zige<br />
Chance, ihre <strong>in</strong>dividuellen Lösungsmöglichkeiten<br />
zugunsten kollektiver zu<br />
überw<strong>in</strong>den. Hierfür die entsprechenden<br />
Angebote zu machen, Frauen für politische<br />
Projekte und Kampagnen <strong>in</strong> diesem Bereich<br />
zu gew<strong>in</strong>nen, ist unsere Aufgabe.<br />
Glaubwürdig wird dies aber nur gel<strong>in</strong>gen,<br />
wenn wir auch unsere eigenes Politikverständnis<br />
und unsere Arbeitsweise an den<br />
Ansprüchen junger Frauen ausrichten.<br />
Denn zugespitzt läût sich sagen, daû das<br />
männliche Erwerbsarbeitsmodell auf die<br />
Strukturen politischer Arbeit übertragen<br />
124<br />
wurde. Politik wird denjenigen erschwert,<br />
die nicht im H<strong>in</strong>tergrund personelle und/<br />
o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzielle Ressourcen haben, um die<br />
Reproduktionsarbeit von sich abzuwenden.<br />
Für Frauen aber bedeutet die Entscheidung<br />
für Politik e<strong>in</strong>en bedeutenden Bruch <strong>in</strong><br />
ihrer Lebensplanung. So läût sich bei<br />
Betrachtung <strong>der</strong> aktiven Mitgliedschaft bei<br />
den JUSOS und <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> feststellen,<br />
daû Frauen zwischen 25 und 40 zwar noch<br />
<strong>in</strong> den Statistiken auftauchen, jedoch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
konkreten Arbeit vor Ort und v. a. <strong>in</strong><br />
machtvollen und gestalterischen Positionen<br />
nicht mehr präsent s<strong>in</strong>d. In dieser Lebensphase<br />
s<strong>in</strong>d für Frauen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das<br />
Berufsleben sowie die Festlegung auf Partner<strong>in</strong>nenschaften<br />
und evtl. Familiengründung<br />
beson<strong>der</strong>s virulent, während Männer<br />
<strong>in</strong> dieser Phase sche<strong>in</strong>bar kaum Probleme<br />
mit <strong>der</strong> Verknüpfung verschiedener<br />
Lebensbereiche haben.<br />
Damit besteht für die <strong>SPD</strong>, wenn sie wirklich<br />
junge Frauen für sich gew<strong>in</strong>nen will,<br />
e<strong>in</strong> Reformbedürfnis, das konkret angegangen<br />
werden muû.<br />
Wir benötigen <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong> Gleichstellungskonzept,<br />
das ähnlich wie Frauenför<strong>der</strong>-Pläne<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft Maûnahmen<br />
enthält, die über die Quotierung h<strong>in</strong>ausgehen.<br />
Hierzu gehören z.B. auch Überlegungen<br />
zum gezielten Aufbau von Frauen für<br />
Führungspositionen.<br />
<strong>SPD</strong>-Spitzengenossen muû endlich die<br />
Schere <strong>in</strong> ihrem Kopf klar werden, wenn<br />
sie an 60 Stunden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche für<br />
Arbeitszeitverkürzung kämpfen ± während<br />
ihre Reproduktionsarbeit von ihrer Frau/<br />
Freund<strong>in</strong> gemacht wird.!<br />
Der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung<br />
wird seit Mitte <strong>der</strong> achtziger Jahre geführt.<br />
E<strong>in</strong> wesentlicher Durchbruch ist bislang<br />
aufgrund <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anz neoliberaler<br />
Standortideologie nicht gelungen. Er kann<br />
letztlich auch nur gel<strong>in</strong>gen, wenn e<strong>in</strong><br />
gesellschaftliches Bündnis aus Gewerkschaften,<br />
Sozialdemokratie, l<strong>in</strong>ken Jugendlichen<br />
und kritischen Wissenschaftler<strong>in</strong>nen<br />
e<strong>in</strong> ausstrahlungsfähiges Projekt zur<br />
Arbeitszeitverän<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>itiiert. In e<strong>in</strong>em
solchen Reformprojekt liegt neben <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />
nach e<strong>in</strong>er Bildungsoffensive und<br />
<strong>der</strong> Stärkung des Sozialstaates das Potential<br />
für die Ablösung <strong>der</strong> konservativen Regierung<br />
1998. Insbeson<strong>der</strong>e die Zielgruppe<br />
junger Frauen ist aber mit e<strong>in</strong>em solchen<br />
Projekt wie<strong>der</strong> für sozialdemokratische<br />
Reformpolitik zu begeistern, da es ihre<br />
ureigensten Lebenswünsche zum Maûstab<br />
für allgeme<strong>in</strong>e Politik erhebt und damit<br />
tatsächlich e<strong>in</strong>en ¹Vertrag mit <strong>der</strong> Jugendª<br />
schlieût.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Initiativantrag 33<br />
¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 50<br />
bei Punkt 3.1 Arbeit an<strong>der</strong>s bewerten<br />
1. Absatz<br />
¹Dies liegt e<strong>in</strong>erseits daran, daû Maûstäbe<br />
zur Bewertung von gleicher und gleichwertiger<br />
Arbeit fehlen.ª streichen<br />
stattdessen e<strong>in</strong>fügen:<br />
Die ÖTV hat durch e<strong>in</strong> wissenschaftliches<br />
Gutachten feststellen lassen, daû die<br />
Bewertung von Frauenarbeit tarifvertraglich<br />
diskrim<strong>in</strong>iert wird. Wir unterstützen<br />
gewerkschaftliche Kampagnen, die Tätigkeiten<br />
von Frauen <strong>in</strong> Tarifverträgen aufwerten.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Initiativantrag 49<br />
Zur aktuellen Lage <strong>der</strong><br />
Wirtschaft und auf dem<br />
Arbeitsmarkt<br />
Der erneute Anstieg <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit,<br />
<strong>der</strong> Rückgang sozialversicherungspflichtiger<br />
Arbeitsplätze und <strong>der</strong> starke Anstieg<br />
von Arbeit auûerhalb <strong>der</strong> sozialen Sicherheit<br />
vertiefen die Spaltung des Arbeitsmarktes<br />
und <strong>der</strong> Gesellschaft. Arbeitslos zu<br />
se<strong>in</strong>, beschneidet persönliche Freiheit, verletzt<br />
das Selbstbewuûtse<strong>in</strong> und wird zu<br />
e<strong>in</strong>er ernsten Gefahr für die politische Stabilität<br />
unseres Landes.<br />
Wir werden die Arbeitslosigkeit besiegen.<br />
Wohlstand, Arbeit und Ausbildung für alle,<br />
Solidarität zwischen den Generationen und<br />
Vorsorge für die Zukunft durch e<strong>in</strong> nachhaltiges<br />
Wirtschaften ± diese kluge und<br />
zukunftsweisende Verb<strong>in</strong>dung aus wirtschaftlicher<br />
Kraft, sozialer Verantwortung<br />
und Zukunftsvorsorge für Mensch und<br />
Umwelt bleibt unser Ziel.<br />
Auf <strong>der</strong> Grundlage unseres Beschlusses zur<br />
Erneuerung unseres Landes ¹Innovationen<br />
für Deutschlandª wollen wir sofort mit folgenden<br />
Maûnahmen beg<strong>in</strong>nen:<br />
1) In Übere<strong>in</strong>stimmung mit den Leitl<strong>in</strong>ien<br />
des europäischen Beschäftigungsgipfels<br />
werden wir<br />
± jedem Jugendlichen e<strong>in</strong>e Ausbildung<br />
ermöglichen,<br />
± die Ausstattung <strong>der</strong> Hochschulen verbessern<br />
und das Studium reformieren,<br />
± arbeitslosen Jugendlichen spätestens<br />
sechs Monate nach E<strong>in</strong>tritt <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong>e Umschulung,<br />
e<strong>in</strong>e Weiterbildung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Arbeitsplatz anbieten sowie<br />
± die dramatisch wachsende Zahl <strong>der</strong><br />
Langzeitarbeitslosen durch entsprechende<br />
Angebote ± auch im Rahmen<br />
e<strong>in</strong>er lokal verantworteten, von den<br />
Tarifpartnern mitbestimmten Arbeitsmarktpolitik<br />
± verr<strong>in</strong>gern.<br />
2) Wir werden die Weichen stellen auf<br />
nachhaltiges Wachstum und die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
dafür verbessern durch<br />
± e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
durch Herausnahme versicherungsfrem<strong>der</strong><br />
Leistungen aus <strong>der</strong> Beitragsf<strong>in</strong>anzierung;<br />
± die Verbreiterung <strong>der</strong> Steuerbasis<br />
durch die Beseitigung ungerechtfertigter<br />
Steuersubventionen, um die<br />
Erosion <strong>der</strong> Steuerbasis aller Gebietskörperschaften<br />
zu stoppen;<br />
125
± steuerliche Entlastung von Arbeitnehmern,<br />
Familien und Mittelstand durch<br />
verbesserte Leistungen und e<strong>in</strong>e deutliche<br />
Absenkung <strong>der</strong> Steuersätze über<br />
den gesamten Tarifverlauf;<br />
± e<strong>in</strong>e auf Wachstum und Stabilität<br />
orientierte Wirtschafts-, Haushaltsund<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik e<strong>in</strong>schlieûlich <strong>der</strong><br />
vertragsgerechten E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />
geme<strong>in</strong>samen europäischen Währung.<br />
Die <strong>SPD</strong> ist bereit, sofort entsprechende<br />
Entscheidungen zu treffen.<br />
3) Wir werden die Gründung neuer Unternehmen<br />
sowie die berufliche Selbständigkeit<br />
erleichtern und die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />
Unternehmen gezielt verbessern durch<br />
± die Bereitstellung von Wagniskapital,<br />
± die Stärkung von Technologie- und<br />
Innovationsför<strong>der</strong>ung.<br />
4) Wir werden Recht und Ordnung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wirtschaft und auf den Arbeitsmärkten<br />
durchsetzen durch<br />
± e<strong>in</strong>e entschlossene Bekämpfung<br />
sowohl <strong>der</strong> Steuerh<strong>in</strong>terziehung als<br />
auch durch e<strong>in</strong> energisches Vorgehen<br />
gegen illegale Beschäftigung; die <strong>SPD</strong><br />
ist bereit, die notwendigen gesetzgeberischen<br />
Entscheidungen zur<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> wachsenden illegalen<br />
Beschäftigung und gegen die Aushöhlung<br />
regulärer Arbeit durch Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />
zu treffen.<br />
± e<strong>in</strong>e Begrenzung <strong>der</strong> versicherungsfreien<br />
Beschäftigung auf re<strong>in</strong>e Aushilfs-<br />
und Saisonarbeiten, mit dem<br />
Ziel, daû reguläre Teilzeitarbeitsplätze<br />
ausgebaut und <strong>der</strong> Miûbrauch <strong>der</strong><br />
versicherungsfreien Tätigkeiten unterbunden<br />
wird. Dabei sollen die Flexibilitätsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
von kle<strong>in</strong>en und<br />
mittleren Unternehmen berücksichtigt<br />
werden.<br />
5) Wir werden für e<strong>in</strong> hohes Investitionsniveau<br />
auch <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte<br />
sorgen durch<br />
± e<strong>in</strong>e Stärkung und Konzentration <strong>der</strong><br />
öffentlichen Investitionen auf Bildung<br />
und Wissenschaft, Forschung und<br />
Entwicklung, umweltfreundliche<br />
126<br />
Infrastruktur und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für nachhaltiges Wirtschaften;<br />
± die Verstetigung des Aufbaus im<br />
Osten Deutschlands über e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für<br />
Investitionen und mehr Beschäftigung;<br />
± die Wie<strong>der</strong>anwendung des Stabilitätsund<br />
Wachstumsgesetzes, um Konjunkturschwankungen<br />
abzumil<strong>der</strong>n<br />
sowie Wachstum und Beschäftigung<br />
zu för<strong>der</strong>n. Wir werden es durch<br />
Regelungen ergänzen, die Län<strong>der</strong> und<br />
Kommunen befähigen, Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />
schnell und beschäftigungswirksam<br />
<strong>in</strong> Gang zu setzen sowie ihre<br />
solide F<strong>in</strong>anzierung verb<strong>in</strong>dlich<br />
sicherzustellen.<br />
E<strong>in</strong> wesentliches Element e<strong>in</strong>er längerfristigen<br />
F<strong>in</strong>anzierung von<br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen und des weiterh<strong>in</strong><br />
notwendigen Aufbau Ost ist<br />
± die Streichung von steuerlichen<br />
Subventionen im Bereich <strong>der</strong> Atomenergie<br />
und des M<strong>in</strong>eralölsektors;<br />
± die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er angemessenen<br />
Beteiligung groûer Vermögen<br />
(Lastenausgleich);<br />
± den Abbau überflüssiger Bürokratie<br />
sowie die konsequente Reduzierung<br />
von Subventionen mit dem Ziel, den<br />
Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern e<strong>in</strong>e<br />
kostengünstige, zuverlässige und<br />
effiziente Dienstleistung preiswert zur<br />
Verfügung zu stellen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 55<br />
Landesverband Bayern<br />
Wege aus <strong>der</strong> Krise<br />
Die <strong>SPD</strong> hat e<strong>in</strong>en radikalen Kurswechsel<br />
<strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>in</strong><br />
Deutschland angemahnt. 4,7 Millionen<br />
registrierte Arbeitslose im Januar 1997 s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>e Bankrotterklärung für die Politik <strong>der</strong><br />
Regierung Kohl/Waigel.
Nach 15 Jahren verfehlter angebotsorientierter<br />
konservativ-liberaler Politik, die<br />
immer höhere Massenarbeitslosigkeit und<br />
mehr Unternehmenszusammenbrüche produziert<br />
hat, for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e radikale<br />
Umkehr:<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e antizyklische Wirtschafts-<br />
und F<strong>in</strong>anzpolitik, die auf dem<br />
Arbeitsmarkt e<strong>in</strong>e sichtbare Trendwende<br />
e<strong>in</strong>läutet, den Arbeitslosen e<strong>in</strong>e reale<br />
Beschäftigungsperspektive eröffnet, mehr<br />
nachhaltiges Wachstum erzeugt und<br />
dadurch die Staatshaushalte und Sozialkassen<br />
konsolidiert.<br />
E<strong>in</strong>e solche Politik ist e<strong>in</strong> notwendiger und<br />
überfälliger Schritt, um die Massenarbeitslosigkeit<br />
zu überw<strong>in</strong>den.<br />
Deswegen schlägt die <strong>SPD</strong> das Aktionsprogramm<br />
¹Wege aus <strong>der</strong> Krise ± Vorschläge<br />
für mehr Wachstum, Beschäftigung und<br />
zur Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen F<strong>in</strong>anzenª<br />
vor:<br />
Wege aus <strong>der</strong> Krise<br />
Vorschläge für mehr Wachstum, Beschäftigung<br />
und zur Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen<br />
F<strong>in</strong>anzen<br />
1. DIE LAGE VON WIRTSCHAFT UND<br />
ARBEITSMARKT<br />
1. Auch 1997 gibt es ke<strong>in</strong> Zeichen <strong>der</strong><br />
Hoffnung für die Millionen von Arbeitslosen<br />
<strong>in</strong> Deutschland und Europa ± im<br />
Gegenteil:<br />
Bleibt es bei <strong>der</strong> bisherigen Politik <strong>in</strong><br />
Deutschland und <strong>in</strong> Europa, wie sie auf<br />
dem Dubl<strong>in</strong>er Gipfel beschlossen wurde;<br />
wird es nach Prognosen des DIW auch<br />
1997 e<strong>in</strong>en neuen deutschen Rekord <strong>in</strong><br />
Massenarbeitslosigkeit geben: 4155000<br />
Männer und Frauen (10,8 v. H.) werden im<br />
Jahresdurchschnitt als Arbeitslose registriert<br />
se<strong>in</strong>. Über 2,9 Millionen (9,4 v. H.)<br />
<strong>in</strong> Westdeutschland und 1,2 Millionen<br />
(16,4 v. H.) <strong>in</strong> Ostdeutschland.<br />
2. Dabei hat sich die Konjunktur <strong>in</strong><br />
Deutschland von ihrem Schwächeanfall zu<br />
Beg<strong>in</strong>n des letzten Jahres erholt ± wenn<br />
auch nur zögerlich.<br />
± Die Exporte haben kräftig zugelegt und<br />
werden im kommenden Jahr auf 5,5 v. H.<br />
Zuwachs geschätzt. Sie werden auch <strong>in</strong><br />
diesem Jahr die entscheidende Stütze <strong>der</strong><br />
Konjunktur se<strong>in</strong>. Aber nur die Ausfuhren<br />
<strong>in</strong> die stetig wachsenden USA, die aufstrebenden<br />
Län<strong>der</strong> Asiens und die expandierenden<br />
Reformstaaten Mittelosteuropas<br />
nehmen zu, bei <strong>der</strong> Exportnachfrage<br />
aus <strong>der</strong> Europäischen Union bewegt sich<br />
nur wenig.<br />
± Die Inlandsnachfrage <strong>in</strong> Deutschland ±<br />
aber auch <strong>in</strong> den meisten an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> EU ± hat bisher vom Export<br />
ke<strong>in</strong>e sichtbaren Impulse erhalten. Die<br />
Massene<strong>in</strong>kommen werden auch 1997<br />
real zurückgehen und <strong>der</strong> private Verbrauch<br />
mit 1,5 v. H. nur dann se<strong>in</strong>e<br />
schwache aber entscheidende Stützfunktion<br />
für die Konjunktur spielen können,<br />
wenn die Sparquote zurückgenommen<br />
wird und er durch kräftig steigende entnommene<br />
Gew<strong>in</strong>ne und Vermögense<strong>in</strong>kommen<br />
gestützt wird.<br />
± Das Wachstum des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts<br />
(BIP) wird deswegen mit 2 v. H.<br />
schwach ausfallen. Die Investitionslethargie<br />
mit gerade 4,0 v. H. bei den Ausrüstungs<strong>in</strong>vestitionen<br />
ist weiterh<strong>in</strong> nicht<br />
überwunden. Der Produktionse<strong>in</strong>bruch<br />
im Bau, <strong>der</strong> sich bereits 1996 um<br />
2,5 v. H. vergröûerte, wird sich auch<br />
1997 fortsetzen, weil e<strong>in</strong>e weitere<br />
Abnahme <strong>der</strong> öffentlichen Investitionen<br />
um 2 v.H. bei Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen<br />
erfolgte.<br />
± E<strong>in</strong> solches Wachstumstempo ist we<strong>der</strong><br />
ausreichend, e<strong>in</strong>e Entlastung auf dem<br />
Arbeitsmarkt zu br<strong>in</strong>gen, noch genügend,<br />
um mit den Konsequenzen <strong>der</strong><br />
deutschen E<strong>in</strong>heit fertig zu werden. Ostdeutschland<br />
bräuchte über 10 Jahre lang<br />
Wachstumsraten von 4±5 v.H., um<br />
Anschluû zu f<strong>in</strong>den und ohne groûen<br />
Transferbedarf auf eigenen Be<strong>in</strong>en stehen<br />
zu können.<br />
Tatsächlich ist <strong>der</strong> Aufholprozeû <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
zum Stillstand gekommen,<br />
127
nicht zuletzt auch deshalb, weil die öffentlichen<br />
Investitionen dort seit 1993 rückläufig<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Bei dem schwachen Wachstum und den<br />
hohen Arbeitslosenzahlen wurde 1996<br />
das Ziel <strong>der</strong> Haushaltskonsolidierung nach<br />
den Maastrichtkriterien nicht erreicht:<br />
Das Staatsdefizit war mit 140 Mrd. DM<br />
(= 3,9 v.H. BIP) so hoch wie nie zuvor.<br />
Trotz aller scharfen E<strong>in</strong>schnitte, unsozialen<br />
Kürzungen und Haushaltskosmetik wird<br />
das Defizit <strong>in</strong> 1997 nur knapp auf<br />
135 Mrd. DM o<strong>der</strong> 3,4 v.H. Anteil am BIP<br />
abnehmen und damit auch 1997 das selbstgesetzte<br />
Ziel nicht erreicht.<br />
3. Das angeblich sparsame Verhalten <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister und F<strong>in</strong>anzverantwortlichen<br />
fahrt nur zum negativen Schuldenparadox:<br />
Je schärfer die Kürzungen, um so schwächer<br />
das Wachstum, desto höher die<br />
Arbeitslosigkeit und umso gröûer die<br />
Löcher <strong>in</strong> den Haushalten von Bund, Län<strong>der</strong>n<br />
und Geme<strong>in</strong>den. Sie ¹sparenª am<br />
Anfang des Jahres bei den öffentlichen<br />
Investitionen ± nur um im Laufe des Jahres<br />
mehr für Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe zu<br />
bezahlen und ihre Steuere<strong>in</strong>nahmen ger<strong>in</strong>ger<br />
als erwartet zu f<strong>in</strong>den. Die von allen<br />
gewünschte Konsolidierung <strong>der</strong> Staatshaushalte<br />
rückt damit <strong>in</strong> immer weitere Ferne.<br />
II. URSACHEN DER KRISE UND DIE<br />
POLITIK DER BUNDESREGIE-<br />
RUNG<br />
4. Die Gründe für diese Schwäche liegen<br />
nicht im globalen Wettbewerb ± ansonsten<br />
gabe es ke<strong>in</strong>e deutschen Exportrekorde und<br />
vor allem ke<strong>in</strong>e Handelsbilanzüberschüsse<br />
mit den Niedriglohnlän<strong>der</strong>n unserer östlichen<br />
Nachbarn und Asiens.<br />
Was ist also die Ursache für die Investitionsschwäche<br />
und den bisher nicht überspr<strong>in</strong>genden<br />
Funken von <strong>der</strong> Exportkonjunktur<br />
auf die wirtschaftliche Entwicklung<br />
im Inneren? Warum gibt es e<strong>in</strong>e Investitionsschwäche<br />
<strong>in</strong> Westeuropa und <strong>in</strong><br />
Deutschland?<br />
128<br />
Nach dem Lehrbuch <strong>der</strong> Neoliberalen und<br />
<strong>der</strong> Standorttheoretiker dürfte es ke<strong>in</strong>e<br />
geben, denn<br />
± die E<strong>in</strong>kommensverteilung hat sich <strong>in</strong><br />
Deutschland wie <strong>in</strong> Europa massiv<br />
zugunsten <strong>der</strong> Unternehmen verbessert;<br />
<strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Reallöhne ist weit h<strong>in</strong>ter<br />
dem Anstieg <strong>der</strong> Arbeitsproduktivität<br />
zurückgeblieben. Die Quote <strong>der</strong> Arbeitse<strong>in</strong>kommen<br />
ist <strong>in</strong> Westdeutschland auf<br />
das Niveau <strong>der</strong> 60er Jahre zurückgefallen.<br />
± Die Steuerquote am Bruttoe<strong>in</strong>kommen<br />
aus Unternehmertätigkeit und Vermögen<br />
liegt mittlerweile unter 25 v. H., während<br />
sie zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> 80er Jahre über<br />
35 v.H. betrug.<br />
± Das Preisniveau ist stabil.<br />
Trotz dieser hervorragenden Angebotsbed<strong>in</strong>gungen<br />
hat es ke<strong>in</strong>e wesentliche<br />
Beschleunigung <strong>der</strong> Investitionsdynamik <strong>in</strong><br />
Deutschland und <strong>in</strong> Europa gegeben. Im<br />
Gegenteil: <strong>in</strong> Westeuropa f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong><br />
den neunziger Jahren sogar die schlechteste<br />
Investitionsentwicklung seit dem 2. Weltkrieg.<br />
5. Die Politik <strong>der</strong> Bundesregierung setzt<br />
seit 15 Jahren auf e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />
Angebotsbed<strong>in</strong>gungen und den Export.<br />
Beide Strategien s<strong>in</strong>d offensichtlich nicht<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, das Problem <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
zu lösen ± im Gegenteil:<br />
Nach jedem Konjunkturaufschwung waren<br />
das Heer <strong>der</strong> Arbeitslosen gröûer und die<br />
Defizite <strong>der</strong> Staatskassen höher.<br />
Die konservativ-liberale Wirtschafts-,<br />
F<strong>in</strong>anz- und Sozialpolitik ist gescheitert.<br />
Die Gründe dafür liegen nicht <strong>in</strong> unzureichen<strong>der</strong><br />
Anpassung an die Globalisierung,<br />
sie s<strong>in</strong>d hausgemacht. Die Umverteilung<br />
von unten nach oben, die seit Jahren s<strong>in</strong>kenden<br />
Reale<strong>in</strong>kommen breiter Schichten<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung und <strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong><br />
staatlichen Investitionen haben zu e<strong>in</strong>em<br />
extrem schwachen Wachstum, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Inlandsnachfrage geführt. Dazu kommen<br />
die Fehler <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> deutschen<br />
E<strong>in</strong>heit sowie e<strong>in</strong>e unfähige Wirtschafts-<br />
und F<strong>in</strong>anzpolitik, die die
Wirtschaftsschwankungen verschärfte und<br />
noch immer verschärft, statt die ihr nach<br />
dem Stabilitäts-und Wachstumsgesetz<br />
obliegende Aufgabe zu erfüllen, sie abzumil<strong>der</strong>n<br />
bzw. auszugleichen und für mehr<br />
Beschäftigung zu sorgen.<br />
III. WAS TUN?<br />
Deswegen ist e<strong>in</strong>e radikale Umkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik<br />
dr<strong>in</strong>glich, sonst vers<strong>in</strong>ken <strong>in</strong> Deutschland<br />
und Europa weit mehr als 18 Millionen<br />
Arbeitslose <strong>in</strong> Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung,<br />
höhlt die zunehmende F<strong>in</strong>anzkrise<br />
des Staates die Grundlagen des<br />
Sozialstaates aus und wird das Vertrauen <strong>in</strong><br />
die Fähigkeit zur Lösung <strong>der</strong> drängenden<br />
Fragen durch die demokratische gewählten<br />
Führungen bei immer breiteren Schichten<br />
unseres Volkes und <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>en Unternehmer<br />
unrettbar zerstört.<br />
Deflationspolitik, weitere Sozialkürzungen<br />
und e<strong>in</strong>e Politik des Verschiebens o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Formelkompromisse bzw. wechselseitige<br />
Blockaden durch die wichtigsten sozialen<br />
und politischen Kräfte s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> falsche<br />
Weg.<br />
Deutschland und Europa brauchen e<strong>in</strong>e<br />
groûe, geme<strong>in</strong>same Anstrengung, um aus<br />
<strong>der</strong> Krise hoher und steigen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
und schwachen Wachstums herauszukommen<br />
und wie<strong>der</strong> auf den Pfad e<strong>in</strong>er<br />
hohen wirtschaftlichen Dynamik, kräftigen<br />
Wachstums und damit auch steigen<strong>der</strong><br />
Beschäftigung, gesun<strong>der</strong> Sozialkassen und<br />
konsolidierter Staatsf<strong>in</strong>anzen zu gelangen.<br />
Dafür braucht es e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung über sechs<br />
zentrale Richtungsentscheidungen:<br />
1. Deutschland braucht e<strong>in</strong>e starke, politische<br />
Führung, die den Menschen wie<strong>der</strong><br />
Selbstvertrauen und Elan gibt. Das<br />
Land muû merken, daû es verläûlich<br />
regiert wird und daû die zentralen wirtschafts-,<br />
sozial- und f<strong>in</strong>anzpolitischen<br />
Entscheidungen nicht jedes halbe Jahr<br />
willkürlich geän<strong>der</strong>t werden. E<strong>in</strong>e Konzertierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anz-,<br />
<strong>der</strong> Geld- und <strong>der</strong> Lohnpolitik <strong>der</strong><br />
Tarifparteien ist unabweisbar. Die bishe-<br />
rigen Versuche des Regierung Kohl s<strong>in</strong>d<br />
gescheitert, weil Geld- und Lohnpolitik<br />
nicht mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmt wurden<br />
und die F<strong>in</strong>anzpolitik die Krise verschärft<br />
hat. Unternehmen brauchen<br />
Berechenbarkeit für ihre Investitionsentscheidungen<br />
und die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer Sicherheit für ihre<br />
Entscheidungen <strong>in</strong> ihrer Alterssicherung,<br />
im Wohnungsbau und für die<br />
Ausbildung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Die zunehmende<br />
Unsicherheit über die Zuverlässigkeit<br />
und längerfristige Kalkulierbarkeit<br />
staatlicher Entscheidungen<br />
bewirken Verunsicherung und Investitionslethargie.<br />
2. Wir brauchen <strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong><br />
Europa e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> niedrigen Realz<strong>in</strong>sen,<br />
um Investitionen <strong>in</strong> Arbeitsplätze<br />
lohnen<strong>der</strong> zu machen als <strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzanlagen.<br />
Hier steht die Bundesbank als führende<br />
Zentralbank Europas <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung,<br />
ihre Pflichten endlich<br />
ernstzunehmen und ihren Beitrag zur<br />
wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung<br />
wirksam zu leisten. Preisstabilität<br />
ist erreicht. Die Gewerkschaften fahren<br />
e<strong>in</strong>en wirtschaftlich vernünftigen Kurs,<br />
<strong>der</strong> sicherstellt, daû auch künftig die<br />
Preisstabilität nicht gefährdet ist ± nun<br />
müssen auch Wachstum und das<br />
Beschäftigungsziel wichtig se<strong>in</strong>.<br />
3. Wir brauchen e<strong>in</strong>e Haushalts- und<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik, die Massenarbeitslosigkeit<br />
und Wachstumsschwäche zielgerichtet<br />
bekämpft und nicht h<strong>in</strong>nimmt bzw. wie<br />
die Politik <strong>der</strong> Bundesregierung und <strong>der</strong><br />
Bundesbank durch eigenes Handeln<br />
massiv verschärft. Nur so können Staatshaushalte<br />
mittelfristig konsolidiert und<br />
<strong>der</strong> Staat im Interesse se<strong>in</strong>er Bürger<br />
wie<strong>der</strong> handlungsfähig gemacht werden.<br />
Das erfor<strong>der</strong>t mehr öffentliche Infrastrukturausgaben.<br />
Dies geschieht am<br />
besten, <strong>in</strong>dem öffentliche Infrastrukturausgaben<br />
<strong>in</strong> Höhe von 1 v. H. des BIP,<br />
d. h. 35 Mrd. DM durch e<strong>in</strong>e erhöhte<br />
Kreditaufnahme aller staatlichen Ebenen<br />
vorf<strong>in</strong>anziert werden. Beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
ist e<strong>in</strong>e Aufstockung <strong>der</strong><br />
129
Infrastruktur<strong>in</strong>vestitionen dr<strong>in</strong>gend<br />
erfor<strong>der</strong>lich.<br />
4. Wir brauchen <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>e Steigerung<br />
<strong>der</strong> Massenkaufkraft. Je<strong>der</strong> weitere<br />
Rückgang <strong>der</strong> Reale<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong><br />
breiten Schichten ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> gegenwärtigen<br />
und absehbaren wirtschaftlichen<br />
Lage kontraproduktiv und schwächt die<br />
B<strong>in</strong>nennachfrage und die Ausrüstungs<strong>in</strong>vestitionen<br />
<strong>in</strong> die b<strong>in</strong>nenmarktorientierten<br />
Industrien: Deswegen verbieten sich<br />
e<strong>in</strong>e Lohnpause, weitere Sozialkürzungen<br />
z. B. beim Arbeitslosengeld o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Sozialhilfe, weitere Erhöhungen <strong>der</strong><br />
Sozialversicherungsbeiträge o<strong>der</strong> weitere<br />
Steuerbelastungen breiter E<strong>in</strong>kommensschichten.<br />
Wir schlagen deswegen e<strong>in</strong><br />
fünfjähriges Moratorium gegen alle weiteren<br />
Belastungen <strong>der</strong> Massene<strong>in</strong>kommen<br />
vor.<br />
5. Wir brauchen e<strong>in</strong>e Steuerreform, die ±<br />
zusammengerechnet mit den Sozialabgaben<br />
± die unteren Schichten netto nicht<br />
belastet, son<strong>der</strong>n entlastet. Wir lehnen<br />
alle Vorschläge für e<strong>in</strong>e ¹Sche<strong>in</strong>-Steuerreformª<br />
ab, die die Staatskassen zugunsten<br />
<strong>der</strong> obersten E<strong>in</strong>kommensschichten<br />
und <strong>der</strong> mult<strong>in</strong>ationalen Unternehmen<br />
weiter ausplün<strong>der</strong>t zu Lasten <strong>der</strong><br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> Bildung, Wissenschaft<br />
und Forschung, Infrastruktur<br />
<strong>in</strong> Städten und Geme<strong>in</strong>den, Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Umwelt und <strong>der</strong> Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen.<br />
Üppige Steuergeschenke für<br />
die oberen und Tr<strong>in</strong>kgel<strong>der</strong> für den<br />
Normalsteuerzahler lehnen wir ab.<br />
6. Zur Sicherung von Arbeitsplätzen und<br />
zur gerechten Verteilung des vorhandenen<br />
Arbeitsvolumens bleibt e<strong>in</strong>e Politik<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung unverzichtbar.<br />
Dazu gehören <strong>der</strong> Abbau von Überstunden<br />
und <strong>der</strong> Freizeitausgleich von<br />
unvermeidbarer Mehrarbeit; die Schaffung<br />
von gesicherten Jahres- und<br />
Lebens-Arbeitszeitkonten, die den<br />
Arbeitnehmern mehr Zeitsouveränität<br />
geben; die Schaffung von mehr sozialversicherungspflichtigenTeilzeitarbeitsplätzen,<br />
d.h. auch Sozialversicherungspflicht<br />
für die ¹ger<strong>in</strong>gfügigen<br />
Beschäftigungsverhältnisseª; neue For-<br />
130<br />
men <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Lebensarbeitszeit<br />
im Rahmen <strong>der</strong> gesetzlich verankerten<br />
Altersteilzeit und die bessere<br />
Verknüpfung von Vollzeitarbeit mit Zeiten<br />
<strong>der</strong> Nichterwerbstätigkeit z. B.<br />
wegen K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung, Pflege von<br />
Angehörigen, Fortbildung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Übernahme von Ehrenämtern. Dazu<br />
bedarf es gesetzlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen,<br />
z.B. durch e<strong>in</strong>e Neuregelung des<br />
Arbeitszeitgesetzes und <strong>der</strong> Sozialversicherungspflicht<br />
bei ger<strong>in</strong>gfügiger<br />
Beschäftigung. Entsprechend ist dabei<br />
die Flankierung <strong>der</strong> gewerkschaftlichen<br />
Initiativen bei <strong>der</strong> tariflichen Arbeitszeitverkürzung.<br />
Ebenso unverzichtbar- ist e<strong>in</strong>e aktive<br />
Arbeitsmarktpolitik. Das neue Arbeitsför<strong>der</strong>ungsreformgesetz<br />
(AFRG) <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
wird zusammen mit den immer<br />
mehr e<strong>in</strong>geschränkten f<strong>in</strong>anziellen Mitteln<br />
für die aktive Arbeitsmarktpolitik die<br />
Zukunftsperspektiven für Langzeitarbeitslose<br />
o<strong>der</strong> für ger<strong>in</strong>gfügig Qualifizierte verschlechtern.<br />
Unser Vorschlag e<strong>in</strong>es Arbeitsund<br />
Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetzes will e<strong>in</strong>e<br />
Verstetigung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> aktiven<br />
Arbeitsmarktpolitik, e<strong>in</strong>e Zusammenführung<br />
regionaler Strukturpolitik mit<br />
Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen e<strong>in</strong>e<br />
gezielte För<strong>der</strong>ung durch Beschäftigung<br />
von Langzeitarbeitslosen <strong>in</strong> sozialen Betrieben,<br />
e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche För<strong>der</strong>ung von<br />
Frauen und die Schaffung von wirtschaftsnahen<br />
Instrumenten wie Projektför<strong>der</strong>ung,<br />
E<strong>in</strong>arbeitungszuschüssen, <strong>in</strong>nerbetrieblichen<br />
Qualifizierung, Existenzgründungshilfen<br />
im Rahmen des ASFG.<br />
Deswegen brauchen wir <strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e<br />
antizyklische Politik, die für mehr Dynamik<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft und für deutlich<br />
mehr Arbeitsplätze sorgt. E<strong>in</strong>e solche antizyklische<br />
Politik ist machbar. Dazu müssen<br />
Geldpolitik und F<strong>in</strong>anzpolitik zusammenarbeiten.<br />
Das Maastrichtkriterium über die<br />
öffentliche Verschuldung muû konjunkturgerecht<br />
angewandt werden. Sobald <strong>der</strong><br />
Wachstumsprozeû <strong>in</strong> Europa <strong>in</strong> Gang<br />
kommt, müssen die teilnehmenden Län<strong>der</strong><br />
ihre Haushalte verb<strong>in</strong>dlich konsolidieren.<br />
Entzieht sich die Geldpolitik dieser Auf-
gabe, ist die F<strong>in</strong>anzpolitik umso mehr<br />
gefor<strong>der</strong>t. E<strong>in</strong>e solche Politik führt schon<br />
bald zu höherem Wachstum, ger<strong>in</strong>gerer<br />
Arbeitslosigkeit, e<strong>in</strong>er spürbaren Konsolidierung<br />
<strong>der</strong> Sozialkassen, verbesserten<br />
öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen und per Saldo zu<br />
e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren Schuldenstand als die<br />
Fortsetzung <strong>der</strong> gegenwärtigen Politik.<br />
IV. WARUM WIRD EINE SOLCHE<br />
VERNÜNFTIGE POLITIK NCIHT<br />
GEMACHT?<br />
Sie wäre heute schon möglich, wenn nicht<br />
die Bundesregierung die Interessen kle<strong>in</strong>er<br />
vermögensstarker Klientelgruppen über die<br />
Not von Millionen Arbeitslosen und hun<strong>der</strong>ttausen<strong>der</strong><br />
konkursbedrohter Existenzen<br />
stellen und alle staatlichen Entscheidungsträger<br />
von Bund, Län<strong>der</strong>n und Geme<strong>in</strong>den<br />
ihrer wirtschaftspolitischen Verantwortung<br />
nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz<br />
gerecht würden. Dafür gibt es aber<br />
<strong>der</strong>zeit ke<strong>in</strong>e Anreize im Staatssystem <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik Deutschland.<br />
Der Bund hat zwar die stabilitätspolitische<br />
Verantwortung, die Konjunktur zu stabilisieren<br />
und damit auch die Kostenlast, aber<br />
Nutzen, d. h. die Mehre<strong>in</strong>nahmen, flieûen<br />
überwiegend <strong>in</strong> die Kassen von Län<strong>der</strong>n<br />
und Kommunen.<br />
Deutschlands F<strong>in</strong>anzsystem bef<strong>in</strong>det sich<br />
daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fö<strong>der</strong>alen Dilemma: Wer<br />
sich von den 16000 F<strong>in</strong>anzverantwortlichen<br />
im Interesse <strong>der</strong> Stabilisierung <strong>der</strong><br />
Volkswirtschaft vernünftig verhält und<br />
mehr ausgibt, um die Konjunktur anzukurbeln,<br />
riskiert, daû die an<strong>der</strong>en Trittbrettfahrer<br />
spielen und nicht mitmachen, weil<br />
sie fürchten müssen, daû die positiven<br />
Effekte überwiegend nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> eigenen<br />
Region verbleiben und sie bei kaum verbesserter<br />
Beschäftigungssituation auf höheren<br />
Schulden sitzen bleiben. Weil je<strong>der</strong> so<br />
denkt und dem an <strong>der</strong>en nicht über den<br />
Weg traut, denkt je<strong>der</strong> nur an se<strong>in</strong>en Haushalt,<br />
spart <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise und destabilisiert so<br />
weiter die Gesamtwirtschaft und den eigenen<br />
Haushalt zugleich. So bleibt das Vernünftige<br />
und Machbare, die Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft und die Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen ungetan. Die Bundesregierung<br />
hat sich <strong>in</strong> ihrer sehr engen Auslegung<br />
<strong>der</strong> Budgetkriterien des Maastricht<br />
Vertrages <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Sackgasse manövriert.<br />
Es ist im Interesse <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft<br />
und von Millionen von Arbeitslosen,<br />
die f<strong>in</strong>anzpolitischen Spielräume von Maastricht<br />
<strong>der</strong> konjunkturellen Lage angemessen<br />
zu nutzen und die europäischen Partnerlän<strong>der</strong><br />
nicht zu e<strong>in</strong>er Deflationspolitik<br />
zu zw<strong>in</strong>gen.<br />
Deswegen schlagen wir Sozialdemokraten<br />
folgende Maûnahmen vor:<br />
1. Es wird e<strong>in</strong> Fond zur Stabilisierung und<br />
Konsolidierung von Wirtschaft und<br />
Arbeitsmarkt errichtet. Wenn das<br />
gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht<br />
verfehlt ist, d.h. bei steigen<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
und signifikanter Wachstumsschwäche<br />
erhalten Bund, Län<strong>der</strong><br />
und Kommunen aus diesem Fond z<strong>in</strong>slose<br />
Kredite zur F<strong>in</strong>anzierung zusätzlicher<br />
öffentlicher Investitionen und <strong>der</strong><br />
Defizite <strong>der</strong> Bundesanstalt für Arbeit.<br />
Als Basis für die Berechnung <strong>der</strong> Investitionen<br />
gilt <strong>der</strong> Durchschnitt <strong>der</strong> letzten<br />
zwei Haushaltjahre <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Gebietskörperschaft.<br />
2. Die Verz<strong>in</strong>sung und Tilgung des Konjunkturstabilisierungsfonds<br />
muû nach<br />
beg<strong>in</strong>nen<strong>der</strong> wirtschaftlicher Dynamik<br />
und abnehmen<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit automatisch<br />
und vorweg aus den stärker flieûenden<br />
Steuere<strong>in</strong>nahmen bedient werden.<br />
Die Tilgung <strong>der</strong> Defizite <strong>der</strong><br />
Bundesanstalt für Arbeit erfolgt aus dem<br />
Bundeshaushalt. Als Bezugsgröûe für die<br />
Aufteilung unter den Gebietskörperschaften<br />
wird von jeweiligen Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />
plus/m<strong>in</strong>us den Übertragungen<br />
im Rahmen des vertikalen und horizontalen<br />
Steuerausgleichs ausgegangen.<br />
3. Der Zeitpunkt <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> Stabilisierungskredite<br />
und <strong>der</strong>en genaue<br />
Höhe sowie <strong>der</strong> Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Tilgung<br />
bestimmt <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzplanungsrat unter<br />
Beteiligung <strong>der</strong> Kommunen. Sachverständigenrat<br />
und Wirtschaftsforschungs<strong>in</strong>stitute<br />
werden beauftragt, jeweils dazu<br />
e<strong>in</strong>en Vorschlag zu machen. Die Errich-<br />
131
132<br />
tung des Fonds zu Stabilisierung und<br />
Konsolidierung von Wirtschaft und<br />
Arbeitsmarkt und se<strong>in</strong>e Handhabung<br />
wird im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz<br />
b<strong>in</strong>dend geregelt.<br />
4. Angesichts <strong>der</strong> dauernden Kürzungen<br />
öffentlicher Investitionen liegen <strong>der</strong>zeit<br />
genügend gut geplante und rasch<br />
umsetzbare Projekte <strong>in</strong> den Schubladen<br />
und angesichts <strong>der</strong> hohen Baufacharbeiterarbeitslosigkeit<br />
und unausgelasteter<br />
Baukapazitäten dürften Preissteigerungen<br />
unwahrsche<strong>in</strong>lich se<strong>in</strong>. Um sicherzustellen,<br />
daû aus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong><br />
Projekte mittel- und langfristig volkswirtschaftlich<br />
vernünftige Investitionen<br />
vorrangig zum Zuge kommen, wird<br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen auf den Gebieten<br />
<strong>der</strong> ökologischen Erneuerung und von<br />
Wissenschaft und Forschung <strong>der</strong> Vorrang<br />
gegeben. Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />
± Ausbau und Mo<strong>der</strong>nisierung des ÖPNV<br />
und Ausbau leistungsfähiger Schienennetze<br />
sowie Investitionen <strong>in</strong> den Ausbau<br />
des komb<strong>in</strong>ierten Verkehrs und energieoptimierende<br />
Informations- und<br />
Kommunikationssysteme. Maûnahmen<br />
<strong>der</strong> Stadtentwicklung und Stadtsanierung<br />
mit Schwerpunkt auf Verbesserung <strong>der</strong><br />
Energieeffizienz durch kommunale Investitionen<br />
und Investitionszuschüsse bzw.<br />
verbilligte Kredite an private Haushalte.<br />
± Verbesserung <strong>der</strong> kommunalen Infrastruktur<br />
± vor allem <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung und Ersatz<strong>in</strong>vestitionen<br />
im Bereich <strong>der</strong> Entsorgung<br />
(z. B. überalterte Kanalisation, Sanierung<br />
von Abfall-, Abwasser und Kläranlagen)<br />
Maûnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong><br />
Umweltbelastung und Energiee<strong>in</strong>sparung.<br />
± Investitionen für Wissenschaft und Forschung,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Hochschulbau<br />
und bei materiellen Ausstattung.<br />
5. Wenn alle zur Konzertierung notwendigen<br />
Schritte <strong>in</strong> diesem Frühjahr unternommen<br />
werden, führt e<strong>in</strong>e solche Politik<br />
zu e<strong>in</strong>em dynamischen Prozeû <strong>der</strong><br />
Erholung <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft mit<br />
deutlich wachsen<strong>der</strong> Beschäftigung bei<br />
stabilen Preisen.<br />
Nach den Berechnungen des DIW führt<br />
bereits e<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />
<strong>in</strong> Höhe von 35 Mrd. DM jährlich, das<br />
durch e<strong>in</strong>e zusätzliche Kreditaufnahme<br />
f<strong>in</strong>anziert wird, selbst wenn es alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
Deutschland zum Tragen kommt, zu folgenden<br />
Verbesserungen gegenüber <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik:<br />
± e<strong>in</strong> spürbar höheres Wachstum<br />
des Sozialprodukts (+ 1,8 v. H.)<br />
± etwa 500 000 zusätzliche Arbeitsplätze<br />
± E<strong>in</strong>sparungen bei <strong>der</strong> Arbeitslosenunterstützung<br />
und <strong>der</strong> Sozialhilfe <strong>in</strong><br />
Höhe von 6±9 Mrd. DM<br />
± e<strong>in</strong>e merkliche mittelfristige Konsolidierung<br />
<strong>der</strong> Staatshaushalte mit e<strong>in</strong>er<br />
ger<strong>in</strong>geren Schuldenquote am BIP<br />
und e<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>squote unterhalb <strong>der</strong><br />
Z<strong>in</strong>sbelastung, wie sie bei <strong>der</strong> Fortsetzung<br />
<strong>der</strong> jetzigen Politik zwangsläufig<br />
ist.<br />
6. Beteiligen sich die Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union an e<strong>in</strong>em solchen<br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionspakt für mehr<br />
Wachstum und Beschäftigung könnten<br />
noch höhere Wachstumsraten erzielt,<br />
mehr Arbeitsplätze <strong>in</strong> Deutschland und<br />
Europa geschaffen und e<strong>in</strong>e realistische<br />
und solide Konsolidierung <strong>der</strong> öffentliche<br />
F<strong>in</strong>anzen erreicht werden.<br />
Die Europäische Union ist wirtschaftlich<br />
zu e<strong>in</strong>er groûen Volkswirtschaft mit e<strong>in</strong>em<br />
relativ ger<strong>in</strong>gen Auûenanteil vergleichbar<br />
dem Wirtschaftsraum <strong>der</strong> USA zusammengewachsen.<br />
Weil die Bundesregierung<br />
Wirtschaftspolitik auf nationale Standortpolitik<br />
reduziert, blockiert sie jeden Ansatz<br />
zu e<strong>in</strong>er kooperativen Politik für mehr<br />
Wachstum und Beschäftigung <strong>in</strong> Europa<br />
und verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t damit auch e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />
Konsolidierung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte.<br />
E<strong>in</strong>e europäische Alternative für Aufschwung<br />
und Arbeitsplätze ist denkbar und<br />
machbar ± sie muû <strong>in</strong> Deutschland beg<strong>in</strong>nen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)
Antrag I 58<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />
Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e<br />
Arbeitszeitoffensive ±<br />
Neue Strategien e<strong>in</strong>er<br />
Vollbeschäftigungspolitik<br />
I. Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Etwa 4,2 Millionen Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
s<strong>in</strong>d zur Zeit arbeitslos.<br />
1,3 Millionen Frauen und Männer gelten<br />
davon als Langzeitarbeitslose. Rechnet man<br />
die stille Reserve, die <strong>in</strong> Maûnahmen<br />
bef<strong>in</strong>dlichen Menschen und <strong>der</strong> sogenannten<br />
verdeckten Arbeitslosigkeit h<strong>in</strong>zu, fehlen<br />
<strong>der</strong>zeit faktisch 7 Millionen Arbeitsplätze.<br />
Die negativen Folgen dieser Beschäftigungskrise<br />
s<strong>in</strong>d enorm:<br />
± die Zwänge <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit verspielen<br />
die ökonomischen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
zu e<strong>in</strong>er ¹nachhaltigen Entwicklungª.<br />
Riesige Mengen von<br />
s<strong>in</strong>nvoller Arbeit liegen brach, mögliche<br />
Wohlstandsproduktion wird nicht geleistet.<br />
± Arbeitslosigkeit kostet gewaltige Summen.<br />
Die fiskalischen Kosten <strong>der</strong> AL liegen<br />
1996 bei 159 Milliarden DM, 1997<br />
werden es 180 Milliarden DM se<strong>in</strong> (e<strong>in</strong>gerechnet<br />
Aufwendungen für die<br />
Leistungen <strong>der</strong> Bundesanstalt für Arbeit<br />
und Steuerausfälle bei Bund, Län<strong>der</strong>n<br />
und Kommunen, nicht e<strong>in</strong>gerechnet<br />
die nicht zurechenbaren Kosten von<br />
Armut/Sozialhilfe, Krankheiten, Devianz<br />
und Gewalt). 1981 waren es lediglich<br />
31 Mrd. DM, 1990 noch 54,71 Mrd.<br />
DM. Nach Schätzungen des Instituts für<br />
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
werden es 1997 180 Milliarden se<strong>in</strong>.<br />
Zum Vergleich: Die gesamte jährliche<br />
Staatsverschuldung <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
beträgt demgegenüber 138 Mrd. DM.<br />
E<strong>in</strong>/e ¹Durchschnittsarbeitslose/rª<br />
kostete 1996 im Westen ca. 49000 DM<br />
bei Bezug von Arbeitslosengeld, bei<br />
Arbeitslosenhilfe s<strong>in</strong>d es 40000 DM.<br />
Im Osten s<strong>in</strong>d es jeweils DM 38000/<br />
33000.<br />
± Arbeitslosigkeit treibt die Betroffenen <strong>in</strong><br />
die Isolation, entwertet ihre Qualifikationen<br />
und Kompetenzen, raubt ihnen<br />
S<strong>in</strong>nbeziehungen, macht sie krank.<br />
± Arbeitslosigkeit belastet sämtliche sozialen<br />
Sicherungssysteme. Ohne sie hätten<br />
wir ke<strong>in</strong>e Probleme damit, Renten,<br />
Gesundheit und an<strong>der</strong>es zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Sie ist das gesellschafts- und sozialpolitische<br />
Basisproblem.<br />
± Arbeitslosigkeit för<strong>der</strong>t Entsolidarisierung,<br />
Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong>, Rassismus und die<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> Frauen. Auslän<strong>der</strong>fe<strong>in</strong>dlichkeit<br />
und Rechtsradikalismus<br />
wären zwar nicht beseitigt, aber weniger<br />
explosiv ohne den fruchtbaren gesellschaftlichen<br />
Boden des Entsolidarisierungsdrucks.<br />
± Arbeitslosigkeit erschwert den Betroffenen<br />
die Möglichkeiten demokratischer<br />
Teilhabe, sie blockiert die Erweiterung<br />
von Demokratie <strong>in</strong> Gesellschaft und<br />
Wirtschaft.<br />
± Arbeitslosigkeit erschwert die Gleichstellung<br />
<strong>der</strong> Frauen und die E<strong>in</strong>beziehung<br />
<strong>der</strong> Männer <strong>in</strong> die Reproduktionsarbeit.<br />
± Arbeitslosigkeit belastet die Lohnabhängigen<br />
mit Leistungsdruck und Existenzangst,<br />
sie verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die Humanisierung<br />
<strong>der</strong> Arbeit und die Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />
neuen Begriffs von Erwerbsarbeit.<br />
± Arbeitslosigkeit schwächt die Kampfkraft<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaften (und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />
sozialen Bewegungen und Gruppierungen).<br />
Sie ist das ideologische und machtpolitische<br />
Haupt<strong>in</strong>strument konservativer<br />
bzw. neoliberaler Herrschaft. Sie ist das<br />
Vehikel, mit dem sich national organisierte<br />
Lohnabhängige gegenüber transnationalem<br />
Kapital global gegene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
ausspielen lassen.<br />
133
II. Arbeitszeitverkürzung und geschlechtsspezifische<br />
Arbeitsteilung<br />
Ziel e<strong>in</strong>er Politik für Frauen ist die Aufhebung<br />
<strong>der</strong> geschlechtsspezifischen Teilung<br />
<strong>der</strong> Arbeit. Diese Arbeitsteilung funktioniert<br />
<strong>in</strong> dreifacher H<strong>in</strong>sicht: Zuerst s<strong>in</strong>d<br />
Frauen für die Reproduktionsarbeit zuständig,<br />
Männer für die Produktionsarbeit.<br />
Daneben existiert e<strong>in</strong>e geschlechtshierarchische<br />
Segmentierung des Arbeitsmarkts<br />
(Frauen und Männer s<strong>in</strong>d jeweils <strong>in</strong><br />
bestimmten Arbeitsfel<strong>der</strong>n überrepräsentiert),<br />
wobei drittes im gleichen Bereich<br />
Frauenarbeitsplätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die<br />
schlechter bezahlten und mit den ger<strong>in</strong>geren<br />
Aufstiegsmöglichkeiten ausgestattet<br />
s<strong>in</strong>d (so z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankenpflege).<br />
Um dies aufzubrechen, s<strong>in</strong>d zwei verschiedene<br />
Ansätze notwendig. Zum e<strong>in</strong>en muû<br />
es zu e<strong>in</strong>er massiven Arbeitszeitverkürzung<br />
im Erwerbsbereich kommen, zum an<strong>der</strong>en<br />
geht es auch um e<strong>in</strong>e Neubewertung <strong>der</strong><br />
(bezahlten) Arbeit.<br />
Insgesamt ist unser Ziel eher e<strong>in</strong>e Arbeitzeitverän<strong>der</strong>ung<br />
als e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung.<br />
Damit ist geme<strong>in</strong>t, daû im Bereich<br />
<strong>der</strong> Reproduktionsarbeit Frauen <strong>in</strong> Zukunft<br />
weniger leisten müssen, während Männern<br />
endlich ihren Anteil daran übernehmen sollen.<br />
In <strong>der</strong> Erwerbsarbeit wird e<strong>in</strong>e Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit <strong>der</strong> mehrheitlich<br />
männlichen Vollzeitarbeiter angestrebt,<br />
während Frauen vermehrt Zugang zur<br />
Erwerbstätigkeit erhalten sollen.<br />
Um e<strong>in</strong>e wirklich relevante Neuverteilung<br />
von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit zu<br />
erreichen, muû es e<strong>in</strong>e Abkehr von <strong>der</strong><br />
männlich zentrierten Normalarbeitsbiographie<br />
und dem Modell des männlichen<br />
Familienernährers geben. Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>er<br />
neuen Struktur muû es se<strong>in</strong>, daû jede Person<br />
selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, ihren Lebensunterhalt<br />
zu verdienen und gleichzeitig die zu<br />
ihrer Reproduktion notwendigen Aufgaben<br />
erledigen zu können. Dabei ist die Arbeitszeitverkürzung<br />
e<strong>in</strong> wichtiges Mittel.<br />
Genauso entscheidend wird aber auch e<strong>in</strong>e<br />
Neubewertung von Arbeit se<strong>in</strong>, mit e<strong>in</strong>er<br />
134<br />
Abkehr vom bisher herrschenden Leistungspr<strong>in</strong>zip.<br />
Über die AZV h<strong>in</strong>aus geht<br />
es jedoch um e<strong>in</strong>en grundlegenden Paradigmenwechsel,<br />
<strong>der</strong> das bisher herrschende<br />
Leistungspr<strong>in</strong>zip ersetzt. Bisher wird die<br />
Arbeit hoch entlohnt, die hohe Profite<br />
abwirft. Wir wollen dagegen e<strong>in</strong>e Entlohnung<br />
entsprechend <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Notwendigkeit <strong>der</strong> Arbeit. Diese besteht<br />
dann, wenn e<strong>in</strong>e Gesellschaft diese Tätigkeit<br />
für ihr soziales Zusammenleben und<br />
zum Überleben braucht. Die Logik des<br />
bisherigen Leistungspr<strong>in</strong>zips führt des weiteren<br />
dazu, daû Arbeitsplätze häufig nicht<br />
dort entstehen, wo Arbeit überlebensnotwendig<br />
ist, wie z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankenpflege<br />
o<strong>der</strong> im Umweltbereich. Ziel ist, daû je<strong>der</strong><br />
Mensch e<strong>in</strong>er existenzsichernden Vollbeschäftigung<br />
(Individuallohn) nachgeht.<br />
Derzeit besteht die- Tendenz die gesellschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen Unsicherheiten<br />
(Stichwort: ¹Globalisierungª) dem<br />
e<strong>in</strong>zelnen Individuum immer mehr zu<br />
überlassen (Stichwort: ¹Individualisierungª).<br />
Diese Politik unterliegt e<strong>in</strong>em zentralen<br />
und gravierenden Denkfehler. Die<br />
Auflösung traditioneller B<strong>in</strong>dungen (z. B.<br />
Die Ehe als soziale Absicherung von<br />
Frauen) erzw<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e verstärkte soziale<br />
Sicherung von Menschen durch staatliche/<br />
gesellschaftliche Strukturen und nicht<br />
e<strong>in</strong>en Abbau staatlicher Sicherungssysteme.<br />
Dies bedeutet ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>engung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />
Wahlmöglichkeiten, son<strong>der</strong>n überhaupt<br />
erst <strong>der</strong>en Voraussetzung!<br />
Insbeson<strong>der</strong>e für junge Frauen ist dieser<br />
Ansatz relevant. In ihrem ¹Doppelten<br />
Lebensentwurfª stellen sie Beruf und Privatleben<br />
gleichberechtigt nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />
Im ¹Doppelten Lebensentwurfª ist die<br />
Erwerbsarbeit ebenso zentral wie <strong>der</strong> private<br />
Bereich und bestimmend für das<br />
Selbstverständnis von Menschen. Erwerbsarbeit<br />
kann ohne den privaten Bereich<br />
nicht stattf<strong>in</strong>den: Die Erledigung <strong>der</strong><br />
Haus- und Familienarbeit und die Pflege<br />
zwischenmenschlicher Beziehungen ermöglichen<br />
erst den beruflichen Lebensweg und<br />
haben darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e eigene Lebensqualität.<br />
Wer sich nur auf den beruflichen<br />
o<strong>der</strong> nur auf den privaten Lebensbereich
eschränkt, vernachlässigt jeweils e<strong>in</strong>en<br />
entscheidenden Teil des Lebens.<br />
Um diesen ¹Doppelten Lebensentwurfª<br />
lebbar zu machen, ist e<strong>in</strong>e radikale Arbeitszeitverkürzung<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Denn das bisherige<br />
¹Normalarbeitszeitverhältnisª macht<br />
die Übernahme <strong>der</strong> eigenen Reproduktionspflichten<br />
oft zu e<strong>in</strong>er Überfor<strong>der</strong>ung.<br />
Damit zeigt sich, daû AZV gleich zweimal<br />
e<strong>in</strong> zentrales Instrument zur Durchsetzung<br />
wichtiger politischer Ziele ist: Zum e<strong>in</strong>en<br />
kann damit e<strong>in</strong> Schritt zur Gleichberechtigung<br />
<strong>der</strong> Geschlechter getan werden, zum<br />
an<strong>der</strong>en kann nur so am Ziel <strong>der</strong> Vollbeschäftigung<br />
festgehalten werden.<br />
III. Vollbeschäftigung und Normalarbeitsverhältnis<br />
Zunächst ist festzuhalten: Arbeit geht ke<strong>in</strong>eswegs<br />
aus! Im Gegenteil, sie liegt millionenfach<br />
brach und es entstehen permanent<br />
neue Bedarfsfel<strong>der</strong> und Bedürfnisse, die<br />
bearbeitet werden müûten (z.B. im<br />
Umweltbereich, Sozialbereich, Gesundheit<br />
und Kultur ± von den globalen Problemen<br />
ganz zu schweigen).<br />
Realität ist aber auch: Es vollzieht sich e<strong>in</strong>e<br />
irreversible faktische Erosion des traditionellen<br />
¹Normalarbeitsverhältnissesª: E<strong>in</strong><br />
Vollzeit-Familienernährer, männlich, 8-<br />
Stunden-Tag, Frau und K<strong>in</strong><strong>der</strong> daheim.<br />
E<strong>in</strong>e Rückkehr zu Verhältnissen wie im<br />
Wirtschaftswun<strong>der</strong>zeitraum ist we<strong>der</strong> möglich<br />
noch wünschenswert. E<strong>in</strong> allerd<strong>in</strong>gs<br />
modifizierter Begriff von Vollbeschäftigung<br />
und damit verbunden e<strong>in</strong>e Neudef<strong>in</strong>ition<br />
des Normalarbeits- und Normalarbeitszeitverhältnisses<br />
ist sowohl s<strong>in</strong>nvoll als auch<br />
als Zielvorstellung realisierbar. Folgende<br />
Elemente s<strong>in</strong>d wichtig (Hier werden <strong>in</strong><br />
aller Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit sowohl wünschenswerte<br />
wie bloû realistisch erwartbare<br />
Aspekte gereiht):<br />
± Allgeme<strong>in</strong> werden und müssen die <strong>in</strong>dividuellen<br />
Erwerbsarbeitszeiten massiv<br />
s<strong>in</strong>ken (Lebens-, Jahres-, Wochen- und<br />
Tagesarbeitszeiten).<br />
± Erwerbsarbeit, E<strong>in</strong>kommen und soziale<br />
Absicherung wird zwischen Männern<br />
und Frauen gerechter verteilt werden<br />
müssen.<br />
± Ausbildungs- und Qualifizierungszeiten<br />
werden zunehmen und sich auf e<strong>in</strong>e<br />
ganze Erwerbsbiographie verteilen.<br />
± E<strong>in</strong> Mensch wird bei lebenslangem Lernen<br />
und vielfachen Anpassungsleistungen<br />
e<strong>in</strong>e Kette von Jobs durchlaufen, mit<br />
Unterbrechungen, Ortswechseln, Qualifizierungszeiten.<br />
± Gesellschaftliche und staatliche Maûnahmen<br />
müssen die Risiken <strong>der</strong> flexiblen<br />
Erwerbsbiographien absichern, im<br />
Bereich <strong>der</strong> Qualifzierungs- und Sozialpolitik<br />
die Aufgaben erhöhen und generell<br />
e<strong>in</strong>e soziale M<strong>in</strong>destabsicherung vorhalten.<br />
± Es steht e<strong>in</strong>e Zunahme von ± allerd<strong>in</strong>gs<br />
diskrim<strong>in</strong>ierungsfreier, <strong>in</strong>dividuell wählbarer<br />
und auf beide Geschlechter verteilter<br />
± Teilzeitarbeit an. Die Teilzeitquote<br />
ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD relativ niedrig. E<strong>in</strong>e<br />
sozial abgesicherte För<strong>der</strong>ung von Teilzeitarbeit<br />
könnte hun<strong>der</strong>ttausende<br />
Arbeitsplätze schaffen, bei Annäherung<br />
an Verhältnisse wie <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />
bis zu 2 Millionen.<br />
± Die Zunahme von flexiblen Arbeitszeiten<br />
allgeme<strong>in</strong> liegt nicht nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> Logik<br />
von AZV, son<strong>der</strong>n auch zunehmend im<br />
Interesse e<strong>in</strong>es verän<strong>der</strong>ten gesellschaftlichen<br />
und <strong>in</strong>dividuellen Zeitmanagements<br />
und natürlich grundsätzlich im Interesse<br />
<strong>der</strong> Kapazitätsauslastungspolitik <strong>der</strong><br />
Unternehmen. Freilich macht es e<strong>in</strong>en<br />
Unterschied, ob <strong>der</strong> Arbeitgeber anruft,<br />
und dem/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn flexible<br />
Arbeitszeit verordnet (¹Tach, Frau<br />
Schmidt, an <strong>der</strong> Kasse ist gerade viel zu<br />
tun, könnten Sie mal vorbeikommen?ª)<br />
o<strong>der</strong> ob die Zeitsouveränität geregelt ist<br />
bzw. mit den Interessen des/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn<br />
vere<strong>in</strong>bar ist.<br />
± E<strong>in</strong>e soziale und ökonomische Neu- und<br />
Höherbewertung <strong>der</strong> Reproduktionsarbeit:<br />
Haushalt, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung ist<br />
längst überfällig, wenngleich noch kaum<br />
im Gange ± und damit auch e<strong>in</strong>e Umverteilung<br />
<strong>der</strong> Arbeit und Reproduktionsarbeit<br />
zwischen den Geschlechtern.<br />
135
± Sowohl die Zunahme von Belastungen<br />
(Streû, Arbeits<strong>in</strong>tensität? als auch die<br />
Humanisierung <strong>der</strong> Arbeit (Wegfall von<br />
monotonen Jobs durch Automation,<br />
kommunikationsorientierte und sozial<br />
kompetente neue Jobs, <strong>in</strong>teressante<br />
Diversifizierung <strong>der</strong> Arbeit) laufen<br />
gleichzeitig und wi<strong>der</strong>sprüchlich ab.<br />
Insgesamt bef<strong>in</strong>det sich die gesellschaftliche<br />
Debatte nicht jenseits e<strong>in</strong>er ¾ra <strong>der</strong> Vollbeschäftigung,<br />
son<strong>der</strong>n sie steht am Neuanfang<br />
<strong>der</strong> Debatte um die Zukunft <strong>der</strong><br />
Arbeit und <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es Erwerbsarbeitsbegriffes,<br />
<strong>der</strong> sicherstellt, daû die ökonomische<br />
Absicherung jedes E<strong>in</strong>zelnen, von<br />
Männern und Frauen über die Komb<strong>in</strong>ation<br />
von Arbeitszeitverkürzung, Erwerbsarbeit<br />
und sozialer M<strong>in</strong>deststandards und<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen abläuft.<br />
IV. Strategien gegen Arbeitslosigkeit<br />
Grundsätzlich gibt es systematisch nur zwei<br />
Strategien <strong>der</strong> Bekämpfung von Arbeitslosigkeit:<br />
± durch Wachstum <strong>der</strong> Wirtschaft und<br />
damit des Arbeitsvolumens und<br />
± durch Verteilung des Arbeitsvolumens<br />
(durch Steuerung des Erwerbspersonenpotentials<br />
und AZV <strong>in</strong> allen Varianten).<br />
Alle wachstumsorientierten Strategien<br />
haben drei Grenzen. Zunächst ist die<br />
Schaffung e<strong>in</strong>es neuen Arbeitsplatzes <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Industrie und bei hochtechnisierten<br />
Dienstleistungen sehr teuer (Kosten von<br />
e<strong>in</strong>igen Hun<strong>der</strong>ttausend bis zu Millionen<br />
DM). Zweitens ist nicht jedes Wachstum,<br />
son<strong>der</strong>n nur noch ¹nachhaltigesª Wachstum<br />
wünschenswert. Dies bedeutet, daû<br />
e<strong>in</strong>e qualifizierte Wachstumspolitik generell<br />
mit niedrigeren Raten rechnen müûte.<br />
Drittens schlieûlich müûte es trotzdem<br />
dauerhaft zu Wachstumsraten von über<br />
2,3 % kommen, um zur Erhöhung von<br />
Beschäftigung und vermittelt zum Abbau<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit beizutragen. Ab diesem<br />
Satz beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik zur<br />
Zeit erst die Arbeitsmarktwirksamkeit. Das<br />
Ifo-Institut gibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Mitteilungen ¹ifo<br />
im Juniª 1997 an, daû bei 1 % Wachstum<br />
136<br />
über 2,3 %, also ab 3,3 % mit e<strong>in</strong>em Rückgang<br />
<strong>der</strong> AL um e<strong>in</strong> halbes Prozent<br />
gerechnet werden könnte. Rudolf Hickel<br />
(1994, 166) hat dargelegt, daû e<strong>in</strong>e Wachstumsrate<br />
von 3,5 % jährlich von 1994 bis<br />
2000 die registrierte Arbeitslosigkeit nur<br />
um e<strong>in</strong>e Million zurückgehen lassen würde<br />
und bei e<strong>in</strong>em Wachstum von immerh<strong>in</strong><br />
2,2 % die Arbeitslosigkeit sogar weiter<br />
deutlich zunehmen würde.<br />
Selbstverständlich ist Wachstum zur Ausweitung<br />
von Beschäftigung erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Anstatt aber auf die bloûe Steigerung des<br />
Wirtschaftsproduktes zu starren, muû<br />
Wachstum starker qualitativ ± d.h. ökologisch<br />
und <strong>in</strong>tensiv an qualifizierter menschlicher<br />
Arbeit ± ausgestaltet werden. Dies<br />
wird nur durch gesellschaftliche E<strong>in</strong>griffe<br />
zu bewerkstelligen se<strong>in</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs kann<br />
Wachstum alle<strong>in</strong> das Arbeitsvolumen nicht<br />
soweit erhöhen, um auch nur <strong>in</strong> die Nähe<br />
e<strong>in</strong>er Vollbeschäftigung zu gelangen.<br />
Arbeitszeitverkürzung ± und zwar <strong>in</strong> radikaler<br />
Form ± könnte sehr schnell deutliche<br />
Beschäftigungseffekte zeigen, die für e<strong>in</strong>e<br />
Vollbeschäftigungspolitik unabd<strong>in</strong>gbar s<strong>in</strong>d.<br />
Rechnerisch könnten bei e<strong>in</strong>er 10%igen<br />
AZV bei e<strong>in</strong>em Arbeitsvolumen (1995) von<br />
44 413 Millionen Arbeitsstunden West/<br />
10 714 Millionen Stunden Ost <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gesamtwirtschaft und 1561 bzw. 1670<br />
Durchschnittsarbeitsstunden pro Beschäftigten<br />
etwa 3,5 Millionen Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden. Je nach Umsetzung <strong>der</strong><br />
AZV wären das real 1,7 bis etwa 2,5 Millionen<br />
Beschäftigte mehr. Die E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong> 30-Stundenwoche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
käme grob e<strong>in</strong>er 20%igen AZV gleich und<br />
würde real 3,5 bis 5 Millionen Arbeitsplätze<br />
neu schaffen. E<strong>in</strong> zweiter ± genauso<br />
wichtiger ± Grund spricht für AZV: Das<br />
Festhalten an <strong>der</strong> 3540 Stunden-Woche<br />
trägt zur Ausgrenzung <strong>der</strong> Frauen aus dem<br />
Arbeitsmarkt bei. Die Frauenerwerbsquote<br />
<strong>in</strong> Westdeutschland liegt mit 60 % deutlich<br />
unter <strong>der</strong> Männererwerbsquote von 81,8 %<br />
und damit auch im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />
weit unten. Wenn Erwerbs- und<br />
Reproduktionsarbeit auf beide Geschlechter<br />
gerecht verteilt werden soll, muû auch<br />
<strong>der</strong> männliche Arbeitstag kürzer werden.
V. Die Aktualität von Arbeitszeitpolitik<br />
Kürzer arbeiten ja ± weniger<br />
verdienen ne<strong>in</strong><br />
Immer wie<strong>der</strong> wird behauptet, daû e<strong>in</strong>e<br />
kürzere Arbeitszeit von den meisten<br />
Beschäftigten gar nicht gewünscht wird.<br />
Belegt wird dies mit den nicht von <strong>der</strong><br />
Hand zu weisenden Mobilisierungsschwierigkeiten<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaften für die For<strong>der</strong>ung<br />
e<strong>in</strong>er Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit,<br />
sieht man e<strong>in</strong>mal von akuten Bedrohungssituationen<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten (wie bei VW)<br />
ab. Dies bedeutet allerd<strong>in</strong>gs nicht, daû die<br />
Beschäftigten e<strong>in</strong>e kürzere Arbeitszeit pr<strong>in</strong>zipiell<br />
ablehnen. E<strong>in</strong>e Untersuchung des<br />
Instituts zur Erforschung sozialer Chancen<br />
(ISO) im Auftrag des MAGS NRW aus<br />
dem Jahr 1995 hat bestätigt, daû die meisten<br />
Beschäftigten kürzer arbeiten wollen,<br />
als sie bislang müssen:<br />
Tabelle 1: Tatsächliche Wochenarbeitszeit:<br />
Frauen Männer Gesamt<br />
West 32,4<br />
Stunden<br />
Ost 38,4<br />
Stunden<br />
Quelle: ISO<br />
42,0<br />
Stunden<br />
43,8<br />
Stunden<br />
38,1<br />
Stunden<br />
41,3<br />
Stunden<br />
Tabelle 2: Gewünschte Wochenarbeitszeit:<br />
Frauen Männer Gesamt<br />
West 28,5 37,1 34,1<br />
Stunden Stunden Stunden<br />
Ost 34,9 38,5 37,2<br />
Stunden Stunden Stunden<br />
Quelle: ISO<br />
Bei <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> tatsächlichen<br />
Arbeitszeit ist darauf zu achten, daû diese<br />
über <strong>der</strong> tariflich vere<strong>in</strong>barten Arbeitszeit<br />
liegt und damit auch die Mehrarbeit erfaût.<br />
Es zeigt sich, daû Frauen vor allem im<br />
Westen zwar bereits weitaus weniger arbeiten<br />
als Männer, aber darüber h<strong>in</strong>aus weitere<br />
Verkürzungswünsche haben. Insgesamt<br />
ergibt sich für West und Ost e<strong>in</strong> durchschnittlicher<br />
Verkürzungswunsch von rund<br />
4 Stunden. Dies würde e<strong>in</strong>en (allerd<strong>in</strong>gs<br />
nur re<strong>in</strong> rechnerischen) Beschäftigungsef-<br />
fekt von 3,2 Mio. zur Folge haben. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
läût die o.g. Studie den Aspekt des<br />
Lohnausgleiches auûer acht. Zu vermuten<br />
ist daher: wenn weitere AZV von den<br />
Beschäftigten abgelehnt wird, dann weil die<br />
Beschäftigten verständlicherweise angesichts<br />
seit Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre stagnieren<strong>der</strong><br />
Nettoreallöhne ke<strong>in</strong>e Lohne<strong>in</strong>buûen<br />
h<strong>in</strong>nehmen wollen.<br />
Arbeitszeitverkürzung br<strong>in</strong>gt mehr<br />
Beschäftigung<br />
E<strong>in</strong>e vor allem von <strong>der</strong> Unternehmerseite<br />
und <strong>der</strong> Bundesregierung vorgebrachte<br />
Behauptung lautet, daû AZV ke<strong>in</strong>e<br />
Beschäftigungseffekte nach sich ziehe.<br />
Diese These ist we<strong>der</strong> logisch begründbar,<br />
noch empirisch haltbar. Die bisherigen<br />
Ergebnisse von Untersuchungen über<br />
Beschäftigungswirkungen durch AZV<br />
gehen je nach Methode und Interessenlage<br />
weit ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. So ist <strong>der</strong> Beschäftigungseffekt<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Metall<strong>in</strong>dustrie bei <strong>der</strong><br />
Verkürzung von <strong>der</strong> 40- auf die 38,5-Stunden-Woche<br />
von Gesamtmetall mit 35 %,<br />
von <strong>der</strong> IG-Metall mit 70 % und vom<br />
DIW sogar mit 80 % beziffert worden. Es<br />
kann aber davon ausgegangen werden, daû<br />
die 3,2 Mio. Arbeitsplätze, die im Zeitraum<br />
1983±1992 geschaffen wurden, zum<strong>in</strong>dest<br />
zu e<strong>in</strong>em Drittel auf die Verkürzung <strong>der</strong><br />
Wochenarbeitszeit und e<strong>in</strong>e gestiegene<br />
Teilzeitquote zurückgehen. Pr<strong>in</strong>zipiell kann<br />
gelten: je gröûer die Verkürzungsschritte,<br />
desto höher auch <strong>der</strong> Beschäftigungseffekt.<br />
Da die Beschäftigungseffekte aber stets<br />
unter 100 % liegen, muû auch <strong>der</strong> Tatsache<br />
Rechnung getragen werden, daû die Verkürzung<br />
von Arbeitszeit Leistungsverdichtung<br />
und Produktivitätssteigerungen zur<br />
Folge hat. Die Auswirkungen <strong>der</strong> AZV auf<br />
die Sicherung bzw. Schaffung von neuer<br />
Beschäftigung hängen <strong>in</strong> hohem Maûe von<br />
den Tätigkeiten <strong>der</strong> Beschäftigten, den<br />
angewendeten Arbeitszeitregelungen und<br />
weiteren Rahmenbed<strong>in</strong>gungen ab, die<br />
Gegenstand <strong>der</strong> tarifvertraglichen und<br />
betrieblichen Aushandlungsprozesse s<strong>in</strong>d.<br />
Aktuelle Modellrechnungen und Maûnahmenkataloge<br />
prognostizieren ebenfalls die<br />
137
Schaffung neuer Beschäftigung im Falle<br />
von weiterer AZV. Das Berl<strong>in</strong>er Memorandum<br />
zur Arbeitszeitpolitik schlägt e<strong>in</strong> Maûnahmenbündel<br />
vor, das 2,9±3,4 Mio.<br />
Arbeitsplätze schaffen soll. E<strong>in</strong>e Modellrechnung<br />
des WSI (Absenkung <strong>der</strong> tariflichen<br />
Arbeitszeit um 9 % bis zum Jahr<br />
2005, Halbierung <strong>der</strong> Überstunden, Erhöhung<br />
Teilzeit um 25 %) verspricht e<strong>in</strong>en<br />
Effekt von 2,9 Millionen und e<strong>in</strong>e Modellrechnung<br />
des IAB (Verkürzung des Jahresarbeitszeit<br />
von 1996±2000 um 1,1 % p. a.<br />
und von 2000±2005 um 0,3 % p. a.)<br />
behauptet immerh<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>en Effekt von<br />
713 000 (ohne vollen Lohnausgleich) bzw.<br />
425 000 (mit vollem Lohnausgleich)<br />
Arbeitsplätzen.<br />
Flexibilisierung alle<strong>in</strong> schafft noch ke<strong>in</strong>e<br />
Arbeit<br />
In jüngster Zeit s<strong>in</strong>d Arbeitszeitverkürzungen<br />
immer mit Zugeständnissen an e<strong>in</strong>e<br />
Flexibilisierung von Dauer, Lage und Verteilung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit verbunden gewesen.<br />
Vielfach steht auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> nicht mehr<br />
die Verteilung, son<strong>der</strong>n die Flexibilisierung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit im Vor<strong>der</strong>grund (siehe<br />
Manifest ¹Innovationen für Deutschlandª<br />
v. 21. 5. 1997). Diese mittlerweile populäre<br />
These muû zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> ihrer undifferenzierten<br />
Form zurückgewiesen werden. Das<br />
Interesse <strong>der</strong> Unternehmer an e<strong>in</strong>er<br />
Arbeitszeitflexibilisierung bezieht sich auf<br />
die Ausweitung <strong>der</strong> Betriebszeiten, <strong>der</strong><br />
Anpassung <strong>der</strong> Arbeitszeit an konjunkturelle<br />
und jahreszeitliche Schwankungen <strong>der</strong><br />
Kapazitätsauslastung sowie die Verbilligung<br />
<strong>der</strong> Arbeit (z. B. Abbau von Überstundenzuschlägen<br />
durch Wegdef<strong>in</strong>ition). E<strong>in</strong> E<strong>in</strong>lassen<br />
auf diese Logik hätte Leistungsverdichtung<br />
und ggf. Lohne<strong>in</strong>buûen für die<br />
ArbeitnehmerInnen zur Folge. Die erwarteten<br />
Beschäftigungseffekte beziehen sich<br />
auf die Hoffnung, daû die Absatzerwartungen<br />
durch die hervorgerufenen Produktivitätssteigerungen<br />
steigen. Wahrsche<strong>in</strong>licher<br />
ist jedoch, daû die Beschäftigung stagnieren<br />
bzw. sogar s<strong>in</strong>ken wird, wenn durch<br />
optimalere Kapazitätsauslastung Arbeitskräfte<br />
überflüssig werden.<br />
138<br />
Sicherlich kann angesichts gewandelter<br />
Ansprüche <strong>der</strong> Beschäftigten an die <strong>in</strong>dividuelle<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Arbeitszeit nicht am<br />
Konzept <strong>der</strong> standardisierten Tages- und<br />
Wochenarbeitszeit festgehalten werden.<br />
Jedoch ist fraglich, ob die Destandardisierung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit per se mit <strong>der</strong> von den<br />
Beschäftigten gewünschten Zeitsouveränität<br />
übere<strong>in</strong>stimmt. So wird beispielsweise die<br />
E<strong>in</strong>beziehung des Samstags als regulären<br />
Arbeitstag von <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong><br />
ArbeitnehmerInnen abgelehnt. Die Flexibilisierung<br />
muû daher von den Beschäftigten<br />
bzw. ihren Interessenvertretungen mitbestimmt<br />
werden können.<br />
Wer e<strong>in</strong>e deutliche Verkürzung <strong>der</strong><br />
Arbeitszeit e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>t, wird nicht an neuen<br />
und flexibleren Modellen <strong>der</strong> Verteilung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit vorbeikommen, wenn nicht<br />
gleichzeitig Geschäfts- und Betriebszeiten<br />
mit reduziert werden sollen. Mehr Beschäftigung<br />
wird also nicht durch ¹Flexi ohne<br />
allesª son<strong>der</strong>n durch ¹Verkürzung plus<br />
Flexiª geschaffen. Neue Modelle <strong>der</strong><br />
Arbeitszeitgestaltung müssen verbunden<br />
werden mit dem Abbau von Überstunden<br />
und <strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />
Wochenarbeitszeit. Entscheidend wird es<br />
se<strong>in</strong>, klare tarifliche Rahmensetzungen für<br />
maximale und m<strong>in</strong>imale Arbeitszeiten am<br />
Tag sowie im Wochendurchschnitt, Ausgleichszeiträume,<br />
Anspruchsrechte <strong>der</strong><br />
ArbeitnehmerInnen, Verz<strong>in</strong>sung <strong>der</strong> Guthaben,<br />
etc. vorzunehmen. Ebenso müssen<br />
die Rechte <strong>der</strong> Betriebsräte gestärkt werden.<br />
Überstundenabbau<br />
Im Jahr 1996 haben deutsche Arbeitnehmer<br />
1,8 Milliarden Überstunden geleistet.<br />
Das entspricht bei e<strong>in</strong>er Durchschnittsjahresarbeitszeit<br />
im Jahr 1996 von 1 519 Stunden<br />
pro Beschäftigten (Ost: 1593, West:<br />
1 502) re<strong>in</strong> rechnerisch rund 1185 000<br />
Arbeitsplätzen. Müûte jede Überstunde<br />
strikt mit Freizeit abgegolten werden und<br />
zieht man Produktivitätseffekte bei e<strong>in</strong>em<br />
Überstundenabbau und an<strong>der</strong>e Wirkungsdämpfungen<br />
ab, könnten sicher zwischen<br />
e<strong>in</strong>em Drittel und <strong>der</strong> Hälfte des Volumens<br />
Beschäftigungseffekte zeigen ± also zwi-
schen 400000 und 600 000 Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden. Allerd<strong>in</strong>gs wäre dies<br />
e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung ohne jeden<br />
Lohnausgleich, und dies würde e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitige<br />
F<strong>in</strong>anzierung von neuer Beschäftigung<br />
aus dem Erwerbse<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> abhängig<br />
Beschäftigten bedeuten.<br />
Der IG Metall-Vorschlag <strong>der</strong> 32-Stundenwoche<br />
¹Gemäû dem Grundsatz, besser Arbeit als<br />
Arbeitslosigkeit f<strong>in</strong>anzieren, ist auch die<br />
Bundesanstalt für Arbeit an den Kosten <strong>der</strong><br />
Arbeitszeitverkürzung zu beteiligen.ª<br />
(Klaus Zwickel 1997)<br />
Der aktuelle Vorstoû des IG Metall-Chefs<br />
Zwickel auf dem Beschäftigungskongreû<br />
des DGB <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> 32-<br />
Stundenwoche bis 1999 und Verzicht auf<br />
vollen Lohnausgleich, hat e<strong>in</strong>e mögliche<br />
Offensive <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitszeitfrage e<strong>in</strong>geleitet.<br />
Zwickel knüpfte an Überlegungen<br />
e<strong>in</strong>es Vorschlages vom Januar 1996 für e<strong>in</strong><br />
spezielles Bündnis für Arbeit Ost an.<br />
Damals sollte im Osten die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />
35-Stundenwoche vorgezogen werden (dort<br />
gilt immer noch die 38-Stundenwoche bis<br />
Ende 1998). Damit sollten bis zu 33 000<br />
zusätzliche Stellen geschaffen werden. Die<br />
F<strong>in</strong>anzierung sollte drittelparitätisch erfolgen<br />
(1 Stunde durch die Arbeitgeber;<br />
1 Stunde durch die ArbeitnehmerInnen,<br />
1 Stunde durch die Bundesanstalt für<br />
Arbeit). Die IG Metall hatte für Ostdeutschland<br />
ausgerechnet, daû die Bundesanstalt<br />
für Lohnkostenzuschüsse für 33 000<br />
Beschäftigte 500 Millionen DM ausgeben<br />
müûte, gleichzeitig aber e<strong>in</strong>e Milliarde DM<br />
an Lohnersatzleistungen sparen könnte.<br />
Der Gedanke <strong>der</strong> Drittelparität bei <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzierung von AZV ist nunmehr wie<strong>der</strong>gekehrt<br />
und enthält als strategisch neues<br />
Element die E<strong>in</strong>beziehung des Staates <strong>in</strong><br />
die Tarifpolitik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e als Unterstützung<br />
für AZV und als Garant für e<strong>in</strong>en Teil<br />
des Lohnausgleiches.<br />
Arbeitszeitverkürzung und Lohnausgleich<br />
Beim Begriff des (vollen) Lohnausgleiches<br />
herrscht e<strong>in</strong> heilloses Durche<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Es<br />
wird meist nicht unterschieden zwischen<br />
Nom<strong>in</strong>al-, Real- und Effektive<strong>in</strong>kommen<br />
e<strong>in</strong>erseits und dem zur Verfügung stehenden<br />
tariflichen Verteilungs-¹Kuchenª (die<br />
Höhe <strong>der</strong> Inflationsrate, das Produktivitätswachstum<br />
± sowie e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
<strong>in</strong> Vergessenheit geratene Umverteilungskomponente)<br />
an<strong>der</strong>erseits. Meist g<strong>in</strong>g<br />
es <strong>der</strong> gewerkschaftlichen Tarifpolitik<br />
nolens volens um die Absicherung <strong>der</strong><br />
Nom<strong>in</strong>allöhne. D.h. die Stundenlöhne<br />
wurden soweit angehoben, daû mit ihnen<br />
nach <strong>der</strong> AZV das nom<strong>in</strong>ale Lohne<strong>in</strong>kommen<br />
gesichert wurde. Faktisch muûten<br />
stets AZV mit ger<strong>in</strong>geren Lohnsteigerungen<br />
bezahlt werden, was stets ¹Verzichtª<br />
bedeutete, bzw. ¹Solidarität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Klasseª war und dennoch als AZV mit vollem<br />
Lohnausgleich bezeichnet werden<br />
konnte. Worum es nunmehr geht, ist, daû<br />
bei rascheren Schritten <strong>der</strong> AZV das Verteilungsvolumen<br />
nicht mehr für den vollen,<br />
sprich den Nom<strong>in</strong>allohnausgleich reicht<br />
und e<strong>in</strong>e Umverteilung zuungunsten <strong>der</strong><br />
Unternehmerseite bei den <strong>der</strong>zeitigen<br />
Kräfteverhältnissen recht unwahrsche<strong>in</strong>lich<br />
ist. Trotzdem soll AZV mit tarifpolitischen<br />
Mitteln weitergeführt werden. Die s<strong>in</strong>d<br />
allerd<strong>in</strong>gs mehrfach begrenzt:<br />
± durch Überlastung und Überfrachtung<br />
<strong>der</strong> Tarifpolitik,<br />
± durch die Interessenlage von Unternehmen<br />
(Verlust des Druckmittels bei Abbau<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit) aber auch <strong>der</strong><br />
Beschäftigten (<strong>der</strong> Eigennutz e<strong>in</strong>er<br />
Lohnsteigerung steht gegen das objektive<br />
Interesse an Arbeitsplatzsicherheit),<br />
± durch die Begrenztheit des Verteilungsspielraumes,<br />
solange die gesellschaftlichen<br />
Kräfteverhältnisse sich nicht grundlegend<br />
än<strong>der</strong>n,<br />
± durch die Erfahrung, daû AZV zu E<strong>in</strong>kommense<strong>in</strong>buûen<br />
und Arbeitsverdichtung<br />
geführt hat (das bedeutet psychologisch<br />
e<strong>in</strong>e Motivationsgrenze und<br />
ökonomisch e<strong>in</strong>e reale E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />
± bei den unteren Gruppen).<br />
± Schlieûlich hat AZV ohne E<strong>in</strong>kommensausgleich<br />
(wenn die reale Lohnsumme<br />
nach <strong>der</strong> AZV <strong>in</strong>klusive neuer Beschäfti-<br />
139
140<br />
gung gesunken ist) nachfragepolitisch<br />
kontraproduktive Wirkung und ru<strong>in</strong>iert<br />
die arbeitsmarktpolitischen Effekte <strong>der</strong><br />
AZV.<br />
VII. Nötig s<strong>in</strong>d öffentliche Beiträge zur<br />
Arbeitszeitverkürzung<br />
Zuviel Last liegt also auf <strong>der</strong> Tarifpolitik,<br />
e<strong>in</strong>e gesellschaftspolitische Entlastung <strong>der</strong><br />
Tarifpolitik ist gefor<strong>der</strong>t, nicht nur um die<br />
Erfolgsbed<strong>in</strong>gung von tarifpolitischer<br />
Beschäftigungspolitik zu verbessern, son<strong>der</strong>n<br />
um den Schritt zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>tegralen<br />
Vollbeschäftigungspolitik zu vollziehen, die<br />
Wachstums- und Verteilungspolitik, Strukturwandel,<br />
Qualifikation und Bildung, E<strong>in</strong>richtung<br />
öffentlicher Beschäftigung und<br />
AZV komb<strong>in</strong>iert.<br />
Es geht strategisch um drei nur gleichzeitig<br />
funktionierende Aufgaben:<br />
± E<strong>in</strong>e radikale Verkürzung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
zu erreichen<br />
± AZV mit Lohnausgleich im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />
Vermeidung von Nachfrageausfällen<br />
(Gleichbleiben <strong>der</strong> realen Lohnsumme)<br />
zu vere<strong>in</strong>baren. Die letzten Jahre hatten<br />
e<strong>in</strong>e massive Umverteilung zuungunsten<br />
<strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen zur Folge. Die<br />
strukturbere<strong>in</strong>igte Bruttolohnquote ist<br />
1982±94 von 72,5 % auf 66,1 % gesunken.<br />
Während die Bruttoe<strong>in</strong>kommen aus<br />
Arbeit von 1982±95 nur um 57 % gestiegen<br />
s<strong>in</strong>d, g<strong>in</strong>gen die E<strong>in</strong>kommen aus<br />
Unternehmertätigkeit und Vermögen um<br />
182 % nach oben. Es gibt also für die<br />
sozialistische L<strong>in</strong>ke ke<strong>in</strong>en volkswirtschaftlichen<br />
und verteilungspolitischen<br />
Grund, von <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>em<br />
vollen Lohnausgleich Abstand zu nehmen,<br />
zumal e<strong>in</strong>em Groûteil <strong>der</strong> Beschäftigten<br />
Lohne<strong>in</strong>buûen nicht zuzumuten<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
± den begrenzten Spielraum <strong>der</strong> Tarifpolitik<br />
auszuweiten im H<strong>in</strong>blick auf den Verteilungsaspekt<br />
und das Kräfteverhältnis<br />
<strong>der</strong> Tarifparteien.<br />
E<strong>in</strong>e Erweiterung des Verteilungsspielraums<br />
für radikale AZV ist nur durch das<br />
vollständige Ausschöpfen des ¹Tarifku-<br />
chensª e<strong>in</strong>erseits und durch zusätzliche<br />
f<strong>in</strong>anzielle Beteiligung von Gesellschaft<br />
und Staat zu erzielen. Der ehemalige französische<br />
Premier Rocard hat 1996 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten<br />
und Beschäftigung des Europa-<br />
Parlamentes als e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> ersten auf europäischer<br />
Ebene darauf verwiesen, daû es<br />
die bereits existierenden fiskalischen<br />
Kosten <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit s<strong>in</strong>d, <strong>der</strong>en<br />
umgewidmetes Volumen den verteilungspolitisch<br />
neutralen Rahmen e<strong>in</strong>es relevanten<br />
Mittele<strong>in</strong>satzes für Beschäftigung def<strong>in</strong>iert.<br />
Die Frage ist allerd<strong>in</strong>gs, wie dieses<br />
F<strong>in</strong>anzvolumen mit staatlichen Instrumenten<br />
arbeitszeitpolitisch e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />
könnte.<br />
VIII. Für e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Strategie von<br />
öffentlicher und tariflicher Politik<br />
Arbeitszeitverkürzung statt<br />
Arbeitslosigkeit f<strong>in</strong>anzieren<br />
E<strong>in</strong> Kerngedanke ist wichtig: Mittlerweile<br />
hat sich die Überzeugung recht weit verbreitet,<br />
daû es besser sei, Arbeit statt<br />
Arbeitslosigkeit zu f<strong>in</strong>anzieren. E<strong>in</strong> wichtiger<br />
Schritt wäre weiterzugehen: Arbeitszeitverkürzung<br />
muû statt Arbeitslosigkeit<br />
f<strong>in</strong>anziert werden! Alle beschäftigungspolitisch<br />
angelegten Lohnsubventionierungsmodelle<br />
± jüngst wurde von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
die vollständige Entlastung<br />
von Sozialabgaben. für ¹e<strong>in</strong>facheª Arbeitsplätze<br />
vorgeschlagen ± s<strong>in</strong>d systematisch<br />
F<strong>in</strong>anzierung von Arbeit ± ohne daû das<br />
Arbeitszeit<strong>in</strong>strument genutzt würde. Sie<br />
teilen jedoch die erheblichen Mängel <strong>der</strong><br />
Lohnsubvention (Mitnahmeeffekte, Lohndump<strong>in</strong>g),<br />
ohne die Vorteile <strong>der</strong> AZV zu<br />
nutzen. Logisch wäre jedoch immerh<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Schritt von <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Arbeit<br />
zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> AZV nicht mehr<br />
groû. Die strittige Debatte um die kontroversen<br />
und z.T. wenig hilfreichen Vorschläge<br />
e<strong>in</strong>es Bürgergeldes, e<strong>in</strong>er Negativsteuer<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es garantierten (zweiten,<br />
staatlichen) Grunde<strong>in</strong>kommens, könnte<br />
e<strong>in</strong>en entscheidenden Schritt weitergebracht<br />
bzw. aufgelöst werden, wenn man<br />
statt Lohn- o<strong>der</strong> Sozialsubventionen AZV-<br />
Subventionen diskutieren würde. Dieses
Modell könnten weit akzeptabler se<strong>in</strong>, da<br />
es die Mängel <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Subventions- und<br />
Ersatzleistungsmodelle nicht aufweisen.<br />
Beispiele existieren<strong>der</strong> öffentlich f<strong>in</strong>anzierter<br />
Arbeitszeitverkürzungsmodelle<br />
Ohne daû es als das bezeichnet wird, was<br />
es real ist, existiert bereits e<strong>in</strong>e Vielfalt faktischer<br />
staatlicher Subventionierungen von<br />
Arbeitszeitverkürzungen. Zu nennen wären<br />
(mittlerweile gekürzt o<strong>der</strong> abgeschafft)<br />
Altersteilzeit, Frühverrentungen, Kurzarbeitergeld,<br />
Schlechtwettergeld. Auch<br />
Arbeitslosengeld und -hilfe, zum Teil<br />
Sozialhilfe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> gewisser Weise zynische<br />
För<strong>der</strong>ung von AZV ± nämlich auf Null<br />
mit Teillohnausgleich und ohne jede<br />
Beschäftigungswirkung.<br />
Robien-Gesetz <strong>in</strong> Frankreich<br />
Im August 1996 trat <strong>in</strong> Frankreich das<br />
nach se<strong>in</strong>em Schöpfer, dem liberalkonservativen<br />
(!) UDF-Abgeordneten Gilles de<br />
Robien benannte ¹Gesetz de Robienª <strong>in</strong><br />
Kraft. In se<strong>in</strong>er ¹offensivenª Variante sieht<br />
das Gesetz e<strong>in</strong>e Subventionierung von<br />
AZV bei <strong>der</strong> Schaffung neuer Stellen vor:<br />
E<strong>in</strong>em Unternehmen, das die Arbeitszeit<br />
um 10 % senkt und für m<strong>in</strong>destens 2 Jahre<br />
10 % mehr Beschäftigte neu e<strong>in</strong>stellt, wird<br />
vom Staat im Ausgleich für 7 Jahre e<strong>in</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Sozialabgaben für die Beschäftigten<br />
erlassen. Im ersten Jahr beträgt die<br />
Entlastung 40 % des Arbeitgeberanteils,<br />
danach 30 %. Nach Schätzungen subventioniert<br />
<strong>der</strong> Staat dadurch jeden neuen<br />
Arbeitsplatz mit umgerechnet rund<br />
23700 DM (FAZ 29. 10. 96; Wirtschaftswoche<br />
12/97), was verglichen mit den hiesigen<br />
Kosten alle<strong>in</strong> für die F<strong>in</strong>anzierung<br />
e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Arbeitslosen nicht dramatisch<br />
ersche<strong>in</strong>t. Viele Beobachter gehen <strong>in</strong><br />
Frankreich von e<strong>in</strong>er weitgehenden Selbstf<strong>in</strong>anzierung<br />
des Gesetzes aus, da das Aufkommen<br />
späterer Beitragszahler die Ausgaben<br />
für das Gesetz ausgleichen könnten.<br />
Bislang haben über 200 Unternehmen <strong>in</strong><br />
Frankreich das Gesetz angewendet ± allerd<strong>in</strong>gs<br />
auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ¹defensivenª Variante,<br />
wo über AZV und Subventionierung ledig-<br />
lich Entlassungen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden konnten.<br />
So geschehen z.B. bei dem Groûunternehmen<br />
Moul<strong>in</strong>ex, wo 750 Arbeitsplätze<br />
gerettet werden konnten. Mittlerweile gerät<br />
das Gesetz beim Unternehmerlager unter<br />
Beschuû, nicht etwa weil es wirkungslos<br />
wäre, son<strong>der</strong>n gerade wegen <strong>der</strong> Wirksamkeit.<br />
Die Unternehmer befürchten neben<br />
den langfristigen Kosten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e, daû<br />
die Löhne zu sehr steigen könnten. Hony<br />
soit qui mal y pense. Erstaunlicherweise<br />
wurde dieses Gesetz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
bisher von ke<strong>in</strong>er Seite beachtet und diskutiert.<br />
Das sollte sich dr<strong>in</strong>gend än<strong>der</strong>n.<br />
Michel Rocard hat aktuell <strong>in</strong> Frankreich<br />
e<strong>in</strong> weiteres Arbeitszeitverkürzungsmodell<br />
vorgeschlagen, wonach die Sozialabgaben<br />
bei 30 Stunden Arbeit um e<strong>in</strong> Drittel<br />
gesenkt, bei mehr Arbeit um e<strong>in</strong> Drittel<br />
erhöht werden. Auch diese Idee könnte<br />
<strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>: die Lohnnebenkosten<br />
unterliegen e<strong>in</strong>er arbeitszeitabhängigen<br />
Progression. D.h. jede Stunde über e<strong>in</strong>em<br />
bestimmten Arbeitszeitpensum (z.B. orientiert<br />
an <strong>der</strong> Halbtagsarbeit e<strong>in</strong>er 17o<strong>der</strong><br />
15-Stundenwoche) wird stärker und progressiv<br />
belastet, darunter gilt das Umgekehrte.<br />
Die Berechnung muû je Erwerbstätigen<br />
erfolgen, damit nicht mehrere<br />
gleichzeitige Teilzeitarbeitsverhältnisse<br />
günstiger als e<strong>in</strong> arbeitszeitreduziertes Vollzeitarbeitsverhältnis<br />
s<strong>in</strong>d. Die Leistungsansprüche<br />
sollen sich aber weiterh<strong>in</strong> nach<br />
den Normalsätzen berechnen. Das Verfahren<br />
belastet ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen<br />
gleich und för<strong>der</strong>t AZV und<br />
entlastet gleichzeitig diverse Formen von<br />
¹Teilzeitª. Insgesamt würde so e<strong>in</strong> marktwirtschaftliches<br />
Interesse an AZV stimuliert.<br />
Und verteilungsneutral umsetzbar<br />
wäre dieses Vorgehen ebenfalls.<br />
Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Erstmalig kamen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
immerh<strong>in</strong> ähnliche Überlegungen wie beim<br />
¹Loi de Robienª auf, als das spätere VW-<br />
Modell verhandelt wurde. Zahlungen <strong>der</strong><br />
Bundesanstalt für Arbeit sollten die Umsetzung<br />
erleichtern. Natürlich kam es nicht<br />
dazu und die Belegschaft muûte die ¹Solidarität<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Firmaª selbst bezahlen.<br />
141
IX. Vorschlag für e<strong>in</strong>e politische Arbeitszeitoffensive<br />
Grundsätze e<strong>in</strong>er öffentlichen Flankierung<br />
von Arbeitszeitverkürzung<br />
± Zum<strong>in</strong>dest die Kosten von mittlerweile<br />
180 Mrd. DM p.a. zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit, sollen soweit wie möglich<br />
<strong>in</strong> die F<strong>in</strong>anzierung von Arbeit bzw.<br />
Arbeitszeitverkürzung gesteckt werden.<br />
± Die Arbeitszeitoffensive wird e<strong>in</strong>gebettet<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> politisches Gesamtkonzept (z. B.<br />
Arbeitszeitgesetz und Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz,<br />
Qualifizierungsoffensive, öffentlich<br />
geför<strong>der</strong>te Beschäftigung, Reform<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialversicherungen).<br />
± Pr<strong>in</strong>zipiell werden die Arbeitszeitregelungen<br />
tarifvertraglich und betrieblich<br />
ausgestaltet. Die politischen Maûnahmen<br />
sollen allerd<strong>in</strong>gs die Verhandlungsbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die Gewerkschaften verbessern.<br />
± Geför<strong>der</strong>t werden sollen vorwiegend kollektive<br />
Arbeitszeitverkürzungen <strong>in</strong> möglichst<br />
groûen Schritten.<br />
± Es müssen Anreize für die Beschäftigten<br />
geschaffen werden, die zum<strong>in</strong>dest bis zu<br />
e<strong>in</strong>er bestimmten E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />
Lohne<strong>in</strong>buûen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
± Die Anreize für die Unternehmen sollten<br />
dar<strong>in</strong> liegen, daû die Sicherung bzw.<br />
Schaffung von Beschäftigten positiv<br />
sanktioniert und das Qualifikationsniveau<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten erhöht wird. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
sollten Mitnahmeeffekte vermieden werden.<br />
X. Maûnahmen zur öffentlichen Flankierung<br />
von Arbeitszeitverkürzung<br />
1. E<strong>in</strong> neues Arbeitszeitgesetz<br />
Zu den Merkwürdigkeiten <strong>der</strong> deutschen<br />
Debatte gehört, daû an<strong>der</strong>s als <strong>in</strong> Frankreich<br />
niemand über die e<strong>in</strong>fachste Variante<br />
e<strong>in</strong>er adm<strong>in</strong>istrativen Flankierung von AZV<br />
nachzudenken sche<strong>in</strong>t ± e<strong>in</strong> neues Arbeitszeitgesetz.<br />
Das gültige, von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
1994 novellierte Arbeitszeitgesetz<br />
bietet den Rahmen für Arbeitszeitverlänge-<br />
142<br />
rungen. Erlaubt wurde nicht nur die 48-<br />
Stundenwoche mit e<strong>in</strong>er täglichen Arbeitszeit<br />
von 8 Stunden, son<strong>der</strong>n auch die 60-<br />
Stundenwoche mit e<strong>in</strong>er täglichen Arbeitszeit<br />
von 10 Stunden <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es halbjährlichen<br />
Ausgleichszeitraumes.<br />
E<strong>in</strong> neues Arbeitszeitgesetz müûte demgegenüber<br />
e<strong>in</strong>e mittelfristige Rahmenbed<strong>in</strong>gung<br />
für AZV bieten. E<strong>in</strong> neues ArbZG<br />
könnte 37-Stunden im Wochendurchschnitt<br />
ab sofort festschreiben, die 35-<br />
Stundenwoche ab dem Jahr 2000 und die<br />
30-Stundenwoche ab 2005 als Regel-<br />
Wochenarbeitszeit e<strong>in</strong>er Vollzeitbeschäftigung.<br />
Dies würde durchaus verteilungspolitisch<br />
neutral erfolgen können ± ganz <strong>in</strong><br />
Anlehnung an die strukturell ähnlichen<br />
Debatten um e<strong>in</strong>e Öko(be)steuerung <strong>der</strong><br />
Ökonomie. Sozialversicherungsfreie Arbeit<br />
dürfte es nicht mehr geben (ger<strong>in</strong>gfügige<br />
Beschäftigung etc.) Die Höchstgrenze für<br />
Überstunden könnte z. B. bei 5 Stunden<br />
über <strong>der</strong> Wochenarbeitszeit liegen. Überstunden<br />
müûten ± ggf. nach e<strong>in</strong>em Übergangszeitraum<br />
± grundsätzlich durch Freizeit<br />
ausgeglichen werden. Mit e<strong>in</strong>em<br />
Arbeitszeitgesetz kann auch geregelt werden,<br />
wie familien(un)- bzw. beziehungs(un)freundlich<br />
die Arbeitszeit ist. Aus Frauenperspektive<br />
ist dr<strong>in</strong>gend auf e<strong>in</strong>e<br />
Absenkung <strong>der</strong> täglichen Arbeitszeit zu<br />
drängen.<br />
2. Vorreiterrolle im öffentlichen Dienst<br />
wahrnehmen<br />
Glaubwürdig ist <strong>der</strong> Staat nur dann, wenn<br />
er Vorbild ist. Daher muû die Arbeitszeit<br />
im öffentlichen Dienst verkürzt und mit<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>stellung neuer Beschäftigter verbunden<br />
werden.<br />
3. Die Kampfkraft <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />
stärken<br />
E<strong>in</strong>erseits ist es erfor<strong>der</strong>lich, über politische<br />
Kampagnen und Stellungnahmen e<strong>in</strong>e<br />
¹Kulturª bzw. Akzeptanz für AZVen zu<br />
schaffen. Wenn auch die Politik AZV ausdrücklich<br />
e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>t, wird sie eher als nötiges<br />
beschäftigungspolitisches Projekt anerkannt.<br />
An<strong>der</strong>erseits ist es Aufgabe <strong>der</strong><br />
Politik, die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die
etriebliche und gewerkschaftliche Aktion<br />
(d.h. auch nötigenfalls Streiks) zu verbessern.<br />
Hierzu gehört v. a. die ¾n<strong>der</strong>ung des<br />
(ehem.) § 116 AFG <strong>in</strong> den ursprünglichen<br />
Zustand, die Rücknahme des Sozialabbaus<br />
(Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung) und<br />
die Ausweitung <strong>der</strong> betrieblichen Mitbestimmungsrechte.<br />
4. Absicherung von Teilzeitarbeit<br />
E<strong>in</strong>e (wie die aktuellen Erfahrungen <strong>in</strong><br />
an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n wie <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande zeigen)<br />
beschäftigungswirksame Möglichkeit<br />
ist die Ausweitung von Teilzeitarbeit. Allerd<strong>in</strong>gs<br />
wird Teilzeit von den Betrieben <strong>der</strong>zeit<br />
nur <strong>in</strong> bestimmten Bereichen und auf<br />
niedrigen Hierarchieebenen angeboten.<br />
90 % <strong>der</strong> Teilzeitbeschäftigten s<strong>in</strong>d Frauen,<br />
die als Konsequenz Benachteiligung im<br />
Betrieb fürchten müssen und ger<strong>in</strong>ge<br />
Sozialversicherungsansprüche haben werden.<br />
Pr<strong>in</strong>zipiell muû <strong>der</strong> Ansatz dar<strong>in</strong><br />
bestehen, Arbeitszeit nicht <strong>in</strong>dividuell, son<strong>der</strong>n<br />
kollektiv zu verkürzen und schon gar<br />
nicht auf die erwerbstätigen Frauen abzuschieben.<br />
Wenn es darüber h<strong>in</strong>aus weitere<br />
<strong>in</strong>dividuelle Verkürzungswünsche gibt,<br />
muû diese Teilzeitarbeit zum<strong>in</strong>dest besser<br />
abgesichert werden. Eckpunkte könnten<br />
se<strong>in</strong>:<br />
± Recht auf <strong>in</strong>dividuelle AZV mit Rückkehroption<br />
<strong>in</strong> Vollzeit<br />
± Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot von Teilzeitarbeit<br />
im Betrieb<br />
± Der Staat übernimmt m<strong>in</strong>destens 50 %<br />
<strong>der</strong> Differenz <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
zwischen Teilzeit und tariflich vere<strong>in</strong>barter<br />
Arbeitszeit.<br />
Derzeit ist Teilzeit e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> gröûten Stabilisierungsfaktoren<br />
des geschlechtshierarchischen<br />
Arbeitsmarktes. Daher muû nochmals<br />
ausdrücklich betont werden, daû e<strong>in</strong>er<br />
kollektiven Arbeitszeitverkürzung absoluter<br />
Vorrang vor <strong>in</strong>dividuellen Teilzeitlösungen<br />
e<strong>in</strong>zuräumen ist. Teilzeit ist nur dann für<br />
uns akzeptabel, wenn sie existenzsichernd<br />
ist.<br />
5. E<strong>in</strong> abgewandeltes deutsches ¹Robien-<br />
Gesetzª<br />
Die f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung von tariflich<br />
bzw. betrieblich vere<strong>in</strong>barter Arbeitszeitverkürzung<br />
ist <strong>in</strong> vielen Varianten denkbar.<br />
E<strong>in</strong>ige davon sehen die Staffelung von<br />
Sozialabgaben und E<strong>in</strong>kommensteuer nach<br />
<strong>der</strong> jeweiligen Arbeitszeit vor. Neben steuersystematischen<br />
und sozialpolitischen<br />
Erwägungen spricht jedoch die mögliche<br />
Subventionierung von Produktivitätsgew<strong>in</strong>nen<br />
und die Individualisierung <strong>der</strong> Verkürzung<br />
gegen e<strong>in</strong>en <strong>der</strong>artigen Ansatz. Statt<br />
dessen halten wir folgende Variante für die<br />
schlüssigste:<br />
Wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Tarifvertrag o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Betriebsvere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung<br />
mit vollem Reallohnausgleich festgelegt<br />
wird und sich e<strong>in</strong> Betrieb zu unbefristeten<br />
Neue<strong>in</strong>stellungen <strong>in</strong> Höhe von<br />
m<strong>in</strong>destens 50 % des verkürzten Arbeitsvolumens<br />
verpflichtet, übernimmt die öffentliche<br />
Hand die Hälfte <strong>der</strong> zusätzlich entstehenden<br />
Lohnkosten für e<strong>in</strong> Jahr. Im Falle<br />
betrieblicher Krisen könnte ähnliches auch<br />
zur Sicherung des Beschäftigungsstandes<br />
vere<strong>in</strong>bart werden.<br />
6. Verknüpfung von AZV mit e<strong>in</strong>er staatlich<br />
f<strong>in</strong>anzierten Weiterbildungsoffensive<br />
E<strong>in</strong>e Möglichkeit, die f<strong>in</strong>anzielle Flankierung<br />
von AZV so zu gestalten, daû die<br />
Beschäftigten während <strong>der</strong> öffentlichen<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> direkten Verfügung <strong>der</strong><br />
Unternehmen entzogen s<strong>in</strong>d, wäre die<br />
Unterstützung von Qualifizierungszeiten.<br />
Weiterbildungsmaûnahmen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />
für die Umverteilung von<br />
Arbeit vor allem auf den mittleren und<br />
oberen Ebenen im Betrieb. Die Verknüpfung<br />
von AZV mit Weiterbildung konnte<br />
auûerdem e<strong>in</strong>en erheblichen Innovationsschub<br />
mit sich br<strong>in</strong>gen. Dies gilt erst recht<br />
für kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen,<br />
<strong>der</strong>en Weiterbildungsverhalten unzureichend<br />
ist. E<strong>in</strong> konkretes Modell könnte<br />
wie folgt aussehen: Wenn die Tarifparteien<br />
AZV e<strong>in</strong>er bestimmten Höhe pro Jahr vere<strong>in</strong>baren,<br />
bekommt die/<strong>der</strong> ArbeitnehmerIn<br />
für e<strong>in</strong> Jahr e<strong>in</strong>en Qualifizierungsbonus<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Höhe <strong>der</strong> verkürzten<br />
143
Arbeitszeit, den sie/er für Maûnahmen <strong>der</strong><br />
beruflichen Bildung nutzen kann. Die<br />
Lohnkosten, Sozialbeiträge und Maûnahmekosten<br />
werden öffentlich f<strong>in</strong>anziert. Beispiel:<br />
Es wird e<strong>in</strong>e tarifliche Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit um 30 M<strong>in</strong>uten vere<strong>in</strong>bart.<br />
Dann bekommt jede/r ArbeitnehmerIn-<br />
weitere 30 M<strong>in</strong>uten für berufliche<br />
Bildungsmaûnahmen, die <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />
von <strong>der</strong> Arbeitszeitregelung auch als Block<br />
genutzt werden können. Die Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit verdoppelt sich somit auf<br />
e<strong>in</strong>e Stunde pro Woche.<br />
7. Die Steuer- und Abgabenpolitik<br />
Die Steuer- und Abgabenpolitik ist aus<br />
unserer Sicht zur Zeit das e<strong>in</strong>zig realistische<br />
Instrumentarium, nicht nur e<strong>in</strong>e<br />
Neuverteilung, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong>e Neubewertung<br />
<strong>der</strong> Arbeit e<strong>in</strong>zuleiten. Die ¹klassischeª<br />
Bewertung <strong>der</strong> Arbeit anhand <strong>der</strong><br />
Produktivität, bzw. des erzielbaren Gew<strong>in</strong>nes<br />
ist wie mehrfach begründet e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er<br />
Nachteil für Frauen, die <strong>in</strong> groûer<br />
Mehrzahl <strong>in</strong> zwar gesellschaftlich notwendigen,<br />
aber gleichzeitig unterbezahlten<br />
Bereichen tätig s<strong>in</strong>d. Ebenso wird dr<strong>in</strong>gend<br />
benötigte Arbeit z.B. im ökologischen<br />
Bereich, Forschungssektor, etc. durch das<br />
herrschende Entlohnungssystem blockiert.<br />
Zwei Beispiele: Zur Zeit s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auto<strong>in</strong>dustrie<br />
hohe Gew<strong>in</strong>ne und verhältnismäûig<br />
hohe Löhne zu erzielen. Würden die<br />
produzierenden Betriebe auch nur annähernd<br />
an den ökologischen Folgekosten<br />
ihrer Produkte beteiligt, könnten diese<br />
Gew<strong>in</strong>ne nicht mehr erzielt werden. Die<br />
freiwerdenden Mittel könnten <strong>in</strong> Forschung,<br />
Renaturierung ÖPNV u.v. m. <strong>in</strong>vestiert<br />
werden und gesellschaftlich notwendige<br />
Arbeit f<strong>in</strong>anzieren und schaffen<br />
helfen! Parallelen lassen sich im Gesundheitssektor<br />
f<strong>in</strong>den: sowohl die Arbeit von<br />
¾rzten, wie <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch Chemieund<br />
Pharmaunternehmern ist überbewertet.<br />
Gleichzeitig wird gerade Pflegearbeit<br />
sehr schlecht bezahlt. Begründet wird dies<br />
oftmals mit dem unterschiedlichen Status<br />
<strong>der</strong> Arbeitenden (häufig umschrieben mit<br />
<strong>der</strong> Länge o<strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Ausbildung). Dies<br />
144<br />
ist aber ke<strong>in</strong> ausreichendes Maû für den<br />
Wert <strong>der</strong> Arbeit.<br />
Uns ist klar, daû diese Koppelung an qualitative<br />
Kriterien e<strong>in</strong>en begrenzten Bruch<br />
mit <strong>der</strong> Logik des kapitalistischen Wirtschaftens<br />
darstellt und schwer formulierbar<br />
ist. Allerd<strong>in</strong>gs glauben wir auch, daû die<br />
Verb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Debatte um e<strong>in</strong>e Neuverteilung<br />
von Arbeit mit e<strong>in</strong>er Neubewertung<br />
e<strong>in</strong>hergehen muû und vermittelbar ist, daû<br />
<strong>der</strong> freie Markt nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist,<br />
Arbeit gerecht zu entlohnen.<br />
8. Problematische Ansätze <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />
Wir halten e<strong>in</strong>en weiteren zeitlichen Ausbau<br />
des Erziehungsurlaubs <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigen<br />
Form für ke<strong>in</strong>e geeignete Maûnahme<br />
zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. De facto<br />
bedeutet dies nämlich e<strong>in</strong> weiteres Herausdrängen<br />
<strong>der</strong> Frauen aus dem Arbeitsmarkt.<br />
Nach wie vor halten wir die obligatorische<br />
Teilung des Erziehungs¹urlaubsª für s<strong>in</strong>nvoll.<br />
Insgesamt wollen wir lieber von Erziehungszeiten<br />
anstelle Erziehungsurlaub<br />
sprechen. Letzterer deutet nämlich an, daû<br />
die betreffende Person (<strong>in</strong> den meisten Fällen<br />
die Mutter) völlig aus dem Erwerbsleben<br />
ausscheidet.<br />
9. Ergänzungen <strong>der</strong> vorgeschlagenen Maûnahmen<br />
Um das zu Beg<strong>in</strong>n genannte Ziel <strong>der</strong> Aufhebung<br />
<strong>der</strong> geschlechterspezifischen<br />
Arbeitsteilung zu erreichen, bedarf es weiterer<br />
Überlegungen zur gesetzlichen Frauenför<strong>der</strong>ung.<br />
Neben unseren bisherigen<br />
For<strong>der</strong>ungen zum Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsgesetz<br />
müssen auch diese staatlichen Maûnahmen<br />
<strong>der</strong> AZV-Flankierung auf ihre<br />
Gleichstellungs-Wirkungen befragt werden.<br />
Wenn <strong>der</strong> Staat (o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Sozialversicherungssysteme)<br />
Geld <strong>in</strong> die AZV und<br />
Neue<strong>in</strong>stellung von bisher Arbeitslosen<br />
steckt, muû darauf geachtet werden, daû<br />
Frauen dabei nicht übersehen werden. So<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Ostdeutschland <strong>in</strong> den ABM-Maûnahmen<br />
vielfach Männer viel stärker als<br />
Frauen vertreten, obwohl die ganz überwiegende<br />
Mehrheit <strong>der</strong> Arbeitslosen<br />
Frauen s<strong>in</strong>d. Hier ist e<strong>in</strong>e Quote e<strong>in</strong>zufüh-
en, so daû die neugeschaffenen Arbeitsplätze<br />
beiden Geschlechtern gleichermaûen<br />
zu Gute kommen.<br />
Ausdrücklich muû festgehalten werden, daû<br />
es (lei<strong>der</strong>) ke<strong>in</strong>en Automatismus zwischen<br />
<strong>der</strong> Verkürzung <strong>der</strong> Regelarbeitszeit und<br />
e<strong>in</strong>em verstärkten E<strong>in</strong>satz von Männern im<br />
Reproduktionsbereich gibt. Die Übernahme<br />
ihres Pflichtanteils hängt nicht nur an <strong>der</strong><br />
Länge ihrer Erwerbstätigkeit. DA vermutlich<br />
Appelle auch nicht viel weiter führen,<br />
müssen wir uns vermehrt Gedanken<br />
machen, wie Männer ¹motiviertª werden<br />
können, die Reproduktion des menschlichen<br />
Lebens auch als ihre Aufgabe zu begreifen.<br />
(Überweisung an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 59<br />
Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />
Arbeit und Umwelt<br />
1. Die konservativ-liberale Bundesregierung<br />
hat bei <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit versagt. Mit dem Abbau<br />
des Sozialstaats, mit <strong>der</strong> Beschneidung<br />
von Arbeitnehmerrechten, mit e<strong>in</strong>em<br />
Rückzug des Staates aus vielen politischen<br />
Handlungsfel<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong>e verhängnisvolle<br />
Spirale <strong>in</strong> Gang gesetzt<br />
worden: Mehr Arbeitslosigkeit bedeutet<br />
rückläufige E<strong>in</strong>nahmen bei Steuern und<br />
Sozialversicherungsbeiträgen. Kürzungen<br />
bei den Sozialleistungen und bei<br />
den öffentlichen Investitionen bedeuten<br />
mehr Arbeitslosigkeit. Es droht die<br />
Gefahr, daû aus <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Krise e<strong>in</strong>e politische Krise wird.<br />
2. In dieser Situation ist e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Nachfrage dr<strong>in</strong>gend<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Sie muû die Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen mit dem notwendigen<br />
ökologischen Strukturwandel verb<strong>in</strong>den.<br />
Nur wenn es gel<strong>in</strong>gt, e<strong>in</strong>e neue wirtschaftliche<br />
Dynamik zur Erschlieûung<br />
von Zukunftsmärkten <strong>in</strong> Gang zu setzen,<br />
kann e<strong>in</strong>e nachhaltige, ökologisch ver-<br />
antwortbare Entwicklung und gleichzeitig<br />
mehr Beschäftigung erreicht werden.<br />
Die <strong>SPD</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> for<strong>der</strong>t deshalb<br />
e<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm für<br />
Arbeit und Umwelt. Wir wollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
groûen Geme<strong>in</strong>schaftsanstrengung die<br />
Wirtschaft ökologisch mo<strong>der</strong>nisieren, die<br />
Qualifikation und Ausbildung <strong>der</strong> Menschen<br />
verbessern, Forschung und Entwicklung<br />
für neue wettbewerbsfähige und ökologisch<br />
verträgliche Verfahren und<br />
Produkte för<strong>der</strong>n, Wohnungen, Städte und<br />
Geme<strong>in</strong>den erneuern, <strong>in</strong>novative kle<strong>in</strong>e und<br />
mittlere Unternehmen stärken, den öffentlichen<br />
Personennahverkehr und die Schienenwege<br />
ausbauen und die öffentliche<br />
Infrastruktur umweltgerecht mo<strong>der</strong>nisieren.<br />
Die För<strong>der</strong>ung aus dem Programm muû<br />
sich auf fünf Schwerpunkte konzentrieren:<br />
± Erhöhung <strong>der</strong> Energieproduktivität,<br />
± ökologische Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen,<br />
± ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Infrastruktur,<br />
± Innovationsforschung und Ausbau <strong>der</strong><br />
Bildungs- und Hochschul<strong>in</strong>frastruktur,<br />
± nachhaltige Wohnungs- und Städtebauför<strong>der</strong>ung.<br />
2.1. Erhöhung <strong>der</strong> Energieproduktivität<br />
und Ausbau <strong>der</strong> Solarenergie<br />
Die Bundesregierung kann ihre Selbstverpflichtung<br />
zum Klimaschutz ± Verr<strong>in</strong>gerung<br />
<strong>der</strong> CO2-Emissionen um 25 Prozent<br />
im Vergleich zu 1990 ± nicht e<strong>in</strong>halten.<br />
Deshalb s<strong>in</strong>d umfassende Investitionen bei<br />
<strong>der</strong> Energieversorgung, speziell im Gebäudestand,<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Geför<strong>der</strong>t werden<br />
± Anlagen <strong>der</strong> kommunalen und <strong>in</strong>dustriellen<br />
Kraft-Wärme-Kopplung sowie <strong>der</strong><br />
Nah- und Fernwärme,<br />
± Modellprojekte und Energiesparmaûnahmen<br />
für Gebäude (z.B. Niedrigenergiehäuser),<br />
zur Prozeûwärmeerzeugung und<br />
für Wärmedämmung und Isolierung.<br />
Das gilt auch für öffentliche Gebäude,<br />
± Erforschung und Markte<strong>in</strong>führung<br />
erneuerbarer Energieträger. Ihr Anteil an<br />
<strong>der</strong> Energieversorgung soll <strong>in</strong>nerhalb<br />
145
von zehn Jahren vervierfacht werden.<br />
Die Solarzellentechnologie ist durch e<strong>in</strong><br />
Hun<strong>der</strong>ttausend-Dächer- und Fassadenprogramm<br />
zum <strong>in</strong>dustriellen Durchbruch<br />
zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Durch diese Maûnahmen soll <strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>satz<br />
pro BSP-E<strong>in</strong>heit halbiert werden.<br />
2.2. Ökologische Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen<br />
Die heutigen Verkehrssysteme verschwenden<br />
Energie, Fläche und Zeit. Sie belasten<br />
die Umwelt nachhaltig. Der Verkehrssektor<br />
ist mit 25 Prozent an den nationalen CO2- Emissionen beteiligt. Se<strong>in</strong>e gesellschaftlichen<br />
Folgekosten s<strong>in</strong>d groû. Bis 2010 werden<br />
Zuwächse von 30 bis 40 Prozent des<br />
heutigen Verkehrsaufkommens erwartet.<br />
Gemäû dem Verursacherpr<strong>in</strong>zip müssen<br />
deshalb die Mobilitätssubventionen verr<strong>in</strong>gert<br />
und die Folgen des Verkehrs den Verursachern<br />
angerechnet werden. Für e<strong>in</strong>e<br />
Verkehrswende ist die Schienen<strong>in</strong>frastruktur<br />
schwerpunktmäûig auszubauen (z.B. <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Anb<strong>in</strong>dung von Häfen). Dazu zählen<br />
folgende Maûnahmen:<br />
± Ausbau <strong>der</strong> Güterverkehrs<strong>in</strong>frastruktur,<br />
um den langsamen Güterverkehr vom<br />
schnellen Personennah- und Fernverkehr<br />
zu trennen. Dazu ist neben organisatorischen<br />
Maûnahmen im bestehenden Netz<br />
<strong>der</strong> Neubau von Parallelgleisen für den<br />
Güterverkehr notwendig.<br />
± Ausbau des komb<strong>in</strong>ierten Verkehrs und<br />
von 40 Term<strong>in</strong>alstandorten, wie dies die<br />
Deutsche Bahn AG vorgeschlagen hat,<br />
<strong>der</strong> Telematik im Schienenverkehr, von<br />
Lärmschutz an bestehenden Schienenwegen<br />
und Maûnahmen zur Beseitigung<br />
niveaugleicher Bahnübergänge.<br />
± Erhöhung <strong>der</strong> Etatansätze für den kommunalen<br />
öffentlichen Personennahverkehr<br />
im Geme<strong>in</strong>deverkehrsf<strong>in</strong>anzierungsgesetz.<br />
± Verr<strong>in</strong>gerung des Energieverbrauchs im<br />
Straûenverkehr. Hier wird bis zum Jahr<br />
2005 die Halbierung <strong>der</strong> Kraftstoffverbräuche<br />
bei Neuwagen angestrebt. Für<br />
die Modellvorhaben sowie für Forschungs-<br />
und Entwicklungsarbeiten werden<br />
Zuschüsse von zehn Prozent<br />
gewährt.<br />
146<br />
± Nutzung <strong>der</strong> ökologischen Vorteile von<br />
See- und B<strong>in</strong>nenschiffahrt und <strong>der</strong> maritimen<br />
Verbundwirtschaft.<br />
Die ökologischen Verkehrs<strong>in</strong>vestitionen<br />
werden für die ersten zwei Jahre über<br />
Zuschüsse vorf<strong>in</strong>anziert und dann über das<br />
Aufkommen aus e<strong>in</strong>er Vignette f<strong>in</strong>anziert.<br />
2.3. Ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />
Infrastruktur<br />
Wir wollen den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die ökologische<br />
Stoffwirtschaft durch Investitionszuschüsse<br />
für Vermeidung und bessere Verwertung<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzten Ressourcen jetzt beg<strong>in</strong>nen.<br />
Dazu gehören ferner Pilotprojekte zur Produktions-<br />
und Produktumstellung ebenso<br />
wie Markte<strong>in</strong>führungshilfen für ökologische<br />
Produkte.<br />
Durch den Rückgang <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Investitionen hat sich e<strong>in</strong> Stau bei <strong>der</strong><br />
Sanierung von Abfall-, Abwasser- sowie<br />
von Kläranlagen angesammelt. Um die<br />
hohen Umweltbelastungen und Umweltschäden<br />
zu beseitigen, müssen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>in</strong> Ostdeutschland die Investitionen<br />
aufgestockt werden. Insgesamt wird <strong>der</strong><br />
Sanierungsbedarf auf über 200 Mrd. DM<br />
veranschlagt.<br />
Auch muû e<strong>in</strong> Programm zum nachhaltigen<br />
Schutz des Bodens, zum Flächenrecycl<strong>in</strong>g<br />
und zur Sanierung von Altlasten aufgelegt<br />
werden. Die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> von<br />
Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen durchzuführenden<br />
Maûnahmen zur Beseitigung <strong>der</strong><br />
gesundheitsgefährdenden Altlastenflächen,<br />
zur Dekontam<strong>in</strong>ation und zur Beschränkung<br />
von Schadstoffe<strong>in</strong>trägen <strong>in</strong> Boden<br />
und Grundwasser verr<strong>in</strong>gert auch den viel<br />
zu hohen Flächenverbrauch. Durch Entsiegelungsmaûnahmen<br />
können Böden rekultiviert<br />
und ihre natürlichen Funktionen wie<strong>der</strong><br />
sichergestellt werden.<br />
2.4. Sozialökologische Forschung und Ausbau<br />
<strong>der</strong> Bildungs- und Hochschul<strong>in</strong>frastruktur<br />
Die Forschungs- und Technologiepolitik<br />
muû genauso wie die Wirtschaftspolitik im<br />
S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> nachhaltigen Wirtschaftsweise<br />
ökologisch ausgerichtet werden. Schwer-
punkte s<strong>in</strong>d die verstärkte För<strong>der</strong>ung von<br />
Energiespar- und Umwelttechnologien,<br />
von Werkstoff-Forschung, Biotechnologie,<br />
von Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und Umweltbildungsforschung.<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e Qualifizierungsoffensive<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Erstausbildung und<br />
<strong>der</strong> Weiterbildung <strong>in</strong> ressourcenschonenden<br />
Technologien.<br />
Für diese Bereiche muû <strong>der</strong> Bund die Mittel<br />
für Forschung und Hochschulbau aufstocken.<br />
Das gilt auch für die Erforschung<br />
<strong>der</strong> globalen Konsequenzen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />
Wirtschaftsweise und die För<strong>der</strong>ung<br />
angepaûter Technologien für Entwicklungslän<strong>der</strong>.<br />
2.5. Umweltverträgliche Wohnungs- und<br />
Städtebauför<strong>der</strong>ung<br />
Die Städtebauför<strong>der</strong>ung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong><br />
den neuen Län<strong>der</strong>n, ist auszuweiten.<br />
Gegenwärtig werden etwa 1,5 Mrd. DM<br />
von Bund und Län<strong>der</strong>n bereitgestellt,<br />
obwohl <strong>der</strong> Sanierungsbedarf, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>in</strong> Mischgebieten, historischen Innenstädten,<br />
für Denkmalschutzmaûnahmen, aber<br />
auch <strong>in</strong> re<strong>in</strong>en Wohngebieten und im<br />
Wohnumfeld erheblich höher ist. Die Bundesmittel<br />
für die Städtebauför<strong>der</strong>ung müssen<br />
deshalb m<strong>in</strong>destens verdoppelt werden.<br />
Zugleich muû die künftige Planung versuchen,<br />
die Trennung von Arbeiten und<br />
Wohnen wie<strong>der</strong> aufzuheben, um Berufspendlerströme<br />
zu reduzieren.<br />
3. Für das vorgeschlagene Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />
für Arbeit und Umwelt<br />
und die weiteren Maûnahmen für e<strong>in</strong>e<br />
aktive Innovations- und Strukturpolitik<br />
schlagen wir e<strong>in</strong>en Fonds vor, <strong>der</strong> mit<br />
rund 35 Mrd. DM ausgestattet ist und<br />
bei <strong>der</strong> Kreditanstalt für Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
verwaltet wird. Dieser Fonds wird<br />
gesetzlich im ¹Stabilitäts- und Wachstumsgesetzª<br />
verankert, damit er zweckbestimmt<br />
von privaten Unternehmen<br />
und öffentlicher Hand ausschlieûlich für<br />
den Strukturwandel und die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur e<strong>in</strong>gesetzt wird.<br />
E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige antizyklische Strukturpolitik<br />
zielt auf mehr Stabilität und Dyna-<br />
mik <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft und schafft neue<br />
Arbeitsplätze.<br />
Wenn das gesamtgesellschaftliche Gleichgewicht<br />
verfehlt ist, d. h. bei steigen<strong>der</strong><br />
Massenarbeitslosigkeit und anhalten<strong>der</strong><br />
Investitionsschwäche, erhalten Bund, Län<strong>der</strong><br />
und Geme<strong>in</strong>den sowie private Unternehmen<br />
aus dem Fonds z<strong>in</strong>slose o<strong>der</strong> z<strong>in</strong>sverbilligte<br />
Kredite für Investitionen <strong>in</strong><br />
Schwerpunktbereichen. Die Verz<strong>in</strong>sung<br />
und Tilgung des Fonds muû nach beg<strong>in</strong>nen<strong>der</strong><br />
selbsttragen<strong>der</strong> Wirtschaftsdynamik<br />
aus den stärker flieûenden Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />
zurückflieûen. Damit unterscheidet<br />
sich dieser strukturpolitische Ansatz <strong>in</strong> zwei<br />
wichtigen Punkten von den früheren Konjunkturprogrammen:<br />
Es flieût gezielt <strong>in</strong><br />
den Strukturwandel, und <strong>der</strong> Fonds muû<br />
bei konjunktureller Erholung zurückgezahlt<br />
werden.<br />
E<strong>in</strong>e solche antizyklische Politik ist machbar.<br />
Dazu müssen Geldpolitik und F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
koord<strong>in</strong>iert und <strong>der</strong> ökologische<br />
Strukturwandel angegangen werden. Entzieht<br />
sich die Politik dieser Verantwortung,<br />
trägt sie zur Verschärfung <strong>der</strong> Probleme<br />
bei. Orientiert sie sich an diesen Zielgaben,<br />
kann dies schnell zu e<strong>in</strong>em qualitativen<br />
Wachstum, Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und<br />
e<strong>in</strong>er spürbaren Konsolidierung von Sozialkassen<br />
und öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen führen.<br />
Per Saldo bedeutet das e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren<br />
Schuldenstand, <strong>der</strong> künftigen Generationen<br />
ihre Entwicklungschancen bewahrt.<br />
E<strong>in</strong> <strong>der</strong>artiges Programm hat e<strong>in</strong>e hohe<br />
Selbstf<strong>in</strong>anzierung mit sehr positiven Wirkungen<br />
auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung.<br />
Zur f<strong>in</strong>anziellen Grundausstattung<br />
kommen mehrere Quellen <strong>in</strong> Frage:<br />
Umschichtungen im Haushalt, Abbau<br />
umweltschädlicher Investitionen, die Verz<strong>in</strong>sung<br />
aus den Rücklagen <strong>der</strong> Atomkraftwerke,<br />
Kreditaufnahmen des Bundes.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />
147
Antrag I 61<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
Antrag zur aktiven<br />
Beschäftigungspolitik<br />
1. Die Situation<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> Arbeitslosen beträgt über<br />
4,6 Millionen und die Arbeitslosenquote<br />
rd. 12 % ± e<strong>in</strong> Negativ-Rekord. Die<br />
Arbeitslosigkeit ist das drängendste gesellschaftliche<br />
Problem. In e<strong>in</strong>er Gesellschaft,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> nach wie vor <strong>der</strong> soziale Status von<br />
<strong>der</strong> Erwerbstätigkeit abhängt, ist die<br />
Arbeitslosigkeit nicht nur e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles,<br />
son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> soziales Problem.<br />
Die bisherigen Maûnahmen <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
haben ke<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />
Situation bewirkt, die Lage hat sich vielmehr<br />
ständig verschlechtert. Das liegt vor<br />
allem daran, daû nicht Ursachen<br />
bekämpft werden, son<strong>der</strong>n nur Flickschusterei<br />
an Symptomen betrieben wird. Zur<br />
Verr<strong>in</strong>gerung des Haushaltsdefizits werden<br />
ständig die Leistungen <strong>der</strong> öffentlicher<br />
Hand, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Sozialversicherungen,<br />
gekürzt und die Belastungen (Steuern<br />
und Abgaben) erhöht. Das geschieht<br />
aber nicht ausgewogen, son<strong>der</strong>n zu<br />
Lasten <strong>der</strong> Bürger mit kle<strong>in</strong>en und mittleren<br />
E<strong>in</strong>kommen. Die Bundesregierung<br />
betreibt e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> sozialen Ungerechtigkeit.<br />
Ferner führt die Sparpolitik,<br />
die durch die re<strong>in</strong> stabilitätsorientierte<br />
Politik <strong>der</strong> Bundesbank noch unterstützt<br />
wird, zu ger<strong>in</strong>gerer Inlandsnachfrage, da<br />
gerade den Beziehern niedriger E<strong>in</strong>kommen<br />
durch die zunehmenden staatlichen<br />
Belastungen das Geld für den Konsum<br />
fehlt. Diese Deflationspolitik bremst das<br />
Wirtschaftswachstum und ist daher<br />
geradezu kontraproduktiv für die Schaffung<br />
von mehr Arbeitsplätzen.<br />
Die Argumentation <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
wird durch die Schlagworte ¹Standortsicherungª<br />
und ¹Globalisierungª geprägt.<br />
Mit dem H<strong>in</strong>weis auf die Standortsicherung<br />
wird <strong>der</strong> Sozialstaat als wesentlicher<br />
Standortnachteil kritisiert und se<strong>in</strong> Umbau<br />
148<br />
gefor<strong>der</strong>t. Die Kosten des sozialen Standards<br />
seien viel zu hoch und müûten deutlich<br />
reduziert werden. Für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
ist aber nicht die absolute<br />
Höhe <strong>der</strong> Kosten <strong>der</strong> richtige Vergleichsmaûstab,<br />
son<strong>der</strong>n die Kosten im Verhältnis<br />
zur Stundenproduktivität. Hier aber zeigt<br />
sich, daû die Lohnstückkosten <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren <strong>in</strong> Westdeutschland durchschnittlich<br />
ger<strong>in</strong>ger gestiegen s<strong>in</strong>d als im<br />
Durchschnitt <strong>der</strong> wichtigsten Handelspartner.<br />
Von e<strong>in</strong>er Kostenkrise ± hervorgerufen<br />
durch den sozialen Standard ± kann also<br />
ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>.<br />
Die Globalisierung des Wettbewerbs wird<br />
als Begründung dafür angegeben, daû <strong>in</strong><br />
Deutschland ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Arbeitsplätze<br />
entstehen. Bei den hohen Arbeitskosten<br />
<strong>in</strong> Deutschland seien die Unternehmen<br />
geradezu gezwungen, <strong>in</strong> das Ausland<br />
zu gehen, weil es viel billiger sei, dort<br />
(Osteuropa, Fernost) zu produzieren.<br />
Die Haltlosigkeit dieser Argumentation für<br />
die deutsche Wirtschaft <strong>in</strong>sgesamt zeigen<br />
die Handelsbilanzüberschüsse, die<br />
Deutschland gerade gegenüber allen ¹billigenª<br />
osteuropäischen Län<strong>der</strong>n aufweist.<br />
Was an Arbeitsplätzen durch Verlagerung<br />
verlorengeht wird <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Unternehmen<br />
o<strong>der</strong> Branchen durch höhere Exporte wie<strong>der</strong><br />
ausgeglichen. Diese Strukturverschiebungen<br />
mit ihren negativen Beschäftigungswirkungen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Branchen<br />
s<strong>in</strong>d zwar e<strong>in</strong>e Folge <strong>der</strong> Internationalisierung<br />
<strong>der</strong> Märkte, stellen aber nicht die<br />
Hauptursache <strong>der</strong> Beschäftigungsprobleme<br />
dar.<br />
Die entscheidenden Ursachen s<strong>in</strong>d vielmehr:<br />
Durch die unausgewogene und ungerechte<br />
Spar- und Verteilungspolitik ± höhere Belastungen<br />
für Bezieher kle<strong>in</strong>er und mittlerer<br />
E<strong>in</strong>kommen bei gleichzeitiger Entlastung<br />
hoher E<strong>in</strong>kommen und groûer Vermögen ±<br />
wird <strong>der</strong> soziale Konsens aufgekündigt und<br />
damit die Grundlage für den Erfolg <strong>der</strong><br />
sozialen Marktwirtschaft zerstört. Die<br />
überzogene e<strong>in</strong>seitige Belastung des Produktionsfaktors<br />
Arbeit mit Abgaben und
Steuern führt dazu, daû Arbeit immer<br />
weniger bezahlbar ist. Das gilt vor allem<br />
für den Dienstleistungsbereich, <strong>in</strong> dem<br />
reguläre Leistungen zu teuer s<strong>in</strong>d und<br />
nicht nachgefragt werden o<strong>der</strong> als Schwarzarbeit<br />
ausgeführt werden.<br />
Die konzeptionslose Wirtschaftspolitik <strong>der</strong><br />
Bundesregierung bietet ke<strong>in</strong>e verläûliche<br />
Grundlage für längerfristige Unternehmensentscheidungen.<br />
Sie ist das gröûte<br />
Hemmnis für Investitionen.<br />
Forschung und Entwicklung, Bildungswesen<br />
und Existenzgründungen s<strong>in</strong>d die<br />
notwendige Innovationsbasis zur Erhaltung<br />
und Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />
Trotz dieser Erkenntnis wird die För<strong>der</strong>ung<br />
dieser Bereiche immer stärker e<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Von e<strong>in</strong>er aktiven Beschäftigungspolitik <strong>der</strong><br />
Bundesregierung zum Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
kann ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Die durchgeführten<br />
Maûnahmen führen vielmehr zu<br />
negativen Beschäftigungseffekten, wie deutlich<br />
an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
zu erkennen ist.<br />
2. Maûnahmen zum nachhaltigen Abbau<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
2.1. Steigerung des Wirtschaftswachstums<br />
Das Bruttosozialprodukt <strong>in</strong> Westdeutschland<br />
ist <strong>in</strong> den 35 Jahren von 1960 bis 1995<br />
zwar real um 270 % und durchschnittlich<br />
um 2,9 % pro Jahr gestiegen.<br />
Diese Steigerung hat aber gerade dazu ausgereicht,<br />
die laufenden Produktivitätsverbesserungen<br />
(2,7 % pro Jahr) auszugleichen,<br />
die zur Erhaltung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Wettbewerbsfähigkeit beson<strong>der</strong>s im <strong>in</strong>dustriellen<br />
Bereich notwendig s<strong>in</strong>d und die<br />
letztlich durch die hohe Qualifikation <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter erreicht wurden. Die Zahl <strong>der</strong><br />
Erwerbstätigen lag 1995 mit 28,5 Mio. nur<br />
um 8 % höher als 1960 mit 26,4 Mio. Das<br />
durchschnittliche Wirtschaftswachstum<br />
führte also nicht zu e<strong>in</strong>er nennenswerten<br />
Steigerung des Beschäftigungsvolumens. Es<br />
ist aber unbed<strong>in</strong>gt erfor<strong>der</strong>lich zum Ausgleich<br />
<strong>der</strong> Produktivitätssteigerungen. Erst<br />
bei e<strong>in</strong>er Wachstumsrate von mehr als 3 %<br />
ist mit zusätzlichen Arbeitsplätzen zu rechnen.<br />
Solche Wachstumsraten s<strong>in</strong>d aber <strong>in</strong><br />
den letzten Jahren nicht erreicht worden<br />
und werden auch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Prognoserechnung<br />
erwartet. Es müssen daher Maûnahmen<br />
ergriffen werden, die nachhaltig e<strong>in</strong>e<br />
Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit bewirken.<br />
2.2. Direktmaûnahmen zum Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
Die vorhandene hohe Arbeitslosigkeit kann<br />
nur durch e<strong>in</strong> Bündel von Maûnahmen<br />
reduziert werden, die geme<strong>in</strong>sam von den<br />
Tarifpartnern und dem Gesetzgeber durchzuführen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Die beiden Schwerpunkte dieser Maûnahmen<br />
s<strong>in</strong>d die Arbeitszeitverkürzung zur<br />
Verteilung des vorhandenen Arbeitsvolumens<br />
auf mehr Beschäftigte sowie die<br />
Beschäftigungsprogramme, <strong>der</strong>en Ziel die<br />
Vergröûerung des Arbeitsvolumens darstellt.<br />
Begleitet werden müssen sie durch<br />
Maûnahmen, die e<strong>in</strong>e Verstärkung <strong>der</strong><br />
Nachfrage im Inland zum Ziel haben, um<br />
e<strong>in</strong> überdurchschnittliches Wachstum zu<br />
erreichen.<br />
Um die Bedeutung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Maûnahmen<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Zielsetzung<br />
Vollbeschäftigung zu veranschaulichen, ist<br />
e<strong>in</strong>e Quantifizierung vorgenommen worden,<br />
die sich im wesentlichen an die Auswertungen<br />
des Instituts für Arbeitsmarktund<br />
Berufsforschung (IAB) anlehnen. Die<br />
Zahlen s<strong>in</strong>d stets nur auf Westdeutschland<br />
bezogen, weil entsprechende Rechnungen<br />
für Gesamtdeutschland noch<br />
nicht vorliegen.<br />
Maûnahmen Zusätzliche Arbeitsplätze<br />
bis zum Jahr 2000<br />
A. Arbeitszeitverkürzung<br />
± Halbierung <strong>der</strong> Überstunden,<br />
Ausgleich durch Freizeit 350000<br />
± Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit,<br />
Steigerung <strong>der</strong> Teilzeitquote<br />
von 19 % auf 24 % 500000<br />
149
± Reduzierung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
(Wochen- o<strong>der</strong> Jahresarbeitszeit)<br />
um 8 % bei<br />
Lohnausgleich entsprechend<br />
<strong>der</strong> Produktivitätssteigerung 1000 000<br />
± Begleitende Maûnahme:<br />
Unterstützung und Beratung<br />
von kle<strong>in</strong>en und mittleren<br />
Betrieben, die die Arbeitszeit<br />
auf bis zu 30 Stunden/Woche<br />
senken.<br />
B. Arbeitskostensenkung<br />
Reduzierung <strong>der</strong> Lohnzusatzkosten,<br />
Senkung <strong>der</strong> Beiträge<br />
für die Sozialversicherungen<br />
durch Herausnahme <strong>der</strong><br />
versicherungsfremden Leistungen.<br />
Bei Senkung <strong>der</strong> Beitragssätze<br />
um 1%-Punkt können etwa<br />
100 000 zusätzliche Arbeitsplätze<br />
entstehen. Bei Senkung um rd.<br />
5%-Punkte durch die Herausnahme<br />
<strong>der</strong> versicherungsfremden<br />
Leistungen s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sgesamt 500 000<br />
C. Programme zur Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen<br />
± Investitionsprogramm; mit<br />
10 Mrd. DM Investitionen<br />
können etwa 140 000 Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden.<br />
Bei 35 Mrd. DM entsprechend<br />
1 Prozent<br />
des Brutto<strong>in</strong>landsproduktes 500 000<br />
± Überführen von unbezahlter<br />
Arbeit <strong>in</strong> bezahlte<br />
Arbeit durch kommunale und<br />
regionale Beschäftigungsprogramme,<br />
die ke<strong>in</strong>e<br />
Konkurrenz zu kle<strong>in</strong>en und<br />
mittelständischen Unternehmen<br />
darstellen. Projekte<br />
mit sozialen und ökologischen<br />
Zielen 1000 000<br />
± Begleitende Maûnahmen:<br />
Lohnkostenzuschüsse vor<br />
allem für junge Facharbeiter,<br />
die nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />
ke<strong>in</strong>en Arbeitsplatz f<strong>in</strong>den<br />
150<br />
± f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />
von Existenzgründungen<br />
durch Bereitstellung von<br />
Risikokapital und Bürgschaften.<br />
Anzahl <strong>der</strong> zusätzlichen<br />
Arbeitsplätze <strong>in</strong>sgesamt 3850000<br />
Die Maûnahmen gelten grundsätzlich auch<br />
für Ostdeutschland, auch wenn aufgrund<br />
struktureller Unterschiede die zahlenmäûige<br />
Wirkung dort im E<strong>in</strong>zelfall nicht<br />
genau <strong>der</strong> Entwicklung <strong>in</strong> Westdeutschland<br />
entspricht.<br />
2.3. F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Maûnahmen<br />
Die Maûnahmen zur Erhöhung des<br />
Arbeitsvolumens (Punkt B. und C.) s<strong>in</strong>d<br />
mit erheblichem f<strong>in</strong>anziellen Aufwand verbunden.<br />
Die Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
sowie die Maûnahmen <strong>der</strong> Beschäftigungsprogramme<br />
s<strong>in</strong>d durch Steuern zu<br />
f<strong>in</strong>anzieren (z.B. Lastenausgleich und Ökosteuern-<br />
nicht Mehrwertsteuer).<br />
Bei den Beschäftigungsprogrammen wird<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Arbeit statt Arbeitslosigkeit<br />
f<strong>in</strong>anziert. Wenn bisher Arbeitslose e<strong>in</strong><br />
Monatse<strong>in</strong>kommen von brutto DM 3000,±<br />
erhalten (z.B. aus e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>etat <strong>der</strong><br />
Bundesanstalt für Arbeit), so können über<br />
1 Million Arbeitsplätze mit e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>anzaufwand<br />
von rd. 7 Mrd. DM geschaffen<br />
werden. Den Maûnahmekosten <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Hand stehen Entlastungen gegenüber,<br />
die durch vermiedene Kosten <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit entstehen sowie durch<br />
Mehre<strong>in</strong>nahmen aus Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen.<br />
Die Investitionen werden durch z<strong>in</strong>slose<br />
Kredite f<strong>in</strong>anziert, die nach Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es<br />
Aufschwungs vorneweg aus den dann stärker<br />
flieûenden Steuere<strong>in</strong>nahmen zurückzuzahlen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Die Aufwendungen für Investitionen f<strong>in</strong>anzieren<br />
sich mittelfristig zum gröûten Teil<br />
selbst. Die Berechnungen vom WSI ergaben<br />
rd. 70 % und vom IAB sogar 100 %
Rückflüsse <strong>der</strong> aufgewendeten Mittel. Hier<br />
gilt h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Kosten und Entlastungen<br />
dasselbe wie bei den Beschäftigungsprogrammen<br />
mit zusätzlichen positiven<br />
Beschäftigungswirkungen aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>duzierten<br />
Wachstumssteigerung im Inland.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 62<br />
Unterbezirk München<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Wege zur Vollbeschäftigung<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Wirtschaftspolitische Problemlage Seite<br />
2. Wege zur Vollbeschäftigung Seite<br />
2.1 Mo<strong>der</strong>nisierungs- und<br />
Beschäftigungsprogramm Seite<br />
2.2 Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
für mehr Beschäftigung Seite<br />
2.3 Europäische Wirtschaftspolitik<br />
Seite<br />
Für uns SozialdemokratInnen kann das<br />
Wirtschaftsleben niemals Selbstzweck se<strong>in</strong>.<br />
Es soll dem Wohlstand aller Menschen<br />
e<strong>in</strong>es Wirtschaftsraumes dienen. Es versorgt<br />
die gesamte Bevölkerung mit materiellen<br />
und immateriellen Gütern. Je<strong>der</strong><br />
Mensch soll <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, sich selbst<br />
e<strong>in</strong> menschenwürdiges E<strong>in</strong>kommen zu<br />
erarbeiten. E<strong>in</strong> Wirtschaftssystem, das<br />
immer mehr Menschen durch erniedrigende<br />
Arbeitslosigkeit ausgrenzt, damit<br />
Reiche reicher werden, ist zu bekämpfen<br />
und zu verän<strong>der</strong>n.<br />
1. Wirtschaftspolitische Problemlage<br />
1.1 Vom ¹Nutzenª <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
In diesem W<strong>in</strong>ter meldete die Bundesanstalt<br />
für Arbeit e<strong>in</strong>en Rekordwert für die<br />
Arbeitslosigkeit. 4,6 Millionen Arbeitssuchende<br />
waren im Februar bei den Arbeitsämtern<br />
gemeldet. Im Jahresdurchschnitt<br />
s<strong>in</strong>d ca. 4,3 Millionen gemeldete Arbeits-<br />
lose zu erwarten. Mit mehr als zwei Millionen<br />
Menschen <strong>in</strong> verdeckter Arbeitslosigkeit<br />
s<strong>in</strong>d mittlerweile wohl ca. 7 Millionen<br />
Menschen ohne bezahlte Arbeit o<strong>der</strong> unterbeschäftigt.<br />
Die Bundesregierung führt mit Verweis auf<br />
diese Entwicklung die Standortdebatte: Die<br />
Löhne müûten runter, die Sozialleistungen<br />
zurückgeschraubt, die Steuern gesenkt, und<br />
ökologische und soziale Auflagen auf e<strong>in</strong><br />
M<strong>in</strong>imum beschränkt werden, um das<br />
¹gesundeª Gew<strong>in</strong>nstreben <strong>der</strong> Unternehmer<br />
nicht zu beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n und die abhängig<br />
Beschäftigten und die Unterbeschäftigten<br />
wie<strong>der</strong> zur Leistung zu motivieren ± die sie<br />
angeblich verloren hätten.<br />
Mit <strong>der</strong> ideologischen Unterstützung durch<br />
neoliberale Wirtschaftstheorien hat die<br />
Bundesregierung die groûe Umverteilungsmasch<strong>in</strong>e<br />
angeworfen. Der Anteil am<br />
Volkse<strong>in</strong>kommen, den die abhängig<br />
Beschäftigten erhielten, ist seit Amtsantritt<br />
<strong>der</strong> Regierung Kohl gefallen, <strong>der</strong> Anteil für<br />
die Vermögensbesitzer, Unternehmen,<br />
Selbständigen gestiegen. Das reichste<br />
Zehntel <strong>der</strong> deutschen Haushalte verfügt<br />
über die Hälfte des Volksvermögens. Und<br />
die Entwicklung hält an. Für 1997 sagen<br />
die Fünf Weisen e<strong>in</strong>en Zuwachs <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen<br />
aus Unternehmertätigkeit, Kapital<br />
und Selbständigkeit von ca. 10 Prozent voraus.<br />
Die abhängig Beschäftigten können<br />
mit ke<strong>in</strong>erlei Zuwächsen rechnen. Hohe<br />
Arbeitslosigkeit und krasse Ungleichverteilung:<br />
Die Entwicklungen stehen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung.<br />
Indem die Bundesregierung vorgibt,<br />
die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, setzt sie<br />
genau diejenigen Maûnahmen durch, die<br />
Geld <strong>in</strong> die Taschen <strong>der</strong> Vermögenden<br />
schaufeln. So wird das soziale Elend von<br />
Millionen <strong>in</strong>strumentalisiert.<br />
1.2 Die wirtschaftlichen Fakten<br />
Diese Dynamik übersehen viele SozialdemokratInnen<br />
und GewerkschafterInnen,<br />
wenn sie sich auf die Argumente <strong>der</strong> Standortunlogik<br />
e<strong>in</strong>lassen. Sie stimmen e<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
das Klagelied.<br />
151
Wenn es e<strong>in</strong>e Maûzahl für die erfolgreiche<br />
Teilnahme am ¹globalisiertenª Welthandel<br />
gibt, dann die Auûenhandelsbilanz: Im Jahr<br />
1996 erwirtschaftete die Bundesrepublik<br />
trotz angeblicher Standort- und Konkurrenzprobleme<br />
e<strong>in</strong>en Auûenhandelsüberschuû<br />
von über 100 Mrd. DM. Für das<br />
erste Halbjahr 1997 ist e<strong>in</strong> weiterer<br />
Zuwachs des Auûenhandels von 5,5 Prozent<br />
vorhergesagt. Deutsche Auûen<strong>in</strong>vestitionen<br />
(die angebliche Kapitalflucht) s<strong>in</strong>d<br />
da nur e<strong>in</strong> schwacher Ausgleich e<strong>in</strong>es<br />
Ungleichgewichts auf den Weltmärkten,<br />
das unsere Wirtschaft begünstigt. Sie s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong> Zeichen für die Stärke deutscher<br />
Unternehmen, nicht für e<strong>in</strong>en schwachen<br />
Standort.<br />
Trotz massiver deutscher Erfolge auf dem<br />
Weltmarkt ist die Lohnquote jedoch gefallen<br />
und nicht gestiegen. Hatten die abhängig<br />
Beschäftigten 1982 noch e<strong>in</strong>en Anteil<br />
von knapp über 70 Prozent am Volkse<strong>in</strong>kommen<br />
(bere<strong>in</strong>igte Lohnquote), so war er<br />
bis 1994 um ca. 4 Prozent auf knapp über<br />
66 Prozent gefallen. Auch die Lohnstückkosten<br />
s<strong>in</strong>d im Vergleich mit an<strong>der</strong>en Industrielän<strong>der</strong>n<br />
(den Hauptkonkurrenten im<br />
<strong>in</strong>ternationalen Handel) ke<strong>in</strong>eswegs gestiegen,<br />
son<strong>der</strong>n gefallen. Doch diese Entwicklung<br />
hat uns nicht ± wie versprochen ± vor<br />
steigen<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit bewahrt.<br />
Auch die Sozialquote ist nicht höher als<br />
Mitte <strong>der</strong> 70er Jahre. Richtig ist jedoch,<br />
daû sich nicht alle Bevölkerungsschichten<br />
gleichmäûig an <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung von<br />
Rente, Arbeitslosigkeit und Gesundheitsfürsorge<br />
beteiligen müssen.<br />
E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Mythos ist die Behauptung,<br />
deutsche Unternehmenssteuern nähmen im<br />
<strong>in</strong>ternationalen Vergleich die Spitzenstellung<br />
e<strong>in</strong>. In Wirklichkeit s<strong>in</strong>d die realen<br />
Steuern <strong>der</strong> Unternehmen im Vergleich<br />
mit an<strong>der</strong>en Industriestaaten durchschnittlich.<br />
Die Abschaffung <strong>der</strong> Vermögenssteuern<br />
hat zudem die Vermögensbesitzer ganz<br />
und gar aus <strong>der</strong> sozialen Verantwortung<br />
entlassen. Überdurchschnittlich hoch s<strong>in</strong>d<br />
h<strong>in</strong>gegen die Steuern und Abgaben auf die<br />
E<strong>in</strong>künfte <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten.<br />
152<br />
Fallende Lohnquote, immense Steuergeschenke<br />
an Wohlhabende und Unternehmen,<br />
ständige Auûenhandelsüberschüsse,<br />
gleichbleibende Sozialquote ± wenn man<br />
die Aussagen <strong>der</strong> Bundesregierung ernst<br />
nimmt, dürfte es die Massenarbeitslosigkeit<br />
längst nicht mehr geben. Daû sich die<br />
Arbeitslosenzahlen nach 15 Jahren konservativer<br />
Wirtschaftspolitik <strong>in</strong> die Höhe<br />
schrauben, spricht nicht gerade für die<br />
Rezepte <strong>der</strong> Bundesregierung. Die <strong>SPD</strong><br />
muû deshalb endlich eigenständige Lösungen<br />
anbieten.<br />
Dazu gehört auch, sich selbstbewuût zu<br />
den Stärken des eigenen Standortes zu<br />
bekennen und sie zu erhalten. Deutschland<br />
gehört immer noch zu den führenden<br />
Industrienationen. Die Bundesregierung<br />
fixiert sich auf Kostenargumente und vernachlässigt<br />
wichtigere Standortfaktoren<br />
sträflich: Bildung, Forschung und Entwicklung,<br />
stabile soziale Verhältnisse, Sicherung<br />
<strong>der</strong> Massenkaufkraft und gute Infrastruktur.<br />
Schwächen auf diesen Gebieten bekämpft<br />
sie nicht o<strong>der</strong> verstärkt sie sogar. Letztendlich<br />
ist die Bundesregierung mit Bundeskanzler<br />
Kohl, F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister Waigel und<br />
Wirtschaftsm<strong>in</strong>ister Rexrodt voran das<br />
gröûte Problem für den Standort Deutschland.<br />
1.3 Alternative Erklärungen<br />
Der technische und <strong>der</strong> wissenschaftliche<br />
Fortschritt haben uns e<strong>in</strong>en an sich erfreulichen<br />
Zustand beschert: Wir müssen<br />
immer weniger arbeiten, um über dieselben<br />
o<strong>der</strong> sogar steigende Mengen an Gütern<br />
und Dienstleistungen verfügen zu können.<br />
Jahr für Jahr könnten wir mit <strong>der</strong>selben<br />
Zahl an Arbeitskräften <strong>in</strong> <strong>der</strong>selben Zahl<br />
von Stunden ca. 2,5 Prozent mehr Wohlstand<br />
erwirtschaften. Doch dieses ständige<br />
Mehr an Gütern und Diensten f<strong>in</strong>det nicht<br />
den nötigen Absatz. Unsere Produktivität<br />
überholt unseren Verbrauch. Ohne Verbrauch<br />
aber gibt es ke<strong>in</strong> Wirtschaftswachstum;<br />
denn niemand produziert auf Dauer<br />
Waren für die Lagerhalle. Weil <strong>der</strong> Konsum<br />
stockt, blieb das reale Wachstum <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> vergangenen Jahre unterhalb<br />
<strong>der</strong> Schwelle, von <strong>der</strong> an wirklich
mehr Arbeitskräfte nachgefragt werden (2,5<br />
bis 3 Prozent). Seit Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre<br />
wuchs das Brutto<strong>in</strong>landsprodukt real um<br />
nicht mehr als durchschnittlich 1,8 Prozent.<br />
Jedes Zehntel Prozent unterhalb des<br />
Produktivitätszuwachses bedeutet aber den<br />
Verlust von mehr als 35 000 Arbeitsplätzen.<br />
Die Inlandsnachfrage wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
gedämpft wenn Wirtschaft und Staat e<strong>in</strong>en<br />
rigiden Sparkurs fahren, <strong>der</strong> gerade die<br />
Gruppen trifft, die gerne mehr konsumieren<br />
würden. Das real (im Verhältnis zur<br />
niedrigen Inflationsrate) immer noch hohe<br />
Z<strong>in</strong>sniveau hemmt auûerdem die Investitionen<br />
und übt zusätzlichen Druck auf Löhne<br />
und Transfere<strong>in</strong>kommen aus. Zur Zeit<br />
trägt die unnötig strikte Auslegung <strong>der</strong><br />
Maastricht-Kriterien ihren Teil zur Konjunkturzügelung<br />
bei.<br />
1.4 For<strong>der</strong>ungen<br />
Wir for<strong>der</strong>n deshalb alle <strong>SPD</strong>-Funktionäre<br />
und -Mandatsträger <strong>in</strong> Kommunen, Län<strong>der</strong>n,<br />
auf Bundesebene und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europapolitik<br />
auf, sich die wirtschaftlichen<br />
Zusammenhänge bewuût zu machen und<br />
<strong>der</strong> neoliberalen Ungleichheitsideologie<br />
e<strong>in</strong>e Absage zu erteilen. Der E<strong>in</strong>satz von<br />
nachfragestützenden Maûnahmen und<br />
Investitionsprogrammen muû Schwerpunkt<br />
e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik<br />
se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>telligente Verteilungspolitik,<br />
die wie<strong>der</strong> für e<strong>in</strong>en Ausgleich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen<br />
und Besitzstände e<strong>in</strong>tritt, muû<br />
den Konsum beleben und so Arbeit schaffen.<br />
Daneben ist <strong>der</strong> öffentliche Konsum<br />
<strong>der</strong>maûen zu organisieren, daû ökologische,<br />
soziale, kulturelle, Gesundheits- und<br />
Bildungsbedürfnisse breiter Schichten<br />
befriedigt werden und <strong>der</strong> öffentliche Sektor<br />
weitere Arbeitskräfte absorbiert. Doch<br />
nicht nur Waren und Dienste (ausgedrückt<br />
<strong>in</strong> Gelde<strong>in</strong>kommen) s<strong>in</strong>d gerecht zu verteilen;<br />
verteilt werden muû auch Arbeitszeit.<br />
Nur so geraten die enormen Produktivitätsfortschritte<br />
unserer Volkswirtschaft zum<br />
Nutzen aller.<br />
Die Abwärtsspirale aus Sparpolitik, Entlassungen,<br />
Nachfragedämpfung, Konjunkturzügelung<br />
und Steuerausfällen muû unterbrochen<br />
werden. Investitionsprogramme<br />
müssen das schleppende Wachstum anheizen.<br />
F<strong>in</strong>anzierungsquellen für staatliche<br />
Investitionen und für e<strong>in</strong>e öffentliche<br />
Beschäftigungspolitik müssen durch e<strong>in</strong>e<br />
gezielte Steuerpolitik konsequent genützt<br />
werden. Die rigide Geldpolitik <strong>der</strong> Bundesbank<br />
muû von e<strong>in</strong>er europäischen Geldpolitik<br />
abgelöst werden, die demokratischer<br />
Steuerung zugänglich gemacht werden soll.<br />
Sozialdemokratische Wirtschaftspolitik<br />
muû die Gewerkschaften im Kampf um<br />
Arbeitszeitverkürzung und Kaufkrafterhalt<br />
unterstützen und sich gegen den Abbau des<br />
Sozialstaates stellen. Die europäische Wirtschaftspolitik<br />
muû es sich zum Ziel<br />
machen, das e<strong>in</strong>seitige Maastricht-Abkommen<br />
durch Übere<strong>in</strong>künfte zur Sozial- und<br />
Beschäftigungspolitik und durch e<strong>in</strong>e europäische<br />
Steuerharmonisierung auf ausreichend<br />
hohem Niveau zu ergänzen.<br />
2. Wege zur Vollbeschäftigung<br />
2.1 Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Beschäftigungsprogramm<br />
(MOB)<br />
Sozialdemokratische Beschäftigungspolitik<br />
kann schnell entscheidende Fortschritte <strong>in</strong><br />
Richtung Vollbeschäftigung bewerkstelligen.<br />
Als effektives Mittel haben sich Investitionsprogramme<br />
erwiesen, die die Nachfrage<br />
beleben und zugleich die<br />
Investitionsschwäche bekämpfen. Die steigende<br />
Massenarbeitslosigkeit ist seit langem<br />
kaum mehr konjunkturell zu erklären,<br />
denn nach je<strong>der</strong> Konjunkturflaute blieb e<strong>in</strong><br />
höherer Sockel an Arbeitslosen zurück.<br />
Deswegen halten wir kurzfristige, antizyklische<br />
Maûnahmen für nicht ausreichend<br />
und plädieren für e<strong>in</strong> mittelfristiges Programm:<br />
Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Mo<strong>der</strong>nisierungsund<br />
Beschäftigungsprogramm mit e<strong>in</strong>er<br />
Laufzeit von 10 Jahren und e<strong>in</strong>em Gesamtvolumen<br />
von m<strong>in</strong>destens 400 Mrd. DM,<br />
d. h. den E<strong>in</strong>satz von 40 Mrd. DM jährlich.<br />
E<strong>in</strong> solches Programm hat das Wirtschaftsund<br />
Sozialwissenschaftliche Institut des<br />
DGB konzipiert und bereits durchgerechnet.<br />
Im Rahmen dieses Programmes tritt <strong>der</strong><br />
Staat als Investor auf. Er verwendet die<br />
153
Gel<strong>der</strong> als Investitionen <strong>in</strong> den Bedarfsfel<strong>der</strong>n<br />
Umwelt, Transport und Verkehr, Bildung,<br />
Gesundheit, Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur<br />
und zur Vorbereitung deutscher<br />
Unternehmen auf zukunftsträchtige<br />
Marktsegmente für gesellschaftlich nützliche<br />
Produkte und Dienstleistungen z.B. im<br />
Bereich Ökologie (alternative Energiegew<strong>in</strong>nung,<br />
Abfallentsorgung,...). Insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>in</strong> folgende Bereiche sollen die veranschlagten<br />
Geldmittel <strong>in</strong>vestiert werden:<br />
Ausbau <strong>der</strong> Telekommunikations-, Energie-<br />
, und Verkehrsnetze, Erhöhung <strong>der</strong> Ausgaben<br />
für Forschung und Entwicklung,<br />
Reduktion des CO 2-Ausstoûes, Sozialer<br />
Wohnungsbau, Sanierung ökologischer Altlasten,<br />
Ausbau des kommunalen Nahverkehrs,<br />
Ausbau <strong>der</strong> Hochgeschw<strong>in</strong>digkeitsstrecken<br />
<strong>der</strong> Deutschen Bahn AG,<br />
kommunale Abwassersanierung, Aufstokkung<br />
des Pflegepersonals <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesundheitsversorgung.<br />
Damit steigen nicht nur<br />
Bruttosozialprodukt und Beschäftigung, die<br />
Maûnahmen sorgen auch dafür, daû notwendige<br />
strukturelle Anpassungen vorgenommen<br />
werden. Gesellschaftliche Bedürfnisse,<br />
die sich nicht privat f<strong>in</strong>anzieren<br />
lassen, werden gedeckt.<br />
Das Programm wird beson<strong>der</strong>s effektiv,<br />
wenn es durch bestimmte Maûnahmen<br />
flankiert wird. Die durchschnittliche<br />
Wochenarbeitszeit wird <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
ersten fünf Jahre des Programms auf<br />
35 Stunden abgesenkt. Auch an<strong>der</strong>e Formen<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung werden<br />
genutzt. Die Bundesbank begleitet das<br />
Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Beschäftigungsprogramm<br />
unterstützend. Die Investitionen<br />
des Programms ziehen private Investitionen<br />
nach sich. Insgesamt kann so mit<br />
e<strong>in</strong>em Beschäftigungseffekt von ca. 2 Mio.<br />
Arbeitsplätzen gerechnet werden. Der Interimsmultiplikator<br />
des <strong>in</strong>vestiven Paketes<br />
wird dann zunächst bei 1,3 liegen und sich<br />
bis auf den Faktor 2,2 erhöhen.<br />
Folgen wir den Vorschlägen des sogenannten<br />
MOB (Mo<strong>der</strong>nisierungs- und Beschäftigungsprogramm),<br />
werden die Staatsf<strong>in</strong>anzen<br />
langfristig nicht weiter belastet. Die<br />
Maûnahmen f<strong>in</strong>anzieren sich zunächst aus<br />
öffentlicher Kreditaufnahme und <strong>der</strong> kon-<br />
154<br />
sequenten Besteuerung hoher E<strong>in</strong>kommen<br />
und Vermögen ± im Verlauf des Programmes<br />
aber zunehmend aus dem durch das<br />
Wachstum bed<strong>in</strong>gten höheren Steueraufkommen<br />
und aus <strong>der</strong> Ersparnis, die e<strong>in</strong>tritt,<br />
wenn Leistungsempfänger zu Beitragszahlern<br />
werden. Die Kosten <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
beliefen sich 1993 bereits auf<br />
153,1 Mrd. DM (Direkte Kosten wie ALG/<br />
ALH (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe),<br />
Sozialhilfe, ABM/U&B (Arbeitsbeschaffungsmaûnahmen,<br />
Umschulungen und<br />
Bildung) 99,5 Mrd, <strong>in</strong>direkte Kosten, entgangene<br />
Steuern, entgangene Sozialversicherungsbeiträge<br />
53,6 Mrd.). Die Kosten<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen aufgrund <strong>der</strong> Verschlechterung<br />
<strong>der</strong> Situation weiter gestiegen. Dabei<br />
s<strong>in</strong>d die gesellschaftlichen Kosten (entgangene<br />
Nettoe<strong>in</strong>kommen ca. 87 Mrd) noch<br />
nicht e<strong>in</strong>gerechnet.<br />
2.2 Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik für mehr Beschäftigung<br />
Steuerpolitik ist e<strong>in</strong> zentrales Element <strong>der</strong><br />
Beschäftigungspolitik. Sie sorgt für e<strong>in</strong>e<br />
gerechte und volkswirtschaftlich s<strong>in</strong>nvolle<br />
Verteilung von Vermögen und E<strong>in</strong>kommen<br />
und trägt zur F<strong>in</strong>anzierung staatlicher<br />
Maûnahmen (wie z.B. des MOB o<strong>der</strong> europäischer<br />
Programme) bei. Die <strong>SPD</strong> muû<br />
mit e<strong>in</strong>em schlüssigen Reformkonzept an<br />
die Öffentlichkeit treten und ihre Kompetenz<br />
offen zur Schau stellen.<br />
Die steuerliche Umverteilung von unten<br />
nach oben hat nach 14 Jahren konservativliberaler<br />
Regierung e<strong>in</strong> unerträgliches Ausmaû<br />
erreicht. Von 1990 bis 1995 stieg die<br />
Lohnsteuer, also die Steuer <strong>der</strong> nicht selbständig<br />
Tätigen, von 181 Milliarden DM<br />
im Jahr 1990 auf 283 Milliarden DM im<br />
Jahre 1995, das ist e<strong>in</strong> Anstieg um 56 %.<br />
Die veranlagte E<strong>in</strong>kommensteuer sank von<br />
1990 bis 1995 von 36,5 Milliarden auf<br />
gerade noch 14 Milliarden DM, das ist e<strong>in</strong><br />
Rückgang um 62 %. Die Körperschaftssteuer<br />
(Die Ertragssteuer <strong>der</strong> Kapitalgesellschaften)<br />
g<strong>in</strong>g von 1990 bis 1995 um 40 %<br />
zurück.<br />
Die Bonner Regierung hat <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren zahlreiche gröûere o<strong>der</strong> kle<strong>in</strong>ere<br />
¾n<strong>der</strong>ungen des Steuerrechts durchgeführt.
Ende Januar hat sie das Vorhaben e<strong>in</strong>er<br />
umfassenden E<strong>in</strong>kommensteuerreform<br />
bekanntgegeben, die folgende Ziele verfolgt:<br />
Das Wirrwar von Bestimmungen soll<br />
gelichtet und das Steuersystem radikal vere<strong>in</strong>facht<br />
werden. Die Steuerquote soll<br />
gesenkt werden, BezieherInnen hoher E<strong>in</strong>kommen<br />
sollen durch die Reduzierung des<br />
Spitzensteuersatzes, die Unternehmen<br />
durch die Senkung <strong>der</strong> Körperschaftssteuer<br />
entlastet werden; damit möchte man die<br />
Investitionen ankurbeln. Bislang sprechen<br />
die Ergebnisse konservativ-liberaler Politik<br />
nicht dafür, daû diese Ziele erreicht werden:<br />
Denn das Ergebnis <strong>der</strong> Politik <strong>der</strong><br />
Regierung s<strong>in</strong>d wegen <strong>der</strong> steigenden<br />
Abgabenbelastung stagnierende o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>kende<br />
Massene<strong>in</strong>kommen, zerrüttete<br />
Staatsf<strong>in</strong>anzen und e<strong>in</strong> wachsendes Heer<br />
von Arbeitslosen. Dem setzen wir erfolgversprechende<br />
sozialdemokratische<br />
Reformvorschläge entgegen.<br />
2.2.1 Leitl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>es sozialdemokratischen<br />
Reformkonzeptes<br />
* Gerechtigkeit und E<strong>in</strong>fachheit<br />
Hauptanliegen e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen<br />
Steuerreformpolitik ist und bleibt es, das<br />
Steuerrecht gerechter und e<strong>in</strong>facher zu<br />
machen. Die oben dargestellte Entwicklung<br />
des Anteils <strong>der</strong> Lohnsteuer, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
und <strong>der</strong> Körperschaftssteuer am<br />
Steueraufkommen muû rückgängig<br />
gemacht werden. Das Steuerrecht muû<br />
grundlegend vere<strong>in</strong>facht werden. E<strong>in</strong> kompliziertes<br />
und undurchschaubares Steuersystem<br />
nutzt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>er kle<strong>in</strong>en<br />
Gruppe von cleveren Spitzenverdienern.<br />
Die Komplizierung unseres Steuersystems<br />
ruft <strong>in</strong>zwischen schwerwiegende Steuerungerechtigkeiten<br />
hervor, die das Vertrauen<br />
<strong>der</strong> Bürger <strong>in</strong> unser Geme<strong>in</strong>wesen erschüttern.<br />
* Besteuerung nach <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Besteuerung nach <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit<br />
bedeutet, daû mit steigendem<br />
E<strong>in</strong>kommen auch die steuerliche Belastung<br />
wächst. Die Nichterfassung von<br />
E<strong>in</strong>kommen o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteilen stellt<br />
deshalb bereits e<strong>in</strong>en Verstoû gegen den<br />
Grundsatz <strong>der</strong> Besteuerung nach <strong>der</strong> Lei-<br />
stungsfähigkeit dar. Unhaltbar ist es, wenn<br />
schon Arbeitnehmer mit mittleren E<strong>in</strong>kommen<br />
durch Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge<br />
für jede zusätzlich verdiente<br />
Mark mehr abführen müssen als<br />
Bezieher hoher E<strong>in</strong>kommen. Inakzeptabel<br />
ist es auûerdem, daû Möglichkeiten zur<br />
Steuergestaltung umso besser genutzt werden<br />
können, je höher das E<strong>in</strong>kommen ist.<br />
* Transparenz und Akzeptanz <strong>der</strong> Besteuerung<br />
Die meisten Steuerpflichtigen verstehen die<br />
Steuergesetze nicht mehr und miûtrauen<br />
ihnen deshalb. Und selbst Steuerbeamte<br />
und Steuerberater s<strong>in</strong>d zunehmend nicht<br />
mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, das steuerrechtliche<br />
Regelungsdickicht zu durchschauen. Wenn<br />
<strong>der</strong> Bürger das Steuersystem nicht mehr<br />
akzeptiert, wan<strong>der</strong>t er leichter <strong>in</strong> die Schattenwirtschaft<br />
ab und die Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />
greift um sich. Steuervere<strong>in</strong>fachung<br />
und konsequente Bekämpfung <strong>der</strong> Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />
s<strong>in</strong>d deshalb fester Bestandteil<br />
e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen Steuerreformpolitik.<br />
* Bedeutung für die Wirtschaftspolitik<br />
Staatliche Maûnahmen bedürfen e<strong>in</strong>er soliden<br />
F<strong>in</strong>anzierung. In <strong>der</strong> sozialen Marktwirtschaft<br />
übernimmt <strong>der</strong> Staat diejenigen<br />
Aufgaben, <strong>der</strong>er sich die Privatwirtschaft<br />
nicht ausreichend widmet (Beschäftigung<br />
sichern, ausreichende E<strong>in</strong>kommen garantieren,<br />
Umweltschutz gewährleisten und<br />
soziale Sicherheit schaffen). Es macht deswegen<br />
ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, den Umfang <strong>der</strong><br />
öffentlichen E<strong>in</strong>nahmen zu verr<strong>in</strong>gern.<br />
E<strong>in</strong>kommen, das von se<strong>in</strong>en BezieherInnen<br />
nicht <strong>in</strong> den Kreislauf zurückgeschleust<br />
und damit zur effektiven Nachfrage wird,<br />
sollte vom Staat stärker abgeschöpft und<br />
für gesellschaftlich nützliche Zwecke und<br />
die Unterstützung von Unternehmen verwendet<br />
werden.<br />
* Bedeutung für die Verteilungspolitik<br />
Angesichts <strong>der</strong> Zunahme von E<strong>in</strong>kommensarmut<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik besteht aller<br />
Grund, die unteren Erwerbse<strong>in</strong>kommen<br />
steuerlich zu entlasten. An<strong>der</strong>erseits gibt es<br />
angesichts zunehmen<strong>der</strong> Konzentration<br />
155
von E<strong>in</strong>kommen und Vermögen bei e<strong>in</strong>er<br />
kle<strong>in</strong>en Schicht von Reichen ke<strong>in</strong>erlei<br />
Grund, die Steuern für die oberen E<strong>in</strong>kommen<br />
durch Herabsetzung des Spitzensteuersatzes<br />
zu senken o<strong>der</strong> sie für Vermögen<br />
sogar ganz abzuschaffen.<br />
2.2.2 Vorschläge für die sozialdemokratische<br />
Gestaltung e<strong>in</strong>er Steuerreform<br />
* Ertragssteuern<br />
Zu den Ertragssteuern gehören vor allem<br />
die Lohnsteuer, die veranlagte E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />
und die Körperschaftssteuer.<br />
Die Entwicklung h<strong>in</strong> zum ¹Lohnsteuerstaatª<br />
(s.o.) muû rückgängig gemacht werden.<br />
Hierzu muû e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kommensteuerreform<br />
mit folgenden Prämissen durchgeführt werden.<br />
± Entlastung <strong>der</strong> unteren und mittleren<br />
E<strong>in</strong>kommen<br />
± Gegenf<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> unteren und<br />
mittleren E<strong>in</strong>kommen durch Abbau<br />
ungerechtfertigter Vergünstigungen<br />
(Steuerschlupflöcher)<br />
Dies wird durch folgende Maûnahmen<br />
erreicht:<br />
± Anhebung des Grundfreibetrages und<br />
e<strong>in</strong>en niedrigeren E<strong>in</strong>gangssteuersatz<br />
deutlich unter dem bisherigen, möglichst<br />
unter 20 %.<br />
± Beibehaltung des Spitzensteuersatzes.<br />
± Verbreiterung <strong>der</strong> Bemessungsgrundlage<br />
durch verstärkten Abbau ungerechtfertigter<br />
Vergünstigungen:<br />
± im Bereich stiller Reserven,<br />
± bei <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Abschreibungsmöglichkeiten<br />
± durch volle Besteuerung <strong>der</strong> Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />
aus F<strong>in</strong>anzanlagen.<br />
* Substanzsteuern<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Substanzsteuern am Steueraufkommen<br />
wird durch den Wegfall <strong>der</strong><br />
Vermögenssteuer ger<strong>in</strong>ger. E<strong>in</strong> höherer<br />
Anteil <strong>der</strong> Besteuerung von Vermögen am<br />
Gesamtsteueraufkommen ist aus verteilungspolitischer<br />
Sicht notwendig.<br />
156<br />
Deshalb s<strong>in</strong>d folgende konkrete For<strong>der</strong>ungen<br />
notwendig:<br />
* E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Solidarbeitrags <strong>der</strong> groûen<br />
Vermögensbesitzer. Folgende Abgaben<br />
sollen jährlich (10 Jahre lang) erhoben werden:<br />
1 % bei e<strong>in</strong>em Nettovermögen von 2,5 bis<br />
10 Millionen DM<br />
2 % bei 10 bis 100 Millionen DM<br />
3 % bei mehr als 100 Millionen DM<br />
Es gilt somit e<strong>in</strong> Freibetrag von 2,5 Millionen<br />
DM<br />
Alternativ dazu könnte e<strong>in</strong>e verfassungskonforme<br />
Revitalisierung <strong>der</strong> Vermögenssteuer<br />
erfolgen. Bei e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>artigen<br />
Besteuerung (beispielsweise 1 v.H. auf<br />
Marktwerte) könnte man pro Jahr ca.<br />
47 Milliarden DM erzielen.<br />
* Verbrauchsteuern<br />
Die bedeutendste Verbrauchsteuer ist die<br />
Mehrwertsteuer. Sie ist aus sozialdemokratischer<br />
Sicht tendenziell ungerecht: Die<br />
Unternehmen wälzen höhere Mehrwertsteuern<br />
über den Preis auf den Endverbraucher<br />
ab; Menschen mit wenig E<strong>in</strong>kommen,<br />
die e<strong>in</strong>en groûen Teil ihres<br />
E<strong>in</strong>kommen für die Lebenshaltung ausgeben<br />
müssen, s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige<br />
Besteuerung vergleichsweise stärker betroffen<br />
als die Bezieher hoher E<strong>in</strong>kommen, die<br />
mehr sparen können. Die Erhöhung <strong>der</strong><br />
Mehrwertsteuer ist deshalb abzulehnen.<br />
2.3 Europäische Wirtschaftspolitik<br />
Der Begriff ¹Globalisierungª für <strong>in</strong>ternationale<br />
wirtschaftliche Entwicklungen verfälscht<br />
die realen Gegebenheiten. Denn es<br />
handelt sich nicht wirklich um globale,<br />
alle Län<strong>der</strong> und Regionen <strong>der</strong> Erde gleichermaûen<br />
betreffende Trends. Intensiviert<br />
hat sich vielmehr <strong>der</strong> Austausch und<br />
die Konkurrenz <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> und zwischen<br />
den <strong>in</strong>dustriellen Kernregionen <strong>der</strong><br />
Erde: Europa, die Nafta und die ostasiatische<br />
Region. Für die Bundesrepublik ist<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftsraum EU wichtiger als alle<br />
Schwellenlän<strong>der</strong> Südostasiens o<strong>der</strong> die<br />
Reformstaaten Mittel- und Osteuropas
zusammen. Die Zahlen belegen dies:<br />
55 Prozent des deutschen Auûenhandels<br />
werden mit EU-Staaten abgewickelt,<br />
67 Prozent betreffen die G7-Staaten. Von<br />
den deutschen Direkt<strong>in</strong>vestitionen bleiben<br />
immerh<strong>in</strong> 62 Prozent <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU, <strong>in</strong> die<br />
mittel- und osteuropäischen Reformlän<strong>der</strong><br />
gehen gerade 4,3 Prozent, nach Asien nur<br />
1,6 Prozent <strong>der</strong> Mittel.<br />
Deutschland ist aufgrund se<strong>in</strong>er wirtschaftlichen<br />
Führungsstellung <strong>in</strong> Europa <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Lage, den wirtschaftspolitischen Kurs <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> EU entscheidend zu bee<strong>in</strong>flussen. Die<br />
deutsche Politik muû diesen E<strong>in</strong>fluû geltend<br />
machen und kooperative Strategien<br />
verfolgen: Wir wollen e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same<br />
europäische Wirtschaftspolitik, die sich<br />
zum Ziel setzt, Steuern und Sozialstandards<br />
zu harmonisieren und Wachstum und<br />
Beschäftigung durch konzertierte Investitionsprogramme<br />
zu sichern. Wir s<strong>in</strong>d auûerdem<br />
für e<strong>in</strong>e Währungsunion, die Berechenbarkeit<br />
schafft, ohne durch<br />
unangemessene Stabilitätskriterien Konjunktur<br />
und Beschäftigung zu gefährden.<br />
2.3.1 Europäische Steuerpolitik<br />
Wenn alle an<strong>der</strong>en Voraussetzungen gleich<br />
s<strong>in</strong>d, wan<strong>der</strong>n Unternehmen an den Standort<br />
ab, <strong>der</strong> mit den niedrigsten Steuern<br />
wirbt. Deswegen zw<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>seitige Steuersenkungen<br />
e<strong>in</strong>er Nation vergleichbare<br />
Standorte ihrerseits zu Senkungen. Zwei<br />
Jahrzehnte europäischer Steuersenkungswettlauf<br />
haben so dazu geführt, daû die<br />
Belastungen auf den Produktionsfaktor<br />
Kapital ständig zurückgegangen, die auf<br />
den Faktor Arbeit jedoch gestiegen s<strong>in</strong>d.<br />
Zwischen 1980 und 1994 wachsen Steuern<br />
und Abgaben auf Arbeit von 34,7 auf<br />
40,5 Prozent, diejenigen auf Kapital, selbständige<br />
Arbeit, Energie und natürliche<br />
Ressourcen sanken h<strong>in</strong>gegen von 44,1 auf<br />
35,2 Prozent. Damit verteuert <strong>der</strong> Steuerwettbewerb<br />
Beschäftigung und ist auf diesem<br />
Weg für Arbeitslosigkeit mitverantwortlich.<br />
Auch um den nötigen staatlichen<br />
F<strong>in</strong>anzspielraum zu erhalten, ist e<strong>in</strong>e ausreichende<br />
Besteuerung von Unternehmensgew<strong>in</strong>nen<br />
unverzichtbar. Die Standortfaktoren<br />
Infrastruktur und Bildung,<br />
Forschung, sozialer Friede und e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>takte<br />
Umwelt müssen f<strong>in</strong>anziert werden. Um die<br />
Drehung <strong>der</strong> Abwärtsspirale zu stoppen,<br />
müssen die europäischen Unternehmenssteuern<br />
harmonisiert werden. Die effektiven<br />
Steuersätze müssen dazu angeglichen,<br />
Steueroasen müssen ausgetrocknet werden.<br />
Die wirkungsvolle Besteuerung von Vermögense<strong>in</strong>künften<br />
kann bislang umgangen<br />
werden, weil Z<strong>in</strong>sen <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen<br />
Union nicht e<strong>in</strong>heitlich besteuert werden<br />
und das Bankgeheimnis Steuerflüchtige<br />
schützt. E<strong>in</strong>e effektive nationale Besteuerung<br />
von Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künften muû also durch<br />
europäische Maûnahmen flankiert werden.<br />
Wir for<strong>der</strong>n deshalb Kontrollmitteilungen<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute an die F<strong>in</strong>anzbehörden<br />
des Heimatlandes <strong>der</strong> Geldanleger und<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche europäische Quellensteuer.<br />
Diese Quellensteuer sollte nicht<br />
unter den deutschen Quellensteuersätzen<br />
liegen. E<strong>in</strong> Steuersatz von nur 15 Prozent<br />
(wie von <strong>der</strong> europäischen Kommission<br />
vorgeschlagen) ersche<strong>in</strong>t uns zu niedrig<br />
und damit <strong>in</strong>effizient.<br />
Der Preis für e<strong>in</strong>e Harmonisierung von<br />
Unternehmens- und Z<strong>in</strong>ssteuern könnte<br />
für die Bundesrepublik e<strong>in</strong>e Anhebung <strong>der</strong><br />
Mehrwertsteuern se<strong>in</strong>. Im Rahmen <strong>der</strong><br />
europäischen Mehrwertsteuerharmonisierung,<br />
<strong>in</strong>sb. mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung des<br />
Ursprungslandpr<strong>in</strong>zips, wird <strong>der</strong> Druck auf<br />
Deutschland wachsen, se<strong>in</strong>en Normalsatz<br />
von 15 Prozent weiter anzuheben. Auch<br />
aus e<strong>in</strong>em zweiten Grund wird es e<strong>in</strong>en<br />
Trend h<strong>in</strong> zu den <strong>in</strong>direkten Steuern<br />
geben: Die Mehrwertsteuer ist an den<br />
Marktplatz gebunden und damit schwerer<br />
zu umgehen als Steuern auf Vermögenso<strong>der</strong><br />
Unternehmere<strong>in</strong>künfte. Als Sozialdemokraten<br />
müssen wir for<strong>der</strong>n, daû e<strong>in</strong>e<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer als allerletzte<br />
Maûnahme <strong>der</strong> europäischen Steuerharmonisierung<br />
und nur dann erfolgt,<br />
wenn Vermögense<strong>in</strong>künfte und Unternehmensgew<strong>in</strong>ne<br />
ausreichend besteuert wurden.<br />
Sie müûte für die Empfänger von<br />
Sozialtransfers und für die Bezieher von<br />
kle<strong>in</strong>eren und mittleren E<strong>in</strong>kommen kompensiert<br />
werden. Dies kann durch die<br />
Erhöhung von Sozialhilfe, Rentenzahlun-<br />
157
gen, K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld, Wohngeld und BAföG<br />
und die zusätzliche Senkung <strong>der</strong> Lohnsteuer<br />
im unteren Bereich geschehen. E<strong>in</strong><br />
Teil <strong>der</strong> erzielten Mehre<strong>in</strong>nahmen s<strong>in</strong>d auf<br />
diesem Wege an die Bevölkerung zurückzugeben;<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Teil sollte für staatliche<br />
Investitionen, für Bildung und Forschung<br />
und für die Arbeitsför<strong>der</strong>ung<br />
verwendet werden. Güter, die von e<strong>in</strong>kommensschwachen<br />
Haushalten <strong>in</strong> gröûerem<br />
Maûe konsumiert werden, sollten weiterh<strong>in</strong><br />
nur niedrig besteuert werden. Der vorgegebene<br />
Rahmen muû nach unten voll ausgeschöpft<br />
werden. Schon jetzt liegt <strong>der</strong><br />
erniedrigte Mehrwertsteuersatz für Güter<br />
des täglichen Bedarfs mit 7 Prozent über<br />
dem möglichen europäischen M<strong>in</strong>imalwert<br />
von 5 Prozent. Das EU-Recht muû auûerdem<br />
so geän<strong>der</strong>t werden, daû Luxussteuern<br />
erhoben werden können. Mit e<strong>in</strong>er erhöhten<br />
Mehrwertsteuer sollen diejenigen<br />
Güter und Dienste belegt werden, die verstärkt<br />
von Beziehern höherer E<strong>in</strong>kommen<br />
nachgefragt werden.<br />
2.3.2 Investitions<strong>in</strong>itiative<br />
Als groûer B<strong>in</strong>nenmarkt mit e<strong>in</strong>em Auûenhandelsanteil<br />
von wenig über 10 Prozent<br />
ist die EU das ideale Feld für e<strong>in</strong>e breitangelegte<br />
Investitions<strong>in</strong>itiative. Wenn sich<br />
mehrere groûe Mitgliedslän<strong>der</strong> an Aktionen<br />
wie dem MOB (s. 2.2) beteiligen,<br />
kann e<strong>in</strong> höherer Multiplikator (jede <strong>in</strong>vestierte<br />
Mark brächte dann ca. 3 bis<br />
4 Mark) angesetzt werden, als wenn nur<br />
die Bundesrepublik alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Investitionsprogramm<br />
auflegt. E<strong>in</strong> vielversprechendes<br />
Konzept besteht schon seit 1993 im Weiûbuch<br />
¹Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit,<br />
Beschäftigungª <strong>der</strong> Kommission <strong>der</strong> Europäischen<br />
Geme<strong>in</strong>schaften. Der sogenannte<br />
¹Delors-Planª regt Investitionen <strong>in</strong> transeuropäische<br />
Netze, Entwicklung, Forschung,<br />
Bildung und Ökologie an. E<strong>in</strong><br />
vergleichbares Programm ± auf e<strong>in</strong>en neueren<br />
Stand gebracht ± muû e<strong>in</strong> Kernstück<br />
sozialdemokratischer Europapolitik se<strong>in</strong>.<br />
2.3.3 Währungsunion<br />
Gedeihliche Wirtschaftsbeziehungen <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union bedürfen<br />
e<strong>in</strong>er berechenbaren Währungspolitik.<br />
158<br />
Deshalb for<strong>der</strong>n wir die pünktliche E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong> Währungsunion. Überdacht werden<br />
müssen jedoch die Kriterien, die im<br />
Vertrag von Maastricht für den Beitritt<br />
festgelegt wurden. Als Bed<strong>in</strong>gungen für<br />
e<strong>in</strong>e Teilnahme dürfen e<strong>in</strong>zig e<strong>in</strong>e niedrige<br />
Inflationsrate und die Stabilität <strong>der</strong> Währung<br />
im europäischen Vergleich gelten. Das<br />
Verschuldungskriterium schlieût nicht nur<br />
Län<strong>der</strong> aus, <strong>der</strong>en Geldwert sich seit e<strong>in</strong>iger<br />
Zeit stabilisiert hat, es verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t darüber<br />
h<strong>in</strong>aus Beschäftigungsprogramme, die<br />
wir gerade jetzt angesichts <strong>der</strong> hohen<br />
Arbeitslosigkeit für nötig halten. Geradezu<br />
katastrophal werden sich die Vere<strong>in</strong>barungen<br />
des Stabilitätspaktes (sog. Waigel-Pakt)<br />
auswirken. Sie würden den Regierungen<br />
jegliche Möglichkeit nehmen, auf Konjunkture<strong>in</strong>brüche<br />
angemessen zu reagieren. Wir<br />
for<strong>der</strong>n deswegen regelmäûige Konferenzen,<br />
auf denen das Defizit- und das Verschuldungskriterium<br />
je nach Wirtschaftsund<br />
Beschäftigungslage differenziert festgesetzt<br />
werden.<br />
Der Vertrag von Maastricht muû auûerdem<br />
um e<strong>in</strong>e beschäftigungspolitische Komponente<br />
ergänzt werden. Da es konkurrenzschwächeren<br />
Län<strong>der</strong>n nicht mehr möglich<br />
se<strong>in</strong> wird, Wettbewerbsfähigkeit durch<br />
Abwertung <strong>der</strong> Landeswährung herbeizuführen,<br />
wird sich <strong>der</strong> Druck im sozialen<br />
und ökologischen Bereich verstärken. Die<br />
teilnehmenden Län<strong>der</strong> müssen deshalb darauf<br />
festgelegt werden, die jetzigen Niveaus<br />
<strong>in</strong> den genannten Politikfel<strong>der</strong>n beizubehalten.<br />
E<strong>in</strong> ¹Verschlechterungsverbotª <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Sozial- und Ökologiepolitik muû also<br />
die Währungsunion flankieren.<br />
Die Währungsunion ist auch deswegen<br />
wünschenswert, um die geldpolitische<br />
Hegemonie <strong>der</strong> Bundesbank zu beenden.<br />
Bislang bestimmt die Bundesbank de facto<br />
die europäische Geldpolitik, ohne daû die<br />
betroffenen Län<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Chance hätten,<br />
die Haltung <strong>der</strong> deutschen Zentralbank zu<br />
bee<strong>in</strong>flussen. Der rigide Kurs <strong>der</strong> Bundesbank<br />
hemmt durch relativ hohe Realz<strong>in</strong>sen<br />
die Investitionen und verschärft die<br />
Beschäftigungslage zusätzlich. E<strong>in</strong>e europäische<br />
Zentralbank sollte verpflichtet werden,<br />
neben <strong>der</strong> Geldwertstabilität an<strong>der</strong>e
gleichrangige wirtschaftspolitische Ziele<br />
(<strong>in</strong>sb. Wachstum und Vollbeschäftigung) zu<br />
verfolgen. Wir unterstützen deshalb den<br />
Antrag des Juso-Landesbezirks, <strong>der</strong> folgendes<br />
vorsieht: Die EZB wird dem Europa-<br />
Parlament rechenschaftspflichtig. Das Parlament<br />
wählt die Direktoriumsmitglie<strong>der</strong>.<br />
Für beson<strong>der</strong>e Konfliktfälle <strong>in</strong> Phasen <strong>der</strong><br />
Rezession entscheidet e<strong>in</strong>e Schiedskommission<br />
± zusammengesetzt aus Mitglie<strong>der</strong>n<br />
des europäischen Parlamentes und <strong>der</strong><br />
Zentralbank, aus Arbeitgeber- und<br />
Gewerkschaftsvertretern ± über die geeignete<br />
Geldpolitik.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 63<br />
Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Sozialdemokratische Wege<br />
aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />
Erfor<strong>der</strong>lich ist . . . 1. E<strong>in</strong> neuer Gesellschaftsvertrag<br />
Wir wollen. . . . . . . 2. Die neoliberale<br />
Globalisierung<br />
politisch bekämpfen.<br />
Die . . . . . . . . . . . . . 3. Krise <strong>der</strong> Erwerbsarbeit<br />
ist e<strong>in</strong>e . . . . . . . . . . 4. Bedrohung <strong>der</strong> sozialen<br />
Sicherheit<br />
Wir schlagen . . . . . 5. Wege aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />
vor und wollen, daû 6. Europa als sozialer<br />
Kont<strong>in</strong>ent<br />
gestaltet wird.<br />
Dazu brauchen wir 7. E<strong>in</strong>e neue soziale<br />
Bewegung<br />
1. E<strong>in</strong> neuer Gesellschaftsvertrag<br />
1.1. Kohl und die Koalition aus CDU,<br />
CSU und F.D.P. haben bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />
<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit kläglich<br />
versagt. Noch nie gab es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
mehr Erwerbslose als im Januar<br />
1997, die Tendenz ist weiter steigend. Die-<br />
ser traurige Nachkriegsrekord von etwa<br />
4,7 Millionen wurde zuletzt im Deutschen<br />
Reich im Jahr 1933 überschritten. ...<br />
1.2. Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik<br />
<strong>der</strong> Regierung Kohl ist gescheitert.<br />
Auch mit e<strong>in</strong>er Erhöhung <strong>der</strong> Massenkaufkraft<br />
und <strong>der</strong> Erschlieûung neuer Wachstumsfel<strong>der</strong><br />
alle<strong>in</strong> wird sich die Arbeitslosigkeit<br />
nicht beseitigen lassen. Das<br />
ökonomisch erreichbare und ökologisch<br />
verantwortbare Wachstum wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Regel h<strong>in</strong>ter dem Anstieg <strong>der</strong> Produktivität<br />
zurückbleiben.<br />
1.3. Diese Entwicklung hebelt den <strong>in</strong>dustriellen<br />
Gesellschaftsvertrag aus. Immer<br />
mehr Waren und Dienstleistungen werden<br />
erzeugt, ohne daû entsprechendes E<strong>in</strong>kommen<br />
auf <strong>der</strong> Nachfrageseite entsteht. Wenn<br />
die alte Industriegesellschaft an ihrer<br />
Fähigkeit scheitert, gesellschaftlichen<br />
Wohlstand mit immer weniger menschlicher<br />
Arbeitskraft zu schaffen, muû e<strong>in</strong><br />
neuer Gesellschaftsvertrag zur Sicherung<br />
von E<strong>in</strong>kommen und Beschäftigung für alle<br />
geschlossen werden.<br />
1.4. Diese Aufgabe ist von existenzieller<br />
Bedeutung für die Zukunft, sie ist e<strong>in</strong>e<br />
politische Geme<strong>in</strong>schaftsaufgabe, die nicht<br />
alle<strong>in</strong> von den Tarifvertragspartnern bewältigt<br />
werden kann. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />
und Sozialdemokraten wollen uns dieser<br />
Aufgabe stellen: Es geht um die<br />
demokratische Neugestaltung <strong>der</strong> Arbeit<br />
und um die Teilhabe an E<strong>in</strong>kommen.<br />
2. Die neoliberale Globalisierung<br />
2.1. Die Globalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Lohnm<strong>in</strong>imierung<br />
und des Abbaus von Arbeitnehmerrechten<br />
führt zur sozialen Krise und untergräbt<br />
die Grundlagen <strong>der</strong> sozialen<br />
Sicherungssysteme. Dabei ist nicht die<br />
<strong>in</strong>ternationale Integration <strong>der</strong> Produktionsund<br />
Dienstleistungssysteme das eigentliche<br />
Problem, son<strong>der</strong>n diese Form <strong>der</strong> Globalisierung,<br />
durch die kulturelle, soziale und<br />
politische Strukturen aufgelöst werden.<br />
2.2. Die Begrenzung des ru<strong>in</strong>ösen <strong>in</strong>ternationalen<br />
Wettbewerbs, solange er unter<br />
159
ungleichen sozialen und ökologischen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen stattf<strong>in</strong>det, ist e<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />
zur langfristigen Sicherung unseres<br />
Sozialstaates. Wir werden uns deshalb<br />
dafür e<strong>in</strong>setzen, daû <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Abkommen Sozial- und Umweltnormen<br />
e<strong>in</strong>geführt werden, die unerläûliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />
darstellen, um die soziale Sicherheit<br />
und die Natur zu erhalten und gleichzeitig<br />
akzeptable Standards <strong>in</strong> den heutigen<br />
Billiglohnlän<strong>der</strong>n aufzubauen.<br />
2.3. E<strong>in</strong>e sozialdemokratische Alternative<br />
zur neoliberalen Wirtschaftspolitik muû<br />
weiter vor allem auch Unternehmen schützen<br />
und för<strong>der</strong>n, die bereit s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>novative<br />
Produkte zu entwickeln. Dieser produktive<br />
Teil <strong>der</strong> Wirtschaft wird bedroht durch die<br />
kurzfristigen und spekulativen Interessen<br />
auf den globalisierten Geld- und F<strong>in</strong>anzmärkten.<br />
Grundsätzlich kann diesem Problem<br />
nur <strong>in</strong>ternational durch die E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>er Transaktionssteuer <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
auf F<strong>in</strong>anzspekulationen begegnet werden.<br />
3. Krise <strong>der</strong> Erwerbsarbeit<br />
3.1. In neoliberalen Politik- und Wirtschaftszirkeln<br />
wird davon ausgegangen, daû<br />
künftig nur noch e<strong>in</strong> Fünftel <strong>der</strong> arbeitsfähigen<br />
Bevölkerung für den Erwerbsarbeitsmarkt<br />
benötigt wird, die verbleibenden<br />
80 Prozent müûten durch Unterhaltung<br />
und gerade ausreichende Ernährung ruhiggestellt<br />
werden. Diese ¹Visionª e<strong>in</strong>er<br />
Zukunftsgesellschaft ist menschenverachtend,<br />
sie spaltet die Gesellschaft und verabschiedet<br />
sich letztlich vom demokratisch<br />
verfuûten Sozialstaat.<br />
3.2. Auch wir erkennen, daû <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft das Erwerbsarbeitsvolumen<br />
ständig ger<strong>in</strong>ger wird. Die Arbeitsplatzverluste<br />
können auch nicht durch neue<br />
Beschäftigung im Dienstleistungssektor<br />
ausgeglichen werden, weil die Produktivitätssprünge<br />
gerade im tertiären Bereich zu<br />
gravierenden neuen Beschäftigungse<strong>in</strong>brüchen<br />
führen werden.<br />
3.3. Gleichwohl treten wir für e<strong>in</strong>e ökologische<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Wirtschaft e<strong>in</strong>,<br />
mit <strong>der</strong> Arbeitsplätze durch qualitatives<br />
160<br />
Wachstum gesichert o<strong>der</strong> geschaffen werden<br />
können. Dabei soll <strong>der</strong> Schwerpunkt<br />
bei <strong>der</strong> Unterstützung kle<strong>in</strong>erer und mittlerer<br />
Betriebe gesetzt werden, weil dort die<br />
Chance für zusätzliche Arbeitsplätze am<br />
gröûten ist.<br />
3.4. Wir wollen ke<strong>in</strong>en Abbau, son<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong>en Ausbau <strong>der</strong> arbeitsmarktpolitischen<br />
Instrumente und e<strong>in</strong>e grundlegende<br />
Reform <strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ung, durch die<br />
e<strong>in</strong>e aktive und präventive Arbeitsmarktpolitik<br />
gesetzlich vorgeschrieben wird. Die<br />
Träger von Maûnahmen im sogenannten<br />
2. Arbeitsmarkt und die TeilnehmerInnen<br />
benötigen längerfristige Planungssicherheiten.<br />
Deshalb müssen die För<strong>der</strong>ungs<strong>in</strong>strumente<br />
verstetigt werden. Die F<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>der</strong> aktiven Arbeitsmarktpolitik ist e<strong>in</strong>e<br />
staatliche Aufgabe und muû aus allgeme<strong>in</strong>en<br />
Steuermitteln erfolgen.<br />
3.5. Aktive Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für sozial<br />
benachteiligte Menschen wichtige und<br />
unverzichtbare sozialpolitische Instrumente,<br />
durch sie kann die Erwerbsarbeitskrise<br />
aber nicht bewältigt werden. Prognosen<br />
gehen davon aus, daû <strong>in</strong> wenigen<br />
Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union zusätzlich<br />
15 Millionen Erwerbsarbeitsplätze fehlen<br />
werden, was e<strong>in</strong>er Verdoppelung <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong>zeitigen Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> Europa entsprechen<br />
würde. Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
kann Vollbeschäftigung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er<br />
35-Stundenwoche für alle, die erwerbsarbeiten<br />
wollen und können, nicht dargestellt<br />
werden. Diese Entwicklung verän<strong>der</strong>t die<br />
Gesellschaft so grundlegend und radikal<br />
wie die Industrialisierung. Wir müssen lernen,<br />
über die traditionelle Erwerbsarbeitsgesellschaft<br />
h<strong>in</strong>auszudenken.<br />
4. Bedrohung <strong>der</strong> sozialen Sicherheit<br />
4.1. Durch die enge B<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Absicherung<br />
allgeme<strong>in</strong>er Lebensrisiken an die<br />
durch Erwerbsarbeit erzielbaren E<strong>in</strong>kommen<br />
ist unser System <strong>der</strong> sozialen Sicherung<br />
unter den Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
gefährdet.
Die konservativ-liberale Bundesregierung<br />
führt <strong>der</strong>zeit vor, wie ihre Problemlösung<br />
aussieht: Leistungskürzungen <strong>in</strong> allen<br />
Sozialversicherungsbereichen, Privatisierung<br />
<strong>der</strong> Risikoabsicherung und Abschaffung<br />
<strong>der</strong> paritätischen Beitragsf<strong>in</strong>anzierung.<br />
Diese Politik stellt unseren erfolgreichen<br />
Sozialstaat <strong>in</strong> Frage und gefährdet die<br />
Demokratie.<br />
4.2. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
wollen die solidarische Absicherung<br />
<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Lebensrisiken für<br />
alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft erhalten<br />
und ausbauen. Durch die Strategie <strong>der</strong><br />
weitgehenden Arbeitszeitverkürzungen<br />
bekämpfen wir wirksam die Massenarbeitslosigkeit<br />
und sichern zugleich die F<strong>in</strong>anzierungsgrundlagen<br />
<strong>der</strong> Sicherungssysteme.<br />
4.3. Kurzfristig müssen die Sozialversicherungssysteme<br />
von allen versicherungsfremden<br />
Leistungen entlastet werden. Die<br />
F<strong>in</strong>anzierung dieser Aufgaben muû aus allgeme<strong>in</strong>en<br />
Steuermitteln erfolgen.<br />
4.4. Unsere Sozialpolitik muû von e<strong>in</strong>er<br />
nachträglich auszugleichenden zu e<strong>in</strong>er<br />
vorbeugenden Sozialpolitik weiterentwikkelt<br />
werden. Die Institutionen des Sozialstaates<br />
müssen effizienter organisiert werden.<br />
Wir setzen uns daher für e<strong>in</strong>e<br />
Verstärkung <strong>der</strong> Prävention auf allen Ebenen<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für e<strong>in</strong>e Verbesserung<br />
des Arbeitsschutzes e<strong>in</strong>. Die Wirtschafts-,<br />
Verkehrs- und Städtebaupolitik<br />
muû an sozial- und gesundheitspolitischen<br />
Zielen orientiert se<strong>in</strong>, um die Schädigung<br />
<strong>der</strong> Menschen und die Verursachung<br />
gesellschaftlicher und <strong>in</strong>dividueller Kosten<br />
zu m<strong>in</strong>imieren.<br />
5. Wege aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />
5.1. Die <strong>SPD</strong> f<strong>in</strong>det sich nicht ab mit den<br />
gesellschafts- und geme<strong>in</strong>schaftszerstörenden<br />
Auswirkungen <strong>der</strong> strukturellen<br />
Erwerbsarbeitskrise. Sie begreift die künftige<br />
soziale Gestaltung und Anerkennung<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Dimensionen menschlicher<br />
Tätigkeit und die solidarische Absicherung<br />
allgeme<strong>in</strong>er Lebensrisiken als ihre<br />
zentralen politischen Aufgaben. Die sozial-<br />
demokratische Alternative ist e<strong>in</strong>e solidarische<br />
Gesellschaft, die die Produktivitätsgew<strong>in</strong>ne<br />
für Arbeitszeitverkürzungen und<br />
E<strong>in</strong>kommenssicherung verwendet.<br />
5.2. Die Lösung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise<br />
erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e grundsätzliche Neuorientierung<br />
und e<strong>in</strong>e Handlungsstrategie, die längerfristige<br />
Zielsetzungen für e<strong>in</strong>e künftige<br />
Gesellschaft mit pragmatischen sozial- und<br />
arbeitsmarktpolitischen Konzepten verknüpft.<br />
Die <strong>SPD</strong> will dabei auch die Verengung<br />
des Arbeitsbegriffes auf den Aspekt<br />
<strong>der</strong> Erwerbsarbeit überw<strong>in</strong>den. Die<br />
Erwerbsarbeit als marktvermittelte Tätigkeit<br />
gegen Entgelt ist nur e<strong>in</strong>e geschichtliche<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsform <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> <strong>in</strong>dustrialisierten<br />
Gesellschaften. Sie ist ke<strong>in</strong><br />
existenzielles Merkmal des Menschen,<br />
obwohl sie häufig so bewertet wird. Eigenarbeit<br />
ohne Tauschbeziehungen und freie<br />
Tätigkeiten müssen als gesellschaftlich<br />
gleichwertig neben die Erwerbsarbeit treten.<br />
5.3. Die notwendige gesellschaftliche Aufwertung<br />
<strong>der</strong> Eigenarbeit (z. B. Hausarbeit,<br />
Erziehungsarbeit) und <strong>der</strong> freien Tätigkeiten<br />
(ehrenamtliche Arbeit) muû verbunden<br />
werden mit e<strong>in</strong>er fairen Verteilung und<br />
e<strong>in</strong>er gerechten Bewertung dieser Nichterwerbsarbeiten<br />
zwischen Frauen und Männern.<br />
Die Ausweitung von schlecht bezahlten<br />
und sozial ungesicherten Dienstleistungen<br />
stellt ke<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> Krise des Erwerbsarbeitssystems<br />
dar. E<strong>in</strong>e solche Strategie<br />
führt zu e<strong>in</strong>er Dualgesellschaft: Der e<strong>in</strong>e<br />
Teil gehört zu denjenigen, die durch immer<br />
mehr Erwerbsarbeit immer mehr verdienen,<br />
um sich die Dienste e<strong>in</strong>er wachsenden<br />
Armee schlecht bezahlter Dienstboten zum<br />
persönlichen Vergnügen leisten zu können.<br />
Dieses Lebens- und Erwerbsmodell entspricht<br />
nicht unseren Zielvorstellungen von<br />
e<strong>in</strong>er gerechten Gesellschaft und von e<strong>in</strong>er<br />
gerechten Verteilung <strong>der</strong> bezahlten und<br />
unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und<br />
Männern.<br />
5.4. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
wollen, daû alle Menschen an<br />
161
den Produktivitätsfortschritten teilhaben<br />
und setzen uns im Rahmen des neuen<br />
Gesellschaftsvertrages dafür e<strong>in</strong>, die <strong>in</strong>dividuelle<br />
Zeitautonomie, d.h. die Verfügbarkeit<br />
über die eigene Lebensarbeitszeit, zu<br />
erhöhen. Die Verwirklichung dieser allgeme<strong>in</strong>en<br />
Zielsetzung erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e neue<br />
Arbeitszeit- und E<strong>in</strong>kommenspolitik, durch<br />
die e<strong>in</strong> Recht auf immer weniger Erwerbsarbeit<br />
für alle verbunden wird mit e<strong>in</strong>em<br />
Recht auf zeitweilige Nichtarbeit und entsprechende<br />
Transferleistungen für erwerbsarbeitsfreie<br />
Perioden.<br />
5.5. Die Produktivitätssteigerungen<br />
ermöglichen objektiv weitgehende<br />
Erwerbsarbeitszeitverkürzungen, durch die<br />
die Massenarbeitslosigkeit von Millionen<br />
Menschen transformiert werden könnte zu<br />
e<strong>in</strong>em Recht auf weniger Erwerbsarbeit für<br />
alle. Die bisher von den Gewerkschaften<br />
erkämpften Arbeitszeitverkürzungen haben<br />
nachweisbar positive Beschäftigungseffekte<br />
gehabt. Sie s<strong>in</strong>d vergleichsweise ger<strong>in</strong>g ausgefallen,<br />
weil sie <strong>in</strong> zu kle<strong>in</strong>en Schritten<br />
und über zu lange Zeiträume realisiert<br />
wurden und so teilweise durch Rationalisierungen<br />
neutralisiert werden konnten.<br />
5.6. E<strong>in</strong>e gesamtwirtschaftliche Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Erwerbsarbeitszeit um etwa 20 %<br />
<strong>in</strong> vier Stufen, verbunden mit e<strong>in</strong>er aktiven<br />
Beschäftigungspolitik, führt zu e<strong>in</strong>er weitgehenden<br />
Lösung <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskrise.<br />
Der technologische Fortschritt und <strong>der</strong><br />
wirtschaftliche Strukturwandel sowie die<br />
immer kürzer werdende Halbwertzeit des<br />
erlernten Wissens machen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />
e<strong>in</strong> ständiges Um-, Weiter- und Neulernen<br />
erfor<strong>der</strong>lich. Lebenslanges Lernen<br />
erhält für die Beschäftigten und <strong>der</strong>en Entwicklungsmöglichkeiten<br />
am Arbeitsplatz<br />
e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung. In e<strong>in</strong>em ressourcenarmen<br />
Land ist daher die Qualifizierung<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen, also die ¹Investition<br />
<strong>in</strong> die Köpfe <strong>der</strong> Menschenª e<strong>in</strong>e zentrale<br />
Aufgabe. Angesichts <strong>der</strong> weltwirtschaftlichen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen im<br />
<strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb und <strong>der</strong> Entwicklung<br />
<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Informations- und<br />
Kommunikationstechnologie brauchen wir<br />
e<strong>in</strong>e bundesweite Bildungsoffensive. Daher<br />
162<br />
s<strong>in</strong>d Zeiten <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung auch<br />
verstärkt für Weiterbildung zu nutzen.<br />
E<strong>in</strong>e Politik des ¹Weiterbilden und E<strong>in</strong>stellenª,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beschäftigte, auch über längere<br />
Zeiträume, ihre Arbeitszeit verkürzen<br />
und an Weiterbildungsveranstaltungen teilnehmen,<br />
soll gleichzeitig dazu beitragen,<br />
daû Arbeitslose im Rahmen <strong>der</strong> für<br />
Beschäftigung freigewordenen Zeit e<strong>in</strong>gestellt<br />
und <strong>in</strong> die Unternehmen <strong>in</strong>tegriert<br />
werden können. Auf diesem Weg lieûen<br />
sich auch kont<strong>in</strong>uierliche Weiterbildungsprozesse<br />
<strong>in</strong> rollierenden Systemen von<br />
Arbeit und Weiterbildung organisieren.<br />
Diese Strategie <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />
und Weiterbildung muû abgestützt werden<br />
durch die Zahlung von Lohnersatzleistungen<br />
zum teilweisen Ausgleich <strong>der</strong> Nettolohnverluste.<br />
Durch e<strong>in</strong>e solche Strategie<br />
würden E<strong>in</strong>kommen und Erwerbsarbeitszeit<br />
teilweise entkoppelt. Wir wollen vielfältige<br />
Formen <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzungen<br />
ermöglichen, die den spezifischen Notwendigkeiten<br />
<strong>der</strong> Betriebe ebenso wie den<br />
lebensgeschichtlichen Situationen <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen gerecht werden.<br />
Durch die Schaffung von mehr sozialversicherten<br />
Teilzeitarbeitsplätzen kann die<br />
Politik <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung ergänzt<br />
werden. In Dänemark erhalten z. B. nach<br />
dem 1993 beschlossenen Urlaubsgesetz<br />
Beschäftigte, die sich bei vollem Rückkehrrecht<br />
<strong>in</strong> beliebigen Zeitabschnitten für <strong>in</strong>sgesamt<br />
e<strong>in</strong> Jahr freistellen lassen, für diese<br />
Zeit e<strong>in</strong>en Lohnausgleich etwa <strong>in</strong> Höhe<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosenhilfe <strong>in</strong> Deutschland. Diese<br />
Möglichkeit konnte <strong>in</strong> Dänemark <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen<br />
Betrieben so umgesetzt werden, daû<br />
die Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten um bis zu 25 %<br />
stieg.<br />
5.7. Zum teilweisen Ausgleich <strong>der</strong> Nettolohnverluste<br />
muû bei <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />
Arbeit e<strong>in</strong> ¹Arbeitszeitverkürzungs- und<br />
Qualifizierungsfondsª gebildet werden, <strong>der</strong><br />
aus ihren Mitteln mitf<strong>in</strong>anziert wird. Mittelfristig<br />
muû auch <strong>der</strong> Produktionsfaktor<br />
Kapital zur F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik<br />
herangezogen werden. Wir erwarten<br />
von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> auf Bundesebene, daû sie entsprechende<br />
Konzepte entwickelt. Kurzfri-
stig wollen wir die Lohnnebenkosten und<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Beiträge zur Bundesanstalt<br />
für Arbeit durch e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />
ökologische Steuerreform senken. Wir<br />
schlagen vor, weitere F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten,<br />
mit denen vor allem bisher steuerlich<br />
nicht erfaûte Gew<strong>in</strong>ne und Erträge<br />
herangezogen werden sollen, <strong>in</strong> die Diskussion<br />
e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
6. Europa als sozialer Kont<strong>in</strong>ent<br />
6.1. Wir wissen, daû die sozialen und wirtschaftlichen<br />
Probleme <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
nicht losgelöst von europäischen und globalen<br />
Zusammenhängen betrachtet werden<br />
können. Daher darf das Ziel <strong>der</strong> E<strong>in</strong>igung<br />
Europas nicht nur <strong>der</strong> freie Waren- und<br />
Geldverkehr se<strong>in</strong>. Viel stärker als bisher<br />
muû die soziale Komponente betont werden:<br />
Wie Menschenrechte müssen auch<br />
soziale Absicherungen für alle Menschen <strong>in</strong><br />
Europa gelten.<br />
6.2. Die E<strong>in</strong>igung Europas bietet die<br />
Chance, hohe Sozialstandards auch dort zu<br />
erreichen, wo bisher ke<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> unzureichende<br />
Absicherungen bestehen.<br />
Derzeit versuchen Kräfte <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
und neoliberale Politiker das Gegenteil<br />
durchzusetzen: Senkung <strong>der</strong> sozialen Standards<br />
vom hohen auf das niedrigst mögliche<br />
Niveau. Dieser gefährlichen Entwicklung<br />
muû die Politik auf europäischer<br />
Ebene entgegenwirken. Denkbar wäre u. a.<br />
± wie kürzlich von <strong>der</strong> Internationalen<br />
Arbeitsorganisation gefor<strong>der</strong>t ± die E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>es kontrollierten <strong>in</strong>ternationalen<br />
¹Soziallabelsª, das den Verbrauchern die<br />
E<strong>in</strong>haltung sozialer und arbeitsrechtlicher<br />
Standards bei <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong> angebotenen<br />
Waren und Dienstleistungen garantiert.<br />
6.3 Europapolitik muû heute mehr denn je<br />
e<strong>in</strong>e Politik se<strong>in</strong>, die soziale Rechte, wo sie<br />
nicht europäisch zu verankern s<strong>in</strong>d, zum<strong>in</strong>dest<br />
<strong>in</strong> den Teilstaaten erhält. Wer nicht<br />
bereit ist, e<strong>in</strong> soziales Europa mitzugestalten,<br />
son<strong>der</strong>n an nationalen niedrigen<br />
Sozialstandards festhält, verfolgt e<strong>in</strong>e anti-<br />
europäische Politik, e<strong>in</strong>e Politik gegen die<br />
Menschen <strong>in</strong> Europa.<br />
7. E<strong>in</strong>e neue soziale Bewegung<br />
7.1. Die <strong>SPD</strong> will mit ihren alternativen<br />
¹Wegen aus <strong>der</strong> Erwerbsarbeitskriseª den<br />
Primat e<strong>in</strong>er sozialen Politik gegen den<br />
gesellschaftszerstörenden neoliberalen<br />
Marktradikalismus durchsetzen. Unsere<br />
Vorschläge für e<strong>in</strong>en neuen Gesellschaftsvertrag<br />
zur Arbeitszeitverkürzung und zur<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> programmatisches Angebot, e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>ladung zu e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Verständigung<br />
über e<strong>in</strong>e Neuorientierung <strong>der</strong><br />
Politik.<br />
7.2. Die geschichtlichen Erfahrungen auch<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik zeigen, daû e<strong>in</strong><br />
grundsätzlicher Richtungswechsel <strong>der</strong> Politik<br />
und die Durchsetzung neuer Ziele möglich<br />
s<strong>in</strong>d, wenn die Inhalte von e<strong>in</strong>er breiten<br />
sozialen Bewegung getragen werden.<br />
Deshalb streben wir e<strong>in</strong> weitgefuûtes Bündnis<br />
für den neuen Gesellschaftsvertrag an<br />
und wenden uns mit diesen Vorschlägen an<br />
Gewerkschaften, Unternehmensverbände,<br />
Betriebe, an Wohlfahrts-und Sozialverbände,<br />
an Kirchen und an die Wissenschaft.<br />
Wir wenden uns <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch an die<br />
junge Generation, an Arbeitslose, an die<br />
¾lteren, an sozial benachteiligte, an Menschen,<br />
die ke<strong>in</strong>er politischen Partei angehören,<br />
und laden alle dazu e<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e neue solidarische<br />
Gesellschaft aktiv mitzugestalten.<br />
7.3. Durch die Entkoppelung von<br />
Erwerbsarbeitszeit und E<strong>in</strong>kommen ergeben<br />
sich auch qualitativ neue Chancen für<br />
e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung geme<strong>in</strong>nütziger<br />
und lebensweltbezogener Tätigkeiten. Die<br />
vergröûerten Zeitbudgets ermöglichen es<br />
wesentlich mehr Menschen als vorher, sich<br />
<strong>in</strong> ehrenamtliche Arbeit, <strong>in</strong> nachbarschaftliche,<br />
solidarische Hilfen und persönliche<br />
Dienstleistungen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Die Bürgergesellschaft<br />
als neue Geme<strong>in</strong>schaftlichkeit<br />
kann gesellschaftliche Integration und<br />
sozialen Zusammenhalt entwickeln und<br />
festigen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />
163
Antrag I 64<br />
Unterbezirk München<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Arbeit für alle<br />
Fortwährend steigende Massenarbeitslosigkeit<br />
ist das deutlichste Anzeichen für das<br />
Scheitern <strong>der</strong> angebotsorientierten, alle<strong>in</strong><br />
auf den Markt fixierten Politik.<br />
Steuerentlastungen für Unternehmen und<br />
vermögende Schichten, massiver Sozialabbau<br />
und die Deregulierung <strong>der</strong> Arbeitsbeziehungen<br />
haben we<strong>der</strong> die Massenarbeitslosigkeit<br />
gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t, noch zu e<strong>in</strong>em stabilen<br />
und befriedigenden Wachstum geführt.<br />
Im Januar 1997 waren 4,7 Millionen Menschen<br />
offiziell als arbeitslos registriert. Fast<br />
e<strong>in</strong> Drittel davon s<strong>in</strong>d Langzeitarbeitslose.<br />
Alles <strong>in</strong> allem fehlten 1996 etwa 7,4 Millionen<br />
dauerhafte Arbeitsplätze. Die Gesamtkosten<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit, also die Kosten<br />
für Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe<br />
sowie die Ausfälle bei Steuern und Sozialbeiträgen,<br />
lagen 1996 bei etwa 160 Millionen<br />
DM.<br />
Die Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
ist das Schlüsselproblem <strong>in</strong> den hochentwickelten<br />
Industriestaaten.<br />
Für uns Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
s<strong>in</strong>d öffentliche Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />
<strong>in</strong> gesellschaftlichen Bedarfsfel<strong>der</strong>n,<br />
allgeme<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzungen<br />
und e<strong>in</strong>e reformierte aktive Arbeitsmarktpolitik<br />
zentrale Lösungsansätze zur Überw<strong>in</strong>dung<br />
<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit auf<br />
nationaler Ebene. Diese müssen durch wirkungsvolle<br />
struktur- und f<strong>in</strong>anzpolitische<br />
Maûnahmen ermöglicht und ergänzt werden.<br />
Wir wissen, daû Beschäftigungspolitik<br />
ebenso auf <strong>in</strong>ternationaler und europäischer<br />
Ebene ansetzen muû.<br />
1. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
setzen auf öffentliche Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />
<strong>in</strong> Bereichen, <strong>in</strong> denen gesellschaftlicher<br />
Bedarf besteht.<br />
164<br />
Trotz massiver Steuersenkungen für<br />
gewerbliche E<strong>in</strong>künfte und e<strong>in</strong>er auf<br />
durchschnittlich 18 Prozent gesunkenen<br />
Steuerbelastung für Unternehmensgew<strong>in</strong>ne<br />
gehen die arbeitsplatzschaffenden Investitionen<br />
<strong>der</strong> privaten Wirtschaft weiter<br />
zurück.<br />
Mit den Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen wollen wir<br />
e<strong>in</strong>e grundsätzliche, konjunkturunabhängige<br />
Aufstockung von beschäftigungsorientierten<br />
öffentlichen und öffentlich <strong>in</strong>itiierten<br />
Investitionen, die mit etwa 10 Jahren<br />
längerfristig auszurichten s<strong>in</strong>d.<br />
Dabei s<strong>in</strong>d gesellschaftliche Bedarfsfel<strong>der</strong><br />
zu för<strong>der</strong>n, die durch privatkapitalistische<br />
Unternehmen und über den Markt nicht<br />
o<strong>der</strong> nur teilweise berücksichtigt werden.<br />
Die Bedarfsfel<strong>der</strong> liegen vor allem <strong>in</strong> den<br />
Bereichen des sozialen Wohnungsbaus, des<br />
Ausbaus des öffentlichen Personen- und<br />
Güterverkehrs, des Hochschulausbaus, <strong>der</strong><br />
Forschung und Entwicklung, des Gesundheitswesens<br />
bzw. <strong>der</strong> Pflege und des Erziehungswesens,<br />
<strong>der</strong> Altlasten- und Abwassersanierung,<br />
<strong>der</strong> Reduzierung des CO 2-<br />
Ausstoûes und <strong>der</strong> Energieversorgung aus<br />
erneuerbaren Quellen. E<strong>in</strong>e Koord<strong>in</strong>ation<br />
auf Ebene <strong>der</strong> Europäischen Union ist<br />
anzustreben.<br />
Investitionen <strong>in</strong> gesellschaftlichen Bedarfsfel<strong>der</strong>n<br />
erzeugen Wachstum und Beschäftigung.<br />
Es entstehen Erwerbsarbeitsplätze<br />
etwa <strong>in</strong> den sozial-kulturellen und ökologischen<br />
Dienstleistungsbereichen und <strong>in</strong><br />
Bereichen mo<strong>der</strong>ner Technologien. Öffentliche<br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen s<strong>in</strong>d mit dem<br />
sozial-ökologischen Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft<br />
gekoppelt und begünstigen<br />
e<strong>in</strong>e beschäftigungs- und <strong>in</strong>dustriepolitische<br />
Weichenstellung: Umwelt-, Verkehrs-,<br />
und Energie- und Informationstechnologien<br />
werden erwartungsgemäû die ersten<br />
Jahrzehnte des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts bestimmen.<br />
Nach Berechnungen des Wirtschafts- und<br />
Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI)<br />
können mit öffentlichen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />
<strong>in</strong> Höhe von jährlich real 40 Milliarden<br />
DM über 500 000 Arbeitsplätze <strong>in</strong> etwa
10 Jahren geschaffen werden. Die Memoranden-Gruppe<br />
geht davon aus, daû mit<br />
e<strong>in</strong>em jährlichen Investitionsprogramm von<br />
100 Milliarden DM rund e<strong>in</strong>e Million<br />
zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden<br />
können.<br />
2. Um die Beschäftigungseffekte e<strong>in</strong>er<br />
öffentlichen Investitionsoffensive erheblich<br />
zu erhöhen, setzen wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />
und Sozialdemokraten auf e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e<br />
Arbeitszeitverkürzung.<br />
Im Mittelpunkt steht hierbei die Verkürzung<br />
<strong>der</strong> tariflichen Wochenarbeitszeit.<br />
Nach e<strong>in</strong>er Untersuchung des Deutschen<br />
Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)<br />
hat alle<strong>in</strong> die Verkürzung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />
Wochenarbeitszeit um etwa 3 Stunden<br />
von 1985 bis 1991 über e<strong>in</strong>e Million<br />
Arbeitsplätze geschaffen und gesichert.<br />
Frühere Erfahrungen zeigen, daû Arbeitszeitverkürzung<br />
e<strong>in</strong>e bestimmte Gröûe<br />
erreichen muû, damit sie beschäftigungswirksam<br />
ist. Die Arbeitsgruppe Alternative<br />
Wirtschaftspolitik führt <strong>in</strong> ihrem Memorandum<br />
©97 an, daû rechnerisch bei e<strong>in</strong>er<br />
Arbeitszeitverkürzung um 10 Prozent <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> gesamten Wirtschaft 3,5 Millionen<br />
Arbeitsplätze entstehen könnten. Würden<br />
nur die Hälfte dieser Arbeitsplätze geschaffen<br />
werden, wären dies immerh<strong>in</strong> 1,75 Millionen.<br />
Nach Berechnungen WSI ergäbe<br />
e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung auf durchschnittlich<br />
35 Stunden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Zeitraum von etwa 5 Jahren über<br />
e<strong>in</strong>e Million Arbeitsplätze. Diese Modellrechnungen<br />
verdeutlichen das enorme<br />
Beschäftigungspotential e<strong>in</strong>er Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Wochenarbeitszeit.<br />
Mit <strong>der</strong> Festlegung e<strong>in</strong>er verkürzten Normalarbeitszeit<br />
werden nicht nur Arbeitsplätze<br />
geschaffen. Die Belastungen und <strong>der</strong><br />
Verschleiû <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />
Arbeitnehmer nehmen ab, und durch die<br />
gewonnene freie Zeit erhöht sich die Möglichkeit<br />
zur Befriedigung persönlicher<br />
Bedürfnisse und zur Teilhabe am sozialen,<br />
kulturellen und politischen Leben. E<strong>in</strong>e<br />
gerechte Verteilung <strong>der</strong> Arbeit im privaten<br />
Bereich wird möglich. Bed<strong>in</strong>gung hierfür<br />
ist die Existenzsicherung für die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer und damit <strong>der</strong><br />
Lohnausgleich. Die Sicherung <strong>der</strong> Kaufkraft<br />
<strong>der</strong> privaten Haushalte ist auch aus<br />
gesamtwirtschaftlicher Sicht notwendig,<br />
um die B<strong>in</strong>nenmarktnachfrage zu erhöhen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> extremen Umverteilung zu<br />
Lasten <strong>der</strong> Löhne und Gehälter und zu<br />
Gunsten <strong>der</strong> Unternehmensgew<strong>in</strong>ne seit<br />
Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> achtziger Jahre, kann nicht<br />
davon die Rede se<strong>in</strong>, daû es ke<strong>in</strong>en Verteilungsspielraum<br />
gibt. Im Memorandum ©97<br />
wird festgestellt: Wäre die Verteilung des<br />
Volkse<strong>in</strong>kommens auf Nettolöhne und<br />
Nettogew<strong>in</strong>ne noch genauso wie 1980,<br />
dann wären 1996 die Löhne um 190,4 Milliarden<br />
DM höher und die Gew<strong>in</strong>ne um<br />
170 Milliarden DM niedriger ausgefallen.<br />
Wir bekräftigen die For<strong>der</strong>ung unseres<br />
Berl<strong>in</strong>er Programms. Wir streben zunächst<br />
die 30-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich<br />
an. Für uns ist dies e<strong>in</strong>e Maûnahme,<br />
im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong><br />
gestiegenen und ständig steigenden Produktivität<br />
für die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />
Arbeitnehmer zu nutzen.<br />
Flexible Arbeitszeitmodelle s<strong>in</strong>d als Mittel<br />
zur Durchsetzung gröûerer Zeitsouveränität<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten zu gestalten. Vere<strong>in</strong>barte<br />
Arbeitszeitverkürzungen dürfen nicht<br />
unterlaufen werden. Vielmehr müssen über<br />
die Zeitmodelle Arbeitsplätze geschaffen<br />
werden.<br />
Wir wollen, daû die Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis<br />
mit verkürzter Normalarbeitszeit<br />
tätig s<strong>in</strong>d.<br />
Das Normalarbeitsverhältnis beschreibt die<br />
Standards und Normen, die zu e<strong>in</strong>em ausreichend<br />
abgesicherten Beschäftigungsverhältnis<br />
gehören. Es ist e<strong>in</strong>e stabile, sozial<br />
abgesicherte, abhängige Vollzeitbeschäftigung,<br />
<strong>der</strong>en Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wie<br />
Arbeitszeit, Löhne und Transferleistungen<br />
kollektivvertraglich o<strong>der</strong> arbeits- bzw.<br />
sozialrechtlich auf e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destniveau<br />
geregelt s<strong>in</strong>d. Alle Beschäftigten im Normalarbeitszeitverhältnis<br />
können somit an<br />
den gesetzlichen und tarifvertraglichen<br />
Absicherungen ± von Arbeitsschutz bis<br />
165
Mitbestimmung ± une<strong>in</strong>geschränkt teilhaben.<br />
Deshalb ist für uns e<strong>in</strong>e Strategie zur<br />
Ausweitung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit nicht die<br />
Lösung des Problems Massenarbeitslosigkeit.<br />
Teilzeitarbeitsplätze haben lediglich<br />
den Charakter e<strong>in</strong>es Zusatzverdienstes und<br />
s<strong>in</strong>d häufig sozial schlecht geschützt. Sie<br />
s<strong>in</strong>d vorwiegend Frauenarbeitsplätze und<br />
festigen somit die geschlechtsspezifische<br />
Arbeitsteilung.<br />
Wir wollen für Frauen und Männer<br />
Arbeitsplätze, die e<strong>in</strong>e eigenständige ökonomische<br />
Absicherung garantieren und<br />
genügend Raum für Erholung und Freizeit<br />
lassen. Vorhandene Teilzeitarbeitsplätze<br />
s<strong>in</strong>d sozial- und tarifrechtlich den Vollzeitarbeitsplätzen<br />
gleichzustellen. Ebenso ist<br />
mit ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigungsverhältnissen<br />
bzw. 610-DM-Beschäftigungsverhältnissen<br />
zu verfahren. Befristete Arbeitsverhältnisse<br />
lehnen wir ab. (Ausnahmen<br />
können Befristungen für sogenannte vorübergehende<br />
Aufgaben wie Vertretung für<br />
Mutterschutz se<strong>in</strong>.)<br />
Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
wollen, daû die maximal zulässigen<br />
Überstunden gesetzlich begrenzt werden.<br />
Es ist nicht h<strong>in</strong>nehmbar, daû Beschäftigte<br />
Überstunden leisten müssen, während diejenigen,<br />
die arbeiten wollen, ke<strong>in</strong>e Arbeitsplätze<br />
f<strong>in</strong>den. Betrieblich notwendige<br />
Überstunden s<strong>in</strong>d mit Zuschlägen vor<br />
allem <strong>in</strong> Freizeit auszugleichen. Rechnerisch<br />
ergeben sich aus den knapp 2 Milliarden<br />
Überstunden, die 1994 geleistet wurden,<br />
1,3 Millionen Arbeitsplätze.<br />
3. Für uns Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und<br />
Sozialdemokraten ist e<strong>in</strong>e aktive Arbeitsmarktpolitik<br />
unverzichtbar, die die öffentlichen<br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen begleitet. Wir<br />
brauchen e<strong>in</strong>en völlig reformierten Rahmen<br />
<strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ungspolitik und<br />
<strong>der</strong>en Ausbau. Wir wollen Arbeit anstatt<br />
Arbeitslosigkeit f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Anstatt immer weitergehende Kürzungen<br />
vorzunehmen, müssen arbeitsmarktpolitische<br />
Maûnahmen ausgeweitet werden und<br />
e<strong>in</strong>en zeitlich längerfristigen Charakter<br />
haben. Langzeitarbeitslose müssen gezielt<br />
166<br />
durch Beschäftigung <strong>in</strong> geeigneten Betrieben<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Frauen müssen gleiche<br />
Beschäftigungschancen haben.<br />
In den letzten zwei Jahren sank die Zahl<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong> arbeitsmarktpolitischen Maûnahmen<br />
Beschäftigten um etwa 400 000. Gemäû<br />
dem Memorandum ©97 könnten mit<br />
15 Milliarden DM etwa 500 000 befristete<br />
Arbeitsplätze zur Umschulung, Qualifizierung<br />
und ähnlichen Maûnahmen geschaffen<br />
werden.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus muû öffentlich geför<strong>der</strong>te<br />
Beschäftigung mit den regulären Bed<strong>in</strong>gungen<br />
des ¹ersten Arbeitsmarktsª gleichgestellt<br />
werden und auf Qualifizierung zielen.<br />
D. h. öffentlich geför<strong>der</strong>te Beschäftigung<br />
muû teil des allgeme<strong>in</strong>en Arbeitsmarkts<br />
werden und kollektiven tarifrechtlichen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen unterliegen. Öffentlich geför<strong>der</strong>te<br />
Beschäftigung hat das Ziel, im E<strong>in</strong>klang<br />
mit den öffentlichen Investitionen <strong>in</strong><br />
gesellschaftlichen Bedarfsfel<strong>der</strong>n die technologische,<br />
regionale, soziale und ökologische<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Infrastruktur zur<br />
staatlich-gesellschaftlichen Aufgabe zu<br />
machen und dafür notwendige Beschäftigung<br />
zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Das Wissenschaftszentrum Berl<strong>in</strong> beziffert<br />
das mögliche Potential <strong>in</strong> diesem Bereich<br />
auf 4,3 Millionen Arbeitsplätze. Gemäû<br />
dem Memorandum ©97 könnten mit<br />
45 Milliarden DM etwa 750 000 Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden.<br />
Wesentliche Bed<strong>in</strong>gungen für e<strong>in</strong>e erfolgreiche<br />
und vorbeugende Arbeitsmarktpolitik<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e zuverlässige F<strong>in</strong>anzierungsbasis<br />
sowie e<strong>in</strong>e Verknüpfung mit regionaler<br />
Strukturför<strong>der</strong>ung und mit e<strong>in</strong>er beschäftigungsorientierten<br />
Betriebspolitik (¹Qualifizierung<br />
statt Entlassungª).<br />
Der komb<strong>in</strong>ierte und konsequente E<strong>in</strong>satz<br />
von öffentlichen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen,<br />
Arbeitszeitverkürzung und aktiver Arbeitsmarktpolitik<br />
hätte erhebliche Beschäftigungseffekte.<br />
Je nach Höhe <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmittel<br />
und Gröûe <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />
sowie <strong>der</strong>en zeitlichen Umsetzungsvorgaben<br />
könnten mittelfristig 2,5 bis 5 Millionen<br />
Arbeitsplätze entstehen und somit die
Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen drastisch verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
werden. In längerer Frist wird Vollbeschäftigung<br />
möglich. E<strong>in</strong>e beschäftigungsorientierte<br />
F<strong>in</strong>anz-und Steuerpolitik ist hierzu<br />
unabd<strong>in</strong>gbar.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 67<br />
Kreis Ahrweiler<br />
(Bezirk Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-Nassau)<br />
Massenarbeitslosigkeit<br />
Grundlage für e<strong>in</strong> menschenwürdiges<br />
Leben ist ganz wesentlich auch Arbeit.<br />
Die Massenarbeitslosigkeit nimmt immer<br />
dramatischere Ausmaûe an. E<strong>in</strong> Ende <strong>der</strong><br />
bedrohlichen Talfahrt ist nicht <strong>in</strong> Sicht.<br />
Diese Entwicklung stellt e<strong>in</strong>e Gefahr für<br />
den sozialen Frieden <strong>in</strong> unserem Lande<br />
dar, sie bereitet den Nährboden für Krim<strong>in</strong>alität<br />
und Rechtsradikalismus.<br />
Auch an<strong>der</strong>e Industrielän<strong>der</strong> leiden unter<br />
e<strong>in</strong>er Beschäftigungskrise, dennoch unterscheiden<br />
sie sich durch ihre beschäftigungspolitischen<br />
Anstrengungen und<br />
Erfolge. Die Regierung Kohl jedenfalls hat<br />
sich als unfähig erwiesen, die Massenarbeitslosigkeit<br />
zu bekämpfen. Schlimmer<br />
noch: Charakteristisch für sie ist e<strong>in</strong> Engagementdefizit,<br />
sie f<strong>in</strong>det sich mit <strong>der</strong> hohen<br />
Arbeitslosigkeit ab und sucht die Ursachen<br />
e<strong>in</strong>seitig <strong>in</strong> zu hohen Lohn(zusatz)kosten,<br />
sprich: <strong>in</strong> zu hohen Lohnfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmer. Das Vollbeschäftigungsziel<br />
wird erst gar nicht mehr verfolgt.<br />
Seit 15 Jahren setzt die Bundesregierung<br />
die falschen Mittel zur Bekämpfung <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit e<strong>in</strong> und verschärft dadurch<br />
se<strong>in</strong>e Krise:<br />
Steuersenkungen für private Spitzene<strong>in</strong>kommen,<br />
Steuer- und Abgabenerhöhungen<br />
für mittlere E<strong>in</strong>kommen, Kürzungen bei<br />
den Ausgaben für Arbeitsmarktpolitik usw.<br />
s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> adäquaten Antworten auf die<br />
ökonomischen und sozialen Herausfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Mit diesen Maûnahmen werden<br />
kurze konjunkturelle Strohfeuer erreicht, <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong>en Folge wächst die Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen,<br />
Insolvenzen nehmen zu und das Defizit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Staatskasse steigt.<br />
Die <strong>SPD</strong> muû überzeugende Alternativen,<br />
eigene Strategien und Konzepte sowie vorhandene<br />
wirtschaftspolitische Kompetenz<br />
nach auûen vermitteln und sich von den<br />
Regierungsparteien abgrenzen. (Der wirtschaftspolitische<br />
Sprecher <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
ist selbst unter Parteigenossen<br />
weitgehend unbekannt.)<br />
Wir beantragen daher:<br />
± Entwicklung bzw. offensive Darstellung<br />
e<strong>in</strong>er sozialdemokratisch geprägten Strategie<br />
für mehr Beschäftigung und ökologisch<br />
verträgliches Wachstum.<br />
± Öffentlichkeitsarbeit zur Sichtbarmachung<br />
sozialdemokratischer Kompetenz<br />
auf dem Gebiet <strong>der</strong> Wirtschafts- und<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik.<br />
± Schaffung des Vertrauens <strong>in</strong> die wirtschaftspolitische<br />
Handlungsfähigkeit <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> und die Gestaltungsfähigkeit sozialdemokratischer<br />
Politik.<br />
± Klare Abgrenzung von Positionen <strong>der</strong><br />
Regierungskoalition und an<strong>der</strong>er Parteien.<br />
± E<strong>in</strong>heitlichere öffentliche Positionsdarstellung<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, auch bei <strong>in</strong>nerparteilichen<br />
Differenzen.<br />
Zu berücksichtigende Instrumente beim<br />
Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit:<br />
± F<strong>in</strong>anzierung von Beschäftigung, statt<br />
Arbeitslosigkeit. Ausgaben für Arbeitslosengeld<br />
und -hilfe von 160 Milliarden<br />
DM umschichten zu Gunsten e<strong>in</strong>er aktiven<br />
Arbeitsmarktpolitik.<br />
± Konjunkturpolitische Impulse, z.B.<br />
durch Vorziehen öffentlicher Investitionen,<br />
För<strong>der</strong>ung des Wohnungsbaus,<br />
Investitionszulagen zur Schaffung neuer<br />
Arbeitsplätze.<br />
± Die Kreditwirtschaft muû endlich ihrer<br />
Aufgabe nachkommen, Existenzgrün<strong>der</strong><br />
und junge Unternehmer besser zu unterstützen.<br />
Eventuell auch staatliche Unter-<br />
167
stützung bei <strong>der</strong> Bereitstellung von Risikokapital,<br />
ganz beson<strong>der</strong>s bei zukunftsträchtigen<br />
Technologien.<br />
± Stärkung <strong>der</strong> Innovationskraft <strong>der</strong> deutschen<br />
Industrie, Verbesserung <strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die Investitionstätigkeit<br />
<strong>der</strong> mittelständischen Wirtschaft,<br />
Ausbau des Dienstleistungssektors.<br />
± Steuer- und Abgabensenkung für kle<strong>in</strong>e<br />
und mittlere E<strong>in</strong>kommen zur Stärkung<br />
<strong>der</strong> B<strong>in</strong>nennachfrage ± hier mangelt es<br />
ganz erheblich.<br />
± Mehr bildungspolitische Investitionen<br />
und Forschung statt Etatreduzierungen.<br />
± Wirtschaftlichen Stillstand <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
durch öffentliche Investitionen<br />
überw<strong>in</strong>den, z.B. durch Vorziehen<br />
geplanter Umweltsanierungen, Verkehrswege-<br />
und Städtebau.<br />
± Ökologische Steuerreform zur steuerlichen<br />
Entlastung beim E<strong>in</strong>satz von<br />
Arbeitskräften (und zur Belastung des<br />
Energie- und Materialverbrauchs).<br />
± Ausbau öffentlich geför<strong>der</strong>ter Beschäftigung<br />
bei gesellschaftlich nützlichen<br />
Dienstleistungen als Alternative zur<br />
Arbeitslosigkeit.<br />
± Über den Abbau von Überstunden h<strong>in</strong>aus,<br />
<strong>der</strong> gesetzlich geregelt werden muû,<br />
wird e<strong>in</strong>e konsequente Verkürzung <strong>der</strong><br />
Wochenarbeitszeit gefor<strong>der</strong>t als wichtigen<br />
erfolgversprechenden Weg, <strong>in</strong> kurzer<br />
Zeit Arbeitsplätze zu schaffen.<br />
Ausgabenneutrale F<strong>in</strong>anzierung durch<br />
strukturelle Reformen und Abbau von<br />
Privilegien und sozialen Ungerechtigkeiten:<br />
± e<strong>in</strong>e Arbeitsmarktabgabe für alle Berufstätigen,<br />
z.B. auch für Beamte, Abgeordnete,<br />
Regierungsmitglie<strong>der</strong> und Selbständige<br />
(gleichzeitig Beitrag zur Senkung<br />
<strong>der</strong> Lohnzusatzkosten).<br />
± Beteiligung von Beamten, Abgeordneten<br />
und Regierungsmitglie<strong>der</strong>n an ihrer<br />
Altersversorgung.<br />
± E<strong>in</strong>bezug von (nebenberuflich) ger<strong>in</strong>gfügig<br />
Beschäftigten und Sche<strong>in</strong>selbständigen<br />
<strong>in</strong> die Sozialversicherung. Für die<br />
168<br />
Bekämpfung von Sche<strong>in</strong>selbständigkeit<br />
bedarf es <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung gesetzlicher<br />
Kontroll- und Sanktions<strong>in</strong>strumente.<br />
± Bekämpfung <strong>der</strong> illegalen Beschäftigung<br />
(Schwarzarbeit und Lohndump<strong>in</strong>g),<br />
dadurch Abbau <strong>der</strong> Defizite <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Sozialversicherung.<br />
± Abbau ungerechtfertigter Steuervorteile<br />
und Erhalt <strong>der</strong> Steuerprogression bei<br />
Private<strong>in</strong>kommen.<br />
± Verbesserung <strong>der</strong> Steuerkontrolle durch<br />
Personalaufstockung.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag I 68<br />
Unterbezirk Goslar<br />
(Bezirk Braunschweig)<br />
Perspektiven für Arbeit und<br />
Beschäftigung<br />
Auf rauhen Pfaden zu den Sternen:<br />
9 Vorschläge zur Halbierung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
So unrealistisch das Ziel e<strong>in</strong>er Halbierung<br />
<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit bis zum Jahr<br />
2000 auch kl<strong>in</strong>gen mag, es bleibt e<strong>in</strong> richtiges<br />
Ziel gerade für sozialdemokratische<br />
Politik. Das Institut für Arbeitsmarkt und<br />
Berufsforschung <strong>der</strong> Bundesanstalt für<br />
Arbeit hat dazu e<strong>in</strong>e Studie vorgelegt, die<br />
lei<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bundesregierung nicht zur<br />
Kenntnis genommen wird.<br />
Statt isolierter E<strong>in</strong>zelmaûnahmen wird e<strong>in</strong><br />
Bündel von Maûnahmen benötigt, dessen<br />
wesentliche Komponenten s<strong>in</strong>d:<br />
1. Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />
Jahresarbeitszeit vor allen über den<br />
Abbau von 40 % <strong>der</strong> Überstunden und<br />
<strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitquote von <strong>der</strong>zeit<br />
19 % auf etwa 24 %.<br />
Ziel: Flexible und kostengünstige Form<br />
<strong>der</strong> Beschäftigung bei Auftragsspitzen.<br />
2. Arbeitszeitverkürzung im höheren<br />
Dienst des öffentlichen Dienstes ohne<br />
Lohnausgleich.
Ziel: Neue<strong>in</strong>stellungen durch Umverteilung<br />
von Arbeit (siehe: VW-Modell)<br />
3. Öffnung <strong>der</strong> öffentlichen Dienstangebote<br />
für den <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb.<br />
(So können Universitäten gegen<br />
kostendeckende Studiengebühren im<br />
Ausland Studenten anwerben und damit<br />
F<strong>in</strong>anzquellen erschlieûen und Lehrpersonal<br />
beschäftigen. Universitätskl<strong>in</strong>iken<br />
könnten <strong>in</strong>ternational Angebote im<br />
Gesundheitssektor veröffentlichen und<br />
neue E<strong>in</strong>nahmen erzielen.)<br />
Ziel: Global-Sourc<strong>in</strong>g für die öffentlich<br />
f<strong>in</strong>anzierten Dienstleistungsangebote<br />
nutzen und neue Arbeitsplätze schaffen.<br />
4. Reform <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung mit<br />
dem Ziel, Aufgaben abzubauen, kostenrechnende<br />
E<strong>in</strong>heiten zu bilden und<br />
Wettbewerb mit privaten Anbietern zu<br />
ermöglichen o<strong>der</strong> auch Kooperation mit<br />
privaten Dienstleistungsanbietern zu<br />
för<strong>der</strong>n (public & privat partnership).<br />
Ziel: Effizienzsteigerung, Personalabbau,<br />
Umwidmung konsumptiver (Personal-)<br />
Kosten <strong>in</strong> die Investitionsför<strong>der</strong>ung.<br />
5. Verbesserung <strong>der</strong> direkten För<strong>der</strong>ung<br />
von Forschung, Entwicklung und Innovation<br />
<strong>in</strong> Unternehmen statt lang angelegter<br />
staatlicher Forschungsprogramme.<br />
Ziel: Innovationsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Betrieben,<br />
Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit.<br />
6. Schrittweise zunehmende E<strong>in</strong>sparung<br />
bei den konsumtiven Staatsausgaben<br />
beg<strong>in</strong>nend mit 10 Milliarden im Jahr<br />
1998 auf 100 Milliarden DM im Jahr<br />
2005. (<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sparung von<br />
400 Milliarden DM!)<br />
Ziel: Konsolidierung des Staatshaushaltes,<br />
verzögertes Erreichen <strong>der</strong> Konvergenzkriterien<br />
von Maastricht und<br />
Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Investitionsprogrammen.<br />
7. Aufbau e<strong>in</strong>es staatlichen Investitionsprogramms<br />
mit 10 Milliarden DM jährlich<br />
ab 1997.<br />
Ziel: Technologie- und Innovationsför<strong>der</strong>ung<br />
zur Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.<br />
8. Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
(Lohnkosten) um jährlich 1 % zwischen<br />
1997 und 2000 durch die Steuerf<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e versicherungsfrem<strong>der</strong><br />
Leistungen. (z.B. Aussiedlerrenten<br />
1997: 10 Milliarden DM; Rentenanpassung<br />
<strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n 1997: 3,7<br />
Milliarden DM; rentenrechtliche Entschädigung<br />
von SED-Opfern 1997: 0,4<br />
Milliarden DM)<br />
Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
und Erhöhung <strong>der</strong> Kaufkraft für die<br />
B<strong>in</strong>nennachfrage.<br />
9. E<strong>in</strong>satz von Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosenhilfemitteln<br />
zur Subventionierung<br />
sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse.<br />
Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Beschäftigungen mit<br />
niedrigen Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
und Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 70<br />
Bezirk Braunschweig<br />
Perspektiven für Arbeit und<br />
Beschäftigung<br />
Auf rauhen Pfaden zu den Sternen:<br />
12 Vorschläge zur Halbierung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
¹Für die <strong>SPD</strong> bleibt die Halbierung <strong>der</strong><br />
Massenarbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000<br />
das richtige Ziel. Statt isolierter E<strong>in</strong>zelmaûnahmen<br />
schlagen wir e<strong>in</strong> Maûnahmenbündel<br />
vor, dessen wesentliche Komponenten<br />
s<strong>in</strong>d:ª<br />
1. Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> durchschnittlichen<br />
Jahresarbeitszeit vor allen über den<br />
Abbau von 40 % <strong>der</strong> Überstunden und<br />
<strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitquote von<br />
<strong>der</strong>zeit 19 % auf etwa 24 %.<br />
Ziel: Flexible und kostengünstige Form<br />
<strong>der</strong> Beschäftigung bei Auftragsspitzen.<br />
2. Arbeitszeitverkürzung im höheren<br />
Dienst des öffentlichen Dienstes ohne<br />
Lohnausgleich.<br />
169
Ziel: Neue<strong>in</strong>stellungen durch Umverteilung<br />
von Arbeit (siehe: VW-Modell)<br />
3. Öffnung <strong>der</strong> öffentlichen Dienstangebote<br />
für den <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb<br />
(So können Universitäten gegen kostendeckende<br />
Studiengebühren im Ausland<br />
Studenten anwerben und damit F<strong>in</strong>anzquellen<br />
erschlieûen und Lehrpersonal<br />
beschäftigen. Universitätskl<strong>in</strong>iken könnten<br />
<strong>in</strong>ternational Angebote im Gesundheitssektor<br />
veröffentlichen und neue<br />
E<strong>in</strong>nahmen erzielen.)<br />
Ziel: Global-Sourc<strong>in</strong>g für die öffentlich<br />
f<strong>in</strong>anzierten Dienstleistungsangebote<br />
nutzen und neue Arbeitsplätze schaffen.<br />
4. Reform <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung mit<br />
dem Ziel Aufgaben abzubauen, kostenrechnende<br />
E<strong>in</strong>heiten zu bilden und<br />
Wettbewerb mit privaten Anbietern zu<br />
ermöglichen o<strong>der</strong> auch Kooperation mit<br />
privaten Dienstleistungsanbietern zu<br />
för<strong>der</strong>n (public & privat partnership).<br />
Ziel: Effizienzsteigerung, Personalabbau,<br />
Umwidmung konsumptiver (Personal-)<br />
Kosten <strong>in</strong> die Investitionsför<strong>der</strong>ung.<br />
5. Verbesserung <strong>der</strong> direkten För<strong>der</strong>ung<br />
von Forschung, Entwicklung und Innovation<br />
<strong>in</strong> Unternehmen statt lang angelegter<br />
staatlicher Forschungsprogramme.<br />
Ziel: Innovationsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Betrieben,<br />
Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit.<br />
6. Schrittweise zunehmende E<strong>in</strong>sparung<br />
bei den konsumtiven Staatsausgaben<br />
beg<strong>in</strong>nend mit 10 Milliarden im Jahr<br />
1998 bis auf 100 Milliarden DM im Jahr<br />
2005. (Insgesamt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>sparung von<br />
DM 400 Milliarden!)<br />
Ziel: Konsolidierung des Staatshaushaltes,<br />
verzögertes Erreichen <strong>der</strong> Konvergenzkriterien<br />
von Maastricht und<br />
Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Investitionsprogrammen.<br />
7. Aufbau e<strong>in</strong>es staatlichen Investitionsprogramms<br />
mit 10 Milliarden DM jährlich<br />
ab 1997.<br />
Ziel: Technologie- und Innovationsför<strong>der</strong>ung<br />
zur Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.<br />
170<br />
8. Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
(Lohnkosten) um jährlich 1 %<br />
zwischen 1997 und 2000 durch die<br />
Steuerf<strong>in</strong>anzierung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e versicherungsfrem<strong>der</strong><br />
Leistungen. (z. B. Aussiedlerrenten<br />
1997: 10 Milliarden DM;<br />
Rentenanpassung <strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n<br />
1997: 3,7 Milliarden DM; rentenrechtliche<br />
Entschädigung von SED-Opfern<br />
1997: 0,4 Milliarden DM)<br />
Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
und Erhöhung <strong>der</strong> Kaufkraft für die<br />
B<strong>in</strong>nennachfrage.<br />
9. E<strong>in</strong>satz von Sozialhilfe- bzw. Arbeitslosenhilfemitteln<br />
zur Subventionierung<br />
sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse.<br />
Ziel: Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Beschäftigungen mit<br />
niedrigen Qualifikationsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
10. ¹Senkung <strong>der</strong> direkten Steuern (E<strong>in</strong>kommensbesteuerung)<br />
und Gegenf<strong>in</strong>anzierung<br />
durch Streichung von Steuervergünstigungen.<br />
Ziel: Steigerung <strong>der</strong><br />
Massenkaufkraft und Belebung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nennachfrageª.<br />
11. ¹Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten durch<br />
Streichung von versicherungsfremden<br />
Leistungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialversicherung<br />
und Gegenf<strong>in</strong>anzierung durch Verbrauchssteuern<br />
und ökologische Steuerreform.<br />
Ziel: Erhöhung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen<br />
Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong><br />
deutschen Arbeitskosten durch Senkung<br />
<strong>der</strong> Lohnnebenkostenª.<br />
12. ¹Verlängerung <strong>der</strong> Masch<strong>in</strong>enlaufzeiten,<br />
Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit bei<br />
gleichzeitigem Verzicht auf e<strong>in</strong>e<br />
Besteuerung von Nacht-, Schicht- und<br />
Wochenendzulagen. Ziel, Auslastung<br />
kapital<strong>in</strong>tensiver Unternehmen verbessern,<br />
Arbeitsplätze schaffen.ª<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
und Bundestagsfraktion)
Antrag I 72<br />
Unterbezirk Kassel-Stadt<br />
(Bezirk Hessen-Nord)<br />
Bündnis für Arbeit<br />
Angesichts <strong>der</strong> veröffentlichten Rekordarbeitslosenzahlen<br />
<strong>in</strong> Deutschland for<strong>der</strong>n<br />
wir die <strong>SPD</strong>-Mandatsträger auf,<br />
1. alle Maûnahmen zur Arbeitsplatzsicherung<br />
und Arbeitsplatzschaffung zu<br />
unterstützen. Dazu gehört auch die<br />
arbeitsmarktpolitische Verantwortung<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Arbeitgeber wahrzunehmen<br />
2. bestehende Arbeitsbeschaffungs- und<br />
Ausbildungsprogramme durch öffentliche<br />
Beschäftigungs<strong>in</strong>itiativen zu ergänzen<br />
und zu erweitern<br />
3. vorhandene F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeiten<br />
zu bündeln, um Beschäftigung zu zahlen<br />
Die <strong>SPD</strong>-Mandatsträger <strong>in</strong> den Landtagsfraktionen,<br />
den Landesregierungen und <strong>der</strong><br />
Bundestagsfraktion werden ferner aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
± durch politische Initiativen im Bundestag<br />
und Bundesrat sicherzustellen, daû nicht<br />
durch weitere Sozialkürzungen die Opfer<br />
<strong>der</strong> Wirtschaftspolitik bestraft werden<br />
und so gegebenenfalls das Bündnis für<br />
Arbeit gefährdet wird,<br />
± daû öffentliche Mittel zur För<strong>der</strong>ung<br />
bzw. direkten F<strong>in</strong>anzierung von Beschäftigung<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden,<br />
± daû durch e<strong>in</strong>e gerechtere Steuerpolitik<br />
Mittel für zusätzliche Beschäftigungsprogramme,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Umsetzung<br />
von Innovationen und umweltschonen<strong>der</strong><br />
Technologie geschaffen werden,<br />
± <strong>der</strong> Sozialstaat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er solidarischen<br />
F<strong>in</strong>anzierung als entscheiden<strong>der</strong> Standortfaktor<br />
für die Bundesrepublik<br />
Deutschland erhalten bleibt und se<strong>in</strong>e<br />
F<strong>in</strong>anzierung von allen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
von den f<strong>in</strong>anziell Leistungsfähigeren <strong>der</strong><br />
Gesellschaft, gesichert wird.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 74<br />
Unterbezirk München<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Für e<strong>in</strong>e gerechte Verteilung<br />
<strong>der</strong> Arbeit<br />
Die <strong>SPD</strong> vermiût bei den jetzigen<br />
¹Reformªvorschlägen <strong>der</strong> Bonner Regierungskoalition<br />
zur Verbesserung <strong>der</strong><br />
Arbeitsmarktlage die Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
nach wie vor bestehenden gesellschaftlichen<br />
Benachteiligung von Frauen. Im<br />
Gegenteil: die soziale Lage von Frauen hat<br />
sich durch gesetzliche Maûnahmen wie<br />
z. B. die Heraufsetzung <strong>der</strong> Altersgrenze <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Rentenversicherung, die herabgesetzte<br />
Anrechnung <strong>der</strong> Ausbildungszeiten bei <strong>der</strong><br />
Rentenverbesserung, die Aufweichung des<br />
Kündigungsschutzes verschlechtert.<br />
Die <strong>der</strong>zeitige Arbeitsmarktpolitik zielt<br />
angeblich auf e<strong>in</strong>e gerechtere Verteilung<br />
<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>ger werdenden Erwerbsarbeit. Das<br />
sieht dann folgen<strong>der</strong>maûen aus: bei Männern<br />
werden Lebensarbeitszeit Modelle<br />
ausgehandelt; Frauen werden <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gfügige,<br />
nicht sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigungsverhältnisse o<strong>der</strong> überhaupt<br />
aus dem Arbeitsleben h<strong>in</strong>ausdrängt.<br />
In Anbetracht leerer öffentlicher Kassen<br />
unterbleibt die notwendige Aufwertung <strong>der</strong><br />
Familienarbeit, die höhere Bewertung von<br />
erzieherischen und pflegerischer Arbeit<br />
ebenso wie die Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
im Ökologiebereich.<br />
Die seit 1994 <strong>in</strong> unserer Verfassung festgelegte<br />
Verpflichtung des Staates, die tatsächliche<br />
Gleichberechtigung von Frauen und<br />
Männern zu för<strong>der</strong>n und auch auf die<br />
Beseitigung bestehen<strong>der</strong> Nachteile h<strong>in</strong>zuwirken,<br />
wird <strong>in</strong> den W<strong>in</strong>d geschlagen.<br />
Frauen haben das selbe Recht auf anständig<br />
bezahlte Arbeit wie Männer,<br />
Familienarbeit geht Väter und Söhne<br />
ebenso an wie Mütter und Töchter.<br />
Dies s<strong>in</strong>d die For<strong>der</strong>ungen:<br />
± die Gewährung gleichen Lohns für<br />
gleichwertige Arbeit <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stim-<br />
171
mung mit dem <strong>in</strong>ternationalen Arbeitsrecht<br />
± e<strong>in</strong>e gesetzliche Sicherung von Frauenför<strong>der</strong>maûnahmen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Privatwirtschaft<br />
und im Öffentlichen Dienst; die Vergabe<br />
von öffentlichen Aufträgen nur bei<br />
Nachweis von wirkungsvollen Frauenför<strong>der</strong>plänen<br />
± e<strong>in</strong>en Rechtsanspruch auf qualifizierte<br />
ganztägige K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />
für alle Altersstufen<br />
± e<strong>in</strong>e volle Berücksichtigung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung<br />
und Pflege bei <strong>der</strong> Rentenbemessung<br />
sowie e<strong>in</strong>e Steuerm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
durch Abzugsfähigkeit von Betreuungskosten<br />
± die Schaffung von qualifizierten Arbeitsplätzen<br />
im Erziehungs-, Pflege- und<br />
Ökologiebereich<br />
± e<strong>in</strong>e Reform des Erziehungsurlaubs <strong>in</strong><br />
¹Elterngeld und Elternurlaubª, u.a.<br />
Rechtsanspruch auf gleichzeitige Teilzeitarbeit<br />
bei<strong>der</strong> Eltern mit Kündigungsschutz<br />
und Bezug von Elterngeld<br />
± die arbeits- und sozialrechtliche Gleichstellung<br />
von Teilzeitarbeit und ger<strong>in</strong>gfügiger<br />
Beschäftigung mit voller Erwerbstätigkeit,<br />
d. h. die jetzigen 610 DM-<br />
Beschäftigungsverhältnisse werden <strong>in</strong><br />
geregelte Teilzeitarbeitsverhältnisse überführt,<br />
die sozialversicherungspflichtig<br />
s<strong>in</strong>d<br />
± die Abschaffung des steuerbegünstigten<br />
Ehegattensplitt<strong>in</strong>gs zugunsten e<strong>in</strong>er<br />
eigenständigen sozialen Absicherung des/<br />
<strong>der</strong> nicht erwerbstätigen Partners/Partner<strong>in</strong>;<br />
Reform des Steuerrechts durch<br />
E<strong>in</strong>führung des Individualsteuersystems.<br />
In Österreich wurde Anfang April 1997 e<strong>in</strong><br />
Frauenvolksbegehren durch 645 000 Unterschriften<br />
unterstützt. Die österreichischen<br />
Frauen haben gezeigt, daû sie nicht mehr<br />
bereit s<strong>in</strong>d, die Benachteiligung bei <strong>der</strong><br />
Ausbildung im Arbeitsleben bei <strong>der</strong> Entlohnung<br />
und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />
h<strong>in</strong>zunehmen. Dies gilt auch für die<br />
Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
172<br />
Antrag I 75<br />
Landesverband Bayern<br />
Arbeitszeitpolitik für Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
Nach jahrelangen harten Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />
wurde 1995 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Druck-, Metallund<br />
Elektro<strong>in</strong>dustrie die 35-Stunden-<br />
Woche e<strong>in</strong>geführt. Der Kampf um e<strong>in</strong>e<br />
weitgehende Arbeitszeitverkürzung war<br />
nicht nur e<strong>in</strong>e zentrale Maûnahme zur<br />
Sicherung bestehen<strong>der</strong> und Schaffung<br />
neuer Arbeitsplätze. Die ¹35-Stunden-<br />
Wocheª stand im Zeitalter neokonservativer<br />
Deregulierung und Flexibilisierung für<br />
e<strong>in</strong>en alternativen Zukunftsentwurf <strong>in</strong>dividueller<br />
und gesellschaftlicher Lebensgestaltung.<br />
Die Erweiterung <strong>der</strong> Nichtarbeitszeit und<br />
die Partizipation <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen<br />
an <strong>der</strong> gesamten frei verfügbaren Zeit ist<br />
e<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzung für die<br />
Aneignung des alltagskulturellen Reichtums<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft und damit zur weiteren<br />
Entwicklung und Herausbildung von<br />
Individualität. Die hier gewonnenen Erfahrungen,<br />
die erweiterten Bedürfnisse und<br />
vielfältig gestalteten <strong>in</strong>dividuellen Lebensstile<br />
verän<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong>um die gesellschaftlichen<br />
Zeitstrukturen und Mobilitätsanfor<strong>der</strong>ungen.<br />
Die Ansprüche auf <strong>in</strong>dividuelle<br />
Gestaltung von Lage und Verteilung <strong>der</strong><br />
Arbeitszeit werden komplexer.<br />
Aufweichung sozialer Zeitstrukturen<br />
Doch humane Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen und<br />
e<strong>in</strong>e verstärkte Souveränität <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen<br />
über die Gestaltung ihrer Zeit<br />
wurden trotz <strong>der</strong> durchgesetzten Arbeitszeitverkürzung<br />
nicht geschaffen. Vielmehr<br />
steht die 35-Stunden-Woche im Zusammenhang<br />
mit <strong>der</strong> weitgehenden Flexibilisierung<br />
des gesellschaftlichen Zeitrhythmus<br />
sowie mit e<strong>in</strong>er weiteren Intensivierung <strong>der</strong><br />
verbliebenen Arbeitszeiten. Flexibilisierung<br />
bedeutet <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nicht<br />
die rechtliche Möglichkeit <strong>der</strong> ArbeitnehmerInnen,<br />
flexibel auf ihre jeweilige<br />
Lebenssituation zu reagieren, son<strong>der</strong>n die
essere Anpassung des ¹Faktors Arbeitª an<br />
die betrieblichen Bedürfnisse.<br />
Die Kampagne zur Deregulierung und Flexibilisierung<br />
stellt e<strong>in</strong> zentrales Element<br />
neokonservativer Gesellschaftsspaltung dar.<br />
Hierbei handelt es sich um den Abbau von<br />
sozialen Schutzrechten <strong>in</strong> bisher politisch<br />
regulierten und <strong>der</strong> Profitlogik entzogenen<br />
gesellschaftlichen Bereichen.<br />
Die For<strong>der</strong>ung nach Verschlankung des<br />
(Sozial-)Staates und Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
setzt sich momentan unter an<strong>der</strong>em<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Verlängerung <strong>der</strong> Lebensarbeitszeit<br />
um. Das Rentene<strong>in</strong>trittsalter steigt<br />
wie<strong>der</strong>. Zum e<strong>in</strong>en werden die Altersgrenzen<br />
fortlaufend erhöht, zum an<strong>der</strong>en werden<br />
Vorruhestandsregelungen erschwert,<br />
die <strong>in</strong>folge <strong>der</strong> Intensivierung <strong>der</strong> Arbeit<br />
sowie vor allem arbeitsmarktbed<strong>in</strong>gt stark<br />
zugenommen hatten. Mit <strong>der</strong> Deregulierung<br />
<strong>der</strong> Ladenöffnungszeiten und damit<br />
<strong>der</strong> Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeiten <strong>in</strong><br />
den Abend und <strong>in</strong> das Wochenende h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>,<br />
werden die seit langem gewachsenen Zeitstrukturen<br />
und damit <strong>der</strong> gesamte gesellschaftliche<br />
Zeitrhythmus <strong>in</strong> Frage gestellt.<br />
Der Arbeitse<strong>in</strong>satz soll möglichst flexibel<br />
den Schwankungen <strong>der</strong> Nachfrage angepaût<br />
werden. Um relativ teure und mitbestimmungspflichtige<br />
Überstunden ohne<br />
Flexibilitätsverluste e<strong>in</strong>sparen zu können,<br />
werden momentan möglichst ger<strong>in</strong>g regulierte<br />
Arbeitszeitkonten gefor<strong>der</strong>t, die lange<br />
Ausgleichszeiträume für Mehrarbeit vorsehen.<br />
Meist ist die Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e unternehmerische Rationalisierungsstrategie<br />
zur E<strong>in</strong>sparung von Personalkosten<br />
e<strong>in</strong>gebunden. Die Mehrzahl <strong>der</strong><br />
Beschäftigten muû sich an betriebswirtschaftliche<br />
Zwänge anpassen. Die unternehmerischen<br />
Verfügungsrechte über die<br />
Anwendung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Arbeitskraft nehmen<br />
zu.<br />
Flexibilität ist Normalität<br />
Das ¹enge und starre Konzept des Normalarbeitsverhältnissesª,<br />
das we<strong>der</strong> Unternehmern<br />
noch ArbeitnehmerInnen <strong>in</strong>dividuelle<br />
Möglichkeiten bieten würde, ist schon seit<br />
e<strong>in</strong>igen Jahren nicht mehr prägend für<br />
bundesdeutsche Arbeitsbeziehungen. 1995<br />
arbeiteten 81 Prozent <strong>der</strong> abhängig<br />
Beschäftigten <strong>in</strong> Arbeitsverhältnissen mit<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger flexiblen Arbeitszeiten<br />
(1993: 77 Prozent). 45 Prozent machten<br />
1995 regelmäûig Überstunden (1993:<br />
39 Prozent), 18 Prozent s<strong>in</strong>d teilzeitbeschäftigt.<br />
In den Manteltarifverträgen s<strong>in</strong>d<br />
bereits unzählige Flexibilisierungsspielräume<br />
fixiert worden, die jedoch maximal<br />
zu e<strong>in</strong>em Drittel von den Betrieben genutzt<br />
werden. Die Unternehmerfor<strong>der</strong>ungen<br />
nach ¹mehr Flexibilitätª gehen <strong>in</strong>sofern<br />
völlig an <strong>der</strong> Realität vorbei.<br />
In <strong>der</strong> Bundesrepublik beschreibt das sogenannte<br />
Normalarbeitsverhältnis nicht mehr<br />
e<strong>in</strong> konkretes Arbeitszeitmuster, son<strong>der</strong>n<br />
die Standards und Normen, die zu e<strong>in</strong>em<br />
ausreichend abgesicherten Beschäftigungsverhältnis<br />
gehören. Das Normalarbeitsverhältnis<br />
ist e<strong>in</strong>e stabile, sozial abgesicherte,<br />
abhängige Vollzeitbeschäftigung, <strong>der</strong>en<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen wie Arbeitszeit,<br />
Löhne und Transferleistungen kollektivvertraglich<br />
o<strong>der</strong> arbeits- bzw. sozialrechtlich<br />
auf e<strong>in</strong>em M<strong>in</strong>destniveau geregelt s<strong>in</strong>d. Mit<br />
<strong>der</strong> Vertretungsmacht, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>zelgewerkschaft,<br />
können tendenziell diese Bed<strong>in</strong>gungen<br />
vere<strong>in</strong>heitlicht werden.<br />
Alle Beschäftigten im Normalarbeitsverhältnis<br />
können somit an den gesetzlichen<br />
und tarifvertraglichen Absicherungen,<br />
angefangen vom Arbeitsschutz bis zur Mitbestimmung,<br />
une<strong>in</strong>geschränkt partizipieren.<br />
Am Normalarbeitsverhältnis kann <strong>der</strong> Grad<br />
von Absicherung <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Arbeitsverhältnisse gemessen werden. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus ist das öffentliche Leben,<br />
angefangen von den Öffnungszeiten von<br />
Behörden und Geschäften bis h<strong>in</strong> zu Veranstaltungen<br />
im kulturellen o<strong>der</strong> politischen<br />
o<strong>der</strong> gesellschaftlichen Bereich mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger stark auf das Normalarbeitsverhältnis,<br />
als Regelfall für den Rhythmus<br />
von Arbeitszeit und Freizeit, ausgerichtet.<br />
Die Teilnahme am öffentlichen Leben ist<br />
somit nicht zuletzt durch die Qualität des<br />
jeweiligen Arbeitsverhältnisses def<strong>in</strong>iert.<br />
173
Kollektive Arbeitszeitverkürzung<br />
Die For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>er kollektiven Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit ist historisch<br />
hauptsächlich gesundheitspolitisch begründet.<br />
Um die Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> abhängig<br />
Beschäftigten im Arbeitsprozeû zu begrenzen,<br />
muûte den Unternehmen die Möglichkeit<br />
genommen werden, die Arbeitskräfte<br />
zeitlich nahezu unbegrenzt auszunutzen.<br />
ArbeitnehmerInnen waren und s<strong>in</strong>d vor<br />
e<strong>in</strong>em allzu schnellen Gesundheitsverschleiû<br />
zu schützen. Es muû ausreichend<br />
Zeit für Ruhe und Regeneration zur Verfügung<br />
stehen. Durch e<strong>in</strong>e Verkürzung <strong>der</strong><br />
Lebensarbeitszeit konnten sich eigenständige<br />
Lebensphasen wie Jugend und Alter<br />
überhaupt erst herausbilden. Menschen<br />
können ihre persönlichen Bedürfnisse<br />
befriedigen und am sozialen, politischen<br />
und kulturellen Leben teilhaben. Die<br />
Arbeitszeitverkürzung, die die Arbeiterschaft<br />
mit Hilfe <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />
schrittweise durchzusetzen vermochte, ist<br />
Ausdruck e<strong>in</strong>er gesellschaftlichen Entwicklung,<br />
die darauf abzielt, e<strong>in</strong>en Teil des<br />
Fortschritts <strong>in</strong> Form von Muûe zu konsumieren.<br />
Angesichts des erkämpften Lebensstandards<br />
war das Konsumgut ¹Freizeitª<br />
für viele Lohnabhängige erstrebenswerter<br />
geworden als <strong>in</strong> Zeiten niedriger Löhne, <strong>in</strong><br />
denen je<strong>der</strong> zunächst versuchen muûte,<br />
se<strong>in</strong>e materielle Lage zu verbessern. Neben<br />
technischen Entwicklungen wie z. B. <strong>der</strong><br />
Produktionsanstieg durch vermehrten<br />
Technike<strong>in</strong>satz s<strong>in</strong>d für die jeweilige Länge<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeit soziale, ökonomische, politische<br />
und ideologische Faktoren bestimmend.<br />
E<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung ist<br />
<strong>der</strong> zentrale Hebel, durch e<strong>in</strong>e Umverteilung<br />
von Arbeit Arbeitslosigkeit zu verr<strong>in</strong>gern<br />
und e<strong>in</strong>e wichtige Maûnahme gegen<br />
e<strong>in</strong>e zunehmende Intensivierung im<br />
Arbeitsprozeû. Trotz e<strong>in</strong>er verbesserten<br />
mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung und trotz gestiegener<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die Verträglichkeit<br />
<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen ist <strong>der</strong> vorzeitige<br />
Verschleiû <strong>der</strong> Arbeitskraft e<strong>in</strong> gesellschaftlich<br />
drückendes Problem geblieben. Die<br />
Zeitnot o<strong>der</strong> die Zeitknappheit ist für den<br />
überwiegenden Teil <strong>der</strong> Lohnabhängigen<br />
174<br />
ke<strong>in</strong>eswegs verr<strong>in</strong>gert worden, son<strong>der</strong>n<br />
nach wie vor e<strong>in</strong>e bestimmende Tendenz<br />
ihres Alltagslebens.<br />
Angesichts <strong>der</strong> gravierenden Arbeitslosigkeit<br />
vor allem <strong>in</strong> den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
wäre die Arbeitszeitverkürzung e<strong>in</strong><br />
wichtiger Bestandteil ihrer Bekämpfung<br />
und könnte unter Berücksichtigung e<strong>in</strong>er<br />
sozialverträglichen Gestaltung (z.B.<br />
Beschäftigungssicherheit, E<strong>in</strong>kommen,<br />
gesundheitliche Aspekte, Zeitwohlstand,<br />
lebensgeme<strong>in</strong>schaftlichen Beziehungen,<br />
soziale Teilhabe) nicht nur dazu führen,<br />
daû Millionen von arbeitslosen Menschen<br />
wie<strong>der</strong> an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben,<br />
son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> Charakter von<br />
Arbeit könnte sich verän<strong>der</strong>n.<br />
30-Stunden-Woche und Zeitsouveränität<br />
Um den gestiegenen Bedürfnissen <strong>der</strong><br />
ArbeitnehmerInnen nach mehr Zeitsouveränität<br />
gerecht zu werden und bestehende<br />
Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen,<br />
ist die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> 30-Stunden-<br />
Woche und die Verkürzung <strong>der</strong> täglichen<br />
Arbeitszeit auf 6 Stunden e<strong>in</strong>e zentrale Voraussetzung.<br />
Mit <strong>der</strong> Festlegung e<strong>in</strong>er verkürzten<br />
Normalarbeitszeit begründet sich<br />
sowohl <strong>der</strong> Maûstab für die Arbeitsbelastungen,<br />
die ohne Gesundheitsgefährdungen<br />
und Überbeanspruchungen ertragen<br />
werden können, als auch <strong>der</strong> Anspruch auf<br />
e<strong>in</strong> regelmäûig zu zahlendes Arbeitsentgelt,<br />
das zur <strong>in</strong>dividuellen Existenzsicherung<br />
ausreicht. Voraussetzung dafür, daû die verkürzte<br />
Normalarbeitszeit die Garantiefunktion<br />
für das E<strong>in</strong>kommen übernimmt, ist<br />
<strong>der</strong> Lohnausgleich. Bei e<strong>in</strong>er Arbeitszeitverkürzung<br />
ohne Lohnausgleich bliebe für<br />
die breite Mehrheit <strong>der</strong> Beschäftigten die<br />
angestrebte Teilhabe am sozialen, politischen<br />
und kulturellen Leben unerreichbar.<br />
Individuelle Zeitsouveränität ist nur zu<br />
gewährleisten, wenn erstens Arbeitszeiten<br />
und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen kollektiv geregelt<br />
s<strong>in</strong>d, um e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Lebensführung<br />
überhaupt zu ermöglichen, und zweitens<br />
allen arbeitenden Menschen gleichermaûen<br />
das Recht offensteht, über die Dauer, Lage
und Verteilung ihrer Arbeitszeit bestimmen<br />
zu können. Das setzt die Beteiligung <strong>der</strong><br />
ArbeiterInnen und Angestellten an <strong>der</strong><br />
Gestaltung <strong>der</strong> betrieblichen Zeitstrukturen<br />
und die Demokratisierung <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Entscheidungen voraus.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund wollen wir e<strong>in</strong>e<br />
Offensive für e<strong>in</strong>e Arbeitszeitgestaltung im<br />
Interesse <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten<br />
durchsetzen. Hierzu for<strong>der</strong>n wir:<br />
Arbeitszeitverkürzung<br />
In immer kürzerer Zeit wird immer mehr<br />
produziert. Somit stellt tarifliche Arbeitszeitverkürzung<br />
lediglich den Versuch <strong>der</strong><br />
ArbeitnehmerInnen dar, im nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Anteil an <strong>der</strong> gestiegenen Produktivität<br />
<strong>der</strong> Arbeit zu nutzen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit s<strong>in</strong>d<br />
weitere Schritte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung<br />
unumgänglich. Die gesellschaftlich<br />
notwendige Arbeitszeit muû gerechter verteilt<br />
werden.<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung<br />
<strong>in</strong> allen Formen. Die 35-Stunden-Woche<br />
muû <strong>in</strong> allen Bereichen umgesetzt werden.<br />
Unser mittelfristiges Ziel ist die 30-Stunden-Woche<br />
mit vollem Lohnausgleich.<br />
Von Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre bis 1993 halte<br />
die Arbeitszeitverkürzung e<strong>in</strong>en Beschäftigungseffekt<br />
von etwa e<strong>in</strong>er Million<br />
Arbeitsplätzen (Deutsches Institut für<br />
Wirtschaftsforschung). E<strong>in</strong>e Strategie zur<br />
weiteren Ausweitung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit<br />
kann nicht die Lösung des Problems se<strong>in</strong>.<br />
Teilzeitarbeitsplätze s<strong>in</strong>d vorwiegend Frauenarbeitsplätze.<br />
Sie haben lediglich den<br />
Charakter e<strong>in</strong>es Zusatzverdienstes und s<strong>in</strong>d<br />
sozial häufig schlecht geschützt. Sie festigen<br />
zudem die geschlechtsspezifische<br />
Arbeitsteilung. Wir wollen für Frauen und<br />
Männer Arbeitsplätze, die e<strong>in</strong>e eigenständige<br />
ökonomische Absicherung garantieren<br />
und ausreichend Freiraum für die Reproduktionsarbeit<br />
erlauben. Vorhandene Teilzeitarbeitsplätze<br />
s<strong>in</strong>d sozial- und tarifpolitisch<br />
den Vollzeitarbeitsplätzen<br />
gleichzustellen.<br />
Begrenzung <strong>der</strong> Überstunden<br />
Wir wollen, daû die maximal zulässigen<br />
Überstunden gesetzlich begrenzt werden.<br />
Es ist wi<strong>der</strong>s<strong>in</strong>nig, daû diejenigen, die<br />
Arbeit haben, Überstunden schieben müssen,<br />
während zahlreiche an<strong>der</strong>e arbeiten<br />
wollen, aber ke<strong>in</strong>en Arbeitsplatz f<strong>in</strong>den.<br />
Dort wo Überstunden aus betrieblichen<br />
Gründen erfor<strong>der</strong>lich s<strong>in</strong>d, müssen diese<br />
vorwiegend <strong>in</strong> Freizeit ausgeglichen werden.<br />
Alle<strong>in</strong> im Jahre 94 wurden knapp zwei<br />
Milliarden Überstunden geleistet, rechnerisch<br />
würden sich daraus 1,3 Millionen<br />
Arbeitsplätze ergeben.<br />
Die Schutz- und Gestaltungsfunktion <strong>der</strong><br />
Tarifverträge erhalten<br />
Wir wenden uns gegen e<strong>in</strong>e Verbetrieblichung<br />
<strong>der</strong> Arbeitszeitpolitik. In den Flächentarifverträgen<br />
muû <strong>der</strong> Rahmen festgeschrieben<br />
werden, <strong>in</strong>nerhalb dessen<br />
Betriebe Spielräume zur Gestaltung <strong>der</strong><br />
betrieblichen Arbeitszeitstrukturen haben.<br />
Dieser Rahmen muû sich grundsätzlich am<br />
gesellschaftlichen Zeitrhythmus ausrichten.<br />
Das heiût, Wochenenden und die Abendstunden<br />
müssen für die breite Bevölkerung<br />
Nicht-Arbeitszeit se<strong>in</strong>.<br />
Entschleunigung des Arbeitsprozesses<br />
Die Gestaltung <strong>der</strong> Arbeitszeit muû an den<br />
Interessen <strong>der</strong> Belegschaften anknüpfen.<br />
Die Arbeitszeit ist nicht nur zur Arbeit da.<br />
Es muû während <strong>der</strong> Arbeitszeit auch die<br />
Gelegenheit bestehen, soziale Kontakte zu<br />
pflegen, sich mit den KollegInnen auszutauschen.<br />
Wir wollen die Festlegung von<br />
Kommunikationsrechten, damit sich die<br />
Beschäftigten über ihre Interessen verständigen<br />
können.<br />
Der gesamte Arbeitsprozeû muû entschleunigt<br />
werden. Der Arbeitsrhythmus <strong>der</strong><br />
Menschen soll nicht den Masch<strong>in</strong>en angepaût<br />
werden, son<strong>der</strong>n die Masch<strong>in</strong>en den<br />
Zeitbedürfnissen <strong>der</strong> beschäftigten Menschen.<br />
E<strong>in</strong>e Möglichkeit dies durchzusetzen<br />
s<strong>in</strong>d z.B. konkrete Pausenregelungen.<br />
175
Soziale Schutzstandards müssen mit <strong>in</strong>dividuellen<br />
Gestaltungsoptionen verknüpft<br />
werden. Im Rahmen <strong>der</strong> Arbeitszeitgestaltung<br />
brauchen die Betriebsräte gesicherte<br />
Gestaltungs- und Mitbestimmungsrechte.<br />
Arbeitszeitkonten<br />
In den letzten e<strong>in</strong> bis zwei Jahren werden<br />
Tarifverträge verstärkt unter dem Aspekt<br />
<strong>der</strong> Beschäftigungssicherung verhandelt<br />
und abgeschlossen. Die berechtigten For<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Gewerkschaften nach kürzeren<br />
Arbeitszeiten z.B. <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es obligatorischen<br />
Freizeitausgleichs geleisteter<br />
Überstunden lassen sich dabei häufig nur<br />
erfüllen, wenn die Gewerkschaft flexibleren<br />
Arbeitszeitmustern zustimmt. Als favorisiertes<br />
Arbeitszeitmodell setzt sich zunehmend<br />
das ¹Arbeitszeitkontoª durch. Im<br />
Kern handelt es sich dabei um betriebliche<br />
Jahresarbeitszeitregelungen, <strong>in</strong> dessen Rahmen<br />
auf persönlichen Arbeitszeitkonten<br />
sowohl Zeitguthaben als Folge geleisteter<br />
Mehrheit als auch M<strong>in</strong>usstunden berücksichtigt<br />
werden. Die angesparten Zeitguthaben<br />
sollen zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt<br />
abgegolten werden. Die Interessen <strong>der</strong><br />
Kapitalseite an solchen Arbeitszeitkonten<br />
liegen dar<strong>in</strong>, daû die Beschäftigten <strong>in</strong> auftragsstarken<br />
Zeiten Überstunden leisten,<br />
die <strong>in</strong> Zeiten ger<strong>in</strong>gerer Nachfrage wie<strong>der</strong><br />
abgebaut werden. Die unternehmerische<br />
Flexibilität, den Personale<strong>in</strong>satz an die Auftragsschwankungen<br />
anpassen zu können,<br />
steigt. Die Vere<strong>in</strong>barung von Zeitkonten<br />
kann zwar im Rahmen beschäftigungssichern<strong>der</strong><br />
Abschlüsse zeitweise verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
daû betriebsbed<strong>in</strong>gte Kündigungen ausgesprochen<br />
werden.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs drohen umgekehrt die Beschäftigungseffekte<br />
von Arbeitszeitverkürzungen<br />
verloren zu gehen, da bei verbesserter Auftragslage<br />
zunächst die Zeitkonten gefüllt<br />
werden. Die E<strong>in</strong>richtung von Zeitkonten<br />
muû daher an folgende Bed<strong>in</strong>gungen<br />
geknüpft se<strong>in</strong>:<br />
1. Die Ausgestaltung von Zeitkonten muû<br />
so erfolgen, daû neben <strong>der</strong> Beschäfti-<br />
176<br />
gungssicherung die vere<strong>in</strong>barten<br />
Arbeitszeitverkürzungen nicht unterlaufen<br />
werden können. E<strong>in</strong> obligatorischer<br />
Freizeitausgleich ist sicherzustellen.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus muû e<strong>in</strong> tarifvertraglicher<br />
Rahmen gewährleisten, daû die<br />
gewerkschaftlichen Arbeitszeitpositionen<br />
e<strong>in</strong>er täglichen und wöchentlichen<br />
Höchstarbeitszeit, verteilt auf die Regelarbeitstage<br />
Montag bis Freitag, erhalten<br />
bleiben. Zeitkonten dürfen nicht zu<br />
e<strong>in</strong>er Ausweitung <strong>der</strong> Wochenendarbeit<br />
<strong>in</strong>strumentalisiert werden. Bei <strong>der</strong> Festlegung<br />
<strong>der</strong> Obergrenze für das Zeitguthaben<br />
müssen beschäftigungspolitische<br />
Überlegungen im Vor<strong>der</strong>grund stehen.<br />
Dabei gilt die Regel: je weniger Überstunden<br />
überhaupt angesammelt werden<br />
dürfen, desto höher <strong>der</strong> Beschäftigungseffekt<br />
von Arbeitszeitverkürzungen und<br />
verbesserter Auftragslage.<br />
2. Die Zeitkonten dürfen die unternehmerischen<br />
Dispositions- und Weisungsbefugnis<br />
nicht erhöhen. Sie s<strong>in</strong>d strikt als<br />
Mittel zur Durchsetzung gröûerer Zeitsouveränität<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten auszugestalten.<br />
Nach Ankündigung <strong>der</strong> ArbeitnehmerIn<br />
für e<strong>in</strong>e Entnahme e<strong>in</strong>es<br />
vorhandenen Überschusses aus dem<br />
Zeitkonto muû dies durch den Arbeitgeber<br />
stattgegeben werden. Es muû dabei<br />
bleiben, daû Mehrarbeitsstunden auûerhalb<br />
festgelegter Gleitzeitregelungen<br />
vom Betriebsrat genehmigt werden müssen.<br />
Zeitkonten dürfen auch nicht dazu<br />
miûbraucht werden, unsoziale Arbeitszeiten<br />
wie etwa die Nachtarbeit auszudehnen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)
Antrag I 77<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Aligse-Kolshorn-Röddensen<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
¹Zukunft <strong>der</strong> Arbeit und <strong>der</strong><br />
Demokratieª<br />
Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t den Parteivorstand<br />
auf, e<strong>in</strong>e Expertenkommission ¹Zukunft<br />
<strong>der</strong> Arbeit und <strong>der</strong> Demokratieª zu bestellen.<br />
Die Kommission soll Elemente für e<strong>in</strong>e<br />
Vision erarbeiten, wie bei zunehmen<strong>der</strong><br />
Schrumpfung des Arbeitsplatzangebotes die<br />
vorhandene Arbeit gerecht verteilt werden<br />
kann, damit die soziale Demokratie im<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht durch extremistische<br />
Tendenzen nach Rechts und/o<strong>der</strong> L<strong>in</strong>ks<br />
gefährdet wird.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag I 79<br />
Unterbezirk Schwabach<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Arbeitnehmerüberlassung<br />
1. Die erfolgte Aufweichung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes(AÜG)<br />
und<br />
die, wie z.B. vom Bundesverband für<br />
Zeitarbeit und <strong>der</strong> vom Wirtschaftsrat<br />
<strong>der</strong> CDU gefor<strong>der</strong>te Ausweitung <strong>der</strong><br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Arbeitnehmerüberlassung<br />
wird entschieden abgelehnt.<br />
Die Zeitarbeitsunternehmen sehen<br />
jedoch ihre Wachstumsmöglichkeiten<br />
auch weiterh<strong>in</strong> durch das bereits aufgeweichte<br />
AÜG e<strong>in</strong>geschränkt. Befristete<br />
Zeitarbeitsverträge, Kettenzeitarbeitsverträge,<br />
dauerhafte Entleihung an e<strong>in</strong><br />
Unternehmen und die Ausdehnung <strong>der</strong><br />
Zeitarbeit auf das Bauhauptgewerbe soll<br />
die Branche noch lukrativer machen.<br />
Werden diese Restriktionen jedoch<br />
abgeschafft, so wird <strong>der</strong> Typus e<strong>in</strong>es<br />
mo<strong>der</strong>nen Saisonarbeiters geschaffen,<br />
<strong>der</strong> für wenig Geld bei Bedarf angeheuert,<br />
eventuell weiter beschäftigt o<strong>der</strong><br />
sofort wie<strong>der</strong> entlassen werden kann.<br />
Die soziale Verantwortung <strong>der</strong> Verleihbetriebe<br />
würde auf Kosten <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
zugunsten <strong>der</strong> Profitmaximierung<br />
aufgegeben werden. Die<br />
Abschaffung dieser Regelungen würde<br />
dazu führen, daû <strong>in</strong> normalen Betrieben<br />
deutlich weniger Dauerarbeitsplätze<br />
geschaffen werden würden.<br />
2. Die Bezahlung <strong>der</strong> Leiharbeitnehmer<br />
muû <strong>der</strong> Entlohnung <strong>der</strong> dauerhaft <strong>in</strong><br />
Betrieben Beschäftigten angeglichen<br />
werden. Die augenblickliche Entlohnung<br />
liegt bis zu 45 % unter den tariflichen<br />
Bestimmungen <strong>der</strong> jeweiligen<br />
Branche.<br />
Die Tarifautonomie wird durch die<br />
Zeitarbeit untergraben, denn die Arbeitnehmer<br />
verdienen meist weit unter dem<br />
Tariflohn <strong>der</strong> entsprechenden Branche.<br />
Dies erklärt auch die gestiegene Attraktivität<br />
e<strong>in</strong>es Zeitarbeitnehmers für den-<br />
Entleihbetrieb. Der Entleiher erhält<br />
e<strong>in</strong>en flexiblen und motivierten Arbeitnehmer(Hoffnung<br />
auf Dauerarbeitsplatz)<br />
und muû oft nicht mehr, wenn<br />
nicht sogar weniger als für e<strong>in</strong>en fest<br />
angestellten Facharbeiter bezahlen. Wie<br />
die Arbeitgeberseite die Kosten regelt,<br />
muû uns nicht kümmern. Fest steht, daû<br />
Arbeit ihren Preis haben. muû. Ziel <strong>der</strong><br />
Zeitarbeit darf es nicht se<strong>in</strong>, Unternehmer<br />
aus <strong>der</strong> sozialen Verantwortung<br />
Arbeitsplätze zu schaffen zu entlassen<br />
und e<strong>in</strong>e neue Gruppe von Billiglohnarbeitern<br />
<strong>in</strong> Deutschland aufzubauen.<br />
3. Die Gewerkschaften im DGB werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, ihre Anstrengungen zu<br />
verstärken, die Beschäftigten <strong>der</strong> Arbeitnehmerüberlassungsbranche<br />
zu organisieren.<br />
Es müssen Möglichkeiten<br />
geschaffen werden, auch für LeiharbeitnehmerInnen<br />
tarifvertragliche Rechte zu<br />
begründen. Maûstab könnte die E<strong>in</strong>satzbranche<br />
se<strong>in</strong>. Es muû jedoch vermieden<br />
werden, daû dadurch e<strong>in</strong>e Umstrukturierung<br />
<strong>der</strong> Leiharbeit (siehe Punkt 4)<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird.<br />
Die Beschäftigung über Zeitarbeitsfirmen<br />
hat mit 170 000 Arbeitnehmern<br />
e<strong>in</strong>en Umfang erreicht, <strong>der</strong> von Seiten<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmervertretung nicht mehr<br />
177
178<br />
vernachlässigt werden kann. Der DGB<br />
darf nicht diese steigende Zahl von<br />
Arbeitnehmern von e<strong>in</strong>er tarifrechtlichen<br />
Absicherung ausschlieûen. Das<br />
Phänomen <strong>der</strong> kommerziellen Leiharbeit<br />
kann unter den augenblicklichen<br />
gesellschaftlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
wohl nicht sofort beseitigt werden, so<br />
daû die dort beschäftigten Menschen auf<br />
e<strong>in</strong>e gewerkschaftliche Unterstützung<br />
zur Durchsetzung ihrer Rechte angewiesen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
4. Es werden alternativ zur bestehenden<br />
gewerbsmäûigen Arbeitnehmerüberlassung<br />
sozial verträglichere Formen <strong>der</strong><br />
AÜ entwickelt. und erprobt. Es muû <strong>in</strong><br />
Zukunft <strong>der</strong> Diskussion über die Umgestaltung<br />
des geltenden AÜG und <strong>der</strong><br />
dadurch entstandenen gewerbsmäûigen<br />
aber kaum sozial verträglichen Form <strong>der</strong><br />
AÜ-Branche durch neu entwickelte<br />
Konzepte e<strong>in</strong>e verstärkte Grundlage<br />
gegeben werden. Die entsprechenden<br />
Parteiorgane werden beauftragt, diesen<br />
Beschluû umzusetzen.<br />
An<strong>der</strong>e, sozial verträglichere Formen<br />
gegenüber <strong>der</strong> bestehenden gewerbsmäûigen<br />
AÜ s<strong>in</strong>d dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Nicht nur, daû bei <strong>der</strong> bestehenden<br />
Form <strong>der</strong> AÜ die Interessen <strong>der</strong> betroffenen<br />
Beschäftigten h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
materiellen und sozialen Absicherung<br />
kaum berücksichtigt werden, s<strong>in</strong>d die<br />
Aussichten auf weitere Qualifizierungsmöglichkeiten<br />
und die berufliche Weiterentwicklung<br />
praktisch nicht vorhanden.<br />
Auch das steigende Streben <strong>der</strong><br />
Unternehmer nach weiterer Flexibilisierung<br />
auf <strong>der</strong> personalpolitischen Seite<br />
<strong>der</strong> Arbeitgeber kann e<strong>in</strong>e Benachteiligung<br />
<strong>der</strong> betroffenen Arbeitnehmer ke<strong>in</strong>eswegs<br />
legitimieren. Das Beschäftigungsrisiko<br />
darf nicht e<strong>in</strong>fach von den<br />
Unternehmen auf die Verleihfirmen und<br />
hier fürs letzte auf die Leiharbeiter<br />
abgewälzt werden. Da die gewerbsmäûige<br />
AÜ auch zunehmend die Randbelegschaft<br />
etablierter Firmen bereitstellt,<br />
werden nicht selten z.B. betriebseigene<br />
Elektrowerkstätten verkle<strong>in</strong>ert o<strong>der</strong><br />
sogar ganz aufgelöst. Dieses kann sich<br />
natürlich auf die Anzahl <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />
auswirken. Jedoch die Firmen,<br />
welche im Bereich <strong>der</strong> AÜ tätig<br />
s<strong>in</strong>d, bilden nicht aus. Zum an<strong>der</strong>en f<strong>in</strong>det<br />
lediglich e<strong>in</strong>e Umverlagerung von<br />
Dauerarbeitsplätzen <strong>in</strong> Richtung wenig<br />
abgesicherter Leiharbeitsplätze statt.<br />
Die reale Existenz wirklich neuer, also<br />
zusätzlich entstandener Arbeitsplätze<br />
wird auch im Erfahrungsbericht <strong>der</strong><br />
Bundesregierung zum AÜG nur als<br />
ger<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>gestuft. E<strong>in</strong>e anhaltende Weiterentwicklung<br />
von bereits existierenden<br />
Konzepten, wie z. B. <strong>in</strong> NRW mit dem<br />
Modell START schon erprobt, könnte<br />
durchaus zu e<strong>in</strong>er Gestaltung <strong>der</strong> Leiharbeit<br />
zu e<strong>in</strong>em arbeitsmarktpolitischen<br />
Instrument führen, welches als sozialverträgliches<br />
Mittel zur Integration von<br />
Arbeitslosen und sogar schwervermittelbaren<br />
Arbeitslosen e<strong>in</strong>gesetzt werden<br />
könnte. Es könnte dadurch e<strong>in</strong>e Benachteiligung<br />
<strong>der</strong> Beschäftigten und das<br />
Bestehen von illegalen Praktiken <strong>der</strong><br />
Unternehmen, welches immer noch zum<br />
alltäglichen Geschäft gehört, unterbunden<br />
werden.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 82<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Frankfurt/Ma<strong>in</strong>-<br />
Nordwest III-Süd<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Rücknahme des ¹Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzesª:<br />
¹Den Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e<br />
Republik verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die Programmkommission<br />
<strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Deutschlands auf, die Rücknahme<br />
des<br />
Arbeits¹för<strong>der</strong>ungsreformªgesetzes <strong>in</strong> das<br />
Bundestagswahlprogramm ©98 aufzunehmen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)
Antrag I 83<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Schwanewede<br />
(Bezirk Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen)<br />
Umschulungsmaûnahmen<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e bessere Kontrolle<br />
und Überwachung des Bedarfs und <strong>der</strong><br />
Inhalte von Umschulungsmaûnahmen<br />
durch die Arbeitsämter und durch die Versicherungsträger,<br />
als F<strong>in</strong>anzierer <strong>der</strong><br />
Umschulungsmaûnahmen.<br />
Es muû <strong>in</strong> bedarfsorientierte Berufe umgeschult<br />
werden, die auch vermittelt werden<br />
können. Hierbei muû die Eignung <strong>der</strong><br />
Umschüler im Vor<strong>der</strong>grund stehen. Es<br />
kann und darf nicht se<strong>in</strong>, daû e<strong>in</strong> Umschüler<br />
nach se<strong>in</strong>er Umschulungsmaûnahme<br />
wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Arbeitslosigkeit entlassen<br />
wird.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 84<br />
Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Austausch von öffentlichem<br />
Dienst und an<strong>der</strong>en Berufsbereichen<br />
E<strong>in</strong> verstärkter Austausch von öffentlichem<br />
Dienst und an<strong>der</strong>en Berufsbereichen ist für<br />
die Zukunft s<strong>in</strong>nvoll. Die <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> Bund<br />
und Land wird aufgefor<strong>der</strong>t, Hemmschwellen,<br />
die gegenwärtig hierbei noch <strong>in</strong> verschiedenen<br />
Bereichen bestehen, zu überprüfen<br />
und abzubauen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
± <strong>in</strong> bezug auf das Zugangsalter,<br />
± die E<strong>in</strong>gangsqualifikation zu den verschiedenen<br />
Dienstebenen,<br />
± die Besoldungsstruktur mit e<strong>in</strong>er Verstärkung<br />
<strong>der</strong> Leistungszulagen auf Zeit und<br />
<strong>der</strong> pr<strong>in</strong>zipiellen Möglichkeit, Funktionsbesetzungen<br />
nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit zu<br />
überprüfen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 85<br />
Bezirk Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen<br />
Wirtschafts- und Steuerpolitik<br />
Angesichts <strong>der</strong> dauernden Kürzungen<br />
öffentlicher Investitionen liegen <strong>der</strong>zeit<br />
genügend gut geplante und rasch umsetzbare<br />
Papiere <strong>in</strong> den Schubladen. Um<br />
sicherzustellen, dass aus <strong>der</strong> Vielzahl <strong>der</strong><br />
Projekte mittel- und langfristig volkswirtschaftliche<br />
vernünftige Investitionen vorrangig<br />
zum Zuge kommen, wird Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen<br />
auf den Gebieten <strong>der</strong><br />
ökologischen Erneuerung und von Wissenschaft<br />
und Forschung <strong>der</strong> Vorrang gegeben.<br />
Dies s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />
± Ausbau und Mo<strong>der</strong>nisierung des ÖPNV<br />
und Ausbau leistungsfähiger Schienennetze<br />
± Maûnahmen <strong>der</strong> Stadtentwicklung und<br />
Stadtsanierung<br />
± Verbesserung <strong>der</strong> kommunalen Infrastruktur<br />
± vor allem <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
± Ersatz<strong>in</strong>vestitionen im Bereich <strong>der</strong> Entsorgung<br />
(überalterte Kanalisation)<br />
± Maûnahmen zur Reduzierung <strong>der</strong><br />
Umweltbelastung, Energiee<strong>in</strong>sparung<br />
und regenerativer Energiequellen<br />
± Ausgaben für Wissenschaft und Forschung<br />
± sozialer Wohnungsbau<br />
± ökologische Sortierung von Altlasten.<br />
Wenn diese notwendigen Schritte <strong>in</strong> diesem<br />
Sommer unternommen werden, führt<br />
e<strong>in</strong>e solche Politik zu e<strong>in</strong>em dynamischen<br />
Prozeû <strong>der</strong> Erholung <strong>der</strong> deutschen Wirtschaft<br />
mit deutlich wachsen<strong>der</strong> Beschäftigung<br />
bei stabilen Preisen.<br />
Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm<br />
<strong>in</strong> Höhe von 35 Mrd. DM jährlich,<br />
das durch e<strong>in</strong>e zusätzliche Kreditaufnahme<br />
f<strong>in</strong>anziert wird, selbst wenn es alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
Deutschland zum Tragen kommt, zu folgenden<br />
Verbesserungen gegenüber <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik:<br />
179
± e<strong>in</strong> spürbar höheres Wachstum des<br />
Sozialproduktes (+ 1,8 v. H.)<br />
± etwa 500 000 zusätzliche Arbeitsplätze<br />
± E<strong>in</strong>sparungen bei <strong>der</strong> Arbeitslosenunterstützung<br />
und <strong>der</strong> Sozialhilfe <strong>in</strong> Höhe<br />
von 6±7 Mrd. DM. e<strong>in</strong>e merkliche mittelfristige<br />
Konsolidierung <strong>der</strong> Staatshaushalte<br />
mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren Schuldenquote<br />
am BIP und e<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>squote<br />
unterhalb <strong>der</strong> Z<strong>in</strong>sbelastung, wie sie bei<br />
<strong>der</strong> Fortsetzung <strong>der</strong> jetzigen Politik<br />
zwangsläufig ist.<br />
E<strong>in</strong>e Beteiligung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union an e<strong>in</strong>em solchen Zukunfts<strong>in</strong>vestitionspakt<br />
für mehr Wachstum und<br />
Beschäftigung könnten zu wesentlich weitreichen<strong>der</strong>en<br />
Erfolgen führen.<br />
In <strong>der</strong> BRD s<strong>in</strong>d folgende steuerliche<br />
Grundsätze zur F<strong>in</strong>anzierung des Investitionsprogramms<br />
unbed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>zuhalten:<br />
± Die Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d künftig<br />
im Rahmen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen- bzw. Körperschaftssteuer<br />
ohne zeitlich begrenzte<br />
Spekulationsfristen zu versteuern. Bei<br />
Verlusten müûte logischerweise e<strong>in</strong>e entlastende<br />
Verrechnung sichergestellt werden.<br />
Durch die Regelung entfiele die Besteuerung<br />
spekulativer Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne<br />
(<strong>der</strong>zeit bei Immobilien Befristung auf<br />
zwei Jahre, bei Wertpapieren auf e<strong>in</strong> halbes<br />
Jahr).<br />
± Die Vermögenssteuer für private Haushalte,<br />
die mit dem Jahressteuergesetz<br />
1996 abgeschafft wurde, ist wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zuführen.<br />
Dabei s<strong>in</strong>d die durch das Bundesverfassungsgericht<br />
festgelegten Pr<strong>in</strong>zipien<br />
<strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Immobilien<br />
nach dem Verkehrswert grundsätzlich zu<br />
berücksichtigen. Selbst bei e<strong>in</strong>er groûzügigen<br />
Regelung <strong>der</strong> Freibeträge für das<br />
sog. Gebrauchsvermögen würde nach<br />
Modellrechnungen e<strong>in</strong> Prozent Vermögenssteuer<br />
zu e<strong>in</strong>em Aufkommen von<br />
über 37 Mrd. DM führen. Mittelfristig<br />
ist e<strong>in</strong>e Anhebung auf zwei Prozent vorzusehen.<br />
± Zur Zeit gleicht die Gewerbesteuer,<br />
<strong>in</strong>folge mehrfacher E<strong>in</strong>griffe, e<strong>in</strong>em<br />
180<br />
Schweizer Käse. Sie wird oft nur noch<br />
von wenigen Groûunternehmen bezahlt.<br />
Im Rahmen e<strong>in</strong>er ¹Unternehmenssteuerreformª<br />
will die Bundesregierung die<br />
Abschaffung <strong>der</strong> Gewerbekapitalsteuer<br />
durchsetzen. Wir for<strong>der</strong>n dagegen, die<br />
Gewerbesteuer gegen e<strong>in</strong>e kommunale<br />
Wertschöpfungssteuer abzulösen. Dabei<br />
sollen auch die Anbieter von Dienstleistungen<br />
e<strong>in</strong>bezogen werden. Hiermit<br />
stünde den Kommunen e<strong>in</strong>e eigene,<br />
wenig konjunkturabhängige Steuer auf<br />
breiter Basis zur Verfügung.<br />
± Die Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer zur<br />
Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Entlastungen bei<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommen- bzw. Körperschaftssteuer<br />
lehnen wir grundsätzlich ab. E<strong>in</strong>e<br />
weitere Erhöhung würde das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />
ökonomischen Leistungsfähigkeit endgültig<br />
desavouieren. Da die Konsumquote<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>kommensstarken Gruppen<br />
deutlich ger<strong>in</strong>ger ist, fällt auch <strong>der</strong>en<br />
Belastung relativ niedriger aus. E<strong>in</strong><br />
Umbau des Steuersystems <strong>in</strong> Richtung<br />
e<strong>in</strong>er Erhöhung <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Besteuerung<br />
muû deshalb unterbunden werden.<br />
± Die e<strong>in</strong>zigen <strong>in</strong>direkten Steuern, die<br />
erhöht werden dürfen, s<strong>in</strong>d Steuern, die<br />
e<strong>in</strong>e ökologische Lenkungsfunktion<br />
haben, wie z.B. die M<strong>in</strong>eralölsteuer.<br />
(Überwiesen an Parvorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 86<br />
Bezirk Hessen-Süd<br />
Steuergerechtigkeit<br />
herstellen, Beschäftigung<br />
för<strong>der</strong>n, den Weg <strong>in</strong> die<br />
Zukunft f<strong>in</strong>anzieren<br />
I. Sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
Steuer- und F<strong>in</strong>anzpolitik muû wirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche Prozesse för<strong>der</strong>n.<br />
Konservative F<strong>in</strong>anzpolitik erhebt den<br />
Anspruch, die wirtschaftliche Entwicklung<br />
Deutschlands zu sichern. Dazu gehören<br />
Investitionen <strong>in</strong> Infrastruktur, Bildung,
Forschung und Entwicklung. Bereits hier<br />
hat die konservative Bundesregierung versagt,<br />
wie schon die s<strong>in</strong>kenden Ausgaben für<br />
Bildung und Forschung zeigen.<br />
Sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik will<br />
mehr, Wir stellen uns <strong>der</strong> Aufgabe, durch<br />
öffentliches Handeln den Problemen entgegenzuwirken,<br />
die aus e<strong>in</strong>em auf Gew<strong>in</strong>n<br />
orientierten wirtschaftlichen Handeln entstehen.<br />
Deshalb ist für uns e<strong>in</strong>e aktive<br />
Beschäftigungspolitik ebenso wichtig wie<br />
<strong>der</strong> Ausgleich <strong>der</strong> sozialen und ökologischen<br />
Folgen gew<strong>in</strong>norientierten Wirtschaftens.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus wollen wir soziale Gerechtigkeit<br />
herstellen, Gleichberechtigung för<strong>der</strong>n<br />
und Impulse für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>novative nachhaltige<br />
Wirtschaftsweise geben.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gehört zu e<strong>in</strong>er<br />
sozialdemokratischen F<strong>in</strong>anzpolitik, daû<br />
die Lasten an Steuern und Abgaben sozial<br />
gerecht nach <strong>der</strong> jeweiligen Leistungsfähigkeit<br />
verteilt werden. Dieser Zustand muû<br />
<strong>in</strong> Deutschland erst wie<strong>der</strong> hergestellt werden.<br />
Mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von Steuer- und<br />
Abgabenerhöhungen vor allem <strong>in</strong> den Jahren<br />
1991 bis 1995 hat die <strong>der</strong>zeitige Bundesregierung<br />
vor allem die Bezieher normaler<br />
E<strong>in</strong>kommen belastet und<br />
Groûverdiener weitgehend geschont. Die<br />
<strong>SPD</strong> will e<strong>in</strong>e schrittweise Rückführung<br />
<strong>der</strong> Steuer- und Abgabenbelastung für<br />
Normalverdiener auf <strong>der</strong> Grundlage soli<strong>der</strong><br />
Staatsf<strong>in</strong>anzen. Dieses Ziel ist erreichbar<br />
durch e<strong>in</strong>e Steuer- und Abgabenreform, die<br />
im wesentlichen aufkommensneutral ist.<br />
E<strong>in</strong>e unüberschaubare Vielfalt von Steuervergünstigungen<br />
und Son<strong>der</strong>regelungen hat<br />
das Steuerrecht ungerechter gemacht, da<br />
nur e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit von kundigen und<br />
besserverdienenden Steuerpflichtigen dazu<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, die Regelungen zu nutzen<br />
und damit ihre Steuerschuld auf Kosten<br />
<strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> Bürger zu drücken. Jede<br />
Steuerreform muû sich deshalb an dem<br />
Anspruch messen lassen, die Besteuerung<br />
gerechter und e<strong>in</strong>facher zu machen.<br />
Wir wollen e<strong>in</strong>e Steuerreform, die Steuergerechtigkeit<br />
und Steuervere<strong>in</strong>fachung zum<br />
Ziel hat!<br />
II. Steuergerechtigkeit<br />
Steuergerechtigkeit heiût: alle E<strong>in</strong>kommensarten<br />
gleich besteuern<br />
Die massive Ungerechtigkeit durch die<br />
unterschiedliche Behandlung verschiedener<br />
E<strong>in</strong>kommensarten bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensbesteuerung<br />
muû beseitigt werden.<br />
Während das Arbeitse<strong>in</strong>kommen vollständig<br />
besteuert wird, da <strong>der</strong> Arbeitgeber die<br />
Lohnsteuer e<strong>in</strong>behält, werden E<strong>in</strong>künfte<br />
aus Unternehmertätigkeit, aus Kapitalvermögen<br />
und Immobilien nur unzureichend<br />
erfaût. Dies führt nicht nur zu Steuerausfällen<br />
und belastet e<strong>in</strong>seitig den Faktor<br />
Arbeit, son<strong>der</strong>n es kommt dazu auch noch<br />
zu volkswirtschaftlich schädlichen Fehlsteuerungen,<br />
da F<strong>in</strong>anzanlagen o<strong>der</strong> Immobilienanlagen<br />
auch noch günstiger behandelt<br />
werden als z. B. Anlagen <strong>in</strong><br />
Produktivkapital.<br />
Wir wollen, daû die unterschiedlichen E<strong>in</strong>kommensarten<br />
grundsätzlich steuerlich<br />
gleich behandelt werden. Dabei wollen wir<br />
Besteuerungslücken zugunsten weniger<br />
schlieûen. Deshalb treten wie dafür e<strong>in</strong>,<br />
Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Form zu<br />
versteuern, gleichgültig ob es sich um<br />
Immobilien, Firmenanteile o<strong>der</strong> Wertpapiere<br />
handelt. Ebenso s<strong>in</strong>d alle Spekulationsgew<strong>in</strong>ne<br />
aus Derivatgeschäften und aus<br />
Devisenspekulationen geeignet zu besteuern.<br />
Auch erfor<strong>der</strong>t es die Gleichmäûigkeit<br />
<strong>der</strong> Besteuerung, daû auch die E<strong>in</strong>künfte<br />
aus Kapitalvermögen vollständig erfaût<br />
werden. Dazu s<strong>in</strong>d Z<strong>in</strong>serträge an <strong>der</strong><br />
Quelle mit dem Spitzensteuersatz vorab zu<br />
belasten. Die Quellensteuer ist auf die E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
anzurechnen.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: Leistungsfähigkeit<br />
als Maûstab<br />
Es muû wie<strong>der</strong> gelten, daû mit steigendem<br />
E<strong>in</strong>kommen auch die steuerliche Belastung<br />
steigt. Werden E<strong>in</strong>kommen aber gar nicht<br />
mehr, o<strong>der</strong> nur noch zum Teil erfaût,<br />
bedeutet dies e<strong>in</strong>en schweren Verstoû<br />
gegen den Grundsatz <strong>der</strong> Besteuerung nach<br />
Leistungsfähigkeit.<br />
181
Wenn sich für Normalverdiener heute durch<br />
Lohnsteuer und unter Berücksichtigung <strong>der</strong><br />
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung oft<br />
e<strong>in</strong>e höhere Belastung für jede zusätzlich<br />
verdiente Mark ergibt als für Bezieher hoher<br />
E<strong>in</strong>kommen, dann ist dies nicht h<strong>in</strong>nehmbar.<br />
Denn mit steigendem E<strong>in</strong>kommen<br />
wachsen die Möglichkeiten, die von <strong>der</strong><br />
Regierung geschaffenen Schlupflöcher wie<br />
Son<strong>der</strong>abschreibungen, Bewertungsfreiheiten<br />
und E<strong>in</strong>kommensverlagerungen so zu<br />
nutzen, daû sich die Steuerschuld drastisch<br />
verr<strong>in</strong>gert und im Extremfall auf Null s<strong>in</strong>kt.<br />
Demgegenüber wird bei Arbeitnehmern<br />
wegen <strong>der</strong> zu ger<strong>in</strong>gen Absetzbarkeit <strong>der</strong><br />
zwangsläufig erhobenen Sozialversicherungsbeiträge<br />
zusätzlich e<strong>in</strong> nicht verfügbares<br />
E<strong>in</strong>kommen versteuert.<br />
Wir wollen Steuersubventionen und Son<strong>der</strong>regelungen<br />
konsequent e<strong>in</strong>schränken<br />
und beseitigen! Durch die so erreichte<br />
Annäherung von nom<strong>in</strong>aler und effektiver<br />
Besteuerung wird das Steuerrecht zugleich<br />
e<strong>in</strong>facher und gerechter.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: Lasten gleich behandeln<br />
Zu e<strong>in</strong>er gerechten E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />
gehört auch, daû die Lasten, die bei <strong>der</strong><br />
Steuerbemessung berücksichtigt werden,<br />
wie zum Beispiel Aufwendungen zur sozialen<br />
Sicherung, die Steuer bei allen<br />
E<strong>in</strong>kommensgruppen <strong>in</strong> gleicher Weise<br />
m<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Deshalb wollen wir, daû Entlastungsbeträge<br />
nicht bei <strong>der</strong> Bemessungsgrundlage,<br />
son<strong>der</strong>n bei <strong>der</strong> Steuerschuld<br />
abgezogen werden. Dies gilt für Leistungen<br />
des Familienlastenausgleiches ebenso<br />
wie für Vorsorgeaufwendungen und Werbungskosten.<br />
Das heiût, daû jeweils e<strong>in</strong><br />
Anteil dieser Beträge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe des E<strong>in</strong>gangssteuersatzes<br />
von <strong>der</strong> Steuer abgezogen<br />
wird. Das gleiche gilt, wenn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />
wenigen Bereichen neben gezielten F<strong>in</strong>anzhilfen<br />
steuerliche Vergünstigungen erfor<strong>der</strong>lich<br />
bleiben.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: Statt Schlupflöcher<br />
für wenige, weniger Steuern für viele<br />
Wir wollen e<strong>in</strong>e Verbreiterung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuerbemessungsgrundlage<br />
durch die<br />
Abschaffung <strong>der</strong> meisten Ausnahmetatbe-<br />
182<br />
stände. Die erzielten Steuermehre<strong>in</strong>nahmen<br />
wollen wir zu e<strong>in</strong>em groûen Teil für e<strong>in</strong>e<br />
Senkung des E<strong>in</strong>kommensteuertarifs nutzen!<br />
Je weitgehen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Verbreiterung <strong>der</strong><br />
Bemessungsgrundlage und e<strong>in</strong> Abbau von<br />
Steuersubventionen erfolgt, desto gröûer<br />
ist das für e<strong>in</strong>e durchgängige Tarifsenkung<br />
zur Verfügung stehende Volumen. Dabei<br />
werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts<br />
strikt e<strong>in</strong>gehalten.<br />
Der Grundfreibetrag muû so ausgestaltet<br />
se<strong>in</strong>, daû er mehr als das nackte Überleben<br />
ermöglicht. Er ist so weit zu erhöhen, daû<br />
er zusätzlich e<strong>in</strong>e Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Leben garantiert.<br />
E<strong>in</strong> Existenzm<strong>in</strong>imum von 14000 DM für<br />
Ledige und 28000 für Verheiratete wird<br />
nicht besteuert und <strong>der</strong> Grundfreibetrag<br />
entsprechend ausgestaltet werden. E<strong>in</strong>e<br />
politische Überprüfung dieses Betrages hat<br />
im Rahmen des Jahressteuergesetzes stattzuf<strong>in</strong>den.<br />
Von den das Existenzm<strong>in</strong>imum<br />
übersteigenden E<strong>in</strong>kommensteilen müssen<br />
den Steuerpflichtigen jeweils angemessene<br />
Beträge verbleiben. Der E<strong>in</strong>gangssatz soll<br />
langfristig von jetzt 25,9 % auf 15 % abgesenkt<br />
werden. Der Spitzensteuersatz bleibt<br />
vorerst bei 53 % und wird von Ledigen bei<br />
e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kommen von 120000 erreicht.<br />
Wenn bei e<strong>in</strong>er späteren Stufe e<strong>in</strong>er Steuerreform<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangssteuersatz von 15 %<br />
erreicht ist und f<strong>in</strong>anzieller Spielraum entsteht,<br />
ist e<strong>in</strong>e Steuererleichterung durch<br />
Anheben <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenze von<br />
120 000 DM möglich.<br />
Die Progression ist so zu gestalten, daû die<br />
kle<strong>in</strong>en und mittleren E<strong>in</strong>kommen deutlich<br />
weniger Anteile am Gesamtaufkommen<br />
haben als bisher.<br />
E<strong>in</strong>e Besteuerung des Arbeitslosengeldes<br />
und an<strong>der</strong>er Lohnersatzleistungen sowie<br />
zusätzliche Besteuerung <strong>der</strong> Renten lehnen<br />
wir ab.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: Ke<strong>in</strong>e Umschichtung<br />
von direkten Steuern auf die Mehrwertsteuer<br />
Damit die Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer<br />
nicht noch weiter belastet werden,
ist e<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer<br />
grundsätzlich abzulehnen. Wer den gröûten<br />
Teil se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kommens für se<strong>in</strong>en<br />
Lebensunterhalt wie<strong>der</strong> ausgeben muû,<br />
wird von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer beson<strong>der</strong>s<br />
getroffen. E<strong>in</strong>e Umschichtung von direkten<br />
Steuern wie E<strong>in</strong>kommens- o<strong>der</strong> Vermögensteuer<br />
auf die <strong>in</strong>direkte Mehrwertsteuer<br />
belastet somit untere E<strong>in</strong>kommensgruppen<br />
stärker als die höheren E<strong>in</strong>kommen. Deswegen<br />
lehnen wir e<strong>in</strong>e höhere Mehrwertsteuer<br />
zur F<strong>in</strong>anzierung von Steuersenkungen<br />
ab.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: Die Unternehmenssteuern<br />
nicht weiter senken<br />
Die Gewerbesteuer erhalten<br />
Zu e<strong>in</strong>em gerechten Steuersystem gehören<br />
auch Unternehmenssteuern. Würden sie<br />
nicht erhoben, würde <strong>der</strong> von den Beschäftigten<br />
erwirtschaftete Wertzuwachs nur das<br />
Vermögen <strong>der</strong> Besitzer bzw. <strong>der</strong> Aktionäre<br />
erhöhen. Unternehmenssteuern lassen die<br />
Erträge <strong>der</strong> gesamten Gesellschaft zugute<br />
kommen. Während 1960 <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen<br />
12 % betrug, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nsteuern<br />
35 %, hat sich das Verhältnis <strong>in</strong>zwischen<br />
genau umgekehrt, die Steuern auf Gew<strong>in</strong>ne<br />
liegen heute bei 12 %, die Lohnsteuer bei<br />
35 % des Gesamtaufkommens. Die Steuerquote<br />
auf Gew<strong>in</strong>ne ist von 37 % auf 23 %<br />
gesunken. Obwohl die Mehrheit <strong>der</strong> europäischen<br />
Län<strong>der</strong> die Unternehmen <strong>in</strong> dieser<br />
Weise entlastet hat, wobei die Belastung <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Regel die Arbeitnehmer getroffen hat,<br />
ist dadurch ke<strong>in</strong> deutliche Zuwachs an Investitionen<br />
ausgelöst worden. Deshalb dürfen<br />
die Unternehmenssteuern nicht weiter<br />
gesenkt werden und die Gewerbesteuer<br />
muû erhalten werden. Zudem ist <strong>der</strong> Unternehmensbegriff<br />
auszuweiten, so daû jede<br />
Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr mit<br />
<strong>der</strong> Absicht, Gew<strong>in</strong>n zu erzielen, darunter<br />
fällt. Ziel e<strong>in</strong>er Steuerreform <strong>in</strong> diesem<br />
Bereich ist es, zu e<strong>in</strong>em rechtsformunabhängigen<br />
Unternehmensbesteuerung zu kommen,<br />
die auf alle Betriebe anzuwenden ist.<br />
Entnommene Gew<strong>in</strong>ne s<strong>in</strong>d dann mit <strong>der</strong><br />
privaten E<strong>in</strong>kommensteuer zu belasten, wie<br />
an<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>kommen auch.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: Die Steuerverwaltung<br />
effektiver gestalten, die Steuerkrim<strong>in</strong>alität<br />
entschieden bekämpfen<br />
Die Steuerverwaltung ist auch wegen Personalmangels<br />
nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die<br />
vorhandenen Steuergesetze umzusetzen<br />
und e<strong>in</strong>e gerechte Besteuerung zu gewährleisten.<br />
Die Lage von Betriebsprüfung und Steuerfahndung<br />
ist symptomatisch für die Lage<br />
<strong>der</strong> Steuerverwaltung <strong>in</strong>sgesamt. Auf diesem<br />
Nährboden kann die Steuerkrim<strong>in</strong>alität<br />
üppig wuchern. Die Steuerkrim<strong>in</strong>alität<br />
verursacht jährlich Steuerausfälle <strong>in</strong> dreistelliger<br />
Milliardenhöhe.<br />
Wir wollen, daû <strong>in</strong> jedem Bundesland<br />
unverzüglich e<strong>in</strong>e funktionstüchtige<br />
Betriebsprüfung e<strong>in</strong>gesetzt wird, so daû bei<br />
gröûeren Betrieben e<strong>in</strong> Prüfungsabstand<br />
von 3 Jahren nicht unterschritten wird. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
zur Bekämpfung <strong>der</strong> bedrohlichen<br />
Steuer- und Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität<br />
ist die hoffnungslos unterbesetzte Steuerfahndung<br />
entsprechend dem Aufgabenzuwachs<br />
personell aufzustocken. Die Personallücken<br />
s<strong>in</strong>d zu schlieûen. In Hessen s<strong>in</strong>d<br />
hier zwar bereits die Weichen <strong>in</strong>sofern<br />
gestellt worden, als <strong>in</strong> den Haushalt 1996<br />
zusätzlich 200 neue Anwärterstellen für<br />
Betriebsprüfer e<strong>in</strong>gestellt wurden, diese<br />
Zahl wird aber vermutlich nicht ausreichen.<br />
Um die Län<strong>der</strong> nicht über Gebühr zu belasten,<br />
wollen wir durch e<strong>in</strong>e ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Regelungen zum Län<strong>der</strong>f<strong>in</strong>anzausgleich<br />
dafür Sorge tragen, daû das Interesse <strong>der</strong><br />
Län<strong>der</strong> an e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Personalausstattung<br />
<strong>der</strong> Auûendienste und <strong>der</strong><br />
damit verbundenen konsequenten Ausschöpfung<br />
<strong>der</strong> Steuerquellen gestärkt wird.<br />
Denkbar wäre, daû Teile des durch<br />
Betriebsprüfungen erzielten zusätzlichen<br />
Steueraufkommens nicht über den Län<strong>der</strong>f<strong>in</strong>anzausgleich<br />
umverteilt und die Auûendienstkosten<br />
angerechnet werden.<br />
Wir wollen e<strong>in</strong> ¹Aktionsprogramm gegen<br />
Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität und Steuerh<strong>in</strong>terziehungª.<br />
E<strong>in</strong> solches Aktionsprogramm<br />
muû wirksame Maûnahmen enthalten, um<br />
183
die Steuerh<strong>in</strong>terziehung <strong>in</strong> zentralen Bereichen<br />
zu bekämpfen: Kapitalflucht <strong>in</strong><br />
Steueroasen, Gew<strong>in</strong>nverlagerungen <strong>in</strong>s<br />
Ausland, Sche<strong>in</strong>betriebsausgaben, Sche<strong>in</strong>unternehmen,<br />
illegale Arbeitnehmerüberlassung,<br />
Schwarzgeschäfte, Vortäuschung<br />
von Beschäftigungsverhältnissen,<br />
Vertragsmanipulationen.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: Die Kapitalertragssteuer<br />
EU-weit harmonisieren<br />
Nach Schätzungen gehen dem Staat jährlich<br />
10 bis 15 Milliarden DM an Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />
durch Z<strong>in</strong>ssteuerflucht verloren.<br />
Dies liegt unter an<strong>der</strong>em daran, daû <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union immer noch<br />
ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Besteuerungssystem von<br />
Kapitalerträgen existiert. So gibt es beispielsweise<br />
<strong>in</strong> Luxemburg ke<strong>in</strong>e Kapitalertragssteuer<br />
für Auslän<strong>der</strong>, was dazu führt,<br />
daû viele Groûanleger ihr Geld von<br />
Deutschland nach Luxemburg transferieren,<br />
um die Z<strong>in</strong>sabschlagsteuer zu umgehen.<br />
Dies hat <strong>in</strong> Deutschland zu e<strong>in</strong>em<br />
dualen System <strong>der</strong> Besteuerung auf Kapitalerträge<br />
geführt: Die M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit <strong>der</strong> ehrlichen<br />
Steuerzahler zahlt die volle E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
auf ihre Z<strong>in</strong>sen und die<br />
Vermögens- und E<strong>in</strong>kommensteuer auf<br />
ihre Geldanlagen; unehrliche Steuerzahler<br />
dagegen transferieren ihr Geld <strong>in</strong>s Ausland,<br />
um <strong>der</strong> deutschen Besteuerung auf Z<strong>in</strong>sen<br />
und Vermögen zu entgehen.<br />
Wir wollen e<strong>in</strong>e EU-weite Harmonisierung<br />
<strong>der</strong> Grundlagen <strong>der</strong> Besteuerung auf Kapitalerträge,<br />
um die Kapitalverschiebungen<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> EU zu beenden: E<strong>in</strong>e Z<strong>in</strong>sbesteuerung<br />
muû <strong>in</strong> dem Mitgliedsland<br />
erfolgen, <strong>in</strong> dem <strong>der</strong> Steuerzahler se<strong>in</strong>en<br />
Wohnsitz hat.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus wollen wir <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
EU und langfristig auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
gesamten OECD e<strong>in</strong>e Steuerharmonisierung<br />
mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung effektiver M<strong>in</strong>deststeuern<br />
im Bereich <strong>der</strong> Unternehmensund<br />
Kapitalertragssteuern.<br />
Zur Begrenzung kurzfristiger risikoreicher<br />
F<strong>in</strong>anztransaktionen und Währungsspekulationen<br />
wollen wir auf solche Geschäfte<br />
e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Umsatzsteuer von 1 %<br />
184<br />
erheben, auch um Währungsstabilität zu<br />
sichern.<br />
Steuergerechtigkeit heiût: den Aufbau Ost<br />
über e<strong>in</strong>en Lastenausgleich f<strong>in</strong>anzieren.<br />
E<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>situation ist aus <strong>der</strong> notwendigen<br />
F<strong>in</strong>anzierung des Aufbaus <strong>in</strong> den<br />
neuen Bundeslän<strong>der</strong>n entstanden. Dies ist<br />
bisher durch öffentliche Verschuldung,<br />
Kostenumverteilung auf Kommunen und<br />
Län<strong>der</strong>, die Belastung von Arbeitse<strong>in</strong>kommen<br />
und durch Belastung <strong>der</strong> Sozialversicherungen<br />
erfolgt. E<strong>in</strong> groûer Teil <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzierungsprobleme sowohl <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Haushalte als auch bei den Sozialversicherungsträgern,<br />
die heute als Begründung<br />
für Sozialabbau herhalten müssen,<br />
s<strong>in</strong>d so entstanden. Wir wollen die daraus<br />
entstandene Steuer- und Abgabenbelastung<br />
zurückführen und durch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> mehreren<br />
Raten zu zahlenden Lastenausgleich auf<br />
groûe Vermögen ersetzen. Dazu sollen die<br />
Vermögen ab 1 Million mit Abgaben von<br />
1±3 % belegt werden.<br />
III. Beschäftigung för<strong>der</strong>n<br />
Die aktuellen Probleme sowohl <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Haushalte als auch <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />
s<strong>in</strong>d im wesentlichen<br />
Resultat <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit. Deshalb<br />
ist e<strong>in</strong>e aktive Beschäftigungspolitik<br />
nicht nur e<strong>in</strong> Akt gegen die soziale Not <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> Beitrag<br />
zur Konsolidierung <strong>der</strong> Haushalte und <strong>der</strong><br />
Sozialversicherungssysteme. Zu e<strong>in</strong>er aktiven<br />
Beschäftigung gehört auch die Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> Staatsausgaben. Inzwischen<br />
haben die s<strong>in</strong>kenden Staatsausgaben e<strong>in</strong>en<br />
so deutlich negativen Beschäftigungseffekt,<br />
daû den so erzielten E<strong>in</strong>sparungen erhebliche<br />
zusätzliche Ausgaben für die Kosten<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit gegenüberstehen.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Kaufkraft stärken<br />
Deutschland braucht mehr Investitionen <strong>in</strong><br />
neue Arbeitsplätze. Selbst bei dem hohen<br />
Exportanteil, den die deutsche Wirtschaft<br />
<strong>in</strong>zwischen erreicht hat, reichen die jetzigen<br />
Produktionskapazitäten aus, um die
Nachfrage zu decken. Das heiût: Die zu<br />
ger<strong>in</strong>ge Nachfrage ist die entscheidende<br />
Schwachstelle <strong>der</strong> deutschen Konjunktur.<br />
Damit wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> neue Arbeitsplätze <strong>in</strong>vestiert<br />
wird, muû die Kaufkraft gestärkt werden.<br />
Deshalb will die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e Steuerund<br />
Abgabenreform, die zu e<strong>in</strong>er spürbaren<br />
Nettoentlastung <strong>der</strong> Arbeitnehmer und<br />
ihrer Familien und damit zur Entlastung<br />
<strong>der</strong> groûen Mehrheit <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
führt. Diese Entlastung ist e<strong>in</strong> Gebot <strong>der</strong><br />
wirtschaftspolitischen Vernunft und <strong>der</strong><br />
sozialen Gerechtigkeit.<br />
Während nach dem Konzept <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
das oberste 1 % <strong>der</strong> Steuerpflichtigen<br />
e<strong>in</strong> Drittel des gesamten Entlastungsvolumens<br />
erhalten soll, während die untere<br />
Hälfte sich mit gerade 15 % begnügen<br />
muû, will die <strong>SPD</strong> die Entlastungen dort<br />
konzentrieren, wo sie am dr<strong>in</strong>gendsten<br />
gebraucht werden, auf den Bereich <strong>der</strong><br />
Steuerpflichtigen mit E<strong>in</strong>kommen unter<br />
100000 DM. Über 75 % des Entlastungsvolumens<br />
verwenden wir für diesen<br />
Bereich. Damit werden die Nachfrageimpulse<br />
gesetzt, die für mehr Investitionen<br />
<strong>in</strong> neue Arbeitsplätze notwendig s<strong>in</strong>d.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût, die Handlungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Kommunen sichern<br />
Den Kommunen werden durch die Politik<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung immer mehr f<strong>in</strong>anzielle<br />
Verpflichtungen aufgebürdet. So<br />
haben sie beispielsweise durch die rigorosen<br />
Streichungen bei <strong>der</strong> Arbeitslosenversicherung<br />
steigende Ausgaben im Bereich<br />
<strong>der</strong> Sozialhilfe zu verzeichnen. Die F<strong>in</strong>anzlage<br />
<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den hat katastrophale Ausmaûe<br />
angenommen.<br />
Die Gewerbesteuer ist die bedeutendste<br />
E<strong>in</strong>nahmequelle <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den, die mit<br />
Hebesatzrecht ausgestaltet ist. Wird die<br />
Gewerbesteuer ersatzlos abgeschafft, ist<br />
e<strong>in</strong>e kommunale F<strong>in</strong>anzautonomie unmöglich.<br />
Von <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung bis zum<br />
Nahverkehr, die Geme<strong>in</strong>den betreiben bürgernahe<br />
Dase<strong>in</strong>svorsorge, und haben dafür<br />
erhebliche Ausgaben. Mit <strong>der</strong> notwendigen<br />
Sanierung von Gebäuden und öffentlicher<br />
Infrastruktur werden sie vor unlösbare Aufgaben<br />
gestellt.<br />
Wir wollen die Gewerbesteuer erhalten,<br />
um den Geme<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahmequelle<br />
zur F<strong>in</strong>anzierung dieser Ausgaben <strong>in</strong> eigener<br />
Verantwortung zu ermöglichen und die<br />
kommunale F<strong>in</strong>anzautonomie zu sichern.<br />
Langfristig ist die Gewerbesteuer durch<br />
e<strong>in</strong>e den Geme<strong>in</strong>den zustehende Wertschöpfungssteuer<br />
zu ersetzen. Insgesamt<br />
muû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den am Steueraufkommen<br />
wie<strong>der</strong> auf den Stand vor <strong>der</strong><br />
konservativen Regierungsübernahme<br />
erhöht und durch e<strong>in</strong> gesetzlich festgeschriebenes<br />
Konnexitätspr<strong>in</strong>zip gesichert<br />
werden, daû zusätzliche Aufgaben an e<strong>in</strong>e<br />
untere Ebene nur gegen entsprechende<br />
Mittelzuweisungen übertragen werden dürfen.<br />
Zusätzlich wollen wir e<strong>in</strong>e Beteiligung<br />
des Bundes an den Kosten <strong>der</strong> Sozialhilfe.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Kle<strong>in</strong>e und<br />
mittlere Unternehmen stärken<br />
Beschäftigungszuwächse haben <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren wesentlich <strong>in</strong> Mittel- und Kle<strong>in</strong>betrieben<br />
stattgefunden. Sie beschäftigen<br />
mehr als 20 Millionen Menschen, erwirtschaften<br />
mehr als 49 % <strong>der</strong> Bruttowertschöpfung<br />
und bilden rund 950 000 junge<br />
Menschen aus. Dort s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten<br />
12 Jahren 1,5 Millionen Arbeitsplätze neu<br />
geschaffen worden. Diese Betriebe werden<br />
von e<strong>in</strong>er Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
beson<strong>der</strong>s begünstigt. Für sie muû <strong>der</strong><br />
Zugang zu neuem Kapital und zu zusätzlichem<br />
know-how verbessert werden.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Gezielt die Investitionen<br />
för<strong>der</strong>n<br />
Statt abstrakter Entlastungen wollen wir<br />
Steuerstrukturen, die zu Investitionen <strong>in</strong><br />
neue Arbeitsplätze anreizen. Deshalb wollen<br />
wir den Teil <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>ne, die für Investitionen<br />
<strong>in</strong> neue Arbeitsplätze zur Verfügung<br />
stehen, gezielt entlasten. Als erste<br />
Maûnahme soll <strong>der</strong> Körperschaftssteuersatz<br />
für re<strong>in</strong>vestierte Gew<strong>in</strong>ne zum 1. 1. 1998<br />
von 45 % auf 35 % gesenkt werden. Um<br />
das Ziel e<strong>in</strong>er rechtsformunabhängigen<br />
Unternehmensbesteuerung zu erreichen,<br />
soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt e<strong>in</strong>e Options-<br />
185
möglichkeit für Unternehmen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Rechtsformen e<strong>in</strong>geführt werden, sich wie<br />
e<strong>in</strong>e Körperschaft besteuern zu lassen.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Ausbildende<br />
Unternehmen entlasten<br />
Trotz Appellen und Selbstverpflichtungen<br />
haben immer mehr Jugendliche nicht e<strong>in</strong>mal<br />
die Chance, e<strong>in</strong>e qualifizierten Ausbildungsplatz<br />
zu f<strong>in</strong>den. Wir wollen deshalb<br />
e<strong>in</strong>e solidarische Umgestaltung <strong>der</strong> Ausbildungsplatzf<strong>in</strong>anzierung,<br />
die die Lasten <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzierung auf alle Betriebe verteilt und<br />
konjunkturunabhängig für e<strong>in</strong> ausreichendes<br />
regionales Angebot an Ausbildungsplätzen<br />
sorgt. Deshalb setzen wir uns für e<strong>in</strong>e<br />
gesetzliche Umlagef<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>, bei<br />
<strong>der</strong> Betriebe, <strong>der</strong>en Ausbildungsleistungen<br />
nicht ausreichend s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Ausbildungsfonds<br />
e<strong>in</strong>zahlen, aus dem dann ausbildende<br />
Unternehmen entlastet werden<br />
können.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Die Sozialabgaben<br />
senken<br />
Zur För<strong>der</strong>ung neuer Arbeitsplätze will die<br />
<strong>SPD</strong> schon zum 1. Oktober e<strong>in</strong>e Senkung<br />
<strong>der</strong> Sozialabgaben um 2 Beitragspunkte.<br />
Das bedeutet e<strong>in</strong>e Entlastung <strong>der</strong> Arbeitnehmer<br />
und <strong>der</strong> Betriebe um 30 Mrd. DM<br />
pro Jahr. Diese Senkung erhöht ebenfalls<br />
direkt die B<strong>in</strong>nennachfrage und kommt auf<br />
<strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Wirtschaft vor allem den personalkosten<strong>in</strong>tensiven<br />
Unternehmen von<br />
Mittelstand und Handwerk zugute. Dort<br />
s<strong>in</strong>d am ehesten neue Arbeitsplätze zu<br />
erwarten. Nach Berechnungen des Bundes<strong>in</strong>stituts<br />
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />
führt e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
um 2 Beitragspunkte zur Schaffung<br />
von rund 200 000 Arbeitsplätzen. Wir halten<br />
daran fest, daû die Massenarbeitslosigkeit<br />
für die hohen Sozialabgaben verantwortlich<br />
ist. E<strong>in</strong>er leistungsm<strong>in</strong><strong>der</strong>nden<br />
Senkung werden wir deshalb nicht zustimmen.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: E<strong>in</strong>e deutlicher<br />
Schritt zur ökologischen Steuerreform<br />
E<strong>in</strong>e konsequente ökologische Steuerreform<br />
über die jetzt vorgeschlagenen ersten<br />
Schritte h<strong>in</strong>aus, wie zum Beispiel die E<strong>in</strong>-<br />
186<br />
führung e<strong>in</strong>er Steuer auf den CO 2-Ausstoû<br />
bei gleichzeitiger weiterer Senkung <strong>der</strong><br />
Sozialabgaben und Investitionen <strong>in</strong> arbeitsplatzschaffende<br />
Energiesparprogramme<br />
würde e<strong>in</strong>en starken Strukturwandel <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wirtschaft auslösen. Damit verbunden<br />
wären zwar auch Arbeitsplatzverluste <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>igen Sektoren, aber <strong>in</strong> 75 % aller Wirtschaftsbereiche<br />
würde die Beschäftigung<br />
deutlich zunehmen. M<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e halbe<br />
Million Menschen können so zusätzlich<br />
beschäftigt werden. Gleichzeitig könnte so<br />
das Ziel, den CO 2-Ausstoû bis zum Jahr<br />
2005 um e<strong>in</strong> Viertel zu senken, doch noch<br />
erreicht werden.<br />
Beschäftigung för<strong>der</strong>n heiût: Jetzt handeln<br />
Wenn e<strong>in</strong>e Steuerreform zu mehr Arbeitsplätzen<br />
führen soll, dann darf man nicht<br />
bis 1999 warten. Die Lösung <strong>der</strong> drängenden<br />
Probleme <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
können nicht aufgeschoben werden. Dazu<br />
kommt e<strong>in</strong>e Steuerreform erst im Jahr<br />
1999 zu spät. Deshalb will die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Steuer- und Abgabenreform schon für 1997<br />
und 1998. Um <strong>der</strong> Konjunktur und dem<br />
Arbeitsmarkt so schnell wie möglich e<strong>in</strong>en<br />
Wachstumsschub zu geben, wollen wir <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em ersten Schritt zum 1. Oktober 1997<br />
die Sozialabgaben senken und dann zum<br />
1. Januar im wesentlichen die Arbeitnehmer<br />
und ihre Familien entlasten und so die<br />
B<strong>in</strong>nennachfrage stärken.<br />
IV. Den Weg <strong>in</strong> die Zukunft f<strong>in</strong>anzieren<br />
Zu e<strong>in</strong>em mo<strong>der</strong>nen Steuersystem gehört<br />
auch, daû die für die Zukunft notwendige<br />
Infrastruktur f<strong>in</strong>anziell abgesichert ist, aber<br />
auch, daû immer wie<strong>der</strong> Chancengleichheit<br />
hergestellt wird. Mit e<strong>in</strong>er ökologischen<br />
Steuerreform sollen wirtschaftliche Entscheidungen<br />
so bee<strong>in</strong>fluût werden, daû<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong> friedliches und gesundes<br />
Leben möglich ist.<br />
Zukunftsgerechte Steuer heiût: Die Vermögens-<br />
und die Erbschaftssteuer neu gestalten<br />
Wenn die für unsere Zukunft notwendige<br />
Infrastruktur vom sozialen Wohnungsbau<br />
über den Bau neuer Hochschulen bis h<strong>in</strong>
zu den Verkehrs- und Datenübertragungsnetzen<br />
rechtzeitig f<strong>in</strong>anziert werden sollen,<br />
wenn die sozialen Sicherungssysteme durch<br />
Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit wie<strong>der</strong> stabilisiert<br />
werden sollen, dann kann dies nicht<br />
alle<strong>in</strong> aus den laufenden E<strong>in</strong>kommen<br />
geschehen. Zuwachs an Wohlstand gibt es<br />
seit e<strong>in</strong>igen Jahren weniger durch Arbeit,<br />
als aus Kapital und Vermögensbesitz. Wir<br />
brauchen deshalb e<strong>in</strong>en neuen fairen<br />
Lastenausgleich <strong>in</strong> unserer Gesellschaft.<br />
Wir s<strong>in</strong>d deshalb dafür, die Vermögenssteuer<br />
wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zuführen und für die<br />
nächsten 10 Jahre auf 2 % zu erhöhen.<br />
Das Bundesverfassungsgericht hat ohneh<strong>in</strong><br />
am 22. Juni 1995 e<strong>in</strong>e Neuregelung <strong>der</strong><br />
Vermögensteuer zum 1. Januar 1997 und<br />
e<strong>in</strong>e Neuregelung <strong>der</strong> Erbschaftssteuer<br />
rückwirkend zum 1. Januar 1996 beschlossen.<br />
Als Begründung wurde e<strong>in</strong>e Verfassungswidrigkeit<br />
<strong>der</strong> Vermögens- und Erbschaftssteuer<br />
aufgrund <strong>der</strong> Veranschlagung<br />
<strong>der</strong> Besteuerung von Grundbesitz mit dem<br />
E<strong>in</strong>heitswert von 1964 angegeben.<br />
Wir wollen e<strong>in</strong>e verfassungskonforme Neuregelung<br />
<strong>der</strong> Vermögens- und <strong>der</strong> Erbschaftssteuer,<br />
die e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>fachung <strong>der</strong><br />
Bewertungsverfahren zur Grundlage hat.<br />
Das typische selbstgenutzte E<strong>in</strong>familienhaus<br />
und e<strong>in</strong>e angemessene Altersvorsorge<br />
müssen steuerfrei gestellt werden. Im<br />
Gegenzug muû die Erbschaft groûer Vermögen<br />
höher besteuert werden. Es kann<br />
nicht se<strong>in</strong>, daû durch die durch Erbschaft<br />
ohne eigene Leistung erworbenen Vermögen<br />
die Chancen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />
immer ungleicher werden lassen. Dabei<br />
müssen angemessene Regelungen für<br />
Betriebsvermögen gefunden werden.<br />
Zukunftsgerechte Steuern heiût: Die ökologische<br />
Steuerreform voranbr<strong>in</strong>gen<br />
Die fortschreitende Zerstörung <strong>der</strong> natürlichen<br />
Lebensgrundlagen, das hohe Bevölkerungswachstum,<br />
<strong>der</strong> zunehmende Energieverbrauch,<br />
drohende Klimaverän<strong>der</strong>ungen<br />
und die damit verbundenen erheblichen<br />
Gefahren erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en nachhaltigen,<br />
rationellen und sparsamen Umgang mit<br />
den begrenzten Ressourcen. Nur durch<br />
umweltgerechtes Verhalten und nachhalti-<br />
ges Wirtschaften wird die heutige Generation<br />
ihrer Verantwortung für die Zukunft<br />
gerecht: Ökologische Erneuerung und<br />
wirtschaftliche Entwicklung s<strong>in</strong>d mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
zu verknüpfen. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>novativer, ökologischer<br />
Schub zur Mo<strong>der</strong>nisierung von<br />
Wirtschaft und Gesellschaft ist notwendig.<br />
Die ökologische Erneuerung verb<strong>in</strong>det die<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Leistungskraft unserer<br />
Volkswirtschaft und <strong>der</strong> Wettbewerbschancen<br />
<strong>der</strong> Unternehmen mit dem Schutz von<br />
Umwelt und Gesundheit sowie <strong>der</strong> Schaffung<br />
neuer Arbeitsplätze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> 4,3 Millionen Menschen arbeitslos s<strong>in</strong>d.<br />
Die aktuelle Arbeitsmarktsituation macht<br />
e<strong>in</strong>e Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Die ökologische Steuerreform bietet<br />
die f<strong>in</strong>anzielle Möglichkeit hierfür.<br />
Wir wollen die ökologische Steuerreform<br />
voranbr<strong>in</strong>gen, <strong>der</strong>en notwendiges Element<br />
e<strong>in</strong>e Verschiebung <strong>der</strong> Steuer- und Abgabenbelastung<br />
zwischen den Produktionsfaktoren<br />
Arbeit und Umwelt ist. Die<br />
umweltgerechte Ausgestaltung von Steuern<br />
gibt dabei erhebliche Anreize für umweltbewuûtes<br />
und energiesparendes Verhalten<br />
jedes e<strong>in</strong>zelnen sowie für die Entwicklung<br />
und das Angebot neuer Techniken, um die<br />
Energieproduktivität zu steigern.<br />
Als E<strong>in</strong>stieg wollen wir statt <strong>der</strong> Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Mehrwertsteuer die Steuern auf den<br />
Verbrauch von Strom, Erdgas und M<strong>in</strong>eralöl<br />
deutlich erhöhen. Die M<strong>in</strong>eralölsteuer<br />
wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt um 0,20 DM<br />
pro Liter erhöht, gleichzeitig werden die<br />
Sozialversicherungsbeiträge durch e<strong>in</strong>en<br />
entsprechenden Bundeszuschuû entsprechend<br />
gesenkt.<br />
In drei weiteren Schritten wird alle zwei<br />
Jahre e<strong>in</strong>e Erhöhung um m<strong>in</strong>destens 10 %<br />
vorgenommen. Das Aufkommen aus diesen<br />
Erhöhungen soll verwendet werden, um<br />
weitere Entlastung <strong>der</strong> Sozialversicherungen<br />
zu f<strong>in</strong>anzieren und ökologische und<br />
arbeitsplatzschaffende Energiesparprogramme<br />
zu för<strong>der</strong>n. Dazu gehören Energiespar<strong>in</strong>vestitionen,<br />
Forschung und Entwicklung<br />
für erneuerbare Energien,<br />
Beschäftigungsgesellschaften und Bera-<br />
187
tungszentren, soweit sie Programme zur<br />
Energiee<strong>in</strong>sparung umsetzen.<br />
Die Kraftfahrzeugsteuer wird abgeschafft<br />
und auf die M<strong>in</strong>eralölsteuer umgelegt. Die<br />
<strong>in</strong> diesem Bereich Beschäftigten werden<br />
bevorzugt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerfahndung e<strong>in</strong>gesetzt.<br />
Die Kilometerpauschale für Pendler wird<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Entfernungspauschale umgewandelt,<br />
Steuersubventionen für Energieverschwendung<br />
abgeschafft und dabei <strong>in</strong> erster<br />
L<strong>in</strong>ie die Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e Flugbenz<strong>in</strong>steuer<br />
und e<strong>in</strong>e Abgabe auf Inlandsflüge<br />
geschaffen.<br />
In e<strong>in</strong>em weiteren Schritt ist <strong>der</strong> Erhalt<br />
o<strong>der</strong> die Wie<strong>der</strong>herstellung natürlicher<br />
Lebensräume bundesweit durch e<strong>in</strong>e Flächenverbrauchsabgabe<br />
analog <strong>der</strong> Ausgleichsabgabe<br />
im Hessischen Naturschutzgesetz<br />
zu f<strong>in</strong>anzieren. Ebenso ist die<br />
Gegenf<strong>in</strong>anzierung von Umweltsanierungen<br />
im S<strong>in</strong>ne des Verursacherpr<strong>in</strong>zips<br />
durch e<strong>in</strong>e Abgabe auf Emissionen oberhalb<br />
bestimmter Grenzwerte zu sichern.<br />
Zukunft gestalten heiût, Familien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
unterstützen<br />
Wir wollen, daû im Steuerrecht Familienleistungen<br />
und Lasten besser Berücksichtigung<br />
f<strong>in</strong>den. Dabei soll das herkömmliche<br />
Splitt<strong>in</strong>gverfahren, das im Effekt gerade<br />
höherverdienende K<strong>in</strong><strong>der</strong>lose bevorzugt,<br />
abgelöst werden durch e<strong>in</strong> Verfahren, mit<br />
dem über das Existenzm<strong>in</strong>imum <strong>der</strong> Erziehenden<br />
h<strong>in</strong>aus Entlastungsbeträge für die<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> und K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung von <strong>der</strong> Steuerschuld<br />
abgezogen werden. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
wollen wir das K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld auf m<strong>in</strong>destens<br />
250 DM erhöhen. Durch die<br />
Berücksichtigung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungskosten<br />
soll die Vere<strong>in</strong>barkeit von Beruf und<br />
Familie verbessert werden.<br />
Ehegattensplitt<strong>in</strong>g abschaffen<br />
Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g wird abgeschafft.<br />
Die damit erreichten Mehre<strong>in</strong>nahmen werden<br />
zum Teil <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e weitere deutliche<br />
Erhöhung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>geldes gesteckt.<br />
188<br />
Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g ermöglicht es Ehepaaren,<br />
sich steuerlich zusammen veranlagen<br />
zu lassen und für das höhere E<strong>in</strong>kommen<br />
die günstigere, für das niedrigere<br />
E<strong>in</strong>kommen die schlechtere Steuerklasse zu<br />
wählen. Paare, die gleichviel verdienen,<br />
haben dadurch ke<strong>in</strong>e Vorteile, wenn sie<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben sogar Nachteile. Beson<strong>der</strong>s<br />
begünstigt werden dagegen E<strong>in</strong>verdienerehen,<br />
damit also die klassischen Rollenklischees<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> den Familienernährer<br />
und die Hausfrau und Mutter. Das<br />
Ehegattensplitt<strong>in</strong>g ist daher unmittelbar<br />
frauendiskrim<strong>in</strong>ierend.<br />
Durch die Abschaffung des Ehegattensplitt<strong>in</strong>gs<br />
entfällt die Steuerklasse V. In <strong>der</strong><br />
Steuerklasse 5 gibt es ke<strong>in</strong> steuerfreies Existenzm<strong>in</strong>imum,<br />
ke<strong>in</strong>e abzugsfähigen Pauschalen<br />
o<strong>der</strong> ähnliches. Der Steuerabzug<br />
beg<strong>in</strong>nt bereits bei e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>kommen von<br />
monatlich DM 175,00. Durch das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g<br />
trifft die sozial untragbare<br />
Steuerklasse V <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Frauen und<br />
treibt sie <strong>in</strong> die sozial nicht gesicherten<br />
ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigungsverhältnisse.<br />
Das K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld ist an die tatsächlich erziehende<br />
Person auszuzahlen und nicht mit<br />
dem Gehalt an die unter Umständen alle<strong>in</strong><br />
verdienende Person.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 87<br />
Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />
Für e<strong>in</strong>e neue Steuerpolitik<br />
In den letzten Jahren ist vor allem für kle<strong>in</strong>ere<br />
und mittlere E<strong>in</strong>kommen die Abgabenlast<br />
<strong>in</strong>s Unendliche gestiegen. Die<br />
Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik empf<strong>in</strong>den<br />
<strong>in</strong> ihrer Mehrheit die Steuergesetzgebung<br />
als undurchsichtig und ungerecht.<br />
Nicht e<strong>in</strong>mal mehr Fachleute s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Lage, die Steuergesetze <strong>in</strong> ihrer Gänze<br />
nachzuvollziehen. Dies führt u. a. dazu, daû<br />
Bezieher hoher E<strong>in</strong>kommen durch Schlupflöcher<br />
die Steuerzahlungen umgehen
können bzw. ihr Kapital <strong>in</strong>s Ausland verlagern.<br />
Diese Aspekte machen deutlich, daû e<strong>in</strong>e<br />
Steuerreform, die diesen Namen verdient,<br />
überfällig ist. Aus sozialdemokratischer<br />
Sicht müûte e<strong>in</strong>e solche Reform folgende<br />
Ziele verfolgen:<br />
± Vere<strong>in</strong>fachung des Steuerrechts<br />
± Gerechtigkeit bei <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> zu<br />
übernehmenden Lasten<br />
± weitere Senkung des E<strong>in</strong>gangstarifs und<br />
Senkung <strong>der</strong> Steuersätze <strong>in</strong> volkswirtschaftlich<br />
vertretbaren Schritten<br />
± Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Lenkungsmechanismen<br />
im Steuerrecht<br />
Diese Ziele s<strong>in</strong>d zu erreichen und <strong>der</strong><br />
Bevölkerung gegenüber deutlich zu machen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Steuerreformvorschlag<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, <strong>der</strong> u.E. folgende Komponenten<br />
als Eckpunkte enthalten sollte:<br />
Steuererhebung statt Steuererhöhung<br />
± gleichmäûige Erhebung <strong>der</strong> Steuern<br />
durch bundese<strong>in</strong>heitliche Kontrollmechanismen<br />
± Verstärkung von Betriebsprüfung und<br />
Steuerfahndung<br />
± gröûere gesellschaftliche ¾chtung von<br />
Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />
Unternehmenssteuerreform<br />
± Vere<strong>in</strong>heitlichung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kunftsarten<br />
Die E<strong>in</strong>künfte aus Vermietung und Verpachtung<br />
und Kapitalvermögen s<strong>in</strong>d wie<br />
die E<strong>in</strong>künfte aus Land- und Forstwirtschaft,<br />
Gewerbebetrieb und selbständiger<br />
Arbeit als Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>künfte zu behandeln.<br />
Gew<strong>in</strong>ne (und Verluste) aus <strong>der</strong><br />
Veräuûerung <strong>der</strong> Vermögenssubstanz<br />
s<strong>in</strong>d steuerlich zu erfassen.<br />
± Betriebsteuer<br />
Für die so def<strong>in</strong>ierten Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>künfte<br />
wird e<strong>in</strong>e Betriebsteuer mit e<strong>in</strong>em l<strong>in</strong>earen<br />
Steuersatz e<strong>in</strong>geführt, die rechts-formunabhängig<br />
für alle ,E<strong>in</strong>künfte aus<br />
Betrieb© gilt. Die Entnahmen und Ausschüttungen<br />
aus dem Betrieben unterliegen<br />
dem progressiven E<strong>in</strong>kommensteu-<br />
ersatz unter Anrechnung <strong>der</strong><br />
Betriebsteuer.<br />
± Gewerbesteuer<br />
Die Gewerbesteuer wird beibehalten <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er modifizierten Form. Bemessungsgrundlage<br />
für die Gewerbesteuer ist die<br />
Betriebsteuer. Die Geme<strong>in</strong>den erhalten<br />
e<strong>in</strong> eigenes Hebesatzrecht.<br />
Wegen <strong>der</strong> verbreiterten Bemessungsgrundlage<br />
könnte bei wesentlich niedrigeren<br />
Hebesätzen die Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung<br />
gewährleistet werden. Die Gewerbesteuer<br />
ist anrechenbar auf die E<strong>in</strong>kommensteuer.<br />
Diese Zuschlagsregelung ist verfassungsmäûig<br />
zu verankern. Solange die erfassungsmäûige<br />
Gewähr für die Zuschlagsregelung<br />
nicht gegeben ist, wird an dem bestehenden<br />
System von Gewerbeertrag- und<br />
Gewerbekapitalsteuer festgehalten.<br />
Drastischer Abbau von Subventionen<br />
Generell ist anzustreben, Subventionen für<br />
e<strong>in</strong>zelne Wirtschaftsbereiche nicht vorzunehmen,<br />
son<strong>der</strong>n die Abgabenlast <strong>in</strong>sgesamt<br />
so zu senken, daû Subventionen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Regel nicht notwendig s<strong>in</strong>d. Wichtigster<br />
Aspekt ist hierbei, s<strong>in</strong>nvolle volkswirtschaftliche<br />
Subventionen (Existenzgründungsför<strong>der</strong>ung,<br />
Forschung und<br />
Entwicklung) nicht im Steuerrecht zu verankern,<br />
son<strong>der</strong>n im Haushalt offen auszuweisen.<br />
Wichtig ist auch, Subventionen nicht an<br />
diejenigen Unternehmen flieûen zu lassen,<br />
die die ersparten Mittel nicht im Inland<br />
<strong>in</strong>vestiert, son<strong>der</strong>n neue Betriebe im Ausland<br />
ansiedelt.<br />
Abschaffung von Son<strong>der</strong>vorschriften<br />
Durch den gem<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Steuertarif ist es<br />
möglich, Steuerbefreiungen und Steuerermäûigungen<br />
im groûen Umfang abzuschaffen.<br />
Grundlage für diese Überlegungen<br />
können die Vorschläge <strong>der</strong> ¹Bareis-Kommissionª<br />
se<strong>in</strong>.<br />
189
Allgeme<strong>in</strong>er Schuldz<strong>in</strong>senabzug<br />
Die Zulassung e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>en Schuldz<strong>in</strong>senabzugs<br />
führt dazu, daû für private<br />
Hausbauer nicht mehr die existierenden<br />
schwierigen Regelungen beibehalten werden<br />
müssen und die Umgehungstatbestände<br />
h<strong>in</strong>fällig würden.<br />
Vermögensteuer, Erbschaft- und Schenkungsteuer<br />
± Hohe Privatvermögen bleiben vermögen-<br />
und erbschaftsteuerpflichtig.<br />
± Für Betriebsvermögen sollen höhere<br />
Freibeträge e<strong>in</strong>geführt werden. Vermögen,<br />
das im Betrieb verbleibt und somit<br />
Arbeitsplätze sichert, soll nicht durch<br />
Abgabenlast gefährdet werden.<br />
± Die E<strong>in</strong>heitsbewertung des Grundvermögens<br />
soll zeitnah nach unkomplizierten<br />
Bewertungsmethoden durchgeführt<br />
werden zu Verkehrswerten.<br />
Familienbesteuerung<br />
Das Existenzm<strong>in</strong>imum von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n ist<br />
durch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld freizustellen.<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge gibt es nicht.<br />
Mittelfristig ist die grundsätzliche E<strong>in</strong>zelveranlagung<br />
e<strong>in</strong>zuführen.<br />
Um die im höhere Belastung von kle<strong>in</strong>en<br />
und mittleren E<strong>in</strong>kommen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
ist e<strong>in</strong>e regelmäûige Inflationsbere<strong>in</strong>igung<br />
des E<strong>in</strong>kommentarifs vorzusehen.<br />
Steuerreform für Arbeit und Umwelt<br />
Zur Entlastung des Faktors Arbeit (Lohnnebenkosten)<br />
und zur Reduktion des Energieverbrauchs<br />
wird e<strong>in</strong> maûvoller E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> die Energiebesteuerung angestrebt. E<strong>in</strong>e<br />
Entlastung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten ist<br />
Bestandteil dieser Reform.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
190<br />
Antrag I 88<br />
Landesverband Bayern<br />
Eckpunkte für e<strong>in</strong>e<br />
sozialdemokratische<br />
Steuerreform<br />
Konjunktur ©97: Schwaches Wachstum und<br />
katastrophaler Arbeitsmarkt<br />
Auch 1997 zeichnet sich ke<strong>in</strong> durchgreifen<strong>der</strong><br />
Aufschwung ab. Wie<strong>der</strong>um wird lediglich<br />
<strong>der</strong> Export als Konjunkturstütze dienen,<br />
während die Inlandsnachfrage durch<br />
die real schrumpfenden Massene<strong>in</strong>kommen<br />
weiter schwach tendiert. Die Massenarbeitslosigkeit<br />
hat Anfang 1997 mit knapp<br />
4,7 Mio. registrierten Erwerbslosen selbst<br />
die düstersten Prognosen übertroffen und<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik e<strong>in</strong>en neuen historischen<br />
Höchststand markiert. So erschrekkend<br />
diese Zahl ist, so wenig kann sie überraschen.<br />
Die katastrophale Entwicklung auf<br />
dem Arbeitsmarkt bestätigt sogar <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Jahreswirtschaftsbericht 1997 <strong>der</strong> Bundesregierung.<br />
¹Im Jahresdurchschnitt rechnen<br />
die Experten des Bonner Wirtschaftsm<strong>in</strong>isteriums<br />
offiziell mit e<strong>in</strong>em Anstieg <strong>der</strong><br />
Erwerbslosenzahl auf 4,1 Millionen, schlieûen<br />
aber e<strong>in</strong>e ungünstigere Entwicklung<br />
nicht aus.ª (SZ vom 25./26. Januar 1997)<br />
Nicht zuletzt durch diese negative Entwicklung<br />
auf dem Arbeitsmarkt und den<br />
damit e<strong>in</strong>hergehenden M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen<br />
bei Steuern und Sozialversicherungen s<strong>in</strong>d<br />
die nächsten Haushaltslöcher vorprogrammiert.<br />
Drei bis acht Milliarden DM fehlen<br />
bereits jetzt <strong>in</strong> Waigels Haushaltsplanung<br />
für 1997. Die Debatte um die Steuer- und<br />
Rentenreform und die verfehlte f<strong>in</strong>anzpolitische<br />
Konsolidierungsstrategie <strong>in</strong><br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> europäischen<br />
Währungsunion werden 1997 die wirtschaftspolitische<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung prägen.<br />
Kritik <strong>der</strong> Vorschläge <strong>der</strong> Waigel-Kommission<br />
und <strong>der</strong> Bonner Koalition<br />
Der Entwurf <strong>der</strong> Bonner Regierungskoalition<br />
zur Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer ist<br />
<strong>in</strong> wesentlichen Punkten wirtschaftspoli-
tisch schädlich, f<strong>in</strong>anzpolitisch unseriös<br />
und sozial ungerecht.<br />
Wirtschaftspolitisch schädlich<br />
± da auf relevante E<strong>in</strong>nahmepotentiale <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
bei den privaten E<strong>in</strong>künften<br />
aus Kapitalvermögen und Vermietung<br />
und Verpachtung weiterh<strong>in</strong> verzichtet<br />
und die Spekulation mit F<strong>in</strong>anzmitteln<br />
nicht wirksam unterbunden wird. Die<br />
Besteuerung von Veräuûerungsgew<strong>in</strong>nen<br />
im Waigel-Modell folgt ke<strong>in</strong>er steuersystematischen<br />
Logik, son<strong>der</strong>n dem Vorbild<br />
e<strong>in</strong>er Lotterie. Die Schieflage bei<br />
den privaten E<strong>in</strong>künften zugunsten von<br />
Kapital- und Immobilienvermögen wird<br />
auûerhalb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer durch<br />
den Wegfall <strong>der</strong> privaten Vermögensteuer<br />
noch verschärft.<br />
± weil die Stabilisierung <strong>der</strong> Massene<strong>in</strong>kommen<br />
mit e<strong>in</strong>em niedrigeren E<strong>in</strong>gangsteuersatz<br />
durch die Absenkung des<br />
Arbeitnehmer-Pauschbetrags, die<br />
Besteuerung von Nacht-, Schicht-,<br />
Sonntags- und Feiertagsarbeit und die<br />
Anhebung <strong>der</strong> Umsatzsteuer wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>kassiert<br />
wird. Da <strong>der</strong> niedrigere E<strong>in</strong>gangsteuersatz<br />
auch bei E<strong>in</strong>kommensmillionären<br />
zur Senkung des<br />
Durchschnittssteuersatzes führt und nach<br />
den Plänen <strong>der</strong> Regierungskoalition<br />
bereits bei e<strong>in</strong>em zu versteuerndem E<strong>in</strong>kommen<br />
von 90000 DM greifen soll,<br />
wird das grundlegende f<strong>in</strong>anzpolitische<br />
Gebot, die Besteuerung nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Leistungsfähigkeit zu orientieren,<br />
im Bereich <strong>der</strong> oberen Proportionalzone<br />
(Spitzensteuersatz) weiter<br />
hartnäckig ignoriert.<br />
± Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> katastrophalen<br />
Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem<br />
desolaten Zustand <strong>der</strong> öffentlichen<br />
F<strong>in</strong>anzen verfehlt das Konzept zudem<br />
nicht nur Umverteilungsziele, son<strong>der</strong>n<br />
auch grundlegende allokations- und stabilisierungspolitische<br />
Zielsetzungen. Vor<br />
allem e<strong>in</strong>e rechtsformneutrale Besteuerung<br />
von unternehmerischen E<strong>in</strong>künften,<br />
die die <strong>in</strong>vestive Gew<strong>in</strong>nverwendung<br />
stützt, ist bei den Vorschlägen <strong>der</strong> Koalition<br />
überhaupt nicht vorgesehen.<br />
Fazit:<br />
Es fehlt Bund, Län<strong>der</strong>n und Kommunen<br />
massiv an f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten zur<br />
konjunkturellen Ankurbelung des flauen<br />
Wachstums. Alle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bund leidet unter<br />
e<strong>in</strong>em strukturellen Haushaltsdefizit von<br />
ca. 50 Mrd. DM pro Jahr, die momentan<br />
über den teuren Gang an die Kapitalmärkte<br />
beschafft werden müssen. Dies hat e<strong>in</strong>e<br />
verhängnisvolle Spar- und Schuldenspirale<br />
nach unten <strong>in</strong> Gang gesetzt, die vor allem<br />
die auf Sozialtransfers angewiesenen Haushalte<br />
trifft und die private Endnachfrage<br />
schwächt. Dem gegenüber stehen faktisch<br />
risikolose Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>nahmen aus Staatschuldverschreibungen<br />
bei den wirtschaftlich starken<br />
Haushalten.<br />
F<strong>in</strong>anzpolitisch unseriös<br />
± weil e<strong>in</strong>e Entlastung von 80 Mrd. DM ±<br />
quer durch alle E<strong>in</strong>kommensschichten<br />
und E<strong>in</strong>kunftsarten ± vorgegaukelt wird.<br />
Diese Bruttoentlastung soll durch den<br />
Abbau von Steuervergünstigungen <strong>in</strong><br />
Höhe von 38 Mrd. DM teilweise gegenf<strong>in</strong>anziert<br />
werden. Diese Gegenf<strong>in</strong>anzierung<br />
trifft <strong>in</strong> weiten Teilen beson<strong>der</strong>s<br />
belastete Schichten <strong>der</strong> abhängig<br />
Beschäftigten (Sonntags-, Nachtarbeit<br />
usw.).<br />
± da real e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzloch von deutlich über<br />
40 Mrd. DM bleibt. Deshalb soll die<br />
Umsatzsteuer erhöht werden. E<strong>in</strong> zusätzlicher<br />
Umsatzsteuer-Punkt br<strong>in</strong>gt ca.<br />
15 Mrd. DM. Wie die verbleibende Dekkungslücke<br />
von ca. 28 Mrd. DM f<strong>in</strong>anziell<br />
abgesichert werden soll, kann die<br />
Regierungskoalition nicht erklären.<br />
Fazit:<br />
Die Pläne <strong>der</strong> Regierungskoalition s<strong>in</strong>d nur<br />
e<strong>in</strong>e Steuersenkung auf Pump. Während<br />
die gröûten Steuerschlupflöcher, wie z.B.<br />
Pensionsrückstellungen <strong>der</strong> Unternehmen<br />
<strong>in</strong> Höhe von ca. 300 Mrd. DM, unangetastet<br />
bleiben, präsentiert die Regierungskoalition<br />
gigantische Deckungslücken.<br />
Angesichts des sich abzeichnenden überparteilichen<br />
Konsenses, zum<strong>in</strong>dest Teile<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuerreform bereits zum<br />
1. 1. 1998 <strong>in</strong> Kraft treten zu lassen, besteht<br />
191
die Gefahr, daû die Regierungskoalition<br />
aus wahltaktischen Gründen zuerst mit <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong>-Bundesratsmehrheit soziale Komponenten<br />
mitträgt, um danach kräftige<br />
Umsatzsteuerhöhungen und weiteren<br />
Sozialabbau als unvermeidliche fiskalpolitische<br />
Sachzwänge zu deklarieren. Für die<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Regierungskoalition<br />
gilt: Nur e<strong>in</strong> aufkommensneutrales<br />
Konzept für die E<strong>in</strong>kommensteuerreform<br />
ist e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzpolitisch seriöses Konzept.<br />
Sozial ungerecht<br />
± da groûe Teile <strong>der</strong> wirtschaftlich schwachen<br />
Haushalte nicht entlastet, son<strong>der</strong>n<br />
belastet werden. Dies trifft vor allem diejenigen,<br />
die aufgrund ihres ger<strong>in</strong>gen E<strong>in</strong>kommens<br />
ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kommensteuer zahlen:<br />
Millionen von Rentner<strong>in</strong>nen,<br />
Studierenden und an<strong>der</strong>en auf Transfers<br />
angewiesene Haushalte bleibt nur die<br />
Mehrbelastung durch die Erhöhung <strong>der</strong><br />
Umsatzsteuer.<br />
± Aber auch bei vielen abhängig Beschäftigten<br />
wird die Entlastung bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
nach den Waigel-Plänen<br />
durch die Umsatzsteuererhöhung fast<br />
halbiert. Bei e<strong>in</strong>em zu versteuerndem<br />
E<strong>in</strong>kommen von 30000 DM nach <strong>der</strong><br />
Splitt<strong>in</strong>gtabelle (Verheiratete), beziffert<br />
Waigel die Entlastung auf 800 DM jährlich.<br />
Davon werden jedoch ca. 300 DM<br />
bereits durch e<strong>in</strong>e Umsatzsteuererhöhung<br />
von e<strong>in</strong>em Prozentpunkt wie<strong>der</strong><br />
aufgefressen. Zum Vergleich: Die Steuerentlastung<br />
für e<strong>in</strong> zu versteuerndes E<strong>in</strong>kommen<br />
von 300 000 DM nach <strong>der</strong><br />
Splitt<strong>in</strong>gtabelle soll 20 734 DM betragen.<br />
Für abhängig Beschäftigte <strong>in</strong> schicht<strong>in</strong>tensiven<br />
Sektoren mit hochgradig flexibilisierten<br />
Arbeitszeiten wie z.B. <strong>der</strong><br />
Druck<strong>in</strong>dustrie o<strong>der</strong> den Humandienstleistungen<br />
ist anzunehmen, daû durch<br />
die Besteuerung <strong>der</strong> Nacht-, Schicht-,<br />
Sonntags- und Feiertagsarbeit sogar oft<br />
e<strong>in</strong>e höhere Steuerbelastung aus den<br />
Waigel-Plänen resultiert.<br />
Fazit:<br />
Im Zusammenspiel von flexibilisierten<br />
Arbeitszeiten und unteren Lohngruppen<br />
dürften erwerbstätige Frauen überpropor-<br />
192<br />
tional die Verlierer<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Besteuerung<br />
von bisher steuerfreien Lohnzuschlägen<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Insgesamt wird die soziale Schieflage <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>kommensteuer durch die Waigel-Pläne<br />
nicht korrigiert. Im Gegenteil: Insbeson<strong>der</strong>e<br />
die sozial schwächsten Bevölkerungsschichten<br />
werden durch die Umsatzsteuererhöhung<br />
nur belastet und die mittleren<br />
bis besseren E<strong>in</strong>kommensgruppen <strong>der</strong><br />
abhängig Beschäftigten erhalten im Vergleich<br />
zu den absoluten Top-Verdienern<br />
lediglich e<strong>in</strong> Almosen: Während nach dem<br />
Waigel-Steuertarif ©99 die durchschnittliche<br />
Steuerbelastung bei e<strong>in</strong>em zu versteuernden<br />
E<strong>in</strong>kommen i.H. v. 30000 DM<br />
(Grundtabelle) nur um 4,2 vH zurückgehen<br />
soll, s<strong>in</strong>kt sie bei e<strong>in</strong>em zu versteuernden<br />
E<strong>in</strong>kommen von 300 000 DM um 10,5 vH!<br />
Leitl<strong>in</strong>ien sozialdemokratischer<br />
Steuerpolitik<br />
Beschäftigungsorientierte Wirtschaftspolitik<br />
braucht e<strong>in</strong>e tragfähige f<strong>in</strong>anz- und<br />
steuerpolitische Absicherung. E<strong>in</strong>e umfassende<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung des Steuer- und<br />
Abgabensystems nach dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die<br />
Stärkung <strong>der</strong> privaten Nachfrage und e<strong>in</strong>e<br />
gröûere Akzeptanz des Steuersystems <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Bevölkerung s<strong>in</strong>d die wichtigsten Eckpfeiler<br />
e<strong>in</strong>er Steuerreform. Der Marsch aus<br />
dem Lohnsteuerstaat fuût auf <strong>der</strong> Besteuerung<br />
nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />
und <strong>der</strong> effizienten M<strong>in</strong>imierung<br />
<strong>der</strong> Steuerh<strong>in</strong>terziehung.<br />
Akzeptanz des Steuersystems stärken durch<br />
e<strong>in</strong>e gleichmäûige Besteuerung aller E<strong>in</strong>künfte<br />
Die dr<strong>in</strong>gendste Aufgabe e<strong>in</strong>er Strukturreform<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Beseitigung des Belastungsgefälles nach<br />
den E<strong>in</strong>kunftsarten: Während die E<strong>in</strong>künfte<br />
<strong>der</strong> abhängig Beschäftigten über die<br />
Lohnsteuer als Quellensteuer effizient<br />
erfaût werden, s<strong>in</strong>d bei den Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>kunftsarten<br />
(E<strong>in</strong>künfte aus Land- und<br />
Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger<br />
Arbeit) groûe Gestaltungsmöglichkeiten<br />
eröffnet.
Am unteren Ende <strong>der</strong> steuerlichen Erfassung<br />
und Belastung rangieren jedoch die<br />
E<strong>in</strong>künfte aus Vermietung und Verpachtung<br />
und Kapitalvermögen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong>en effiziente Erfassung bei e<strong>in</strong>er gleichzeitigen<br />
Intensivierung <strong>der</strong> betrieblichen<br />
Auûenprüfung eröffnet relevante Potentiale<br />
von Mehre<strong>in</strong>nahmen. Zudem muû das E<strong>in</strong>kommensteuergesetz<br />
zugunsten e<strong>in</strong>es<br />
eigenständigen Teils von subventionspolitisch<br />
motivierten Lenkungsnormen gere<strong>in</strong>igt<br />
werden.<br />
Unternehmensbesteuerung reformieren ±<br />
Lücke zwischen nom<strong>in</strong>aler und realer Belastung<br />
schlieûen.<br />
Unternehmen unterliegen je nach ihrer<br />
Rechtsform <strong>der</strong> Körperschaftsteuer (d. h.<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer <strong>der</strong> Kapitalgesellschaften,<br />
z.B. GmbH, AG) o<strong>der</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kunftsart<br />
¹E<strong>in</strong>künfte aus Gewerbebetriebª<br />
bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer (E<strong>in</strong>zelunternehmer,<br />
Gesellschafter von Personengesellschaften,<br />
z.B. OHG, KG).<br />
Dazu kommen noch die unternehmerischen<br />
E<strong>in</strong>künfte <strong>der</strong> freien Berufe und <strong>der</strong><br />
Landwirte, die ebenfalls eigenen E<strong>in</strong>kunftsarten<br />
bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer zugeordnet<br />
werden. Je nach Steuer- und E<strong>in</strong>kunftsart<br />
gelten äuûerst unterschiedliche Gew<strong>in</strong>nermittlungsvorschriften,<br />
Freibeträge usw.<br />
Kurz: Die Besteuerung <strong>der</strong> unternehmerischen<br />
E<strong>in</strong>künfte ist chaotisch.<br />
Um e<strong>in</strong>e gleichmäûige und ökonomisch<br />
s<strong>in</strong>nvolle Besteuerung <strong>der</strong> unternehmerischen<br />
E<strong>in</strong>künfte zu erreichen, werden die<br />
um die E<strong>in</strong>künfte aus Vermietung und Verpachtung<br />
erweiterten Gew<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>künfte aus<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer ausgelagert. Die<br />
Besteuerung aller unternehmerischen E<strong>in</strong>künfte<br />
erfolgt ± analog zur jetzigen Körperschaftsteuer<br />
± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er rechtsformunabhängigen<br />
Betriebsteuer. Kle<strong>in</strong>unternehmer<br />
(z.B. Gew<strong>in</strong>nermittlung nach dem heutigen<br />
§ 4 Abs. 3 EStG) können aus Vere<strong>in</strong>fachungsgründen<br />
zur ± dann privaten ± E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
optieren.<br />
Der steuerliche Gew<strong>in</strong>n wird <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Betriebsteuer mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Steuersatz<br />
± deutlich unter dem Spitzensteuer-<br />
satz <strong>der</strong> privaten E<strong>in</strong>kommensteuer ± belastet.<br />
Ausschüttungen bzw. Entnahmen aus<br />
Betrieb werden bei <strong>der</strong> privaten E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
erfaût. Die gezahlte Betriebsteuer<br />
wird bei <strong>der</strong> privaten E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
angerechnet. Somit unterliegen nur<br />
noch die dem Unternehmen entzogenen<br />
Gew<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> progressiven Besteuerung <strong>der</strong><br />
privaten E<strong>in</strong>kommensteuer. Der nordrhe<strong>in</strong>westfälische<br />
F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister Schleuûer hat<br />
zudem e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>novativen Reformvorschlag<br />
für die Neufassung <strong>der</strong> Abschreibungsund<br />
Bewertungsregeln (Objektivierung <strong>der</strong><br />
Gew<strong>in</strong>nermittlung) vorgelegt, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
neuen Betriebsteuer möglichst lückenlos<br />
umgesetzt werden sollte. So wird die<br />
Unternehmensbesteuerung auf e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />
und rechtsformunabhängige Basis<br />
gestellt. Mit <strong>der</strong> Betriebsteuer ist zudem<br />
e<strong>in</strong> steuersystematisch s<strong>in</strong>nvoller Anknüpfungspunkt<br />
für e<strong>in</strong>e revitalisierte Gewerbesteuer<br />
geschaffen, <strong>der</strong> den Kommunen<br />
<strong>in</strong>dividuelle Hebesätze zur Betriebsteuer<br />
beläût.<br />
Existenzm<strong>in</strong>imum erhöhen ± Lohnsteuerbelastung<br />
senken<br />
Für den Tarif <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
bedeutet das e<strong>in</strong>e gezielte Entlastung e<strong>in</strong>kommensschwacher<br />
Schichten und e<strong>in</strong>e<br />
ger<strong>in</strong>gere Lohnsteuerbelastung <strong>der</strong> groûen<br />
Mehrheit <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten. Die<br />
von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> gefor<strong>der</strong>te Erhöhung des Existenzm<strong>in</strong>imums<br />
auf DM 14000/DM 28 000<br />
(E<strong>in</strong>zel- bzw. Zusammenveranlagung von<br />
Ehegatten) und die deutliche Absenkung<br />
des E<strong>in</strong>gangsteuersatzes erübrigen die<br />
Fixierung <strong>der</strong> Diskussion auf die Senkung<br />
des Spitzensteuersatzes, da sie allen Steuerpflichtigen<br />
± auch Spitzenverdienern ±<br />
zugute kommen. Def<strong>in</strong>itive Aussagen zur<br />
Gesamtstruktur des Steuertarifs s<strong>in</strong>d erst<br />
bei vollständiger Klarheit über die Verbreiterung<br />
<strong>der</strong> Bemessungsgrundlage s<strong>in</strong>nvoll.<br />
E<strong>in</strong>e Gegenf<strong>in</strong>anzierung von E<strong>in</strong>nahmeausfällen<br />
bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer durch e<strong>in</strong>e<br />
pauschale Erhöhung <strong>der</strong> Umsatzsteuer<br />
wird strikt abgelehnt. Denn die daraus<br />
resultierenden Mehrbelastungen für zahlreiche<br />
Student<strong>in</strong>nen, Rentner<strong>in</strong>nen und<br />
an<strong>der</strong>e auf Transfere<strong>in</strong>kommen angewiesene<br />
Haushalte s<strong>in</strong>d nicht zu rechtfertigen.<br />
193
Chancengleichheit und sozialen Frieden<br />
wahren ± Groûe Vermögensmassen und<br />
Erbschaften s<strong>in</strong>nvoll besteuern<br />
Die Vermögen- bzw. Erbschaft- und<br />
Schenkungsteuer basieren auf drei Vermögensarten:<br />
Immobilienvermögen, Betriebsvermögen<br />
und Geldvermögen. Das Deutsche<br />
Institut für Wirtschaftsforschung<br />
Berl<strong>in</strong> (DIW) hat zum Aufkommen und<br />
den potentiellen Besteuerungsbasen von<br />
Vermögensteuer und Erbschaft- und<br />
Schenkungsteuer wie folgt Stellung genommen:<br />
Zur Vermögensteuer<br />
¹Faût man die Vermögensarten zusammen,<br />
so wäre die theoretische Basis für die<br />
Vermögensteuer mit rund 8,0 Billionen<br />
DM zu beziffern. Von <strong>der</strong> Besteuerung<br />
sollen jedoch die Vermögen bis zur<br />
Schwelle des normalen ¹Familien-<br />
Gebrauchsvermögensª freigestellt bleiben.<br />
Setzt man diese bei 500000 DM an (je<br />
Haushalt, ohne Berücksichtigung e<strong>in</strong>es<br />
Vorab-Freibetrags für die betrieblichen<br />
Vermögen), so ergibt sich ± bezogen auf<br />
die hier geschätzte geme<strong>in</strong>same Vermögensverteilung<br />
± die potentielle Steuerbasis<br />
mit rund 3,7 Billionen DM. Bei Anwendung<br />
des gegenwärtigen normalen Steuersatzes<br />
für natürliche Personen <strong>in</strong> Höhe<br />
von 1 v.H. könnte so e<strong>in</strong> Steueraufkommen<br />
von 37 Mrd. DM erzielt werden. Tatsächlich<br />
wird jedoch bei <strong>der</strong> ¹privaten Vermögensteuerª<br />
(e<strong>in</strong>schlieûlich des<br />
Beteiligungsbesitzes an Unternehmen)<br />
lediglich e<strong>in</strong> Teil, nämlich 5,5 Mrd. DM,<br />
vere<strong>in</strong>nahmt. Hauptursachen s<strong>in</strong>d die faktische<br />
Nichterfassung des Immobilienvermögens<br />
und die Freibeträge für alle Familienmitglie<strong>der</strong><br />
(pro Person 120000 DM);<br />
h<strong>in</strong>zu kommt, daû Vermögensteile nicht<br />
deklariert werden o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>e Veranlagung<br />
erfolgt.ª<br />
DIW-Wochenbericht 30/96<br />
Zur Erbschaftsteuer<br />
¹Die Summe <strong>der</strong> drei Vermögensarten<br />
ergab für die obere Altersklasse 2,44 Billionen<br />
DM; nach e<strong>in</strong>em Wertabschlag auf<br />
Immobilien- und Betriebsvermögen ver-<br />
194<br />
bleiben 1,95 Billionen DM. Der Anteil <strong>in</strong><br />
den Vermögensklassen über DM 500000<br />
beläuft sich auf 910 Mrd. DM. Davon ist<br />
als jährliche Basis für die Erbschaftsteuer<br />
(ausgehend von <strong>der</strong> Lebenserwartung) e<strong>in</strong><br />
Zehntel, also 90 Mrd. DM, anzusetzen,<br />
unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Schenkungen<br />
kommt sogar e<strong>in</strong> Betrag von<br />
100 Mrd. DM <strong>in</strong> Betracht. Bei e<strong>in</strong>em<br />
durchschnittlichen Steuersatz von 10 v.H.<br />
ergäbe dies e<strong>in</strong> Steueraufkommen von<br />
70 Mrd. DM. Dies ist mehr, als die bisherige<br />
Erbschaftsteuer (3,6 Mrd. DM) und<br />
die persönliche Vermögensteuer<br />
(5,5 Mrd. DM) zusammen aufbr<strong>in</strong>gen.ª<br />
DIW-Wochenbericht 30/96<br />
Es ist e<strong>in</strong> fundamentales Gebot <strong>der</strong><br />
Besteuerung nach <strong>der</strong> wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit<br />
und <strong>der</strong> Revitalisierung <strong>der</strong><br />
f<strong>in</strong>anz-, wirtschafts- und sozialpolitischen<br />
Handlungsfähigkeit <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />
aus diesen Sachverhalten weitreichende<br />
steuerpolitische Rückschlüsse zu ziehen.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>nahmepotentials<br />
von ca. DM 47 Mrd. von Vermögensteuer<br />
und Erbschaft- und Schenkungsteuer<br />
wäre auch die angespannte<br />
Diskussion um die vertikale F<strong>in</strong>anzstruktur<br />
(Bund, Län<strong>der</strong> und Kommunen) zwischen<br />
den Gebietskörperschaften wesentlich<br />
leichter zu konsensualisieren.<br />
Europäisches Steuerdamp<strong>in</strong>g beenden ±<br />
Steueroasen austrocknen<br />
E<strong>in</strong>e politische Initiative <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union muû e<strong>in</strong>e schnellstmögliche Harmonisierung<br />
<strong>der</strong> direkten Steuern auf zwei<br />
Gebieten forcieren: Unternehmensbesteuerung<br />
und Besteuerung <strong>der</strong> Kapitale<strong>in</strong>künfte.<br />
Das von <strong>der</strong> EU-Kommission auf<br />
<strong>der</strong> ECOFIN-Tagung im März 1996 vorgelegte<br />
Diskussionspapier und <strong>der</strong> im<br />
Herbst 1996 veröffentlichte Bericht über<br />
die Entwicklung <strong>der</strong> Steuersysteme <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Europäischen Union s<strong>in</strong>d geeignete<br />
Ansatzpunkte, um die nationalen Besteuerungsgrundlagen<br />
<strong>der</strong> EU-Mitglie<strong>der</strong> vor<br />
unlauterem und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konsequenz ru<strong>in</strong>ösem<br />
steuerlichem Wettbewerb zu schützen.
For<strong>der</strong>ungen zu den Verhandlungen mit <strong>der</strong><br />
Bonner Koalition<br />
Wir for<strong>der</strong>n die <strong>SPD</strong>-Parteiführung, die<br />
<strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>regierten<br />
Bundeslän<strong>der</strong> auf, bei den Verhandlungen<br />
mit <strong>der</strong> Bonner Regierungskoalition<br />
folgende Punkte auf ke<strong>in</strong>en Fall zur<br />
Disposition zu stellen:<br />
± Die E<strong>in</strong>kommensteuerreform muû die<br />
groûe Mehrheit <strong>der</strong> abhängig Beschäftigten<br />
deutlich entlasten. Die Pläne <strong>der</strong><br />
Bonner-Koalition zur Absenkung des<br />
Werbungskosten-Pauschbetrags von<br />
2000 DM auf 1300 DM, die Besteuerung<br />
<strong>der</strong> Nacht,- Schicht,- Sonntagsund<br />
Feiertagsarbeit und die Senkung des<br />
Spitzensteuersatzes müssen vom Tisch.<br />
± Die Umsatzsteuer wird nicht erhöht. Die<br />
Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer wird aufkommensneutral<br />
f<strong>in</strong>anziert. E<strong>in</strong>e Steuersenkung<br />
auf Pump kommt nicht <strong>in</strong><br />
Frage. Die verteilungspolitische Schieflage<br />
zugunsten <strong>der</strong> vermögenden Privathaushalte<br />
wird durch e<strong>in</strong>e Revitalisierung<br />
<strong>der</strong> Vermögen- und Erbschaftsteuer korrigiert.<br />
± Der Spitzensteuersatz wird nicht pauschal<br />
abgesenkt. Stattdessen werden<br />
nicht entnommene Unternehmensgew<strong>in</strong>ne<br />
durch e<strong>in</strong>e rechtsformneutrale<br />
Betriebsteuer mit e<strong>in</strong>em niedrigeren<br />
Steuersatz belastet, entnommene dagegen<br />
mit dem progressiven E<strong>in</strong>kommensteuersatz<br />
des Anteilseigners bzw. Eigentümers.<br />
± Die Mehre<strong>in</strong>nahmen durch e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />
Besteuerung groûer Vermögensmassen<br />
werden zum E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Strategie <strong>der</strong> aktiven Arbeitsmarkt- und<br />
Beschäftigungspolitik genutzt.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand, Bundestagsfraktion<br />
und Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 89<br />
Landesverband Saar<br />
Glaubwürdigkeit und soziale<br />
Gerechtigkeit wie<strong>der</strong>herstellen<br />
Sozialdemokratische<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong> neues<br />
Steuersystem<br />
Die seit 1982 von <strong>der</strong> konservativen Bundesregierung<br />
betriebene Politik ist gescheitert<br />
± die Bilanz nach fast 15 Jahren Kohl-<br />
Regierung ist vernichtend: höchste Staatsverschuldung,<br />
höchste Bürgerbelastung<br />
und höchster Stand <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit seit<br />
Bestehen <strong>der</strong> Bundesrepublik stehen als<br />
Symbole für e<strong>in</strong> verfehltes Politikmodell.<br />
Soziale Ausgewogenheit und Besteuerung<br />
nach Leistungsfähigkeit existieren nicht<br />
mehr ± bei den Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern<br />
stellt sich die Frage nach <strong>der</strong> Glaubwürdigkeit<br />
und Gerechtigkeit im Bereich <strong>der</strong><br />
Steuer- und Abgabenpolitik.<br />
Diese Bundesregierung und die sie tragenden<br />
Parteien haben sich die Umverteilung<br />
<strong>der</strong> Lasten auf die Schultern <strong>der</strong> Normalverdiener<br />
und <strong>der</strong> ¹kle<strong>in</strong>en Leuteª zum<br />
Grundsatz gemacht.<br />
Gleichzeitig werden dabei <strong>in</strong> schamloser<br />
Art und Weise die Besserverdienenden<br />
sowie die Vermögens- und E<strong>in</strong>kommensmillionäre<br />
unserer Gesellschaft, zum<br />
Beispiel durch die Abschaffung <strong>der</strong> Vermögenssteuer,<br />
die Vorhaltung von Steuerschlupflöchern<br />
sowie durch die geplante<br />
drastische Absenkung des Spitzensteuersatzes,<br />
massiv bevorzugt und entlastet.<br />
Desweiteren bleibt das Steuerrecht für den<br />
Normalbürger durch zahlreiche Ausnahmen,<br />
Befreiungen und ¾n<strong>der</strong>ungen weiterh<strong>in</strong><br />
kompliziert und undurchschaubar mit<br />
<strong>der</strong> Folge, daû auch hier nur Besserverdienende<br />
mit guter steuerlicher Beratung zu<br />
den Profiteuren dieser Politik gehören.<br />
Als Grundsatzpositionen <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> bleiben<br />
die For<strong>der</strong>ungen nach e<strong>in</strong>er radikalen Vere<strong>in</strong>fachung<br />
des Steuerrechts und <strong>der</strong> Wie-<br />
195
<strong>der</strong>herstellung von Glaubwürdigkeit sowie<br />
sozialer Gerechtigkeit durch Besteuerung<br />
nach <strong>der</strong> jeweiligen Leistungsfähigkeit im<br />
Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Hauptschwerpunkt ist hierbei e<strong>in</strong>e deutliche<br />
Entlastung <strong>der</strong> breiten Masse <strong>der</strong><br />
Bevölkerung, also <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer, sowohl<br />
steuerlich als auch im Bereich <strong>der</strong> Lohnnebenkosten.<br />
± Hierbei steht neben e<strong>in</strong>er deutlichen<br />
Absenkung des E<strong>in</strong>gangssteuersatzes<br />
auch die deutliche Anhebung des Grundfreibetrages<br />
auf 14000 DM für Ledige<br />
und 28 000 DM für Verheiratete im Mittelpunkt<br />
sozialdemokratischer Interessen.<br />
± Die von CDU und F.D.P. geplante<br />
Besteuerung <strong>der</strong> Sonn-, Feiertags- und<br />
Nachtzuschläge sowie von Lohnersatzleistungen<br />
(Krankengeld, Arbeitslosengeld<br />
etc.) werden kategorisch abgelehnt.<br />
± Statt e<strong>in</strong>er höheren Besteuerung <strong>der</strong><br />
Renten steht die <strong>SPD</strong> die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong> Vermögenssteuer und/o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>er Vermögensabgabe auf groûe Kapital-<br />
und Immobilienvermögen als e<strong>in</strong>zig<br />
vertretbaren Weg an.<br />
± E<strong>in</strong>e Erhöhung <strong>der</strong> Mehrwertsteuer zur<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Absenkung des Spitzensteuersatzes<br />
wird ebenso von <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> abgelehnt wie die Überlegungen<br />
zur Besteuerung von Kapitallebensversicherungen<br />
zur Altersvorsorge.<br />
All diesen Anfor<strong>der</strong>ungen wird das vom<br />
<strong>SPD</strong>-Bundesvorstand im Mai vorgelegte<br />
Steuerreformkonzept voll und ganz<br />
gerecht. Die <strong>SPD</strong> muû jedoch hierbei die<br />
Alternativen ihres Politikmodells deutlich<br />
stärker als bisher <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund <strong>der</strong><br />
Diskussion e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />
± Dazu gehört auch die For<strong>der</strong>ung nach<br />
dem E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform<br />
mit dem Ziel e<strong>in</strong>er stärkeren<br />
Besteuerung von Umweltbelastung und<br />
Energieverbrauch bei gleichzeitiger<br />
Absenkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten.<br />
± Diese Absenkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
soll erreicht werden durch die Steuerf<strong>in</strong>anzierung<br />
versicherungsfrem<strong>der</strong> Lei-<br />
196<br />
stungen, welche <strong>in</strong> den letzten Jahren die<br />
Kosten des Standortes Deutschland <strong>in</strong><br />
die Höhe getrieben haben.<br />
± Gleichzeitig gehört zu unserem Alternativmodell<br />
die konsequente Bekämpfung<br />
von Steuerflucht und Steuerh<strong>in</strong>terziehung.<br />
Hierbei gilt als Ziel die Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
von Steuerehrlichkeit durch die Streichung<br />
von Vergünstigungen und Ausnahmetatbeständen<br />
sowie durch e<strong>in</strong>e konsequente Vere<strong>in</strong>fachung<br />
des Steuerrechts.<br />
Nach 15 Jahren CDU-F.D.P.-Bundesregierung<br />
und den damit verbundenen enormen<br />
Haushaltsdefiziten, Staatsschulden und<br />
Massenarbeitslosigkeit ist es an <strong>der</strong> Zeit,<br />
e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Politikmodell umzusetzen, an<br />
das die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger wie<strong>der</strong><br />
glauben können.<br />
Dies kann jedoch nur gel<strong>in</strong>gen, wenn Steuerehrlichkeit<br />
und soziale Gerechtigkeit<br />
wie<strong>der</strong> zum Leitmotiv <strong>der</strong> Politik <strong>in</strong><br />
Deutschland werden.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 90<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
Orientierungsrahmen zur<br />
Reform <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e grundlegende<br />
Reform unseres E<strong>in</strong>kommensteuerrechts.<br />
Dabei sollen folgende Ziele verfolgt werden:<br />
1. Steuergerechtigkeit<br />
Alle E<strong>in</strong>kunftsarten werden erfaût und<br />
gleichmäûig besteuert. E<strong>in</strong>schlieûlich<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus Land- und Forstwirtschaft<br />
sowie Kapitalvermögen.<br />
Die Verrechnung von Gew<strong>in</strong>nen und<br />
Verlusten aus unterschiedlichen E<strong>in</strong>künften<br />
wird beseitigt. Alle Vermögenssubstanzgew<strong>in</strong>ne<br />
werden im Falle <strong>der</strong>
Realisierung versteuert. Das Steuergeheimnis<br />
wird für die Fälle des dr<strong>in</strong>genden<br />
Verdachts auf Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />
aufgehoben. Das Bankgeheimnis ist mit<br />
dem Ziel <strong>der</strong> wirksamen Erfassung und<br />
Kontrolle <strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus Kapitalvermögen<br />
zu än<strong>der</strong>n.<br />
2. Transparenz und Vere<strong>in</strong>fachung<br />
Es wird e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Stufentarif e<strong>in</strong>geführt.<br />
Die über 100 Son<strong>der</strong>regelungen<br />
und Ausnahmetatbestände <strong>in</strong> unserem<br />
E<strong>in</strong>kommensteuerrecht werden radikal<br />
verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />
3. Anschub <strong>der</strong> Wirtschaft zur Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen<br />
Durch hohe Freibetragsgrenzen von<br />
DM 20000/40 000 und e<strong>in</strong>en niedrigen<br />
E<strong>in</strong>gangssteuersatz von 20 % wird e<strong>in</strong>e<br />
überproportionale Entlastung <strong>der</strong> unteren<br />
und mittleren E<strong>in</strong>kommen erzielt.<br />
Diese Entlastung <strong>der</strong> unteren und mittleren<br />
E<strong>in</strong>kommen führt über e<strong>in</strong><br />
höheres Massene<strong>in</strong>kommen bei hoher<br />
Konsumquote zu e<strong>in</strong>er gröûeren B<strong>in</strong>nennachfrage.<br />
Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze<br />
werden dadurch geschaffen.<br />
Derzeit werden nur noch ca. 50 % aller<br />
E<strong>in</strong>künfte über die Ertragssteuern erfaût.<br />
E<strong>in</strong>e radikale Beseitigung von Steuervorteilstatbeständen<br />
ist aus Gründen <strong>der</strong> Steuergerechtigkeit<br />
geboten. Die dadurch<br />
erzielten E<strong>in</strong>nahmen werden zur F<strong>in</strong>anzierung<br />
hoher Freibetragsgrenzen und niedriger<br />
Steuersätze verwandt. Das folgende<br />
Reformmodell zur E<strong>in</strong>kommensteuer soll<br />
e<strong>in</strong>e Diskussionsgrundlage se<strong>in</strong>.<br />
Reformmodell zur E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
1. Das steuerlich anerkannte Existenzm<strong>in</strong>imum<br />
ist von jetzt 12 095 DM auf<br />
20000 DM ab dem 1. 1. 1998 anzuheben.<br />
Dieser Betrag ist <strong>in</strong> Zukunft an die<br />
wirtschaftliche Entwicklung anzupassen.<br />
2. Verän<strong>der</strong>ter E<strong>in</strong>kommensteuertarif<br />
Bei Realisierung <strong>der</strong> Abschaffung <strong>der</strong><br />
nachfolgenden Steuervergünstigungen<br />
bevorzugen wir e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>fachen und<br />
transparenten Stufentarif, <strong>der</strong> wie folgt<br />
ausgestaltet se<strong>in</strong> könnte:<br />
Zu versteuerndes E<strong>in</strong>kommen<br />
E<strong>in</strong>k. St.<br />
von 0,00 DM ± 20000,00 DM = 0 %<br />
ab 20 000,00 DM ± 60000,00 DM = 20 %<br />
ab 60 000,00 DM ± 100 000,00 DM = 30 %<br />
ab 100 000,00 DM ± 200 000,00 DM = 40 %<br />
ab 200 000,00 DM ± 45 %<br />
Der Höchststeuersatz wird damit bei 45 %<br />
festgeschrieben. Die Verwirklichung des<br />
vorgeschlagenen Stufentarifs muû selbstverständlich<br />
<strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang gebracht werden mit<br />
dem Umfang <strong>der</strong> Verbreiterung <strong>der</strong> Bemessungsgrundlagen.<br />
E<strong>in</strong> Plus im Steueraufkommen<br />
könnte zur weiteren Senkung<br />
beim E<strong>in</strong>gangssteuersatz o<strong>der</strong> alternativ<br />
zur weitgehenden Vermeidung weiterer<br />
Neuverschuldung verwendet werden.<br />
3. Verän<strong>der</strong>te Familienbesteuerung.<br />
Da <strong>der</strong> Grundfreibetrag auf<br />
DM 20 000 p/P erhöht wird, ist die E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
so zu verän<strong>der</strong>n, daû<br />
jede/je<strong>der</strong> Steuerpflichtige/r nach <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>kommenshöhe <strong>in</strong>dividuell und unabhängig<br />
vom Familienstand besteuert<br />
wird. Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g wird abgeschafft<br />
und statt dessen e<strong>in</strong>e Regelung<br />
getroffen, daû die Unterhaltskosten für<br />
Ehepartner/<strong>in</strong> und auf Dauer angelegte<br />
Lebensgeme<strong>in</strong>schaften ohne eigenes<br />
E<strong>in</strong>kommen bzw. mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen<br />
von steuerpflichtigen E<strong>in</strong>kommen<br />
<strong>in</strong> Höhe des Existenzm<strong>in</strong>imums<br />
abgesetzt werden können.<br />
4. Der K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibetrag wird abgeschafft.<br />
Der Familienlastenausgleich wird<br />
zukünftig durch e<strong>in</strong> angemessen erhöhtes<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld gewährleistet. Während<br />
<strong>der</strong> Ausbildung wird von <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>geldkasse<br />
e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>kommensabhängiger<br />
Ausbildungszuschuû gezahlt. Diese<br />
Zuschüsse s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> wirtschaftlichen Entwicklung<br />
anzupassen.<br />
5. Abschaffung <strong>der</strong> Verrechnung von<br />
Gew<strong>in</strong>nen und Verlusten verschiedener<br />
E<strong>in</strong>kunftsarten im E<strong>in</strong>kommensteuerrecht.<br />
Verluste e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kunftsart werden<br />
steuerlich durch Verlustvorträge <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> selben E<strong>in</strong>kunftsart berücksichtigt.<br />
6. Gleichmäûige Behandlung aller E<strong>in</strong>kunftsarten.<br />
197
Vermögenssubstanzgew<strong>in</strong>ne und -verluste<br />
s<strong>in</strong>d bei allen E<strong>in</strong>kunftsarten zu<br />
erfassen. Innerhalb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kunftsarten<br />
müssen die heutigen Besteuerungslücken<br />
weitgehend geschlossen werden. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
ist die E<strong>in</strong>kunftsart ¹sonstige<br />
E<strong>in</strong>künfteª fortzuentwickeln zu e<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>kunftsart, <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle privaten Vermögensmehrungen<br />
im Bereich von Immobilien,<br />
Kunstgegenständen und Wertpapieren<br />
im Falle <strong>der</strong> Realisierung erfaût<br />
werden.<br />
7. Wirksame Kontrolle <strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus<br />
Kapitalvermögen.<br />
Der § 30 a <strong>der</strong> Abgabenordnung (Bandgeheimnis)<br />
ist so zu än<strong>der</strong>n, daû e<strong>in</strong>e<br />
wirksame Kontrolle <strong>der</strong> E<strong>in</strong>künfte aus<br />
Kapitalvermögen (Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künfte) möglich<br />
ist. Auf europäischer Ebene ist<br />
schnellstmöglichst e<strong>in</strong>e abgestimmte<br />
Regelung für die vollständige Erfassung<br />
von Kapitale<strong>in</strong>künften zu erreichen.<br />
8. Das E<strong>in</strong>kommensteuerrecht ist von allen<br />
steuerlichen Lenkungsvorschriften zu<br />
befreien.<br />
Soweit neben gezielten F<strong>in</strong>anzhilfen<br />
(offene Subventionen) steuerlich Vergünstigungen<br />
erfor<strong>der</strong>lich bleiben, s<strong>in</strong>d<br />
diese nicht mehr e<strong>in</strong>kommensabhängig<br />
als Abzüge von <strong>der</strong> Bemessungsgrundlage,<br />
son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>kommensunabhänig als<br />
Abzüge von <strong>der</strong> Steuerschuld o<strong>der</strong> als<br />
Zulage auszugestalten.<br />
Direkte Investitionszulagen (auûerhalb<br />
des E<strong>in</strong>kommensteuerrechts) sollten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />
Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen;<br />
entsprechend <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Investitionen<br />
gestaffelt gewährt werden, wobei<br />
Existenzgründungen beson<strong>der</strong>s zu för<strong>der</strong>n<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Dementsprechend s<strong>in</strong>d vor allem folgende<br />
Regelungen aus dem EStG zu streichen:<br />
± Abschreibungsvergünstigungen von<br />
§ 7a±7 k sowie Teile von § 7 EStG,<br />
± Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung § 10f±10 i,<br />
§ 11 a und § 11 b EStG,<br />
± Son<strong>der</strong>vergünstigungen für Landu.<br />
Forstwirte, § 13 Abs. 3, § 13a, § 14a<br />
EStG<br />
198<br />
± För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Vermögensbildung von<br />
Arbeitnehmern § 19 a EStG,<br />
± Son<strong>der</strong>abschreibungen gemäû För<strong>der</strong>gebietsgesetz,<br />
Abschreibungen s<strong>in</strong>d nur<br />
noch l<strong>in</strong>ear vorzunehmen, wobei die<br />
Nutzungsdauer den tatsächlichen Verhältnissen<br />
anzupassen ist.<br />
9. Auûerordentliche E<strong>in</strong>künfte im S<strong>in</strong>ne<br />
des § 34 (Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne bei<br />
gewerblicher und selbständiger Tätigkeit<br />
etc.) und 34b EStG (Land- und<br />
Forstwirtschaft) s<strong>in</strong>d nicht mehr durch<br />
e<strong>in</strong>en ermäûigten Steuersatz zu entlasten.<br />
10. Neuregelung von Son<strong>der</strong>ausgaben.<br />
Die Beschränkung des Abzugs von Beiträgen<br />
zur gesetzlichen Kranken-, Renten-,<br />
Unfallversicherung und Haftpflichtversicherung<br />
ist auszuheben, d.h.<br />
<strong>in</strong>soweit wird voll Abzugsfähigkeit<br />
gewährt. Die dadurch begründeten<br />
Ansprüche s<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>erseits <strong>in</strong> voller<br />
Höhe zu besteuern.<br />
11. Die Vorschriften des § 4 Abs. 4<br />
(Betriebsausgaben) und des EStG (Werbungskosten)<br />
s<strong>in</strong>d weiter ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
anzugleichen und gleichmäûig anzuwenden,<br />
dazu gehören <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />
Verän<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Abziehbarkeit<br />
privat mitveranlaûter Betriebsausgaben.<br />
Gemischte Aufwendungen s<strong>in</strong>d für alle<br />
E<strong>in</strong>kunftsarten mit e<strong>in</strong>er erhöhten, aber<br />
gleichen Pauschale abzugelten. In dieser<br />
Pauschale s<strong>in</strong>d die Kosten für den<br />
Arbeitsweg, Geschäftsessen, Repräsentationen,<br />
Arbeitszimmer und PKW usw.<br />
enthalten. Kosten für PKW, die von<br />
Unternehmen genutzt werden, s<strong>in</strong>d nur<br />
im Rahmen von Höchstgrenzen abzusetzen.<br />
12. In die E<strong>in</strong>kommensbesteuerung werden<br />
alle Lohnersatzleistungen o<strong>der</strong> sozialen<br />
Transferleistungen mit Ausnahme <strong>der</strong><br />
Sozialhilfe e<strong>in</strong>bezogen.<br />
Diese Besteuerung ist selbstverständlich<br />
erst möglich, wenn zuvor alle Versicherungsbeiträge<br />
<strong>in</strong> voller Höhe als Son<strong>der</strong>ausgaben<br />
steuerbegünstigend von<br />
<strong>der</strong> Bemessungsgrundlage abgezogen<br />
werden konnten. E<strong>in</strong>e Besteuerung <strong>der</strong>
<strong>der</strong>zeitigen Renten über den Ertragsanteil<br />
h<strong>in</strong>aus wird abgelehnt. Die Steuerbefreiungen<br />
gemäû §§ 3 a, 3b, 3c EStG<br />
müssen ersatzlos gestrichen werden.<br />
(Überweisung als Material an Parteivorstand)<br />
Antrag I 91<br />
Unterbezirk München<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Arbeit und Gerechtigkeit<br />
± Für e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> steuerpolitischen Positionen<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
(1) Massive Umverteilung von unten nach<br />
oben, seit Jahren auch wegen steigen<strong>der</strong><br />
Abgabenbelastung stagnierende o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>kende<br />
Massene<strong>in</strong>kommen und <strong>der</strong> anhaltende<br />
Rückgang öffentlicher Investitionen<br />
s<strong>in</strong>d das unbestreitbare Ergebnis <strong>der</strong> Politik<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung, ebenso unbestreitbar<br />
s<strong>in</strong>d zerrüttete Staatsf<strong>in</strong>anzen und<br />
e<strong>in</strong> wachsendes Heer von Arbeitslosen.<br />
Sparpolitik, Rückzug des Staates und nationales<br />
Stabilitätsdogma s<strong>in</strong>d ungeeignet, die<br />
ökonomische Stagnation zu überw<strong>in</strong>den;<br />
im Gegenteil: die Verallgeme<strong>in</strong>erung dieser<br />
Politik (vor allem <strong>in</strong> Europa) macht sich<br />
rückwirkend als zusätzlicher ¹Globalisierungsdruckª<br />
krisenverschärfend bemerkbar.<br />
(2) H<strong>in</strong>tergrund für die bislang mehrheitsfähige<br />
Politik <strong>der</strong> Konservativ-Liberalen ist<br />
nicht nur e<strong>in</strong> platter Interessenklientelismus<br />
für die Vermögenden, son<strong>der</strong>n die<br />
weitverbreitete (aus e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zelwirtschaftlichen<br />
Betrachtungsweise sich zunächst auch<br />
aufdrängende) Auffassung, die Begünstigung<br />
und Entlastung <strong>der</strong> Unternehmen<br />
und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>kommensstarken Schichten<br />
(¹Leistungsträgerª) würde zusammen mit<br />
e<strong>in</strong>er Absenkung <strong>der</strong> Arbeitskosten bzw.<br />
sozialer und rechtlicher Standards zu e<strong>in</strong>er<br />
Revitalisierung <strong>der</strong> Marktkräfte und zu<br />
Vorteilen im ¹Standortwettbewerbª führen.<br />
Im Moment ist <strong>in</strong> diesem Konzept e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>seitige Exportorientierung; weil <strong>der</strong><br />
<strong>in</strong>nere Markt beschnitten wird (Kostenreduktion)<br />
und weniger Arbeitskräfte e<strong>in</strong>gestellt<br />
werden (lean production) ± was die<br />
B<strong>in</strong>nennachfrage entscheidend schwächt ±,<br />
sollen Gew<strong>in</strong>ne und Arbeitsplätze auf<br />
Kosten an<strong>der</strong>er Nationen errungen werden.<br />
Da diese (teilweise notgedrungen) zu den<br />
gleichen Mitteln greifen, stellt sich e<strong>in</strong><br />
destationärer und ru<strong>in</strong>öser Wettbewerb<br />
(z. B. <strong>in</strong>ternationale Steuersenkungswettläufe)<br />
e<strong>in</strong>, bei dem am Ende die breiten<br />
Schichten überall die Verlierer s<strong>in</strong>d.<br />
(3) Die Deregulierung (z.B. des Arbeitsmarkts)<br />
und die Auslieferung bisher staatlich<br />
dom<strong>in</strong>ierter Sektoren (Privatisierung)<br />
an den Markt verschärfen den Wettbewerb<br />
und treiben Lohnstandards und Nachfragepotentiale<br />
nach unten; gesellschaftliche<br />
¹Ruhepoleª und Konstanzen verm<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
sich, die Instabilitäten nehmen zu. Es<br />
kommt zu e<strong>in</strong>em Verlust politischer Regulierung,<br />
<strong>der</strong> auch ideologisch abgesichert<br />
wird, <strong>in</strong>dem beispielsweise die Verantwortung<br />
für Arbeitslosigkeit von <strong>der</strong> (politischen)<br />
Regierungsebene auf die Ebene <strong>der</strong><br />
¹Tarifpartnerª, konkreter <strong>der</strong> Gewerkschaften<br />
abgeschoben wird.<br />
(4) Marktenge und Destabilisierung werden<br />
durch den wachsenden Geldvermögenssektor<br />
noch verschärft ± forciert durch<br />
die Deregulierung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmärkte. Das<br />
Versprechen hoher Renditen <strong>in</strong> allerlei<br />
Anlageformen ± Devisenspekulation e<strong>in</strong>geschlossen<br />
± zieht beachtliche Teile erwirtschafteter<br />
E<strong>in</strong>kommen und Gew<strong>in</strong>ne aus<br />
dem reproduktiven Kreislauf, was Nachfrage<br />
und Investitionen weiter schmälern<br />
muû. Das Schlagwort sharehol<strong>der</strong> ± value<br />
signalisiert schlieûlich nichts weiter als die<br />
Vorherrschaft <strong>der</strong> Geldvermögensbesitzer,<br />
<strong>der</strong>en Interessen auch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>seitig stabilitätsorientierte<br />
Geldpolitik entgegenkommt<br />
± auf Kosten von Wachstum und Arbeitsplätzen.<br />
(5) Mit diesen Grundorientierungen muû<br />
sich die <strong>SPD</strong> ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, soll die<br />
nach wie vor bestehende Hegemonie konservativ-liberaler<br />
Kernvorstellungen überwunden<br />
werden. Angesichts <strong>der</strong> kurz skizzierten<br />
Verwerfungen und des Desasters<br />
199
und <strong>der</strong> Perspektivlosigkeit <strong>der</strong> konservativ-liberalen<br />
Politik steht die <strong>SPD</strong> vor e<strong>in</strong>er<br />
groûen Herausfor<strong>der</strong>ung. Sozialstaatliche<br />
Protektion sichern und die Tür zum Vollbeschäftigungsziel<br />
aufstoûen ± das s<strong>in</strong>d die<br />
beiden notwendig zusammengehörenden<br />
Hauptaufgaben. Viele Menschen erkennen,<br />
daû die Kohl-Regierung gescheitert ist;<br />
trotzdem vertrauen sie nicht umstandslos<br />
darauf, daû es die <strong>SPD</strong> wirklich besser<br />
machen wird. An <strong>der</strong> konzeptionellen<br />
Reichweite <strong>der</strong> sozialdemokratischen Alternative<br />
muû deshalb weitergearbeitet werden,<br />
damit sie als wirkungsmächtige Alternative<br />
gespürt wird, die auf die zentralem<br />
Probleme auch klare und wegweisende<br />
Antworten gibt.<br />
(6) Erfor<strong>der</strong>lich ist e<strong>in</strong> epochaler Paradigmenwechsel<br />
± nicht die Anpassung an tatsächliche<br />
o<strong>der</strong> verme<strong>in</strong>tliche Globalisierungszwänge.<br />
Beschäftigungsorientierte<br />
Geld- und F<strong>in</strong>anzpolitik, B<strong>in</strong>nenmarktorientierung,<br />
Arbeitszeitverkürzung, Re-<br />
Regulierung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzmärkte, För<strong>der</strong>ung<br />
von Zukunfts<strong>in</strong>vestitionen und Leitsektoren<br />
(Solar), Sicherung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen<br />
Basis, Ausweitung öffentlicher Dienstleistungen,<br />
<strong>in</strong>ternationale und europäische<br />
Zusammenarbeit und Koord<strong>in</strong>ation zugunsten<br />
arbeits- und sozialorientierter Politik ±<br />
überhaupt die Rückgew<strong>in</strong>nung des Primats<br />
<strong>der</strong> Politik ± s<strong>in</strong>d die Antworten auf den<br />
sich abzeichnenden Nie<strong>der</strong>gang <strong>der</strong> europäischen<br />
Wohlfahrtsstaaten.<br />
(7) In diesem Zusammenhang ± we<strong>der</strong> als<br />
technokratisch-neutrale Steuerrechtskonzeption<br />
noch als Teilabziehbild konservativ-liberaler<br />
Vorlagen, son<strong>der</strong>n als Alternative<br />
± ist die Steuerpolitik zu stellen. Die<br />
Steuerreform <strong>der</strong> Bundesregierung fügt<br />
sich nahtlos und folgerichtig <strong>in</strong> ihre bisherigen<br />
Grundüberlegungen e<strong>in</strong>. Bei Reichen<br />
und Unternehmen wird weiter entlastet ±<br />
nach <strong>der</strong> erst beschlossenen Abschaffung<br />
<strong>der</strong> Vermögenssteuer ist Tempo und Zielrichtung<br />
des Umbaus <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
durch die Bundesregierung ungebrochen.<br />
Soweit für die Normalverdiener Entlastungen<br />
angekündigt s<strong>in</strong>d, werden sie durch<br />
Erhöhung <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Steuern (o<strong>der</strong><br />
durch Rücknahme öffentlicher Leistungen)<br />
200<br />
konterkariert werden. An e<strong>in</strong>e solche Konzeption<br />
kann es ke<strong>in</strong>e sozialdemokratische<br />
¹Annäherungª geben, son<strong>der</strong>n nur Ablehnung<br />
und Alternative, über die letztlich die<br />
Wähler entscheiden müssen.<br />
Öffentliche Haushalte stärken<br />
(8) Entgegen manchen Darstellungen ist<br />
die Steuerquote <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
nicht zu hoch; sie liegt seit Jahrzehnten<br />
relativ stabil zwischen 22 und 25 v. H.<br />
(1995: 23,6). Daû sie <strong>in</strong> befristeten Zeiten<br />
hohen F<strong>in</strong>anzierungsbedarfs etwas höher<br />
liegt als <strong>in</strong> guten Konjunkturphasen ist<br />
normal. Deutlich angestiegen ist demgegenüber<br />
die Sozialabgabenbelastung ± vor<br />
allem als Folge <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit,<br />
nur wenn diese zurückgeführt wird, können<br />
auch die Sozialbeiträge s<strong>in</strong>ken (von Umf<strong>in</strong>anzierungen<br />
<strong>in</strong> Teilbereich abgesehen).<br />
Begrenzt auf die Steuerpolitik liegt also das<br />
Problem nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er generell zu hohen<br />
Steuerlast, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ungleichverteilung;<br />
die Belastung <strong>der</strong> Bruttohöhe stieg<br />
gewaltig, E<strong>in</strong>kommen aus Unternehmertätigkeit<br />
und Vermögen wurden radikal<br />
begünstigt.<br />
(9) Ziel e<strong>in</strong>er Steuerreform kann deshalb<br />
nicht e<strong>in</strong>e generelle Nettoentlastung verbunden<br />
mit weiteren E<strong>in</strong>nahmeausfällen<br />
für die öffentlichen Haushalte se<strong>in</strong>. Derartige<br />
Absichten o<strong>der</strong> Versprechungen s<strong>in</strong>d<br />
o<strong>der</strong> wären jedenfalls schon f<strong>in</strong>anzpolitisch<br />
unseriös. Selbst bei den konservativ-Liberalen<br />
steht die propagandistisch angekündigte<br />
Nettoentlastung nur auf dem Papier; sie<br />
werden zur Gegenf<strong>in</strong>anzierung und zum<br />
Stopfen ihrer Haushaltslöcher die <strong>in</strong>direkten<br />
Steuern anheben, die Steuerlüge ist<br />
programmiert. Die Rückkehr zu e<strong>in</strong>em<br />
hohen Beschäftigungsstand erfor<strong>der</strong>t u. a.<br />
mehr öffentliche Investitionen o<strong>der</strong> öffentlich<br />
gestützte Beschäftigungssektoren. Das<br />
ist mit weiter geschmälerten öffentlichen<br />
Haushalten nicht zu machen. Staatliche<br />
Beschäftigungs<strong>in</strong>itiativen müssen notwendigerweise<br />
zunächst kreditf<strong>in</strong>anziert werden,<br />
für ihre Ref<strong>in</strong>anzierung kann nicht alle<strong>in</strong><br />
auf konjunkturell bed<strong>in</strong>gte Mehre<strong>in</strong>nahmen<br />
vertraut werden. Vielmehr s<strong>in</strong>d durch steuerpolitische<br />
Maûnahmen Mehre<strong>in</strong>nahmen
anzustreben, damit die öffentlichen Haushalten<br />
und die wirtschaftliche Kreisläufe<br />
gestärkt werden. E<strong>in</strong>e steuerliche Mehrbelastung<br />
ist <strong>in</strong> den Bereichen hoher<br />
Private<strong>in</strong>kommen, nicht<strong>in</strong>vestierter<br />
Gew<strong>in</strong>ne und bei den Kapitale<strong>in</strong>künften<br />
aus ökonomischen Gründen s<strong>in</strong>nvoll. Die<br />
<strong>SPD</strong> muû klarmachen, daû die Rück-<br />
Umverteilung von oben nach unten und<br />
h<strong>in</strong> zu den öffentlichen Haushalten e<strong>in</strong>e<br />
notwendige Voraussetzung für ökonomische<br />
Prosperität ist.<br />
Unternehmensbesteuerung<br />
(10) Bei <strong>der</strong> Besteuerung <strong>der</strong> Unternehmen<br />
(und an<strong>der</strong>er Vermögense<strong>in</strong>kommen)<br />
s<strong>in</strong>d unter <strong>der</strong> Dom<strong>in</strong>anz neoliberaler Leitbil<strong>der</strong><br />
<strong>in</strong>ternationale Steuersenkungswettläufe<br />
ausgelöst worden. Allerd<strong>in</strong>gs wi<strong>der</strong>stehen<br />
auch e<strong>in</strong>e Reihe von Län<strong>der</strong>n dem<br />
davon ausgehenden Druck; <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ist<br />
<strong>in</strong> den meisten europäischen Län<strong>der</strong>n das<br />
Besteuerungsniveau noch relativ hoch, die<br />
Bundesrepublik liegt im Mittelfeld. Die<br />
Strategie von Steuersenkungswettläufen<br />
führt unweigerlich zu verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />
und Haushaltsdefiziten. Im<br />
neoliberalen Konzept s<strong>in</strong>d solche Steuersenkungen<br />
deswegen auch folgerichtig mit<br />
dem Rückzug des Staates auf allen Ebenen<br />
und mit e<strong>in</strong>er historischen Beendigung des<br />
Sozialstaatsprojekts verbunden. Sozialstaat<br />
und leistungsfähiger öffentlicher Sektor<br />
vertragen sich pr<strong>in</strong>zipiell nicht mit Niedrigsteuerkonzepten.<br />
Für die <strong>SPD</strong> kann e<strong>in</strong>e<br />
Anpassung an <strong>der</strong>artige Strategien nicht <strong>in</strong><br />
Frage kommen. Gerade die wirtschaftlich<br />
starke Bundesrepublik muû hier für den<br />
nationalen und europäischen Rahmen die<br />
erkennbar gegenteiligen Signale setzen. Es<br />
gibt auch ke<strong>in</strong>e Veranlassung, sich von<br />
e<strong>in</strong>em oberflächlichen Blick auf die hohen<br />
deutschen Direkt<strong>in</strong>vestitionen <strong>in</strong> die Irre<br />
führen zu lassen. Diese s<strong>in</strong>d ± jedenfalls im<br />
Kern ± unternehmerischen Expansionsstrategien,<br />
den anhaltenden Handelsbilanzüberschüssen<br />
und <strong>der</strong> langfristigen DM-Aufwertung<br />
geschuldet.<br />
(11) Die Steuerlast <strong>der</strong> Unternehmen ist <strong>in</strong><br />
den letzten e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahrzehnten ± so das<br />
DIW ± um fünfzehn Prozentpunkte (!)<br />
abgesenkt worden ± gleichzeitig haben wir<br />
zerrüttete F<strong>in</strong>anzen und steigende Massenarbeitslosigkeit.<br />
Die beabsichtigte o<strong>der</strong><br />
auch nur versprochene Wirkung auf Investitionen<br />
und Arbeitsplätze ist nicht e<strong>in</strong>getreten.<br />
Die konservativ-liberale Konzeption<br />
ist pleite und von <strong>der</strong> Wirklichkeit blamiert!<br />
(12) Notwendig ist e<strong>in</strong>e tendenzielle<br />
Umkehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lastenverteilung und e<strong>in</strong>e<br />
Strukturreform <strong>der</strong> Unternehmensbesteuerung.<br />
Wer <strong>in</strong>vestiert und das Geld im<br />
Unternehmen läût, soll begünstigt se<strong>in</strong>,<br />
wer nicht <strong>in</strong>vestiert und/o<strong>der</strong> viel entnimmt,<br />
soll zahlen!<br />
(13) Eher relativ hohe Steuersätze verbunden<br />
mit eher hohen Abschreibungssätzen<br />
(geme<strong>in</strong>t ist hier nicht die Vielfalt von Son<strong>der</strong>abschreibungen<br />
im Steuerdschungel!)<br />
belohnen den Investor. Diese Konstruktion<br />
ist traditionell im deutschen Steuerrecht<br />
angelegt, von ihr sollte nicht abgegangen<br />
werden. Von e<strong>in</strong>zelnen Korrekturen abgesehen,<br />
bedarf es hier ± weil es sie schon<br />
gibt ± ke<strong>in</strong>er zusätzlichen Entlastungen.<br />
Wie jede betriebliche Investitionsför<strong>der</strong>ung<br />
entfaltet auch diese ihre Wirkung aber erst<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesamtwirtschaftliche expansiven<br />
Umfeld, d.h. wenn Absatzmärkte mitwachsen<br />
(Verdrängungswettbewerb, vgl. E<strong>in</strong>gangsbemerkungen).<br />
(14) Wenn e<strong>in</strong>erseits so <strong>der</strong> Investor durch<br />
Abschreibungen begünstigt wird, soll ferner<br />
bessergestellt se<strong>in</strong>, wer Geld im Unternehmen<br />
läût statt hohe Entnahmen zu tätigen.<br />
Das ist <strong>der</strong> S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er generellen<br />
Betriebsteuerkonzeption.<br />
(15) Die Betriebsteuer ist <strong>der</strong> Körperschaftsteuer<br />
nachgebildet und ersetzt bzw.<br />
erweitert diese. Gew<strong>in</strong>ne aus Unternehmen<br />
unterliegen dann e<strong>in</strong>heitlich und rechtsformunabhängig<br />
als ¹E<strong>in</strong>künfte aus Betriebª<br />
<strong>der</strong> Betriebsteuer. Die bisher verschiedenen<br />
E<strong>in</strong>kunftsarten Land- und Forstwirtschaft,<br />
Gewerbebetrieb, selbständige Tätigkeit<br />
und Vermietung und Verpachtung (Fremdvermietung<br />
von Immobilien) können dann<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>fachheit halber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>zigen<br />
E<strong>in</strong>kunftsart zusammengefaût werden. Das<br />
201
isherige Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong> von E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
und Körperschaftssteuer im unternehmerischen<br />
Bereich entfällt. Da die E<strong>in</strong>künfte<br />
aus Vermietung und Verpachtung<br />
e<strong>in</strong>bezogen werden, können auch die Wertsteigerungen<br />
bei den Immobilien steuerlich<br />
erfaût werden.<br />
(16) Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer werden<br />
dann nicht mehr Gew<strong>in</strong>ne, son<strong>der</strong>n Entnahmen<br />
und Ausschüttungen erfaût. Wie<br />
bei <strong>der</strong> jetzigen Körperschaftsteuer wird<br />
die auf Entnahmen und Ausschüttungen<br />
anteilig entfallende Betriebsteuer auf die<br />
E<strong>in</strong>kommensteuer angerechnet. Dadurch<br />
wird es möglich, auf die im Unternehmen<br />
verbleibenden Gew<strong>in</strong>nteile und die das<br />
Unternehmen verlassenden Entnahmen<br />
bzw. Ausschüttungen unterschiedliche<br />
Steuersätze anzuwenden. Die Betriebsteuer<br />
kann mit e<strong>in</strong>em l<strong>in</strong>earen, im Niveau unterhalb<br />
des Spitzensteuersatzes für Private<strong>in</strong>künfte<br />
liegenden Tarif ausgestattet werden,<br />
bei den weniger geme<strong>in</strong>dienlichen<br />
hohen Private<strong>in</strong>künften wird e<strong>in</strong>e schärfere<br />
Progression o<strong>der</strong> Spitzenbesteuerung wirksam.<br />
(17) E<strong>in</strong>e solche Konzeption ist von vornhere<strong>in</strong><br />
auch auf europäische Besteuerungsregelungen<br />
ausgerichtet und erleichtert<br />
diese. Die meisten europäischen Steuersysteme<br />
kennen e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> deutschen vergleichbare<br />
Körperschaftsteuerregelung (ob mit<br />
o<strong>der</strong> ohne Vollanrechnungsverfahren). Dies<br />
ist <strong>der</strong> Ansatzpunkt für die mittelfristig<br />
notwendige Harmonisierung <strong>der</strong> Unternehmensbesteuerung,<br />
sie kann mit <strong>der</strong><br />
Betriebsteuer relativ problemlos umgesetzt<br />
werden. Bei <strong>der</strong> Besteuerung <strong>der</strong> Private<strong>in</strong>künfte<br />
± <strong>der</strong>en Harmonisierung problematischer<br />
und auch weniger dr<strong>in</strong>gend ist ±<br />
verbleiben auf diese Weise Spielräume für<br />
nationale Beson<strong>der</strong>heiten o<strong>der</strong> Prioritäten,<br />
die dann die Unternehmens- (sprich<br />
Gew<strong>in</strong>nbesteuerung) nicht mehr tangieren.<br />
(18) Die steuerlichen Gew<strong>in</strong>nermittlungsvorschriften<br />
s<strong>in</strong>d so umzugestalten, daû sie<br />
e<strong>in</strong> verobjektiviertes und zutreffendes Bild<br />
<strong>der</strong> wirtschaftlichen Situation und <strong>der</strong><br />
Ertragslage zeichnen. Die bisherigen bilanziellen<br />
Gestaltungsspielräume s<strong>in</strong>d deshalb<br />
202<br />
e<strong>in</strong>zuschränken. Abschreibungsregelungen<br />
sollten sich generell am tatsächlichen<br />
Wertverzehr orientieren, allerd<strong>in</strong>gs durchaus<br />
groûzügig bemessen werden, um die<br />
tatsächlichen Real<strong>in</strong>vestitionen zu begünstigen.<br />
Son<strong>der</strong>abschreibungen s<strong>in</strong>d abzuschaffen,<br />
<strong>in</strong> notwendigen E<strong>in</strong>zelfällen s<strong>in</strong>d<br />
sie auf offen ausgewiesene Investitionszulagen<br />
umzustellen. Veräuûerungsgew<strong>in</strong>ne<br />
s<strong>in</strong>d ausnahmslos zu erfassen (aufgedeckte<br />
stille Reserven). Die Möglichkeiten,<br />
Gew<strong>in</strong>ne durch Bildung von Rückstellungen<br />
zu variieren, s<strong>in</strong>d auf wenige def<strong>in</strong>ierte<br />
E<strong>in</strong>zelfälle zu beschränken (z. B. Pensionsrückstellungen).Pauschalwertberichtigungen<br />
s<strong>in</strong>d zu verbieten.<br />
(19) Die Gewerbesteuer ist als eigenständige<br />
E<strong>in</strong>nahmequelle <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den mit<br />
eigenem Hebesatzrecht zu stärken. E<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong> Gewerbesteuer vergleichbare Steuer ist<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe von Län<strong>der</strong>n üblich. Sie hat<br />
sich auch <strong>in</strong> Deutschland über Jahrzehnte<br />
bewährt. Die Gewerbesteuer kann direkt<br />
an <strong>der</strong> Betriebsteuer anknüpfen, die Bemessungsgrundlage<br />
wird damit erweitert. Die<br />
Gewerbesteuer ist (bisher) nicht e<strong>in</strong>e<br />
Zusatzsteuer auf den Gew<strong>in</strong>n, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e<br />
Objektsteuer (auf Gewerbeertrag/erweiterter<br />
Gew<strong>in</strong>n und Gewerbekapital bezogen)<br />
und hat nur so verfassungsmäûigen<br />
Bestand. Die Gewerbekapitalsteuer ± die<br />
ke<strong>in</strong>e ¹Substanzsteuerª ist und e<strong>in</strong>e stabilisierende<br />
Wirkung auf das Aufkommen hat<br />
± sollte erhalten bleiben. E<strong>in</strong>e zustimmungsfähige<br />
Alternative wäre die Fortentwicklung<br />
<strong>der</strong> Gewerbesteuer zu e<strong>in</strong>er wertschöpfungsbasierten<br />
Objektsteuer. Dann<br />
würde die Gewerbekapitalsteuer zwar entfallen,<br />
dem betrieblichen Gew<strong>in</strong>n aber die<br />
weiteren Wertschöpfungsteile zugerechnet:<br />
Z<strong>in</strong>sen, Mieten, Pachten, Löhne.<br />
Tarifgestaltung<br />
(20) In <strong>der</strong> sozialdemokratischen Diskussion<br />
besteht Konsens über die Notwendigkeit,<br />
den E<strong>in</strong>gangssteuersatz zu senken und<br />
den Grundfreibetrag anzuheben ± auch um<br />
die Massenkaufkraft zu stärken. Auf e<strong>in</strong>es<br />
muû aber h<strong>in</strong>gewiesen werden: Bei e<strong>in</strong>em<br />
progressiven Tarif führt die Senkung des<br />
E<strong>in</strong>gangssteuersatzes ebenso wie die Erhö-
hung des Grundfreibetrags nicht nur zu<br />
e<strong>in</strong>er Vergünstigung bei den unteren o<strong>der</strong><br />
mittleren E<strong>in</strong>kommen, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> gleicher<br />
Höhe zu e<strong>in</strong>er verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Steuerlast für<br />
alle E<strong>in</strong>kommensschichten. Alle<strong>in</strong> schon<br />
deswegen ist e<strong>in</strong>e Gegenf<strong>in</strong>anzierung bei<br />
den hohen E<strong>in</strong>kommen erfor<strong>der</strong>lich, sonst<br />
wäre e<strong>in</strong>e Reform nicht gerecht.<br />
(21) Es blieb <strong>der</strong> Bundesregierung vorbehalten,<br />
<strong>in</strong> den 80er Jahren zur Beseitigung<br />
des sog. Mittelstandsbauchs den l<strong>in</strong>earen<br />
Tarif e<strong>in</strong>geführt zu haben. Seit dieser überfälligen<br />
Reform ist dieser Tarifverlauf<br />
unumstritten. Die sozialdemokratischen<br />
Grundüberlegungen ± Entlastungen im<br />
unteren und mittleren Bereich zu plazieren,<br />
bei <strong>der</strong> Arbeitnehmerbesteuerung auch die<br />
hohe Sozialabgabenbelastung zu berücksichtigen<br />
± legen aber nahe, die Tarifdiskussion<br />
fortzuentwickeln.<br />
(22) E<strong>in</strong> progressiver Tarif hat auch dann<br />
¹folgerichtige Übergängeª (Bundesverfassungsgericht),<br />
wenn er e<strong>in</strong>e mäûig ¹l<strong>in</strong>ksgekrümmte<br />
Kurveª aufweist (gegenüber <strong>der</strong><br />
l<strong>in</strong>earen Tarifl<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong> leicht durchhängen<strong>der</strong><br />
Bogenverlauf). Bei diesem Tarif nimmt<br />
die Progression bis zur Mitte des Bogens<br />
nur sehr mäûig ± und weniger als beim<br />
l<strong>in</strong>earen Tarif ± zu, während sie dann etwas<br />
schärfer ansteigt. Setzt man die Mitte des<br />
Bogens etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> Sozialversicherungspflichtgrenze<br />
an, ergibt sich bis<br />
zur Höhe dieser E<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong> verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ter<br />
Anstieg <strong>der</strong> Steuerbelastung, was<br />
se<strong>in</strong>e Rechtfertigung auch dadurch hat, daû<br />
bis dah<strong>in</strong> mit steigendem E<strong>in</strong>kommen auch<br />
die Sozialversicherungsbeiträge wachsen.<br />
Ab dieser Grenze nehmen die Sozialabzüge<br />
nicht mehr zu, dafür würde e<strong>in</strong>e etwas stärkere<br />
Progression wirksam.<br />
(23) Folgerichtig ist es dann, die E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />
für den Spitzensteuersatz zu<br />
erhöhen und als Ausgleich dafür ± aber<br />
auch wegen schon angesprochener ökonomischer<br />
Probleme und Gesichtspunkten<br />
<strong>der</strong> Gerechtigkeit ± den Spitzensteuersatz ±<br />
<strong>der</strong> dann nur die hohen Private<strong>in</strong>künfte<br />
betrifft ± selbst anzuheben (z. B. auf die<br />
früheren 56 v. H.; die E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />
für den Spitzensteuersatz ist seit den 60er<br />
Jahren etwa unverän<strong>der</strong>t und entspricht<br />
nicht mehr dem heutigen Verständnis<br />
¹hoherª E<strong>in</strong>kommen).<br />
(24) Die For<strong>der</strong>ung hoher o<strong>der</strong> höherer<br />
Spitzensteuersätze begegnet dem E<strong>in</strong>wand,<br />
das sei <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />
abträglich und Millionäre würden<br />
sich sowieso <strong>der</strong> Besteuerung entziehen<br />
o<strong>der</strong> zahlten schon jetzt gar ke<strong>in</strong>e Steuern.<br />
Erstens ist mit <strong>der</strong> Betriebsteuerkonzeption<br />
<strong>der</strong> unternehmerische Bereich ausgeklammert,<br />
so daû höhere Spitzensteuersätze nur<br />
die Private<strong>in</strong>kommen treffen. Zweitens ist<br />
darauf zu verweisen, daû das E<strong>in</strong>kommensteueraufkommen<br />
(Lohn- und E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />
zusammen, die Lohnsteuer ist<br />
nur e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Erhebungsform <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>kommensteuer) fast zur Hälfte vom<br />
oberen E<strong>in</strong>kommenszehntel aufgebracht<br />
wird, was auf die enorme tatsächliche Steuerzahlungskraft<br />
dieser E<strong>in</strong>kommensschicht<br />
verweist. Deren Steuerzahlung ist aber<br />
nicht die Folge e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>dividuell hohen o<strong>der</strong><br />
zu hohen Belastung, son<strong>der</strong>n das Ergebnis<br />
<strong>der</strong> exorbitanten E<strong>in</strong>kommenskonzentration<br />
<strong>in</strong> diesem Bereich. Drittens ist richtig,<br />
daû es e<strong>in</strong>e Vielzahl von Schlupflöchern <strong>der</strong><br />
Steuerumgehung gibt. Diese sollen ja aber<br />
gerade durch e<strong>in</strong>e Steuerreform weitgehend<br />
beseitigt werden (u. a. Son<strong>der</strong>abschreibungen<br />
neue Bundeslän<strong>der</strong> usw.). Es kann nicht<br />
angehen, daû <strong>der</strong> Gesetzgeber erst Spitzensteuersätze<br />
festlegt, dann Umgehungen aufbaut,<br />
die die Belastung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl<br />
von E<strong>in</strong>zelfällen reduziert und dann <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Folge die Spitzenbesteuerung mit <strong>der</strong><br />
Begründung absenkt, die tatsächliche Belastung<br />
komme eh nicht an das Tarifmaû<br />
heran. Die Schlupflöcher s<strong>in</strong>d umgekehrt<br />
gerade deswegen zu beseitigen, damit das<br />
Tarifmaû wie<strong>der</strong> greift. Viertens gibt es<br />
abgesehen davon den Normalfall, wo e<strong>in</strong><br />
Vermögensmillionär ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kommenssteuer<br />
bezahlt, nämlich dann, wenn das<br />
Unternehmen zeitweise Verluste e<strong>in</strong>fährt.<br />
Dieser Fall eignet sich allerd<strong>in</strong>gs nicht für<br />
polemische E<strong>in</strong>wände.<br />
Steuersplitt<strong>in</strong>g bei Ehegatten<br />
(25) Die Belastungsdiskussion im Normalverdienerbereich<br />
(o<strong>der</strong> auch sonst) ist<br />
203
davon verunklart, daû nicht genügend zwischen<br />
Grundtabelle und Splitt<strong>in</strong>gtabelle<br />
unterschieden wird. E<strong>in</strong> Beispiel: Bei e<strong>in</strong>em<br />
jährlichen Bruttolohn von 51710 DM<br />
beträgt die Abgabenbelastung 1996 (BT-<br />
Drucksache 13/5932; ähnlich für 1997)<br />
± <strong>in</strong> Steuerklasse I (Grundtabelle): Steuer<br />
20,15 vH, Sozialabgaben 20,23 vH,<br />
zusammen 40,38 vH;<br />
± <strong>in</strong> Steuerklasse III/0 (Splitt<strong>in</strong>gtabelle):<br />
Steuer 8,69 vH, Sozialabgaben 20,23 vH,<br />
zusammen 28,92 vH;<br />
± <strong>in</strong> Steuerklasse III/2 (Splitt<strong>in</strong>gtabelle, 2<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>, K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld belastungsm<strong>in</strong><strong>der</strong>nd):<br />
Steuer 1,2 vH, Sozialabgaben 20,23 vH,<br />
zusammen 19.05 vH.<br />
Man wird schwerlich sagen können, daû im<br />
zweiten und dritten Beispielsfall die Steuerbelastung<br />
zu hoch ist, im ersten Fall trifft<br />
diese E<strong>in</strong>schätzung aber zu.<br />
(26) Richtigerweise ist <strong>der</strong> ¹Splitt<strong>in</strong>gvorteilª<br />
im Spitzenverdienerbereich <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> mehrmals thematisiert worden. Die<br />
bisher vorgeschlagene ¹Begrenzungª ist<br />
aber problematisch, viel zu kompliziert und<br />
letztlich halbherzig. Die Splitt<strong>in</strong>gtabelle ist<br />
die notwendige Folge <strong>der</strong> steuerlichen<br />
Zusammenveranlagung <strong>der</strong> Ehegatten, das<br />
e<strong>in</strong>e ist nicht ohne das an<strong>der</strong>e zu haben.<br />
Bei Familien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n kann die Splitt<strong>in</strong>gentlastung<br />
noch als K<strong>in</strong><strong>der</strong>komponente<br />
umdef<strong>in</strong>iert werden (wenn gleich mit ungerechter<br />
Verteilungswirkung); bei k<strong>in</strong><strong>der</strong>losen<br />
Ehepartnern ist das steuerliche Ergebnis<br />
ebenso problematisch wie die<br />
notwendigerweise umgekehrt hohe Belastung<br />
<strong>der</strong> alle<strong>in</strong>stehenden E<strong>in</strong>kommenbzw.<br />
Lohnsteuerzahler. Auûerdem ist für<br />
die nichtehelichen Lebensgeme<strong>in</strong>schaften<br />
ke<strong>in</strong>e den Ehegatten vergleichbare Lösung<br />
<strong>in</strong> Sicht. In e<strong>in</strong>er Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die<br />
Ehe e<strong>in</strong>e Lebensform unter vielen ist, sollte<br />
deshalb zur E<strong>in</strong>zelveranlagung <strong>der</strong> Steuerpflichtigen<br />
übergangen werden, wie sie<br />
auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n<br />
üblich und selbstverständlich ist.<br />
Damit entfällt das Splitt<strong>in</strong>gverfahren. Ehegatten<br />
werden dadurch gegenüber an<strong>der</strong>en<br />
nicht benachteiligt, weil ihre geme<strong>in</strong>same<br />
204<br />
Steuerlast nicht höher ist, als wenn sie<br />
unverheiratet wären.<br />
(27) Das Entlastungsvolumen aus dem<br />
Splitt<strong>in</strong>gtarif ist e<strong>in</strong>erseits zu e<strong>in</strong>er Tarifm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Grundtabelle zu nutzen<br />
und an<strong>der</strong>erseits als Stärkung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>komponente<br />
(K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld) zu verwenden.<br />
Die Unterhaltsverpflichtung des alle<strong>in</strong>verdienenden<br />
Ehepartners gegenüber dem<br />
e<strong>in</strong>kommenslosen an<strong>der</strong>en Ehepartner<br />
kann ggf. <strong>in</strong> Anlehnung an das Realsplitt<strong>in</strong>g<br />
bei unterhaltspflichtigen vormaligen<br />
Ehegatten Berücksichtigung f<strong>in</strong>den.<br />
Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />
(28) Grundsätzlich gilt im Steuerrecht<br />
richtigerweise das Nom<strong>in</strong>alpr<strong>in</strong>zip, d.h. e<strong>in</strong><br />
Inflationsausgleich f<strong>in</strong>det nicht statt. Das<br />
soll auch weiter so bleiben. Ungeachtet<br />
dessen betrachtet <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- o<strong>der</strong> Normalsparer<br />
se<strong>in</strong>e Guthabenz<strong>in</strong>sen als Ausgleich<br />
± wenn auch ger<strong>in</strong>ger ± <strong>in</strong>flationärer Geldentwertung.<br />
Dieser Sichtweise sollte politisch<br />
durch e<strong>in</strong>en allerd<strong>in</strong>gs nicht zu hoch<br />
bemessenen Betrag e<strong>in</strong>er Sparerfreigrenze<br />
Rechnung getragen werden. Die Freigrenze<br />
hat gegenüber dem bisherigen Sparerfreibetrag<br />
den Vorteil, daû sie nur den Normalsparer<br />
begünstigt; für hohe Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künfte<br />
ist e<strong>in</strong> ¹Sparerfreibetragª e<strong>in</strong><br />
Und<strong>in</strong>g. Freigrenzen s<strong>in</strong>d im Steuersystem<br />
durchaus üblich, im älteren Steuerrecht,<br />
das sich oft mehr am ¹Normalverdienerª<br />
orientierte, auch häufiger.<br />
(29) Die E<strong>in</strong>kommensteuer soll ± wie ausgeführt<br />
± die Private<strong>in</strong>künfte erfassen: Entnahmen,<br />
Ausschüttungen, Arbeitse<strong>in</strong>kommen,<br />
Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte, Renten<br />
(mit e<strong>in</strong>em bei etwa 30 vH typisierten<br />
Ertragsanteil) usw. Es gibt ke<strong>in</strong>en vernünftigen<br />
Grund, gerade Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />
durch unzulängliche Erfassung o<strong>der</strong><br />
durch e<strong>in</strong>e abgeltende Z<strong>in</strong>sabschlagsteuer<br />
gegenüber an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>künften besserzustellen.<br />
Wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n üblich,<br />
sollte die Erfassung durch Kontrollmitteilungen<br />
<strong>der</strong> Banken bzw. F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>stitute<br />
lückenlos gewährleistet werden. E<strong>in</strong>e steuerliche<br />
Besserstellung verbietet sich vor
allem aus ökonomischen und fiskalischen<br />
Gründen:<br />
± Die Verschuldung <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Hände führt zu e<strong>in</strong>em spiegelbildlichen<br />
Anstieg des Wertpapiervolumens bei den<br />
Privaten, konzentriert bei den vermögenden<br />
Haushalten. Durch die Z<strong>in</strong>szahlungen<br />
des Staates werden <strong>in</strong> erheblichem<br />
Ausmaû Steuergel<strong>der</strong> auf die Inhaber <strong>der</strong><br />
Staatsanleihen umgeschrieben, was die<br />
E<strong>in</strong>kommens- und Vermögenskonzentration<br />
weiter beför<strong>der</strong>t. Die lückenlose<br />
Z<strong>in</strong>sbesteuerung muû den Rücklauf e<strong>in</strong>es<br />
Teils dieser Z<strong>in</strong>szahlungen aus fiskalischen<br />
und auch Gründen <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />
gewährleisten. Alles an<strong>der</strong>e ist e<strong>in</strong>e<br />
dilettantische Fiskalpolitik und e<strong>in</strong>e nur<br />
schlecht kaschierte Interessenpolitik für<br />
die Vermögensbesitzer.<br />
± Der boomartige ausgewachsene Vermögenssektor<br />
und die davon ausgehenden ±<br />
bisher noch unterschätzten ± Instabilitäten<br />
(Spekulationswellen, Kapitalflucht,<br />
organisiertes Verbrechen) machen staatliche<br />
Regulierungen ± <strong>in</strong>ternational, europäisch,<br />
national ± unumgänglich. E<strong>in</strong>e<br />
gegenüber jetzt erhöhte Besteuerung<br />
hoher Z<strong>in</strong>s- und Vermögense<strong>in</strong>kommen<br />
ist e<strong>in</strong> unerläûlicher Bestandteil e<strong>in</strong>er<br />
solchen Re-Regulierung. Kapitalanlagen<br />
unterliegen grundsätzlich e<strong>in</strong>em Renditenvergleich<br />
nach Steuern. Bei sowieso<br />
schon hohen Renditemöglichkeiten bei<br />
den Geldanlagen im Vergleich zur <strong>in</strong>vestiven<br />
Anlage von Kapital führt die<br />
unzureichende Besteuerung <strong>der</strong> Vermögense<strong>in</strong>kommen<br />
zu e<strong>in</strong>er forcierten<br />
Umschichtung h<strong>in</strong> zur re<strong>in</strong>en Geldanlage<br />
(bzw. auch zu sharehol<strong>der</strong>-value-<br />
Strategien) die Steuerpolitik ist hier<br />
zunächst e<strong>in</strong> Mittel um gegenzusteuern.<br />
(30) Dieser Ansatz sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> von<br />
Anfang an auch als Richtschnur für m<strong>in</strong>destens<br />
die europäische politische Diskussion<br />
dienen. Auch <strong>in</strong> den Nachbarlän<strong>der</strong>n ist<br />
<strong>der</strong> Konflikt zwischen e<strong>in</strong>er Politik für Vermögensbesitzer<br />
e<strong>in</strong>erseits und e<strong>in</strong>er<br />
beschäftigungsorientierten Politik für Investoren<br />
und Arbeitsplätze offenkundig. Die<br />
Anpassung an die neoliberale Globalisierungs-Interpretation<br />
ist für alle europä-<br />
ischen Sozialdemokratien e<strong>in</strong> Holzweg.<br />
Selbst die französischen Konservativen<br />
wi<strong>der</strong>setzen sich zunehmend dem von<br />
Groûbritannien und <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
ausgehenden Deregulierungsoffensiven.<br />
(31) E<strong>in</strong>e europaweite e<strong>in</strong>heitliche Abgeltungssteuer<br />
auf Z<strong>in</strong>s- und Kapitale<strong>in</strong>künfte<br />
(bei e<strong>in</strong>em Steuersatz von etwa 20 vH, was<br />
bisher schon M<strong>in</strong>deststandard ist) ist e<strong>in</strong><br />
Weg <strong>in</strong> die falsche Richtung, weil die<br />
ger<strong>in</strong>ge Steuerhöhe die Geldanlage gegenüber<br />
<strong>der</strong> <strong>in</strong>vestiven Anlage privilegiert und<br />
bisherige Fehlentwicklung festschreibt. Die<br />
zuweilen anzutreffende Vorstellung,<br />
dadurch werde endlich die Steuerflucht<br />
bekämpft, ist kle<strong>in</strong>mütig und naiv: wer<br />
(fast) ke<strong>in</strong>e Steuern mehr bezahlen muû,<br />
braucht freilich nicht zu ¹flüchten.ª<br />
Vermögen, Lastenausgleich<br />
(32) Die schlampige, dilettantische und<br />
lückenhafte Besteuerung <strong>der</strong> Vermögensbesitzer<br />
(man denke nur an die jahrzehntelange<br />
drastische Unterbewertung <strong>der</strong><br />
Immobilienvermögen) f<strong>in</strong>det ihre Zuspitzung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> politisch herbeigeführten ± das<br />
Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur<br />
zum Anlaû nehmende ± Abschaffung <strong>der</strong><br />
Vermögensteuer. Diesen Raubzug <strong>der</strong> Reichen<br />
auf Kosten <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit muû<br />
die <strong>SPD</strong> stoppen. Entgegen aller Propaganda<br />
kennen die meisten Industrielän<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>e eigenständige Vermögensbesteuerung,<br />
da das Vorhandense<strong>in</strong> von Vermögen e<strong>in</strong>e<br />
beson<strong>der</strong>s f<strong>in</strong>anzielle Leistungsfähigkeit<br />
begründet; ab e<strong>in</strong>er gewissen Vermögenshöhe<br />
e<strong>in</strong>e ¹leistungsloseª Selbstalimentierung<br />
und Vermögensmehrung vorprogrammiert.<br />
Gegen alle Verdrehungen ist <strong>in</strong><br />
Übere<strong>in</strong>stimmung mit Steuerrechtslehre<br />
und Rechtsprechung festzustellen, daû die<br />
Vermögenssteuer ke<strong>in</strong>e Substanzsteuer ist,<br />
son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>s basierte zusätzliche<br />
E<strong>in</strong>kommensbesteuerung für Vermögende,<br />
die Steuer ist mittelfristig immer aus Vermögenserträgen<br />
und nie aus <strong>der</strong> Vermögenssubstanz<br />
f<strong>in</strong>anzierbar. Dies wird auch<br />
durch die Praxis <strong>der</strong> Vermögensteuererhebung<br />
belegt: die Vermögensteuer wird bei<br />
den F<strong>in</strong>anzämtern ¹geräuschlosª bezahlt,<br />
205
Rückstände o<strong>der</strong> gar Vollstreckungsfälle<br />
gibt es kaum!<br />
(33) Die <strong>SPD</strong> muû deshalb für e<strong>in</strong> klares<br />
Ja zur Fortführung bzw. Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong> Vermögensteuer e<strong>in</strong>treten. Im Fall<br />
e<strong>in</strong>er verobjektivierten Unternehmensbesteuerung<br />
(s.o.) kann die Vermögensbesteuerung<br />
auf das private Vermögen konzentriert<br />
werden. Den Vorgaben des<br />
BVerfG für e<strong>in</strong>e höhere Bewertung <strong>der</strong><br />
Immobilien ist Rechnung zu tragen. Freizustellen<br />
ist im wesentlichen nur <strong>der</strong> Wert<br />
e<strong>in</strong>es ¹normalen Gebrauchsvermögensª im<br />
Wert etwa 500 Tsd. Mark. Angesichts von<br />
sozialer Schieflage und dr<strong>in</strong>gend notwendigen<br />
öffentlichen Investitionen muû sich die<br />
<strong>SPD</strong> gerade hier zu e<strong>in</strong>em deutlichen<br />
Schritt nach vorne bekennen und die möglichen<br />
Spielräume nutzen und erkämpfen:<br />
So hat das DIW errechnet, daû bei Freistellung<br />
des üblichen Gebrauchsvermögens<br />
und e<strong>in</strong>em Steuersatz von e<strong>in</strong>em Prozent<br />
auf e<strong>in</strong> Aufkommen <strong>der</strong> Vermögensteuer<br />
von 37 Mrd. Mark zu erzielen ist (bisheriges<br />
Aufkommen 8 Mrd.). Wegen unverme<strong>in</strong>dlicher<br />
Bewertungsabschläge und<br />
zusätzlicher persönlicher ± ger<strong>in</strong>ger ± Freibeträge<br />
(K<strong>in</strong><strong>der</strong>) verbleibt bei <strong>der</strong> Vermögensteuer<br />
noch immer e<strong>in</strong>e Differenz zwischen<br />
tatsächlichem und steuerpflichtigem<br />
Vermögen. Auch wenn das Betriebsvermögen<br />
auûer Ansatz bleiben soll, ist kurzfristig<br />
e<strong>in</strong>e Verdopplung des bisherigen Vermögensteueraufkommens<br />
möglich und<br />
auch geboten.<br />
(34) Diese Grundsätze gelten <strong>in</strong> gleicher<br />
Weise für die Erbschaftssteuer.<br />
(35) E<strong>in</strong>e klare und konsequente Vermögensbesteuerung<br />
± wie hier gefor<strong>der</strong>t ± ist<br />
auch vom Grundgedanken e<strong>in</strong>es sozialen<br />
und f<strong>in</strong>anziellen Lastenausgleichs legitimiert.<br />
Die <strong>SPD</strong> kann und darf dem Konflikt<br />
nicht ausweichen, son<strong>der</strong>n muû es<br />
offen ansprechen: die Radikalität des bevorstehenden<br />
gesellschaftlichen Umbruchs, die<br />
dramatische Gefahr des ökonomischen<br />
Abrutschens erfor<strong>der</strong>t auch e<strong>in</strong>e gewisse<br />
Radikalität des politischen E<strong>in</strong>griffs. E<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>prozentige Vermögenssteuer auf höhere<br />
private Vermögen ist alles an<strong>der</strong>e als e<strong>in</strong><br />
206<br />
revolutionäres Unterfangen, denn dieser<br />
Steuersatz war über Jahrzehnte nichts als<br />
e<strong>in</strong>e platte Normalität. Das Verfassungsgericht<br />
hat ausdrücklich erklärt, daû e<strong>in</strong>e<br />
befristete erhöhte ± auch deutlich erhöhte<br />
± Vermögensbesteuerung zulässig ist, wenn<br />
sie <strong>der</strong> Gesetzgeber an e<strong>in</strong>en bestimmten<br />
Zweck b<strong>in</strong>det und aus e<strong>in</strong>er aktuellen Son<strong>der</strong>situation<br />
heraus verfügt (z. B. wie früherer<br />
Lastenausgleich). Die <strong>SPD</strong> sollte sich<br />
deshalb zu e<strong>in</strong>er befristeten Son<strong>der</strong>abgabe<br />
auf groûe Vermögen bekennen. Diese<br />
Abgabe setzt am s<strong>in</strong>nvollsten an <strong>der</strong> Vermögensteuer<br />
an.<br />
H<strong>in</strong>terziehung, Steuerflucht, Kapitalverkehr<br />
(36) Steuerh<strong>in</strong>terziehung wie Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität<br />
müssen entschieden bekämpft<br />
werden. Die <strong>SPD</strong> muû hier erkennbare<br />
Signale setzen, die <strong>SPD</strong>-regierten Län<strong>der</strong><br />
sollten beispielgebend wirken. Notwendig<br />
ist vor allem, die präventive Wirkung <strong>der</strong><br />
Steuerbehörden zu stärken. Das Bundesamt<br />
für F<strong>in</strong>anzen, die Son<strong>der</strong>stellen für Auslandsbeziehungen<br />
(sog. Auslandsprüfer)<br />
und die Fahndungs- und Betriebsprüfungsstellen<br />
bei den F<strong>in</strong>anzämtern s<strong>in</strong>d personell<br />
besser auszustatten. Das Bankgeheimnis ist<br />
zu lockern: Kapitale<strong>in</strong>künfte und ggf.<br />
transnationaler Kapitalverkehr s<strong>in</strong>d durch<br />
das recht auf Auskunftsersuchen <strong>der</strong> Steuerbehörden,<br />
Kontrollmitteilungen bzw.<br />
Mitwirkungspflichten <strong>der</strong> Banken effektiver<br />
zu erfassen.<br />
(37) Traditionell hat Steuerh<strong>in</strong>terziehung<br />
und Steuerflucht oft e<strong>in</strong>en grenzüberschreitenden<br />
Charakter. Die Möglichkeiten, sich<br />
nationaler Besteuerung zu entziehen, s<strong>in</strong>d<br />
aber mit <strong>der</strong> Deregulierung des europäischen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Kapitalverkehrs<br />
enorm gewachsen. Die Nationalstaaten<br />
haben sich bei eigener politischer Regulierung<br />
begeben, ohne gleichzeitig auf den<br />
supranationalen Ebenen dementsprechende<br />
Regulationen vorzusehen. E<strong>in</strong>e konsequente<br />
Inlandsbesteuerung muû umsomehr<br />
Fluchtreaktionen e<strong>in</strong>kalkulieren und gegensteuern.<br />
Steuerharmonisierung (hier v. a.<br />
Verbrauchsteuern, Unternehmensteuern)<br />
ist e<strong>in</strong>e Antwort. Mit Blick auf die Steuer-
fluchtproblematik s<strong>in</strong>d aber weitere Maûnahmen<br />
dr<strong>in</strong>glich.<br />
(38) Steueroasen, Niedrigsteuerlän<strong>der</strong> o<strong>der</strong><br />
¹anlegerfreundlicheª Staaten verursachen<br />
e<strong>in</strong> drastisches Steuergefälle alle<strong>in</strong> im europäischen<br />
Bereich: Gibraltar, Kanal<strong>in</strong>seln,<br />
Nie<strong>der</strong>ländische Antillen, Luxemburg,<br />
Schweiz, Liechtenste<strong>in</strong> und weitere Kle<strong>in</strong>staaten<br />
bis zum Vatikan. Bei offenen Kapitalmärkten<br />
kann e<strong>in</strong> ungeregeltes Nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
von kle<strong>in</strong>en Anlegerstaaten und<br />
groûen Produktionsstaaten nicht gut<br />
gehen. Die Beseitigung dieses europäischen<br />
Anachronismus ist überfällig. Am dr<strong>in</strong>gendsten<br />
ist, <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> EU<br />
auf Regelungen zu drängen, die den Mitgliedstaaten<br />
die effektiven Steuererhebung<br />
nicht erschweren, son<strong>der</strong>n erleichtern.<br />
(39) Abgesehen davon ist die Errichtung<br />
e<strong>in</strong>es Europäischen Amtes für F<strong>in</strong>anzen<br />
anzustreben. Diese europäische Steuerbehörde<br />
hat dann die Aufgabe, die Mitgliedsstaaten<br />
bei <strong>der</strong> Verfolgung grenzüberschreiten<strong>der</strong><br />
Steuerh<strong>in</strong>terziehung zu<br />
unterstützen (vgl. Interpol) und zur Vorbereitung<br />
politischer Entscheidungen Unzulänglichkeiten<br />
und Schlupflöcher auf dem<br />
Gebiet des Auûensteuerrechts und <strong>der</strong><br />
<strong>in</strong>ternationalen Steuerkrim<strong>in</strong>alität aufzudecken.<br />
(40) Die auûensteuerliche Konzeption <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik ist unter diesen Gesichtspunkten<br />
zu überarbeiten. E<strong>in</strong> wesentliches<br />
Motiv vieler gelten<strong>der</strong> Regelungen war<br />
o<strong>der</strong> ist die För<strong>der</strong>ung von deutschen Auslandsdirekt<strong>in</strong>vestitionen.<br />
Heute muû e<strong>in</strong>e<br />
effektive Steuererhebung zur Stärkung<br />
<strong>in</strong>ländischer Investitionen im Vor<strong>der</strong>grund<br />
stehen. (Die Doppelbesteuerungsabkommen<br />
(DBA) sehen im Regelfall die Besteuerung<br />
gewerblicher Gew<strong>in</strong>ne im Firmensitzstaat,<br />
die Besteuerung <strong>der</strong> Z<strong>in</strong>se<strong>in</strong>künfte<br />
(u.ä.) durch den Wohnsitzstaat vor.) Die<br />
Verlagerung <strong>der</strong> Steuerbasis <strong>in</strong> Niedrigsteuergebiete<br />
ist zu unterb<strong>in</strong>den. Folgende<br />
Maûnahmen s<strong>in</strong>d erfor<strong>der</strong>lich:<br />
± Generell s<strong>in</strong>d die Möglichkeiten,<br />
Gew<strong>in</strong>ne über F<strong>in</strong>anzierungsgesellschaften<br />
<strong>in</strong> Niedrigsteuergebiete zu verlagern,<br />
e<strong>in</strong>zuschränken.<br />
± Bei Unternehmen, die nicht selbst eigenständige<br />
wirtschaftliche Bestätigung<br />
(Handel, Produktionsstätte usw.) entfalten<br />
± also Hold<strong>in</strong>gs o<strong>der</strong> Briefkastenfirmen<br />
± muû das ¹letzteª Besteuerungsrecht<br />
beim Sitzstaat des<br />
Gründungs<strong>in</strong>itiator, d. h. bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>ländischen<br />
Muttergesellschaft o<strong>der</strong> dem <strong>in</strong>ländischen<br />
Inhaber liegen.<br />
± Bei an<strong>der</strong>en ± sog. aktiven ± Unternehmen<br />
ist das ¹Schachtelprivilegª (Gew<strong>in</strong>nausschüttungen<br />
von Auslandstöchtern<br />
bleiben im Inland steuerfrei, wenn die<br />
<strong>in</strong>ländische Mutter m<strong>in</strong>destens zehn Prozent<br />
des Kapitals hält) auf Beteiligung<br />
e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>destumfangs von 25 vH e<strong>in</strong>zuschränken<br />
(entspricht dem <strong>in</strong>ternationalen<br />
Standard).<br />
± Die Verrechnungspraktiken <strong>in</strong>ländischer<br />
Unternehmen mit ausländischen verbundenen<br />
Unternehmen (für Lieferungen,<br />
Dienstleistungen, Lizenzen usw.) s<strong>in</strong>d<br />
von Fachprüfern <strong>der</strong> Steuerbehörden<br />
(sog. Auslandsprüfer) <strong>in</strong>tensiver zu kontrollieren.<br />
± Da bei Geldanlage im Ausland die<br />
Erträge (schon nach geltendem Recht)<br />
im Inland zu besteuern s<strong>in</strong>d, müssen die<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Steuerbehörden verbessert<br />
werden, diese auch aufzudecken<br />
(z.B. durch die Technik <strong>der</strong> Geldverkehrsrechnung).<br />
Neben <strong>der</strong> Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> Mitwirkung <strong>der</strong> Banken ist es<br />
hier v. a. erfor<strong>der</strong>lich, die Kontrollrechte<br />
von Betriebsprüfung und Steuerfahndung<br />
im privaten Vermögenssektor zu erweitern.<br />
(41) Die <strong>in</strong>ternationale Deregulierung <strong>der</strong><br />
Kapitalmärkte ± Freigabe <strong>der</strong> Wechselkurse,<br />
staatlich unkontrollierte F<strong>in</strong>anz- und<br />
Geldmärkte, Abschaffung z.B. <strong>der</strong> Börsenumsatzsteuer,<br />
<strong>in</strong>ternationale Verschuldungswellen<br />
± ist zu e<strong>in</strong>em die Steuer- und<br />
Kapitalflucht erstrangig för<strong>der</strong>lichen Nährboden<br />
geworden. In noch gröûeren<br />
Dimensionen ist die Devisenspekulation<br />
gewachsen ± zweitausend Milliarden Mark<br />
werden tagtäglich an den Devisenbörsen<br />
umgesetzt, Vergleichbares gilt für die Aktienmärkte.<br />
Die Spekulationsgew<strong>in</strong>ne wer-<br />
207
den weitgehend an den nationalen Steuerbehörden<br />
vorbei gemacht.<br />
(42) Diese Entwicklung darf nicht dazu<br />
verleiten, nach wie vor vorhandene nationale<br />
Spielräume (z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuer- o<strong>der</strong><br />
Geldpolitik) nicht zu nutzen. Doch werden<br />
diese Spielräume politischen Handelns<br />
zunehmend e<strong>in</strong>geengt. Die ¹Herrschaft des<br />
Kapitalverkehrsª droht den Primat <strong>der</strong><br />
Politik zu entmachten. Die Rückgew<strong>in</strong>nung<br />
des Politischen (sie liegt überall im<br />
Interesse <strong>der</strong> breiten Schichten) setzt ganz<br />
wesentlich die Re-Regulierung <strong>der</strong> Geldund<br />
F<strong>in</strong>anzmärkte voraus. Internationale<br />
Kooperation ± unter an<strong>der</strong>en Vorzeichen<br />
und Prioritäten als heute ± ist dazu dr<strong>in</strong>gend<br />
geboten. Sozialdemokratische Politik<br />
muû von Anfang an sich als <strong>in</strong>ternationalistische<br />
Konzeption begreifen und darf sich<br />
nicht auf den nationalen Handlungsrahmen<br />
e<strong>in</strong>engen lassen.<br />
(43) Die <strong>SPD</strong> sollte deshalb ± neben an<strong>der</strong>en<br />
Maûnahmen währungspolitischer Art<br />
(z.B. Hankel-Vorschlag e<strong>in</strong>es Weltwährungssystems)<br />
± für die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />
Devisenumsatzsteuer e<strong>in</strong>treten. Zwar bleibt<br />
jede Spekulation letztlich (o<strong>der</strong> langfristig)<br />
an die Realsphäre angebunden, doch steht<br />
sie bei globalisierten F<strong>in</strong>anzmärkten<br />
zunächst im Sog kurzfristiger Erwartungshaltungen.<br />
Das ¹Überschieûenª <strong>der</strong> Reaktionen<br />
(das durchaus auch Jahre anhalten<br />
kann) hat unstreitig schädliche Rückwirkungen<br />
auf die wirtschaftliche Realsphäre.<br />
Die Zahlungsbilanz wird nicht mehr von<br />
den Leistungsströmen, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong><br />
Kapitalbilanz dom<strong>in</strong>iert. Von Jahr zu Jahr<br />
wächst die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, daû durch<br />
die entfesselten Geldmärkte weltweit Krisenwellen<br />
ausgelöst werden, bzw. daû re<strong>in</strong>e<br />
Spekulationswellen realwirtschaftlich unbegründete<br />
Auf- und Abwertungen auslösen<br />
und die Nationalstaaten handlungsunfähig<br />
zusehen müssen. Politiker und Wissenschaftler<br />
vieler Industrielän<strong>der</strong> for<strong>der</strong>n ± <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> deutschen Diskussion kaum wahrgenommen<br />
± e<strong>in</strong>e neue Regulation <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzmärkte. Die Devisenumsatzsteuer<br />
(e<strong>in</strong> Prozent pro Umsatz) drängt vor allem<br />
die kurzfristige Spekulation zurück (je häufiger<br />
<strong>der</strong> Kapitalbetrag bewegt wird, um so<br />
208<br />
teurer wird es), die langfristigen Kapitalströme<br />
werden davon kaum bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />
Die Kapitalströme werden dadurch wie<strong>der</strong><br />
enger an die Leistungsströme gebunden,<br />
das Ausnutzen relativ kle<strong>in</strong>er Z<strong>in</strong>sdifferenzen<br />
wird unrentierlich, was auch die Autonomie<br />
nationaler Z<strong>in</strong>spolitik erhöht. Die<br />
Devisenumsatzsteuer ist für die Nationalstaaten<br />
e<strong>in</strong>e zusätzliche und ökonomisch<br />
unschädliche (im Gegenteil hilfreiche) E<strong>in</strong>nahmequelle<br />
<strong>in</strong> zig-Milliardenhöhe zur<br />
Stärkung <strong>der</strong> öffentlichen Haushalte. Vergleichbare<br />
Gründe sprechen für die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong> Börsenumsatzsteuer mit<br />
entsprechend glätten<strong>der</strong> Wirkung auf die<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Aktienmärkte.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 92<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Den Konjunkture<strong>in</strong>bruch<br />
auffangen ± mit antizyklischer<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik des Bundes<br />
gestalten<br />
Gegenwärtig erleben wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
nach e<strong>in</strong>em kurzen Aufschwung<br />
e<strong>in</strong>en konjunkturellen Rückschlag mit<br />
e<strong>in</strong>em weiteren Anstieg <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.<br />
Die schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rezession entstandene<br />
hohe Arbeitslosigkeit droht sich zu<br />
verfestigen und noch auszuweiten. Davon<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e ¾ltere, Frauen und<br />
Jugendliche betroffen. In dieser Situation<br />
muû e<strong>in</strong>e sozialdemokratische Wirtschaftsund<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik gegensteuern und Weichenstellungen<br />
<strong>in</strong> Richtung Wachstum vornehmen.<br />
Wenn sich die F<strong>in</strong>anzpolitik nur<br />
auf die Begrenzung des Defizits im öffentlichen<br />
Haushalt konzentriert, läût sie die<br />
konjunkturellen Erfor<strong>der</strong>nisse auûer acht.<br />
Konjunkture<strong>in</strong>brüche s<strong>in</strong>d die Folge <strong>der</strong><br />
mangelnden Bereitschaft <strong>der</strong> privaten<br />
Wirtschaft und <strong>der</strong> mangelnden Möglichkeit<br />
<strong>der</strong> privaten Haushalte zu <strong>in</strong>vestieren<br />
und zu konsumieren. Durch die Umvertei-
lung von unten nach oben hat die Bundesregierung<br />
die Arbeitnehmer belastet und<br />
die B<strong>in</strong>nennachfrage verr<strong>in</strong>gert. In <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik fehlt die B<strong>in</strong>nennachfrage,<br />
weshalb e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> defensive, ausschlieûlich<br />
auf kurzfristige Kürzungen und E<strong>in</strong>schnitte<br />
ausgerichtete Politik des Bundes Gift für<br />
Konjunktur und Arbeitsmarkt ist. E<strong>in</strong>e solche<br />
Politik würgt die ohneh<strong>in</strong> schwache<br />
Konjunktur endgültig ab und führt durch<br />
wachsende Steuerausfälle und Mehrbelastungen<br />
zu noch höherer Arbeitslosigkeit<br />
und noch höherer Staatsverschuldung.<br />
Der Schlüssel zur Lösung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen<br />
und sozialen Probleme liegt deshalb <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Stärkung von Wachstum und<br />
Beschäftigung: Nur mehr Wachstum und<br />
Beschäftigung helfen auch dem Berl<strong>in</strong>er<br />
Haushalt auf Dauer aus se<strong>in</strong>er Misere. Wer<br />
die sozialen Sicherungssysteme vor dem<br />
Kollaps retten und den Berl<strong>in</strong>er Haushalt<br />
wie<strong>der</strong> auf Kurs br<strong>in</strong>gen will, muû aus<br />
Arbeitslosen und Leistungsempfängern<br />
wie<strong>der</strong> Steuer-und Beitragszahler machen.<br />
Dazu ist e<strong>in</strong> Umsteuern auf Bundesebene<br />
notwendig. Die <strong>SPD</strong> unterstützt deshalb<br />
die Anstrengungen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> nach<br />
e<strong>in</strong>em gerechten F<strong>in</strong>anzausgleich zwischen<br />
Bund und Län<strong>der</strong>n und das Konzept <strong>der</strong><br />
sozialen Konsolidierung, das das Präsidium<br />
vorgelegt hat.<br />
E<strong>in</strong>e antizyklische Politik ist Aufgabe <strong>der</strong><br />
Bundespolitik, die durch e<strong>in</strong>e bessere Ausstattung<br />
<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und Geme<strong>in</strong>den auch<br />
für Berl<strong>in</strong> dafür den Rahmen schaffen muû.<br />
Die <strong>SPD</strong> ist sich deshalb mit den führenden<br />
deutschen Wirtschafts<strong>in</strong>stituten und dem<br />
Sachverständigenrat e<strong>in</strong>ig, daû sich die<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik des Bundes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen<br />
Phase nicht nur darauf ausrichten darf, die<br />
konjunkturbed<strong>in</strong>gten M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen,<br />
aber auch die strukturellen Steuerausfälle<br />
ohne Rücksicht auf die Investitionstätigkeit<br />
und das Konsumverhalten durch rigide<br />
Sparmaûnahmen auszugleichen. Sonst ist<br />
die Gefahr groû, daû <strong>der</strong> Staat mit e<strong>in</strong>er<br />
solchen prozyklischen Politik den<br />
Abschwung verstärkt und damit am Ende<br />
auch die Konsolidierung des Staatshaushalts<br />
nicht erreicht. Denn <strong>der</strong> konjunkturelle<br />
E<strong>in</strong>bruch führt dazu, daû die staatlichen<br />
E<strong>in</strong>nahmen langsamer, die staatlichen Ausgaben<br />
rascher steigen als erwartet und so<br />
<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzpolitische Handlungsspielraum<br />
des Staates weiter e<strong>in</strong>geengt wird.<br />
Alle führenden bundesdeutschen Wirtschaftswissenschaftler<br />
weisen <strong>in</strong> ihren jüngsten<br />
Analysen darauf h<strong>in</strong>, daû es gerade<br />
jetzt notwendig wäre, e<strong>in</strong>e konjunkturbed<strong>in</strong>gte<br />
Ausweitung des Defizits <strong>in</strong> den<br />
öffentlichen Haushalten h<strong>in</strong>zunehmen und<br />
die automatischen Stabilisatoren wirken zu<br />
lassen. Insbeson<strong>der</strong>e die Abschwächung <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Entwicklung <strong>in</strong> Ostdeutschland,<br />
von <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong> ganz beson<strong>der</strong>s<br />
betroffen ist, müûte ± jedenfalls für e<strong>in</strong>e<br />
Übergangszeit ± nochmals weiter vom<br />
Staat dadurch ausgeglichen werden, daû<br />
noch weit mehr Mittel als bisher für <strong>in</strong>vestive<br />
Zwecke e<strong>in</strong>gesetzt werden, deswegen<br />
ist die von <strong>der</strong> CDU beabsichtigte Reduzierung<br />
<strong>der</strong> Mittel für die neuen Bundeslän<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>schlieûlich Berl<strong>in</strong>s nicht zu verantworten.<br />
Sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik will<br />
gerade auch <strong>in</strong> schwierigen Zeiten nicht<br />
durch hektische Sparmaûnahmen Fehlbeträge<br />
verr<strong>in</strong>gern, son<strong>der</strong>n auch immer ökonomisch<br />
und sozial gestalten. Die <strong>SPD</strong> ist<br />
sich im Klaren darüber, daû die konjunkturelle<br />
Entwicklung eigentlich zusätzliche<br />
staatliche Investitionen erfor<strong>der</strong>t, um <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
den noch immer hohen <strong>in</strong>frastrukturellen<br />
Nachholbedarf im Ostteil <strong>der</strong><br />
Stadt zu beheben. Dem Investitionse<strong>in</strong>satz<br />
steht die äuûerst schwierige Haushaltsnotlage<br />
gegenüber.<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik im E<strong>in</strong>klang mit e<strong>in</strong>em<br />
Konzept zur Konjunkturstärkung<br />
In <strong>der</strong> Abwägung mit den fiskalischen Notwendigkeiten<br />
muû sich sozialdemokratische<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Konzept zur Stärkung<br />
<strong>der</strong> Wachstumskräfte e<strong>in</strong>fügen, das die<br />
Schwachpunkte unserer regionalen Wirtschaft<br />
<strong>in</strong> Industrie und <strong>in</strong>dustrienahem<br />
Dienstleistungsbereich angeht und dennoch<br />
im S<strong>in</strong>ne des Haushaltsstrukturgesetzes die<br />
öffentlichen F<strong>in</strong>anzen konsolidiert. Hierbei<br />
kann auch e<strong>in</strong>e vorübergehende Zunahme<br />
des Defizits <strong>in</strong> den öffentlichen Haushalten<br />
209
nicht ausgeschlossen werden, wenn an<strong>der</strong>s<br />
e<strong>in</strong> demokratiegefährdendes Ansteigen <strong>der</strong><br />
Arbeitslosenzahlen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
werden kann. Dazu <strong>der</strong> Sachverständigenrat<br />
wörtlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em neuesten<br />
Gutachten:<br />
¹Wer jetzt kurzfristig auf die Rückführung<br />
<strong>der</strong> Staatsquote durch tiefe E<strong>in</strong>schnitte <strong>in</strong><br />
das Sozialsystem setzt, korrigiert zwar die<br />
statistisch gemessene Staats-und Abgabenquote.<br />
Die Belastung die sich vor allem aus<br />
<strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>igung ergeben hat, läût<br />
sich damit jedoch nicht beseitigen. Die<br />
Lasten werden lediglich auf an<strong>der</strong>e Gruppen<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft verlagert. Die Gefahr<br />
ist groû, daû wegen e<strong>in</strong>er nicht ursachengerechten<br />
Therapie am sozialen System die<br />
Schäden am Ende gröûer s<strong>in</strong>d als <strong>der</strong> Nutzen.<br />
Es ist unbestritten, daû die hohen<br />
Belastungen auf Dauer abgebaut werden<br />
müssen. Der geeignete Zeitpunkt hängt<br />
aber <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von den Erfolgen des<br />
Aufholprozesses <strong>in</strong> Ostdeutschland ab.ª<br />
Deshalb wird sich die <strong>SPD</strong> nicht an dem<br />
aussichtslosen wie schädlichen Versuch<br />
beteiligen, die nächsten konjunkturell<br />
bed<strong>in</strong>gten Steuerausfälle durch weitere,<br />
sofort wirkende Sparmaûnahmen zu kompensieren.<br />
Sie wird statt dessen e<strong>in</strong> verläûliches<br />
Konsolidierungskonzept vorlegen, <strong>in</strong><br />
dem das strukturelle Defizit beseitigt und<br />
durch E<strong>in</strong>nahmeerhöhung und Ausgabenreduzierung<br />
Spielraum für mehr Beschäftigung<br />
geschaffen wird.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 93<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />
Frauen<br />
For<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e ¹Groûe<br />
Steuerreformª<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Führung<br />
auf, unverzüglich nach Übernahme<br />
<strong>der</strong> Regierungsverantwortung im Jahr 1998<br />
das Gesetzgebungsverfahren für e<strong>in</strong>e<br />
grundlegende Steuerreform e<strong>in</strong>zuleiten mit<br />
210<br />
dem Ziel des Aufbaus e<strong>in</strong>es gerechten, e<strong>in</strong>fachen<br />
und effizienten Steuersystems. Das<br />
bedeutet <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />
± Besteuerung nach <strong>der</strong> tatsächlichen Leistungsfähigkeit,<br />
± grundsätzlich gleiche steuerliche<br />
Behandlung aller Arten von E<strong>in</strong>kommen<br />
o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteilen,<br />
± konsequenten Abbau von Steuervergünstigungen,<br />
± E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>deststeuer,<br />
± Reform <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzverwaltung nach den<br />
Grundsätzen <strong>der</strong> Erhebungseffizienz,<br />
Konzentration <strong>der</strong> Lenkungswirkung auf<br />
wenige Bereiche (Ökosteuer!) und rigorose<br />
Bekämpfung von Steuerh<strong>in</strong>terziehung.<br />
Im e<strong>in</strong>zelnen müssen im Rahmen <strong>der</strong> Steuerreform<br />
folgende M<strong>in</strong>destfor<strong>der</strong>ungen<br />
realisiert werden.<br />
± Abschaffung des sogenannten ¹Ehegattensplitt<strong>in</strong>gª<br />
zugunsten von Individualbesteuerung.<br />
Bei ¹Alle<strong>in</strong>verdienerpaarenª<br />
ist ± unabhängig vom Trausche<strong>in</strong> (!) ±<br />
e<strong>in</strong> Alle<strong>in</strong>verdienergrundfreibetrag <strong>in</strong><br />
Höhe des doppelten Existenzm<strong>in</strong>imums<br />
zu berücksichtigen. Unterhaltszahlungen<br />
für nicht im Haushalt lebende unterhaltsberechtigte<br />
Personen s<strong>in</strong>d steuerm<strong>in</strong><strong>der</strong>nd<br />
zu berücksichtigen.<br />
Bei Abschaffung des Steuersplitt<strong>in</strong>g entfällt<br />
automatisch die frauendiskrim<strong>in</strong>ierende<br />
Steuerklassenkomb<strong>in</strong>ation 111/V. Doch<br />
auch wenn es nicht gel<strong>in</strong>gt, das Steuersplitt<strong>in</strong>g<br />
vollständig abzuschafffen, muû die<br />
Steuerklasse V sofort und ersatzlos gestrichen<br />
werden.<br />
± Anhebung des Grundfreibetrages für<br />
Erwachsene auf DM 18000 pro Person<br />
und Jahr (¹steuerfreies Existenzm<strong>in</strong>imumª);<br />
± endgültige Abschaffung des K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibetrages<br />
und E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>geldes <strong>in</strong> Höhe von DM 300<br />
pro K<strong>in</strong>d, unabhängig von <strong>der</strong> Ordnungszahl;<br />
± steuerliche Absetzbarkeit von K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungskosten<br />
als Son<strong>der</strong>ausgaben,
nicht nur bei alle<strong>in</strong>erziehenden Eltern,<br />
son<strong>der</strong>n generell bis zu e<strong>in</strong>er Obergrenze,<br />
ohne Anrechnung e<strong>in</strong>er ¹zumutbaren<br />
Belastungª.<br />
± Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Vermögenssteuer,<br />
die das vorhandene Vermögen nach gleichen<br />
Bewertungskriterien für alle Vermögensarten<br />
erfaût und persönlichen<br />
Gebrauchsvermögen steuerfrei beläût.<br />
± Besteuerung von Schenkungen und Erbschaften<br />
nach e<strong>in</strong>heitlichen Bewertungsmaûstäben<br />
und Steuersätzen, wobei auch<br />
hier e<strong>in</strong> Betrag <strong>in</strong> Höhe des durchschnittlichen<br />
Gebrauchsvermögens steuerfrei<br />
zu belassen ist.<br />
± E<strong>in</strong>führung von Umweltsteuern, die Ressourcenverbrauch<br />
und -verschwendung<br />
nach dem Verursacherpr<strong>in</strong>zip belasten.<br />
Erfaût werden müssen Verbrauch bzw.<br />
Belastung von Boden, Wasser und Luft.<br />
± EU-weite Harmonisierung <strong>der</strong> Besteuerung<br />
(<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Besteuerung von<br />
Kapitale<strong>in</strong>künften und Spekulationsgew<strong>in</strong>nen<br />
sowie die Unternehmensbesteuerung),<br />
die EU-weite E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />
M<strong>in</strong>deststeuer und e<strong>in</strong>e Angleichung <strong>der</strong><br />
Umweltsteuern.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 94<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Neuhausen-Oberwiesenfeld<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Eckdaten sozialdemokratischer<br />
F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
I.<br />
Die Kommunen dürfen nicht länger als<br />
Zahlmeister <strong>der</strong> geistig-moralischen Wende<br />
miûbraucht werden.<br />
Darum muû sozialdemokratische F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
zuerst die Kommunen berücksichtigen,<br />
müssen Bundes- und Län<strong>der</strong>haushalte<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die Politikansätze aus<br />
den Kommunen reagieren, müssen sozialdemokratische<br />
Bundes- und Landtagsabge-<br />
ordnete <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie Kommunalpolitiker,<br />
also vor Ort se<strong>in</strong>.<br />
II.<br />
F<strong>in</strong>anzverwaltungen müssen wesentlich<br />
mo<strong>der</strong>nisiert werden, Verwaltungsprozesse<br />
geeignet verkürzt werden, Subsidiarität<br />
gerade gegenüber dem mündigen Bürger<br />
geübt werden, mit <strong>der</strong> Maûgabe, den Menschen<br />
dadurch e<strong>in</strong>e direkte Teilhabe an<br />
Staatlichkeit, somit an Politik zu ermöglichen.<br />
Die muû e<strong>in</strong>e sozialdemokratische For<strong>der</strong>ung<br />
se<strong>in</strong>: Steuerbürger sollen sich selbst<br />
veranlagen können, selbst ihre Steuern<br />
bezahlen können. Gegenüber den F<strong>in</strong>anzbehörden<br />
haben sie e<strong>in</strong>e Nachweispflicht<br />
über ihre E<strong>in</strong>künfte. Diese haben nur noch<br />
den Auftrag <strong>der</strong> Plausibilitätsprüfung und<br />
sollen die Möglichkeit zur Steuerschätzung<br />
haben, wenn die Nachweispflicht nicht<br />
erfüllt wird.<br />
III.<br />
Mit <strong>der</strong> Erneuerung <strong>der</strong> alten sozialdemokratischen<br />
For<strong>der</strong>ung nach Aufdeckung <strong>der</strong><br />
privaten Vermögensverhältnisse <strong>in</strong><br />
Deutschland hat die <strong>SPD</strong> erneut die<br />
Chance, darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daû die Entwicklung<br />
von Privatvermögen <strong>in</strong> Deutschland<br />
ke<strong>in</strong>e Frage des Standortes ist.<br />
Die sozialdemokratische For<strong>der</strong>ung heiût<br />
deshalb: Abschaffung des § 30 AO (Abgabenordnung).<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
und Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 97<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Reichenhall<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Steuerkonzept<br />
Der Bundesparteitag möge beschlieûen, das<br />
<strong>SPD</strong>-Steuerkonzept vom 26. Mai 1997 im<br />
Vorfeld <strong>der</strong> 1998 anstehenden Wahlkämpfe<br />
dah<strong>in</strong>gehend zu än<strong>der</strong>n, daû die bisherige<br />
For<strong>der</strong>ung nach <strong>der</strong> (Wie<strong>der</strong>)E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>er privaten Vermögenssteuer, die ab<br />
e<strong>in</strong>em Vermögen von 1 Mio. DM i.H. von<br />
211
jährlich 1 % anfallen soll, durch den von<br />
Georg Kronawitter bekannt gemachten<br />
Vorschlag e<strong>in</strong>er Vermögensabgabe von<br />
1 % bei e<strong>in</strong>em Vermögen i. H. von<br />
2,5±10 Mio. DM<br />
2 % bei e<strong>in</strong>em Vermögen i. H. von<br />
10±100 Mio. DM<br />
3 % bei e<strong>in</strong>em Vermögen ab 100 Mio. DM<br />
ersetzt wird.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 98<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Ökologische Steuerreform<br />
1. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die ökologische Steuerreform<br />
zu e<strong>in</strong>em zentralen Punkt <strong>der</strong><br />
steuerpolitischen Aussagen des Regierungsprogrammes<br />
Fortschritt 2000 werden<br />
zu lassen.<br />
2. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die ökologische Steuerreform<br />
zu e<strong>in</strong>em vorrangigen Gegenstand<br />
steuerpolitische Verhandlungen<br />
mit <strong>der</strong> Bundesregierung zu erheben.<br />
3. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich unter dem Gesichtspunkt von<br />
Wahrheit und Klarheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerpolitik<br />
an folgenden Kriterien für den E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> die ökologische Steuerreform zu<br />
orientieren:<br />
± Ziel <strong>der</strong> Energiebesteuerung ist es, daû<br />
die Energiepreise perspektivisch die ökologische<br />
Wahrheit sprechen und damit<br />
e<strong>in</strong>en Anreiz zu ökologischem Verhalten<br />
schaffen. Dabei s<strong>in</strong>d soziale und arbeitsmarktpolitische<br />
Aspekte zu berücksichtigen.<br />
± Unternehmen brauchen Planungssicherheit.<br />
Die schrittweise E<strong>in</strong>führung ökologischer<br />
Anreize <strong>in</strong> das Steuersystem<br />
(Erhöhung <strong>der</strong> auf den Energieverbrauch<br />
zu erhebenden Steuern <strong>in</strong> mehreren Stufen)<br />
wird daher für e<strong>in</strong>en langfristigen<br />
212<br />
Zeitraum (10 bis 15 Jahre) politisch festgelegt.<br />
± Nur die Anwendung des Pr<strong>in</strong>zips Aufkommensneutralität<br />
kann politisch überzeugen.<br />
Denn: Energiesteuern sollen<br />
ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Steuere<strong>in</strong>nahmen<br />
durch die H<strong>in</strong>tertür sichern. Die Steuer<br />
soll vorwiegend zwei Zielen dienen:<br />
Ökologische Steuerung und Senkung <strong>der</strong><br />
Beiträge zur Sozialversicherung zur<br />
Schaffung neuer Arbeitsplätze.<br />
± Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Energiebesteuerung gilt<br />
für alle ob private Verbraucher/<strong>in</strong>nen<br />
o<strong>der</strong> gewerbliche Kunden, denn: Die<br />
ökologischen Folgen hohen Energieverbrauchs<br />
s<strong>in</strong>d unabhängig vom Urheber<br />
und die Belastung des Faktors Arbeit<br />
muû deutlich zurückgeführt werden.<br />
± Nicht warten, bis alle an<strong>der</strong>en Nationen<br />
auch mitmachen! Der nationale Alle<strong>in</strong>gang<br />
nach dem Vorbild <strong>der</strong> skand<strong>in</strong>avischen<br />
Län<strong>der</strong> bietet die Chance für<br />
e<strong>in</strong>en technologiepolitischen Impuls und<br />
für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen<br />
sowie für die Verbesserung <strong>der</strong><br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für <strong>in</strong>novative und<br />
ökologisch orientierte Unternehmen.<br />
Gleichzeitig s<strong>in</strong>d die Bemühungen auf<br />
europäischer Ebene zur E<strong>in</strong>führung ökologischer<br />
Steuerungs<strong>in</strong>strumente im<br />
Rahmen e<strong>in</strong>es zu harmonisierenden<br />
europäischen Steuersystems zu <strong>in</strong>tensivieren.<br />
± Die schrittweise Erhöhung <strong>der</strong> Energiebesteuerung<br />
führt zu e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>direkten<br />
Lenkung wirtschaftlichen Handelns<br />
durch Preise. Im Gegenzug zur E<strong>in</strong>führung<br />
dieses marktwirtschaftlichen Steuerungs<strong>in</strong>struments<br />
werden ökologisch<br />
begründete Ver- und Gebote überprüft<br />
und weitestmöglich aufgehoben (Stichwort:<br />
Deregulierung). Entscheidendes<br />
Kriterium ist dabei das Erreichen <strong>der</strong><br />
beabsichtigten ökologischen und arbeitsmarktpolitischen<br />
Wirkung.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)
Antrag I 99<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Dreieich<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Renten- und Steuerreform<br />
1. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion möge sich<br />
mit aller Entschiedenheit dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />
daû e<strong>in</strong>e Absenkung des allgeme<strong>in</strong>en<br />
Rentenniveaus nach Art Kohl-Waigel-Blüm<br />
auf jeden Fall unterbleibt, und<br />
daû sich auch die <strong>SPD</strong>-geführten Bundeslän<strong>der</strong><br />
hieran halten und sich nicht<br />
wie<strong>der</strong> durch ger<strong>in</strong>gfügige steuerliche<br />
Zugeständnisse auf an<strong>der</strong>em Gebiet<br />
¹überzeugenª lassen.<br />
2. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion möge sich<br />
± ggfls. durch e<strong>in</strong>en eigenen Entwurf ±<br />
unabhängig von e<strong>in</strong>er wie immer gearteten<br />
Rentenreform dafür e<strong>in</strong>setzen, daû<br />
alle gewährten Leistungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />
aus allgeme<strong>in</strong>- o<strong>der</strong><br />
sozialpolitischen Gründen (wie z.B. für<br />
Zeiten ohne Mitgliedschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen<br />
Rentenversicherung bei Zuwan<strong>der</strong>ern<br />
o<strong>der</strong> von Zeiten <strong>der</strong> DDR, <strong>der</strong><br />
Anrechnung von Kriegsdienst-o<strong>der</strong><br />
Wehrdienstzeiten, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeiten<br />
und <strong>der</strong>gl.) nicht aus Beitragszahlungen,<br />
son<strong>der</strong>n aus dem allgeme<strong>in</strong>en Bundeshaushalt<br />
f<strong>in</strong>anziert werden.<br />
3. Die <strong>SPD</strong>-Fraktion möge sich im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Steuerreform energisch dagegen<br />
zur Wehr setzen, daû erneut e<strong>in</strong>e<br />
Umverteilung von unten nach oben<br />
erfolgt. Der Spitzensteuersatz soll<br />
zunächst nicht gesenkt werden.<br />
Dagegen ist <strong>der</strong> Grundfreibetrag (das<br />
sogen. Existenzm<strong>in</strong>imum) massiv zu erhöhen,<br />
denn die Bundesregierung selbst hatte<br />
dem Bundesverfassungsgericht den Bedarf<br />
für das Jahr 1992 mit DM 13910,± vorgerechnet.<br />
Der Arbeitnehmer-Freibetrag ist nicht herabzusetzen;<br />
die meisten Arbeitnehmer liegen<br />
ohneh<strong>in</strong> bereits über den jetzigen<br />
DM 2000 im Jahr, so daû durch e<strong>in</strong>e Herabsetzung<br />
nur e<strong>in</strong> unnötiger umfangreicher<br />
Mehraufwand bei den F<strong>in</strong>anzämtern provo-<br />
ziert würde, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>nahmeträchtig bei mehr<br />
Betriebsprüfungen viel s<strong>in</strong>nvoller wäre.<br />
Die Halbierung des Z<strong>in</strong>sfreibetrages trifft<br />
nicht die Steuerbetrüger, die ihr Vermögen<br />
zum Teil mit Hilfe <strong>der</strong> Banken <strong>in</strong>s Ausland<br />
verbracht haben, son<strong>der</strong>n die breite Masse<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung. Wenn man neben <strong>der</strong><br />
gesetzlichen Rente für das Alter sparen<br />
soll, dann wi<strong>der</strong>spricht dem <strong>der</strong> Staat<br />
durch die Halbierung des Freibetrages.<br />
Von den ursprünglich groûspurigen<br />
Ankündigungen, alle Schlupflöcher zu<br />
schlieûen, mit denen E<strong>in</strong>kommensmillionäre<br />
bisher legal ihre Steuerschuld m<strong>in</strong>imieren<br />
konnten bis h<strong>in</strong> zur völligen Freistellung<br />
von e<strong>in</strong>er Steuerzahlung, hört man<br />
bis auf e<strong>in</strong>ige wenige M<strong>in</strong>i-Korrekturen<br />
überhaupt nichts mehr. Auf die Verwirklichung<br />
<strong>der</strong> Ankündigungen ist beson<strong>der</strong>es<br />
Augenmerk zu richten.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 102<br />
Bezirksverband Oberbayern<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Groûe Vermögensbesitzer<br />
1. Die groûen Vermögensbesitzer werden<br />
zur Bewältigung <strong>der</strong> enormen wirtschaftlichen<br />
Schwierigkeiten ebenfalls<br />
zur Leistung e<strong>in</strong>es angemessenen Solidaritätsbeitrages<br />
herangezogen. Infrage<br />
dafür kommt nur das sogenannte<br />
¹unproduktiveª Kapital (wie Aktien,<br />
Geldvermögen, Immobilien).<br />
Die Abgabe soll auf 10 Jahre begrenzt se<strong>in</strong>.<br />
Jährlich s<strong>in</strong>d vorgesehen bei e<strong>in</strong>em Re<strong>in</strong>vermögen:<br />
von 2,5 bis 10 Millionen DM 1%<br />
von 10,0 bis 100 Millionen DM 2 %<br />
ab 100 Millionen DM 3 %.<br />
2. Die Gel<strong>der</strong> flieûen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>fonds<br />
mit dem Ziel, f<strong>in</strong>anzielle Mittel zur aktiven<br />
Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik<br />
bzw. zu Senkung <strong>der</strong> Lohnnebenkosten<br />
zur Verfügung zu haben.<br />
213
3. Wie beim Lastenausgleich 1952 muû<br />
<strong>der</strong> Vermögensstatus e<strong>in</strong>es zurückliegenden<br />
Jahres (z.B. 1. 1. 1996) herangezogen<br />
werden, damit e<strong>in</strong>e Kapitalflucht <strong>in</strong>s<br />
Ausland zur Umgehung <strong>der</strong> Abgabe<br />
absolut ausgeschlossen werden kann.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 103<br />
Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />
Besteuerung von Wertzuwächsen<br />
(Spekulationsgew<strong>in</strong>nen)<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />
Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />
Initiativen mit dem Ziel gebeten,<br />
± e<strong>in</strong>e Son<strong>der</strong>steuer für realisierte Wertzuwächse<br />
bei Wertpapieren, Grundstücken<br />
und nicht selbstgenutzten Immobilien<br />
e<strong>in</strong>zuführen. Der Steuersatz sollte e<strong>in</strong>heitlich<br />
25 Prozent betragen. Spekulationsfristen<br />
werden nicht vorgesehen. Die<br />
Freibeträge sollte denen <strong>der</strong> Kapitalertragsteuer<br />
vergleichbar se<strong>in</strong>.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 104<br />
Unterbezirk Kassel-Stadt<br />
(Bezirk Hessen-Nord)<br />
Spekulationsgew<strong>in</strong>ne<br />
Die Bundestagsfraktion <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen, daû Spekulationsgew<strong>in</strong>ne<br />
mehr als bisher steuerlich<br />
abgeschöpft werden, und das die damit<br />
gewonnenen Steuergel<strong>der</strong> zur F<strong>in</strong>anzierung<br />
von Maûnahmen zur sozialen Sicherung<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden. E<strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong><br />
Gesetzentwurf ist unverzüglich vorzubereiten<br />
und angesichts von Massenarbeitslosigkeit<br />
und Sozialabbau umgehend e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
214<br />
Antrag I 105<br />
Landesverband Bayern<br />
Steuerpolitik/Wohnort<br />
Deutsche Staatsbürger sollen unabhängig<br />
von ihrem Wohnort <strong>in</strong> Deutschland unbeschränkt<br />
steuerpflichtig se<strong>in</strong>.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 106<br />
Landesverband Bayern<br />
Steuerpolitik/Kapital<br />
E<strong>in</strong>künfte aus Kapitalvermögen im S<strong>in</strong>ne<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer und Kapital- bzw.<br />
realisierte Vermögenszuwächse im S<strong>in</strong>ne<br />
<strong>der</strong> Vermögensteuer bzw. des Bewertungsgesetzes<br />
erhoben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.<br />
Diesem Umstand wird bei<br />
<strong>der</strong> Besteuerung von E<strong>in</strong>kommen und Vermögen<br />
zukünftig deutlich stärker als bisher<br />
Rechnung getragen.<br />
Von <strong>der</strong> Besteuerung ausgenommen bleibt<br />
Vermögen bis zur Schwelle des normalen<br />
¹Familien-Gebrauchsvermögensª. Diese<br />
Schwelle ist bei ca. 500000 DM pro Haushalt<br />
anzusetzen. Selbstgenutztes Wohneigentum<br />
wird nicht zur Besteuerung herangezogen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 107<br />
Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />
E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es dritten<br />
Mehrwertsteuersatzes<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />
Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />
Initiativen mit dem Ziel gebeten,<br />
± e<strong>in</strong>en dritten Mehrwertsteuersatz e<strong>in</strong>zuführen,<br />
um bestimmte Luxusgüter e<strong>in</strong>em<br />
höheren Mehrwertsteuersatz zu unter-
werfen. Da e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> nationalen<br />
Mehrwertsteuer <strong>der</strong> Zustimmung<br />
<strong>der</strong> EU-Kommission bedarf, wird die<br />
Bundesregierung aufgefor<strong>der</strong>t, Verhandlungen<br />
mit <strong>der</strong> EU-Kommission aufzunehmen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktionen)<br />
Initiativantrag 34<br />
Sicherung und Stärkung <strong>der</strong><br />
f<strong>in</strong>anziellen Handlungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> Kommunen<br />
Die f<strong>in</strong>anzielle Situation <strong>der</strong> Kommunen<br />
hat sich <strong>in</strong> den letzten Jahren erheblich<br />
verschlechtert. Während <strong>der</strong> Bund sich <strong>in</strong><br />
den Jahren 1991±1997 durch Steuerrechtsän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>in</strong>sgesamt zusätzliche E<strong>in</strong>nahmen<br />
verschaffte, erlitten Län<strong>der</strong> und Kommunen<br />
M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen. Das gröûte<br />
Problem liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> strukturellen Problematik,<br />
daû <strong>der</strong> jahrelange Anstieg <strong>der</strong><br />
Sozialhilfebelastung nur noch durch e<strong>in</strong>en<br />
Rückzug bei den kommunalen Investitionen<br />
bewältigt werden konnte.<br />
Auch durch die 1996 vernehmlich auf die<br />
E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Pflegeversicherung zurückzuführende<br />
erstmalige Nichtsteigerung <strong>der</strong><br />
kommunalen Sozialhilfehaushalte hat sich<br />
an dieser strukturellen Problematik nichts<br />
geän<strong>der</strong>t. Die durch die Bundesregierung<br />
zum Teil gezielt geschwächten vorgelagerten<br />
sozialen Sicherungssysteme unserer<br />
Gesellschaft können die mit <strong>der</strong> deutschen<br />
Vere<strong>in</strong>igung und <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
e<strong>in</strong>hergehenden Belastungen nicht ausreichend<br />
kompensieren, so daû immer gröûere<br />
Kostenblöcke auf das letzte Sicherungssystem<br />
<strong>der</strong> Sozialhilfe verschoben<br />
werden. Viele kommunale Haushalte werden<br />
heutzutage nur noch mit <strong>der</strong> Auflage<br />
e<strong>in</strong>es Haushaltssicherungskonzeptes genehmigt.<br />
Notverkäufe und planlose Vermögensveräuûerungen<br />
zeugen von schwierigsten<br />
Engpässen. Die kommunalen<br />
Investitionen wurden seit Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> neunziger<br />
Jahre deutlich reduziert. Inzwischen<br />
ist auch <strong>in</strong> Ostdeutschland die gleiche Entwicklung<br />
zu verzeichnen.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund setzt sich die<br />
<strong>SPD</strong> für folgende Punkte zur Lösung <strong>der</strong><br />
strukturellen F<strong>in</strong>anzierungsproblematik <strong>der</strong><br />
Kommunen e<strong>in</strong>:<br />
1. Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzreform zur Stärkung<br />
und Sicherung <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung<br />
Die <strong>SPD</strong> will Sorge dafür tragen, daû kommunaler<br />
Aufgabenbestand und F<strong>in</strong>anzausstattung<br />
wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gleichgewicht kommen.<br />
Dazu zählt e<strong>in</strong>e Neuordnung <strong>der</strong><br />
Grund- und Gewerbesteuer als kommunale<br />
Steuern mit eigenem Hebesatzrecht und<br />
die angemessene Beteiligung an den<br />
Geme<strong>in</strong>schaftssteuern genauso wie e<strong>in</strong>e<br />
strikte Anwendung des Konnexitätspr<strong>in</strong>zips<br />
durch Bund und Län<strong>der</strong>. Der E<strong>in</strong>satz von<br />
För<strong>der</strong>mitteln ist verstärkt zu dezentralisieren<br />
und mit verstärkten kommunalen E<strong>in</strong>fluûmöglichkeiten<br />
zu versehen.<br />
2. Aufkommensneutralität <strong>der</strong> geplanten<br />
Steuerreform gegenüber den kommunalen<br />
Haushalten<br />
Die Gesamtsituation <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Haushalte erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Aufkommensneutralität<br />
<strong>der</strong> Steuerreform. In Anbetracht<br />
<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s dramatischen F<strong>in</strong>anzsituation<br />
<strong>der</strong> Kommunen, wie sie sich vor allem<br />
<strong>in</strong> Ostdeutschland und <strong>in</strong> den groûstädtischen<br />
Ballungsräumen darstellt, hält es die<br />
<strong>SPD</strong> nicht für verantwortbar, die Kommunen<br />
im Rahmen e<strong>in</strong>er Steuerreform mit<br />
Nettom<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen zu belasten. Für<br />
die Kommunen muû e<strong>in</strong> voller f<strong>in</strong>anzieller<br />
Ausgleich für etwaige M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>nahmen<br />
hergestellt werden.<br />
3. Reform <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />
zur Entlastung <strong>der</strong> Kommunen<br />
durch e<strong>in</strong>e Beteiligung des Bundes<br />
Als wichtigste Ursache <strong>der</strong> strukturellen<br />
F<strong>in</strong>anzproblematik <strong>der</strong> Kommunen ist die<br />
Belastung durch die steigenden Sozialausgaben<br />
anzusehen. Die <strong>SPD</strong> ist für e<strong>in</strong>e<br />
Reform <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialhilfe,<br />
215
die dazu dient, die kommunale Sozialhilfe<br />
zu entlasten und auf ihre eigentliche Aufgabe<br />
e<strong>in</strong>es letzten Sicherungssystems<br />
zurückzuführen. Zur Reduzierung <strong>der</strong><br />
Sozialhilfebelastungen sollten die Kommunen<br />
im Rahmen ihrer Möglichkeiten<br />
arbeitslosen Sozialhilfeempfängern Arbeit<br />
anbieten.<br />
Die vielfältigen Aufgaben <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />
s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>sichtlich ihrer bisher e<strong>in</strong>seitigen<br />
F<strong>in</strong>anzierung durch die Kommunen zu<br />
überprüfen. Dabei sollten Leistungsbereiche,<br />
die die Folgen von Massenarbeitslosigkeit<br />
und Engpässen <strong>in</strong> den vorgelagerten<br />
Sicherungssystemen darstellen, nicht länger<br />
alle<strong>in</strong> von den Kommunen f<strong>in</strong>anziert werden.<br />
Beson<strong>der</strong>e Leistungen, z.B. die Leistungen<br />
für beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Sozialhilfe könnten durch e<strong>in</strong><br />
geson<strong>der</strong>tes Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenleistungsgesetz<br />
künftig bundesseitig f<strong>in</strong>anziert werden.<br />
4. Sicherung und Erweiterung <strong>der</strong> bestehenden<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Betätigung <strong>der</strong> Kommunen<br />
Die Kommunen können im Rahmen <strong>der</strong><br />
kommunalen Selbstverwaltung durch ihre<br />
wirtschaftliche Betätigung viele Aufgaben<br />
kostengünstig und unter Beachtung sozialer<br />
und ökologischer Kriterien erfüllen. E<strong>in</strong>e<br />
s<strong>in</strong>nvoll organisierte Kommunalwirtschaft<br />
führt zu Kostene<strong>in</strong>sparungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
und erwirtschaftet zum<br />
Teil wichtige E<strong>in</strong>nahmen. Um den Handlungsspielraum<br />
<strong>der</strong> Kommunen <strong>in</strong> diesem<br />
Bereich zu sichern und wo notwendig auch<br />
zu erweitern, for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e rechtliche<br />
Rahmensetzung durch Bund und Län<strong>der</strong>,<br />
die den Kommunen e<strong>in</strong>e weitreichende<br />
Handlungsfreiheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> wirtschaftlichen<br />
Betätigung und <strong>der</strong> Wahl ihrer jeweiligen<br />
Rechtsform läût.<br />
5. Stärkung <strong>der</strong> kommunalen Selbstverwaltung<br />
durch Ausnutzung von Experimentierklauseln<br />
zur Freistellung <strong>der</strong><br />
Kommunen von bestimmten vorgegebenen<br />
Normen und Standards<br />
Die Kommunen müssen die Möglichkeit<br />
erhalten, e<strong>in</strong>fache und kostengünstigere<br />
216<br />
Lösungen für bestimmte Aufgaben nutzen<br />
zu können. Die weitreichende Verregelung<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Aufgaben durch Normen<br />
und Vorschriften erschwert e<strong>in</strong> kostenbewuûtes<br />
und flexibles Handeln <strong>der</strong> Kommunen.<br />
Hier müssen Möglichkeiten für e<strong>in</strong>e<br />
flexiblere und <strong>in</strong>dividuellere Tätigkeit <strong>der</strong><br />
Kommunen geschaffen werden, ohne daû<br />
notwendige Regelungen zum Schutze des<br />
Allgeme<strong>in</strong>wohls auf <strong>der</strong> Strecke bleiben.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t Bund und Län<strong>der</strong> auf, die<br />
hierfür erfor<strong>der</strong>lichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
zu schaffen.<br />
6. Stärkung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzausstattung <strong>der</strong><br />
Kommunen <strong>in</strong> den ostdeutschen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
In den ostdeutschen Kommunen bestehen<br />
nach wie vor erhebliche Nachholbedarfe<br />
für Investitionen <strong>in</strong> Bereichen <strong>der</strong> Stadterneuerung<br />
und zur Reparatur und Instandsetzung<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Infrastruktur. Um<br />
diese Aufgaben angemessen erfüllen zu<br />
können, will die <strong>SPD</strong> die F<strong>in</strong>anzausstattung<br />
<strong>der</strong> ostdeutschen Kommunen nachhaltig<br />
stärken. Die durch das Fö<strong>der</strong>ale<br />
Konsolidierungsprogramm und den seit<br />
1995 stattf<strong>in</strong>denden horizontalen Län<strong>der</strong>f<strong>in</strong>anzausgleich<br />
erhöhten E<strong>in</strong>nahmen <strong>der</strong><br />
ostdeutschen Län<strong>der</strong> sollen auch den Kommunen<br />
als Haupt<strong>in</strong>vestoren zugutekommen.<br />
(Überwiesen an den Parteivorstand zur<br />
Erarbeitung e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 114<br />
Unterbezirk Gött<strong>in</strong>gen<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
Arme Städte können sich nur<br />
Reiche leisten<br />
Die <strong>SPD</strong> verurteilt die <strong>der</strong>zeitige Politik<br />
<strong>der</strong> Bundes- und Landesregierung, die auf<br />
e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles Ausbluten <strong>der</strong> Städte und<br />
Geme<strong>in</strong>den h<strong>in</strong>ausläuft. Während zwar für<br />
Schuldendienst und Z<strong>in</strong>szahlungen genügend<br />
Geld vorhanden ist, bleibt für übrige<br />
kommunale Aufgaben kaum noch Spiel-
aum; öffentliche Beschäftigungspolitik<br />
sowie Jugend- und Sozialpolitik werden<br />
vernachlässigt. Diesen enormen Schulden<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Hand stehen hohe Vermögensbestände<br />
<strong>in</strong> privater Hand, konzentriert<br />
auf die obersten E<strong>in</strong>kommensschichten,<br />
gegenüber. Die Interessen <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen, Rentner/<strong>in</strong>nen,<br />
Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger/<strong>in</strong>nen,<br />
Student/<strong>in</strong>nen und ihrer Familien an e<strong>in</strong>er<br />
Kommune, die soziale und kulturelle<br />
Dienstleistungen organisiert und die Massenarbeitslosigkeit<br />
bekämpft, s<strong>in</strong>d gefährdet.<br />
Daher lehnen wir e<strong>in</strong>e Beteiligung <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> und ihrer Fraktionen an <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitig<br />
als ¹Haushaltskonsolidierungª getarnten<br />
Sparpolitik zu Lasten weiterer Teile <strong>der</strong><br />
Bevölkerung ab.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t vielmehr:<br />
± Den Kommunen sollen im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />
grundsätzlichen F<strong>in</strong>anzreform durch e<strong>in</strong>e<br />
Beteiligung, z. B. am Umsatzsteueraufkommen<br />
von Bund und Län<strong>der</strong>n, f<strong>in</strong>anziert<br />
durch e<strong>in</strong>en Abbau bestimmter<br />
Unternehmenssubventionen, genügend<br />
Geld zur Verfügung gestellt werden, um<br />
ihren Aufgaben gerecht werden zu können.<br />
± Um das Ausbluten <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den zu<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, muû ferner die teilweise<br />
Begrenzung <strong>der</strong> Arbeitslosenhilfe<br />
zurückgenommen werden, um die<br />
Geme<strong>in</strong>den bei den Zahlungen von<br />
Sozialhilfe zu entlasten.<br />
± Im Rahmen des zu erhöhenden F<strong>in</strong>anzierungsspielraums<br />
muû über e<strong>in</strong>e Neugestaltung<br />
<strong>der</strong> Aufgabenvermittlung <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den nachgedacht<br />
werden. Es sollen vor allem Maûnahmen<br />
zur kommunalen Beschäftigungsför<strong>der</strong>ung<br />
sowie zur Unterstützung sozial<br />
benachteiligter Gruppen Vorrang haben.<br />
± Da die Privatisierung öffentlicher Aufgaben<br />
entwe<strong>der</strong> zu Lasten <strong>der</strong> dort<br />
Beschäftigten geht o<strong>der</strong> für die Verbraucher/<strong>in</strong>nen<br />
höhere Preise bedeutet, ist<br />
sie als Mittel zur Lösung <strong>der</strong> Probleme<br />
<strong>in</strong> den Kommunen ungeeignet, weshalb<br />
wir ihre Fortführung ablehnen.<br />
± Die Besteuerung des spekulativen<br />
F<strong>in</strong>anzvermögens.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 115<br />
Unterbezirk Uelzen/Lüchow-Dannenberg<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
Kommunale Ausgaben für<br />
Sozialhilfe<br />
Der Bund wird aufgefor<strong>der</strong>t, sich an den<br />
kommunalen Ausgaben für Sozialhilfe<br />
angemessen zu beteiligen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag I 116<br />
Kreisverband Sigmar<strong>in</strong>gen<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Geme<strong>in</strong>deanteil an <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>kommensteuer<br />
Die <strong>SPD</strong>-regierten Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
im Bundesrat e<strong>in</strong>en Gesetzentwurf<br />
e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen mit dem Ziel, den Verteilungsschlüssel<br />
beim Geme<strong>in</strong>deanteil. an<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensteuer, z.B. nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohnerzahl,<br />
zu än<strong>der</strong>n.<br />
(Überwiesen an Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 117<br />
Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />
Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und <strong>SPD</strong>-<br />
Landtagsfraktion sowie die Landesregierung<br />
NRW werden aufgefor<strong>der</strong>t, sich im<br />
Bundestag, Landtag und Bundesrat e<strong>in</strong>er<br />
weiteren Aushöhlung des geme<strong>in</strong>dlichen<br />
F<strong>in</strong>anzierungssystems zu wi<strong>der</strong>setzen. Statt<br />
217
dessen s<strong>in</strong>d umgehend die Eigenverantwortung<br />
und Handlungsfähigkeit <strong>der</strong> Städte<br />
und Geme<strong>in</strong>den wie<strong>der</strong>herzustellen. Dabei<br />
s<strong>in</strong>d folgende wesentliche Grundzüge zu<br />
beachten:<br />
± Bund und Land dürfen Aufgaben nur<br />
dann verlagern, wenn sie gleichzeitig den<br />
Trägern die für die Aufgabenerfüllung<br />
erfor<strong>der</strong>lichen F<strong>in</strong>anzmittel zur Verfügung<br />
stellen.<br />
± E<strong>in</strong>e isolierte Umsetzung <strong>der</strong> von <strong>der</strong><br />
Bundesregierung geplanten Unternehmenssteuerreform<br />
ist abzulehnen. Diese<br />
kann nur im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />
längst überfälligen Reform <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>def<strong>in</strong>anzierung<br />
verabschiedet werden.<br />
± Die <strong>SPD</strong> lehnt die von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
beabsichtigte Streichung <strong>der</strong><br />
Gewerbekapitalsteuer und Kürzung <strong>der</strong><br />
Gewerbeertragsteuer ab, solange nicht<br />
e<strong>in</strong> quantitativ und qualitativ gleichwertiger<br />
Verlustausgleich sichergestellt ist.<br />
Die <strong>SPD</strong> gibt e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>belebung <strong>der</strong><br />
Gewerbesteuer durch e<strong>in</strong>e Erweiterung<br />
des Kreises <strong>der</strong> Steuerpflichtigen (z.B.<br />
auf freie Berufe) und <strong>der</strong> Bemessungsgrundlagen<br />
den Vorrang vor e<strong>in</strong>er<br />
Umsatzsteuerbeteiligung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den.<br />
± Die z.Z. im Rahmen des kommunalen<br />
F<strong>in</strong>anzausgleichs diskutierte Verbesserung<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzkraft von strukturschwachen<br />
und mit hohen Sozialkosten belasteten<br />
Kommunen darf bei allem<br />
Verständnis für die For<strong>der</strong>ung nach e<strong>in</strong>er<br />
gerechteren Verteilung <strong>der</strong> vorhandenen<br />
Mittel nicht unberücksichtigt lassen, daû<br />
die den Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong>sgesamt zugestandene<br />
F<strong>in</strong>anzmasse schon lange nicht<br />
mehr ausreicht, um ihre Aufgaben sachgerecht<br />
zu erfüllen.<br />
± Jede Neuregelung <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>dlichen<br />
F<strong>in</strong>anzierungssysteme muû folgende<br />
Eckpunkte berücksichtigen:<br />
± Sicherung e<strong>in</strong>er stetigen E<strong>in</strong>nahmeentwicklung<br />
± E<strong>in</strong>räumung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>dlichen Hebesatzrechtes<br />
218<br />
± Verteilung von Zuweisungen nach e<strong>in</strong>em<br />
orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssel<br />
± durch e<strong>in</strong>e Neuregelung bed<strong>in</strong>gte massive<br />
Verluste bei Städten und Geme<strong>in</strong>den<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Übergangszeitraum auszugleichen.<br />
± Sowohl die dargestellten Grundsätze bei<br />
<strong>der</strong> Verlagerung von Aufgaben sowie das<br />
geme<strong>in</strong>dlichen F<strong>in</strong>anzierungssystem s<strong>in</strong>d<br />
verfassungsrechtlich abzusichern.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 118<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Marienburger Höhe/Itzum<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
Kommunalf<strong>in</strong>anzen<br />
Der <strong>SPD</strong> Vorstand und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, stärker<br />
als bisher auf e<strong>in</strong>e Konsolidierung <strong>der</strong><br />
Kommunalf<strong>in</strong>anzen h<strong>in</strong>zuwirken und ihre<br />
Bemühungen deutlicher und nachhaltiger<br />
als bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit darzustellen.<br />
Dabei ist zu erreichen, daû<br />
± Bundesgesetze, die im kommunalen<br />
Bereich umgesetzt werden sollen, vom<br />
Bund voll f<strong>in</strong>anziert werden (Konnexität),<br />
± die Län<strong>der</strong> haben die Erstattungen<br />
ungekürzt weiterzuleiten,<br />
± Verän<strong>der</strong>ungen im Steuerrecht (¹Steuerreformenª)<br />
mit Auswirkungen auf die<br />
Geme<strong>in</strong>deebene (z. B. E<strong>in</strong>kommensteuer,<br />
Gewerbesteuer) vollständig ausgeglichen<br />
werden,<br />
± vom Bund vorgenommene Kürzungen,<br />
z.B. beim Arbeitslosengeld o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong><br />
Arbeitslosenhilfe, o<strong>der</strong> Erhöhungen, z.B.<br />
bei <strong>der</strong> ¹Gesundheitsreformª, o<strong>der</strong><br />
Beschränkungen, z. B. bei <strong>der</strong> Asylgesetzgebung<br />
(Arbeitsverbot u.ä.), unterbleiben,<br />
da sie zu Lasten <strong>der</strong> Menschen und<br />
<strong>der</strong> Sozialhilfehaushalte <strong>der</strong> Kommunen<br />
gehen,<br />
± die Beteiligung <strong>der</strong> Kommunen an den<br />
Kosten <strong>der</strong> Deutschen E<strong>in</strong>heit über<br />
e<strong>in</strong>en Son<strong>der</strong>haushalt auûerhalb des Ver-
waltungshaushalts f<strong>in</strong>anziert werden<br />
kann, da sie nicht aus den laufenden E<strong>in</strong>nahmen<br />
zu erwirtschaften s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong><br />
erheblichem Maû zur F<strong>in</strong>anzkrise <strong>der</strong><br />
Kommunen beitragen.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
und Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 119<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
Kommunen als Konkurrenten<br />
des Mittelstands<br />
Kommunale Unternehmen versuchen<br />
zunehmend, sich mit ,Subventionierten<br />
Leistungen auf den Märkten <strong>der</strong> gewerblichen<br />
Wirtschaft zu etablieren. Diese Aktivitäten<br />
s<strong>in</strong>d mit den Aufgaben des Öffentlichen<br />
Dienstes nicht vere<strong>in</strong>bart.<br />
Kommunen und Landkreise bieten zunehmend<br />
Leistungen ihrer Angestellten und<br />
Beamten auf den Märkten <strong>der</strong> privaten<br />
Wirtschaft an.<br />
± Stadtwerke mit Taxi-, Bus-, und Telefondienstleistungen,<br />
± Reparaturwerkstätten mit Reparatur-,<br />
und Recycl<strong>in</strong>gleistungen,<br />
± Stadtbauämter und Katasterämter mit<br />
Consult<strong>in</strong>gleistungen,<br />
± Fremdenverkehrsbüros mit Reisebüroleistungen,<br />
± Hausdruckereien mit Druckleistungen,<br />
± Gastronomische E<strong>in</strong>richtungen mit Versorgung<br />
des allgeme<strong>in</strong>en Publikums.<br />
Diese Leistungen können gegenüber privaten<br />
Unternehmen zu günstigeren Preisen<br />
am Markt angeboten werden, weil kalkulatorische<br />
Kosten <strong>der</strong> privaten Wirtschaft<br />
nicht e<strong>in</strong>gerechnet s<strong>in</strong>d:<br />
± Kalkulatorische Miete<br />
± Kalkulatorische Z<strong>in</strong>sen<br />
± Abschreibungen.<br />
Die Nähe <strong>der</strong> kommunalen Betriebe zur<br />
Hoheitsverwaltung macht zudem vielfach<br />
e<strong>in</strong>e klare Trennung von privaten Interessen<br />
und Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teressen möglich.<br />
Die gewerbliche Wirtschaft wird gezwungen,<br />
mit ihren Steuern (z.B. Gewerbesteuern),<br />
die eigene Konkurrenz zu subventionieren.<br />
Die AGS wendet sich entschieden gegen<br />
alle Aktivitäten <strong>in</strong> Landkreisen und Kommunen,<br />
den Leistungsbereich des Öffentlichen<br />
Dienstes über die Aufgaben <strong>der</strong><br />
Dase<strong>in</strong>svorsorge h<strong>in</strong>aus auszuweiten.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und an<br />
Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 120<br />
Bezirk Weser-Ems<br />
Frauen wollen die Hälfte <strong>der</strong><br />
Zukunft ± für e<strong>in</strong>e doppelte<br />
Umverteilung<br />
Die strukturelle Benachteiligung von<br />
Frauen wird durch die gegenwärtige wirtschaftliche<br />
Krise noch verschärft. Noch<br />
immer werden Frauen als erste entlassen<br />
und als letzte wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gestellt, noch<br />
immer ist die Frauenarbeitslosigkeitsquote<br />
deutlich höher als die <strong>der</strong> Männer. Gleichstellungspolitik<br />
wird immer deutlicher als<br />
gesellschaftlicher Luxus gesehen, <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
wirtschaftlichen Krise abgeschafft werden<br />
kann. Schwer erkämpfte Gleichstellungsmaûnahmen,<br />
wie die Quote, stehen auf<br />
dem Spiel. Die Überw<strong>in</strong>dung des<br />
geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktes mit<br />
Unterteilung <strong>in</strong> Frauen- und Männerberufe<br />
wird kaum noch gefor<strong>der</strong>t. Notwendig ist<br />
im Gegensatz dazu <strong>der</strong> frauenorientierte<br />
Umbau (nicht Abbau) des Sozialstaates.<br />
Gleichzeitig bleibt die Benachteiligung von<br />
Frauen z.B. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Steuerpolitik bestehen.<br />
Das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong> Beispiel: die<br />
Steuerersparnis ist um so höher, je weiter<br />
die E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> Ehepartner ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
liegen. Am gröûten ist sie, wenn<br />
219
Frauen nicht bzw. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em 610 DM-Job<br />
arbeiten. Deshalb ist das Ehegattensplitt<strong>in</strong>g<br />
abzuschaffen. Auch die K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge<br />
s<strong>in</strong>d sozial ungerecht, durch sie werden<br />
Besserverdienende stärker entlastet als<br />
alle<strong>in</strong>erziehende Mütter. Auch das Dienstmädchenprivileg,<br />
dessen Anhebung zur<br />
Zeit diskutiert wird, verstärkt und erhält<br />
alte Rollenbil<strong>der</strong> und ist schon alle<strong>in</strong> deshalb<br />
abzulehnen. Durch die gegenwärtige<br />
Arbeitszeitmodelle werden Frauen ebenfalls,<br />
noch zusätzlich zur Lohndiskrim<strong>in</strong>ierung<br />
benachteiligt, sie s<strong>in</strong>d deshalb grundlegend<br />
zu reformieren. In Teilzeitarbeit<br />
werden fast ausschlieûlich Frauen (berufstätige<br />
Mütter) gedrängt. Teilzeitarbeit wird<br />
als nicht vollwertige Arbeit gesehen, ist<br />
karrierehemmend, nicht sozialversicherungspflichtig<br />
und nicht existenzsichernd.<br />
Die fehlende Sozialversicherungspflicht ist<br />
e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe für die gravierende<br />
Altersarmut von Frauen. Deshalb for<strong>der</strong>t<br />
die <strong>SPD</strong>, daû alle Arbeitsplätze (auch die<br />
sogenannten Mac-Jobs) sozialversicherungspflichtig<br />
werden.<br />
Um die oben geschil<strong>der</strong>ten Miûstände<br />
abzuschaffen for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> u.a. e<strong>in</strong>e<br />
Frauenför<strong>der</strong>ung als Bestandteil von (regionaler)<br />
Strukturpolitik. Die gegenwärtige<br />
Strukturpolitik wirkt durch e<strong>in</strong>ige ihrer<br />
Ziele und Elemente bislang eher frauenfe<strong>in</strong>dlich.<br />
So z. B. dadurch, daû sie e<strong>in</strong>seitig<br />
auf Sachkapital<strong>in</strong>vestitionen setzt. Auch die<br />
zur Ermittlung för<strong>der</strong>ungswürdiger Regionen<br />
herangezogenen Indikatoren wie<br />
Durchschnittse<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> sozialversicherungspflichtig<br />
Beschäftigten s<strong>in</strong>d negativ<br />
zu bewerten.<br />
Als erster Bestandteil e<strong>in</strong>er neuen Strukturpolitik<br />
ist daher e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Berechnung<br />
für die Ermittlung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>würdigkeit<br />
gültigen Indikatoren zu for<strong>der</strong>n. Vor allem<br />
for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e Strukturpolitik, die auf<br />
das bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region bestehende<br />
Potential setzt, somit Elemente e<strong>in</strong>er<br />
Dezentralisierung trägt. Die AkteurI<strong>in</strong>nen<br />
<strong>der</strong> Region formulieren ihre Interessen.<br />
Unbed<strong>in</strong>gt müssen hier Gleichstellungsstellen<br />
sowie Frauen-Beschäftigungs- und<br />
Qualifizierungsprojekte beteiligt werden.<br />
220<br />
E<strong>in</strong>e solche Strukturpolitik würde auch<br />
Investitionen <strong>in</strong> das ¹Humankapitalª <strong>der</strong><br />
ArbeitnehmerInnen, nicht nur <strong>in</strong> das Sachkapital<br />
enthalten und vor allem Frauenarbeit<br />
als <strong>in</strong>tegralen Bestandteil enthalten.<br />
Selbstverständlich muû bei Umstrukturierungsmaûnahmen<br />
die Beschäftigungsperspektive<br />
von Frauen und Männern berücksichtigt<br />
werden.<br />
Um e<strong>in</strong>e wirklich relevante Neuverteilung<br />
von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit zu<br />
erreichen, muû es e<strong>in</strong>e Abkehr von dem<br />
Bezug auf die männlich zentrierte Normalarbeitsbiographie<br />
und dem Modell des<br />
männlichen Familienernährers geben. Um<br />
unsere For<strong>der</strong>ung zu erreichen, daû jede<br />
Person selbst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong> muû, ihren<br />
Lebensunterhalt zu verdienen und gleichzeitig<br />
die zu ihrer Reproduktion zu erledigenden<br />
Aufgaben zu erledigen, s<strong>in</strong>d<br />
Arbeitszeitverkürzungen und Neustrukturierungen<br />
von Arbeit unverzichtbar. Wir<br />
for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e weitreichende Arbeitszeitverkürzung<br />
für alle auf 30 (o<strong>der</strong> weniger Stunden)<br />
die Woche. Für die Unternehmen, die<br />
ihren MitarbeiterInnen aufgrund <strong>der</strong><br />
Arbeitszeitverkürzung Überstunden abverlangen,<br />
anstatt neue MitarbeiterInnen e<strong>in</strong>zustellen,<br />
for<strong>der</strong>n wir die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er<br />
Überstundensteuer. Bei diesen Steuern<br />
geht es nicht darum, e<strong>in</strong> Aufkommen zu<br />
erzielen, son<strong>der</strong>n die Arbeitszeitverkürzung<br />
durchzusetzen. Um e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Anreiz zu setzen, ist <strong>der</strong> Tarif so drastisch<br />
auszugestalten, daû das angestrebte Ziel ±<br />
ke<strong>in</strong>e Überstunden ± erreicht wird und das<br />
Aufkommen entsprechend bei Null liegt.<br />
Wichtig ist auch <strong>der</strong> Anstoû zur Neugewichtung<br />
<strong>der</strong> Arbeit, so daû gesellschaftlich<br />
s<strong>in</strong>nvolle Arbeit e<strong>in</strong>en höheren Stellenwert<br />
erhält, als gesellschaftlich unnötige und<br />
entsprechend besser bezahlt wird. Auf<br />
jeden Fall muû <strong>der</strong> Abstand zwischen den<br />
Lohngruppen verr<strong>in</strong>gert und nicht im prozentualen<br />
Lohnerhöhungen erhöht werden.<br />
Der Sozialstaat <strong>der</strong> BRD setzt <strong>in</strong> Fragen<br />
<strong>der</strong> Versorgung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Pflegebedürftigen,<br />
sowie bei <strong>der</strong> Erledigung <strong>der</strong><br />
Hausarbeit immer noch auf die unentgeltliche<br />
Arbeit <strong>der</strong> Frauen. E<strong>in</strong>e Neuverteilung<br />
von Erziehungs-, Pflege- und Hausarbeit
ist daher ebenso wichtig wie die Umverteilung<br />
<strong>der</strong> Erwerbsarbeit. Solange die Aufhebung<br />
<strong>der</strong> geschlechtshierarchischen<br />
Arbeitsteilung Ziel ist, kann die Antwort<br />
nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Auslagerung e<strong>in</strong>es Teils <strong>der</strong><br />
Tätigkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Haushalt liegen. Die<br />
Formel <strong>der</strong> ¹Vergesellschaftung <strong>der</strong> Reproduktionsarbeitª<br />
ist als e<strong>in</strong>zige Antwort auf<br />
diese Frage aber zu kurz gegriffen. Es wird<br />
wohl immer e<strong>in</strong> Rest, <strong>in</strong>dividuell durchaus<br />
unterschiedlicher, nicht zur vergesellschaften<strong>der</strong><br />
Reproduktionsarbeit verbleiben. Die<br />
gleichmäûige Verteilung dieses Restes<br />
unter den Geschlechtern muû durch e<strong>in</strong>e<br />
gesellschaftliche Diskussion und den<br />
Kampf um alternative Rollenbil<strong>der</strong> verstärkt<br />
werden. Die Position <strong>der</strong> Frauen<br />
wird sich jedoch <strong>in</strong> dem Maûe verbessern,<br />
<strong>in</strong> dem auch Erwerbsarbeit und E<strong>in</strong>kommen<br />
neu verteilt werden.<br />
Um die oben beschriebenen Maûnahmen<br />
<strong>in</strong> unserer Partei und <strong>der</strong> Gesellschaft vorzustellen<br />
und zu verankern, müssen diese<br />
For<strong>der</strong>ungen immer wie<strong>der</strong> von jungen<br />
Politiker<strong>in</strong>nen vorgetragen, begründet und<br />
durchgesetzt werden. Dafür ist e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />
von jungen Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik wie<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bielefel<strong>der</strong> Initiative e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t,<br />
wesentliche Voraussetzung.<br />
± E<strong>in</strong>e gezielte Nachwuchsför<strong>der</strong>ung junger<br />
Frauen durch Politikmanagementsem<strong>in</strong>are.<br />
± Verän<strong>der</strong>te Arbeitsformen zur Vere<strong>in</strong>barung<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Lebenswelten<br />
von Frauen mit Politik.<br />
± Die Verteilung von Verantwortung durch<br />
Vermeidung von ¾mterhäufung.<br />
± Die <strong>in</strong>haltliche Profilierung <strong>der</strong> Partei<br />
und <strong>der</strong> Jusos durch die Umsetzung von<br />
Konzepten, die die gleichberechtigte<br />
Zukunft junger Männer und Frauen vorsehen<br />
und die<br />
± Verstärkung frauenpolitischer Zusammenarbeit<br />
werden deshalb von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
gefor<strong>der</strong>t und auch selbst durchgeführt<br />
bzw. umgesetzt.<br />
(Überwiesen als Material an den Parteivorstand)<br />
Antrag I 121<br />
Bezirk Weser-Ems<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> maritimen<br />
Wirtschaft<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e stärkere För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> gesamten maritimen Verbundwirtschaft.<br />
1. Stärkung <strong>der</strong> deutschen Handelsflotte<br />
2. Erhalt e<strong>in</strong>er wettbewerbsfähigen Werftenstruktur<br />
3. Ausbau <strong>der</strong> Seehäfen zu leistungsfähigen<br />
Dienstleistungszentren<br />
4. Ausbau <strong>der</strong> Küstenschiffahrt und Stärkung<br />
des Transports auf dem B<strong>in</strong>nenschiffahrtsweg<br />
5. För<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er qualifizierten Ausbildung<br />
an Fach- und Fachhochschulen<br />
zur Stärkung des maritimen Standortes<br />
6. Nutzung aller schiffahrtspolitischen<br />
För<strong>der</strong>maûnahmen <strong>der</strong> EU<br />
zu 1)<br />
± Erstellung e<strong>in</strong>es nationalen Handlungskonzeptes<br />
zur Stärkung <strong>der</strong> deutschen<br />
Handelsflotte verbunden mit e<strong>in</strong>er Innovations-<br />
und Qualifizierungsoffensive.<br />
± ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> steuerlichen Belastung<br />
nach nie<strong>der</strong>ländischem Vorbild.<br />
± Entlastung <strong>der</strong> deutschen Schiffahrtsunternehmen<br />
bei den Lohnnebenkosten<br />
und Befreiung von <strong>der</strong> Lohnsteuer.<br />
± Weitere Gewährung von F<strong>in</strong>anzhilfen bis<br />
zur Gleichstellung mit an<strong>der</strong>en Nationen.<br />
Langfristige Programme bei den<br />
F<strong>in</strong>anzhilfen, damit die Ree<strong>der</strong>eien besser<br />
kalkulieren können.<br />
± E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er EU-Flagge.<br />
Jede nationale För<strong>der</strong>ung muû stärker an<br />
die deutsche Flagge gebunden se<strong>in</strong>.<br />
zu 2)<br />
± Umsetzung des OECD-Abkommens und<br />
weitere Abstimmung <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU zum<br />
Abbau des Subventionswettlaufes.<br />
± Auflegen e<strong>in</strong>es umfassenden Forschungsund<br />
Innovationskonzeptes.<br />
221
± Bis zum Inkrafttreten des OECD-<br />
Abkommens muû die 7. EU-Schiffbaurichtl<strong>in</strong>ie<br />
weiter umgesetzt werden. Die<br />
F<strong>in</strong>anzierung muû wie<strong>der</strong> stärker als<br />
gesamtdeutsche Aufgabe verstanden und<br />
m<strong>in</strong>destens mit 50 % vom Bund f<strong>in</strong>anziert<br />
werden.<br />
± E<strong>in</strong> umfassendes Forschungs- und Innovationskonzept<br />
muû für und mit den<br />
Werften erarbeitet und umgesetzt werden.<br />
± Die Bundesregierung muû stärker darauf<br />
dr<strong>in</strong>gen, daû die <strong>in</strong>ternationalen Sicherheitsbestimmungen<br />
von allen Mitgliedsstaaten<br />
umgesetzt werden.<br />
zu 3)<br />
± Aus- und Umbau <strong>der</strong> Häfen <strong>in</strong> enger<br />
Zusammenarbeit zwischen Hafenämtern<br />
und Hafenwirtschaft.<br />
± Stärkung e<strong>in</strong>es Verbundes aller deutschen<br />
Seehäfen.<br />
± Verbesserung <strong>der</strong> Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Häfen<br />
an das Bundesverkehrswegenetz.<br />
± E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Seehäfen <strong>in</strong> die transeuropäischen<br />
Netze.<br />
± Anerkennung <strong>der</strong> Vorbehaltung <strong>der</strong><br />
Unterhaltung und des Ausbaues <strong>der</strong><br />
Infrastruktur als öffentliche Aufgabe<br />
durch die EU.<br />
± Optimierung <strong>der</strong> Anlagen zur Verkürzung<br />
<strong>der</strong> kosten<strong>in</strong>tensiven Liegezeiten.<br />
± Harmonisierung <strong>der</strong> Abgaben und Steuern<br />
<strong>in</strong> allen Mitgliedsstaaten.<br />
± Verkürzung des Verwaltungsaufwandes<br />
und stärkerer E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> EDV-gesteuerte<br />
Logistik.<br />
± Bessere Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenhäfen<br />
durch Ausbau <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenwasserstraûen.<br />
± Verbesserung <strong>der</strong> Sicherheitsbestimmungen.<br />
zu 4)<br />
± Aufbau e<strong>in</strong>er leistungsfähigen Küstenschiffahrt<br />
durch E<strong>in</strong>satz mo<strong>der</strong>nster<br />
Schiffe.<br />
(Investitionsför<strong>der</strong>konzept)<br />
222<br />
± E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Küstenschiffahrt <strong>in</strong> die<br />
transeuropäischen Netze.<br />
Integration <strong>in</strong> die <strong>in</strong>ternationalen Transportketten.<br />
± Conta<strong>in</strong>isierung muû verstärkt auch <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Küsten- und B<strong>in</strong>nenschiffahrt umgesetzt<br />
werden. E<strong>in</strong> reibungsloses Verladen<br />
durch e<strong>in</strong>heitliche Conta<strong>in</strong>er muû<br />
gewährleistet werden.<br />
± Untersuchungen <strong>der</strong> Verkehrsströme<br />
müssen auch e<strong>in</strong>en möglichen L<strong>in</strong>iendienst<br />
für Personen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Küstenschifffahrt<br />
be<strong>in</strong>halten.<br />
± Zügige Umsetzung des Ausbaues <strong>der</strong><br />
B<strong>in</strong>nenwasserstraûen, vorrangig <strong>der</strong> Ausbau<br />
<strong>der</strong> Mittelweser. Anb<strong>in</strong>dung aller<br />
Seehäfen an das B<strong>in</strong>nenwasserstraûennetz.<br />
zu 5)<br />
± Der Bedarf an nautischen und seemännischen<br />
qualifiziertem Personal steigt <strong>in</strong><br />
den nächsten Jahren stark an.<br />
Diesem Bedarf ist durch e<strong>in</strong> entsprechendes<br />
Ausbildungsprofil und ausreichendes<br />
Angebot Rechnung zu tragen.<br />
± Gewährleistung e<strong>in</strong>er ausreichenden<br />
Sicherheit an Bord durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />
Sprache von Mitglie<strong>der</strong>n des Bordpersonals<br />
(Anordnungen <strong>der</strong> Schiffsoffiziere<br />
<strong>in</strong> Sicherheit müssen verstanden<br />
und umgesetzt werden.)<br />
± E<strong>in</strong>satz von deutschen qualifizierten Seeleuten,<br />
damit das Bordpersonal den technischen<br />
Ausstattungen gewachsen ist.<br />
zu 6)<br />
± Maûnahmen, die von <strong>der</strong> EU-Kommission<br />
zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Seeschiffahrt für<br />
zulässig erachtet werden, sollten national<br />
umgesetzt werden, u.a. die Aufhebung<br />
bzw. Senkung von Sozialversicherungsaufgaben<br />
und Steuern o<strong>der</strong> alternativ die<br />
Erstattung <strong>der</strong> Kosten direkt an die Ree<strong>der</strong>.<br />
E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Tonnagesteuer.<br />
± Unterstützung <strong>der</strong> EU-For<strong>der</strong>ung nach<br />
E<strong>in</strong>satz hochqualitativen Schiffse<strong>in</strong>heiten<br />
mit hohen Sicherheits- und Umweltstandards.
± For<strong>der</strong>ung an die EU-Kommission nach<br />
E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er EU-Flagge und strengere<br />
Kontrollen für Schiffe unter Billigflagge.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 122<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
För<strong>der</strong>ung von kle<strong>in</strong>en und<br />
mittleren Unternehmen<br />
Kle<strong>in</strong>e und mittlere Unternehmen (sog.<br />
KMU©s) beschäftigen rund 70 % <strong>der</strong><br />
Erwerbstätigen. In Deutschland stehen den<br />
ca. 5800 Groûunternehmen rund 3 Mio.<br />
mittelständische Unternehmen gegenüber,<br />
die ca. 46 % aller steuerpflichtigen<br />
Umsätze erwirtschaften. Alle<strong>in</strong> zwischen<br />
1987 und 1994 entstanden <strong>in</strong> KMU©s <strong>in</strong><br />
Deutschland rund 2,0 Mio. neue Arbeitsplätze,<br />
während <strong>in</strong> Groûunternehmen rund<br />
400000 Arbeitsplätze verloren g<strong>in</strong>gen. Darüberh<strong>in</strong>aus<br />
s<strong>in</strong>d KMU©s Hauptträger <strong>der</strong><br />
beruflichen Ausbildung und arbeitsplatzschaffen<strong>der</strong><br />
Innovationen.<br />
Die För<strong>der</strong>ung von KMU©s muû im Interesse<br />
<strong>der</strong> Sicherung des Standorts Deutschland<br />
im Mittelpunkt aller wirtschaftspolitischen<br />
Bemühungen stehen. Zur<br />
Verbesserung <strong>der</strong> Situation von KMU©s<br />
s<strong>in</strong>d u.a. folgende Voraussetzungen zu<br />
schaffen:<br />
± KMU©s s<strong>in</strong>d von den adm<strong>in</strong>istrationsbed<strong>in</strong>gten<br />
Belastungen durch Steuern, Personal,<br />
Statistik, Umweltschutz überproportional<br />
belastet. Die durchschnittliche<br />
jährliche Belastung liegt je Arbeitsplatz<br />
bei Kle<strong>in</strong>unternehmen bei fast<br />
7000 DM, bei Groûunternehmen bei ca.<br />
305 DM. Die Bürokratiekostenbelastungen<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für KMU©s müssen<br />
bei-Gesetzgebungsvorhaben vermehrt<br />
beachtet werden.<br />
± KMU©s s<strong>in</strong>d im Wettbewerb mit öffentlichen<br />
Anbietern benachteiligt. E<strong>in</strong>e<br />
Beseitigung <strong>der</strong> steuerlichen Ungleichbe-<br />
handlung privater gegenüber staatlichen<br />
Anbietern durch E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />
Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuerpflicht<br />
für öffentliche Betriebe ist<br />
angezeigt.<br />
± KMU©s arbeiten im Unterschied zu<br />
Groûunternehmen <strong>in</strong> aller Regel mit<br />
hoher Arbeits<strong>in</strong>tensität. KMU©s werden<br />
damit durch die hohen Lohnzusatzkosten<br />
<strong>in</strong> Deutschland überproportional<br />
belastet. E<strong>in</strong> geeigneter Ansatz zur Entlastung<br />
von KMU©s ist durch die E<strong>in</strong>führung<br />
ökologischer Komponenten <strong>in</strong> die<br />
Steuergesetzgebung zu ermöglichen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 123<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Selbständigen/<br />
Unternehmer <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
Bundesweite E<strong>in</strong>führung<br />
von Lohnkostenzuschüssen<br />
für kle<strong>in</strong>e und mittlere<br />
Unternehmen<br />
Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> möge die bundesweite<br />
E<strong>in</strong>führung des nachfolgenden Lohnkostenzuschuûprogramms<br />
empfehlen:<br />
Betriebe bis zu 100 Mitarbeitern können<br />
pro 10 Mitarbeiter für e<strong>in</strong>e neu e<strong>in</strong>zustellende<br />
Arbeitskraft e<strong>in</strong>en Lohnkostenzuschuû<br />
von 45000 DM verteilt auf drei<br />
Jahre erhalten.<br />
Der neue Arbeitnehmer/die neue Arbeitnehmer<strong>in</strong><br />
muû m<strong>in</strong>destens 6 Monate<br />
arbeitslos gemeldet se<strong>in</strong> o<strong>der</strong> vergleichbare<br />
Zeiten als Arbeitsuchende/r nachweisen.<br />
Der Betrieb darf <strong>in</strong> den sechs Monaten vor<br />
Antragstellung ke<strong>in</strong>e betriebsbed<strong>in</strong>gten<br />
Kündigungen ausgesprochen haben. E<strong>in</strong>e<br />
betriebsbed<strong>in</strong>gte Kündigung während des<br />
För<strong>der</strong>zeitraums führt zur E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung bzw. zur Rückzahlung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>mittel.<br />
223
Die Anträge werden von den Servicegesellschaften<br />
bearbeitet, die auch die ARP<br />
Lohnkostenzuschuûprogramme (Integriertes<br />
Qualifizierungs- und Beschäftigungsprogramm,<br />
LKZ für Frauen und Frauen <strong>in</strong><br />
gewerblich-technischen Berufen) bearbeiten<br />
und ausreichen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 124<br />
Unterbezirk Kassel-Stadt<br />
(Bezirk Hessen-Nord)<br />
För<strong>der</strong>programm zugunsten<br />
<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />
Die <strong>SPD</strong>-Landtagsfraktionen, die <strong>SPD</strong>-<br />
Landesregierungen, <strong>der</strong>en Vertreter im<br />
Deutschen Bundesrat und die Mitglie<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Fraktion im Deutschen Bundestag<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, sich umgehend<br />
und nachhaltig für e<strong>in</strong> För<strong>der</strong>programm<br />
zugunsten <strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetriebe<br />
e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Dazu gehören <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />
1. Risikokapitalgesellschaften<br />
2. Investitionsdarlehen<br />
3. Investitionsson<strong>der</strong>abschreibungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
für strukturschwache Gebiete<br />
4. Ökologische Steuerreform<br />
5. För<strong>der</strong>programm für die <strong>in</strong>nerbetriebliche<br />
Qualifizierung <strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong><br />
Kle<strong>in</strong>- und Mittelbetrieben<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 125<br />
Bezirk <strong>Hannover</strong><br />
Privilegien bestimmter<br />
struktureller Unternehmen/<br />
Unternehmungen<br />
1. Die ehemaligen Bundesbehörden Deutsche<br />
Bundespost und Deutsche Bundesbahn<br />
und ihre Vorgänger wurden zu Ausgleich<br />
<strong>der</strong> sozialpolitischen<br />
224<br />
Versorgungspflicht <strong>der</strong> Bevölkerung auch<br />
im Planungs- und Baurecht gesetzlich privilegiert.<br />
Zwischenzeitlich s<strong>in</strong>d diese Unternehmen<br />
privatisiert und bewegen sich wie auch ihre<br />
unzähligen Tochterunternehmen mehr o<strong>der</strong><br />
weniger eigenständig als Aktiengesellschaften<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Marktwirtschaft. Die sozialpolitische<br />
Versorgungspflicht besteht nicht<br />
mehr. Damit ist die Grundlage <strong>der</strong> Privilegierungen<br />
entfallen.<br />
2. Daneben bestehen e<strong>in</strong>e ganze Reihe von<br />
privilegierten Vorhaben, bei denen die Bürgermitwirkung<br />
e<strong>in</strong>geschränkt o<strong>der</strong> ganz<br />
ausgeschlossen wurde. Sie beziehen sich<br />
u. a. auf Bundesfernstraûen, Schienenstrekken,<br />
Transrapid, überörtliche Energieleitungen,<br />
Renn- und Teststrecken, Nuklearlager,<br />
Abfall- und Abwasseranlagen und<br />
Freizeitgroûanlagen.<br />
Die aufgelisteten Privilegien werden kritisch<br />
überprüft, die entsprechenden gesetzlichen<br />
Grundlagen ggf geän<strong>der</strong>t!<br />
(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 126<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Gemischte Wohnstrukturen<br />
Die Erhaltung und Schaffung sozial<br />
gemischter Wohnstrukturen soll auch<br />
zukünftig angestrebt bzw. verstärkt werden.<br />
Durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte För<strong>der</strong>politik sollen<br />
auch zukünftig sozial gemischte Wohnstrukturen<br />
geschaffen werden. Angestrebt<br />
werden sollte beispielsweise e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation<br />
<strong>der</strong> Mittel für den sozialen Wohnungsbau<br />
mit Mitteln <strong>der</strong> Stadtentwicklung/Städtebauför<strong>der</strong>ung.<br />
Öffentliche<br />
Mittel sollten vorrangig <strong>in</strong> Wohnprojekte<br />
flieûen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e gemischte Belegung,<br />
d. h. e<strong>in</strong>e öffentlich-rechtliche För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Wohneigentum und
freif<strong>in</strong>anziertem Mietwohnungsbau erfolgt.<br />
Dies gilt auch für Wohnprojekte, die so im<br />
Wohnquartier plaziert werden, daû sich<br />
diese Mischung im Quartier ergibt.<br />
¾hnliche Maûnahmen s<strong>in</strong>d auch im<br />
Bestand notwendig, um hier die weitere<br />
soziale Mischung zu gewährleisten.<br />
Beim Überschreiten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenzen<br />
soll e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Leistungsfähigkeit angepaûte<br />
höhere Miete gezahlt werde. Die<br />
höhere Miete setzt sich zusammen aus <strong>der</strong><br />
Sozialmiete und e<strong>in</strong>em Mietenausgleich.<br />
Aus dr<strong>in</strong>genden wohnungspolitischen<br />
Gründen (Gefahr <strong>der</strong> sozialen Entmischung)<br />
kann auf den Mietenausgleich<br />
ganz o<strong>der</strong> teilweise verzichtet werden,<br />
wenn dies Bestandteil e<strong>in</strong>er Gesamtkonzeption<br />
zur Stabilisierung des Wohnungsviertels<br />
ist. Unabhängig davon darf die<br />
<strong>in</strong>sgesamt zuzahlende Miete den Mittelwert<br />
<strong>der</strong> Mietspiegelmiete nicht überschreiten.<br />
E<strong>in</strong> Mietenausgleich kann erhoben werden<br />
bei e<strong>in</strong>er Überschreitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenzen,<br />
er wird verpflichtet erhoben ab<br />
e<strong>in</strong>er Überschreitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensgrenzen<br />
um 25 % und orientiert sich prozentual<br />
am Differenzbetrag zwischen<br />
Sozialmiete und ortsüblicher Vergleichsmiete.<br />
E<strong>in</strong>e entsprechende Vere<strong>in</strong>heitlichung<br />
ist notwendig , um die nicht zu vermittelnden<br />
Unterschiede zwischen<br />
e<strong>in</strong>zelnen Bundeslän<strong>der</strong>n aufzuheben. Den<br />
Län<strong>der</strong>n verbleibt aber weiterh<strong>in</strong> die differenzierte<br />
Ausgestaltung.<br />
Das Aufkommen aus dem Mietenausgleich<br />
müssen die Län<strong>der</strong> weiterh<strong>in</strong> dem sozialen<br />
Wohnungsbau zukommen lassen. Die aus<br />
den Baujahrgängen resultierenden zufälligen<br />
Unterschiede bei <strong>der</strong> Kostenmiete und<br />
die daraus resultierenden, vielfach als ungerecht<br />
angesehenen Belastungen für Mieterhaushalte<br />
mit gleichem E<strong>in</strong>kommen werden<br />
durch die genannte Ausgestaltung des<br />
Mietenausgleiches beseitigt.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 127<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Barrierefreies Bauen soll<br />
Verpflichtung<br />
werden<br />
Die Vorschrift über barrierefreies Bauen<br />
sollen <strong>in</strong> die Musterbauordnung aufgenommen<br />
werden. Damit ist <strong>der</strong> Weg frei, <strong>in</strong><br />
Zukunft beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenfreundliches (seniorenfreundliches)<br />
Bauen bei Mehrfamilienhäusern<br />
obligatorisch zu machen. In Gebäuden<br />
mit mehr als zwei Wohnungen muû m<strong>in</strong>destens<br />
e<strong>in</strong> Geschoû barrierefrei errichtet<br />
werden. Damit soll ermöglicht werden, daû<br />
Wohn- und Schlafräume, Toilette, Bad und<br />
Küche mit dem Rollstuhl zugänglich s<strong>in</strong>d.<br />
In die Musterbauordnung muû ebenfalls<br />
mit aufgenommen werden, daû öffentliche<br />
Gebäude (wie Behörden, K<strong>in</strong>os, Theater<br />
etc.) nur nach <strong>der</strong> neuen Planungsnorm<br />
18024, Teil I gebaut werden dürfen. Dies<br />
würde bedeuten, daû Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen<br />
aller Art sowie ältere Menschen<br />
am normalen Leben teilnehmen können<br />
und nicht ausgeglie<strong>der</strong>t werden.<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tengerechtes Bauen ist Bauen für<br />
die Zukunft. Die Nachfrage wird sich <strong>in</strong><br />
den nächsten Jahren stark erhöhen.<br />
(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 128<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Die För<strong>der</strong>ung des genossenschaftlichen<br />
Wohnungsbau soll<br />
verstärkt werden<br />
Die Stärkung des Selbsthilfegedankens, die<br />
Mobilisierung zusätzlichen privaten Kapitals,<br />
die Senkung <strong>der</strong> Baukosten durch die<br />
Eigenleistung <strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong><br />
s<strong>in</strong>d wesentliche Gründe für e<strong>in</strong>e<br />
stärkere Berücksichtigung des genossenschaftlichen<br />
Wohnungsbaus und e<strong>in</strong>e Weiterentwicklung<br />
dieser Eigentumsform<br />
225
zugunsten von Haushalten mit ger<strong>in</strong>gem<br />
E<strong>in</strong>kommen.<br />
Deshalb soll auch <strong>der</strong> Erwerb von<br />
Geschäftsanteilen von bestehenden Genossenschaften<br />
steuerlich geför<strong>der</strong>t werden,<br />
und zwar für den Neubau genossenschaftlicher<br />
Wohnungen wie für die Erneuerung<br />
genossenschaftlicher Wohnungsbestände.<br />
E<strong>in</strong>e Eigentumsorientierung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> Anlehnung an das Eigenheimzulagengesetz<br />
bleibt ausgeschlossen, weil dies den<br />
Ausverkauf <strong>der</strong> von Zustand und Lage her<br />
<strong>in</strong>teressanten Genossenschaftswohnungen<br />
nach sich ziehen würde.<br />
Die Abgeltung des f<strong>in</strong>anziellen Engagements<br />
<strong>der</strong> Genossenschaftsmitglie<strong>der</strong> seitens<br />
<strong>der</strong> Genossenschaften erfolgt statt dessen<br />
über an<strong>der</strong>e Regelungen, beispielsweise<br />
durch e<strong>in</strong>e differenzierte Verz<strong>in</strong>sung <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>lage und <strong>der</strong> Sicherung preiswerten<br />
Wohnraumes.<br />
E<strong>in</strong> langfristiger Verbleib <strong>der</strong> Geschäftsanteile<br />
<strong>in</strong> den Wohnungsgenossenschaften ist<br />
notwendig, um diesen e<strong>in</strong>e verläûliche Planung<br />
zu ermöglichen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 129<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Die ökologischen Steuerungsmöglichkeiten<br />
im sozialen<br />
Wohnungsbau müssen verstärkt<br />
werden<br />
Die För<strong>der</strong><strong>in</strong>strumente des sozialen Wohnungsbaus<br />
müssen zukünftig stärker mit<br />
ökologischen Zielen verknüpft werden.<br />
Dazu zählt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Präferenz <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung des kosten- und flächensparenden<br />
Wohnungsbaus im Eigentum und im<br />
Mietwohnungsbau von selbstgenutzten<br />
alle<strong>in</strong>stehenden E<strong>in</strong>- und Zwei-Familienhäusern.<br />
Die För<strong>der</strong>ung kosten- und flächensparen<strong>der</strong><br />
Projekte (variable Mehrfamilienhäuser,<br />
Stadthäuser, Modelle zum<br />
226<br />
urbanen, verdichteten und dennoch <strong>in</strong>dividuellen<br />
Wohnen) müssen gegenüber <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>ung alle<strong>in</strong>stehen<strong>der</strong> E<strong>in</strong>- und Zweifamilienhäuser<br />
günstiger gestaltet werden.<br />
Auf diese Weise werden stärkere Anreize<br />
für ökologisch ausgerichtete Bauvorhaben<br />
geschaffen.<br />
Entsprechende Vorrangregelungen sollten<br />
auch <strong>in</strong> das Eigenheimzulagegesetz und <strong>in</strong><br />
die För<strong>der</strong>ung des freif<strong>in</strong>anzierten Mietwohnungsbaus<br />
E<strong>in</strong>gang f<strong>in</strong>den. Auf diese<br />
Weise kann <strong>der</strong> Versiegelung weitere Flächen<br />
und <strong>der</strong> fortschreitenden Suburbanisierung<br />
entgegengewirkt werden. Zusätzlich<br />
muû die För<strong>der</strong>politik städtebauliche<br />
und verkehrliche Belange berücksichtigen.<br />
Allen För<strong>der</strong>maûnahmen soll <strong>der</strong> Standard<br />
des Niedrigenergiehauses zugrunde gelegt<br />
werden. Unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> konsequenten<br />
Verwendung umweltverträglicher<br />
Baumaterialien kann damit mittelfristig<br />
e<strong>in</strong>e ökologische Wende im Wohnungsbau<br />
vollzogen werden.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 132<br />
Landesverband Thür<strong>in</strong>gen<br />
Kreisverband Gotha<br />
(Landesverband Thür<strong>in</strong>gen)<br />
Abwasserbeseitigung<br />
Der schrittweise Aufbau e<strong>in</strong>er leistungsfähigen<br />
Abwasserbeseitigung unter den gegenwärtigen<br />
Umständen erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>deutig<br />
e<strong>in</strong>e flexiblere Zeitvorgabe. Die Bundestags-<br />
und Europaabgeordneten sollen sich<br />
dafür e<strong>in</strong>setzen, daû e<strong>in</strong>e Ausnahmeregelung<br />
geschaffen wird, die es den Kommunen<br />
<strong>in</strong> den neuen Län<strong>der</strong>n ermöglicht, ihre<br />
Investitionen im Abwasserbereich über die<br />
bisher nach den EG-Richtl<strong>in</strong>ien vorgesehenen<br />
Fristen h<strong>in</strong>aus zu strecken.<br />
Die Bundestagsfraktion soll überprüfen, ob<br />
e<strong>in</strong>e Lockerung <strong>der</strong> Bauvorschriften für<br />
Abwasseranlagen möglich ist. Wir verlangen<br />
im Abwasserbereich, die technischen<br />
Vorschriften so zu optimieren, daû sie<br />
bezahlbar bleiben. Es darf ke<strong>in</strong> technischer<br />
Luxus entstehen.
Die Bundestagsfraktion soll sich dafür e<strong>in</strong>setzen,<br />
daû die neuen Bundeslän<strong>der</strong> über<br />
erhöhte Bundeszuweisungen <strong>in</strong> die Lage<br />
versetzt werden, höhere För<strong>der</strong>mittel für<br />
Abwasseranlagen auszureichen.<br />
(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion<br />
und deutsche Gruppe <strong>der</strong> Sozialdemokraten<br />
im Europäischen Parlament)<br />
Antrag I 133<br />
Landesverband Saar<br />
Postfilialkonzept<br />
Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
und die <strong>SPD</strong>-Landesregierungen<br />
auf, beim Bundesm<strong>in</strong>ister für Post und<br />
Telekommunikation darauf h<strong>in</strong>zuwirken,<br />
daû das <strong>der</strong>zeitige ¹Postfilialkonzeptª <strong>der</strong>-<br />
Deutschen Post AG entsprechend den<br />
Erfor<strong>der</strong>nissen von Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern,<br />
also <strong>der</strong> Kunden <strong>der</strong> Post AG, umgestaltet<br />
wird.<br />
Z. Zt. ist dieses Konzept nicht auf Infrastruktursicherung<br />
son<strong>der</strong>n auf Infrastrukturabbau<br />
ausgelegt. Massenhafte Schlieûungen<br />
posteigener Filialen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />
gefährlicher ± e<strong>in</strong> falscher Weg. Die ¹posteigene<br />
Filialeª muû auch <strong>in</strong> Zukunft das<br />
Rückgrat des Filialvertriebs bleiben. Im<br />
Rahmen e<strong>in</strong>es Konzeptes sog. ¹Mittelpunktfilialenª<br />
ist für die privaten und die<br />
geschäftlichen Kunden e<strong>in</strong>e gute Erreichbarkeit<br />
posteigener Filialen sicherzustellen.<br />
Für durchschnittlich 10000 E<strong>in</strong>wohner<br />
muû m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e posteigene Filiale zur<br />
Verfügung stehen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktionen)<br />
227
Umwelt, Energie- und Verkehrspolitik<br />
Antrag I 136<br />
Bezirk Hessen-Süd<br />
Politik für e<strong>in</strong> zukunftsfähiges<br />
Deutschland<br />
I.<br />
Die Bundesrepublik ist mit zwei groûen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen konfrontiert: Die fortschreitende<br />
Zerstörung <strong>der</strong> natürlichen<br />
Lebensgrundlagen und die anhaltend hohe<br />
Massenarbeitslosigkeit mit ihren bedrohlichen<br />
Folgen für den sozialen Zusammenhalt<br />
und Stabilität unserer Demokratie.<br />
E<strong>in</strong> Kurswechsel ist notwendig, denn mit<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Politik ist we<strong>der</strong> die<br />
Umweltzerstörung noch die Beschäftigungskrise<br />
zu beseitigen. Deshalb ist es<br />
falsch, Wirtschaftswachstum gegen Sozialstaat<br />
o<strong>der</strong> Umweltschutz auszuspielen.<br />
Schlimmer noch: Damit werden die groûen<br />
Chancen vertan, die sich aus e<strong>in</strong>er Politik<br />
<strong>der</strong> ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung ergeben,<br />
zu mehr Innovationen und Beschäftigung<br />
zu kommen.<br />
Die <strong>SPD</strong> will das Zukunftsbündnis für<br />
Arbeit und Umwelt. Es br<strong>in</strong>gt unserem<br />
Land e<strong>in</strong>e vierfache Dividende:<br />
1. E<strong>in</strong>e soziale Dividende, weil dieses<br />
Bündnis e<strong>in</strong>en wirksamen Beitrag zum<br />
Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und zur Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> sozialen Sicherheit leistet.<br />
2. E<strong>in</strong>e ökonomische Dividende, weil es<br />
den Strukturwandel för<strong>der</strong>t, die Innovationskräfte<br />
stärkt und die ökologischen<br />
Zukunftsmärkte erschlieût.<br />
3. E<strong>in</strong>e ökologische Dividende, weil die<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung zu e<strong>in</strong>er deutlichen Verr<strong>in</strong>gerung<br />
<strong>der</strong> Umweltbelastungen führt.<br />
4. E<strong>in</strong>e politische Dividende, weil es die<br />
Grundlage für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale<br />
Kooperation und e<strong>in</strong>e nationale Vorrei-<br />
228<br />
terrolle schafft, die das Ansehen <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik für e<strong>in</strong>e friedliche Weltordnung<br />
verbessert.<br />
II.<br />
Die Menschheit ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong> globales Zeitalter<br />
e<strong>in</strong>getreten. Im Unterschied zu früher wird<br />
die Globalisierung heute von <strong>der</strong> Auflösung<br />
<strong>der</strong> bisherigen Ordnung von Zeit und<br />
Raum geprägt und vorangetrieben. Die<br />
Globalisierung ist nicht mehr die Erweiterung<br />
des Lokalen, son<strong>der</strong>n heute bestimmen<br />
die globalen Bed<strong>in</strong>gungen zunehmend<br />
die Entwicklung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Nationen<br />
und Gesellschaften.<br />
Ohne politische Rahmensetzung kommen<br />
die globalen Ungleichheiten und Probleme<br />
<strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Län<strong>der</strong> zurück. Denn vor<br />
uns baut sich e<strong>in</strong>e verschmutzte, ökologisch<br />
<strong>in</strong>stabile, überbevölkerte und <strong>in</strong> ihrem<br />
Reichtum höchst ungleich verteilte Welt<br />
auf. So beschreiben die Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />
den Zustand <strong>der</strong> Erde. Zugleich verschärft<br />
sich die ungleiche ökonomische Konkurrenz.<br />
Die Weltwirtschaft wird bestimmt<br />
vom Diktat <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen F<strong>in</strong>anzmärkte<br />
<strong>in</strong> dem aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmten<br />
Devisen- und Börsensystem.<br />
Auf den globalen Märkten ohne Koord<strong>in</strong>ation,<br />
Grenzen und wirksame Regeln nehmen<br />
nicht nur die Umweltprobleme zu,<br />
son<strong>der</strong>n kommen mit <strong>der</strong> Verfestigung <strong>der</strong><br />
Massenarbeitslosigkeit und <strong>der</strong> Zunahme<br />
<strong>der</strong> Arbeit auch die sozialen Fragen zurück,<br />
die <strong>in</strong> den vergangenen Jahrzehnten <strong>in</strong> den<br />
westlichen Län<strong>der</strong>n entschärft schienen.<br />
Die Globalisierung eröffnet aber auch neue<br />
Möglichkeiten und Chancen, wenn wir sie<br />
als Auffor<strong>der</strong>ung zur Gestaltung e<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong>ternationalen Zusammenarbeit nehmen,<br />
über die wir weltweit die Durchsetzung<br />
von mehr Demokratie, sozialen Rechten<br />
und ökologischer Vorsorge möglich<br />
machen. Die Vernetzung von Informatio-
nen und Diskursen eröffnet diese Perspektive<br />
politisch wie zivilgesellschaftlich. Das<br />
setzt voraus, daû sich die Gesellschaften<br />
auf geme<strong>in</strong>same Ziele verständigen und die<br />
Politik, die Gestaltungskraft für die Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft gew<strong>in</strong>nt, um sie <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> neues und dauerhaftes Gleichgewicht<br />
zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Die globalen Herausfor<strong>der</strong>ungen erfor<strong>der</strong>n<br />
neue soziale und ökologische Antworten.<br />
Willy Brandt, Gro Harlem Brundtland und<br />
Olof Palme haben dafür entscheidende<br />
programmatische Grundlagen geschaffen:<br />
Palme ist für das Konzept <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen<br />
Sicherheit verantwortlich gewesen,<br />
Brandt hat mit se<strong>in</strong>em Bericht ¹Das Überleben<br />
sichernª e<strong>in</strong>e Basis für die Nord-<br />
Süd-Zusammenarbeit geschaffen und Gro<br />
Harlem Brundtland hat mit dem Kommissionsergebnis<br />
¹Unsere geme<strong>in</strong>same<br />
Zukunftª die wichtigsten Empfehlungen<br />
für die Zusammenführung von Umwelt<br />
und Entwicklung gegeben. Diese Vorschläge<br />
waren entscheidende Grundlagen<br />
für den Erdgipfel von 1992.<br />
Rio war e<strong>in</strong> Zeichen <strong>der</strong> Hoffnung auf e<strong>in</strong>e<br />
friedliche, gerechte und stabile Welt. Die<br />
<strong>SPD</strong> fühlt sich <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise verpflichtet,<br />
die Vorgaben des Erdgipfels mit<br />
Leben zu erfüllen. Wir wollen mit e<strong>in</strong>er<br />
groûen Geme<strong>in</strong>schaftsanstrengung unser<br />
Land zukunftsfähig machen. Durch politische<br />
Rahmensetzung müssen wirtschaftliche<br />
Entscheidungen dauerhaft mit sozialer<br />
Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit<br />
verbunden werden. Das ist e<strong>in</strong>e<br />
Perspektive, die Fortschritt möglich macht,<br />
den Zusammenhalt <strong>der</strong> Gesellschaft sichert<br />
und den heutigen wie künftigen Menschen<br />
Sicherheit gibt.<br />
Die Leitidee von Rio heiût Nachhaltigkeit.<br />
In ihr werden wissenschaftliche, soziale<br />
und ökologische Ziele gleichberechtigt<br />
mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verbunden und gebündelt.<br />
Unter Nachhaltigkeit ist e<strong>in</strong>e Entwicklung<br />
zu verstehen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> ¹die Bedürfnisse <strong>der</strong><br />
heutigen Generation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise erfüllt<br />
werden, daû sie die Möglichkeiten zukünftiger<br />
Generationen nicht gefährden.ª<br />
Der wichtigste Ansatz für diese Vision ist<br />
die E<strong>in</strong>führung des Faktors Zeit, wie <strong>der</strong><br />
Sachverständigenrat für Umweltfragen die<br />
Aufgabe <strong>der</strong> Nachhaltigkeit def<strong>in</strong>iert hat.<br />
Im Zentrum steht die Chancengleichheit<br />
zwischen den heute lebenden Menschen<br />
und den künftigen Generationen, also zwischen<br />
uns und den Nachgeborenen. Nachhaltigkeit<br />
ist die unmittelbare E<strong>in</strong>beziehung<br />
von Zukunftsverantwortung <strong>in</strong> die<br />
heutigen Entscheidungen von Wirtschaft<br />
und Gesellschaft.<br />
Die Ausrichtung <strong>der</strong> Politik an den Vorgaben<br />
von Rio ist die Alternative zur bes<strong>in</strong>nungslosen<br />
Anpassung <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
an die Zwänge <strong>der</strong> globalen Märkte,<br />
<strong>der</strong>en Folgen Ausgrenzung und Spaltung<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft, die Verfestigung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
und die Verschärfung<br />
<strong>der</strong> Umweltzerstörung s<strong>in</strong>d. Wir setzen<br />
gegen diese Politik <strong>der</strong> Unterordnung, die<br />
letztlich die Demokratie gefährdet, das<br />
Konzept <strong>der</strong> Nachhaltigkeit durch die<br />
soziale und ökologische Gestaltung <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsprozesse.<br />
Wir wollen das Bündnis von Arbeit und<br />
Umwelt, um die ökologischen Zukunftsmärkte<br />
zu erschlieûen, die von groûer<br />
Bedeutung für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit,<br />
die Schaffung neuer<br />
Arbeitsplätze und den Schutz <strong>der</strong> natürlichen<br />
Lebensgrundlagen s<strong>in</strong>d. Dazu wollen<br />
wir unser Land zu e<strong>in</strong>em Vorreiter <strong>der</strong><br />
ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung machen. Sie<br />
ist die Chance, unser Land zukunftsfähig<br />
zu machen und zugleich e<strong>in</strong>en Beitrag für<br />
e<strong>in</strong>e gerechte, friedliche und stabile Weltordnung<br />
zu leisten. Diese Politik wird um<br />
so erfolgreicher se<strong>in</strong>, wenn es uns gel<strong>in</strong>gt,<br />
auch die Europäische Union zu e<strong>in</strong>er<br />
Nachhaltigkeitsunion zu machen.<br />
III.<br />
Die Menschheit ist dabei, unseren geme<strong>in</strong>samen<br />
Lebensraum, den Planeten Erde mit<br />
se<strong>in</strong>en endlichen Ressourcen und straffälligen<br />
Ökosystemen grundlegend zu verän<strong>der</strong>n.<br />
Wie die reale Gefahr e<strong>in</strong>er globalen<br />
Klimakatastrophe zeigt, wird sogar e<strong>in</strong>e<br />
ökologische Selbstzerstörung denkbar. Nur<br />
geeignete Gegenmaûnahmen, wie sie <strong>der</strong><br />
229
Erdgipfel von Rio aufgezeigt hat, können<br />
die Zukunft <strong>der</strong> menschlichen Zivilisation<br />
sichern. Wir stellen uns dieser Verantwortung.<br />
Die Wechselwirkungen zwischen Mensch<br />
und Umwelt s<strong>in</strong>d so alt wie unsere Zivilisation<br />
selbst. Seit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Revolution<br />
hat die Menschheit die Fähigkeit zu<br />
Wachstum und Beschleunigung, zu Verän<strong>der</strong>ung<br />
und Vermehrung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zigartiger<br />
Weise gesteigert. Diese beispiellose<br />
Zunahme an Geschw<strong>in</strong>digkeit, Komplexität<br />
und Ausmaû haben e<strong>in</strong>e äuûerst problematische<br />
Dimension gegeben. Ökologische<br />
Grenzen werden sichtbar. Die Zerstörung<br />
<strong>der</strong> Natur und die Schädigungen <strong>der</strong><br />
Gesundheit machen uns täglich ärmer. In<br />
den letzten Jahrzehnten ist die Erkenntnis<br />
gewachsen, daû diese Entwicklung auf<br />
Dauer nicht mit den begrenzten Bed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>der</strong> Erde zu vere<strong>in</strong>baren ist. Deshalb<br />
müssen wir zu e<strong>in</strong>er maûvollen Nutzung<br />
<strong>der</strong> Ressourcen kommen, die die Grundlagen<br />
des menschlichen Lebens nicht zerstört.<br />
Seit Anfang des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts hat sich<br />
die Weltbevölkerung verachtfacht und die<br />
durchschnittliche Lebensdauer mehr als<br />
verdoppelt. Der Güterverkehr und die<br />
Arbeitsteilung haben e<strong>in</strong>en globalen Charakter<br />
angenommen. Alle<strong>in</strong> das <strong>in</strong>ternationale<br />
Handelsvolumen hat sich um den Faktor<br />
900 erhöht und macht heute über e<strong>in</strong><br />
Drittel des globalen Bruttosozialprodukts<br />
aus. Die weltweite Vernetzung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />
Informationstechnologien und Transportmittel,<br />
<strong>der</strong>en Kosten nicht die ökologische<br />
und soziale Wahrheit sagen, bewirken<br />
die Auflösung <strong>der</strong> bisherigen Ordnung von<br />
Zeit und Raum. Dadurch werden Produktivität<br />
und Globalisierung weiter gesteigert.<br />
E<strong>in</strong> weiterer bedeutsamer Faktor ist die<br />
weltweite Zirkulation und Umwandlung<br />
von chemischen Elementen wie Kohlenstoff,<br />
Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und<br />
Schwefel ± allesamt Grundstoffe des<br />
Lebens. In Form von Kohlendioxid,<br />
Methan o<strong>der</strong> Stockoxiden werden die <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Atmosphäre angereichert und verän<strong>der</strong>n<br />
dort das globale Klima.<br />
230<br />
Wie gravierend die E<strong>in</strong>griffe <strong>in</strong> die Natur<br />
s<strong>in</strong>d, zeigt sich auch an <strong>der</strong> Verarmung <strong>der</strong><br />
Landschaften. In den letzten 200 Jahren<br />
s<strong>in</strong>d über sechs Millionen Quadratkilometer<br />
Wald verlorengegangen. Das ist rund<br />
die Hälfte <strong>der</strong> Fläche Europas. In groûen<br />
Flüssen hat sich die Sedimentfracht verdreifacht.<br />
Durch die Intensivierung <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft wird heute achtmal soviel<br />
wertvolle Bodenkrume weggespült wie vor<br />
300 Jahren.<br />
IV.<br />
Mit dem Wissen um die Umweltgefahren<br />
s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Wissenschaft, Wirtschaft und<br />
Gesellschaft, vor allem aber <strong>der</strong> Politik,<br />
e<strong>in</strong>e groûe Verantwortung zugewachsen,<br />
<strong>der</strong> sie bislang nicht gerecht werden. Das<br />
gilt auch für unser Land, wo die Bundesregierung<br />
für den lähmenden Wi<strong>der</strong>spruch<br />
zwischen Ankündigungen und Taten verantwortlich<br />
ist.<br />
Die klimaschädlichen CO 2-Emissionen steigen<br />
seit Ende 1995 auch gesamtdeutsch<br />
wie<strong>der</strong> deutlich an; <strong>in</strong> den Gewässern<br />
nimmt <strong>der</strong> Anteil hormonell wirken<strong>der</strong><br />
Stoffe zu; <strong>der</strong> Flächenverbrauch ist ungebrochen;<br />
<strong>der</strong> Verlust an biologischer Vielfalt<br />
schreitet weiter voran. Damit wird<br />
nicht nur das Notwendige versäumt, es<br />
werden auch groûe Zukunftschancen vertan.<br />
Unser Land hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Umweltpolitik deutlich<br />
an Boden verloren. Beim Export von<br />
Umwelttechnologien ist die Bundesrepublik<br />
nach <strong>der</strong> OECD-Statistik vom 1. auf<br />
den 3. Platz zurückgefallen. Bei den<br />
Umweltabgaben rangiert die Bundesrepublik<br />
im EU-Vergleich am unteren Ende.<br />
Bei <strong>der</strong> Besteuerung e<strong>in</strong>zelner Energieträger<br />
liegt sie im unteren Mittelfeld.<br />
Dänemark, Schweden und die Nie<strong>der</strong>lande<br />
haben e<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform<br />
durchgeführt, F<strong>in</strong>nland ist auf dem Weg<br />
dazu. In acht EU-Län<strong>der</strong>n existiert bereits<br />
e<strong>in</strong>e komb<strong>in</strong>ierte Energie/CO 2-Steuer. Das<br />
zeigt: Die Bundesrepublik ist durch die<br />
politische Untätigkeit <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
dabei, auf e<strong>in</strong>em entscheidenen Zukunftsfeld<br />
deutlich zurückzufallen.
Die Chancen, die Ökologie zum Motor für<br />
die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu<br />
machen, werden von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
nicht genutzt. Die Umweltpolitik ist von<br />
Stagnation und Rückschritt gekennzeichnet.<br />
Das Versagen beim Klimaschutz o<strong>der</strong><br />
das Abblocken e<strong>in</strong>er ökologischen Steuerreform<br />
zeigen, daû die Bundesregierung<br />
althergebrachten, untauglichen Denkweisen<br />
verhaftet ist. Die Ökologie wird gegen<br />
Wachstum und Beschäftigung gestellt.<br />
Doch je länger mit <strong>der</strong> ökologischen<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung gewartet wird, desto<br />
schneller und härter werden wir von den<br />
Folgen <strong>der</strong> Umweltzerstörung getroffen<br />
werden.<br />
V.<br />
Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung ist nicht<br />
die nachträgliche Beseitigung e<strong>in</strong>getretener<br />
Schäden. Die Grenzen dieser Umweltpolitik<br />
s<strong>in</strong>d weitgehend erreicht. Das zeigen<br />
die Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> ökologischen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung.<br />
Während es früher um örtlich und regional<br />
begrenzte Umweltverschmutzung g<strong>in</strong>g,<br />
werden heute ± wie beim Abbau <strong>der</strong><br />
lebensschützenden Ozonschicht ± ganze<br />
Kont<strong>in</strong>ente und sogar die Erde <strong>in</strong>sgesamt<br />
<strong>in</strong> Mitleidenschaft gezogen. Während es<br />
früher <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>en engen und<br />
unmittelbaren Zusammenhang zwischen<br />
Ursache und Wirkung <strong>der</strong> Umweltschäden<br />
gab, werden heute ± zum Beispiel durch<br />
die rund 40jährige Anpassungsfrist von Klimaän<strong>der</strong>ungen<br />
± die Folgen oftmals erst<br />
viel später sichtbar.<br />
Waren früher die Verän<strong>der</strong>ungen meistens<br />
kurzfristig und reversibel, so betreffen sie<br />
heute ± so die Entsorgung von Chemieabfällen<br />
o<strong>der</strong> von Atombrennstäben ± unzählige<br />
Generationen. Handelte es sich früher<br />
um überschaubare Konflikte zwischen<br />
Umwelt und Nutzern, haben wir es heute<br />
immer häufiger mit vielfach nicht vorhersehbaren<br />
Rückkoppelungen zu tun, wie <strong>der</strong><br />
Zusammenhang zwischen Energieversorgung,<br />
Landwirtschaft und Aufheizung des<br />
Treibhauseffekts zeigt.<br />
So rasch unser Wissen <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />
auch vorangeschritten ist, genügt<br />
es doch nicht, verläûliche Aussagen zu<br />
machen, wie viele E<strong>in</strong>griffe die natürlichen<br />
Systeme vertragen und wo die Belastungsgrenzen<br />
für e<strong>in</strong>e auf Dauer angelegte Entwicklung<br />
<strong>der</strong> menschlichen Zivilisation liegen.<br />
Die Quantenphysik hat bereits <strong>in</strong> den<br />
20er Jahren entdeckt, daû manche Reaktionen<br />
überhaupt nicht vorhersehbar s<strong>in</strong>d.<br />
Diese pr<strong>in</strong>zipielle Unsicherheit muû zudem<br />
vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> globalen Dynamik<br />
± <strong>der</strong> groûen Ungleichheit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Welt, dem Bevölkerungswachstum und<br />
dem Nachholbedarf <strong>der</strong> groûen Mehrheit<br />
aller Län<strong>der</strong> ± gesehen werden. Zwar ist<br />
ermutigend, daû die Zuwachsrate <strong>der</strong><br />
Weltbevölkerung fast überall abnimmt.<br />
Aber selbst wenn dieser Trend anhält, wird<br />
sich die Zahl <strong>der</strong> Menschen im nächsten<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t aller Voraussicht nach noch<br />
e<strong>in</strong>mal verdoppeln. Dieser Zuwachs wird<br />
weit überwiegend auf die heute ärmeren<br />
und armen Län<strong>der</strong> entfallen.<br />
Nach den Berechnungen <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen muû sich <strong>in</strong> den nächsten 50 Jahren<br />
das Volumen <strong>der</strong> Weltwirtschaft m<strong>in</strong>destens<br />
verfünf-, wahrsche<strong>in</strong>lich sogar verzehnfachen,<br />
wenn die Grundbedürfnisse<br />
und bescheidensten Ansprüche <strong>der</strong> künftigen<br />
Weltbevölkerung erfüllt werden sollen.<br />
Ohne radikale ökologische Reformen<br />
wären die Folgen e<strong>in</strong>es solchen Wachstums<br />
für die schon heute stark belastete Umwelt<br />
verheerend.<br />
Diese Fakten lassen nur den Schluû zu:<br />
Die Wissenschaft kann die ökologischen<br />
Fragen, die eng mit wirtschaftlichen und<br />
sozialen Interessen verbunden s<strong>in</strong>d, nur<br />
beleuchten und untersuchen, nicht aber<br />
beantworten. Das kann auch <strong>der</strong> globale<br />
Markt nicht, dessen Dynamik gegenüber<br />
sozialen und ökologischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
bl<strong>in</strong>d ist. Deshalb ist es zuerst die Aufgabe<br />
<strong>der</strong> Politik, dafür die Verantwortung zu<br />
übernehmen.<br />
Jetzt steht <strong>der</strong> ökologische Strukturwandel<br />
h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er ressourceneffizienten und<br />
energieschonenden Wirtschaft auf <strong>der</strong><br />
231
Tagesordnung. Er hat drei wichtige Ziele.<br />
Der vorsorgende Schutz <strong>der</strong> natürliche<br />
Lebensgrundlagen, <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz energieund<br />
ressourcenschonen<strong>der</strong> Technologien<br />
und die weitgehende Ausrichtung <strong>der</strong><br />
Wirtschaftsprozesse an Kreislaufprozessen.<br />
VI.<br />
Die <strong>SPD</strong> begrüût das hohe Umweltbewuûtse<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> unserer Gesellschaft. Es hat<br />
dazu beigetragen, Wertvorstellungen und<br />
Verhaltensweisen zu verän<strong>der</strong>n. In <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik gibt es e<strong>in</strong>e breite Zustimmung<br />
für die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung:<br />
Doch so wichtig und notwendig <strong>in</strong>dividuelles<br />
Umdenken auch ist, alle<strong>in</strong> reicht es<br />
nicht aus. Notwendig s<strong>in</strong>d vor allem Reformen<br />
<strong>in</strong> Wirtschaft und Gesellschaft. Entscheidungen<br />
müssen so organisiert werden,<br />
daû es zu e<strong>in</strong>er auf Dauer angelegten,<br />
sozial- und umweltgerechten Entwicklung<br />
kommt.<br />
Die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung ist <strong>der</strong><br />
wichtigste Ansatzpunkt, um unser Land<br />
zukunftsfähig zu machen. Es existieren<br />
groûe, bisher nicht genutzte Möglichkeiten<br />
für den schonenden E<strong>in</strong>satz von Energie,<br />
Ressourcen und Flächen sowie die Entwicklung<br />
solarer Technologien. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Energieversorgung s<strong>in</strong>d E<strong>in</strong>sparpotentiale<br />
von rund 45 Prozent nachgewiesen,<br />
wenn die beste verfügbare Technik zum<br />
E<strong>in</strong>satz käme.<br />
Auch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> regenerativen Energien<br />
kann <strong>in</strong> kurzer Zeit vervierfacht werden.<br />
Viele dieser Investitionen würden sich<br />
schon nach kurzer Zeit bezahlt machen.<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung für die Nutzung<br />
dieser Chancen ist auch <strong>der</strong> Ausstieg<br />
aus <strong>der</strong> Atomkraft, die heute mit ihren<br />
hohen Kapazitäten und wirtschaftlichen<br />
Zwängen den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die E<strong>in</strong>spar- und<br />
Solarwirtschaft blockiert.<br />
Bessere Wärmedämmung, sparsame<br />
Geräte, Masch<strong>in</strong>en und Fahrzeuge o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Durchbruch <strong>der</strong> regenerativen Energieträger<br />
bedeuten die Substitution von Energieimporten<br />
und Energiekosten durch<br />
Ingenieurwissen, Qualifikation und Dienstleistungen.<br />
Wir för<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en Technologie-<br />
232<br />
pfad, <strong>der</strong> die Zukunftsmärkte erschlieût<br />
und die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
verbessert. Anlagesuchendes Kapital<br />
wird durch Contract<strong>in</strong>g, Risiko- und Beteiligungskapital<br />
gezielt <strong>in</strong> diese Bereiche<br />
gelenkt.<br />
Die Wirtschaft <strong>der</strong> Zukunft nutzt umweltverträgliche<br />
Werkstoffe, m<strong>in</strong>imiert den<br />
Materiale<strong>in</strong>satz, verr<strong>in</strong>gert den Reststoffanfall<br />
und erzeugt hochwertige und langlebige<br />
Produkte, die sich so weit wie möglich<br />
nach dem Gebrauch <strong>in</strong> die ökologischen<br />
Kreisläufe zurückführen lassen. Die Verr<strong>in</strong>gerung<br />
des Energie- und Rohstoffe<strong>in</strong>satzes<br />
auf e<strong>in</strong> Viertel des heutigen Umsatzes<br />
(Faktor 4) ist e<strong>in</strong> ehrgeiziges Ziel. An diesem<br />
Ziel orientieren wir den ökologischen<br />
Strukturwandel. Dafür brauchen wir e<strong>in</strong>e<br />
ökologische Stoffwirtschaft, die auf e<strong>in</strong>er<br />
<strong>in</strong>tegrierten Ressourcenplanung aufbaut.<br />
Beispiele <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aus den USA zeigen,<br />
daû mit diesem Instrument die Marktwirtschaft<br />
ökologische Zielsetzungen auf<br />
e<strong>in</strong>e effiziente Weise umsetzen kann.<br />
Die ökologische Steuerreform ist <strong>der</strong> wichtigste<br />
E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Strukturwandel. Die<br />
schrittweise und langfristig angelegte Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Kosten für Energie, Rohstoffe,<br />
Emissionen und Flächen bei gleichzeitiger<br />
Senkung <strong>der</strong> Steuer- und Abgabenlast auf<br />
den Faktor Arbeit för<strong>der</strong>t gleichermaûen<br />
Beschäftigung und die ökologischen<br />
Zukunftsmärkte. Dies verbessert auch die<br />
Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Marktprozesse,<br />
denn es kommt zu e<strong>in</strong>er stärkeren Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> externen Kosten.<br />
Deshalb wollen wir e<strong>in</strong>e Aufbruchstimmung<br />
für die ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
erzeugen. Durch rechtliche und ökonomische<br />
Rahmensetzungen <strong>in</strong> Forschung,<br />
Wirtschaft und Gesellschaft werden die<br />
ökologischen Zukunftsmärkte für E<strong>in</strong>sparen,<br />
Energieeffizienz und regenerativer<br />
Energien gezielt erschlossen. Unsere Partner<br />
für diese Aufgaben s<strong>in</strong>d:<br />
± die wachsende Zahl <strong>der</strong> Unternehmer/<br />
<strong>in</strong>nen, die erkennen, daû <strong>der</strong> schonende<br />
Umgang mit Energie und Ressourcen<br />
nicht nur ökologische notwendig, son<strong>der</strong>n<br />
auch wirtschaftlich vorteilhaft ist;
± die Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen und ihre<br />
Gewerkschaften, denn nur umweltverträgliche<br />
Arbeitsplätze s<strong>in</strong>d auf Dauer<br />
sichere Arbeitsplätze;<br />
± die vielen Wissenschaftler/<strong>in</strong>nen und<br />
Techniker/<strong>in</strong>nen, die e<strong>in</strong>e ressourcenschonende<br />
Technik entwickeln und die<br />
Brücke <strong>in</strong>s Solarzeitalter bauen wollen;<br />
± die Verbraucher/<strong>in</strong>nen, die ihre Kaufentscheidungen<br />
umwelt- und gesundheitsbewuût<br />
treffen;<br />
± die groûe Zahl <strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong><br />
Umweltverbänden, Kirchen und Organisationen,<br />
die den Schutz <strong>der</strong> natürlichen<br />
Lebensgrundlagen als Voraussetzung für<br />
Lebensqualität und Zukunftsverantwortung<br />
sehen.<br />
VII.<br />
Wir orientieren uns für die ökologische<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung am Leitbild <strong>der</strong> Nachhaltigkeit.<br />
E<strong>in</strong>e nationale Vorreiterrolle ist<br />
nicht nur möglich, sie ist auch ± wie<br />
erfolgreiche Beispiele an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> zeigen<br />
± e<strong>in</strong>e wichtige Grundlage für die<br />
Erschlieûung neuer Märkte und die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> eigenen Wettbewerbsfähigkeit.<br />
Vorreiter s<strong>in</strong>d heute vor allem kle<strong>in</strong>ere<br />
Industrielän<strong>der</strong>, die e<strong>in</strong>e aktive Umweltpolitik<br />
betreiben und sich flexibel und <strong>in</strong>novationsfreundlich<br />
verhalten.<br />
Der Nationalstaat ist zwar durch die Globalisierung<br />
geschwächt, aber er ist auch<br />
weniger denn je <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, sich den<br />
<strong>in</strong>ternationalen Tendenzen für mehr<br />
Umweltschutz zu entziehen. Generell zeigt<br />
sich, daû <strong>der</strong> <strong>in</strong> allen Län<strong>der</strong>n an Bedeutung<br />
gew<strong>in</strong>nt. Der Rio-Prozeû hat diese<br />
Entwicklung weiter verstärkt. Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik s<strong>in</strong>d heute rund e<strong>in</strong>e Million<br />
Menschen <strong>in</strong> diesem Bereich beschäftigt.<br />
Das Ziel <strong>der</strong> Nachhaltigkeit schafft den<br />
Rahmen für e<strong>in</strong>e berechenbare Politik, die<br />
unterschiedliche Aktivitäten bündelt, klare<br />
Ziele aufstellt und die Menschen zur Mitarbeit<br />
motiviert. Die beiden wichtigen<br />
Grundlagen s<strong>in</strong>d von den Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />
vorgegeben worden: Die Agenda 21<br />
und e<strong>in</strong> nationaler Umweltplan. Die <strong>SPD</strong><br />
wird beide Ansätze, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen<br />
Zusammenhang stehen, umsetzen. Sie<br />
schaffen die Voraussetzungen, um<br />
± die Handlungsbed<strong>in</strong>gungen für die<br />
Lösung <strong>der</strong> Zukunftsprobleme zu verbessern,<br />
± die unterschiedlichen Aufgaben zusammenzuführen<br />
und zu bündeln,<br />
± die Politik <strong>der</strong> unterschiedlichen Ebenen<br />
von den Kommunen über die Län<strong>der</strong> bis<br />
zum Bund zu koord<strong>in</strong>ieren,<br />
± die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger zur Mitarbeit<br />
und Beteiligung zu motivieren,<br />
± neuen Konsens für die Zukunftsaufgaben<br />
zu schaffen,<br />
± die Umweltpolitik für Investoren langfristig<br />
berechenbar zu machen und Innovationen<br />
zu för<strong>der</strong>n,<br />
± Ressourcen effizient und kostengünstig<br />
zu verwenden, Umweltkosten zu senken<br />
und auf dem Weltmarkt neue Wettbewerbsvorteile<br />
zu erreichen,<br />
± bei <strong>der</strong> ökologischen Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
durch die Ausrichtung auf Energie- und<br />
Ressourceneffizienz sowie auf die Solarwirtschaft<br />
zu e<strong>in</strong>er Gew<strong>in</strong>nstrategie zu<br />
kommen.<br />
VIII.<br />
Das Ziel sozialdemokratischer Politik ist<br />
es, Deutschland zukunftsfähig zu machen.<br />
Eckpunkte e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Umweltpolitik<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> s<strong>in</strong>d:<br />
1. E<strong>in</strong> nationaler Umweltplan, wie ihn die<br />
Vere<strong>in</strong>ten Nationen für alle Mitgliedsstaaten<br />
for<strong>der</strong>n. Die Bundesrepublik<br />
muû ihren unverzüglich erarbeiten.<br />
2. E<strong>in</strong>e EU, die ihre Politik am Pr<strong>in</strong>zip<br />
<strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung orientiert<br />
und damit Europa zum Vorreiter für<br />
e<strong>in</strong>e solidarische Welt macht. Im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Europäischen Integration setzen<br />
wir uns für e<strong>in</strong>heitliche soziale und<br />
ökologische M<strong>in</strong>deststandards e<strong>in</strong>.<br />
3. E<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform, um die<br />
Arbeitskosten zu senken und aufkommensneutral<br />
die Energie- und Ressourcenkosten<br />
zu erhöhen. Gleichzeitig<br />
müssen umweltschädliche Subventionen<br />
233
schrittweise abgebaut werden. Der<br />
<strong>SPD</strong>-Bundesparteitag unterstützt das<br />
Konzept <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion.<br />
4. E<strong>in</strong> Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm für<br />
Arbeit und Umwelt, das die B<strong>in</strong>nennachfrage<br />
stärkt und Zukunftsmärkte<br />
erschlieût. Es schafft neue Beschäftigung<br />
und för<strong>der</strong>t den ökologischen Strukturwandel.<br />
Das Programm knüpft an dem<br />
Zukunfts<strong>in</strong>vestitionsprogramm <strong>der</strong> 70er<br />
Jahre an und muû <strong>in</strong> <strong>der</strong> Startphase mit<br />
m<strong>in</strong>destens 10 Milliarden DM ausgestattet<br />
werden.<br />
5. E<strong>in</strong>e Verdoppelung <strong>der</strong> Ausgaben für<br />
Forschung und Entwicklung im Bereich<br />
<strong>der</strong> Umweltforschung und Umwelttechnologien.<br />
6. E<strong>in</strong> ökologisches Stoffrecht, um den<br />
E<strong>in</strong>satz von Stoffen ebenso wie Emissionen<br />
und das Reststoffaufkommen zu<br />
verr<strong>in</strong>gern. Wir werden das bürokratische<br />
Kreislaufwirtschaftsgesetz reformieren<br />
und den grünen Punkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
dezentrales und bürgerfreundliches<br />
System umwandeln. Damit wollen wir<br />
auch die Kostenbelastungen reduzieren<br />
und umweltverträgliches Verhalten<br />
belohnen.<br />
7. Die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> umweltökonomischen<br />
Gesamtrechnung als e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Schritt auf dem Weg zu e<strong>in</strong>em<br />
Ökosozialprodukt.<br />
8. E<strong>in</strong> Umweltgesetzbuch, um das heute<br />
unübersichtlich, zersplitterte und bürokratische<br />
Umweltrecht zeitgerecht zu<br />
mo<strong>der</strong>nisieren. Es enthält auch die<br />
Regelung <strong>der</strong> Genehmigungsverfahren<br />
sowie e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Stoffrecht und die<br />
<strong>in</strong>tegrierte Ressourcenplanung. Wir<br />
wollen das Öko-Audit reformieren und<br />
erweitern, um mehr Selbstverantwortung<br />
<strong>der</strong> Unternehmen beim betrieblichen<br />
Umweltschutz zu erreichen.<br />
9. E<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> Unabhängigkeit des<br />
Umweltbundesamtes, um e<strong>in</strong> stärkeres<br />
Gegengewicht gegen das ökonomische<br />
E<strong>in</strong>heitsdenken zu schaffen.<br />
10. Der Ausbau <strong>der</strong> Umweltbildung, die<br />
auf allen Ebenen <strong>der</strong> Bildung zu e<strong>in</strong>em<br />
festen Bestandteil werden muû.<br />
234<br />
IX.<br />
Wir halten am Ausstieg aus <strong>der</strong> Atomkraft<br />
fest. Wir wollen so schnell wie möglich<br />
e<strong>in</strong>e sichere Energieversorgung auf <strong>der</strong><br />
Basis von Energiedienstleistungen, mo<strong>der</strong>nen<br />
Effizienztechniken und dem Ausbau<br />
<strong>der</strong> regenerativen Energien erreichen.<br />
Oberste Ziele e<strong>in</strong>er nachhaltigen Energiepolitik<br />
s<strong>in</strong>d neben <strong>der</strong> Versorgungssicherheit<br />
und Wettbewerbsfähigkeit die rationelle<br />
und sparsame Verwendung <strong>der</strong><br />
knappen Ressourcen, des Schutzes des Klimas<br />
und die Schonung <strong>der</strong> Umwelt. Das<br />
erfor<strong>der</strong>t die bewuûte Substitution vermeidbaren<br />
Energieverbrauchs durch den<br />
E<strong>in</strong>satz von Technik, Kreativität und Kapital.<br />
Deshalb kommt <strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>sparung<br />
erste Priorität zu. Die effiziente Energienutzung<br />
ist zugleich e<strong>in</strong>e wichtige Voraussetzung<br />
für die Markte<strong>in</strong>führung und Nutzung<br />
<strong>der</strong> erneuerbaren Energien.<br />
Die Reform <strong>der</strong> Energieversorgung ist e<strong>in</strong>e<br />
Richtungsentscheidung. Die Eckpunkte<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
± e<strong>in</strong> ökologischer orientierter Ordnungsrahmen<br />
durch e<strong>in</strong> neues Energiegesetz,<br />
das <strong>der</strong> Ressourcenschonung und dem<br />
Klimaschutz erste Priorität e<strong>in</strong>räumt.<br />
Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung ist <strong>der</strong><br />
schnelle Ausbau <strong>der</strong> Kraft-Wärme-<br />
Kopplung;<br />
± die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regenerativen Energien,<br />
um die Brücke <strong>in</strong>s Solarzeitalter zu<br />
bauen. Dazu gehören die Sicherung und<br />
Reform des Strome<strong>in</strong>speisungsgesetzes,<br />
e<strong>in</strong> Gesetz für e<strong>in</strong> 100 000-Dächer-und<br />
Fassadensolarprogramm sowie die För<strong>der</strong>ung<br />
dezentraler solarthermischer<br />
Kraftwerke;<br />
± die Durchsetzung e<strong>in</strong>er ökologischen<br />
Steuerreform, die die herkömmlichen<br />
Energieträger belastet, jedoch die regenerativen<br />
Energien und die Kraft-<br />
Wärme-Kopplung freistellt.<br />
Mit diesen Maûnahmen können wir den<br />
Anteil <strong>der</strong> erneuerbaren Energien und <strong>der</strong><br />
Kraft-Wärme-Kopplung im nächsten Jahrzehnt<br />
auf 30 % steigern.
Um den überhöhten Energieverbrauch<br />
umfassend zu verr<strong>in</strong>gern, ist auch im Verkehrsbereich<br />
e<strong>in</strong>e Neuorientierung notwendig.<br />
Heute steigen Energieverbrauch<br />
und Emissionen im Verkehrsbereich weiter<br />
stark an. Deshalb wollen wir:<br />
± die Sicherung und den Ausbau <strong>der</strong><br />
öffentlichen Verkehrsmittel;<br />
± die Neuordnung von Raum- und Siedlungsstrukturen,<br />
um überflüssige Mobilität<br />
zu verr<strong>in</strong>gern;<br />
± e<strong>in</strong>e stärkere Verlagerung des Güterverkehrs<br />
auf Schiene und Wasserstraûe;<br />
± die Nutzung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Kommunikationstechnologien<br />
zur Verkehrsvermeidung;<br />
± die bedarfsgerechte För<strong>der</strong>ung von Fahrrad<br />
und Fuûgängern;<br />
± Flottenverbrauchsregelungen, um den<br />
Kraftstoffverbrauch <strong>der</strong> PKW kont<strong>in</strong>uierlich<br />
abzusenken. Die Zielvorgabe ist<br />
das 3-Liter-Auto.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> ¹Zukunftsprogramm<br />
für Klimaschutz, Wirtschaftsmo<strong>der</strong>nisierung<br />
und Arbeitsplätzeª, wie es die <strong>SPD</strong>-<br />
Bundestagsfraktion entwickelt hat. Das Ziel<br />
ist, die klimaschädlichen CO 2-Emissionen<br />
bis zum Jahr 2005 um 25 % zu senken.<br />
Nur auf diesem Weg kann die Bundesrepublik<br />
ihrer Verantwortung gerecht werden<br />
und e<strong>in</strong>en wirksamen Beitrag zum Schutz<br />
<strong>der</strong> Lebensbed<strong>in</strong>gungen leisten.<br />
Die Bundesregierung versagt bei dieser<br />
Aufgabe. Den groûen Ankündigungen von<br />
1990 s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Taten gefolgt. In den alten<br />
Bundeslän<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d die CO 2-Emissionen<br />
bisher <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Jahr zurückgegangen und<br />
auch <strong>in</strong> Ostdeutschland steigen sie seit<br />
1995 wie<strong>der</strong> an. Wir werden nach dem<br />
Vorbild <strong>der</strong> Schweiz auch für die Bundesrepublik<br />
e<strong>in</strong> ¹subsidiäres CO 2-Reduktionsgesetzª<br />
prüfen.<br />
Wir wollen erreichen, daû bis zum Jahr<br />
2015 <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
aus regenerativen Energien auf 20<br />
bis 25 % gesteigert wird.<br />
X.<br />
Die Wirtschafts-, Haushalts- und F<strong>in</strong>anzpolitik<br />
muû sowohl die Massenarbeitslosigkeit<br />
als auch die Umweltzerstörung, die<br />
beiden Krebsübel unsere Zeit, bekämpfen.<br />
Nur so können wir Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
bewältigt, die Gesellschaft wie<strong>der</strong> handlungsfähig,<br />
die Wirtschaft mo<strong>der</strong>nisiert, die<br />
Staatshaushalte konsolidiert und die<br />
Umwelt entlastet werden.<br />
Das erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Anhebung <strong>der</strong> privaten<br />
und öffentlichen Investitionen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
die Erhöhung <strong>der</strong> Ausgaben für den<br />
ökologischen Strukturwandel und die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur. Wir wollen<br />
dafür e<strong>in</strong>e aktive Beschäftigungs- und<br />
Umweltpolitik e<strong>in</strong>leiten.<br />
Umweltpolitik ist nicht nur e<strong>in</strong>e technologische<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung zur Zusammenführung<br />
von Ökonomie und Ökologie. Die<br />
Natur muû auch um ihrer selbst willen<br />
geschützt werden. Deshalb wollen wir e<strong>in</strong>e<br />
grundlegende Novellierung des Bundesnaturschutzgetzes.<br />
M<strong>in</strong>destens 10 Prozent <strong>der</strong><br />
bundesdeutschen Fläche sollen unter<br />
Schutz gestellt werden. Nutzungsformen<br />
wie Landwirtschaft, Verkehrswege, Siedlungsbau<br />
und Raumordnung sowie Erholung,<br />
Freizeit und Tourismus müssen den<br />
Schutz <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen<br />
pr<strong>in</strong>zipiell e<strong>in</strong>beziehen.<br />
E<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>nes Bodenschutzgesetz und e<strong>in</strong><br />
Bodenprogramm s<strong>in</strong>d auch den sparsamen<br />
Umgang mit Flächen und dem Schutz <strong>der</strong><br />
Funktionsfähigkeit <strong>der</strong> Böden ausgerichtet.<br />
Auch den Flüssen und Bächen muû so weit<br />
wie möglich wie<strong>der</strong> Raum gegeben werden.<br />
Das ist <strong>der</strong> beste Schutz gegen Hochwasser.<br />
Wir werden die Anstrengungen verstärken,<br />
das Grundwasser zu schützen und<br />
die Tr<strong>in</strong>kwasserversorgung zu sichern.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird e<strong>in</strong> Programm Umwelt und<br />
Gesundheit vorlegen. Die Zahl <strong>der</strong> chronisch<br />
Erkrankten steigt, doch das Gesundheitswesen<br />
reagiert darauf höchst unzureichend.<br />
Beson<strong>der</strong>s K<strong>in</strong><strong>der</strong> s<strong>in</strong>d von<br />
Allergien, Atemwegserkrankungen und<br />
Immundefekten betroffen. Notwendig ist<br />
deshalb e<strong>in</strong> Ausbau des vorsorgenden<br />
235
Gesundheitsschutzes, <strong>der</strong> auch die<br />
Umweltfaktoren für die Entstehung von<br />
Krankheiten e<strong>in</strong>bezieht.<br />
(Angenommen und überwiesen an die Bundestagsfraktion<br />
zur weiteren Behandlung<br />
und an den Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 137<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Bonn-Süd<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
Reformen für e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />
Entwicklung<br />
<strong>in</strong> Deutschland, Europa und<br />
<strong>in</strong>ternational durchsetzen<br />
Die Staatszielbestimmung Umweltschutz<br />
im Grundgesetz verpflichtet uns zum<br />
Schutz <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen<br />
auch für unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Im Amsterdamer<br />
Vertrag und auf <strong>der</strong> Rio-Konferenz 1992<br />
haben wir uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> AGENDA 21 und <strong>in</strong><br />
den Konventionen zu Klimaschutz und<br />
biologischer Vielfalt verpflichtet, national<br />
auf kommunaler, auf Landes- und Bundesebene,<br />
aber auch auf europäischer und<br />
<strong>in</strong>ternationaler Ebene für e<strong>in</strong> geän<strong>der</strong>tes<br />
Kaufverhalten und Wirtschaften und für<br />
Reformen zur Durchsetzung e<strong>in</strong>er dauerhaft<br />
umweltgerechten Entwicklung e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Unser verschwen<strong>der</strong>ischer Lebensstil<br />
und unser z.T. verantwortungsloses<br />
Wirtschaften gefährden weltweit die natürlichen<br />
Lebensgrundlagen für unsere K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
und zukünftige Generationen. Die drohenden<br />
Klimaverän<strong>der</strong>ungen, die Zerstörung<br />
<strong>der</strong> Wäl<strong>der</strong>, die Bodenerosion, Wüstenbildung,<br />
Mangel an sauberem Tr<strong>in</strong>kwasser,<br />
Vergiftung und Überfischung <strong>der</strong> Meere<br />
s<strong>in</strong>d erschreckende Tendenzen.<br />
Wir müssen die Globalisierung von Wirtschaft,<br />
Umwelt und Kultur mit fortschreiten<strong>der</strong><br />
Handelsliberalisierung, weltweiter<br />
Kommunikation und Kapitaltransfers und<br />
mit sehr ger<strong>in</strong>gen Kosten <strong>der</strong> Raumüberw<strong>in</strong>dung<br />
als Realität sehen. Sie kann<br />
236<br />
Gefahren und Chancen für e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />
Entwicklung bewirken.<br />
Wir müssen als <strong>in</strong>ternationale Reformpartei<br />
und als politisch Verantwortliche für<br />
den Schutz <strong>der</strong> natürlichen Lebensgrundlagen,<br />
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit<br />
und soziale Gerechtigkeit geme<strong>in</strong>sam e<strong>in</strong>treten<br />
und dürfen die Entwicklung nicht<br />
den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft Verantwortlichen<br />
und dem freien Markt überlassen.<br />
Die feststellbaren und drohenden negativen<br />
ökologischen, ökonomischen und sozialen<br />
Auswirkungen <strong>der</strong> Globalisierung müssen<br />
durch dauerhaft-umweltgerechtes eigenes<br />
Verhalten und europäische und <strong>in</strong>ternationale<br />
Vere<strong>in</strong>barungen verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden.<br />
In <strong>der</strong> Europäischen Union und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Welthandelsorganisation WTO müssen wir<br />
gegen Umwelt- und Sozialdump<strong>in</strong>g und<br />
für soziale und ökologische M<strong>in</strong>deststandards,<br />
für e<strong>in</strong>e Effizienzsteigerung bei <strong>der</strong><br />
Nutzung <strong>der</strong> nicht erneuerbaren und <strong>der</strong><br />
erneuerbaren Ressourcen sowie für die<br />
Durchsetzung ökologischer Kriterien bei<br />
Subventionen und För<strong>der</strong>programmen z.B.<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft, im Wohnungsbauo<strong>der</strong><br />
im Auûenhandel e<strong>in</strong>treten.<br />
Wir müssen dazu Innovationen för<strong>der</strong>n,<br />
die Arbeit und Umwelt sichern. E<strong>in</strong>e dauerhaft<br />
umweltgerechte nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />
Entwicklung im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Nachhaltigkeit<br />
<strong>der</strong> AGENDA 21 kann nur<br />
durch gesellschaftlichen Konsens und<br />
Bewuûtse<strong>in</strong>swandel erreicht werden. Durch<br />
Anpassung <strong>der</strong> rechtlichen, ökonomischen<br />
und sozialen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen sowie<br />
<strong>der</strong> gesellschaftlichen Werthaltungen und<br />
E<strong>in</strong>stellungen muû e<strong>in</strong> Prozeû <strong>der</strong> dauerhaft<br />
umweltgerechten Entwicklung ermöglicht<br />
und gefor<strong>der</strong>t werden. Umweltbildung<br />
und -erziehung, Information,<br />
Beratung, Produktkennzeichnung und ökonomische<br />
Anreize können die Entwicklung<br />
zu qualitativ an<strong>der</strong>en Wirtschafts- und<br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen voranbr<strong>in</strong>gen.<br />
Investitionen <strong>in</strong> den Umweltschutz und die<br />
Nutzung fortschrittlicher Techniken schaffen<br />
und sichern Arbeitsplätze, stärken die<br />
Wettbewerbsfähigkeit und senken die
Gesamtkosten <strong>der</strong> Unternehmen. Die Nutzung<br />
<strong>in</strong>tegrierter Umweltschutztechniken<br />
kann e<strong>in</strong>e zukunftsträchtige Strategie se<strong>in</strong>,<br />
um auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen des Weltmarktes<br />
zu reagieren.<br />
Die konkreten Anfor<strong>der</strong>ungen an e<strong>in</strong>e dauerhaft-umweltgerechte<br />
Entwicklung müssen<br />
<strong>in</strong> alle an<strong>der</strong>en Politikfel<strong>der</strong> <strong>in</strong>tegriert<br />
werden. Dies gilt für die Sozialpolitik über<br />
die Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik, die<br />
Verkehrs-, Landwirtschafts- und Energiepolitik<br />
bis h<strong>in</strong> zur Auûenpolitik und Entwicklungshilfe,<br />
Forschungs- und Bildungspolitik.<br />
Wir müssen die ökologische<br />
Wende durch Reformen im Bereich Energienutzung<br />
(För<strong>der</strong>ung von Energiesparen<br />
und Nutzung alternativer Energien, Ausstieg<br />
aus <strong>der</strong> Kernenergie) und CO 2-M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung,<br />
bei <strong>der</strong> Verkehrs- und Siedlungsentwicklung,<br />
bei <strong>der</strong><br />
Nahrungsmittelerzeugung, beim E<strong>in</strong>satz<br />
<strong>der</strong> wichtigsten chemischen Stoffe, bei Vermeidung<br />
und Entsorgung <strong>der</strong> Abfälle, bei<br />
geän<strong>der</strong>tem Konsumverhalten sowie bei<br />
nationalen Beiträgen für den Schutz weltweiter<br />
Natur- und Umweltressourcen (Erdatmosphäre,<br />
Gewässer, Böden, biologische<br />
Vielfalt etc.) gestalten.<br />
Dazu gehören <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e folgende Maûnahmen:<br />
± Festlegung von konkreten Qualitäts- und<br />
Handlungszielen für die wichtigsten Problembereiche<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit den<br />
notwendigen Maûnahmen und Zeitfestlegungen<br />
<strong>in</strong> lokalen, nationalen, europäischen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Plänen für<br />
e<strong>in</strong>e dauerhaft umweltgerechte Entwicklung.<br />
± Reform des Steuer- und Haushaltsystems<br />
mit dem Ziel <strong>der</strong> höheren Belastung von<br />
umweltschädlichem Ressourcenverbrauch,<br />
Entlastung von Arbeitskosten,<br />
Durchsetzung ökologischer Kriterien bei<br />
Subventionen und Teilnahme am EG-<br />
Öko-Audit-System <strong>in</strong> den öffentlichen<br />
Verwaltungen und Institutionen.<br />
± För<strong>der</strong>ung von Investitionen zur Sicherung<br />
von Arbeitsplätzen und Erschlieûung<br />
von Zukunftsmärkten z.B. im<br />
Bereich <strong>der</strong> Solarenergienutzung, <strong>in</strong>te-<br />
grierter Umweltschutztechnik z. B. im<br />
Verkehr und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft und<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verbesserung <strong>der</strong> Infrastruktur,<br />
f<strong>in</strong>anziert durch ökologisch s<strong>in</strong>nvolle<br />
Steuererhöhungen.<br />
± Schaffung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen, vere<strong>in</strong>fachten<br />
und weiterentwickelten fortschrittlichen<br />
Umweltrechts, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
im Naturschutz, Bodenschutz, Gewässerschutz,<br />
Immissionsschutz, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Umweltgesetzbuch zusammengefaût wird<br />
und das das EG-Umweltrecht <strong>in</strong>tegriert<br />
und vollständig umsetzt.<br />
± Auf europäischer und <strong>in</strong>ternationaler<br />
Ebene müssen technische Standards vere<strong>in</strong>bart<br />
werden, die die ökologischen<br />
M<strong>in</strong>destanfor<strong>der</strong>ungen bei Produktionsverfahren<br />
und Produkten durchsetzen<br />
helfen.<br />
± För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> notwendigen Innovationen<br />
durch Stärkung <strong>der</strong> Forschung und<br />
Bildung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e dauerhaftumweltgerechte<br />
Entwicklung. Umweltbildung<br />
muû auf allen Ebenen <strong>der</strong> Ausund<br />
Fortbildung zu e<strong>in</strong>em festen<br />
Bestandteil werden.<br />
± Schaffung von besseren Entscheidungsgrundlagen<br />
für die Politik und die Wirtschaft<br />
und Konsumenten durch<br />
beschleunigte Erarbeitung und E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>er umweltökonomischen<br />
Gesamtrechnung, durch Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Information über Umweltdaten auf<br />
nationaler und europäischer Ebene und<br />
durch Stärkung <strong>der</strong> Unabhängigkeit und<br />
Ausstattung des Umweltbundesamtes als<br />
wichtige Beratungs<strong>in</strong>stitution neben dem<br />
Sachverständigenrat für Umweltfragen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
237
Antrag I 140<br />
Unterbezirk Osterode<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Herzberg<br />
(Bezirk Braunschweig)<br />
Technische Anleitung Siedlungsabfall<br />
Die Technische Anleitung Siedlungsabfall<br />
(TASi) wird im Fall e<strong>in</strong>er Regierungsübernahme<br />
durch die <strong>SPD</strong> so verän<strong>der</strong>t, daû<br />
± planfestgestellte Deponieflächen, die<br />
bereit nach TASi-Standard geplant und<br />
errichtet wurden, für e<strong>in</strong>e Übergangszeit<br />
bis zur Verfüllung weitergenutzt werden<br />
können,<br />
± auch langfristig gleichrangig neben die<br />
thermische Behandlung e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Vorbehandlungsart<br />
(z.B. mechanisch-biologisch,<br />
Trockenstabilat) treten kann,<br />
sofern diese den ökologischen Zielen <strong>der</strong><br />
TASi entspricht und wirtschaftlich vertretbar<br />
ist.<br />
(Angenommen und überwiesen an Bundestagsfraktion<br />
zur weiteren Behandlung)<br />
Antrag I 141<br />
Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong><br />
Energiepolitik<br />
Im Bewuûtse<strong>in</strong>, daû<br />
± die bisherige Energiepolitik ökologisch,<br />
sozial und wirtschaftlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Sackgasse<br />
geführt hat<br />
± die gegenwärtigen Nutzungsformen <strong>der</strong><br />
Energieressourcen weltweit verteilungspolitische<br />
Fehlentwicklungen för<strong>der</strong>n<br />
und monopolistischen Strukturen Vorschub<br />
leisten<br />
± praktisch alle mit <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Energieversorgung<br />
verbundenen Nachteile<br />
und Gefahren für die solare Energieversorgung<br />
nicht gelten.<br />
238<br />
In <strong>der</strong> Überzeugung, daû<br />
± es nach unserem <strong>der</strong>zeitigen Erkenntnisstand<br />
langfristig zur Sonnenenergie ke<strong>in</strong>e<br />
Alternative geben wird<br />
± mit dem Umbau <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
schnell begonnen werden muû, um die<br />
günstigen Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e ökologisch<br />
nachhaltige Gesellschaft zu<br />
schaffen<br />
± die Zahl <strong>der</strong> Arbeitsplätze <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
dezentral organisierten, solaren Energieversorgung<br />
erheblich höher se<strong>in</strong> wird als<br />
momentan<br />
sieht die <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nutzung<br />
regenerativer Energien, e<strong>in</strong>hergehend<br />
mit e<strong>in</strong>er Dezentralisierung <strong>der</strong> Stromversorgung<br />
sowie Maûnahmen zur Enerniee<strong>in</strong>sparung,<br />
e<strong>in</strong>s <strong>der</strong> vorrangigen Ziele<br />
sozialdemokratischer Politik.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Stadt- und Kreistagsfraktionen<br />
auf, die Zukunftsfähigkeit<br />
auch auf lokaler Ebene zu sichern. Sie sollten<br />
das folgende Konzept als Richtschnur<br />
übernehmen und die lokal realisierbaren<br />
Teile mit aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abgestimmten Anträgen,<br />
Planungen und Maûnahmen <strong>in</strong> die<br />
Kreistags- und Ratsarbeit e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />
Der Bund gibt die Richtung vor<br />
Erhard Eppler hat anläûlich <strong>der</strong> Feier zu<br />
se<strong>in</strong>em siebzigsten Geburtstag auch gesagt:<br />
¹Drei D<strong>in</strong>ge müssen zusammenkommen:<br />
das Thema Arbeit, und zwar jenseits des<br />
Wun<strong>der</strong>glaubens, daû irgendwann e<strong>in</strong>mal<br />
e<strong>in</strong> Wirtschaftsaufschwung die Arbeitslosigkeit<br />
weglegt ... Das zweite wäre das<br />
Thema Gerechtigkeit. Das ist uns ja auf<br />
den Leib geschrieben. Das dritte wäre <strong>der</strong><br />
ökologische Umbau. Ich glaube wirklich,<br />
daû man die drei D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> zehn, zwölf<br />
Punkten zusammenb<strong>in</strong>den kann, so daû es<br />
plausibel wird.ª<br />
Die Standardrezepte zur Lösung <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />
Probleme funktionieren nicht:<br />
Dies zeigt die Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit,<br />
von Renten-, Steuerdebatte usw.<br />
Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger <strong>in</strong> Deutschland<br />
wollen deshalb e<strong>in</strong>e Vision für das
21. Jahrhun<strong>der</strong>t, die zeigt, daû und wie die<br />
Probleme gelöst werden können.<br />
Diese Vision kann nur <strong>der</strong> ökologische,<br />
soziale und ökonomische Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft<br />
h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />
und zukunftsfähigen Gesellschaft se<strong>in</strong>.<br />
E<strong>in</strong>er Gesellschaft, die stets die Bedürfnisse<br />
<strong>der</strong> gerade Lebenden so befriedigt, daû die<br />
Bedürfnisbefriedigung nachfolgen<strong>der</strong><br />
Generationen nicht gefährdet wird.<br />
Die <strong>SPD</strong> ist die e<strong>in</strong>zige Partei, die e<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong>artige Vision glaubhaft <strong>in</strong> Politik umsetzen<br />
kann. Es gilt aber auch umgekehrt:<br />
Gibt die <strong>SPD</strong> den Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern<br />
ke<strong>in</strong>e glaubhafte Vision, wird sie <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> 30%-Falle gefangen bleiben, eher weiter<br />
abrutschen. Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />
werden <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> nicht mit Mehrheit<br />
zustimmen, wenn die <strong>SPD</strong> nur marg<strong>in</strong>al<br />
an<strong>der</strong>s ist als die konservativ-liberalen Parteien.<br />
Ziel <strong>der</strong> Energie-Vision ist es, die Klimakatastrophe<br />
zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Die Mittel s<strong>in</strong>d<br />
Effizienzrevolution und Aufbau <strong>der</strong> solaren<br />
Energieversorgung bei sofortigem E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> den Ausstieg aus <strong>der</strong> Atomenergie. Fossile<br />
Energien werden parallel zum Aufbau<br />
solarer Versorgung mit e<strong>in</strong>em def<strong>in</strong>ierten<br />
Endzeitpunkt abgebaut. Der Endzeitpunkt<br />
ist spätestens 2050 anzusetzen.<br />
Für die Energie-Vision existieren ausreichend<br />
Beschlüsse auf Partei- und Fraktionsebene.<br />
Es fehlt an <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam<br />
gewollten, den eigenen hochgesteckten<br />
Zielen gerecht werdende Behandlung des<br />
Themas. Es mangelt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e an<br />
E<strong>in</strong>igkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei über die Ziele: Wir<br />
können nur dann e<strong>in</strong>e ± unsere ± Vision<br />
vertreten, wenn sie aus unseren eigenen<br />
Reihen auf je<strong>der</strong> Ebene zwar diskutiert,<br />
nicht aber relativiert und konterkariert<br />
wird. E<strong>in</strong>e Vision mit Aussicht auf ihre<br />
Umsetzung ± und weshalb sollte man sonst<br />
e<strong>in</strong>e entwickeln ± bedarf <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen,<br />
glaubhaften Überzeugung. E<strong>in</strong>e Identifikation<br />
hiermit setzt voraus, daû die Partei<br />
geschlossen h<strong>in</strong>ter ihrem Zukunftskonzept<br />
steht.<br />
Es soll hier festgestellt werden, daû Konzepte<br />
<strong>der</strong> Energiee<strong>in</strong>sparung und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Nutzung regenerativer Energieformen<br />
zwar visionär, nicht jedoch<br />
utopisch s<strong>in</strong>d. Riesige E<strong>in</strong>spar- und Nutzungspotentiale<br />
s<strong>in</strong>d auch heute schon von<br />
ökonomischem Gew<strong>in</strong>n. Ganz abgesehen<br />
von <strong>der</strong> Tatsache, daû <strong>in</strong> diesem Bereich<br />
Arbeitsplätze geschaffen werden können,<br />
die unsere Gesellschaft dr<strong>in</strong>gend braucht.<br />
Die Untersuchungen, die von <strong>SPD</strong>-Mitglie<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> Enquete Kommission ¹Schutz<br />
<strong>der</strong> Erdatmosphäreª angeregt wurden, zeigen,<br />
daû mit <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung rationeller und<br />
regenerativer Energien <strong>in</strong> 10 Jahren ca.<br />
500 000 Arbeitsplätze geschaffen werden<br />
können. Dabei s<strong>in</strong>d die durch den Umbau<br />
des Energiesystems verloren gehenden<br />
Arbeitsplätze bereits e<strong>in</strong>gerechnet.<br />
Die nachhaltige Gesellschaft wählt zur<br />
Bedürfnisbefriedigung von Produkten und<br />
Dienstleistungen die ökonomisch und ökologisch<br />
günstigsten Verfahren und Mittel.<br />
Das Bedürfnis etwa nach e<strong>in</strong>er angenehmen<br />
Raumtemperatur kann mit Atomstrom,<br />
Braun- o<strong>der</strong> Ste<strong>in</strong>kohlestrom, mit<br />
Öl- o<strong>der</strong> Gasheizung, <strong>der</strong> Wärmepumpe<br />
o<strong>der</strong> dem Sonnenkollektor erfolgen o<strong>der</strong><br />
durch e<strong>in</strong> Nullenergiehaus. Für den Nutzer<br />
ist das Mittel un<strong>in</strong>teressant, se<strong>in</strong> Interesse<br />
ist <strong>der</strong> warme Raum. Für die nachhaltige<br />
Gesellschaft ist das Mittel durchaus von<br />
Interesse. Sie wird, wenn es ökonomisch<br />
erträglich ist, das Nullenergiehaus allen<br />
an<strong>der</strong>en Lösungen vorziehen, die nur als<br />
Übergangsformen zu betrachten s<strong>in</strong>d.<br />
Die <strong>SPD</strong> muû glaubhaft darstellen, daû<br />
durch den ökologischen Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft<br />
die Lebensqualität enorm<br />
gesteigert wird.<br />
Nicht weil wir glauben, wir müûten hier<br />
noch Neues sagen, son<strong>der</strong>n weil wir wissen,<br />
daû die Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong> Informationen<br />
wichtig ist für ihre flächendeckende<br />
Verbreitung, sollen hier die wichtigsten<br />
Ziele e<strong>in</strong>er sozialdemokratischen Energiepolitik<br />
aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> dargestellt<br />
werden. Im Bereich <strong>der</strong> effektiveren Energienutzung<br />
und dem E<strong>in</strong>satz regenerativer<br />
Energien liegen die offensichtlichsten<br />
239
Potentiale, mit denen die drei Themen von<br />
Erhard Eppler ± Arbeit, Gerechtigkeit,<br />
ökologischer Umbau ± wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Brennglas abgebildet werden.<br />
Zunächst bis zum Jahre 2000 soll auf alle<br />
fossilen Brennstoffe und Elektrizität, ausgenommen<br />
<strong>der</strong> Elektrizität aus regenerativen<br />
Quellen, e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e aufkommensneutrale<br />
Energiesteuer e<strong>in</strong>geführt werden. Die<br />
Energiesteuer als E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die allgeme<strong>in</strong>e<br />
ökologische Steuer muû national erfolgen,<br />
es muû aber <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>same europäische<br />
E<strong>in</strong>stieg gesucht werden, die weltweite<br />
E<strong>in</strong>führung ist das Ziel. Bei national<br />
beschränkter E<strong>in</strong>führung ist sicherzustellen,<br />
daû energie<strong>in</strong>tensive Branchen nicht<br />
verdrängt werden und somit Arbeitsplätze<br />
erhalten bleiben. Unserer Überzeugung<br />
nach ist es aber auch ke<strong>in</strong>e Dauerlösung,<br />
ausgewählte Industriezweige zu subventionieren<br />
und damit den tatsächlichen ökologischen<br />
Preis <strong>der</strong> entsprechenden Produkte<br />
aus öffentlichen Kassen zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Nach dem Pr<strong>in</strong>zip, Megawatt besteuern<br />
statt Arbeit, soll die Energiesteuer zur Senkung<br />
<strong>der</strong> Lohnnebenkosten verwendet werden.<br />
Die Steigerung <strong>der</strong> Energieeffizienz und<br />
die schnelle Ausweitung <strong>der</strong> Nutzung regenerativer<br />
Energieformen müssen parallel<br />
zue<strong>in</strong>an<strong>der</strong> umgesetzt werden ± auch für<br />
die Sonnenenergien ist es wichtig, sie möglichst<br />
<strong>in</strong>telligent (= sparsam) für e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten Zweck zu verwenden.<br />
Die Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> alle lokalen o<strong>der</strong> regionalen<br />
Potentiale genutzt werden, muû schnell <strong>in</strong><br />
Angriff genommen werden. Wir for<strong>der</strong>n<br />
damit e<strong>in</strong>en lokalen Energiemix aller unerschöpflichen<br />
± im wesentlichen durch die<br />
Sonne zur Verfügung gestellten ± Energieformen.<br />
Energieversorgungsunternehmen müssen<br />
durch geeignete gesetzliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
zu Energiedienstleistungsunternehmen<br />
werden, die den Verbrauchern die<br />
günstigste Problemlösung anbieten, die<br />
nicht nur auf <strong>der</strong> Energielieferung, son<strong>der</strong>n<br />
240<br />
auch auf e<strong>in</strong>er ± oft günstigeren ± Energiespar<strong>in</strong>vestition<br />
beruht.<br />
Das Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g muû Richtschnur<br />
für Energieangebot und Energienutzung<br />
werden: Dort, wo die Mobilisierung von<br />
E<strong>in</strong>sparpotentialen die ökonomisch günstigere<br />
Lösung ist, müssen sie vor dem Neuo<strong>der</strong><br />
Ersatzbau von Kraftwerken erschlossen<br />
werden. Analog gilt für die Energienutzung:<br />
E<strong>in</strong>spar<strong>in</strong>vestitionen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Erhöhung<br />
des Energieangebotes dann<br />
vorzuziehen, wenn sie die billigere Lösung<br />
darstellen.<br />
Die Rekommunalisierung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
ist zu för<strong>der</strong>n. Dazu s<strong>in</strong>d Stadtwerke<br />
zu verstärken bzw. neu- o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>zurichten, über die eigentlichen Verteilernetze<br />
müssen die Kommunen frei verfügen<br />
können.<br />
Die Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />
Energiedienstleistung und Rekommunalisierung<br />
kann <strong>der</strong> zur abnehmenden<br />
Demokratie neigenden Entwicklung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
durch die wirtschaftliche Konzentration<br />
auf allen Ebenen entgegenwirken.<br />
Letztendlich ist die Begeisterung mit <strong>der</strong><br />
die Vision von allen vertreten wird, entscheidend<br />
für ihren Erfolg. Wir for<strong>der</strong>n<br />
deshalb alle Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und<br />
Sozialdemokraten auf, für diese Zielsetzung<br />
zu werben. Die Partei muû sie auf allen<br />
Ebenen zum zentralen Gegenstand ihrer<br />
Programmatik machen und alles daran setzen,<br />
die Menschen dafür zu begeistern.<br />
Das Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen nutzt se<strong>in</strong>e<br />
Möglichkeiten<br />
Die <strong>SPD</strong> erkennt die positive Politik <strong>der</strong><br />
Landesregierung NRW <strong>in</strong> Programm und<br />
Durchführung bzgl. des energetischen<br />
Umbaus <strong>der</strong> Gesellschaft an. Sie sieht die<br />
e<strong>in</strong>zelnen Programme <strong>der</strong> Landesregierung<br />
als qualitativ hochwertig, wobei jedoch<br />
festgestellt werden muû: die quantitativen<br />
Ansätze reichen zur Lösung <strong>der</strong> anstehenden<br />
Probleme nicht aus. Auch wenn das<br />
Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen pro Kopf die<br />
gröûten Mittel von allen Bundeslän<strong>der</strong>n für<br />
den energetischen Umbau bereitstellt, s<strong>in</strong>d
diese zur Erreichung des Zieles zu ger<strong>in</strong>g.<br />
Wir bitten daher die Landesregierung<br />
NRW, noch stärker als bisher Haushaltsmittel<br />
<strong>in</strong> diesem Bereich zur Verfügung zu<br />
stellen.<br />
Wir stellen allerd<strong>in</strong>gs fest, daû e<strong>in</strong>e Regierung<br />
selbst e<strong>in</strong>es so groûen Landes wie<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen die Lasten des energetischen<br />
Umbaus alle<strong>in</strong> nicht tragen kann,<br />
und erwarten von <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Bundesregierung<br />
erheblich höhere Haushaltsmittel<br />
zur Umstrukturierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />
als sie angesetzt s<strong>in</strong>d. Die 1996 im<br />
Etat des Bundesforschungsm<strong>in</strong>isteriums<br />
vorgenommenen Kürzungen <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen<br />
Mittel zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Nutzung<br />
erneuerbarer Energien belegen die energiepolitische<br />
Problembl<strong>in</strong>dheit <strong>der</strong> Bundesregierung.<br />
Die <strong>der</strong>zeitige Bundesregierung wird unserer<br />
Überzeugung nach bis 2005 das Ziel 25<br />
Prozent CO 2-Reduktion durchzusetzen,<br />
ebensowenig erreichen wie die Halbierung<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosenzahlen bis 2000, wenn<br />
nicht <strong>in</strong> beiden Bereichen neben erheblich<br />
höherem Mittele<strong>in</strong>satz die jeweils auch<br />
notwendigen gesetzlichen Grundlagen<br />
geschaffen werden.<br />
Aus kommunaler Sicht müssen wir feststellen,<br />
daû Landesbehörden oft wenig sensibel<br />
für den Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
s<strong>in</strong>d. Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t deshalb die Landesregierung<br />
NRW auf, noch stärker als bisher<br />
<strong>in</strong> eigenen Liegenschaften auf die Durchund<br />
Umsetzung <strong>der</strong> im ¹Klimabericht<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalenª von 1992 und im<br />
dazu gehörigen Umsetzungsbericht von<br />
1994 dargestellten Ziele zu gewährleisten.<br />
Wir begrüûen im wesentlichen die Maûnahmen<br />
<strong>der</strong> Landesregierung NRW im<br />
Bereich Energieversorgung und -nutzung,<br />
wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Koalitionsvere<strong>in</strong>barung zwischen<br />
<strong>der</strong> NRW-<strong>SPD</strong> und Bündnis 90/Die<br />
Grünen festgeschrieben und im folgenden<br />
dargelegt s<strong>in</strong>d.<br />
Wir begrüûen, daû die Landesregierung<br />
NRW die rationelle Energieerzeugung und<br />
-nutzung deutlich ausbauen und Möglichkeiten<br />
für das Energiesparen ausschöpfen<br />
und e<strong>in</strong>e Markte<strong>in</strong>führungsoffensive für<br />
erneuerbare Energieträger offensiv vorantreiben<br />
will, bei gleichzeitiger Beendigung<br />
<strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Atomenergie.<br />
Wie die Landesregierung NRW betrachten<br />
wir Bau und Betrieb rationeller Energieversorgungsanlagen<br />
als arbeitsmarktpolitisch<br />
günstig.<br />
Wir halten die Weiterentwicklung des<br />
REN-Programmes für zukunftsfähig und<br />
sehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Niedrigenergiehäusern,<br />
regionalen und kommunalen<br />
Energie- und Klimaschutzkonzepten, <strong>der</strong><br />
Beratung und Information von Verbrauchern,<br />
Kommunen und Unternehmen und<br />
Modellvorhaben wichtige Elemente für den<br />
Umbau.<br />
Die For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Landesregierung<br />
NRW nach Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung,<br />
noch Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g,<br />
nach Kraft-Wärme-Kopplung <strong>in</strong> Neubaugebieten,<br />
nach Nutzung <strong>der</strong> Handlungsspielräume<br />
für Strompreisl<strong>in</strong>earisierung<br />
und zielvarianten Tarifen, nach Anreizsystemen<br />
für Stromsparen durch die EVK©s<br />
f<strong>in</strong>den unsere Zustimmung.<br />
Auch wir halten für wichtig, Forschungsund<br />
Entwicklungskapazitäten für Solarenergie<br />
zu nutzen, die Branchen<strong>in</strong>itiative<br />
¹Zukunftsenergienª auszubauen, Hemmnisse<br />
für erneuerbare Energien abzubauen<br />
und e<strong>in</strong>e Qualifizierungsoffensive für das<br />
Handwerk zur Nutzung dieser Energien<br />
e<strong>in</strong>zuleiten.<br />
Das Ziel, daû NRW führend se<strong>in</strong> soll bei<br />
rationeller Energienutzung und erneuerbaren<br />
Energieträgern aus <strong>der</strong> Erkenntnis heraus,<br />
daû Erfolge bei rationeller Nutzung<br />
und <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz erneuerbarer Energieträger<br />
den Anteil fossiler verr<strong>in</strong>gern wird, halten<br />
wir für richtig. Die Konsequenz daraus,<br />
daû Arbeitsplätze, die bei Kohle entfallen,<br />
<strong>in</strong> Energiedienstleistung und erneuerbaren<br />
Energien ersetzt werden, trifft unsere Vorstellungen.<br />
Solange Kohle als fossiler Energieträger<br />
verwandt wird, muû dies selbstverständlich<br />
so wenig umweltschädigend wie möglich<br />
241
erfolgen. Wir halten es jedoch für wichtig,<br />
daû die Landesregierung NRW sich für<br />
e<strong>in</strong>e zeitliche Begrenzung aller fossilen<br />
Energieträger zur Energieversorgung mit<br />
e<strong>in</strong>em Zeithorizont maximal 2050 entscheidet.<br />
Die Aktivitäten des Landes auf Bundesebene<br />
wie:<br />
± Energieeffizienz/Energiesparen bundesweit<br />
voranzubr<strong>in</strong>gen und <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU zu<br />
vertreten<br />
± die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />
± Ressourcenschonung und Umweltschutz<br />
als Ziel <strong>in</strong> das Energiewirtschaftsgesetz<br />
aufzunehmen<br />
± Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g durchzusetzen und<br />
Contract<strong>in</strong>g zu ermöglichen<br />
± dynamische Effizienzstandards und<br />
Kennzeichnungspflichten beim Energieverbrauch<br />
auszubauen<br />
± die Energieversorgung dezentral und<br />
verbrauchernah zu gestalten<br />
± die L<strong>in</strong>earisierung <strong>der</strong> Stromtarife und<br />
Überarbeitung Bundestarifordnung Elektrizität<br />
zu forcieren<br />
f<strong>in</strong>den unsere volle Zustimmung.<br />
Kommunale Ökologie ± e<strong>in</strong>e Auffor<strong>der</strong>ung<br />
zu Handeln<br />
E<strong>in</strong>e ökologisch orientierte, kommunale<br />
Entwicklungsplanung muû an <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung<br />
von Strukturen, Verhalten und Leitbil<strong>der</strong>n<br />
ansetzen. Nicht die Durchsetzung<br />
von E<strong>in</strong>zelmaûnahmen ist das Ziel, son<strong>der</strong>n<br />
die umfassende Planung und Umsetzung<br />
e<strong>in</strong>er auf Nachhaltigkeit unserer Lebensformen<br />
ausgerichteten Politik. E<strong>in</strong>e nachhaltige<br />
kommunale Entwicklung bedarf<br />
± e<strong>in</strong>er haushälterischen Bodenpolitik<br />
± e<strong>in</strong>er umwelt- und sozialverträglichen<br />
Verkehrspolitik und<br />
± e<strong>in</strong>er vorsorgenden Umweltpolitik<br />
Ökologische Orientierung kommunaler<br />
Politik erfor<strong>der</strong>t klare Vorstellungen und<br />
fundierte Kenntnisse. Es geht u. a. um<br />
242<br />
± das räumliche Konzept <strong>der</strong> Kommune<br />
und ihrer Wohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
± ihre Stoffströme und ihren Ressourcenverbrauch<br />
± Verän<strong>der</strong>ungspotentiale <strong>in</strong> den Haushalten,<br />
Betrieben und öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen<br />
± die Handlungsmöglichkeiten und/o<strong>der</strong><br />
die Hemmnisse sowie um<br />
± die klare Analyse <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> öffentlichen und privaten<br />
Haushalte und <strong>der</strong> Betriebe.<br />
Für alle notwendigen Planungen muû <strong>der</strong><br />
Beitrag zur Verbesserung <strong>der</strong> gesamtökologischen<br />
Situation o<strong>der</strong> ihre Unschädlichkeit<br />
nachgewiesen werden. Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong> Nutzung regenerativer Energien<br />
dürfen herkömmliche betriebswirtschaftliche<br />
Kosten-/Nutzen-Rechnungen ke<strong>in</strong>e<br />
ausschlieûliche Rolle spielen. An<strong>der</strong>nfalls<br />
sparen die Kommunen an <strong>der</strong> Zukunft.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Mandats- und Funktionsträger<br />
<strong>in</strong> den Ortsvere<strong>in</strong>en auf, den<br />
Diskussionsprozeû für die Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>er lokalen Agenda 21 e<strong>in</strong>zuleiten und<br />
voranzutreiben und sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen,<br />
daû ihre Städte und Geme<strong>in</strong>den dem ¹Klimabündnis<br />
<strong>der</strong> Städteª beitreten.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Bundesregierung auf,<br />
den Beschluû des Bundestages vom 29. Juni<br />
1994 ¹Stärkung <strong>der</strong> kommunalen Nord-<br />
Süd-Arbeit, For<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> lokalen<br />
Agenda 21, Umsetzung <strong>der</strong> Charta von<br />
Berl<strong>in</strong>ª endlich umzusetzen und den lokalen<br />
Agendaprozeû umfassend zu unterstützen.<br />
Ökologie und kommunale Entwicklungsplanung<br />
Ökologisch orientierte Entwicklungspläne<br />
s<strong>in</strong>d zu erarbeiten und <strong>in</strong> Beschlüssen<br />
umzusetzen. Die ökologische Situation <strong>der</strong><br />
Kommunen soll <strong>in</strong> Rechenschaftsberichten<br />
übersichtlich und vergleichbar darstellen,<br />
welche ökologischen Wirkungen Energieverbrauch,<br />
Verkehr und Flächenverbrauch<br />
haben.
Ökologie und Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
Die Verwaltungen werden beauftragt, mit<br />
dem örtlichen Handwerk, Architekten und<br />
Ingenieuren Beratungs- und Handlungsprogramme<br />
für die umfassende, kostengünstige<br />
Umsetzung <strong>der</strong> Maûnahmen zur<br />
CO2-M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> Ressourcene<strong>in</strong>sparung<br />
<strong>in</strong> den bestehenden Wohn- und<br />
Gewerbegebieten auszuarbeiten. Bei je<strong>der</strong><br />
Maûnahme zur Gebäudesanierung ist<br />
grundsätzlich die M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Energiee<strong>in</strong>satzes<br />
für Unterhaltung und Benutzung<br />
des Gebäudes e<strong>in</strong>zubeziehen. Dieses<br />
Programm soll Anreize schaffen und<br />
Orientierung für private Initiative geben.<br />
Dies könnte e<strong>in</strong> kommunaler Energiebeirat<br />
leisten.<br />
Bauleitplanung<br />
Kommunale Planung mit Flächennutzungsund<br />
Bebauungsplänen müssen auf die<br />
Bedürfnisse <strong>der</strong> solaren Niedrigenergiearchitektur<br />
abgestimmt werden. Für Anlagen<br />
<strong>der</strong> Nutzung erneuerbarer Energien und<br />
für Solarhäuser ist im Rahmen <strong>der</strong> Regionalplanung,<br />
<strong>der</strong> Flächennutzungs- und<br />
Bebauungsplanung sowie <strong>der</strong> Bausatzung<br />
Vorrang e<strong>in</strong>zuräumen.<br />
Zusätzliche Flächenausweisung<br />
Vor <strong>der</strong> Inanspruchnahme neuer Flächen<br />
ist zu prüfen, <strong>in</strong>wieweit die Chancen <strong>der</strong><br />
B<strong>in</strong>nenentwicklung (Nutzung von Baulükken<br />
± unter Bewahrung wichtiger Freiräume,<br />
Ausnutzung ± <strong>der</strong> vorhandenen<br />
bzw. neuzuschaffenden Infrastruktur) ausgenutzt<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Neubauplanung ± ¹Let the sunsh<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ª<br />
In neuen Bebauungsplänen ist die Integration<br />
von Wohnen und Arbeiten, die Anb<strong>in</strong>dung<br />
an leistungsfähigen, den regionalen<br />
Bedürfnissen angepaûten ÖPNV sowie<br />
nach Möglichkeit die Bündelung von Siedlungsschwerpunkten<br />
zu realisieren. Aktive<br />
und passive Sonnenenergienutzung ist<br />
durch die Bebauungspläne zu för<strong>der</strong>n; die<br />
lokalen Energieversorgungspotentiale s<strong>in</strong>d<br />
optimal zu berücksichtigen.<br />
Nahwärmeversorgung ist den E<strong>in</strong>zelfeuerungsanlagen<br />
dort vorzuziehen, wo es ökologisch<br />
s<strong>in</strong>nvoll ist. Das Gegenteil ist nachzuweisen.<br />
Gewerblicher Wärmeüberschuû<br />
sollte <strong>in</strong> die Nahwärmeversorgung e<strong>in</strong>geplant<br />
werden.<br />
Durch die Weiterentwicklung <strong>der</strong> Wärmeschutzverordnung<br />
und <strong>der</strong> Instrumente <strong>der</strong><br />
Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung soll <strong>der</strong> Niedrigenergiehausstandard<br />
zur Regel werden.<br />
Das Programm ¹Neues Wohnen auf Entwicklungsstandortenª<br />
des Landes NRW<br />
för<strong>der</strong>t ökologisch s<strong>in</strong>nvolle Bebauungspläne<br />
und soll genutzt werden.<br />
Die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Grundsätze des ökologischen<br />
Bauens (z.B. niedrige Energiestandards)<br />
und <strong>der</strong> sparsamen Erschlieûung<br />
sich nachzuweisen. Soweit Ausgleichsmaûnahmen<br />
erfor<strong>der</strong>lich werden, s<strong>in</strong>d diese<br />
vorrangig im Gebiet selbst zu realisieren.<br />
Festschreibung des Flächennutzungsplanes<br />
Siedlungs-, Landschafts- und Infrastrukturplanung<br />
müssen als E<strong>in</strong>heit begriffen werden.<br />
Bei <strong>der</strong> Fortschreibung des Flächennutzungsplanes<br />
ist auf die sich ergänzenden<br />
Funktionen dieser Planung zu achten, die<br />
gleichgewichtig und aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bezogen<br />
erarbeitet werden müssen.<br />
Angemessene Dichte<br />
In <strong>der</strong> Bauleitplanung (FNP, BPläne) ist<br />
geson<strong>der</strong>t nachzuweisen, <strong>in</strong>wieweit die<br />
geplante Ausnutzung (Verdichtung) geeignet<br />
ist, um die Ziele des Flächensparens,<br />
<strong>der</strong> optimalen Energienutzung und <strong>der</strong><br />
Auslastung <strong>der</strong> neuen bzw. bestehenden<br />
Infrastruktur zu erreichen.<br />
Grenzen überschreiten<br />
E<strong>in</strong>e ökologisch orientierte Entwicklungsplanung<br />
kann an <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>degrenze<br />
nicht haltmachen. Je nach Planungsaufgabe<br />
(z. B. Verkehr, Wohnungsbau, Gewerbeansiedlung,<br />
Biotopvernetzung) muû <strong>der</strong> Planungsraum<br />
festgelegt werden, wobei ±<br />
wenn erfor<strong>der</strong>lich ± e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>degrenzen<br />
243
überschreitende Planung durchgeführt und<br />
verantwortet werden muû.<br />
In <strong>der</strong> Bauleitplanung ist geson<strong>der</strong>t nachzuweisen,<br />
<strong>in</strong>wieweit die geplante Ausnutzung<br />
geeignet ist, um die Ziele des Flächensparens,<br />
<strong>der</strong> optimalen<br />
Energienusnutzung und <strong>der</strong> Auslastung <strong>der</strong><br />
bestehenden o<strong>der</strong> geplanten Infrastruktur<br />
gewährleistet ist.<br />
Ohne Auto mobil<br />
Es s<strong>in</strong>d flächendeckende ÖPNV-Konzepte<br />
<strong>in</strong> den Städten und Kreisen umzusetzen<br />
und fortzuentwickeln. Konzepte zu Ortsbussystemen<br />
sollen dort beantragt werden,<br />
wo sie s<strong>in</strong>nvoll ersche<strong>in</strong>en. Zur Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
des motorisierten Individualverkehrs<br />
s<strong>in</strong>d Jahresprogramme zu erarbeiten, die<br />
geeignet s<strong>in</strong>d, die Verkehrsmittel des<br />
Umweltverbundes (ÖPNV, Rad) zu stärken.<br />
Die Bauleitplanung hat e<strong>in</strong>e umweltverträgliche<br />
Mobilität <strong>der</strong> Bewohner zu<br />
berücksichtigen (Stadt <strong>der</strong> kurzen Wege,<br />
E<strong>in</strong>heit von Wohnen und Arbeiten,<br />
ÖPNV-Anb<strong>in</strong>dung, Radwege, Bike & Ride<br />
Stationen).<br />
Die Kreis- und Stadtverwaltungen werden<br />
über die Kreistage und Stadträte beauftragt,<br />
die Verwendbarkeit e<strong>in</strong>es Solarfahrzeuges<br />
als Dienstfahrzeug zu prüfen.<br />
Hierzu soll e<strong>in</strong> Solarmobil ¹zur Probeª (als<br />
Modell) angeschafft werden, welches auch<br />
e<strong>in</strong>zelnen Kommunen zu Testzwecken zur<br />
Verfügung gestellt werden kann, mit an<strong>der</strong>en<br />
mit regenerativen Energien betriebenen<br />
Autos könnte ähnlich verfahren werden.<br />
Ebenso wird an e<strong>in</strong>er zentralen Stelle des<br />
Kreises bzw. <strong>der</strong> kreisfreien Stadt e<strong>in</strong>e<br />
¹Solartankstelleª für das Solarmobil und<br />
an<strong>der</strong>e elektrisch betriebene- Fahrzeuge<br />
e<strong>in</strong>gerichtet.<br />
Umweltverträgliche Energieversorgung<br />
Energiesparen hat Vorrang<br />
Die umweltschonendste Energie ist die, die<br />
man nicht verbraucht. Praktische Umweltpolitik<br />
zeigt sich deshalb <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong><br />
effektiver Energiee<strong>in</strong>sparung. Energiespa-<br />
244<br />
ren soll sich lohnen. Dies muû z.B. im<br />
Stromtarif und <strong>in</strong> <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von Wärmedämm-Maûnahmen<br />
bei Altbauten zum<br />
Ausdruck kommen.<br />
Energieversorgungskonzepte<br />
Nicht die Festlegung auf e<strong>in</strong>e Art <strong>der</strong><br />
Energieversorgung ist anzustreben, son<strong>der</strong>n<br />
die optimale und breite Nutzung aller<br />
vorhandenen Potentiale und Ideen.<br />
Energiekonzepte s<strong>in</strong>d zu for<strong>der</strong>n, sofern sie<br />
noch nicht existieren. Bereits bestehende<br />
Energiekonzepte müssen forciert umgesetzt<br />
werden. E<strong>in</strong> Energiekataster für Kommunen<br />
ist zu erstellen, Energiepässe bzw.<br />
Energiekennziffern für Gebäude s<strong>in</strong>d anzustreben.<br />
Energieszenarien und Emissionsvergleiche<br />
s<strong>in</strong>d zu erstellen. E<strong>in</strong>e Abschätzung<br />
<strong>der</strong> regenerativen Energiepotentiale<br />
soll erstellt werden. E<strong>in</strong> Energiebeauftragter<br />
soll die Umsetzung überwachen.<br />
Stadtwerke<br />
E<strong>in</strong>e umfassende und preisgünstige Versorgung<br />
hat Vorrang vor kommerziellen Zielen.<br />
Der kommunalen Energiepolitik<br />
kommt die strategische Funktion <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
solaren und effizienten Energieversorgung<br />
zu. Nur im kommunalen Querverbund <strong>der</strong><br />
verschiedenen leitungsgebundenen Energien<br />
(Strom, Gas, Wärme) ist rationelle<br />
Energieverwendung möglich. Energieversorgung<br />
durch EVU sollen daher so<br />
schnell als möglich durch die Gründung<br />
von Stadtwerken und Rückkauf <strong>der</strong> Netze<br />
rekommunalisiert werden. E<strong>in</strong>e solche<br />
Rekommunalisierung <strong>der</strong> Stromversorgung<br />
eröffnet für die Kommunen Chancen zum<br />
Umdenken, die aufgrund <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nmaximierungsbestrebungen<br />
<strong>der</strong> EVU sonst<br />
nicht gegeben wären.<br />
Zusammenarbeit mit Energieversorgungsunternehmen<br />
(EVU)<br />
Die Konzessionsverträge s<strong>in</strong>d mit kurzen<br />
Laufzeiten (5 Jahre) abzuschlieûen. Die<br />
Bundestariffor<strong>der</strong>ung ist für l<strong>in</strong>eare Tarife<br />
zu nutzen. In bestehenden Konzessionsverträgen<br />
bedarf es zusätzlicher Zusammenar-
eitsverträge mit den EVU. Festzuschreiben<br />
s<strong>in</strong>d die Nutzung erneuerbarer Energien,<br />
die effiziente Energieerzeugung vor<br />
Ort (z. B. durch Blockheizkraftwerke) und<br />
gezielte Energiee<strong>in</strong>sparung, das Recht auf<br />
Eigenerzeugung und Durchleitung. Die<br />
E<strong>in</strong>speisung ist vertraglich ebenso zu<br />
regeln, wie die Erlaubnis <strong>der</strong> Energieabgabe<br />
± <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Strom ± an Dritte.<br />
Das EVU soll e<strong>in</strong>e qualifizierte und<br />
kostenlose Energieberatung e<strong>in</strong>richten. Bei<br />
<strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von erneuerbaren Energien<br />
s<strong>in</strong>d die EVU zu beteiligen.<br />
Die empfiehlt den Kommunen die E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>es lokal angepaûten E<strong>in</strong>speisetarifes<br />
nach dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> degressiven<br />
kostengerechten Vergütung:<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> kostengerechten Vergütung<br />
wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stadt Bonn bereits mit<br />
Erfolg umgesetzt. Bei <strong>der</strong> degressiven<br />
kostengerechten Vergütung kaufen die<br />
Energieversorgungsunternehmen den von<br />
privaten Erzeugern <strong>in</strong> ihr Netz e<strong>in</strong>gespeisten<br />
Solarstrom zu e<strong>in</strong>em Preis auf, <strong>der</strong> so<br />
hoch ist, daû mit diesem Geld e<strong>in</strong>e optimal<br />
dimensionierte und ausgerichtete Solaranlage<br />
f<strong>in</strong>anziert und betrieben werden kann<br />
(zur Zeit ca. 2,00 DM pro Kilowattstunde).<br />
Die den Energieversorgungsunternehmen<br />
für e<strong>in</strong>gespeisten Solarstrom entstehenden<br />
Mehrkosten werden auf den Strompreis für<br />
alle Kunden umgelegt. Als Obergrenze für<br />
diese Umlage ist e<strong>in</strong>e Tariferhöhung von<br />
1 % (<strong>der</strong> sog. Kohlepfennig beträgt im<br />
Vergleich hierzu momentan 9,1 % des<br />
Strompreises) durch e<strong>in</strong>en Erlaû des M<strong>in</strong>isteriums<br />
für Wirtschaft, Mittelstand, Technologie<br />
und Verkehrs des Landes NRW<br />
festgelegt. E<strong>in</strong> groûer Vorteil dieses<br />
Systems liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung durch<br />
e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imale Strompreiserhöhung für alle<br />
Abnehmer; die öffentlichen Kassen werden<br />
nicht belastet.<br />
Weitere Vorteile s<strong>in</strong>d die bereits geschaffenen<br />
gesetzlichen Grundlagen und <strong>der</strong> nur<br />
ger<strong>in</strong>ge bürokratische Aufwand, die diese<br />
Art <strong>der</strong> E<strong>in</strong>speisevergütung mit sich br<strong>in</strong>gt.<br />
Durch die nach und nach steigende Anzahl<br />
von Solaranlagen wird e<strong>in</strong> allmählicher<br />
Kostenrückgang für die Produktion von<br />
Solarstrom gewährleistet. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />
kostengerechten Vergütung kann somit auf<br />
lange Sicht e<strong>in</strong>en entscheidenden Schritt<br />
zur Dezentralisierung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
leisten.<br />
Die als rechtmäûig anerkannte E<strong>in</strong>speisevergütung<br />
reicht nicht aus. Deshalb sollen<br />
Fonds e<strong>in</strong>gerichtet werden, damit die<br />
Mehrkosten von allen aufgebracht werden.<br />
Kommunale Gebäude und Anlagen<br />
Kommunale Akteure haben Vorbildfunktion.<br />
Ihre Energiebilanz ist offenzulegen<br />
und entsprechend den Möglichkeiten e<strong>in</strong>er<br />
umweltfreundlichen Energieversorgung zu<br />
optimieren. Hierbei s<strong>in</strong>d auch neue Konzepte<br />
wie Betreibermodelle und Least-<br />
Cost-Plann<strong>in</strong>g zu berücksichtigen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e kommunale Verwaltungsgebäude,<br />
Schulen, Turnhallen u. ä. sollten<br />
über Kraftwärmekopplung versorgt werden.<br />
E<strong>in</strong>e Energiebewirtschaftung mit Planung,<br />
Beschaffung und Verbrauchskontrolle,<br />
Betriebsüberwachung, Schulung und<br />
Information ist zu for<strong>der</strong>n.<br />
Die <strong>in</strong>tegrierte Nutzung solarer Energien<br />
auf Dächern und Fassaden ist durchzuführen.<br />
Zum<strong>in</strong>dest bei Neubauten sollte die<br />
spätere Integration möglich se<strong>in</strong>. Neue,<br />
e<strong>in</strong>zelstehende öffentliche elektrische Anlagen<br />
(Beleuchtungsanlagen, Verkehrsschil<strong>der</strong>,<br />
Telefonkab<strong>in</strong>en, Parkuhren usw.) s<strong>in</strong>d<br />
photovoltaisch zu versorgen. Die Ausstattung<br />
von Schwimmbä<strong>der</strong>n mit Sonnenkollektoren<br />
ist zu forcieren.<br />
Sonstige öffentliche Liegenschaften, Landes-<br />
o<strong>der</strong> Bundesliegenschaften <strong>in</strong> den<br />
Kommunen sollen (energie-)kritisch<br />
betrachtet werden, gegebenenfalls s<strong>in</strong>d notwendige<br />
Verän<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>zufor<strong>der</strong>n.<br />
Bewuûtse<strong>in</strong> schaffen<br />
Alle Kreise und kreisfreien Städte sollen<br />
e<strong>in</strong> ¹Solarmusterhausª e<strong>in</strong>richten. Dieses<br />
Solarmusterhaus ± wie das <strong>in</strong> Bonn bereits<br />
vorhandene ± soll den Bürger<strong>in</strong>nen als<br />
Beratungszentrum dienen und die verschiedenen<br />
Nutzungsformen <strong>der</strong> Solarenergie<br />
245
sowie die Vorzüge ökologischen Bauens<br />
veranschaulichen. E<strong>in</strong> repräsentatives<br />
öffentliches Gebäude soll als ¹Solarmusterhausª<br />
photovoltaisch mit Energie versorgt<br />
werden. Dies hätte beson<strong>der</strong>en Vorbildcharakter<br />
und stellt e<strong>in</strong>e hohe Wahrnehmung<br />
durch die Bürger<strong>in</strong>nen sicher.<br />
Die spricht sich für e<strong>in</strong>e stärkere Behandlung<br />
des Themas ¹Regenerative Energienª<br />
<strong>in</strong> den Schulen und Volkshochschulen aus.<br />
Ebenso sollten <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Kommune Beratungsstellen<br />
über die private Nutzung regenerativer<br />
Energien <strong>in</strong>formieren. Die Handwerkskammern<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
spezifische Information- und Fortbildungsprogramme<br />
für Heizungsbauer, Dachdekker,<br />
Schornste<strong>in</strong>feger u. a. anzubieten, um<br />
die technischen Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e<br />
Ausstattung auch privater Gebäude mit<br />
Solaranlagen und den Bau von Niedrigenergiehäusern<br />
zu schaffen.<br />
Ebenso sollen die Fachhochschulen das<br />
Thema verstärkt aufgreifen und vor allem<br />
<strong>in</strong> spezifischen Fächern Bildungsprogramme<br />
zur Nutzung regenerativer Energien<br />
anbieten.<br />
Die mittelrhe<strong>in</strong>ische <strong>SPD</strong> richtet e<strong>in</strong>e<br />
Arbeitsgruppe o<strong>der</strong> Projektgruppe e<strong>in</strong>, die<br />
die Fraktionen, Unterbezirke und Ortsvere<strong>in</strong>e<br />
bei <strong>der</strong> Durch- und Umsetzung von<br />
Maûnahmen im S<strong>in</strong>ne dieses Antrages<br />
unterstützt. Sie beschäftigt sich zudem mit<br />
<strong>der</strong> Erarbeitung regionaler Energiekonzepte.<br />
In diese Energiekonzepte soll die Nutzung<br />
regenerativer Energien an zentraler Stelle<br />
stehen.<br />
Die Arbeitsgruppe prüft anhand e<strong>in</strong>er<br />
Musterkommune die möglichen und s<strong>in</strong>nvollen<br />
Standorte zum Aufstellen von Solartankstellen.<br />
Diese Solartankstandorte können<br />
zum Beispiel Bahnhöfe o<strong>der</strong> wichtige<br />
Haltestellen des Nahverkehrs se<strong>in</strong>.<br />
1000 Dächer Sonne!<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt alles daran, <strong>in</strong> allen Kreisen<br />
und kreisfreien Städten e<strong>in</strong> ¹1 000-Dächer-<br />
Programmª zur För<strong>der</strong>ung von solarver-<br />
246<br />
sorgten Gebäuden <strong>in</strong>s Leben zu rufen.<br />
Hierzu gehören f<strong>in</strong>anzielle Vergünstigungen<br />
und bevorzugte Vergabe von Grundstücken.<br />
För<strong>der</strong>ung von Niedrigenergiehäusern ist<br />
ebenfalls anzustreben.<br />
Wärmelieferung<br />
Privatwirtschaftliche o<strong>der</strong> kommunale<br />
Unternehmen f<strong>in</strong>anzieren gebäudeeigene<br />
Heizungsanlagen und betreiben diese<br />
(Contract<strong>in</strong>g-Modell). Derartige Anlagen<br />
s<strong>in</strong>d meist effizienter als von jedem selbst<br />
betriebene.<br />
Solare Energiequellen<br />
Alle solaren Quellen wie Sonnenkollektoren,<br />
solare Nahwärme, Klär-, Deponieund<br />
Biogasanlagen, Solararchitektur, Wasser-<br />
und W<strong>in</strong>dkraft, Stroh- und Holzheizkraftwerke,<br />
Biomassenvergasungsanlagen,<br />
Pflanzenölmotoren und Photovoltaikanlagen<br />
als Solardächer und -fassaden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
energetische Planungen e<strong>in</strong>zubeziehen, zu<br />
för<strong>der</strong>n und publik zu machen.<br />
F<strong>in</strong>anzierung<br />
Die Betriebskosten für Anlagen erneuerbarer<br />
Energien s<strong>in</strong>d meist ger<strong>in</strong>g, wesentlich<br />
s<strong>in</strong>d die Kapitalkosten für die Anlagen.<br />
Dazu müssen spezielle Programme zur<br />
Vor- und Drittf<strong>in</strong>anzierung aufgelegt werden.<br />
Beteiligung an Solarenergieanlagen<br />
Durch Beteiligung mehrerer Stadtwerke an<br />
kommunalen W<strong>in</strong>dparks, Biomassenzentralanlagen<br />
und an<strong>der</strong>en Anlagen zur direkten<br />
und <strong>in</strong>direkten Nutzung <strong>der</strong> Sonnenenergie<br />
können ggf. nachteilige<br />
Standortbed<strong>in</strong>gungen ausgeglichen und<br />
betriebswirtschaftliche Skaleneffekte<br />
genutzt werden.<br />
För<strong>der</strong>ungen<br />
Programme zur För<strong>der</strong>ung umweltgerechten<br />
Bauens s<strong>in</strong>d zu <strong>in</strong>stallieren bzw. zu<br />
beantragen. Forcierte E<strong>in</strong>führung von Son-
nenkollektoren etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stadtteil ±<br />
e<strong>in</strong>em Bebauungsgebiet ± können zu<br />
erheblichen Rationalisierungseffekten bei<br />
<strong>der</strong> Installation führen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 142<br />
Unterbezirk Oberhausen<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Energiepolitische Leitsätze<br />
1. Energiewende jetzt<br />
Die Energiewende ist <strong>der</strong> Schlüssel zum<br />
ökologischen Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft.<br />
E<strong>in</strong>erseits kann nur e<strong>in</strong>e totale<br />
Umgestaltung <strong>der</strong> weltweiten Energieversorgung<br />
± hierzu zählen wir auch den Verkehrsbereich<br />
± das Überleben unseres Planeten<br />
sichern, an<strong>der</strong>erseits ergeben sich aus<br />
diesem Umbau auch Chancen zur<br />
Zukunftssicherung unserer <strong>in</strong>dustriellen<br />
Produktion und damit auf neue s<strong>in</strong>nvolle<br />
Erwerbsarbeitsplätze.<br />
2. Säulen des Umbaus<br />
Der Umbau des Energieversorgungssystems<br />
muû unseres Erachtens auf drei<br />
gleichberechtigten Säulen ruhen.<br />
a) Energie sparen<br />
Energiee<strong>in</strong>sparung ist <strong>in</strong> den Industrielän<strong>der</strong>n<br />
die potentielle Energiequelle Nummer<br />
E<strong>in</strong>s. Durch verschiedenste technische<br />
Möglichkeiten läût sich <strong>der</strong> Energieverbrauch<br />
drastisch senken. Dies gilt für den<br />
Produktionssektor genauso wie für den privaten<br />
Verbrauch. Dabei ist Energiesparen<br />
nicht nur aus ökologischer Sicht notwendig,<br />
son<strong>der</strong>n rechnet sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch<br />
ökonomisch zum<strong>in</strong>dest mittelfristig.<br />
Dort, wo beson<strong>der</strong>s energieverschwendende<br />
Tätigkeiten stattf<strong>in</strong>den, for<strong>der</strong>n wir<br />
e<strong>in</strong>e schnellstmögliche Umstellung auf<br />
sparsameren und umweltschonenden Energieverbrauch.<br />
Dies gilt vor allem für den Verkehrsbereich.<br />
Hier reicht die Senkung des Spritverbrauchs<br />
des e<strong>in</strong>zelnen Fahrzeugs o<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Fahrzeugflotten nicht aus. Es gilt, u. a.<br />
durch den Ausbau des ÖPNV, die gefahrenen<br />
Kilometer drastisch zu senken. Ergänzend<br />
hierzu ist die Weiterentwicklung von<br />
umweltverträglicheren Verkehrsmitteln, wie<br />
dem Schienenverkehr, <strong>der</strong> B<strong>in</strong>nenschiffahrt<br />
o<strong>der</strong> Öko-Autos zu lancieren, auûerdem<br />
s<strong>in</strong>d verbrauchsoptimierte Fahrzeuge, wie<br />
z. B. Autos mit TDI-Technik, steuerlich zu<br />
begünstigen.<br />
Ebenso müssen beson<strong>der</strong>s energie<strong>in</strong>tensive<br />
Produktionsweisen, etwa die Herstellung<br />
von Alum<strong>in</strong>iumverpackungen, verboten<br />
werden.<br />
b) Energieeffizienzrevolution<br />
Der Groûteil <strong>der</strong> bei uns produzierten<br />
Energie bleibt ungenutzt. Sie geht bei zu<br />
langen Transportwegen verloren o<strong>der</strong> als<br />
ungenutzte Abwärme <strong>in</strong> Flüsse o<strong>der</strong> die<br />
Atmosphäre.<br />
Es ist notwendig, den Nutzungsgrad <strong>der</strong><br />
produzierten Energie massiv zu steigern.<br />
Die technischen Möglichkeiten hierzu s<strong>in</strong>d<br />
weitgehend vorhanden. Nie<strong>der</strong>energiehäuser,<br />
bessere Wärmedämmung an Altbauten,<br />
energiesparende Beleuchtung, Kraft-<br />
Wärme-Kopplung und verkürzte Energietransportwege<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Beispiele hierfür.<br />
Zur Umsetzung dieser For<strong>der</strong>ungen ist<br />
e<strong>in</strong>e Reform unseres Energieversorgungssystem<br />
notwendig. Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
zur Energiee<strong>in</strong>sparung müssen per Gesetz<br />
geschaffen werden.<br />
c) Regenerativer Umbau<br />
Die Energieversorgung <strong>der</strong> Zukunft muû<br />
weitestgehend auf regenerativen Energiequellen<br />
ruhen. Regenerative Energiequellen<br />
s<strong>in</strong>d W<strong>in</strong>d, Wasser, Sonne und Bio-<br />
Masse. Ziel muû es se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> Zukunft nicht<br />
mehr Energie zu verbrauchen, als neu zur<br />
Verfügung steht. Zur Zeit verbrauchen wir<br />
durch die Verbrennung fossiler Energieträger<br />
die Energiereserven zukünftiger Generationen.<br />
247
Im Zentrum dieses Umbaus steht die<br />
Solarenergie. Die Nutzung <strong>der</strong> Sonnenenergie<br />
sowohl durch die Umwandlung <strong>in</strong><br />
Strom, o<strong>der</strong> die anschlieûende Erzeugung<br />
von Wasserstoff als Energieträger, als auch<br />
die thermische Nutzung muû zur Hauptenergiequelle<br />
werden. Als E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das<br />
Solarzeitalter for<strong>der</strong>n wir die sofortige Auflage<br />
e<strong>in</strong>es 100000-Dächer-Programms, das<br />
den Bau von Solaranlagen för<strong>der</strong>t. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus ist die Errichtung von <strong>in</strong>dividuellen<br />
Solaranlagen groûzügig zu unterstützen.<br />
Beim regenerativen Umbau muû es um<br />
e<strong>in</strong>e Vielzahl von kle<strong>in</strong>en verbrauchsnahen<br />
Anlagen gehen, wie zum Beispiel die Versorgung<br />
von Neubaugebieten mit Fernwärme<br />
aus Block-Heizkraftwerken. Diese<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Bebauungspläne bei <strong>der</strong> Planung<br />
vorzusehen.<br />
Die Solarenergie spielt vor allem beim<br />
<strong>in</strong>ternationalen Umbau <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
die zentrale Rolle. Gerade <strong>in</strong> den<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n muû die notwendige<br />
Technologie zur Nutzung <strong>der</strong> dort meist<br />
reichlich vorhandenen Energiequelle Sonne<br />
zur Verfügung gestellt werden.<br />
Bei <strong>der</strong> Umsetzung dieser drei Säulen gilt<br />
es, alle Instrumente <strong>der</strong> Umweltpolitik<br />
s<strong>in</strong>nvoll zu verzahnen. Neue Schwerpunktsetzungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungs- und Technologiepolitik<br />
zugunsten regenerativerer<br />
Energiequellen und E<strong>in</strong>spartechniken s<strong>in</strong>d<br />
ebenso notwendig, wie die Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> verbrauchsoptimierten Verbrennung<br />
von fossilen Brennstoffen. Öffentliche<br />
För<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit<br />
gesetzlichen Vorgaben, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im<br />
Hochbau, unverzichtbar. Die optimale Verteilung<br />
<strong>der</strong> Mittel sollte von den Kommunen<br />
übernommen werden.<br />
E<strong>in</strong>e maûvolle Erhöhung des Energiepreises<br />
ist unbed<strong>in</strong>gt notwendig.<br />
3. Internationale Umbaustrategie<br />
Von ebenso groûer Bedeutung ist e<strong>in</strong>e<br />
<strong>in</strong>ternationale Umbaustrategie. Die Län<strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> sogenannten ¹Dritten Weltª müssen<br />
genauso <strong>in</strong> den Prozeû e<strong>in</strong>gebunden werden<br />
wie alle Industrielän<strong>der</strong>. Wobei den<br />
248<br />
Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ¹Dritten Weltª e<strong>in</strong>e weitere<br />
ökonomische Entwicklung und e<strong>in</strong>e (maûvolle)<br />
Steigerung des Energieverbrauchs<br />
nicht verwehrt werden darf. Bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />
und Umsetzung <strong>der</strong> Umbaustrategie<br />
für die Industrielän<strong>der</strong> kommt <strong>der</strong><br />
Europäischen Union e<strong>in</strong>e entscheidende<br />
Bedeutung zu.<br />
Lieferungen von Anlagen, die den Umweltstandard<br />
<strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
bedeutend erhöhen, s<strong>in</strong>d durch Bundesund<br />
EU-Bürgschaften abzusichern. Bei <strong>der</strong><br />
Entwicklungshilfe sollen <strong>in</strong> Zukunft ökologische<br />
Aspekte e<strong>in</strong>e grundlegende Entscheidungsvariable<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Wir for<strong>der</strong>n die Schaffung regionaler Wirtschaftsräume,<br />
um energieverschwendende<br />
Transportwege für Produkte zu verkürzen.<br />
In ihnen sehen wir auch bessere Entwicklungschancen<br />
für die sogenannten Entwicklungslän<strong>der</strong>,<br />
denen durch e<strong>in</strong>e teilweise<br />
Abkoppelung vom Weltmarkt fairere Handelsbed<strong>in</strong>gungen<br />
gegeben werden können.<br />
Aus Wettbewerbsgründen und zur Arbeitsplatzsicherung<br />
ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitlicher<br />
Standard für den Schutz <strong>der</strong> Umwelt<br />
zu vere<strong>in</strong>baren. Die Bundesrepublik muû<br />
sich stärker als bisher <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong>setzen,<br />
um e<strong>in</strong>e europaweite Harmonisierung <strong>der</strong><br />
Umweltrichtl<strong>in</strong>ien zu realisieren.<br />
4. Atomausstieg jetzt<br />
Erste Voraussetzung für e<strong>in</strong>e ökologisch<br />
verantwortbare Energieversorgung ist <strong>der</strong><br />
von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> beschlossene Ausstieg aus <strong>der</strong><br />
Kernenergie.<br />
5. Energie muû teurer werden<br />
Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er maûvollen Energiesteuer,<br />
e<strong>in</strong>gebunden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ökologische<br />
Steuerreform, ist notwendig. Diese Verteuerung<br />
muû möglichst global durchgesetzt<br />
werden. Mit diesen Mitteln kann beispielsweise<br />
<strong>der</strong> ÖPNV ausgebaut werden<br />
und die Erforschung energiesparen<strong>der</strong><br />
Technologien geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Bei <strong>der</strong> Ausgestaltung dieser Steuer gilt es,<br />
die externen Kosten <strong>der</strong> Energieproduk-
tion, etwa die Umweltzerstörung durch die<br />
Verbrennung fossiler Energieträger o<strong>der</strong><br />
die Endlagerungskosten für Atommüll, <strong>in</strong><br />
den Energiepreis e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
Notwendig ist e<strong>in</strong>e Umgestaltung <strong>der</strong><br />
Stromtarife. Die Belohnung von hohem<br />
Energieverbrauch durch Preisrabatte muû<br />
umgehend beendet werden.<br />
6. Neuorganisation <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
Least-Cost-Plann<strong>in</strong>g: Von <strong>der</strong> Versorgung<br />
zur Dienstleistung<br />
Die Energieversorgungsunternehmen müssen<br />
zu Energiedienstleistern umgebaut werden,<br />
die nicht am Verkauf ± von möglichst<br />
viel ± Energie <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong><br />
ökonomisches Interesse an <strong>der</strong> Senkung<br />
des Energieverbrauchs haben. Hierzu müssen<br />
sie <strong>in</strong> Zukunft nicht Energie, son<strong>der</strong>n<br />
Energiedienstleistungen (warme Räume,<br />
Licht, Kühlung von Lebensmitteln) verkaufen.<br />
Zur Zeit besteht das Interesse <strong>der</strong><br />
Konzerne im Verbrauch, also auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Verschwendung von möglichst viel Energie.<br />
Werden sie für ihre Dienstleistungen<br />
bezahlt, haben sie selbst e<strong>in</strong> Interesse, diese<br />
Dienstleistungen so billig wie möglich zu<br />
produzieren, also auch mit sowenig wie<br />
möglich Energie zu produzieren.<br />
Mit diesem Konzept wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen<br />
Staaten <strong>der</strong> USA durch massive Energiee<strong>in</strong>sparung<br />
die Senkung <strong>der</strong> Kosten für die<br />
Kunden bei gleichzeitiger Profitsteigerung<br />
<strong>der</strong> Unternehmen erreicht.<br />
E<strong>in</strong>e solche Umorganisation bedarf e<strong>in</strong>es<br />
umfassenden Planungskonzeptes-für die<br />
Energieversorgung, mit dem Ziel <strong>der</strong> möglichst<br />
kostengünstigsten und umweltschonendsten<br />
Bereitstellung <strong>der</strong> Energiedienstleistungen.<br />
Dabei müssen Verbraucher und<br />
Energieunternehmen für volkswirtschaftlich<br />
s<strong>in</strong>nvolle E<strong>in</strong>sparungen- belohnt werden.<br />
Der Planungsprozeû bedarf <strong>der</strong> Kontrolle<br />
durch die Öffentlichkeit und e<strong>in</strong>er<br />
Neuorganisation und Ausweitung <strong>der</strong> Aufsicht<br />
für die Energieversorgung.<br />
7. Ökonomische Auswirkungen des ökologischen<br />
Umbaus des Energieversorgungssystems<br />
a) Umbau <strong>der</strong> Kohle<br />
Statt das Konzept des schleichenden Todes<br />
des Kohlebergbaus fortzusetzen, bei dem<br />
Schritt für Schritt F<strong>in</strong>anzmittel, Produktionsmengen<br />
und Arbeitsplätze abgebaut<br />
werden, ohne das alternative Arbeitsplätze<br />
entstehen, for<strong>der</strong>n wir das Umsteuern h<strong>in</strong><br />
zum Umbau des Energiesystems.<br />
Dies bedeutet:<br />
Es darf ke<strong>in</strong>e Entlassungen im Bergbau<br />
geben.<br />
Nur durch e<strong>in</strong> planvolles Umstiegskonzept<br />
kann den heutigen Bergbauregionen e<strong>in</strong>e<br />
langfristige ökonomische Perspektive geboten<br />
werden. Langfristig wird Ste<strong>in</strong>kohle<br />
zur Energiegew<strong>in</strong>nung ökologisch und<br />
ökonomisch problematisch. Wir benötigen<br />
aber weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Sockel an Bergwerken,<br />
um die Weiterentwicklung von<br />
umweltkonzilianten Kohle-Kraftwerkstechnologien<br />
zu gewährleisten.<br />
Dazu s<strong>in</strong>d verläûliche Regelungen zur<br />
Sicherung des E<strong>in</strong>satzes heimischer Ste<strong>in</strong>kohle<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verstromung und zur Stahlerzeugung<br />
zu schaffen.<br />
Freiwerdende F<strong>in</strong>anzmittel sollen <strong>in</strong> den<br />
betroffene Regionen <strong>in</strong> Maûnahmen zur<br />
Produktion von Solarenergietechnik o<strong>der</strong><br />
Energiespartechnik <strong>in</strong>vestiert werden. Die<br />
betroffenen Regionen werden so zu Produktionsschwerpunkten<br />
<strong>in</strong> zukunftsträchtigen<br />
Bereichen.<br />
E<strong>in</strong>e auf die Sicherung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
gerichtete Energiepolitik muû als<br />
zentrales Ziel die langfristige Nutzung <strong>der</strong><br />
heimischen Energieträger be<strong>in</strong>halten.<br />
b) Zukunftschancen nutzen<br />
Der Umbau des Energiesystems bietet<br />
ungeheure ökonomische Möglichkeiten. Er<br />
setzt durch E<strong>in</strong>sparung volkswirtschaftliche<br />
Mittel frei, und er erschlieût neue Produktionsfel<strong>der</strong>.<br />
Wir gehen davon aus, daû die-<br />
249
ser Umbau <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesamtbilanz e<strong>in</strong>e groûe<br />
Anzahl dauerhafter Arbeitsplätze schafft.<br />
Diese Chancen müssen aber konsequent<br />
und aktiv genutzt werden.<br />
Wichtig ist, neu entstehende Industrien<br />
dort anzusiedeln, wo alte Strukturen zerstört<br />
werden, auch hier ist staatliches Handeln,<br />
etwa durch Investitionspolitik, notwendig.<br />
Ansonsten entstehen soziale<br />
Verwerfungen, die den energiepolitischen<br />
Umbau <strong>der</strong> Industriegesellschaft gefährden.<br />
Schnelles und entschlossenes Handeln von<br />
allen Beteiligten ist notwendig, um im<br />
<strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb die Chancen<br />
für die Ansiedlung <strong>der</strong> Entwicklungs- und<br />
Produktionsstätten für zukunftsweisende<br />
Energietechniken <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region zu nutzen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 143<br />
Kreisverband Rems-Murr<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Leitsätze für e<strong>in</strong>e strategische<br />
Energie-Initiative<br />
I. Leitsätze für e<strong>in</strong>e Strategische Energie-<br />
Initiative<br />
1. Die Erneuerung <strong>der</strong> Energiebasis ist<br />
von existentieller Bedeutung für die weitere<br />
Entwicklung <strong>der</strong> Zivilisation. Alle Innovationen<br />
<strong>in</strong> Industrie, Dienstleistungen, Verkehr<br />
und Landwirtschaft werden obsolet,<br />
wenn nicht e<strong>in</strong>e ökologische verträgliche<br />
Energiebasis gesichert ist. Die ökologischen<br />
Folgen des fossilen Energieverbrauchs,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für das Weltklima,<br />
wie auch die mit <strong>der</strong> Atomenergienutzung<br />
verbundenen Gefahren s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e historisch<br />
e<strong>in</strong>zigartige Hypothek, die den folgenden<br />
Generationen überlassen und <strong>der</strong>en wirtschaftliche<br />
und kulturelle Lebenschancen<br />
drastisch beschneiden wird.<br />
Ohne ökologische Energiewende drohen<br />
schwerwiegende <strong>in</strong>ternationale Konflikte<br />
und ist e<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> Entwicklungskrise<br />
<strong>der</strong> sogenannten Dritten Welt nicht denk-<br />
250<br />
bar. Mit e<strong>in</strong>er ökologischen Energiewende<br />
haben wir die Chance zur Schaffung zahlreicher<br />
neuer Arbeitsplätze. Auûerdem lassen<br />
sich dadurch die Energiebedürfnisse<br />
<strong>der</strong> Menschheit dauerhaft sichern. E<strong>in</strong>e<br />
Strategische Energienitiative ist notwendig,<br />
um <strong>der</strong> existentiellen Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
gerecht zu werden und die damit verbundenen<br />
Chancen ergreifen zu können.<br />
2. Wegen des unauflöslichen Zusammenhangs<br />
zwischen nationaler bzw. europäischer<br />
Energieversorgung und dem globalen<br />
Energie-Dilemma muû die <strong>SPD</strong> ihre<br />
Energiepolitik global def<strong>in</strong>ieren, ohne die<br />
eigenen Initiativen von <strong>in</strong>ternationalen Vere<strong>in</strong>barungen<br />
abhängig zu machen.<br />
E<strong>in</strong>e nationale Energiepolitik ohne Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> globalen Energiekrise führt<br />
zu kurzsichtigen Antworten. Die Antwort<br />
auf die globale Energiekrise, die auf e<strong>in</strong>e<br />
strategische Entscheidung zugunsten Energieeffizienz<br />
und Erneuerbarer Energien<br />
h<strong>in</strong>auslaufen muû, kann ohne <strong>in</strong>dustrielle<br />
und technologische Leistungsfähigkeit von<br />
führenden Industriestaaten wie Deutschland<br />
nicht zeitgerecht gegeben werden.<br />
Neue Maûstäbe und Schwerpunkte für die<br />
globale Energieversorgung s<strong>in</strong>d nur glaubwürdig<br />
zu vertreten, wenn wir sie auch <strong>in</strong><br />
Deutschland und <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU konsequent<br />
praktizieren.<br />
Dies ergibt sich nicht zuletzt aus unserer<br />
Verantwortung als e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> führenden<br />
Industrielän<strong>der</strong> und <strong>der</strong> damit verbundenen<br />
Möglichkeit zur Mobilisierung ökologischer<br />
Energietechniken. Globale Verantwortung<br />
und wirtschaftliche Standortsicherung<br />
können und müssen politisch und<br />
wirtschaftlich synchronisiert werden. Die<br />
Mobilisierung von ökologischen Energietechnologien<br />
ist e<strong>in</strong>e groûe Chance für die<br />
Innovation des Technologiestandorts<br />
Deutschland im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb.<br />
3. Zentrales Ziel ist <strong>der</strong> zügige Abbau <strong>der</strong><br />
durch fossilen Energieverbrauch hervorgerufenen<br />
ökologischen Belastungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> CO 2-Emissionen, sowie die<br />
Beendigung <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Atomenergie
wegen <strong>der</strong> damit verbundenen Gefahren.<br />
Wege dazu s<strong>in</strong>d rationellere Energienutzung<br />
(Effizienz), energiebewuûtes Konsumverhalten<br />
(Suffizienz) und die Nutzung<br />
Erneuerbarer Energien (Substitution).<br />
Bis zum Jahr 2015 soll <strong>der</strong> Anteil Erneuerbarer<br />
Energien an <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
Deutschlands und <strong>der</strong> EU auf 25 % gesteigert<br />
werden. Bei e<strong>in</strong>er Reduzierung des<br />
gegenwärtigen atom/fossilen Energieverbrauchs<br />
durch Effizienssteigerungen und<br />
energiesparende Nutzerstrukturen um<br />
33 % <strong>in</strong> Deutschland bedarf es dazu e<strong>in</strong>er<br />
Verfünffachung des gegenwärtigen Beitrages<br />
Erneuerbarer Energien. Bei e<strong>in</strong>er<br />
Reduzierung des atomar/fossilen Energiesatzes<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> EU von 25 % bedarf es dazu<br />
e<strong>in</strong>er Verdreifachung des Beitrags Erneuerbarer<br />
Energien. Der gegenwärtige Anteil<br />
Erneuerbarer Energien ist überwiegend<br />
von <strong>der</strong> Groûwasserkraft geprägt. E<strong>in</strong> statistisch<br />
nicht erfaûter Anteil ergibt sich aus<br />
Fortschritten <strong>in</strong> <strong>der</strong> positiven Nutzung<br />
thermischer Solarenergie <strong>in</strong> Gebäuden.<br />
Der Ausbau <strong>der</strong> erneuerbaren Energien<br />
wird nicht bei <strong>der</strong> Groûwasserkraft liegen,<br />
son<strong>der</strong>n zunächst vor allem <strong>in</strong> den Bereichen<br />
<strong>der</strong> thermischen Solarenergienutzung<br />
<strong>in</strong> Gebäuden, <strong>der</strong> W<strong>in</strong>dkraft, Biomasse und<br />
<strong>der</strong> Photovoltaik. Die Photovoltaik wird<br />
erst nach e<strong>in</strong>er notwendigen längeren<br />
Anlaufzeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Massenfertigung e<strong>in</strong>en<br />
sichtbaren Anteil an <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
übernehmen. Auch für die Substitution von<br />
fossilen Treibstoffen für Erneuerbare Energien<br />
s<strong>in</strong>d längere Anlaufzeiten nötig.<br />
4. Diese Ziele müssen und können realisiert<br />
werden durch<br />
± Mobilisierung neuer Energietechnologien,<br />
mit <strong>der</strong>en Hilfe <strong>der</strong> Bedarf atomarer<br />
und fossiler Energiequellen reduziert<br />
wird (<strong>in</strong>dustriell-gewerblicher Effekt)<br />
± dezentralisierte und damit effiziensoptimierte<br />
Strukturen des Energieangebotes<br />
durch verän<strong>der</strong>te Rahmenbed<strong>in</strong>gungenvor<br />
allem im Energiewirtschaftsrecht, im<br />
Steuerrecht, im Baurecht und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Agrarmarktordnung (Dezentralisierungseffekt).<br />
± Senkung bzw. Elim<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> laufenden<br />
Kosten des Energiee<strong>in</strong>satzes (wirtschaftlicher<br />
Entlastungseffekt).<br />
5. Es ist notwendig und möglich, bereits<br />
e<strong>in</strong>getretene Klimaschädigungen wenigstens<br />
teilweise dadurch rückgängig zu<br />
machen, daû Maûnahmen zur Wie<strong>der</strong>aufforstung<br />
zentraler Bestandteil unserer Klimaschutzpolitik<br />
und <strong>der</strong> Entwicklungspolitik<br />
werden. Damit können erhebliche<br />
Mengen an CO 2 aus <strong>der</strong> Atmosphäre natürlich<br />
gespeichert und wie<strong>der</strong> vermehrt<br />
natürliche Wasserspeicher geschaffen werden.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus werden damit Überschwemmungs-<br />
und Überflutungsgefahren<br />
reduziert. H<strong>in</strong>zu kommt, die Chance des<br />
Ausbaus forstwirtschaftlicher Strukturen <strong>in</strong><br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />
6. Die Neustrukturierung <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
ist zu e<strong>in</strong>em Wettlauf mit <strong>der</strong> Zeit<br />
geworden. Aus ökologischen Gründen<br />
kann es sich die Menschheit nicht leisten,<br />
die jetzt bekannten Vorkommen an Energierohstoffen<br />
<strong>in</strong> den nächsten Jahrzehnten<br />
unbeschrankt zu verbrennen. Daraus ergibt<br />
sich, daû selbst unter <strong>der</strong> Voraussetzung<br />
neuer Funde die Zeit zur Ablösung nichterneuerbarer<br />
Energieträger drängt.<br />
Wie eilbedürftig die Substitution nichterneuerbarer<br />
Energieträger ist, zeigt sich<br />
an <strong>der</strong> IEA-Prognose e<strong>in</strong>er Steigerung des<br />
globalen Energieverbrauchs bis zum Jahr<br />
2010 um 50 %. Sie macht deutlich, daû<br />
wesentlich umfassen<strong>der</strong>e und konsequentere<br />
Anstrengungen als bisher nötig s<strong>in</strong>d,<br />
um die Ziele <strong>der</strong> Klima-Konvention von<br />
1992 umzusetzen. Effizienz und energiebewuûtes<br />
Konsumverhalten s<strong>in</strong>d die Motoren<br />
für e<strong>in</strong>e quantitative und wirtschaftliche<br />
Beschleunigung <strong>der</strong> Substitution.<br />
Die ¹Pugwashª-Konferenz für Wissenschaft<br />
und Weltprobleme, die 1996 den<br />
Friedensnobelpreis erhielt, hat <strong>in</strong> ihrem<br />
Statut festgestellt: ¹Die <strong>der</strong>zeit bestehenden<br />
und geplanten nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />
Programme für Forschung, Entwicklung,<br />
Demonstration und praktischen<br />
E<strong>in</strong>satz von alternativen Energien und<br />
Endverbrauchssystemen, die mit <strong>der</strong> vom<br />
251
Treibhauseffekt bedrohten Welt verträglich<br />
wären, s<strong>in</strong>d vollständig unangemessen<br />
angesichts <strong>der</strong> Gröûe dieses Problems.ª<br />
Es geht dr<strong>in</strong>glich um die drastische Reduzierung<br />
und Substitution nichterneuerbarer<br />
Energien <strong>in</strong> allen Anwendungsbereichen,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e beim Stromverbrauch, bei <strong>der</strong><br />
Wärmeversorgung und im Verkehrsbereich.<br />
7. Die Substitution fossiler Energien durch<br />
Atomenergie soll nicht weiter verfolgt werden.<br />
Die Atomenergie ist ke<strong>in</strong>e Zukunftstechnologie,<br />
weil<br />
± ihre Nutzung e<strong>in</strong>e Infrastruktur erfor<strong>der</strong>t,<br />
die auch zur Herstellung von<br />
Atomwaffen miûbraucht werden kann;<br />
± e<strong>in</strong> Reaktorversagen mit vergleichbar<br />
katastrophalen Folgen wie <strong>in</strong> Tschernobyl<br />
auch bei zukünftigen Reaktoren nicht<br />
ausgeschlossen werden kann, dies <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
auch angesichts <strong>der</strong> Möglichkeit<br />
von politischer Instabilität, Sabotage<br />
o<strong>der</strong> Kriegse<strong>in</strong>wirkung;<br />
± e<strong>in</strong>e Endlagerung des Atommülls, die<br />
se<strong>in</strong>e Rückkehr <strong>in</strong> die belebte Sphäre<br />
während <strong>der</strong> Jahrtausende andauernden<br />
extremen Strahlungsgefährlichkeit aufschlieût,<br />
sich als weltweit nicht praktikabel<br />
herausgestellt hat. Das- Potential<br />
Erneuerbarer Energien reicht pr<strong>in</strong>zipiell<br />
aus, um ohne Atomkraft ± auch bei<br />
Erschöpfung <strong>der</strong> fossilen Energieträger ±<br />
die Weltenergieversorgung sichern zu<br />
können.<br />
Die öffentliche För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Atomforschung<br />
ist ebenso e<strong>in</strong>zustellen wie die Fusionsforschung.<br />
Letztere wurde <strong>in</strong>ternational<br />
schon seit vier Jahrzehnten mit enormem,<br />
nutzlosem Aufwand betrieben mit dem<br />
¹Erfolgª, daû ihre Protagonisten nun die<br />
groûtechnischen Anwendungen für das Jahr<br />
2050 <strong>in</strong> Aussicht stellen, wobei von Wirtschaftlichkeit<br />
gar nicht die Rede ist.<br />
8. Der ¹Dritten Weltª ± die durch die beiden<br />
Ölkrisen zwischen 1973 und 1981 <strong>in</strong><br />
ihre Hochverschuldung getrieben wurde<br />
(Versechsfachung ihrer Schulden auf<br />
1,2 Billionen Dollar), die seitdem nicht<br />
252<br />
abgetragen werden konnten ± droht durch<br />
e<strong>in</strong>e weitere Ölkrise e<strong>in</strong> ökonomisches<br />
Desaster. Rasche Krisenvorsorge ist nötig.<br />
Dies ist nur möglich mit Erneuerbaren<br />
Energien, weil<br />
± diese <strong>in</strong> den ländlichen Räumen, die<br />
nicht an e<strong>in</strong> Stromnetz angeschlossen<br />
s<strong>in</strong>d, schon jetzt preisgünstiger s<strong>in</strong>d als<br />
herkömmliche Energien;<br />
± damit devisenfressende Energieimporte<br />
durch heimische Energieträger abgelöst<br />
werden können;<br />
± e<strong>in</strong>e sehr viel schnellere Bereitstellung<br />
und Installation <strong>der</strong> Energietechnologien<br />
möglich wird.<br />
In den städtischen und <strong>in</strong>dustriellen Strukturen<br />
<strong>der</strong> Dritten Welt müssen gleichzeitig<br />
schnelle Effekte <strong>der</strong> Umweltentlastung und<br />
des Energiee<strong>in</strong>sparens durch e<strong>in</strong>en Transfer<br />
von Effizienztechnologien erzielt werden.<br />
9. Höhere Energiepreise s<strong>in</strong>d nicht gleichbedeutend<br />
mit höheren Energiekosten.<br />
Entscheidend ist <strong>der</strong> tatsächliche Anteil <strong>der</strong><br />
laufenden Energiekosten an den Produktions-<br />
und Energieverbrauchskosten, <strong>der</strong><br />
durch Effizienzsteigerungen und Erneuerbare<br />
Energien überall reduziert werden<br />
kann.<br />
E<strong>in</strong> Vergleich <strong>der</strong> Energiekosten ergibt,<br />
daû die deutschen Energiekosten etwa <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Mitte zwischen denen <strong>der</strong> USA und<br />
Japans liegen. Gleichzeitig zeigt sich aber,<br />
daû <strong>in</strong> den USA trotz <strong>der</strong>en mit Abstand<br />
niedrigsten Energiepreisen <strong>der</strong> Energiekostenanteil<br />
<strong>in</strong> den Haushalten und <strong>der</strong> Industrie<br />
höher liegt als <strong>in</strong> Deutschland, weil<br />
das amerikanische Energiepreissystem<br />
ke<strong>in</strong>e Anreize zur Erhöhung <strong>der</strong> Effizienz<br />
bietet. Die japanische Wettbewerbsposition<br />
ist durch höhere Energiepreise nicht bee<strong>in</strong>trächtigt.<br />
In Dänemark gibt es <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Stromversorgung niedrigere Energiepreise<br />
trotz ke<strong>in</strong>eswegs niedriger Energiesteuer,<br />
weil dort die Strukturen <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
dezentraler und effizienzorientierter<br />
s<strong>in</strong>d.
Effizienzorientierte und dezentrale Strukturen<br />
haben e<strong>in</strong>en positiveren E<strong>in</strong>fluû auf<br />
das Kostenniveau für Energie als die Energiepreise.<br />
10. Die Energiediskussion <strong>in</strong> Deutschland<br />
ist verengt auf simple aktuelle kalkulatorische<br />
Kostenvergleiche e<strong>in</strong>zelner Energieträger.<br />
Die ökologische und die mittel- und<br />
langfristige volkswirtschaftliche Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Energieversorgung wird dabei weitgehend<br />
ausgeklammert. Daû strategische<br />
Weichenstellungen für Energieeffizienz als<br />
Belastungsfaktor empfunden werden,<br />
obwohl dadurch die Energieproduktivität<br />
gesteigert wird, verrät e<strong>in</strong> weitverbreitetes<br />
Denken <strong>in</strong> statischen Wirtschaftskategorien,<br />
die <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
e<strong>in</strong>er dynamischen Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> Wirtschaft entspricht. Daû die Bedeutung<br />
Erneuerbarer Energien systematisch<br />
verdrängt wird, ist Ausdruck gefährlicher<br />
Zukunftsvergessenheit.<br />
Offensichtlich ist die Energiewirtschaft<br />
mittlerweile <strong>der</strong>art übermonopolisiert, daû<br />
diese Strukturen wirtschaftlich <strong>in</strong>flexibel<br />
und zukunftsunfähig geworden s<strong>in</strong>d. Der<br />
von <strong>der</strong> Energiewirtschaft selbst angestrebte<br />
Strukturwandel orientiert sich fast<br />
ausschlieûlich auf e<strong>in</strong>e Fortsetzung des<br />
Konzentrations- und Monopolisierungsprozesses<br />
zu immer weniger Unternehmen.<br />
Dieser Weg verbessert nicht die Chancen<br />
zu e<strong>in</strong>er Bewältigung <strong>der</strong> energiestrategischen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen, son<strong>der</strong>n verschlechtert<br />
sie. Durch den h<strong>in</strong>haltenden<br />
Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Energiewirtschaft gegenüber<br />
Erneuerbaren Energien droht die<br />
deutsche Industrie auf diesem Sektor vom<br />
Weltmarkt erneuerbarer Energietechnologien<br />
abgehängt zu werden, obwohl es sich<br />
hierbei um den neben <strong>der</strong> Informationstechnologie<br />
gröûten Weltmarktsektor des<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>ts handelt.<br />
II. Die Strategische Energie-Initiative<br />
1. Globale Initiativen<br />
Die Entwicklungsstrategien müssen ihren<br />
zentralen Schwerpunkt auf Erneuerbare<br />
Energien und Energie-Effizienz konzen-<br />
trieren. Zwischen den Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />
e<strong>in</strong>e Energieversorgung <strong>in</strong> den ländlichen<br />
Räumen und <strong>in</strong> den Groûstädten muû<br />
genau unterschieden werden.<br />
Beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit muû <strong>der</strong> Nutzung<br />
<strong>der</strong> Biomasse zukommen: statt <strong>der</strong><br />
heute <strong>in</strong> ländlichen Räumen weitverbreiteten<br />
Holzenergieversorgung durch Waldund<br />
Vegetationsvernichtung geht es hier<br />
um e<strong>in</strong>e Energieversorgung aus nachhaltiger<br />
Land- und Forstwirtschaft e<strong>in</strong>schlieûlich<br />
umfassen<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>aufforstungsmaûnahmen.<br />
Auf diesem Wege können nicht<br />
nur e<strong>in</strong>e Flächenkonkurrenz zwischen<br />
Energie- und Nahrungsmittelerzeugung<br />
vermieden werden, son<strong>der</strong>n auch die kurzfristigen<br />
wirtschaftlichen Motive zur Waldvernichtung<br />
durch langfristige wirtschaftliche<br />
Motive zur Wal<strong>der</strong>haltung ersetzt<br />
werden.<br />
Notwendig s<strong>in</strong>d<br />
1.1 E<strong>in</strong>e politische Initiative für die E<strong>in</strong>richtung<br />
e<strong>in</strong>er Internationalen Solarenergie-Agentur,<br />
um den nichtkommerziellen<br />
Technologietransfer zu sichern. Es ist<br />
untragbar, daû im Bereich des Transfers<br />
von Energietechnologien als <strong>in</strong>ternationale<br />
Organisation alle<strong>in</strong> die Internationale<br />
Atomenergie-Agentur (IAEA) tätig ist,<br />
während es für Transfer von Technologien<br />
Erneuerbarer Energien und zur Energieeffizienzsteigerung<br />
ke<strong>in</strong>e vergleichbare <strong>in</strong>ternationale<br />
E<strong>in</strong>richtung gibt.<br />
E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gründe dafür ist die völkerrechtliche<br />
Verflechtung des Transfers ziviler<br />
Atomtechnologien im atomaren Nichtverbreitungsvertrag<br />
von 1970 ± als Gegenleistung<br />
zum Verzicht auf Atomwaffen. Daraus<br />
ergibt sich die Notwendigkeit <strong>der</strong><br />
Ergänzung des atomaren Nichtverbreitungsvertrages<br />
um e<strong>in</strong>en Solaren Verbreitungsvertrag,<br />
um damit die Verpflichtung<br />
zum atomaren Technologietransfer ablösen<br />
zu können.<br />
1.2 E<strong>in</strong>e Initialisierung zur Breitene<strong>in</strong>führung<br />
Erneuerbarer Energien <strong>in</strong> den ländlichen<br />
Räumen <strong>der</strong> Dritten Welt, um damit<br />
sowohl die Energieversorgung sicherzustellen<br />
als auch die land- und forstwirtschaftli-<br />
253
che Entwicklung zu för<strong>der</strong>n. In den ländlichen<br />
Räumen, die ke<strong>in</strong>en Anschluû an e<strong>in</strong><br />
Stromnetz und e<strong>in</strong>e wenig ausgebaute Straûen-Infrastruktur<br />
haben, s<strong>in</strong>d Erneuerbare<br />
Energien bereits jetzt nicht nur die<br />
umweltfreundlichste, son<strong>der</strong>n auch die<br />
kostengünstigste Möglichkeit <strong>der</strong> Energieversorgung.<br />
E<strong>in</strong> solches Programm sollte zusammen<br />
mit <strong>der</strong> EU-Kommission gestartet werden<br />
und e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en Aktionsschwerpunkt<br />
auf Afrika legen. Basis dazu s<strong>in</strong>d die bereits<br />
vorliegenden Durchführungsstrategien für<br />
e<strong>in</strong> ¹Power for the Worldª- und e<strong>in</strong> ¹Photovoltaic<br />
for the Worlds Villagesª-Programm.<br />
1.3 E<strong>in</strong>e Initiative zur globalen Aufforstung<br />
auf den degradierten Flächen. Dazu<br />
sollte e<strong>in</strong> UN-Aktionsplan zur Wal<strong>der</strong>haltung,<br />
Wie<strong>der</strong>aufforstung und Wie<strong>der</strong>begrünung<br />
(Forest Conservation, Afforestation<br />
and Regreen<strong>in</strong>g) gestartet werden,<br />
wobei <strong>der</strong> FAO e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Durchführungsverantwortung<br />
zukommen muû, um<br />
dieses Programm mit <strong>der</strong> Stabilisierung<br />
und Entwicklung land- und forstwirtschaftlicher<br />
Strukturen zu verknüpfen. E<strong>in</strong><br />
wesentliches Element für die Durchführung<br />
e<strong>in</strong>es solchen Programms ist die Ausbildung<br />
forstwirtschaftlicher Fachleute <strong>in</strong><br />
den Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />
1.4 E<strong>in</strong>e Initiative für die Bildung e<strong>in</strong>er<br />
Europäischen Übersee-Energiebank, um<br />
damit den F<strong>in</strong>anzbedarf <strong>der</strong> Dritten Welt<br />
für die vorgenannten Initiativen befriedigen<br />
zu helfen. E<strong>in</strong>e solche Bank muû sich vor<br />
allem auf die Vergabe von Kle<strong>in</strong>krediten<br />
konzentrieren und bedarf deshalb <strong>der</strong><br />
Zusammenarbeit mit den lokalen und<br />
regionalen Banken <strong>in</strong> den Entwicklungslän<strong>der</strong>n.<br />
1.5 Um zum F<strong>in</strong>anzbedarf <strong>der</strong> Entwicklungslän<strong>der</strong><br />
für ökologische Energie-Investitionen<br />
beitragen zu können, halten wir<br />
die Bereitstellung e<strong>in</strong>es Anteils von 50 %<br />
aus dem Aufkommen e<strong>in</strong>er Besteuerung<br />
des Flugtreibstoffes für notwendig. Dies<br />
erleichtert auch die <strong>in</strong>ternationale Akzeptanz<br />
e<strong>in</strong>er solchen Besteuerung, weil viele<br />
254<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong> auf wirtschaftliche<br />
E<strong>in</strong>nahmen durch Tourismus gesetzt<br />
haben, <strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>e Besteuerung des<br />
Flugtreibstoffes reduziert würde.<br />
1.6 Die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es Exportausschusses<br />
für Erneuerbare Energien. Das Instrument<br />
<strong>der</strong> Exportbürgschaften muû für<br />
Erneuerbare Energien bereitgestellt werden.<br />
Bei Wirtschaftsdelegationen <strong>der</strong><br />
Regierung müssen Unternehmen, die<br />
erneuerbare und effiziente Energietechnologien<br />
anbieten, e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />
2. Initiativen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> EU und <strong>in</strong> Bezug auf<br />
die Hilfsmaûnahmen <strong>der</strong> EU für neue EU-<br />
Beitrittslän<strong>der</strong>, osteuropäische Län<strong>der</strong> und<br />
den südlichen Mittelmeerraum ist es nötig,<br />
e<strong>in</strong> energieökologisches Aktionsprogramm<br />
zu starten.<br />
Dazu gehört<br />
2.1 e<strong>in</strong>e neue EU-Initiative zu e<strong>in</strong>er Stimulierung<br />
<strong>der</strong> ökologischen Energiereformen<br />
mit Hilfe von Preisanreizen. Unter<br />
Berücksichtigung bisheriger gescheiterter<br />
Anläufe zu e<strong>in</strong>er EU-Steuer ist <strong>der</strong> erste<br />
Schritt dazu die Aufhebung aller Richtl<strong>in</strong>ien,<br />
die e<strong>in</strong>e Subventionierung atomarer<br />
und fossiler Energieträger EU-weit festschreiben.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Schritt ist die generelle<br />
Befreiung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien und<br />
<strong>der</strong> Kraft-Wärme-Kopplung von <strong>der</strong><br />
Mehrwertsteuer <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Europäischen<br />
Union. Dies löst Investitionen und<br />
Beschäftigungsimpulse aus, mit denen auch<br />
Steuerausfälle im Bereich <strong>der</strong> Mehrwertsteuer<br />
überkompensiert werden können.<br />
Unabhängig davon bleiben EU-Initiativen<br />
für e<strong>in</strong>e Höherbesteuerung des E<strong>in</strong>satzes<br />
atomarer und fossiler Energien nötig. Dies<br />
kann auch differenziert nach Energieträgern<br />
erfolgen und sollte e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destbesteuerung<br />
geme<strong>in</strong>schaftlich festschreiben,<br />
so daû EU-Mitgliedslän<strong>der</strong> <strong>in</strong> eigener Entscheidung<br />
darüber h<strong>in</strong>ausgehen können.
2.2 Vorrangig sollte e<strong>in</strong>e EU-Steuer auf<br />
Flugtreibstoff beschlossen werden, e<strong>in</strong>e<br />
Besteuerung von Strom aus Kondensationskraftwerken<br />
und e<strong>in</strong>e stufenweise Anhebung<br />
<strong>der</strong> M<strong>in</strong>eralölsteuer. Im Bereich des<br />
Flugverkehrs sollten darüber h<strong>in</strong>aus geson<strong>der</strong>te<br />
Gebühren auf Flugkarten erhoben<br />
werden. Die E<strong>in</strong>nahmen daraus sollten<br />
dem Ausbau des Schienennetzes und <strong>der</strong><br />
Investitionsför<strong>der</strong>ung für schienengebundene<br />
Verkehrssysteme zukommen.<br />
2.3 Die E<strong>in</strong>stellung <strong>der</strong> EU-Beihilfen für<br />
den Ausbau <strong>der</strong> Hochspannungsleitungen,<br />
weil damit die Installation und <strong>der</strong> Betrieb<br />
<strong>in</strong>effizienter groûer atomar/fossiler Kraftwerke<br />
begünstigt wird.<br />
2.4 Die strikte Umsetzung <strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie<br />
für den Stromb<strong>in</strong>nenmarkt beson<strong>der</strong>s<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> unternehmerischen Trennung<br />
von Stromproduktion, Stromtransport<br />
und Stromverteilung. Dazu gehört,<br />
daû kartellrechtlich weitere Unternehmensfusionen<br />
unterbunden werden müssen, die<br />
Produktions-, Transport und Verteilungsstrukturen<br />
weiter verflechten.<br />
2.5 E<strong>in</strong>e Initiative für e<strong>in</strong>e EU-weite E<strong>in</strong>speiserichtl<strong>in</strong>ie<br />
von Strom aus Erneuerbaren<br />
Energien und aus Kraft-Wärme-Kopplung,<br />
die dieser E<strong>in</strong>speisung Vorrang gibt<br />
und als M<strong>in</strong>destvergütung die durchschnittlichen<br />
Bezugskosten e<strong>in</strong>es Verteilerunternehmens<br />
zuzüglich e<strong>in</strong>es Umweltaufschlags<br />
vorsieht.<br />
2.6 E<strong>in</strong>e Verordnung <strong>der</strong> EU-Kommission,<br />
wonach bei Kreditvergaben <strong>der</strong> Europäischen<br />
Investitionsbank (EIB) und <strong>der</strong><br />
European Bank for Recovery and Development<br />
(EBRD) auf dem Energiesektor Investitionen<br />
zur Kraft-Wärme-Kopplung o<strong>der</strong><br />
Erneuerbarer Energien Vorrang haben<br />
müssen, wenn sie unter Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> Effizienzgew<strong>in</strong>ne und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesparten<br />
laufenden Energiekosten zu gleichen o<strong>der</strong><br />
besseren wirtschaftlichen Ergebnissen kommen.<br />
2.7 Die Integration von Investitionen für<br />
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz<br />
<strong>in</strong> die EU-Strukturför<strong>der</strong>- und Regionalprogramme<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage e<strong>in</strong>es Vor-<br />
rangs dafür bei vergleichbarer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung<br />
bei allen die<br />
Energieumwandlung und -verteilung<br />
betreffenden För<strong>der</strong>maûnahmen.<br />
2.8 Geson<strong>der</strong>te Aktionsprogramme <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
EU für Energieträger auf den Gebieten <strong>der</strong><br />
Erneuerbaren Energien, die alle<strong>in</strong> durch<br />
steuerliche Anreize und durch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>speiserichtl<strong>in</strong>ie<br />
noch nicht zur Entfaltung<br />
kommen können. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
für die Photovoltaik, für die e<strong>in</strong> 4000<br />
Megawatt-Programm bis 2010 nötig ist.<br />
Dazu gehört die vom EU-Parlament und<br />
vom EU-Energiekommissar Papoutsis<br />
befürwortete Initiative für e<strong>in</strong> 500 000-<br />
Dächer-Programm ebenso wie die E<strong>in</strong>führungsprogramm<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Dritten Welt (siehe<br />
Punkt 1.2).<br />
2.9 Die Schaffung e<strong>in</strong>es EURENEW-Vertrags<br />
für Erneuerbare Energien. Die För<strong>der</strong>ung<br />
und Entwicklung <strong>der</strong> Atom- und<br />
Fusionsenergie auf EU-Ebene ist e<strong>in</strong>zustellen.<br />
EURATOM muû <strong>der</strong> gleichen Kontrolle<br />
durch das EU-Parlament unterstellt<br />
werden wie an<strong>der</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftse<strong>in</strong>richtungen<br />
und sich künftig auf die Fragen <strong>der</strong><br />
atomaren Sicherheitskontrolle beschränken.<br />
3. Nationale Initiativen<br />
Die deutsche Energiepolitik steht heute<br />
mehr als <strong>in</strong> jedem an<strong>der</strong>en Land unter dem<br />
immer offenkundiger werdenden Gegensatz<br />
zwischen wohlkl<strong>in</strong>genden Absichtserklärungen<br />
und <strong>der</strong>en praktischer Miûachtung<br />
durch strukturkonservative<br />
Verharrung.<br />
Die Bundesregierung hat sich ± allen voran<br />
Bundeskanzler Kohl sowohl 1992 vor <strong>der</strong><br />
Riokonferenz als auch 1997 vor <strong>der</strong> UN-<br />
Son<strong>der</strong>generalversammlung ± für ambitionierte<br />
Ziele ausgesprochen (25 % Emissionsm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
bis 2005), aber auûer dem<br />
mittlerweile vom Bundeswirtschaftsm<strong>in</strong>ister<br />
<strong>in</strong>fragegestellten Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz<br />
für Erneuerbare Energien zu ke<strong>in</strong>en Initiativen<br />
durchgerungen. Aus dem <strong>in</strong>ternational<br />
beispielhaften und stark beachteten<br />
Bericht <strong>der</strong> Enquete-Kommission zum<br />
Schutz <strong>der</strong> Erdatmosphäre s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e nen-<br />
255
nenswerten Konsequenzen gezogen worden.<br />
Dabei s<strong>in</strong>d die Voraussetzungen <strong>in</strong><br />
Deutschland für e<strong>in</strong>e ökologische Energiereform<br />
günstiger als <strong>in</strong> vielen an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch e<strong>in</strong>e, dafür aufgeschlossenen<br />
Bevölkerungsmehrheit, hohe<br />
technologische Standards im Bereich <strong>der</strong><br />
Energiealternativen und durch das Vorliegen<br />
ausgereifter Reformkonzepte als<br />
Ergebnis e<strong>in</strong>er jahrelang geführten Alternativdiskussion.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt, daû Deutschland<br />
als Hochverbrauchsland für Energie<br />
groûe Effizienzsteigerungspotentiale hat.<br />
Dem gegenüber steht e<strong>in</strong> absolut unzulängliches<br />
Markte<strong>in</strong>führungsprogramm <strong>der</strong><br />
Bundesregierung für Erneuerbare Energien<br />
(1997: 18 Mio. DM); e<strong>in</strong> Wirrwarr an<br />
unterschiedlichen För<strong>der</strong>programmen <strong>in</strong><br />
Bundeslän<strong>der</strong>n, die zu e<strong>in</strong>em ständigen<br />
¹stop and goª führen und die kont<strong>in</strong>uierliche<br />
Entwicklung des Produktions- und<br />
Installationsgewerbes verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, und zahllose<br />
adm<strong>in</strong>istrative Schikanen bis <strong>in</strong> untere<br />
Verwaltungsebenen, die erneuerbaren<br />
Energien gegenüber fossilen Energien<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Bürger und Unternehmen<br />
entmotivieren.<br />
Neben ordnungspolitischen Maûnahmen<br />
im Bereich <strong>der</strong> Besteuerung atomarer und<br />
fossiler Energien und <strong>der</strong> Vorrangregelungen<br />
für Strom aus Erneuerbaren Energien<br />
und aus Blockheizkraftwerken ist es nötig,<br />
die Genehmigungshürden für Erneuerbare<br />
Energien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gesetzgeberischen Entwurf<br />
zu beseitigen, e<strong>in</strong>e Technologieoffensive<br />
zu starten und e<strong>in</strong>e verläûliche F<strong>in</strong>anzierungsgrundlage<br />
für private Investitionen<br />
zu schaffen.<br />
Folgende politische <strong>in</strong>itiativen s<strong>in</strong>d vordr<strong>in</strong>glich:<br />
3.1 E<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform bleibt<br />
e<strong>in</strong> aktuell unerläûliches und unaufschiebbares<br />
Erfor<strong>der</strong>nis für e<strong>in</strong>e Energiereform<br />
wie für die Schaffung e<strong>in</strong>er neuen materiellen<br />
Basis <strong>der</strong> Industriegesellschaft.<br />
Dazu gehört die Abschaffung aller umweltschädlichen<br />
Steuerprivilegien auf nicht-<br />
256<br />
erneuerbare Energien, u. a. die Auflösung<br />
bzw. Nachversteuerung überzogener Rückstellungen<br />
für die atomare Entsorgung, <strong>der</strong><br />
Steuerbefreiung des Flugtreibstoffs und <strong>der</strong><br />
M<strong>in</strong>eralölsteuerbefreiung für m<strong>in</strong>eralverarbeitende<br />
Betriebe. Diese Steuerbefreiungen<br />
stellen e<strong>in</strong>e Fehlallokation von Mitteln dar<br />
und wi<strong>der</strong>sprechen marktwirtschaftlichen<br />
Pr<strong>in</strong>zipien. Die Groûe Steuerreform muû<br />
mit <strong>der</strong> ökologischen Steuerreform verknüpft<br />
werden.<br />
Elemente dieser Steuerreform s<strong>in</strong>d:<br />
± Entlastung von Arbeitskosten durch<br />
Höherbelastung des Verbrauchs nichterneuerbarer<br />
Energieträger;<br />
± Steuerbefreiung für Erneuerbare Energien;<br />
± F<strong>in</strong>anzierung von Initiativen für die<br />
Mobilisierung erneuerbarer Energietechnologien<br />
aus den Mehre<strong>in</strong>nahmen durch<br />
abgeschaffte Steuerprivilegien für<br />
atomare und fossile Energien.<br />
± Die ökologische Steuerreform muû<br />
durch ordnungspolitische Maûnahmen<br />
flankiert werden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im<br />
Bereich <strong>der</strong> Gebäudeheizung nach dem<br />
Beispiel <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Solaranlagen-Verordnung.<br />
3.2 Die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />
muû im Rahmen <strong>der</strong> Vorgaben<br />
<strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie so erfolgen, daû<br />
dadurch die ökologische und marktwirtschaftliche<br />
Umgestaltung des Energiesystems<br />
geför<strong>der</strong>t statt ± wie bei Realisierung<br />
des <strong>der</strong>zeitigen Regierungsentwurfs zu<br />
befürchten ± beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t wird. Die Entflechtung<br />
von Stromproduktion, -transport und<br />
-verteilung muû vorangetrieben werden.<br />
Unternehmen <strong>in</strong> mehrheitlich öffentlicher<br />
Hand sollten beispielhaft nach diesen<br />
Funktionen entflochten werden.<br />
3.3 Gegen den weiteren Aufkauf von städtischen<br />
Verteilerunternehmen muû <strong>der</strong><br />
Netzrückkauf durch Geme<strong>in</strong>den erleichtert<br />
werden, <strong>der</strong> den Netzwert am Restwert<br />
orientiert. Vom Verkauf von Stadtwerken<br />
durch Städte raten wir ab, wenn diese die<br />
Konzentrationsprozesse för<strong>der</strong>n und den
Spielraum für die Schaffung effizienter<br />
dezentralisierter Versorgungsstrukturen<br />
e<strong>in</strong>engen. Bei Privatisierungen sollte ebenfalls<br />
zwischen Produktion, Transport und<br />
Verteilung unterschieden werden mit dem<br />
Ziel, die Netzbetriebe <strong>in</strong> öffentlicher Hand<br />
zu halten.<br />
3.4 Der <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU-Richtl<strong>in</strong>ie ausdrücklich<br />
angesprochene Vorrang für Strome<strong>in</strong>speisung<br />
aus Erneuerbaren Energien und aus<br />
Kraft-Wärme-Kopplung muû im Energiewirtschaftsgesetz<br />
dauerhaft verankert und<br />
Maûnahmen zur M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Stromverbrauchs<br />
durch <strong>in</strong>tegrierte Ressourcenplanung<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Basis <strong>der</strong> Preiskalkulation<br />
für den Bezug <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energien durch Transport- und Verteilerunternehmen<br />
s<strong>in</strong>d die durchschnittlichen<br />
vermiedenen Bezugskosten aus <strong>der</strong> Lieferung<br />
konventioneller Energien, zuzüglich<br />
e<strong>in</strong>es Umweltaufschlags für die Lieferung<br />
emissionsfreier Energien. Das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>speisung für Erneuerbare Energien<br />
muû das <strong>der</strong> Kostendeckung für den<br />
Erzeuger se<strong>in</strong>, gemessen an den sich dynamisch<br />
entwickelten Produktivitätsstandards.<br />
Mehrkosten für Verteilerunternehmen<br />
müssen ausgeglichen werden durch e<strong>in</strong>e<br />
Ausgleichsleistung im Transport- und Verteilungssektor.<br />
E<strong>in</strong>e Mehrwertsteuerbefreiung<br />
für Strom aus Erneuerbaren Energien<br />
und aus Kraft-Wärme Kopplung kann ganz<br />
o<strong>der</strong> teilweise e<strong>in</strong> ¾quivalent dafür se<strong>in</strong>.<br />
3.5 Um die F<strong>in</strong>anzierung von Initiativen<br />
für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz<br />
sicherzustellen, for<strong>der</strong>n wir e<strong>in</strong>e spezielle<br />
Lenkungsabgabe für den Energieverbrauch<br />
aus atomaren und fossilen<br />
Energiequellen, auch auûerhalb des Stromsektors,<br />
von 0,5 Pfennig pro Kilowattstunde,<br />
die zweckgebunden zu 50 % für<br />
Investitionsbeihilfen für Erneuerbare Energien<br />
und zu 50 % für Investitionen <strong>in</strong><br />
Energiee<strong>in</strong>sparung verwendet werden sollen.<br />
Dies würde zu e<strong>in</strong>em jährlichen Aufkommen<br />
von etwa 14 Milliarden DM zur<br />
F<strong>in</strong>anzierung aller über das Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz<br />
h<strong>in</strong>ausgehenden Maûnahmen<br />
zur ökologischen Energiereform führen.<br />
E<strong>in</strong>e solche Lenkungsabgabe ist im Juni<br />
vom Schweizer Nationalrat verabschiedet<br />
worden. Sie sieht e<strong>in</strong>e Abgabe von 0,6<br />
Rappen auf die Kilowattstunde Energieverbrauch<br />
(alle konventionellen Energieträger),<br />
was <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schweiz jährlich e<strong>in</strong><br />
F<strong>in</strong>anzvolumen von 1 Mrd. Franken mobilisiert.<br />
Diese Summe soll je zur Hälfte für<br />
För<strong>der</strong>maûnahmen zur Energieeffizienzsteigerung<br />
und für Erneuerbare Energien<br />
verwendet werden. Diese Regelung soll<br />
solange <strong>in</strong> Kraft bleiben, bis <strong>der</strong> Anteil<br />
Erneuerbarer Energien an <strong>der</strong> Energieversorgung<br />
<strong>der</strong> Schweiz 50 % überschritten<br />
hat.<br />
Die Mehrkosten für die gesetzliche Strome<strong>in</strong>speisung<br />
aus erneuerbaren Energien bei<br />
den Verteilerunternehmen können auf die<br />
Lenkungsabgabe angerechnet werden. Die<br />
E<strong>in</strong>nahmen aus <strong>der</strong> Lenkungsabgabe sollen<br />
nach dem E<strong>in</strong>wohnerschlüssel auf die Bundeslän<strong>der</strong><br />
verteilt werden, die <strong>in</strong> Eigenverantwortung<br />
ihre För<strong>der</strong>programme gestalten.<br />
3.6 Das von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> konzipierte Gesetz<br />
zur <strong>in</strong>dustriellen Photovoltaikför<strong>der</strong>ung<br />
(Dächer- und Fassadenprogramm) muû<br />
ausgeweitet und unverzüglich <strong>in</strong> die Praxis<br />
umgesetzt werden. E<strong>in</strong> weiterer Zeitaufschub<br />
führt dazu, daû sich <strong>der</strong> wachsende<br />
Weltmarkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Photovoltaik endgültig<br />
ohne die deutsche Industrie entfaltet. Notwendig<br />
ist e<strong>in</strong> 4000-Megawatt-Programm<br />
für die Produktion von Photovoltaik-Kapazitäten<br />
bis 2010, um damit die Massenfertigung<br />
anzukurbeln. Das 100 000-Dächerund<br />
Fassadenprogramm ist e<strong>in</strong> wesentliches<br />
Anschubelement dafür.<br />
Da die Photovoltaik <strong>der</strong> vielseitigste Energieträger<br />
für die Nutzung Erneuerbarer<br />
Energien mit groûen Weltmarktperspektiven<br />
ist, liegt es im <strong>in</strong>dustriestrategischen<br />
Interesse, die gesamte Produktionskette<br />
von <strong>der</strong> Produktion von Solarsilizium und<br />
an<strong>der</strong>en Solarzellenmaterialien bis zur Produktion<br />
<strong>der</strong> Solarzellen und <strong>der</strong> Modulfertigung<br />
im Industriestandort Deutschland<br />
zu haben. Entsprechende Produktions<strong>in</strong>itiativen<br />
müssen deshalb geför<strong>der</strong>t werden.<br />
257
E<strong>in</strong> solches Gesetz muû darüber h<strong>in</strong>aus um<br />
weitere Fel<strong>der</strong> zur Mobilisierung <strong>der</strong> PV-<br />
Technik ergänzt werden. PV-Fassaden an<br />
den Südflächen von neuen öffentlichen<br />
Verwaltungsbauten müssen ebenso verordnet<br />
werden wie PV-Stromversorgungssysteme<br />
für alle neuen stromversorgten freistehenden<br />
Verkehrsschil<strong>der</strong>, Haltestellen,<br />
Parkautomaten und Straûenbeleuchtungsanlagen.<br />
3.7 E<strong>in</strong> Gesetz zur Genehmigunserleichterung<br />
von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer<br />
Energien <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Artikelgesetzes<br />
ist nötig, das die Diskrim<strong>in</strong>ierung Erneuerbarer<br />
Energien <strong>in</strong> adm<strong>in</strong>istrativen Genehmigungsverfahren<br />
beseitigt. Dazu gehört<br />
die Deklarierung Erneuerbarer Energien<br />
als öffentlicher Belang ± wegen ihres Charakters<br />
als heimische Energiequelle, ihrer<br />
dauerhaften Verfügbarkeit und ihrer Emissionsfreiheit<br />
bzw. <strong>der</strong> CO 2-Neutralität von<br />
energetisch genutzter Biomasse ± und<br />
damit als positiver Abwägungstatbestand <strong>in</strong><br />
Genehmigungsverfahren sowohl im Bundesnaturschutzgesetz,<br />
im Baugesetzbuch<br />
und im Bundes-Immissionsschutzgesetz.<br />
Alle Anlagen Erneuerbarer Energien müssen<br />
noch nach § 35 Abs. 1 privilegiert werden.<br />
Ausgleichs- und Ersatzmaûnahmen<br />
müssen entfallen und die Verwaltungsgebühren<br />
bei Genehmigungsverfahren bundese<strong>in</strong>heitlich<br />
geregelt werden. In Gebäude<br />
<strong>in</strong>tegrierte Photovoltaikanlagen und solarthermische<br />
Anlagen müssen genehmigungsfrei<br />
se<strong>in</strong>. Im Falle <strong>der</strong> Biomasse muû<br />
die Verbrennung Vorrang vor <strong>der</strong> Kompostierung<br />
haben. Bestehende Wasserrechte<br />
müssen <strong>in</strong> Kraft bleiben, auch wenn es<br />
Unterbrechungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nutzung gegeben<br />
hat. Die Genehmigungsdauer von Wasserkraftwerken<br />
bis zu 1 MW muû von 30 auf<br />
60 Jahre verlängert werden.<br />
Um die teilweise von Stadt zu Stadt bzw.<br />
Landkreis zu Landkreis gegensätzliche<br />
Genehmigungspraxis mit zahllosen Fällen<br />
unvorhersehbarer Genehmigungswillkür<br />
und überlange Genehmigungsfristen zu<br />
überw<strong>in</strong>den, müssen Genehmigungsverfahren<br />
auf drei Monate begrenzt werden und<br />
für Streitfälle auf Län<strong>der</strong>ebene Schiedsstel-<br />
258<br />
len bei Verwaltungsgerichten e<strong>in</strong>geführt<br />
werden, die mehrheitlich entscheiden und<br />
denen neben e<strong>in</strong>em Richter je e<strong>in</strong> Vertreter<br />
von Naturschutzverbänden und e<strong>in</strong> Vertreter<br />
von geme<strong>in</strong>nützigen Verbänden Erneuerbarer<br />
Energien angehören.<br />
3.8 Die Nutzung <strong>der</strong> W<strong>in</strong>dkraft muû ausgeweitet<br />
werden durch Planung und<br />
Errichtung von den Küsten vorgelagerten<br />
(offshore-) W<strong>in</strong>dparks. Darüber h<strong>in</strong>aus sollen<br />
Vorranggebiete für W<strong>in</strong>dkraft<strong>in</strong>stallationen<br />
entlang <strong>der</strong> Bundesfernstraûen<br />
ermittelt und ausgewiesen werden.<br />
3.9 Im Bereich <strong>der</strong> Landwirtschaft muû<br />
die Flächenstillegung beendet werden. Statt<br />
dessen muû e<strong>in</strong> För<strong>der</strong>programm für die<br />
Land- und Forstwirtschaft mit Anschubf<strong>in</strong>anzierung<br />
im Rahmen des Common Agricultural<br />
Programm <strong>der</strong> EU für den nachhaltigen,<br />
umweltverträglichen Aufbau von<br />
Energiepflanzen und von Energiewäl<strong>der</strong>n<br />
aufgelegt werden. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Bereitstellung von Energieträgern<br />
aus Biomasse muû flankiert werden durch<br />
anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Gasifizierung<br />
von Biomasse.<br />
3.10 Zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> solaren Stromerzeugung<br />
<strong>in</strong> sonnenreichen Entwicklungslän<strong>der</strong>n<br />
muû auch bei uns die Entwicklung<br />
von solarthermischen Stromerzeugungssystemen<br />
vorangetrieben und <strong>der</strong> Bau auswärtiger<br />
Demonstrationsanlagen geför<strong>der</strong>t<br />
werden, vor allem im Mittelmeerraum.<br />
3.11 Die Automobil<strong>in</strong>dustrie sollte die<br />
Auflage erhalten, bis zum Jahr 2000 e<strong>in</strong>en<br />
serienreifen Prototypen für brennstoffzellenbetriebene<br />
Straûenfahrzeuge <strong>in</strong> allen<br />
von ihr angebotenen Fahrzeugklassen fertigzustellen.<br />
Dies ist gegebenenfalls mit<br />
Forschungs- und Entwicklungsmitteln zu<br />
unterstützen.<br />
3.12 Zur E<strong>in</strong>dämmung und Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
des noch ständig zunehmenden Energieverbrauchs<br />
des Autoverkehrs ist sowohl die<br />
energische Reduzierung des Verbrauchs<br />
künftig produzierter Fahrzeuge erfor<strong>der</strong>lich<br />
als auch die Substitution von Autoverkehr<br />
durch Schienen- und Fahrradverkehr. Die
technischen Voraussetzungen für Fahrzeuge<br />
mit wesentlich ger<strong>in</strong>gerem Kraftstoffverbrauch<br />
± z. B. für das 3 Liter-Auto ±<br />
existieren. Da aber <strong>der</strong> Markt nur sehr<br />
zögerlich reagiert, bedarf es lenken<strong>der</strong> E<strong>in</strong>griffe.<br />
Erfor<strong>der</strong>lich ist e<strong>in</strong>e Flottenverbrauchsregelung<br />
wie <strong>in</strong> Kalifornien: den<br />
Herstellern wird e<strong>in</strong> maximaler Durchschnittsverbrauch<br />
für die jährlich verkauften<br />
Fahrzeuge zur Auflage gemacht und<br />
dieser Durchschnittsverbrauch wird <strong>in</strong><br />
Zukunft reduziert. Zusätzlich müssen<br />
Höchstverbrauchsgrenzen, die ke<strong>in</strong> neues<br />
Fahrzeug überschreiten darf, e<strong>in</strong>geführt<br />
werden.<br />
3.13 Zur Substitution des Autoverkehrs<br />
muû <strong>der</strong> öffentliche Verkehr verbessert<br />
werden, u.a. <strong>der</strong> Nahverkehr verdichtet<br />
werden. In <strong>der</strong> Bundesverkehrswegeplanung<br />
und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis des Geme<strong>in</strong>deverkehrsf<strong>in</strong>anzierungsgesetzes<br />
muû <strong>der</strong> Ausbau<br />
und die Mo<strong>der</strong>nisierung des Schienennetzes<br />
und des regionalen Nahverkehrs Priorität<br />
haben. Der Strome<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> Schienenverkehrssystemen<br />
sollte von <strong>der</strong><br />
Mehrwertsteuer befreit werden.<br />
3.14 Die Gebäudeheizung ist <strong>der</strong> Sektor<br />
mit dem höchsten Anteil am deutschen<br />
Energieverbrauch, aber auch mit dem<br />
höchsten und am kostengünstigsten<br />
erschlieûbaren E<strong>in</strong>sparpotential sowohl bei<br />
den existierenden Bauten (Altbauten) als<br />
auch bei zukünftigen Neubauten. Die <strong>in</strong><br />
nächster Zukunft erfor<strong>der</strong>liche und mögliche<br />
Novellierung <strong>der</strong> Wärmeschutzverordnung<br />
muû den Energieverbrauch von Neubauten<br />
auf das Niveau <strong>der</strong> vielfach<br />
erprobten Niedrigenergiebauweise ± maximal<br />
50 kWh/m; ± begrenzen. Bau- und<br />
Raumordnungsrecht, Raumordnungs- und<br />
Flächennutzungspläne müssen zudem die<br />
Ziele Energiesparen und Nutzung Erneuerbarer<br />
Energien berücksichtigen. Die<br />
Nutzung von Holz als Baumaterial sollte<br />
geför<strong>der</strong>t werden. Die E<strong>in</strong>führung von<br />
Energiepässen sollte den energetischen<br />
Standard überprüfbar machen.<br />
3.15 Das mittelfristig bedeutendste Energiesparpotential<br />
liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> energetischen<br />
Sanierung von Altbauten und im zügigen<br />
Ausbau <strong>der</strong> Wärmeversorgung <strong>der</strong><br />
Gebäude durch Kraft-Wärme-Kopplung.<br />
Beides muû systematisch <strong>in</strong> groûangelegten<br />
Programmen, die viele Arbeitsplätze schaffen,<br />
vorangetrieben werden. Es ist anzustreben,<br />
<strong>in</strong> den kommenden zehn Jahren<br />
Gebäude mit <strong>in</strong>sgesamt zehn Millionen<br />
Wohnungen auf den Stand des Energiebedarfs<br />
heutiger Neubauten zu br<strong>in</strong>gen.<br />
3.16 Die Wärmeversorgung <strong>in</strong> Kraft-<br />
Wärme-Kopplung so auszubauen, daû ihr<br />
Marktanteil von <strong>der</strong>zeit knapp 10 % auf<br />
50 % anwächst. Dieser Anteil, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Dänemark<br />
im Laufe <strong>der</strong> letzten 15 Jahre erreicht<br />
wurde, muû <strong>in</strong> Deutschland bis zum Jahr<br />
2015 realistisch erreichbar se<strong>in</strong>. Wir erreichen<br />
dieses Ziel durch e<strong>in</strong>e Vorrangstellung<br />
von Strom aus Blockheizkraftwerken<br />
bei <strong>der</strong> Strome<strong>in</strong>speisung und durch e<strong>in</strong>e<br />
Befreiung von Blockheizkraftwerken von<br />
<strong>der</strong> Energiesteuer.<br />
3.17 Für die F<strong>in</strong>anzierung Erneuerbarer<br />
Energien sollten von <strong>der</strong> Kreditanstalt für<br />
Wie<strong>der</strong>aufbau, <strong>der</strong> Deutschen Ausgleichsbank<br />
und <strong>der</strong> Postbank Solar- und Energiesparkredite<br />
angeboten werden, die<br />
neben langen Laufzeiten und Z<strong>in</strong>svergünstigungen<br />
die e<strong>in</strong>gesparten Energiekosten<br />
<strong>in</strong> die Abschreibung e<strong>in</strong>beziehen. Investitionen<br />
für Erneuerbare Energien müssen<br />
Bestandteil <strong>der</strong> Bausparför<strong>der</strong>ung werden.<br />
Um e<strong>in</strong>e bundese<strong>in</strong>heitliche För<strong>der</strong>praxis<br />
für solarthermische Anlagen zu bekommen,<br />
sollte <strong>der</strong>en Erwerb von <strong>der</strong> Mehrwertsteuer<br />
freigestellt werden.<br />
3.18 Die Forschung und Entwicklung für<br />
Erneuerbare Energien muû e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>en<br />
Schwerpunkt legen auf Bereiche, die<br />
<strong>der</strong> denzentralisierten Struktur des E<strong>in</strong>satzes<br />
von Solar- und Effizienztechnologien<br />
und von Informationstechnologien entsprechen:<br />
± beschleunigte Technologien zur Biomassevergasung,<br />
von M<strong>in</strong>i-Blockheizkraftwerken<br />
und Kle<strong>in</strong>anlagen zur Wasserstoffgew<strong>in</strong>nung<br />
und solarer<br />
Kühltechnologien, womit 24 groûe Versorgungsbeiträge<br />
für die. Hausenergie-<br />
259
versorgung durch Erneuerbare Energien<br />
aufgeschlossen werden<br />
± solare Energieversorgung für mo<strong>der</strong>ne<br />
netzunabhängige Systeme (PC, Mobiltelefone,<br />
Haushaltsgeräte) und für standby-Systeme<br />
(Fernsehapparate, Faxgeräte),<br />
womit die Solartechnologie <strong>in</strong> die<br />
Massenprodukte <strong>der</strong> Informationstechnologie<br />
<strong>in</strong>tegriert wird und b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es<br />
Jahrzehnts alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland mehrere<br />
tausend MW konventioneller Kraftwerkskapazitäten<br />
ersetzt werden können;<br />
± Hybrid-Systeme komb<strong>in</strong>ierte Stromerzeugung.<br />
aus W<strong>in</strong>dkraft, Photovoltaik,<br />
Solarthermik und Biomasse.<br />
3.19 Im Bereich <strong>der</strong> Ausbildung muû e<strong>in</strong><br />
beson<strong>der</strong>er Schwerpunkt auf die Handwerker-Fortbildung<br />
für Erneuerbare Energien<br />
gelegt werden nach dem Beispiel <strong>der</strong> Wiener<br />
Solarbauschule o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Solarschule<br />
<strong>der</strong> Elektromeister<strong>in</strong>nung <strong>in</strong> Stuttgart.<br />
3.20 Die För<strong>der</strong>mittel aus <strong>der</strong> Lenkungsabgabe<br />
sollten vorrangig für die solare<br />
Umrüstung aller Bildungsstätten, (K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten,<br />
Schulen, Berufsschulen, Universitäten)<br />
verwendet werden, um für und mit <strong>der</strong><br />
jungen Generation den Aufbruch <strong>in</strong>s Solarzeitalter<br />
zu vollziehen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 144<br />
Landesverband Saar<br />
Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>-Sieg-Kreis<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
Europa braucht neue Energien<br />
Aktionsplan zum Ausbau <strong>der</strong><br />
Erneuerbaren Energien<br />
I. E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong>s Solarzeitalter:<br />
Kernfrage für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Die Durchsetzung e<strong>in</strong>er umweltfreundlichen<br />
Energieversorgung gehört zu den<br />
Schlüsselproblemen für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />
Wer e<strong>in</strong>e nachhaltige Entwicklung<br />
för<strong>der</strong>n, Arbeitsplätze sichern und das<br />
260<br />
Klima schonen will, muû neue Wege <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Energiepolitik gehen.<br />
Nach den Prognosen <strong>der</strong> Internationalen<br />
Energieagentur (IEA) wird <strong>der</strong> Energieverbrauch<br />
durch das Wachstum <strong>der</strong> Weltbevölkerung<br />
und das Wachstum <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />
bis zum Jahre 2020 um ca.<br />
100 % ansteigen. Der Ausstoû von z.B.<br />
CO 2 wird <strong>in</strong> diesem Zeitraum um weitere<br />
90 % zunehmen, wenn <strong>der</strong> Energie-Mix<br />
bei dem heute bestehenden Niveau bleibt.<br />
Um e<strong>in</strong>e Klimakatastrophe mit allen negativen<br />
Folgen zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, darf <strong>der</strong> Ausstoû<br />
von CO 2 und an<strong>der</strong>en Klimagasen im<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>t nicht weiter steigen, son<strong>der</strong>n<br />
muû kont<strong>in</strong>uierlich reduziert werden.<br />
Das wissenschaftliche Expertengremium<br />
<strong>der</strong> UNO (IPCC) verlangt e<strong>in</strong>e Senkung<br />
des CO 2-Ausstoûes bis zum Jahre 2010 um<br />
20 %, bis zum Jahre 2030 um 50 % und<br />
bis zum Jahre 2050 um 80 %. Derart weitreichende<br />
Absenkungen bei den Klimagasen<br />
s<strong>in</strong>d notwendig, um die Erdatmosphäre<br />
trotz des wachsenden Energiehungers <strong>der</strong><br />
Menschheit nicht aus dem Gleichgewicht<br />
zu br<strong>in</strong>gen.<br />
E<strong>in</strong>e Neuorientierung <strong>der</strong> Energiepolitik<br />
ist unumgänglich. Im Energie-Mix <strong>der</strong><br />
Zukunft muû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energiequellen erheblich gesteigert werden.<br />
Neben e<strong>in</strong>er Politik zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Energieeffizienz ist e<strong>in</strong>e konsequente<br />
Politik zur Verbreitung <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energien notwendig. Insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Industrielän<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d aufgerufen, den E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> das Solarzeitalter zu beg<strong>in</strong>nen.<br />
II. Europäische Union als Modell für nachhaltige<br />
Energiepolitik<br />
Die Politik <strong>der</strong> europäischen E<strong>in</strong>igung war<br />
von Anfang an mit <strong>der</strong> Bewältigung von<br />
Energieproblemen verbunden. So hatte <strong>der</strong><br />
MONTAN-Vertrag von 1951 die För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Kohleenergie und <strong>der</strong> EURA-<br />
TOM-Vertrag von 1957 die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Kernenergie zum Ziel.<br />
Mit Blick auf das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t ist e<strong>in</strong><br />
neuer Abschnitt <strong>in</strong> <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen euro-
päischen Energiepolitik notwendig. Europa<br />
muû zu e<strong>in</strong>em weltweiten Modell für e<strong>in</strong>e<br />
nachhaltige Entwicklung werden. Der E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> das Solarzeitalter ist e<strong>in</strong> strategischer<br />
Punkt zur Erreichung von Zukunftsfähigkeit.<br />
Der Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
bietet mehrere Vorteile: Neue Technologien<br />
geben Impulse für die europäische<br />
Wirtschaft, die dezentrale Nutzung dieser<br />
Energien för<strong>der</strong>t die mittelständische Industrie<br />
und das Handwerk, die Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen ist höher als bei an<strong>der</strong>en<br />
Energiearten und die Erneuerbaren Energien<br />
bieten wachsende Exportchancen. So<br />
haben ca. 2 Milliarden Menschen auf <strong>der</strong><br />
Welt ke<strong>in</strong>en Zugang zu Elektrizität. Erneuerbare<br />
Energien s<strong>in</strong>d deshalb e<strong>in</strong>e Möglichkeit<br />
für Europa, noch enger mit den<br />
Entwicklungslän<strong>der</strong>n zusammen zu arbeiten.<br />
Die Wettbewerber <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weltwirtschaft<br />
± USA und Japan ± haben diese<br />
technologiepolitische Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
längst angenommen.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund von ca. 20 Millionen<br />
Arbeitslosen und dem jährlichen Ausstoû<br />
von 3 Milliarden Tonnen CO 2 ist e<strong>in</strong><br />
Zukunftsprojekt ¹Arbeit und Umwelt¹ mit<br />
dem Ziel e<strong>in</strong>er nachhaltigen Energiepolitik<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union dr<strong>in</strong>gend geboten.<br />
III. Aktionsplan für e<strong>in</strong> ¹Solares Europaª<br />
Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d von Natur aus<br />
unerschöpfliche und heimische Energiequellen.<br />
In <strong>der</strong> Europäischen Union s<strong>in</strong>d<br />
die Potentiale von W<strong>in</strong>d, Wasser, Solarthermie,<br />
Photovoltaik, Biomasse, Erdwärme,<br />
Gezeiten- und Wellenenergie um<br />
e<strong>in</strong> mehrfaches gröûer als <strong>der</strong> jährliche<br />
Energieverbrauch.<br />
E<strong>in</strong> ¹Solares Europaª ist nicht so sehr e<strong>in</strong>e<br />
Frage <strong>der</strong> vorhandenen Energiereserven<br />
o<strong>der</strong> <strong>der</strong> bekannten Technologien. Ob e<strong>in</strong><br />
Solares Europa realisiert wird, ist e<strong>in</strong>zig<br />
und alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Frage des politischen Willens<br />
und <strong>der</strong> ökonomischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die Erneuerbaren Energien.<br />
Der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Solarzeitalter muû<br />
durch e<strong>in</strong> Bündel von Maûnahmen erreicht<br />
werden.<br />
1. Die Europäische Union muû e<strong>in</strong> klares<br />
Ziel vorgeben<br />
Die Energieversorgung <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union muû bis zum Jahre 2050 zu 50 %<br />
auf Erneuerbare Energien umgestellt werden.<br />
Als erster Schritt sollte <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong><br />
Erneuerbarer Energien am Energieverbrauch<br />
von <strong>der</strong>zeit 5 % auf 15 % am Energieverbrauch<br />
im Jahre 2010 gesteigert werden.<br />
E<strong>in</strong> klares Ziel zur umfassenden För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Erneuerbaren Energien ist e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Botschaft an die Wissenschaft und die<br />
Wirtschaft, an die Investoren und Kreditgeber,<br />
sowie an die gesamte Bevölkerung<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die junge Generation.<br />
2. Verankerung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
<strong>in</strong> den Europa-Verträgen<br />
Die Energiepolitik und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
muû e<strong>in</strong>e Rechtsgrundlage <strong>in</strong> den Verträgen<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union erhalten. Wie<br />
<strong>der</strong> EGKS-Vertrag für die Kohle und <strong>der</strong><br />
EURATOM-Vertrag für die Nuklearenergie,<br />
so muû die Europäische Union e<strong>in</strong>en<br />
klaren Handlungsauftrag und die dazugehörigen<br />
Kompetenzen für die För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> umweltfreundlichen Energieträger<br />
bekommen.<br />
3. Priorität bei Forschungsprogrammen<br />
für Erneuerbare Energien<br />
Die Entwicklung sauberer Technologien<br />
gehört zu den groûen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> nächsten Zukunft. Europa muû die<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung auf dem Energiesektor<br />
annehmen und bei den Forschungsprogrammen<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Priorität für die<br />
Entwicklung von Erneuerbaren Energien<br />
geben. Insbeson<strong>der</strong>e für Photovoltaik, Biomasse,<br />
Gezeiten- und Wellenenergie s<strong>in</strong>d<br />
weitere technologische Durchbrüche nötig.<br />
261
Zur Zeit gibt die Europäische Union für<br />
e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Energieform ± Fusionsenergie<br />
± mehr Forschungsgel<strong>der</strong> aus als für alle<br />
Erneuerbaren Energiearten. Dieses<br />
Ungleichgewicht muû zugunsten <strong>der</strong><br />
Erneuerbaren Energien verän<strong>der</strong>t werden.<br />
4. Beseitigung von H<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen für<br />
Erneuerbare Energien<br />
Zahlreiche Rechtsvorschriften wie Bauvorhaben<br />
und an<strong>der</strong>e technische Normen<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n Erneuerbare Energien, anstatt<br />
sie zu for<strong>der</strong>n. Diese Situation muû geän<strong>der</strong>t<br />
werden. Bauordnungen sollten die<br />
Nutzung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien verb<strong>in</strong>dlich<br />
vorschreiben.<br />
Das Energierecht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>n<br />
den Zugang zu den Energienetzen<br />
und e<strong>in</strong>e faire Vergütung <strong>der</strong> bereitgestellten<br />
Energiemengen. Durch e<strong>in</strong>e europaweite<br />
Richtl<strong>in</strong>ie zur E<strong>in</strong>speisevergütung<br />
sollte die Markte<strong>in</strong>führung vorangetrieben<br />
werden.<br />
Viele Projekte scheitern an Unkenntnis<br />
o<strong>der</strong> Fehl<strong>in</strong>formationen bei potentiellen<br />
Kreditgebern sowie politischen und adm<strong>in</strong>istrativen<br />
Institutionen. E<strong>in</strong>e groûe europäische<br />
Informationskampagne zugunsten<br />
<strong>der</strong> Erneuerbaren Energien muû hier<br />
Abhilfe schaffen.<br />
Die Europäische Union hat mit <strong>der</strong> Liberalisierung<br />
des Elektrizitätsbereiches den<br />
Europäischen B<strong>in</strong>nenmarkt nahezu hergestellt.<br />
Diese EU-Richtl<strong>in</strong>ie ermöglicht ausdrücklich<br />
die vorrangige Behandlung<br />
umweltschonen<strong>der</strong> Energieerzeugung. Jetzt<br />
muû darauf geachtet werden, daû bei <strong>der</strong><br />
Umsetzung <strong>in</strong> nationales Recht die Erneuerbaren<br />
Energien nicht diskrim<strong>in</strong>iert werden<br />
und im Wettbewerb e<strong>in</strong>e gerechte<br />
Chance erhalten.<br />
5. Europaweites Markte<strong>in</strong>führungsprogramm<br />
für Erneuerbare Energien<br />
Die Kosten für Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>ken<br />
rapide, wenn <strong>der</strong> Übergang von <strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>zelfertigung zu e<strong>in</strong>er Massenproduktion<br />
erreicht wird. Die Europäische Union<br />
sollte deshalb mit den Mitgliedslän<strong>der</strong>n,<br />
262<br />
den Regionen und Kommunen e<strong>in</strong> attraktives<br />
Markte<strong>in</strong>führungsprogramm für die<br />
unterschiedlichen Energiearten auflegen.<br />
E<strong>in</strong> wirksames Marktprogramm wäre z.B.:<br />
± 1 Million Dächer-/Fassadenprogramm<br />
für Photovoltaik<br />
± 10000 MW-Programm für W<strong>in</strong>dkraftanlagen<br />
(zusätzlich e<strong>in</strong> 5000 MW-Programm<br />
für Off-Shore-W<strong>in</strong>dkraft)<br />
± 1000 MW Programm für Biomasse- und<br />
Biogas-Kraftwerke<br />
Das Markte<strong>in</strong>führungsprogramm sollte<br />
unter an<strong>der</strong>em durch F<strong>in</strong>anzmittel <strong>der</strong><br />
Europäischen Investitionsbank (EIB) und<br />
<strong>der</strong> Europäischen Bank für Wie<strong>der</strong>aufbau<br />
und Entwicklung (EBRD) unterstützt werden.<br />
6. Ökologische Steuerreform <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />
Die Erneuerbaren Energien brauchen faire<br />
Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen. Die Vorteile <strong>der</strong><br />
Erneuerbaren Energien kommen nur dann<br />
zur Geltung, wenn die Folgekosten des<br />
Energieverbrauchs <strong>in</strong> den Energiepreisen<br />
verankert s<strong>in</strong>d. Bis zum heutigen Tage s<strong>in</strong>d<br />
die Risiken <strong>der</strong> fossilen und nuklearen<br />
Energien nicht <strong>in</strong> den Energiepreisen vorhanden.<br />
Die Folgekosten zahlen zukünftige<br />
Generationen.<br />
In <strong>der</strong> Europäischen Union muû deshalb<br />
e<strong>in</strong>e ökologische Steuerreform durchgesetzt<br />
werden E<strong>in</strong>e Europäische Energiesteuer<br />
muû Schritt und Schritt zu e<strong>in</strong>er<br />
Internalisierung <strong>der</strong> externen Kosten führen.<br />
Erneuerbare Energien müssen steuerlich<br />
befreit o<strong>der</strong> steuerlich privilegiert werden.<br />
7. Erneuerbare Energien als Querschnittsaufgabe<br />
a) Europäische Agrarpolitik<br />
Die Agrar- und Forstwirtschaft <strong>in</strong> Europa<br />
muû nach und nach auf e<strong>in</strong>e Nutzung <strong>der</strong><br />
Biomasse orientiert werden. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund<br />
<strong>der</strong> Überschüsse bei Nahrungsmitteln<br />
und den Verpflichtungen aus dem<br />
Welthandelsabkommen (WTO) zum<br />
Abbau von Beihilfen sollte die europäische
Land- und Forstwirtschaft verstärkt die<br />
Erzeugung von Pflanzen zur Herstellung<br />
von Energie und Rohstoffen beg<strong>in</strong>nen.<br />
Diese Herstellung von Bio-Brennstoffen<br />
und Bio-Kraftstoffen könnte sowohl den<br />
Landwirten wie auch den ländlichen Räumen<br />
neue Impulse verleihen. E<strong>in</strong>e erneuerte<br />
Europäische Agrarpolitik muû hierfür<br />
die notwendigen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
schaffen.<br />
b) Europäische Regionalpolitik<br />
Die Erneuerbaren Energien bieten beson<strong>der</strong>s<br />
für periphere und ländliche Räume<br />
e<strong>in</strong>e attraktive Perspektive zur wirtschaftlichen<br />
Entwicklung. Aber auch Industriegebiete<br />
im Strukturwandel können mit den<br />
Zukunftsenergien e<strong>in</strong>e neue wirtschaftliche<br />
Basis aufbauen.<br />
Die Europäische Union sollte deshalb mit<br />
ihren Regional- und Strukturfonds gezielt<br />
den Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
för<strong>der</strong>n.<br />
c) Europäische Transportpolitik<br />
Die Öffnung <strong>der</strong> Grenzen hat zu e<strong>in</strong>er<br />
Zunahme des Pkw- und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e des<br />
Lkw-Verkehrs geführt. Der Transportsektor<br />
ist durch wachsenden Energieverbrauch<br />
und wachsende CO2-Emission gekennzeichnet.<br />
¾hnlich <strong>der</strong> Gesetzgebung <strong>in</strong> Kalifornien<br />
sollte sich die Europäische Union das Ziel<br />
setzen, ab dem Jahre 2005 e<strong>in</strong>en steigenden<br />
Anteil <strong>der</strong> Neuwagen nur noch als emissionsfreie<br />
Fahrzeuge zuzulassen.<br />
8. Europäische Agentur für Erneuerbare<br />
Energien<br />
Zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
braucht die Europäische Union e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />
Koord<strong>in</strong>ierungsstelle. Die Europäische<br />
Agentur für Erneuerbare Energien<br />
sollte den Informationsaustausch zwischen<br />
allen Akteuren organisieren, als ¹Best-Practice-Börseª<br />
fungieren und e<strong>in</strong>en Technologietransfer<br />
<strong>in</strong>nerhalb und auûerhalb <strong>der</strong><br />
EU e<strong>in</strong>leiten.<br />
9. Erneuerbare Energien <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen<br />
Auûenpolitik<br />
Der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Solarzeitalter muû mit<br />
Hilfe <strong>der</strong> Europäischen Union sowohl<br />
<strong>in</strong>nerhalb des europäischen Kont<strong>in</strong>ents wie<br />
auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong> Welt durchgesetzt<br />
werden. Die Europäische Union sollte<br />
deshalb die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> umweltfreundlichen<br />
Zukunftsenergien zum festen<br />
Bestandteil ihrer Auûenwirtschaftspolitik<br />
machen.<br />
a) Die Län<strong>der</strong> Mittel- und Osteuropas<br />
müssen ihre Energieversorgung mo<strong>der</strong>nisieren<br />
und umstellen. Die Europäische<br />
Union sollte mit den Beitrittskandidaten,<br />
aber auch mit den an<strong>der</strong>en<br />
Partnern <strong>in</strong> Osteuropa, e<strong>in</strong> Programm<br />
zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
ausarbeiten. Die Hilfsprogramme<br />
PHARE und TACIS müssen für diese<br />
Zwecke aktiv genutzt werden. Die<br />
Europäische Energie-Charta sollte e<strong>in</strong><br />
eigenes Kapitel zum Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren<br />
Energien erhalten.<br />
b) Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiges<br />
Element zur Umsetzung <strong>der</strong> Mittelmeerpolitik<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e Solarenergie und W<strong>in</strong>dkraft<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Län<strong>der</strong>n des Mittelmeerraumes<br />
<strong>in</strong> groûem Umfang vorhanden.<br />
Die F<strong>in</strong>anzmittel aus dem<br />
MEDA-Programm sollten zielgerichtet<br />
für den Ausbau <strong>der</strong> Erneuerbaren Energien<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
c) Die Zusammenarbeit Europas mit den<br />
Län<strong>der</strong>n Nordafrikas auf dem Gebiete<br />
<strong>der</strong> Energiepolitik muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue<br />
Phase treten. Bis zum heutigen Tage<br />
liefern die Län<strong>der</strong> des afrikanischen<br />
und arabischen Raumes Erdöl und Erdgas<br />
nach Europa. Die groûen Flächen<br />
Nordafrikas können <strong>in</strong> Zukunft für die<br />
Energieversorgung Europas auf <strong>der</strong><br />
Grundlage Erneuerbarer Energien<br />
nutzbar gemacht werden. Pipel<strong>in</strong>es mit<br />
solarem Wasserstoff könnten im<br />
21. Jahrhun<strong>der</strong>t den Energiebedarf <strong>in</strong><br />
Europa zum Teil abdecken. E<strong>in</strong> ¹Solarpakt<br />
Europa-Afrikaª könnte neue Perspektiven<br />
für den wirtschaftlichen und<br />
263
264<br />
sozialen Zusammenhalt im Mittelmeerraum<br />
und den angrenzenden Regionen<br />
schaffen.<br />
10. Sozialdemokraten <strong>in</strong> Europa: Partner<br />
e<strong>in</strong>er nachhaltigen Entwicklung<br />
Erneuerbare Energien s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> unverzichtbarer<br />
Eckpfeiler e<strong>in</strong>er nachhaltigen Energiepolitik<br />
im 21. Jahrhun<strong>der</strong>t. Die Europäische<br />
Union muû Vorreiter e<strong>in</strong>er<br />
weltweiten Energiewende se<strong>in</strong>. Sowohl die<br />
Verpflichtungen aus den UNO-Umweltkonventionen<br />
wie auch das Eigen<strong>in</strong>teresse<br />
an e<strong>in</strong>er Mo<strong>der</strong>nisierung des Wirtschaftsstandortes<br />
Europa, e<strong>in</strong>er gröûeren Unabhängigkeit<br />
von Energieimporten und neuen<br />
Impulsen für die Beschäftigung sollten<br />
Anreiz se<strong>in</strong>, den Aktionsplan zur För<strong>der</strong>ung<br />
Erneuerbarer Energien <strong>in</strong> die Wege<br />
zu leiten.<br />
Die Sozialdemokratischen Parteien und<br />
Mitglie<strong>der</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
müssen Impulsgeber und Träger e<strong>in</strong>er<br />
¹Europäischen Solar-Initiativeª se<strong>in</strong>.<br />
Die <strong>SPD</strong>-Deutschland sollte den Antrag<br />
auf dem nächsten <strong>Parteitag</strong> <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Europas (SPE) e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.<br />
Die Sozialdemokratische Partei Europas<br />
(SPE) sollte im Jahre 1998 e<strong>in</strong>en Strategiekongreû<br />
¹Europa braucht neue Energien ±<br />
Aktionsplan zur För<strong>der</strong>ung Erneuerbarer<br />
Energiequellenª durchführen.<br />
Die Parteiglie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> SPE sollten<br />
von <strong>der</strong> kommunalen bis zur europäischen<br />
Ebene an Aktionskampagnen für die<br />
Erneuerbaren Energien teilnehmen.<br />
± So f<strong>in</strong>den jährlich um den 21. Juni <strong>in</strong><br />
vielen europäischen Län<strong>der</strong>n ¹Solarwochenª<br />
statt.<br />
± Mit <strong>der</strong> Land- und Forstwirtschaft s<strong>in</strong>d<br />
Partnerschaftsprojekte zur För<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Biomasse möglich.<br />
± Kle<strong>in</strong>ere und mittlere Unternehmen<br />
(KMU) suchen nach Kooperationen im<br />
politischen Raum.<br />
Europäische Solar-Initiative als Teil des<br />
Europawahlkampfes 1999. Die Bürger wollen<br />
wissen, für welche Ziele die Europäische<br />
Union e<strong>in</strong>gesetzt wird. Gerade die<br />
junge Generation verlangt nach Perspektiven<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Europapolitik.<br />
Der Aktionsplan ¹E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> das Solarzeitalterª<br />
ist für viele Menschen e<strong>in</strong> attraktives<br />
Angebot, sich auch persönlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik<br />
zu engagieren. Die Europäische Solar<strong>in</strong>itiative<br />
sollte deshalb Teil des Europa-<br />
Wahlprogrammes und des Europa-Wahlkampfes<br />
im Jahre 1999 werden.<br />
(Angenommen, Ziffer 10 an den Präsidenten<br />
<strong>der</strong> europäischen Sozialdemokratie)<br />
Antrag I 145<br />
Bezirk Weser-Ems<br />
Beschluû für e<strong>in</strong>e nachhaltige<br />
Energiepolitik<br />
I. Die <strong>SPD</strong> bekräftigt ihre Unterstützung<br />
<strong>der</strong> Ziele des Strome<strong>in</strong>speisungsgesetzes.<br />
Regenerative Energien besitzen e<strong>in</strong> erhebliches<br />
Potential zur Gestaltung e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />
Energiepolitik und s<strong>in</strong>d wichtige<br />
Bauste<strong>in</strong>e zur Umsetzung <strong>der</strong> 1992 e<strong>in</strong>gegangenen<br />
Verpflichtungen zur Reduktion<br />
<strong>der</strong> CO 2-Emissionen im Rahmen <strong>der</strong> Konferenz<br />
für Umwelt und Entwicklung von<br />
Rio de Janeiro.<br />
Das Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz hat sich als<br />
e<strong>in</strong> wirksames Instrument <strong>der</strong> Energiepolitik<br />
und <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> regenerativen<br />
Energien grundsätzlich bewährt. Es war<br />
und ist maûgeblich verantwortlich für den<br />
Ausbau <strong>der</strong> W<strong>in</strong>dkraftanlagen-Industrie als<br />
e<strong>in</strong> <strong>in</strong>novativer und zukunftsfähiger Produktionssektor<br />
mit guten Chancen auch für<br />
den Export. Hierdurch wurden bundesweit<br />
mehrere tausend hochwertige, mittelständige<br />
Arbeitsplätze gerade auch <strong>in</strong> strukturschwachen<br />
Regionen geschaffen.<br />
Das Strome<strong>in</strong>speisungsgesetz ist daher <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er Substanz zu schützen und <strong>in</strong> die<br />
Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />
zu <strong>in</strong>tegrieren. Die Novellierung des
Energiewirtschaftsrechts muû sicherstellen,<br />
daû die Aufgaben des Umweltschutzes, <strong>der</strong><br />
Klimavorsorge und des Ausbaus des Anteils<br />
<strong>der</strong> regenerativen Energien an <strong>der</strong> Stromversorgung<br />
auch unter den Bed<strong>in</strong>gungen<br />
des liberalisierten europäischen B<strong>in</strong>nenmarktes<br />
für Energie erfüllbar bleiben.<br />
Deregulierung und Wettbewerb im Energieb<strong>in</strong>nenmarkt<br />
dürfen nicht zur Strangulierung<br />
<strong>der</strong> regenerativen Energie führen.<br />
Strom aus regenerativen Energien ± und<br />
aus <strong>der</strong> Kraft-Wärme-Kopplung ± muû<br />
vorrangig <strong>in</strong> das Netz aufgenommen und<br />
von den Netzbetreibern mit festen Sätzen<br />
vergütet werden, <strong>der</strong>en Struktur sich an<br />
diejenige des jetzigen Strome<strong>in</strong>speisungsgesetzes<br />
anlehnt.<br />
II. Die Stromwirtschaft verursacht über<br />
30 Prozent <strong>der</strong> CO 2-Emissionen. Sie steht<br />
daher <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pflicht, e<strong>in</strong>en eigenen,<br />
signifikanten Beitrag zum Umweltund<br />
Klimaschutz zu leisten. Stromwirtschaft<br />
und EVU s<strong>in</strong>d gefor<strong>der</strong>t, bei <strong>der</strong><br />
Erzeugung und Verteilung sowie durch<br />
kundenorientierte Beratung Effizienzsteigerung<br />
und Ressourcenschonung zu beachten.<br />
Die EVU sollten sich dabei am Leitbild<br />
<strong>der</strong> ¹M<strong>in</strong>imalkostenplanungª (¹leastcost-plann<strong>in</strong>gª)<br />
orientieren und als Dienstleister<br />
im Energiesektor eigenverantwortlich<br />
zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen.<br />
Die Zusatzbelastungen, die den Energieversorgungsunternehmen<br />
(EVU) durch die<br />
E<strong>in</strong>speisung regenerativer Energien entstehen,<br />
dürfen jedoch nicht bei e<strong>in</strong>zelnen<br />
küstennahen EVU ± <strong>der</strong> EWE ± o<strong>der</strong> dem<br />
Verbundunternehmen verbleiben. Die<br />
regional ungleichmäûige Belastung e<strong>in</strong>zelner<br />
EVU mit dem Kosten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>speisung<br />
regenerativer Energien muû auf dem Wege<br />
e<strong>in</strong>es Lastenausgleichs zwischen allen EVU<br />
beseitigt werden.<br />
Die den aufnehmenden Netzbetreibern<br />
durch die E<strong>in</strong>speisung des Stroms aus regenerativen<br />
Energien entstehenden Mehrkosten<br />
werden auf alle örtlichen und überörtlichen<br />
Betreiber umgelegt, die ihrerseits<br />
untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Kostenausgleich<br />
durchführen. Die Regelung dieses Aus-<br />
gleichs erfolgt im Rahmen e<strong>in</strong>er Rechtsverordnung<br />
mit Zustimmung des Bundesrates,<br />
um auf die jeweilige Marktentwicklung e<strong>in</strong>zugehen<br />
und Mitnahmeeffekte zu vermeiden.<br />
III. Die Liberalisierung des europäischen<br />
Energiemarktes und <strong>der</strong> Wegfall <strong>der</strong><br />
Gebietsmonopole durch die Novellierung<br />
des Energiewirtschaftsgesetzes droht langfristig<br />
die f<strong>in</strong>anziellen Mittel <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>den<br />
aus den Konzessionsverträgen <strong>in</strong> Frage<br />
zu stellen.<br />
Der Entwurf <strong>der</strong> Bundesregierung zur<br />
Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes<br />
hat deutlich negative Folgen für die<br />
Kommunen und Stadtwerke, da sie ihre<br />
Selbständigkeit zu verlieren drohen. Entgegen<br />
<strong>der</strong> Absicht <strong>der</strong> Liberalisierung kann<br />
e<strong>in</strong>e verstärkte vertikale Integration <strong>der</strong><br />
Energiekonzerne anstelle von Dezentralisierung,<br />
Bewahrung <strong>der</strong> kommunalen<br />
Eigenständigkeit und fairem Wettbewerb<br />
nicht ausgeschlossen werden.<br />
Das von <strong>der</strong> Bundesregierung vorgeschlagene<br />
Wettbewerbssystem würde dazu führen,<br />
daû Groûabnehmer von Verbund- und<br />
Regionalversorgern aus dem Versorgungsbereich<br />
<strong>der</strong> Stadtwerke herausgebrochen<br />
werden können. Groûe Städte mit Industriekunden,<br />
die viel Strom verbrauchen,<br />
müssen Umsatze<strong>in</strong>buûen zwischen 15 %<br />
und 30 % befürchten. Preiserhöhungen um<br />
mehr als 10 % für die übrigen Kunden ±<br />
Haushalte, Handwerk, Gewerbebetriebe ±<br />
wären zum Ausgleich nötig, weil die Fixkosten<br />
<strong>der</strong> kommunalen Versorgungsunternehmen<br />
vor allem auf <strong>der</strong> Anschluû- und<br />
Versorgungspflicht beruhen, die trotz des<br />
Wettbewerbs nicht aufgehoben werden<br />
soll. Die <strong>SPD</strong> bekennt sich daher nachdrücklich<br />
zum Schutz des verfassungsmäûigen<br />
Rechts <strong>der</strong> Kommunen aus Artikel 28<br />
des Grundgesetzes auf Selbstverwaltung.<br />
Dazu gehört nach unserer Überzeugung<br />
auch die Energieversorgung, die traditionell<br />
den Kern <strong>der</strong> kommunalen Wirtschaft<br />
darstellt.<br />
Den Geme<strong>in</strong>den muû deshalb e<strong>in</strong>e Wahlmöglichkeit<br />
e<strong>in</strong>geräumt werden, den Wett-<br />
265
ewerb freizugeben o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Versorgungspflicht<br />
für bestimmte Kundengruppen ±<br />
z.B. für die bisherigen Tarifkunden ± e<strong>in</strong>zuführen,<br />
o<strong>der</strong> auch e<strong>in</strong>em Versorgungsunternehmen<br />
die Rechte und Pflichten e<strong>in</strong>es<br />
Alle<strong>in</strong>abnehmers ± als s<strong>in</strong>gle buyer ± zu<br />
übertragen. Die Konzessionsabgabe muû<br />
an den örtlichen Netzbetrieb gebunden<br />
und damit auf e<strong>in</strong>e solide rechtliche<br />
Grundlage gestellt werden. Das kommunale<br />
Aufkommen aus Konzessionsabgaben<br />
von etwa 6 Milliarden DM/Jahr würde<br />
deutlich reduziert, wenn die kommunalen<br />
Wegerechte nicht mehr ausschlieûlich vergeben<br />
werden können. Ke<strong>in</strong> Versorgungsunternehmen<br />
wäre bereit, die bisherige<br />
Abgabe für e<strong>in</strong> Recht zu bezahlen, das es<br />
nicht mehr exklusiv genieût und das beliebig<br />
durchbrochen werden kann. E<strong>in</strong> Auffangtatbestand,<br />
<strong>der</strong> sich etwa <strong>in</strong> <strong>der</strong> klareren<br />
Ausgestaltung e<strong>in</strong>es Artikel 28 GG<br />
hergeleiteten Rechts <strong>der</strong> kommunalen<br />
Dase<strong>in</strong>svorsorge ergäbe, ist im Gesetzestext<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung nicht angedacht.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 146<br />
Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>gau-Taunus<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Mehr Arbeit ± weniger<br />
Energieverbrauch Umbau des<br />
Steuersystems zur Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen und<br />
Schonung <strong>der</strong> Umwelt<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t<br />
folgende Maûnahmen vorzubereiten<br />
und Schritt für Schritt umzusetzen:<br />
1. Auf Stromverbrauch sowie den Verbrauch<br />
von Heizöl und Erdgas wird die<br />
Steuer (Zahlen gemäû den Vorschlägen<br />
<strong>der</strong> BT-Fraktion) erhöht und das zusätzliche<br />
Aufkommen für folgende zusätzliche<br />
Maûnahmen e<strong>in</strong>gesetzt:<br />
± Investitionshilfen aller Art für Energiespar<strong>in</strong>vestitionen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>in</strong><br />
Gebäuden und Privathaushalten. In <strong>der</strong><br />
266<br />
Wirtschaft werden Hilfen im Verhältnis<br />
zu den e<strong>in</strong>gesparten Energiee<strong>in</strong>heiten<br />
gewährt.<br />
± Forschungs- und Entwicklungsför<strong>der</strong>ung<br />
für erneuerbare Energiequellen.<br />
± För<strong>der</strong>ung von Beschäftigungsgesellschaften<br />
und Energieberatungszentren,<br />
soweit sie Programme zur Energiee<strong>in</strong>sparung<br />
umsetzen.<br />
2. Die M<strong>in</strong>eralölsteuer wird im ersten<br />
Schritt um 0,20 DM pro Liter Treibstoff<br />
erhöht, alle 2 Jahre erfolgt e<strong>in</strong>e weitere<br />
Erhöhung um m<strong>in</strong>destens 10 % (drei<br />
mal). Zum Zeitpunkt <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung<br />
wird die Arbeitslosenversicherung <strong>in</strong><br />
entsprechen<strong>der</strong> Höhe gesenkt, damit<br />
je<strong>der</strong> Arbeitnehmer und Arbeitgeber die<br />
Umschichtung auf dem Lohnzettel<br />
sofort erkennen kann. Die weiteren<br />
Erhöhungen <strong>der</strong> M<strong>in</strong>eralölsteuer werden<br />
dazu verwandt, bisher bei <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />
angesiedelte sachfremde<br />
Aufgaben zu f<strong>in</strong>anzieren und hiermit<br />
den Rentenversicherungsbeitrag zu senken.<br />
3. Die Kilometerpauschale für Pendler<br />
wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Entfernungspauschale <strong>in</strong><br />
Höhe e<strong>in</strong>er vergleichbaren Monatskarte<br />
des ÖPNV umgewandelt.<br />
4. Die KFZ-Steuer wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e verbrauchsorientierte<br />
Form umgewandelt.<br />
5. Die Bundesregierung und die Europaabgeordneten<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, auf<br />
europäischer Ebene Initiativen zu<br />
ergreifen, um zu ermöglichen, daû <strong>in</strong><br />
Deutschland<br />
± Flugbenz<strong>in</strong>steuer für alle Privatflugzeuge,<br />
± e<strong>in</strong>e pauschal <strong>in</strong> die Flughafengebühr<br />
e<strong>in</strong>zubeziehende Inlandsflugabgabe für<br />
alle Inlandsflüge vorab e<strong>in</strong>geführt werden<br />
kann.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)
Antrag I 148<br />
Unterbezirk Mettmann<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Atompolitik<br />
a) Die <strong>SPD</strong> bekräftigt auf allen Ebenen die<br />
weitere Gültigkeit <strong>der</strong> Beschlüsse des<br />
Nürnberger <strong>Parteitag</strong>es zur Atompolitik<br />
und setzt diese Beschlüsse dort um, wo sie<br />
die Möglichkeiten dazu hat. Die <strong>SPD</strong><br />
erteilt allen Versuchen e<strong>in</strong>e Absage, e<strong>in</strong>e<br />
Sicherung <strong>der</strong> Kohleför<strong>der</strong>ung (<strong>in</strong> NRW)<br />
über e<strong>in</strong>e Zustimmung zur Atomenergie<br />
bzw. zu <strong>der</strong>en Weiterführung und -entwicklung<br />
zu erkaufen.<br />
b) Darüber h<strong>in</strong>aus lehnt die <strong>SPD</strong> die Fortsetzung<br />
<strong>der</strong> Atommülltransporte <strong>in</strong> die<br />
Zwischenlager Ahaus und Gorleben ab,<br />
solange die Lagerkapazitäten <strong>in</strong> den produzierenden<br />
AKWs nicht voll ausgenutzt<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 151<br />
Unterbezirk Kassel-Stadt<br />
(Bezirk Hessen-Nord)<br />
Zukunftsorientierte Nahverkehrspolitik<br />
Die Adressaten werden aufgefor<strong>der</strong>t, sich<br />
für e<strong>in</strong>en leistungsgerechten SPNV/<br />
ÖPNV-Verkehr e<strong>in</strong>zusetzen, denn dieser<br />
leistet e<strong>in</strong>en erheblichen Beitrag zur Reduzierung<br />
von Umweltschäden und ist e<strong>in</strong>e<br />
Alternative gegenüber dem motorisierten<br />
Individualverkehr (MIV). Die Adressaten<br />
müssen endlich e<strong>in</strong>sehen, daû <strong>in</strong> den Zieldef<strong>in</strong>itionen<br />
<strong>der</strong> SPNV/ÖPNV-Gesetze<br />
folgende Punkte enthalten se<strong>in</strong> sollten:<br />
± SPNV/ÖPNV als Aufgabe <strong>der</strong> Dase<strong>in</strong>svorsorge,<br />
± die struktur- und umweltpolitische<br />
Bedeutung des Nahverkehrs,<br />
± SPNV/ÖPNV als attraktive und vollwertige<br />
Alternative zum MIV,<br />
± SPNV/ÖPNV als Beitrag zur Gewährleistung<br />
gleichwertige Lebensverhältnisse,<br />
± Vorrang des SPNV/ÖPNV vor dem<br />
MIV sowie Vorrang <strong>der</strong> umweltschonende<br />
Verkehrsträger.<br />
(Überwiesen an die Landtagsfraktion<br />
Hessen)<br />
Antrag I 152<br />
Unterbezirk Kassel-Stadt<br />
(Bezirk Hessen-Nord)<br />
Beschäftigungseffekte durch<br />
den öffentlichen Nahverkehr<br />
Wir for<strong>der</strong>n von den Adressaten, sich für<br />
die Sicherung <strong>der</strong> Arbeitsplätze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Region Nordhessen e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
Im Geschäftsbereich Nahverkehr <strong>der</strong> DB<br />
AG s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>zeit fast 16 000 Mitarbeiter<br />
beschäftigt. Mit dieser Zahl wird aber die<br />
gesamte beschäftigungspolitsche Bedeutung<br />
des ÖPNV e<strong>in</strong>schlieûlich des Schienen-<br />
Personennahverkehrs nicht annähernd dargestellt.<br />
E<strong>in</strong>e wesentlich höhere Zahl von Arbeitsplätzen<br />
ist entwe<strong>der</strong> direkt <strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en<br />
Geschäftsbereichen <strong>der</strong> Bahn o<strong>der</strong> <strong>in</strong>direkt<br />
<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Geschäftsbranchen (z.B. Fahrzeughersteller,<br />
Baubereich, etc. vom<br />
Umsatz im SPNV/ÖPNV abhängig.<br />
Der Geschäftsbereich Nahverkehr beträgt<br />
heute mehr als 40 % des Gesamtumsatzes<br />
des Unternehmens DG AG.<br />
(Überwiesen an die Landtagsfraktion<br />
Hessen)<br />
267
Antrag I 153<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>bach<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
F<strong>in</strong>anzierung des ÖPNV<br />
1. Die <strong>SPD</strong> befürwortet die Erprobung<br />
e<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>anzierung des ÖPNV über e<strong>in</strong>e<br />
durch die Kommune von den Bürger<strong>in</strong>nen<br />
und Bürgern zu erhebende Abgabe anstatt<br />
durch Fahrpreise. Die Höhe <strong>der</strong> Abgabe<br />
muû an die Kosten für e<strong>in</strong>en nach dem<br />
Ermessen <strong>der</strong> Kommune s<strong>in</strong>nvollen Ausbau<br />
und Betrieb des ÖPNV angepaût werden.<br />
Die Abgabe sollte auûerdem für Sozialhilfeempfänger,<br />
Rentner, Schüler etc. reduziert<br />
werden.<br />
2. Die <strong>SPD</strong> setzt sich für die Schaffung<br />
<strong>der</strong> notwendigen gesetzlichen Grundlagen<br />
e<strong>in</strong>, um den Kommunen die E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>er solchen Abgabe zu ermöglichen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 155<br />
Unterbezirk Kassel-Stadt<br />
(Bezirk Hessen-Nord)<br />
Stellenabbau bei <strong>der</strong> Bahn<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion sowie die<br />
<strong>SPD</strong>-Landtagsfraktionen werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich bei <strong>der</strong> Bahn AG und <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
dafür e<strong>in</strong>zusetzen, daû <strong>der</strong><br />
geplante Stellenabbau bei <strong>der</strong> Bahn weiter<br />
deutlich verlangsamt wird.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 156<br />
Kreisverband Lauenburg<br />
(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />
Transrapid<br />
Die <strong>SPD</strong> lehnt das Projekt e<strong>in</strong>er Transrapid-Verb<strong>in</strong>dung<br />
zwischen Hamburg und<br />
Berl<strong>in</strong> ab. Statt dessen wird e<strong>in</strong>e ICE-<br />
Strecke zwischen den beiden Groûstädten<br />
<strong>in</strong> den Schienenwegeausbauplan des Bundes<br />
aufgenommen. Die <strong>SPD</strong> wird die<br />
268<br />
beteiligte Industrie bei <strong>der</strong> Suche nach<br />
e<strong>in</strong>er verkehrspolitisch s<strong>in</strong>nvollen, ökologisch<br />
vertretbaren und wirtschaftlich rentablen<br />
ersten Anwendungsstrecke für die<br />
Magnetschwebebahn-Technik unterstützen.<br />
Öffentliche Mittel dürfen dafür nicht aufgebracht<br />
werden.<br />
(Angenommen und überwiesen an Parteivorstand<br />
zur Erarbeitung e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 157<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Ammersbek<br />
(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />
Transrapid<br />
Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
<strong>in</strong> das Wahlprogramm zur Bundestagswahl<br />
1998 folgende Aussage zur Zukunft <strong>der</strong><br />
Magnetschwebebahn ¹Transrapidª aufzunehmen:E<strong>in</strong>e<br />
<strong>SPD</strong>-geführte Bundesregierung<br />
wird das Projekt e<strong>in</strong>er ¹TRANSRA-<br />
PIDª-Verb<strong>in</strong>dung zwischen Hamburg und<br />
Berl<strong>in</strong> stoppen. Statt dessen wird e<strong>in</strong>e<br />
ICE-Strecke zwischen den beiden Groûstädten<br />
mit Priorität <strong>in</strong> den Schienenwegeausbauplan<br />
des Bundes aufgenommen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 158<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Sü<strong>der</strong>holz<br />
(Landesverband Mecklenburg-Vorpommern)<br />
Transrapid<br />
Der Bundesparteitag möge beschlieûen,<br />
den Bau des Transrapids auf <strong>der</strong> bislang<br />
ausgewiesenen Strecke von Hamburg nach<br />
Berl<strong>in</strong> abzulehnen.<br />
Der Transrapid ist wirtschaftlich uns<strong>in</strong>nig<br />
und darf nicht aus Steuermitteln f<strong>in</strong>anziert<br />
werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)
Informations-, Kommunikationsund<br />
Medienpolitik<br />
Antrag I 159<br />
Parteivorstand<br />
Von <strong>der</strong> Utopie zur<br />
Wirklichkeit:<br />
Aufbruch <strong>in</strong> die<br />
Informationsgesellschaft<br />
1. Die Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
annehmen<br />
Deutschland bef<strong>in</strong>det sich ± wie alle hochentwickelten<br />
Industriegesellschaften ± im<br />
Übergang von <strong>der</strong> Industrie- zur Informationsgesellschaft.<br />
Es handelt sich dabei um<br />
e<strong>in</strong>en Vorgang, <strong>der</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Auswirkungen<br />
mit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Revolution zu vergleichen<br />
ist, die b<strong>in</strong>nen weniger Jahrzehnte das<br />
gesellschaftliche Leben total verän<strong>der</strong>te.<br />
Jetzt kommt e<strong>in</strong> solcher E<strong>in</strong>schnitt wie<strong>der</strong><br />
vor. Er wird schneller durchschlagen als<br />
die Industrialisierung und er wird tiefer <strong>in</strong><br />
unseren Alltag e<strong>in</strong>greifen.<br />
Globale Information und Kommunikation<br />
<strong>in</strong> Industrie, Handel und Dienstleistungen<br />
werden unser System <strong>der</strong> Wertschöpfung<br />
nachhaltig verän<strong>der</strong>n. Unsere Lebens- und<br />
Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, Art und Umfang von<br />
Beschäftigung, die Produktion von Gütern<br />
und die Erbr<strong>in</strong>gung von Diensten, aber<br />
auch die Innovationsfähigkeit e<strong>in</strong>zelner<br />
Unternehmen und <strong>der</strong> gesamten Volkswirtschaft<br />
werden immer mehr von <strong>der</strong> Nutzung<br />
mo<strong>der</strong>ner Informations- und Kommunikationstechniken<br />
abhängig. Die<br />
zunehmende Vernetzung von Arbeitsplätzen,<br />
Unternehmen und Privathaushalten<br />
sowie die Neuordnung <strong>der</strong> Telekommunikations-<br />
und Medienbranchen s<strong>in</strong>d kennzeichnend<br />
für den Übergang <strong>in</strong> das digitale<br />
Zeitalter. Die ¹klassischenª Medien wie<br />
Hörfunk, Fernsehen und Telefon verschmelzen<br />
allmählich mit dem Computer.<br />
Märkte und Produkte <strong>der</strong> Telekommunika-<br />
tion, des Rundfunks, <strong>der</strong> Computer<strong>in</strong>dustrie<br />
und <strong>der</strong> Medien- und Kommunikationswirtschaft<br />
bilden bereits heute e<strong>in</strong>e<br />
maûgebliche Triebkraft bei <strong>der</strong> voranschreitenden<br />
Globalisierung <strong>der</strong> Wirtschaft.<br />
Chancen und Potentiale <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
müssen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternational<br />
wettbewerbsfähige Wirtschaft, für neue<br />
Erwerbsarbeit, für ökologische Nachhaltigkeit,<br />
für Wissenserweiterung und für die<br />
weltweite Erweiterung <strong>der</strong> Freiheitsräume<br />
<strong>der</strong> Menschen, also für den gesellschaftlichen<br />
Fortschritt und das Wohl aller konsequent<br />
ausgeschöpft und erschlossen werden.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Multimedia-<br />
Evolution ist es e<strong>in</strong>e herausragende Aufgabe<br />
sozialdemokratischer Medien- und<br />
Telekommunikationspolitik, Märkte zu öffnen,<br />
die Marktkräfte <strong>in</strong> bestmöglicher<br />
Weise zu dynamisieren und die Innovationsgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
<strong>der</strong> Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />
zu erhöhen. Wir<br />
wollen die deutsche Medien- und Kommunikationswirtschaft<br />
stärken. Im Rahmen<br />
e<strong>in</strong>es politischen Gesamtkonzepts wollen<br />
wir dafür sorgen, daû die Beseitigung von<br />
Mo<strong>der</strong>nisierungshemmnissen und die Freisetzung<br />
<strong>der</strong> Marktkräfte mit <strong>der</strong> sozialen,<br />
ökologischen, kulturellen und ethischen<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
Hand <strong>in</strong> Hand gehen. Die Schaffung optimaler<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Entfaltung<br />
von Marktwettbewerb und Produkt<strong>in</strong>novation<br />
und die gesellschaftliche<br />
Nutzbarmachung <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />
Evolution bed<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />
Damit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft neue<br />
Arbeitsplätze entstehen, werden wir durch<br />
die Schaffung <strong>in</strong>novationsfreundlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
die <strong>in</strong>ternationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> deutschen Unternehmen<br />
stärken. Die tiefgreifenden<br />
269
Umwälzungen bedürfen <strong>der</strong> politischen,<br />
kulturellen und sozialen Gestaltung. Wirtschaft,<br />
Gewerkschaften und Staat müssen<br />
an <strong>der</strong> Schwelle zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t die<br />
Vorbereitung Deutschlands auf die Informationsgesellschaft<br />
als e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>sam zu<br />
lösende Aufgabe anpacken.<br />
Wir wollen die immer noch ungleiche Verteilung<br />
<strong>der</strong> Chancen überw<strong>in</strong>den. Ohne<br />
zielgerichtete Politik besteht die Gefahr,<br />
daû e<strong>in</strong>e weitere gesellschaftliche Spaltung<br />
entsteht, die die Menschen <strong>in</strong> ¹<strong>in</strong>formation<br />
richª und ¹<strong>in</strong>formation poorª trennt. Um<br />
das zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, muû die gleichberechtigte<br />
Teilhabe an den Informations- und<br />
Kommunikationstechniken und <strong>der</strong> freie<br />
Zugang zu qualitativ hochwertigen Informationen<br />
gesichert werden. Wir werden<br />
die Entstehung e<strong>in</strong>es ¹Informationsproletariatsª<br />
zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n wissen.<br />
Mo<strong>der</strong>ne Medien- und Telekommunikationspolitik<br />
bedeutet nicht Inhaltsregulierung<br />
und schon gar nicht Bevormundung.<br />
Im Gegenteil sollen künftig alle die Möglichkeit<br />
haben, an <strong>der</strong> Verbreitung, Nutzung<br />
und Ausdeutung von Informationen<br />
teilzunehmen. Bleiben darüber h<strong>in</strong>aus Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />
und Me<strong>in</strong>ungsvielfalt garantiert,<br />
können die Informations- und Kommunikationstechniken<br />
zur Emanzipation<br />
<strong>der</strong> Menschen im S<strong>in</strong>ne von Selbstbestimmung,<br />
Demokratie und Freiheit beitragen.<br />
Staatliche Regulierung soll erst dann e<strong>in</strong>setzen,<br />
wenn Eigenverantwortung und E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>der</strong> Selbstkontrolle zur Verr<strong>in</strong>gerung<br />
von Schadenspotentialen versagen.<br />
Zur Garantie von Freiheit und Selbstbestimmung<br />
gehören auch e<strong>in</strong> wirkungsvoller<br />
Verbraucher-, Persönlichkeits-, Jugendund<br />
Datenschutz. Urheber- und Leistungsschutz-Rechte<br />
s<strong>in</strong>d zu sichern. Auûerdem<br />
muû e<strong>in</strong> Ausgleich zwischen <strong>der</strong> politischen<br />
Verantwortung zur Sicherung <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsfreiheit<br />
und <strong>der</strong> Informationsvielfalt<br />
und <strong>der</strong> Stärkung <strong>der</strong> Konkurrenzfähigkeit<br />
<strong>der</strong> deutschen Medienwirtschaft im <strong>in</strong>ternationalen<br />
Wettbewerb geschaffen werden.<br />
Die <strong>SPD</strong> hält auch <strong>in</strong> Zukunft an e<strong>in</strong>em<br />
wettbewerbsfähigen öffentlich-rechtlichen<br />
Angebot fest.<br />
270<br />
Um die kulturelle und publizistische Vielfalt<br />
und die Unabhängigkeit <strong>der</strong> Medien<br />
von Staat und mächtigen gesellschaftlichen<br />
und wirtschaftlichen Gruppen zu sichern,<br />
setzt sich die <strong>SPD</strong> unverän<strong>der</strong>t für e<strong>in</strong>e<br />
wirksame Konzentrationskontrolle auf<br />
nationaler und europäischer Ebene im<br />
S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Beschlüsse des Europäischen<br />
Parlaments zur Sicherung von Me<strong>in</strong>ungsvielfalt<br />
und Pluralismus e<strong>in</strong>. Zur Klärung<br />
<strong>der</strong> Besitzverhältnisse bei Medienunternehmen<br />
s<strong>in</strong>d weitreichende Transparenzregelungen<br />
notwendig.<br />
Die Sozialdemokratie hat sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tradition<br />
<strong>der</strong> Aufklärung immer an Freiheit,<br />
Gerechtigkeit und Solidarität orientiert.<br />
Diese Grundwerte bilden beim Übergang<br />
<strong>in</strong> die Informationsgesellschaft die Grundlage<br />
für e<strong>in</strong>e offensive, erneuerungsbereite<br />
Politik. Die demokratische, freie, soziale<br />
und gerechte Gesellschaft bleibt Ziel <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong>. Wir s<strong>in</strong>d die politische Kraft, die die<br />
zukunftsweisenden Ideen hat und den<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Konsens zu stiften vermag.<br />
2. Integrierte Kommunikationspolitik für<br />
Arbeitsplätze und Innovationen<br />
Deutschland und Europa fallen im globalen<br />
Wettbewerb auf den Zukunftsfel<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />
immer weiter zurück. Auf den entscheidenden<br />
Sektoren <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationsund<br />
kommunikationstechnischen Industrie,<br />
auf den Märkten für Software und Hardware<br />
und bei Mediendiensten und -<strong>in</strong>halten,<br />
die weltweit vermarktet werden, verlieren<br />
europäische Unternehmen gegenüber<br />
ihren Wettbewerbern <strong>in</strong> den USA und <strong>in</strong><br />
Asien an Boden.<br />
Was not tut, ist e<strong>in</strong>e mittel- und langfristige<br />
<strong>in</strong>dustriepolitische Strategie <strong>in</strong><br />
Deutschland und <strong>in</strong> Europa, mit <strong>der</strong> wir<br />
die Position unserer Unternehmen auf den<br />
globalen Märkten <strong>der</strong> Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />
festigen und<br />
ausbauen. Wir müssen optimale Bed<strong>in</strong>gungen<br />
dafür schaffen, daû die europäische<br />
IuK-Industrie verlorenen Boden zurückgew<strong>in</strong>nt<br />
und <strong>in</strong> <strong>der</strong> globalen Konkurrenz wie<strong>der</strong><br />
Spitzenpositionen e<strong>in</strong>nimmt. Unser
Ziel ist es, möglichst viele attraktive,<br />
zukunftssichere Arbeitsplätze von morgen<br />
zu schaffen und die Informationsgesellschaft<br />
auch auf <strong>der</strong> Produktionsseite erfolgreich<br />
zu gestalten. Deshalb müssen wir die<br />
Voraussetzungen dafür verbessern, daû<br />
Europa im globalen Innovationswettlauf<br />
wie<strong>der</strong> Vorreiterpositionen besetzt.<br />
Notwendig ist deshalb e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftsanstrengung<br />
von Staat, Wirtschaft und<br />
Gewerkschaften <strong>in</strong> Deutschland und<br />
Europa mit dem Ziel, die Anwendung und<br />
Nutzung <strong>der</strong> neuen Informations- und<br />
Kommunikationstechnologien <strong>in</strong> Dienstleistungen<br />
und Unternehmen voranzubr<strong>in</strong>gen.<br />
Deshalb wollen wir<br />
± unsere Forschungsanstrengungen konzentrieren,<br />
± e<strong>in</strong>e Qualifizierungsoffensive starten,<br />
± unsere <strong>in</strong>dustriellen Ressourcen bündeln,<br />
± und die nationalen Politiken harmonisieren.<br />
Medien- und Telekommunikationspolitik<br />
muû heute von e<strong>in</strong>em ganzheitlichen<br />
Ansatz aus erfolgen. Die Politik hat bis<br />
heute ke<strong>in</strong>e ausreichende Antwort auf den<br />
globalen Trend des technologischen<br />
Zusammenwachsens <strong>der</strong> Medien, <strong>der</strong> sog.<br />
Konvergenz, gefunden.<br />
Unsere Antwort lautet:<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte Kommunikationspolitik.<br />
Medien- und Telekommunikationspolitik<br />
muû als e<strong>in</strong>e Querschnittsaufgabe<br />
<strong>der</strong> Wirtschafts-, Technologie-,<br />
Wissenschafts-, Bildungs-, Gesellschafts-,<br />
Kultur- und Ordnungspolitik begriffen und<br />
strukturiert werden. Das bedeutet auch:<br />
Überw<strong>in</strong>dung von Ressortpartikularismus<br />
und Bündelung von Zuständigkeiten, Integration<br />
statt bloûer Addition von ressortspezifischen<br />
Politikansätzen, Konzertation<br />
von Politikansätzen <strong>in</strong> Europa auf regionaler,<br />
nationaler und EU-Ebene.<br />
Die Län<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Bund haben e<strong>in</strong>en<br />
komplexen Ordnungsrahmen für die<br />
Medien- und Telekommunikationswirtschaft<br />
geschaffen. Wir benötigen dr<strong>in</strong>gend<br />
neue Strukturen, <strong>in</strong> denen zwischen den<br />
Län<strong>der</strong>n, dem Bund und <strong>der</strong> EU e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche<br />
Koord<strong>in</strong>ation und enge<br />
Abstimmung medien- und telekommunikationspolitischer<br />
Aktionen und Initiativen<br />
stattf<strong>in</strong>den kann. Es ist zum<strong>in</strong>dest notwendig,<br />
daû Län<strong>der</strong> und Bund e<strong>in</strong>en ¹Kommunikationsratª<br />
etablieren, <strong>der</strong> sich mit allen<br />
Fragen befaût, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e Vernetzung<br />
zwischen Län<strong>der</strong>n und Bund, Landesmedienanstalten<br />
und Regulierungsbehörde<br />
s<strong>in</strong>nvoll und geboten ist. Dieser ¹Kommunikationsratª<br />
muû mit festen Strukturen<br />
und nach geregelten Verfahren arbeiten.<br />
Se<strong>in</strong>e Arbeit sollte nach Ablauf von drei<br />
Jahren evaluiert werden. In diesen ¹Kommunikationsratª<br />
sollen Vertreter aller<br />
gesellschaftlich relevanten Gruppen e<strong>in</strong>bezogen<br />
werden. Dieser ¹Kommunikationsratª<br />
könnte zugleich die Aufgabe wahrnehmen,<br />
e<strong>in</strong>e Vernetzung zwischen <strong>der</strong><br />
Medien- und Telekommunikationspolitik <strong>in</strong><br />
Deutschland und <strong>der</strong> EU sicherzustellen.<br />
Die erfor<strong>der</strong>liche Koord<strong>in</strong>ation au EU-<br />
Ebene könnte e<strong>in</strong> ¹Kooperationsratª übernehmen,<br />
<strong>der</strong> aus unabhängigen, sachkundigen<br />
Persönlichkeiten bestehen sollte, die<br />
von den Mitgliedslän<strong>der</strong>n entsandt werden<br />
und vor allem für Transparenz sorgen sollen.<br />
Integrierte Kommunikationspolitik ± das<br />
muû aber auch bedeuten: ganzheitliche<br />
Zielperspektive. Es geht darum, verschiedene<br />
Ziele <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen und <strong>in</strong><br />
sich schlüssigen Politikkonzept zu verzahnen.<br />
Integrierte Kommunikationspolitik<br />
muû<br />
± die Marktdynamik entfachen, Marktwettbewerb<br />
stimulieren, Marktöffnung för<strong>der</strong>n,<br />
± die Verbreitung von Innovationen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wirtschaft beschleunigen, Kreativität<br />
und Qualitätswettbewerb anregen,<br />
± die Bed<strong>in</strong>gungen zur Aneignung von<br />
Medienkompetenz für alle Bevölkerungsgruppen<br />
optimieren,<br />
± e<strong>in</strong>e möglichst groûe Vielfalt auch an<br />
nicht-kommerziellen Medienaktivitäten<br />
ermöglichen,<br />
271
± die Anb<strong>in</strong>dung ländlicher Raume, öffentlicher<br />
Institutionen und benachteiligter<br />
Bevölkerungsgruppen an die Möglichkeiten<br />
und Chancen <strong>der</strong> Multimedia-Evolution<br />
för<strong>der</strong>n,<br />
± und e<strong>in</strong>en breiten Dialog über die<br />
Zukunft <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
organisieren.<br />
All diese Ziele können und müssen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em stimmigen Politikansatz <strong>in</strong>tegriert<br />
und umgesetzt werden.<br />
3. Chancengleichheit im Informationszeitalter<br />
sichern<br />
Die aktive Teilhabe <strong>der</strong> Bürger an öffentlichen<br />
Belangen ist e<strong>in</strong> Leitbild <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> für<br />
die Informationsgesellschaft und Verfassungsauftrag<br />
zugleich. Ob e<strong>in</strong> Mehr an<br />
Informationen auch e<strong>in</strong> Mehr an Nutzen<br />
für viele bedeutet, wird nicht alle<strong>in</strong> über<br />
den Markt geregelt, son<strong>der</strong>n auch durch<br />
gestaltende Politik. E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten<br />
Aufgaben vorausschauen<strong>der</strong> Politik besteht<br />
dar<strong>in</strong>, <strong>in</strong> den nächsten Jahren e<strong>in</strong>e Informations<strong>in</strong>frastruktur<br />
zu schaffen, die offen<br />
für den Zugang aller Bürger ist und die<br />
Chancengleichheit verwirklicht.<br />
Mit <strong>der</strong> weitgehenden Liberalisierung des<br />
Telekommunikationsmarktes wurde die<br />
Voraussetzung dafür geschaffen, daû sich<br />
die Telekommunikations<strong>in</strong>frastruktur durch<br />
Wettbewerb weiterentwickeln kann, <strong>in</strong>dem<br />
alle Anbieter e<strong>in</strong>em permanenten Mo<strong>der</strong>nisierungsdruck<br />
unterworfen und e<strong>in</strong>em produktiven<br />
Kosten- und Kreativitätsdruck<br />
ausgesetzt s<strong>in</strong>d. Jetzt müssen die übrigen<br />
<strong>in</strong>frastrukturellen Voraussetzungen für die<br />
rasche Verbreitung mo<strong>der</strong>ner Informations-<br />
und Kommunikationstechniken<br />
geschaffen werden. Für die Zukunft muû<br />
die flächendeckende und bezahlbare Versorgung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung mit mo<strong>der</strong>ner<br />
Telekommunikationstechnik gesichert werden.<br />
Dazu bedarf es u.a. e<strong>in</strong>es leistungsfähigen<br />
Universaldienstes. Damit ke<strong>in</strong>e<br />
f<strong>in</strong>anzielle Ausgrenzung verschiedener<br />
Bevölkerungsgruppen erfolgt, müssen<br />
wichtige Informationsangebote kostengünstig<br />
zugänglich se<strong>in</strong>.<br />
272<br />
Neben <strong>der</strong> Versorgung von Schulen, Hochschulen<br />
und E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />
muû e<strong>in</strong>e Vielzahl öffentlicher<br />
Zugangsstellen z.B. <strong>in</strong> Bibliotheken und<br />
Bürgerhäusern e<strong>in</strong>gerichtet werden, damit<br />
alle Bürger die Möglichkeiten <strong>in</strong>teraktiver<br />
Medien nutzen können. Hierzu gehört<br />
auch die Bereitstellung solcher Angebote,<br />
die über den sich entwickelnden kommerziellen<br />
Informationsmarkt nicht ref<strong>in</strong>anziert<br />
werden können, aber von groûer<br />
gesellschaftlicher Bedeutung s<strong>in</strong>d (Archive,<br />
Dokumentationen, Verzeichnisse etc.).<br />
Beson<strong>der</strong>e Bedeutung kommt künftig den<br />
Bibliotheken zu. Zusammen mit den Hochschulen<br />
muû es zu ihrer Aufgabe gehören,<br />
die ¹<strong>in</strong>formationelle Kont<strong>in</strong>uitätª <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gesellschaft zu gewährleisten. Zur Erreichung<br />
dieser Ziele sollen freiwillige Vere<strong>in</strong>barungen<br />
angestrebt werden. Erfor<strong>der</strong>lich<br />
ist, zügig e<strong>in</strong>en ¹Runden Tischª e<strong>in</strong>zurichten,<br />
an dem mit Vertretern aus Politik,<br />
Telekommunikationsunternehmen und Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
über solche Vere<strong>in</strong>barungen<br />
(¹Bildungstarifª) gesprochen wird.<br />
Um e<strong>in</strong>en neuen öffentlichen Raum zu<br />
schaffen, <strong>in</strong> dem alle Informationen frei<br />
flieûen, die für die aktive demokratische<br />
Teilhabe <strong>der</strong> Bürger wichtig s<strong>in</strong>d, muû sich<br />
das Recht auf Grundversorgung mit Informationen<br />
zu e<strong>in</strong>em ¹Grundrecht auf Informationª<br />
wandeln, das sich auf die ganze<br />
Palette <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationellen Grundversorgung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
erstreckt.<br />
4. Arbeit und Sozialstaat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
mo<strong>der</strong>n, wettbewerbsfähig<br />
und sicher gestalten<br />
Informations- und Wissensarbeit werden<br />
nach und nach zur wichtigsten Erwerbsquelle.<br />
Bis Mitte des nächsten Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
wird voraussichtlich auf vier von fünf<br />
Arbeitsplätzen Informationsarbeit stattf<strong>in</strong>den.<br />
Bereits heute erleben wir dramatische<br />
Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Organisation:<br />
Verkle<strong>in</strong>erung und Verschlankung<br />
von Unternehmen, Abbau von Hierarchien,<br />
verstärkte Gruppenarbeit, Konzentration<br />
auf Kernkompetenzen, Auslagerung von<br />
Funktionen und Aufbau von Netzwerken
mit Zulieferbetrieben. In den Unternehmen<br />
selbst bilden sich kle<strong>in</strong>ere, auf Dauer<br />
beschäftigte und hochqualifizierte Kernbelegschaften<br />
heraus, die <strong>in</strong> Gröûe und<br />
Zusammensetzung variieren. Personalbestand<br />
und Kosten werden <strong>in</strong> Zukunft flexibler<br />
an die schwankende Nachfrage angepaût<br />
werden. Diese e<strong>in</strong>schneidenden<br />
strukturellen Verän<strong>der</strong>ungen und die<br />
Anwendung von Informations- und Kommunikationstechniken<br />
werden das <strong>in</strong>dustriegesellschaftlich<br />
geprägte Beschäftigungssystem<br />
und damit auch die hierauf<br />
fuûenden sozialen Sicherungssysteme <strong>in</strong><br />
Deutschland nachhaltig bee<strong>in</strong>flussen und<br />
verän<strong>der</strong>n. Wie <strong>in</strong> kaum e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />
Bereich wächst die Notwendigkeit des<br />
Zusammenwirkens von Staat, Wirtschaft<br />
und Gewerkschaften, damit die kreativen<br />
und <strong>in</strong>novativen Potentiale <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
entfaltet und zugleich<br />
soziale Verwerfungen vermieden werden<br />
können.<br />
Ob <strong>der</strong> Übergang <strong>in</strong> die Informationsgesellschaft<br />
gesamtwirtschaftlich mehr<br />
Arbeitsplätze br<strong>in</strong>gen wird, vermag gegenwärtig<br />
niemand seriöserweise vorherzusagen.<br />
Gegenwärtig werden die Informationstechnologien<br />
vorwiegend zur<br />
Rationalisierung e<strong>in</strong>gesetzt. Sie wirken als<br />
Prozeû<strong>in</strong>novationen mit produktivitätssteigernden<br />
Resultaten und führen deshalb<br />
tendenziell zu e<strong>in</strong>er Verr<strong>in</strong>gerung des<br />
nachgefragten Arbeitsvolumens. Um ihre<br />
kostensenkenden Effekte wirksam werden<br />
zu lassen, müssen wir die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die Informations- und Kommunikationstechnologienbeschäftigungsfreundlicher<br />
gestalten, <strong>in</strong> dem wir neue<br />
Märkte schaffen, die Attraktivität <strong>in</strong>formationstechnologischer<br />
Arbeit weiter steigern<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die <strong>in</strong>formationstechnische<br />
Qualifikation und Kompetenz <strong>der</strong><br />
Beschäftigten ständig verbessern. Dazu<br />
gehört auch die För<strong>der</strong>ung und Entwicklung<br />
neuer Berufsbil<strong>der</strong>.<br />
Jede Industriegesellschaft, die die <strong>in</strong>formationstechnologische<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung versäumt<br />
o<strong>der</strong> beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, wird nicht nur ihr<br />
<strong>der</strong>zeitiges Beschäftigungsniveau nicht<br />
halten können, son<strong>der</strong>n sie wird darüber<br />
h<strong>in</strong>aus enorme Arbeitsplatzverluste h<strong>in</strong>nehmen<br />
müssen. Das gilt für Volkswirtschaften<br />
ebenso wie für e<strong>in</strong>zelne Unternehmen<br />
und Branchen. Denn die<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>in</strong>formationstechnologisch<br />
gestützter Innovationen ist gleichbedeutend<br />
mit e<strong>in</strong>em Verlust an Wettbewerbsfähigkeit<br />
und e<strong>in</strong>em Rückgang beschäftigungswirksamen<br />
Wachstums.<br />
Erwerbsarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
wird zu e<strong>in</strong>em groûen Teil selbständige<br />
Arbeit se<strong>in</strong>. Bis zum Jahr 2010 wird<br />
sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Selbständigen voraussichtlich<br />
verdoppeln. Sozialdemokraten<br />
wollen selbständige Arbeit als immer wichtiger<br />
werdende Erwerbsquelle för<strong>der</strong>n. Wir<br />
wollen dazu beitragen, e<strong>in</strong> gesellschaftliches<br />
Bewuûtse<strong>in</strong> zu erzeugen, das <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
beruflichen Selbständigkeit zuerst die<br />
Chance und nicht das Risiko erblickt.<br />
Unsere Gesellschaft braucht e<strong>in</strong>e neue Aufgeschlossenheit<br />
für <strong>in</strong>dividuellen Mut zu<br />
<strong>in</strong>dividuellem Risiko. Deshalb unterstützen<br />
Sozialdemokraten die neue Selbständigkeit,<br />
die aus <strong>der</strong> Telearbeit erwächst. Dazu<br />
gehört auch die soziale Absicherung freier<br />
beruflicher Existenzen <strong>in</strong> Zeiten <strong>der</strong> Unterauslastung<br />
und Hilfen beim Start <strong>in</strong> die<br />
Selbständigkeit. Neue Selbständigkeit<br />
me<strong>in</strong>t aber nicht die bloûe Umwidmung<br />
klassischer Arbeitnehmertätigkeiten <strong>in</strong><br />
weitgehend ungeschützte (sche<strong>in</strong>-)selbständige<br />
Arbeitsverhältnisse. Diese verursachen<br />
bei den Sozialversicherungen jährliche E<strong>in</strong>nahmeausfälle<br />
<strong>in</strong> Milliardenhöhe. Zu e<strong>in</strong>er<br />
konsequenten Bekämpfung sche<strong>in</strong>selbständiger<br />
Beschäftigungsformen gehört auch<br />
die Neudef<strong>in</strong>ition des Arbeitnehmer- und<br />
Unternehmensbegriffs, damit die Schutzwirkung<br />
des Arbeitsrechts nicht unterlaufen<br />
werden kann.<br />
Der allmähliche Wandel vom klassischen<br />
Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis zu<br />
e<strong>in</strong>er Auftraggeber-Auftragnehmerbeziehung<br />
und die absehbaren, immer<br />
wie<strong>der</strong>kehrenden Unterbrechungen <strong>der</strong><br />
Erwerbsbiographien etwa durch Weiterbildungsphasen<br />
setzen die sozialen Sicherungssysteme<br />
unter Druck. Mit dem<br />
zunehmenden Gewicht ¹neuer Selbständigerª<br />
schw<strong>in</strong>det die Zahl <strong>der</strong> Beitragszahler.<br />
273
Arbeit und Wertschöpfung drohen sich<br />
immer mehr dem Zugriff unseres Steuerund<br />
Abgabensystems zu entziehen. Notwendig<br />
ist daher e<strong>in</strong>e Reform des Sozialstaats,<br />
die diese neuen Entwicklungen<br />
berücksichtigt.<br />
Wir werden das Chancenpotential <strong>der</strong><br />
Telearbeit und <strong>der</strong> Telekooperation nur<br />
dann optimal ausschöpfen können, wenn<br />
wir e<strong>in</strong>en vielschichtigen politischen<br />
Gestaltungsansatz verfolgen.<br />
Dabei gilt es,<br />
± die Verbreitung neuer Multimedia-Techniken<br />
<strong>in</strong> Unternehmen zu för<strong>der</strong>n,<br />
± zu den verschiedenen Typen <strong>der</strong> Telearbeit<br />
Pilotprojekte zu <strong>in</strong>itiieren,<br />
± Lösungen für arbeits- und tarifrechtliche<br />
Probleme und für Probleme des Arbeitsund<br />
Datenschutzes zu erarbeiten,<br />
± Gesichtspunkte <strong>der</strong> Raumordnung, des<br />
Verhältnisses von Stadt und Land und<br />
<strong>der</strong> Verkehrspolitik e<strong>in</strong>zubeziehen,<br />
± Maûnahmen zur Qualifizierung von<br />
Telearbeitnehmern zu ergreifen und<br />
± soziale Probleme <strong>der</strong> Telearbeit so weit<br />
wie möglich zu m<strong>in</strong>imieren.<br />
Das Problem <strong>in</strong> Deutschland ist nicht, daû<br />
wir zu viele Telearbeitsplätze hätten. Wir<br />
haben zuwenig. Im <strong>in</strong>ternationalen Vergleich<br />
rangiert Deutschland auf diesem<br />
Zukunftsfeld weit h<strong>in</strong>ten. Deshalb werden<br />
wir Sozialdemokraten Telearbeit för<strong>der</strong>n.<br />
Die Bereitschaft <strong>der</strong> Arbeitnehmer darf<br />
dabei aber nicht durch Verschlechterungen<br />
ihres sozialen und rechtlichen Status und<br />
die Gefährdung ihrer gewerkschaftlichen<br />
und betrieblichen Vertretungsorgane aufs<br />
Spiel gesetzt werden. Das Ziel sozialdemokratischer<br />
Politik besteht dar<strong>in</strong>, Telearbeitnehmer<br />
arbeits- und sozialrechtlich abzusichern.<br />
Die Ausweitung von Telearbeit darf<br />
auch nicht dazu führen, daû <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Frauen <strong>der</strong> Zugang zu gewünschter auûerhäusiger<br />
Erwerbstätigkeit erschwert wird.<br />
Durch alternierende Teleheimarbeit soll<br />
<strong>der</strong> Kontakt zu den Betrieben erhalten<br />
bleiben.<br />
274<br />
Es ist e<strong>in</strong>e orig<strong>in</strong>äre Aufgabe sozialdemokratischer<br />
Politik, Mo<strong>der</strong>nisierungshemmnisse<br />
zu beseitigen und dabei darauf h<strong>in</strong>zuwirken,<br />
daû Arbeitnehmerrechte<br />
weiterentwickelt werden und die Leistungsfähigkeit<br />
<strong>der</strong> sozialen Sicherung erhalten<br />
bleibt. Ohne die Formulierung sozialer<br />
und arbeitsrechtlicher M<strong>in</strong>deststandards,<br />
die Anpassung bestehen<strong>der</strong>, gesetzlicher<br />
und tarifvertraglicher Regelungen und e<strong>in</strong>e<br />
anhaltende Abschätzung <strong>der</strong> sozialen und<br />
arbeitsmarktpolitischen Folgen werden die<br />
strukturellen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />
zu gravierenden Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>in</strong><br />
unserem Sozial- und Beschäftigungssystem<br />
führen. Die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für<br />
Arbeit und Mitbestimmung <strong>in</strong> ¹virtuellen<br />
Unternehmenª müssen auch gesetzlich<br />
def<strong>in</strong>iert werden. Wir brauchen e<strong>in</strong>en<br />
Rechtsrahmen für Telearbeit. Mit <strong>der</strong><br />
Erleichterung betrieblicher Arbeitsund<br />
Kommunikationsprozesse muû e<strong>in</strong>e<br />
adäquate Anpassung <strong>der</strong> Mitbestimmungsrechte<br />
e<strong>in</strong>hergehen.<br />
5. Qualifikation, Bildung und Medienkompetenz<br />
stärken<br />
Bildung ist das zentrale Zukunftsthema<br />
unserer Gesellschaft. Gerade angesichts<br />
anhalten<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit und im<br />
Blick auf die Herausfor<strong>der</strong>ungen an unsere<br />
Volkswirtschaft durch die Globalisierung<br />
müssen die Bereiche Bildung, Aus- und<br />
Fortbildung, Wissenschaft und Forschung<br />
an <strong>der</strong> Spitze <strong>der</strong> vor uns stehenden dr<strong>in</strong>genden<br />
Reformen stehen. Diese Reformen<br />
s<strong>in</strong>d Voraussetzung für Innovationsfähigkeit<br />
und Innovationsgeschw<strong>in</strong>digkeit unserer<br />
Gesellschaft ± beides Schlüsselfaktoren<br />
für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts<br />
Deutschland. Kreativität, Wissen und die<br />
Qualifikation <strong>der</strong> Menschen werden zu<br />
entscheidenden Faktoren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt<br />
<strong>der</strong> zukünftigen Informationsgesellschaft.<br />
Alle Bildungse<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d von den<br />
neuen Entwicklungen unmittelbar betroffen.<br />
Die neuen Informations- und Kommunikationstechniken<br />
eröffnen Wissensangebote,<br />
die vielfältiger und aktueller s<strong>in</strong>d als<br />
die herkömmlichen Bildungsangebote. Um
diese Möglichkeiten auszuschöpfen, s<strong>in</strong>d<br />
auûerordentlich hohe Investitionen erfor<strong>der</strong>lich,<br />
auf die bislang we<strong>der</strong> die Län<strong>der</strong><br />
noch <strong>der</strong> Bund vorbereitet s<strong>in</strong>d. Wir brauchen<br />
deshalb für die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />
Kommunikations<strong>in</strong>frastruktur unseres Bildungs-<br />
und Wissenschaftssystems auch<br />
F<strong>in</strong>anzierungsmodelle <strong>in</strong> ¹öffentlich-privater<br />
Partnerschaftª. E<strong>in</strong>e gute und umfassende<br />
allgeme<strong>in</strong>e Bildung wird beson<strong>der</strong>s<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft von grundlegen<strong>der</strong><br />
Bedeutung se<strong>in</strong>. Spezialwissen<br />
aber wird schneller veralten. Es entsteht<br />
e<strong>in</strong> Bedarf an kont<strong>in</strong>uierlicher Weiterbildung,<br />
an ¹lebenslangem Lernenª. Phasen<br />
<strong>der</strong> Erwerbstätigkeit werden sich mit Phasen<br />
<strong>der</strong> Bildung und <strong>der</strong> Qualifikation<br />
abwechseln.<br />
Im Mittelpunkt <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Bildungs-<br />
und Qualifikationsoffensive steht<br />
die Medienkompetenz, d. h. <strong>der</strong> kompetente<br />
und kritische, kreative und verantwortungsvolle<br />
Umgang mit neuen Medien<br />
und elektronischen Informationen. So wie<br />
wir lesen, schreiben, Text<strong>in</strong>terpretation<br />
usw. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule lernen, so muû auch <strong>der</strong><br />
Umgang mit den audiovisuellen und <strong>in</strong>teraktiven<br />
Medien gelernt werden. Medienkompetenz<br />
me<strong>in</strong>t aber nicht nur den<br />
bewuûten Gebrauch, son<strong>der</strong>n auch das<br />
Wissen über H<strong>in</strong>tergründe, Strukturen,<br />
Gestaltungsformen und mögliche Wirkungen<br />
<strong>der</strong> Medien. Medienpädapogik muû<br />
Fähigkeiten zur s<strong>in</strong>nvollen Nutzung und<br />
kreativen Gestaltung vermitteln als Voraussetzung<br />
dafür, daû mündige Bürger<strong>in</strong>nen<br />
und Bürger durch e<strong>in</strong>en verantwortlichen<br />
Mediengebrauch Qualitätsmaûstäbe bee<strong>in</strong>flussen<br />
und damit zur selbstbestimmten<br />
Gestaltung <strong>der</strong> Medienumwelt beitragen.<br />
Diese Kompetenz wird nicht nur entscheidend<br />
dafür se<strong>in</strong>, daû die Wettbewerbsfähigkeit<br />
unserer Volkswirtschaft erhalten bleibt,<br />
son<strong>der</strong>n auch, daû die Informationsgesellschaft<br />
<strong>der</strong> Zukunft e<strong>in</strong>e demokratische und<br />
soziale Gesellschaft se<strong>in</strong> wird. Gerade<br />
Sozialdemokraten müssen dafür sorgen,<br />
daû <strong>in</strong> diesem Bereich Spielräume für die<br />
Selbstbestimmung und Teilhabe des E<strong>in</strong>zelnen<br />
mit den Grundsätzen von Gerechtigkeit,<br />
Solidarität und Chancengleichheit<br />
verbunden werden.<br />
Vor allem die Beherrschung des Computers<br />
wird immer mehr zur E<strong>in</strong>trittskarte <strong>in</strong> das<br />
Berufsleben. Im Jahr 2000 wird nur noch<br />
etwa e<strong>in</strong> Drittel aller Erwerbstätigen den<br />
Beruf ohne Computerkenntnisse ausüben<br />
können.<br />
Bei <strong>der</strong> Versorgung <strong>der</strong> Schulen mit PCs<br />
h<strong>in</strong>kt Deutschland z.B. den USA deutlich<br />
h<strong>in</strong>terher. Hierzulande werden selbst<br />
grundlegende Computerkenntnisse heute<br />
weniger <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule als zu Hause, d.h. <strong>in</strong><br />
privaten Haushalten, erworben. Diese neue<br />
Form <strong>der</strong> Privatisierung von Ausbildungskosten<br />
führt zu e<strong>in</strong>em neuen Bildungsgefälle.<br />
Es besteht die Gefahr e<strong>in</strong>er Zwei-<br />
Klassen-Informationsgesellschaft. Wir<br />
Sozialdemokraten werden alles <strong>in</strong> unseren<br />
Kräften stehende tun, um e<strong>in</strong>e Spaltung<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Informationselite, die kompetent und aktiv<br />
alle neuen Medien ± zum Beispiel <strong>in</strong>teraktive<br />
und Abrufdienste, Spezialabonnements<br />
± nutzt, e<strong>in</strong>e groûe Bevölkerungsgruppe<br />
gegenübersteht, die sich wegen qualifikatorischer<br />
o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anzieller Barrieren auf passive<br />
Mediennutzung, vor allem den Konsum<br />
von Unterhaltungsprogrammen<br />
beschränkt.<br />
Wenn das öffentliche Bildungssystem,<br />
wenn Schulen und Hochschulen ihrer Aufgabe<br />
auch künftig gerecht werden sollen,<br />
müssen ihre E<strong>in</strong>richtungen mit <strong>der</strong> nötigen<br />
technischen Infrastruktur ausgestattet und<br />
<strong>in</strong> die Strukturen globaler Kommunikation<br />
e<strong>in</strong>gebunden werden. Noch wichtiger aber<br />
ist es, den Lehrenden an allen Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
die entsprechenden fachlichen,<br />
didaktischen und medienpädagogischen<br />
Fähigkeiten zu vermitteln. Der verantwortungsvolle<br />
Umgang mit Medien ist <strong>in</strong> allen<br />
Bildungse<strong>in</strong>richtungen vom Vorschulalter<br />
an zu <strong>in</strong>tegrieren. Projekte, die den kreativen<br />
Gebrauch von Medien mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
und Jugendlichen tra<strong>in</strong>ieren s<strong>in</strong>d zu för<strong>der</strong>n.<br />
Medienkompetenz darf sich nicht im<br />
Erwerb technischer Kenntnisse erschöpfen.<br />
Medienkompetenz bedeutet auch<br />
± die Fähigkeit zum Medien- und Wissensmanagement,<br />
zum zielgerichteten<br />
275
Umgang mit Informationen, um die<br />
Daten- und Informationsflut <strong>in</strong> den Griff<br />
zu bekommen;<br />
± die Fähigkeit zur Kommunikation, zur<br />
Kooperation und zur Teamarbeit;<br />
± die Fähigkeit, die Medienerlebnisse emotional<br />
und sozial verträglich verarbeiten<br />
zu können und die durch die neuen<br />
Technologien verän<strong>der</strong>ten kommunikativen<br />
und sozialen Risiken (z. B. Gefahren<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>zelung) zu bewältigen;<br />
± die Fähigkeit, mit den Medien kreativ<br />
umzugehen (d. h. Medienpädagogik muû<br />
die Fähigkeit zur s<strong>in</strong>nvollen und schöpferischen<br />
Gestaltung vermitteln),<br />
± die Fähigkeit, Funktionen und Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Medien <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft kritisch<br />
zu reflektieren und im H<strong>in</strong>blick auf<br />
gesellschaftliche Folgen und demokratische<br />
Erfor<strong>der</strong>nisse zu beurteilen. Das<br />
umfaût auch das Wissen über H<strong>in</strong>tergründe,<br />
Strukturen, Gestaltungsformen<br />
und mögliche Wirkungen <strong>der</strong> Medien.<br />
Wir müssen lernen, den Wahrheitsgehalt<br />
von Informationen zu h<strong>in</strong>terfragen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
denjenigen bildlicher E<strong>in</strong>drücke,<br />
denen wir bislang häufig e<strong>in</strong>en<br />
Abbildcharakter <strong>der</strong> Realität unterstellten,<br />
± schlieûlich die Fähigkeit, die Medien als<br />
Mittel <strong>der</strong> Artikulation und Durchsetzung<br />
politischer und kultureller Interessen<br />
zu verstehen und selbst o<strong>der</strong> als Mitglied<br />
e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaft zu nutzen.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird e<strong>in</strong>e umfassende ¹Bildungspartnerschaftª<br />
von Bund, Län<strong>der</strong>n,<br />
Geme<strong>in</strong>den, Netzbetreibern, Computerherstellern,<br />
Software-Anbietern u. a. <strong>in</strong>s Leben<br />
rufen, damit <strong>in</strong>nerhalb von 5 Jahren die<br />
deutschen Bildungse<strong>in</strong>richtungen mit <strong>der</strong><br />
erfor<strong>der</strong>lichen Infrastruktur ausgestattet<br />
se<strong>in</strong> werden. Vor allem Schulen, Hochschulen,<br />
berufliche Bildungs-, Ausbildungsund<br />
Fortbildungsstätten, Volkshochschulen,<br />
E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> politischen Bildung, <strong>der</strong><br />
Jugendarbeit und Bibliotheken s<strong>in</strong>d mit<br />
Netzanschlüssen, Computern und <strong>der</strong> notwendigen<br />
Software auszurüsten. Wir s<strong>in</strong>d<br />
<strong>der</strong> Auffassung, daû z.B. die Betreiber von<br />
Telekommunikationsnetzen e<strong>in</strong>en Teil ihrer<br />
276<br />
Übertragungskapazitäten im Rahmen dieser<br />
Bildungspartnerschaft kostenlos zur<br />
Verfügung stellen sollen.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird e<strong>in</strong>e Medienkompetenzoffensive<br />
starten, d. h.<br />
± e<strong>in</strong> umfassendes Qualifizierungs- und<br />
Weiterbildungsprogramm für die Lehrenden<br />
an Universitäten, Hochschulen,<br />
Volkshochschulen, allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />
Schulen und Berufsschulen, Vorschule<strong>in</strong>richtungen<br />
sowie an Ausbildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>in</strong> den Betrieben;<br />
± Medienkunde, d.h. <strong>der</strong> Umgang mit<br />
elektronischen Diensten wie Internet,<br />
Onl<strong>in</strong>e-Dienste und an<strong>der</strong>e Multimedia-<br />
Angebote als <strong>in</strong>tegraler Bestandteil des<br />
Unterrichts <strong>in</strong> allen Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
vom K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten an bis zur<br />
Erwachsenenbildung,<br />
± das Ausschöpfen aller Potentiale von<br />
computergestütztem Lernen und Lehren<br />
(Telelearn<strong>in</strong>g, Teleteach<strong>in</strong>g);<br />
± die For<strong>der</strong>ung von Projekten, die die<br />
bestehenden geschlechts- und generationsspezifischen<br />
Unterschiede <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Nutzung und Akzeptanz <strong>der</strong> neuen<br />
Informations- und Kommunikationstechniken<br />
zu überw<strong>in</strong>den helfen, und die<br />
För<strong>der</strong>ung von nutzerfreundlicher Hardund<br />
Software.<br />
Für diese Medienkompetenzoffensive s<strong>in</strong>d<br />
die Begeisterung <strong>der</strong> jungen Generation<br />
und die hohen Qualifikationen zu nutzen,<br />
die sie vielfach im Umgang mit dem Computer<br />
auûerhalb des Unterrichts entwickelt.<br />
Daraus können neue Motivationspotentiale<br />
des Lernens für alle Altersstufen entwickelt<br />
werden.<br />
Auch Medienanbieter und -veranstalter<br />
selbst s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, ihre Nutzer zum<br />
kompetenten Umgang mit den Medien zu<br />
befähigen und sich an medienpädagogischen<br />
Projekten angemessen zu beteiligen.<br />
Die För<strong>der</strong>ung von Medienkompetenz ist<br />
e<strong>in</strong> Auftrag an alle gesellschaftlichen<br />
Kräfte. Bei <strong>der</strong> berufsbezogenen Weiterbildung<br />
dürfen Arbeitgeber nicht aus ihrer<br />
Pflicht entlassen werden, für e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
mo<strong>der</strong>ne Aus- und Weiterbildung
<strong>der</strong> Beschäftigten beizutragen. Im Bereich<br />
<strong>der</strong> im Zusammenhang mit neuen Medien<br />
entstehenden Berufen ist es notwendig,<br />
e<strong>in</strong>e geregelte Ausbildung zu gewährleisten.<br />
Deshalb müssen neue Berufsbil<strong>der</strong><br />
entwickelt werden. Es ist dabei zu gewährleisten,<br />
daû alle Ausbildungs- und Erwerbsarbeitsplätze<br />
gleichberechtigt von Frauen<br />
und Männern besetzt werden.<br />
Zur Sicherung <strong>der</strong> journalistischen Kompetenz<br />
und berufsethischer Standards for<strong>der</strong>t<br />
die <strong>SPD</strong>, dafür Sorge zu tragen, daû Professionalität<br />
und hohes Ausbildungsniveau<br />
<strong>der</strong> Mitarbeiter <strong>in</strong> Redaktionen, Technik,<br />
Programmplanung und Verwaltung<br />
gewährleistet werden. Darüber h<strong>in</strong>aus halten<br />
wir e<strong>in</strong>e EU-weite Verständigung auf<br />
Grundwerte journalistischer Ethik für<br />
unverzichtbar, um grenzüberschreitend<br />
e<strong>in</strong>en verantwortungsbewuûten Umgang<br />
mit Bild, Ton und Wort zu gewährleisten.<br />
6. Forschung und Entwicklung <strong>in</strong> Deutschland<br />
wie<strong>der</strong>beleben<br />
Der Ausbau e<strong>in</strong>er hochleistungsfähigen<br />
Telekommunikations<strong>in</strong>frastruktur und die<br />
Entwicklung und Nutzung <strong>in</strong>formationsgestützter<br />
Dienstleistungen s<strong>in</strong>d von zentraler<br />
Bedeutung für die <strong>in</strong>ternationale Wettbewerbsfähigkeit<br />
unserer Wirtschaft und die<br />
Zukunft unseres Landes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Informationsgesellschaft.<br />
E<strong>in</strong>e bestmögliche Bereitstellung<br />
und Nutzung des erarbeiteten<br />
Wissens steigert die Qualität von Forschung<br />
und Entwicklung, erleichtert die<br />
<strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit und verbessert<br />
den Transfer <strong>der</strong> Ergebnisse von Wissenschaft<br />
und Forschung für Innovationen<br />
<strong>in</strong> Wirtschaft und Gesellschaft. Wissenschaft<br />
und Forschung s<strong>in</strong>d deshalb <strong>in</strong><br />
beson<strong>der</strong>er Weise auf die Nutzung dieser<br />
Infrastruktur angewiesen. Deshalb muû das<br />
deutsche Forschungsnetz schnell weiter<br />
ausgebaut werden.<br />
Wir dürfen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Forschungspolitik die<br />
Fehler <strong>der</strong> 80er Jahre nicht wie<strong>der</strong>holen,<br />
als die deutsche <strong>in</strong>formationstechnische<br />
Industrie auch wegen unzureichen<strong>der</strong> staatlicher<br />
Unterstützung und fehlen<strong>der</strong><br />
geme<strong>in</strong>samer Strategie den Anschluû auf<br />
wichtigen Fel<strong>der</strong>n verpaûte. Die Kürzung<br />
<strong>der</strong> Bundesmittel für Forschung und Entwicklung<br />
<strong>in</strong> den letzten Jahren hat auch die<br />
Fortentwicklung <strong>der</strong> Informations- und<br />
Kommunikationstechniken <strong>in</strong> Deutschland<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. Mit <strong>der</strong> Orientierung <strong>der</strong> Forschungs-<br />
und Technologiepolitik auf e<strong>in</strong>e<br />
dauerhaft zukunftsverträgliche Entwicklung,<br />
auf Ressourcenschonung und Verr<strong>in</strong>gerung<br />
<strong>der</strong> Belastungen für Mensch und<br />
Umwelt gew<strong>in</strong>nen Innovationen im<br />
Bereich <strong>der</strong> Informations- und Kommunikationstechnologien,<br />
<strong>in</strong>telligente Systemlösungen<br />
und <strong>in</strong>formationsbasierte Dienstleistungen<br />
zusätzliche Bedeutung. Deshalb<br />
müssen sich Politik, Wirtschaft und Wissenschaft<br />
<strong>in</strong> Deutschland und <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU <strong>in</strong><br />
Innovationsallianzen auf die För<strong>der</strong>ung<br />
strategischer Leitprojekte für die Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> technologischen Basis und<br />
die Entwicklung neuer Dienstleistungen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Informationsgesellschaft verständigen.<br />
Der staatlichen Forschungsför<strong>der</strong>ung<br />
kommt dabei beson<strong>der</strong>e Bedeutung für die<br />
För<strong>der</strong>ung langfristig angelegter Basis<strong>in</strong>novationen<br />
(z.B. Quantenelektronik, Neuro<strong>in</strong>formatik,<br />
neue Materialien für die Informationstechnik)<br />
zu.<br />
7. Die Zukunft des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks sichern<br />
In Deutschland brauchen wir neben leistungsfähigen<br />
privaten Medienhäusern und<br />
Rundfunkanbietern e<strong>in</strong>en starken öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk als e<strong>in</strong> gesellschaftlichen<br />
Interessen verpflichtetes Korrektiv.<br />
Programmqualität und unverwechselbares<br />
Profil des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> zukünftigen Informationsgesellschaft<br />
entscheiden darüber, ob er <strong>in</strong> <strong>der</strong> sich verschärfenden<br />
Konkurrenz mit global operierenden<br />
kommerziellen Medienkonzernen<br />
se<strong>in</strong>e Position behaupten kann. Das wird<br />
auf Dauer nur gel<strong>in</strong>gen, wenn er sich nicht<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Verteidigung se<strong>in</strong>er klassischen Formen<br />
und Inhalte erschöpft, son<strong>der</strong>n wenn<br />
er se<strong>in</strong>en Programmauftrag dynamisch auslegt<br />
<strong>in</strong> Richtung auf e<strong>in</strong> Angebot, das für<br />
277
neue Publikums<strong>in</strong>teressen, für neue<br />
Inhalte, Formen und Techniken offen ist.<br />
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat bei<br />
dem Übergang vom dualen Rundfunksystem<br />
zu e<strong>in</strong>er medienpolitisch gefor<strong>der</strong>ten<br />
dualen Informationsordnung e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Funktion. Daher ist se<strong>in</strong>e Existenz und<br />
se<strong>in</strong>e Fortentwicklung zu gewährleisten.<br />
Diese Bestands- und Entwicklungsgarantie<br />
ist auch auf <strong>der</strong> europäischen Ebene abzusichern.<br />
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat<br />
auch künftig im dualen System <strong>der</strong> elektronischen<br />
Kommunikation die unerläûliche<br />
mediale Grundversorgung <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
zu garantieren. Diese Grundversorgung ist<br />
ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destversorgung, die auf Information,<br />
Bildung und Kultur beschränkt ist.<br />
Sie ist vielmehr ± so auch das Bundesverfassungsgericht<br />
± e<strong>in</strong>e Vollversorgung mit<br />
e<strong>in</strong>em umfassenden Angebot an Informationen,<br />
Beratung, Kultur, Bildung, Kunst<br />
und Wissenschaft, aber auch an Unterhaltung<br />
und Sport. Dieses Angebot ist den<br />
Interessen <strong>der</strong> Mehrheit verpflichtet, ohne<br />
aber relevante M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten<strong>in</strong>teressen zu<br />
vernachlässigen.<br />
Die angemessene Form für solche Programmangebote<br />
ist das klassische Vollprogramm,<br />
das <strong>der</strong> Integrationsfunktion des<br />
öffentlich-rechtlichen Rundfunks am<br />
besten entspricht. Gleichwohl ist er nicht<br />
auf Vollprogramme beschränkt. Vielmehr<br />
ist e<strong>in</strong>e Differenzierung des Programmangebots<br />
nach unterschiedlichen Zielgruppen<br />
und Interessenschwerpunkten s<strong>in</strong>nvoll. Die<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen<br />
Spartenprogramme muû auch für die<br />
Zukunft gewährleistet se<strong>in</strong>. Auch Ort,<br />
Bestand und Entwicklung <strong>der</strong> öffentlichrechtlichen<br />
Kulturkanäle müssen gesichert<br />
se<strong>in</strong>. Auûerdem umfaût die Entwicklungsgarantie<br />
für den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunk die Teilhabe am gesamten Multimedia-Bereich.<br />
Beim digitalen Rundfunk<br />
ist <strong>der</strong> chancengleiche, diskrim<strong>in</strong>ierungsfreie<br />
Zugang des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks zu den Netzen, Deco<strong>der</strong>systemen<br />
und elektronischen Programmführern<br />
zu gewährleisten. Werden digitale Programmpakete<br />
zusammengestellt und ver-<br />
278<br />
breitet, müssen auch öffentlich-rechtliche<br />
Programme <strong>in</strong> dem Gesamtpaket enthalten<br />
se<strong>in</strong>, um dem Grundversorgungspr<strong>in</strong>zip zu<br />
entsprechen (must-carry-Lösung).<br />
Damit <strong>der</strong> öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />
im nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb<br />
bestehen kann, soll er flexibel am<br />
Markt agieren, sich an privaten Unternehmen<br />
beteiligen o<strong>der</strong> mit ihnen kooperieren<br />
können. Auch soll er Formen des Privatrechts<br />
nutzen können, ohne daû das zu<br />
e<strong>in</strong>er Verwischung <strong>der</strong> öffentlich-rechtlichen<br />
Programmverantwortung und -identität<br />
führen darf.<br />
An <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en und e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Rundfunkgebühr ist festzuhalten. Regelmäûige<br />
Gebührenanpassungen s<strong>in</strong>d von groûer<br />
Bedeutung. Um die Gebührenf<strong>in</strong>anzierung<br />
zu versachlichen und zu verstetigen,<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>dexgestützte Verfahren <strong>der</strong> Gebührenermittlung<br />
zu entwickeln.<br />
Die zeitgleiche und ungekürzte Übertragung<br />
sportlicher und kultureller Groûereignisse<br />
gehört zum spezifischen Programmauftrag<br />
des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks. Daher dürfen solche Ereignisse<br />
nicht exklusiv im Bezahlfernsehen ausgestrahlt<br />
werden. Auch <strong>in</strong> Deutschland muû<br />
entsprechend <strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU-Fernsehrichtl<strong>in</strong>ie<br />
durchgesetzten Regelung e<strong>in</strong>e nationale<br />
Liste für herausragende Ereignisse erstellt<br />
und durch Staatsvertrag abgesichert werden.<br />
Auch bei sonstigen Sportereignissen<br />
muû <strong>der</strong> Öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />
f<strong>in</strong>anziell <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, beim<br />
Erwerb <strong>der</strong> Übertragungsrechte als Wettbewerber<br />
auftreten zu können.<br />
8. Informations- und Kommunikationstechniken<br />
zur Entlastung <strong>der</strong> Umwelt<br />
nutzen<br />
In Deutschland s<strong>in</strong>d wir bislang ± an<strong>der</strong>s<br />
als <strong>in</strong> den USA ± noch nicht zu e<strong>in</strong>er breiten<br />
Debatte über die ökologischen Dimensionen<br />
<strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
gelangt. Wir stehen vor <strong>der</strong> groûen Herausfor<strong>der</strong>ung,<br />
die vielfältigen und teilweise<br />
wi<strong>der</strong>sprüchlichen Beziehungen zur Ökologie<br />
bewuût wahrzunehmen und die Werk-
zeuge und Methoden <strong>der</strong> IuK-Techniken<br />
im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er ökologisch nachhaltigen<br />
Entwicklung zu nutzen.<br />
Mit fortschreiten<strong>der</strong> Computerisierung<br />
unserer Gesellschaft ergeben sich neue<br />
Umweltprobleme. Abfälle aus <strong>der</strong> Chipproduktion,<br />
Computerschrott, schneller Hardware-Verschleiû.<br />
Diese Umweltprobleme<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihrer Dimension allerd<strong>in</strong>gs nicht<br />
vergleichbar mit jenen die mit früheren<br />
Stufen <strong>der</strong> <strong>in</strong>dustriellen Produktion e<strong>in</strong>hergehen,<br />
wie z.B. alle<strong>in</strong> die Menge des Automobilschrotts<br />
aus <strong>der</strong> Massenmotorisierung<br />
zeigt.<br />
Ökologische Problemstellungen s<strong>in</strong>d aber<br />
vorhanden und werden <strong>in</strong> den nächsten<br />
Jahren e<strong>in</strong>e steigende Bedeutung erlangen.<br />
E<strong>in</strong>e gestaltende Politik muû darauf h<strong>in</strong>arbeiten,<br />
daû diese zusätzlichen Belastungen<br />
(zum Beispiel durch Computerschrott)<br />
m<strong>in</strong>imiert werden. Dies bedeutet<br />
die Steigerung <strong>der</strong> nur sehr marg<strong>in</strong>al vorhandenen<br />
Recycl<strong>in</strong>g-Kapazitäten für Elektronikschrott<br />
und die Umsetzung von<br />
Standards <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationstechnologischen<br />
Industrie, um Systemerneuerungen<br />
umweltverträglicher durchführen zu können,<br />
z.B. modulare Bauweise von IT-<br />
Systemen.<br />
Die IuK-Technologien stellen uns nicht<br />
vor globale Umweltprobleme. Sie spielen<br />
<strong>in</strong>dessen schon heute e<strong>in</strong>e entscheidende<br />
Rolle bei <strong>der</strong> ökologischen Optimierung<br />
von <strong>in</strong>dustriellen Produktionsprozessen.<br />
Durch die Entwicklung und Nutzung <strong>der</strong><br />
neuen Technologien kann e<strong>in</strong>e ökologische<br />
Ausrichtung <strong>der</strong> Industrie stattf<strong>in</strong>den, <strong>in</strong><br />
dem beim Design neuer Produkte die<br />
natürlichen Ressourcen geschont werden,<br />
wenn Rohstoffe und Energie sparsamer<br />
e<strong>in</strong>gesetzt werden können. Mit Hilfe IuKgestützter<br />
Meû- und Analysesysteme wird<br />
e<strong>in</strong>e bessere Umweltdiagnostik und e<strong>in</strong>e<br />
effizientere Umweltpolitik erst möglich.<br />
Ohne die Informations- und Kommunikationstechnik<br />
gäbe es z.B. ke<strong>in</strong>e exakten<br />
Klimamodelle.<br />
Das ökologische Potential <strong>der</strong> Telearbeit<br />
ist von beson<strong>der</strong>er Bedeutung. Wenn Telearbeit<br />
an Umweltgesichtspunkten ausge-<br />
richtet ist, liegt dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Chance zur<br />
Umweltentlastung wenn Fahrten zum<br />
Arbeitsplatz entbehrlich o<strong>der</strong> nicht mehr<br />
an jedem Werktag nötig werden.<br />
Und unter dem Aspekt, daû weltweiter<br />
Informationsaustausch <strong>in</strong> immer kürzeren<br />
Zeiten an Bedeutung gew<strong>in</strong>nt, daû Onl<strong>in</strong>e-<br />
Arbeitsplätze nicht erst Realität von übermorgen<br />
s<strong>in</strong>d, wird klar, daû die weltweite<br />
elektronische Kommunikation grundsätzlich<br />
die ökologisch verträglichste Form von<br />
Informationsaustausch ist.<br />
Die IuK-Technologien führen we<strong>der</strong> im<br />
Selbstlauf zu ger<strong>in</strong>gerer Umweltbelastung,<br />
noch müssen sie zwangsläufig zu höheren<br />
Emissionen und rascherem Ressourcenverbrauch<br />
<strong>der</strong> wachstumsorientierten Wirtschaft<br />
führen. Damit die Entwicklung <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e wünschenswerte Richtung verläuft,<br />
müssen wir e<strong>in</strong>e Öffentlichkeit herstellen,<br />
die sich umweltbewuût <strong>in</strong> die Diskussionen<br />
um die Gestaltung <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
e<strong>in</strong>schaltet.<br />
9. Die Chancen <strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
für mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung<br />
e<strong>in</strong>setzen<br />
Angesichts e<strong>in</strong>er zunehmenden Globalisierung<br />
und Kommerzialisierung wächst die<br />
Bedeutung e<strong>in</strong>er demokratischen Kommunikationskultur.<br />
Wir wollen die demokratische<br />
Teilhabe aller am politischen und<br />
gesellschaftlichen Leben unabhängig von<br />
Staat und Verwaltungszentralen e<strong>in</strong>erseits<br />
und <strong>in</strong>ternational arbeitenden, kommerziellen<br />
Medienkonzernen an<strong>der</strong>erseits ermöglichen.<br />
Künftige För<strong>der</strong>projekte elektronischer<br />
Bürger<strong>in</strong>formation müssen sich auch auf<br />
den kommunalen Anwendungsbereich<br />
erstrecken. Formulare o<strong>der</strong> Vorschriften<br />
z. B. sollten zu Hause per Computer o<strong>der</strong><br />
über öffentliche Term<strong>in</strong>als abgerufen werden<br />
können, um Bürger und Verwaltung<br />
gleichzeitig zu entlasten. Neue Formen <strong>der</strong><br />
Bürgerbeteiligung s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> kommunalen<br />
Planung, etwa bei Bebauungsplänen<br />
zu erproben. So eröffnen die neuen<br />
Medien die Chance, das Verhältnis zwi-<br />
279
schen Verwaltung, Ordnungsbehörden und<br />
Bürgern positiv zu gestalten und Vorurteile<br />
abzubauen. Die papierlose Kommunikation<br />
<strong>in</strong> und mit Verwaltungen soll zum Regelfall<br />
werden.<br />
Hierfür kommen sowohl neue Kommunikationsnetze,<br />
wie das Internet, ¹Mailbox-<br />
Verbündeª und Onl<strong>in</strong>e-Dienste, als auch<br />
klassische Formen des Rundfunks <strong>in</strong><br />
Betracht. Es geht darum, allen Bürgern<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft die Chance zu geben, sich<br />
an <strong>der</strong> Bildung <strong>der</strong> öffentlichen Me<strong>in</strong>ung<br />
zu beteiligen. Es geht darum, bei den<br />
neuen <strong>in</strong>teraktiven Medien die klassische<br />
Trennung zwischen Anbietern und Nutzern<br />
aufzuheben. Um die Me<strong>in</strong>ungsvielfalt zu<br />
sichern, wird die <strong>SPD</strong> offene, <strong>in</strong>teraktive<br />
Netzstrukturen for<strong>der</strong>n. Diese ermöglichen<br />
allen Teilnehmern, Nachrichten, Informationen<br />
und Daten zu empfangen und zu<br />
senden. Wir wollen Modelle ¹elektronischer<br />
Demokratieª nutzen, neue Formen<br />
demokratischer Teilhabe för<strong>der</strong>n und<br />
erproben.<br />
Wir treten für den Bürgerrundfunk als<br />
drittes, eigenständiges Element unserer<br />
elektronischen Medienordnung e<strong>in</strong>. Dieser<br />
Bürgerrundfunk ± d.h. offene Kanäle und<br />
an<strong>der</strong>e Formen zugangsoffenen, geme<strong>in</strong>nützigen<br />
Radios und Fernsehens ± ist wirtschaftlich<br />
und <strong>in</strong>stitutionell dauerhaft abzusichern.<br />
(Bei <strong>der</strong> Umsetzung dieses Beschlusses ist<br />
darauf zu achten, daû das bereits <strong>in</strong> diesem<br />
Bereich tätige Personal ± vornehmlich im<br />
Bereich <strong>der</strong> öffentlichen Verwaltung ± <strong>in</strong><br />
angemessenem Umfang für die Übernahme<br />
neuer Aufgaben qualifiziert wird.)<br />
(Angenommen)<br />
280<br />
Antrag I 160<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Oberhausen-Rhe<strong>in</strong>hausen<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Die <strong>SPD</strong> tritt für e<strong>in</strong>e soziale<br />
und demokratische Gestaltung<br />
<strong>der</strong> Informationsgesellschaft<br />
e<strong>in</strong><br />
I. E<strong>in</strong>e demokratische Medienund<br />
Telekommunikationspolitik<br />
1. Bundesregierung und Län<strong>der</strong> werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, die von <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union gestartete Europäische Informations<strong>in</strong>itiative<br />
so mitzutragen, daû die<br />
Nutzung <strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien<br />
zu sozialen und demokratischen<br />
Zwecken geför<strong>der</strong>t wird. Die kommerziellen<br />
Anbieter alle<strong>in</strong> können dies nicht<br />
leisten. Die Gestaltung e<strong>in</strong>er demokratischen<br />
Informationsgesellschaft kann<br />
nicht dem technischen Fortschritt und<br />
den Kräften des Marktes alle<strong>in</strong> überlassen<br />
bleiben.<br />
2. Bundesregierung und Län<strong>der</strong> werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, die neuen Kommunikationsmedien<br />
<strong>in</strong>stitutionell so zu gestalten,<br />
daû die <strong>in</strong>formationelle Grundversorgung<br />
gesichert und e<strong>in</strong> universaler und<br />
freier Zugang für alle Bürger<strong>in</strong>nnen und<br />
Bürger gewährleistet ist. Dabei müssen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen gesetzt werden,<br />
die e<strong>in</strong> kostengünstiges Angebot för<strong>der</strong>n<br />
bzw. möglich machen.<br />
3. Parlamente, öffentliche Verwaltungen<br />
und Judikative werden aufgefor<strong>der</strong>t, um<br />
ihre Informationspflicht gegenüber den<br />
Bürgern zeitgemäû zu erfüllen, verstärkt<br />
und umfassend die Möglichkeiten <strong>der</strong><br />
neuen Kommunikationsmedien e<strong>in</strong>setzen<br />
und sich untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vernetzen.<br />
Texte, die sich an die Öffentlichkeit<br />
richten, s<strong>in</strong>d den Bürgern kostenlos o<strong>der</strong><br />
gegen ger<strong>in</strong>ges Entgelt elektronisch zur<br />
Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für<br />
öffentliche Datenbanken.<br />
4. Parlamente und öffentliche Verwaltungen<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, die Öffentlichkeit<br />
mittels <strong>der</strong> neuen Kommunikations-
medien über Gesetzesentwürfe und Planungsvorhaben<br />
effektiv zu <strong>in</strong>formieren,<br />
sie zur Diskussion zu stellen und dafür<br />
geeignete elektronische Beteiligungsverfahren<br />
auszuarbeiten.<br />
5. Die von Bundes- und Landesregierung<br />
e<strong>in</strong>gerichteten Beratungsgremien werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t ihre auf ökonomische<br />
und technische Aspekte e<strong>in</strong>geengte Perspektive<br />
öffnen und stärker als bisher<br />
den Gesichtspunkt <strong>der</strong> bürgerfreundlichen<br />
und <strong>in</strong>haltlichen Gestaltung <strong>der</strong><br />
neuen Kommunikationsmedien berücksichtigen.<br />
In die Initiative Informationsgesellschaft<br />
Deutschland (IID) müssen<br />
alle relevanten gesellschaftlichen Gruppen<br />
und Initiativen e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />
6. Vertraulichkeit, Integrität, Zurechenbarkeit<br />
und ± wo nötig ± Anonymität gilt<br />
es auch für elektronische Kommunikation<br />
zu sichern. Verschlüsselungsverfahren<br />
s<strong>in</strong>d zur Bewahrung <strong>der</strong> <strong>in</strong>formationellen<br />
Selbstbestimmung unabd<strong>in</strong>gbar.<br />
Nationales Recht ist ± auf sich alle<strong>in</strong><br />
gestellt ± nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die grenzüberschreitenden,<br />
<strong>in</strong>teraktiven Kommunikationsmedien<br />
zu regeln. Die Politik<br />
ist daher aufgefor<strong>der</strong>t, an Ausbau und<br />
Verbesserung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen rechtlichen<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen mitzuwirken,<br />
die den Schutz, die Freiheit und<br />
die Sicherung <strong>der</strong> Informationsbeschaffung<br />
und Kommunikationsbeziehungen<br />
garantieren. Internationale Konventionen<br />
und bessere technische Selbstschutzmöglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Nutzer <strong>der</strong><br />
neuen Kommunikationsmedien öffnen<br />
den Weg zu e<strong>in</strong>er mehrseitigen Sicherheit.<br />
7. Maûnahmen zum Kampf gegen die<br />
organisierte Krim<strong>in</strong>alität, zum Jugendschutz<br />
o<strong>der</strong> zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des Miûbrauchs<br />
<strong>der</strong> Datennetze müssen die<br />
Eigenheiten <strong>der</strong> dezentralen und <strong>in</strong>teraktiven<br />
Kommunikationstechnologien<br />
berücksichtigen und dürfen die verfassungsrechtlich<br />
garantierte Me<strong>in</strong>ungsund<br />
Informationsfreiheit nicht untergraben<br />
o<strong>der</strong> aushöhlen.<br />
8. Die neuen Kommunikationsmedien<br />
müssen als Mittel zur Sicherung und<br />
Revitalisierung des Rechtsstaates e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden. Gesetze, die sich mit dem<br />
Anspruch auf Befolgung an die Öffentlichkeit<br />
richten, und wichtige Urteile,<br />
die Gerichte ,Im Namen des Volkes<br />
verkünden, sollen <strong>in</strong> geeigneter Form<br />
(als ¹Lesetexte für den Bürgerª) kostenfrei<br />
über die neuen Kommunikationsmedien<br />
zugänglich gemacht werden.<br />
9. Die Bundesregierung und die Län<strong>der</strong><br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, für alle genannten<br />
Bereiche Pilotprojekte zu <strong>in</strong>itiieren und<br />
beispielhafte Netzwerke zu för<strong>der</strong>n.<br />
II. E<strong>in</strong>e neue Bildungs- und Kulturpolitik<br />
1. Die Wissenschafts- und Kultusm<strong>in</strong>ister<br />
des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
Bildung und Ausbildung für<br />
und durch die neuen Medien zur nationalen<br />
Priorität zu erheben und die entsprechenden<br />
europäischen Initiativen<br />
verstärkt aufzugreifen. Das Bildungssystem<br />
muû <strong>in</strong> die Lage versetzt werden,<br />
junge Menschen auf die Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Informationsgesellschaft vorzubereiten<br />
und ihnen den s<strong>in</strong>nvollen<br />
Umgang mit den neuen Kommunikationsmedien<br />
zu ermöglichen. Es muû<br />
auch Umschulungs- und Fortbildungsmöglichkeiten<br />
für Berufstätige und<br />
Beschäftigungslose bereitstellen, die<br />
durch die technologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
an den Rand gedrängt werden.<br />
2. Die Wissenschafts- und Kulturm<strong>in</strong>ister<br />
des Bundes und <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
die bedarfsgerechte Ausstattung<br />
von Schulen, Volkshochschulen,<br />
Universitäten und E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong><br />
Aus- und Weiterbildung mit <strong>in</strong>ternetfähigen<br />
Computern zügig voranzutreiben<br />
und allen Bildungs<strong>in</strong>stitutionen unbeschränkten<br />
und kostenfreien Zugang<br />
zum Internet zur Verfügung zustellen.<br />
3. Im Rahmen e<strong>in</strong>es zeitgemäûen Universaldienstes<br />
sollen Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
Rat- und Bürgerhäuser, kommunale<br />
Netzwerke und Netzwerke von Selbsthilfegruppen<br />
mit öffentlichen Term<strong>in</strong>als<br />
ausgestattet werden, <strong>in</strong> denen Bürger<strong>in</strong>nen<br />
und Bürger, die nicht im Besitz<br />
281
282<br />
<strong>der</strong> notwendigen technischen Ausstattung<br />
s<strong>in</strong>d, freien und kostengünstigen<br />
Zugang zu den neuen Kommunikationsmedien<br />
erhalten.<br />
4. Es sollen, wie von <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission gefor<strong>der</strong>t und <strong>in</strong> den Vere<strong>in</strong>igten<br />
Staaten bereits erprobt, <strong>in</strong><br />
Zusammenarbeit mit den Technologieanbietem<br />
Netz-Tage als Pilotprojekte<br />
gestartet werden, die alle gesellschaftlichen<br />
Gruppen mit den Potentialen <strong>der</strong><br />
neuen Kommunikationsmedien vertraut<br />
machen. Dabei s<strong>in</strong>d sozial schwache<br />
Gruppen und M<strong>in</strong><strong>der</strong>heiten beson<strong>der</strong>s<br />
zu för<strong>der</strong>n.<br />
5. Öffentliche und private Bibliotheken<br />
sollen über das bestehende Maû h<strong>in</strong>aus<br />
zügig digitalisiert und mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> vernetzt<br />
werden. Audiovisuelle Medien,<br />
<strong>in</strong>dividuelle Archive und öffentliche<br />
Datenbanken sollen schrittweise zu<br />
e<strong>in</strong>er globalen, ortsungebundenen elektronischen<br />
Bibliothek zusammenwachsen.<br />
Die Deutsche Bibliothek soll als<br />
elektronische Depot- und Archiv<strong>in</strong>stanz<br />
ausgestaltet werden. Die Servicefunktion<br />
<strong>der</strong> Universitäten bei <strong>der</strong> Informationssuche<br />
im weltweiten Netzwerk soll ausgebaut<br />
werden.<br />
6. Die neuen Kommunikationsmedien sollen<br />
als Mittel genutzt werden, das nationale<br />
und europäische Kulturerbe dauerhaft<br />
zu bewahren und für alle<br />
zugänglich zu machen. Ziel ist die E<strong>in</strong>richtung<br />
e<strong>in</strong>es ortsungebundenen elektronischen<br />
Museums, das die erhöhte<br />
Speicher- und Archivierungskapazität<br />
<strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien für<br />
die Digitalisierung <strong>der</strong> Bestände nutzt<br />
und für <strong>in</strong>formationelle Kont<strong>in</strong>uität<br />
sorgt.<br />
7. Die Wissenschaften und die E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>der</strong> politischen Bildung s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
die Möglichkeiten <strong>der</strong> neuen<br />
Kommunikationsmedien zu nutzen, um<br />
die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung<br />
allen Interessierten kostengünstig<br />
zugänglich zu machen. Zugleich<br />
müssen sie Reflexions<strong>in</strong>stanzen se<strong>in</strong>, um<br />
die Informationsgesellschaft ¹<strong>in</strong>telligenterª<br />
zu machen und s<strong>in</strong>nvolle Ordnungsstrukturen<br />
dar<strong>in</strong> zu schaffen.<br />
III. E<strong>in</strong>e bürgernahe Politik<br />
1. Bundestag und Landtage sowie kommunale<br />
Parlamente werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich verstärkt an die neuen Kommunikationsmedien<br />
anzuschlieûen und sich<br />
aktiv für den Dialog mit den Bürgern,<br />
sozialen Bewegungen und Interessengruppen<br />
zu öffnen, die zu Recht e<strong>in</strong>e<br />
bürgernahe Politik for<strong>der</strong>n.<br />
2. Die <strong>SPD</strong> muû mit Hilfe <strong>der</strong> neuen<br />
Kommunikationsmedien die Interaktion<br />
mit Mitglie<strong>der</strong>n und Nicht-Mitglie<strong>der</strong>n<br />
weiter verbessern und sie zu e<strong>in</strong>em<br />
Instrument <strong>in</strong>ner- und auûerparteilicher<br />
Demokratie zu machen.<br />
3. Private Organisationen (Nicht-Regierungs-Organisationen,<br />
public <strong>in</strong>terest<br />
groups), die geme<strong>in</strong>wohlorientierte,<br />
humanitäre und spezielle Interessen vertreten,<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, über die<br />
neuen Kommunikationsmedien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
<strong>in</strong>teraktiven, demokratischen Dialog<br />
e<strong>in</strong>zutreten und sie verantwortlich zu<br />
nutzen.<br />
4. Mit Hilfe <strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien<br />
sollen kommunale, regionale<br />
und überregionale Netzwerke geschaffen<br />
und geför<strong>der</strong>t werden, die Bürger<strong>in</strong>itiativen,<br />
Selbsthilfegruppen, Nachbarschaftskooperativen<br />
und kommunale<br />
Diskussionsforen e<strong>in</strong>schlieûen.<br />
IV. Die Selbsthilfeorganisation und Selbstkontrolle<br />
<strong>der</strong> Nutzer <strong>der</strong> Neuen<br />
Medien<br />
1. Die Benutzer <strong>der</strong> neuen Kommunikationsmedien<br />
müssen ihren Beitrag dazu<br />
leisten, schwere Verstöûe gegen Regeln<br />
gegenseitigen Respekts, <strong>der</strong> Toleranz<br />
und <strong>der</strong> Menschenwürde zu sanktionieren<br />
und die Selbstkontrolle des elektronischen<br />
Verkehrs (¹netiquetteª) zu<br />
e<strong>in</strong>em echten Gewohnheitsrecht des<br />
elektronischen Zeitalters weiterzuent-
wickeln. Dies ist von e<strong>in</strong>er sozialdemokratisch<br />
geführten Bundesregierung zu<br />
unterstützen.<br />
2. Die <strong>SPD</strong> muû sich verstärkt <strong>in</strong> die Diskussion<br />
um die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
e<strong>in</strong>er Kommunikationsordnung <strong>der</strong><br />
Zukunft e<strong>in</strong>schalten und das öffentliche<br />
Interesse an <strong>in</strong>formationeller Grundversorgung<br />
und Universaldiensten vertreten.<br />
3. Die <strong>SPD</strong>- muû Pilot-Projekte zur Ausgestaltung<br />
<strong>der</strong> politischen Kommunikation<br />
auf lokaler, nationaler, europäischer<br />
und globaler Ebene ausarbeiten, die <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Anfangsphase mit öffentlichen Mitteln<br />
zu för<strong>der</strong>n s<strong>in</strong>d, wobei Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die Mobilisierung privaten<br />
Kapitals (Bildungspartnerschaft etc.)<br />
zu verbessern s<strong>in</strong>d.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag I 162<br />
Landesverband Bayern<br />
Telearbeitsplätze<br />
Sozialdemokratische Frauen standen seit<br />
jeher auf <strong>der</strong> Seite des Fortschritts. In diesem<br />
S<strong>in</strong>ne ist die AsF technisch-wissenschaftlicher<br />
Entwicklung aufgeschlossen,<br />
sofern diese zum Wohl <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
<strong>der</strong> Familie, <strong>der</strong> Frauen beiträgt. Diese<br />
unsere Grunde<strong>in</strong>stellung gilt auch gegenüber<br />
neuen Entwicklungen <strong>der</strong> EDV, wie<br />
den häuslichen Telearbeitsplätzen, als <strong>der</strong>en<br />
Folge bisherige Büroarbeitsplätze verloren<br />
gehen werden. Dies ist nur dann wi<strong>der</strong>spruchslos<br />
h<strong>in</strong>zunehmen, wenn die Möglichkeit,<br />
zu Hause zu arbeiten, auch den<br />
Beschäftigten Vorteile br<strong>in</strong>gt.<br />
Bestrebungen, <strong>der</strong>artige neue Arbeitsformen,<br />
die hohe Qualifikation erfor<strong>der</strong>n, als<br />
billige Heimarbeit betreiben zu lassen,<br />
würden auf unseren entschiedenen Wi<strong>der</strong>stand<br />
stoûen.<br />
Die Entwicklung im Bereich Telearbeitsplätze<br />
<strong>in</strong> Form von Heimarbeit betrifft<br />
überwiegend Frauen und Mädchen. Die<br />
Möglichkeit, damit Familie, K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />
Beruf ¹unter e<strong>in</strong>en Hut zu br<strong>in</strong>genª, birgt<br />
Chancen, wie z. B. ke<strong>in</strong>e berufliche Ausfallzeit,<br />
aber auch Gefahren, z.B. Unternehmensrisikoverlagerung<br />
auf die Arbeitnehmer<strong>in</strong>,<br />
Kosten des Unternehmens werden<br />
privatisiert, fehlende K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungsplätze<br />
müssen auch nicht geschaffen werden,<br />
psychische und physische Überbelastung<br />
durch gleichzeitige Berufstätigkeit<br />
und Familienbetreuung, ke<strong>in</strong>e soziale Absicherung<br />
für das Alter, Verdrängung von<br />
Frauen aus dem öffentlichen beruflichen<br />
Leben.<br />
Telearbeitsplätze verän<strong>der</strong>n die Gesellschaft,<br />
deshalb for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> alle<br />
politisch, sozial und unternehmerisch<br />
Verantwortlichen auf, dafür Sorge zu tragen,<br />
daû<br />
a) ke<strong>in</strong>e völlige Auslagerung von Telearbeitsplätzen<br />
aus den Unternehmen vorgenommen<br />
wird. Die Möglichkeit<br />
begrenzter Tätigkeit im Betrieb sollte<br />
soziale Vere<strong>in</strong>samung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
b) Telearbeitsplätze <strong>in</strong> Heimarbeit als<br />
sozial abgesicherte Arbeitsplätze unter<br />
F<strong>in</strong>anzierung von Büroräumen und<br />
Arbeitsmitteln geschaffen werden. Häusliche<br />
Telearbeitsplätze müssen qualifiziert<br />
besetzt se<strong>in</strong>; Schnellkurse genügen<br />
nicht. Es ist sicherzustellen, daû Telearbeit<br />
ke<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>arbeit ist.<br />
c) e<strong>in</strong>e Abschaltung <strong>der</strong> Geräte an arbeitsfreien<br />
Tagen wird garantiert. (Ke<strong>in</strong>e<br />
Just-<strong>in</strong>-time-Heimarbeit!)<br />
d) arbeitsmediz<strong>in</strong>ische wissenschaftliche<br />
Begleitung aus physisch-psychischer<br />
Sicht als Voraussetzung für e<strong>in</strong>e Ausweitung<br />
häuslicher Telearbeitsplätze sichergestellt<br />
wird.<br />
e) alle Arbeitszeit-, Arbeitsschutz- und<br />
Tarifvertragsbestimmungen von festen<br />
Arbeitsverhältnissen auch für Telearbeitsplätze<br />
gelten.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
283
Antrag I 163<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen<br />
Persönlichkeitsschutz <strong>in</strong> den<br />
Medien<br />
Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t, Vorschläge<br />
zur Verbesserung des Schutzes des<br />
Persönlichkeitsrechts <strong>in</strong> presserechtlichen<br />
Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen zu erarbeiten. Die<br />
sich entwickelnde Medienlandschaft verlangt<br />
von Journalisten e<strong>in</strong>e immer schnellere<br />
Berichterstattung mit dem Druck zur<br />
Sensationspresse zu Lasten e<strong>in</strong>er ausreichenden<br />
Recherche. Dies hat zur Folge,<br />
daû teilweise leichtfertig durch Vermengung<br />
von Tatsachenbehauptungen und<br />
Werturteilen <strong>in</strong> Persönlichkeitsrechte e<strong>in</strong>gegriffen<br />
wird, ohne daû die Betroffenen<br />
die Möglichkeit haben, sich mit den<br />
bestehenden rechtlichen und presserechtlichen<br />
Mitteln effektiv dagegen zu wehren.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 38<br />
Bestandssicherung des öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunks<br />
Noch hat das Protokoll zum Vertragsentwurf<br />
von Amsterdam zur Bestandssicherung<br />
des öffentlich-rechtlichen Rundfunks<br />
ke<strong>in</strong>e Rechtskraft, da legen EU-Industriepolitik-Kommissar<br />
Mart<strong>in</strong> Bangemann und<br />
<strong>der</strong> Verband Privater Rundfunk- und Telekommunikation<br />
(VPRT) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konzertierten<br />
Aktion die Axt nicht nur ans rechtlich-öffentliche,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> letzter<br />
Konsequenz auch an das etablierte duale<br />
System mit e<strong>in</strong>er Vielzahl von Free-TV-<br />
Angeboten. Das ¹EU-Grünbuch Konvergenzª<br />
zum Bereich <strong>der</strong> Telekommunikation<br />
und <strong>der</strong> Medien- und Informationstechnologie,<br />
das gewiû nicht zufällig zeitgleich<br />
mit dem VPRT-Konzept ¹Medienordnung<br />
2000 plusª auf den Markt kommt, geht <strong>in</strong><br />
unschöner Übere<strong>in</strong>stimmung davon aus,<br />
daû die Digitalisierung nicht nur zu e<strong>in</strong>er ±<br />
284<br />
unbestreitbaren ± technologischen Konvergenz,<br />
son<strong>der</strong>n auch zu e<strong>in</strong>er Konvergenz<br />
<strong>der</strong> Angebote führt, die beson<strong>der</strong>e medienrechtliche<br />
Regelungswerke und damit<br />
Rundfunk als Kulturgut überflüssig macht.<br />
Im Klartext will man sich von seiten <strong>der</strong><br />
kommerziellen Anbieter und ihrer Lobby<br />
<strong>in</strong> Bonn und Brüssel die öffentlich-rechtliche<br />
Konkurrenz zugunsten von bezahlpflichtigen<br />
Abrufdiensten vom Hals halten,<br />
die als re<strong>in</strong>e Wirtschaftsdienste nur noch<br />
Wettbewerbsrecht unterliegen sollen.<br />
Die <strong>SPD</strong> wi<strong>der</strong>setzt sich entschieden allen<br />
Versuchen, das öffentlich-rechtliche System<br />
scheibchenweise zu zerstören, <strong>in</strong>dem die<br />
Angebote sowohl <strong>in</strong>haltlich als auch von<br />
<strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Offerten zunächst auf e<strong>in</strong>e<br />
Nischenfunktion zurückgeschnitten und<br />
dann, wenn man ihnen die Marktfähigkeit<br />
genommen hat, für nicht mehr legitimierbar<br />
erklärt werden. Die VPRT-Beschwerde<br />
gegen die öffentlich-rechtlichen Spartenkanäle<br />
Phönix und K<strong>in</strong><strong>der</strong>kanal ist nur <strong>der</strong><br />
Anfang dieser Strategie.<br />
Die <strong>SPD</strong> bekennt sich zum dualen System<br />
mit e<strong>in</strong>em funktionierenden Wettbewerb<br />
und Chancengleichheit auf dem Markt von<br />
öffentlich-rechtlichen und kommerziellen<br />
Angeboten. Die <strong>SPD</strong> unterstützt e<strong>in</strong>e<br />
ergänzende europäische Medienordnung,<br />
die Me<strong>in</strong>ungsvielfalt und Pluralismus<br />
sichert, die Bestands- und Entwicklungsgarantie<br />
des öffentlich-rechtlichen Systems<br />
nicht antastet und die Regelungskompetenz<br />
<strong>der</strong> EU-Mitgliedslän<strong>der</strong> für Rundfunk als<br />
Kulturfaktor auch <strong>in</strong> neuen Angebotsformen<br />
nicht <strong>in</strong> Frage stellen darf.<br />
Nicht nur für herausragende Sportereignisse,<br />
son<strong>der</strong>n für e<strong>in</strong>e breite Palette von<br />
Information, Bildung und Unterhaltung<br />
gilt: Die Angebotsvielfalt darf nicht dem<br />
Bezahlfernsehen vorbehalten se<strong>in</strong>, sie muû<br />
für alle Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger ohne<br />
zusätzliches Entgelt empfangbar se<strong>in</strong>.<br />
Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t den Vorsitzenden<br />
<strong>der</strong> Sozialdemokratischen Partei Europas<br />
(SPE) und die <strong>SPD</strong> Europa-Abgeordneten<br />
sowie die sozialdemokratischen<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Europäischen Kommission
auf, geeignete Schritte zu ergreifen, um<br />
e<strong>in</strong>e europäische Medienordnung durchzusetzen,<br />
die unseren Grundsätzen entspricht.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 42<br />
¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 159<br />
¹Von <strong>der</strong> Utopie zur Wirklichkeit:<br />
Aufbruch <strong>in</strong> die Informationsgesellschaftª<br />
4. Kapitel, 4. Abs. nach ¹Milliardenhöhe.ª<br />
e<strong>in</strong>fügen:<br />
Entscheidend für e<strong>in</strong>e selbständige Tätigkeit<br />
ist wie, nicht wo, gearbeitet wird. Inso-<br />
fern erfor<strong>der</strong>t selbständige Arbeit e<strong>in</strong>e<br />
eigene Wertschöpfungsstufe und die volle<br />
Partizipation an <strong>der</strong>en Erträgen. Weisungsgebunde<br />
Arbeit, auch Telearbeit, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>in</strong> Abhängigkeit von e<strong>in</strong>em Auftraggeber<br />
kann <strong>in</strong>sofern nicht als selbständige<br />
Arbeit angesehen werden, auch nicht, wenn<br />
sie zu Hause durchgeführt wird. Vielmehr<br />
gehört dieser Bereich zu dem ausufernden<br />
Feld <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>selbständigkeit, das wir entschieden<br />
bekämpfen werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und Bundestagsfraktion)<br />
285
Sozial- und Gesundheitspolitik<br />
Antrag I 167<br />
Landesverband Bayern<br />
Für e<strong>in</strong>e Reform des Sozialstaates<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t alle Glie<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> auf, die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung um die<br />
Zukunft des Sozialstaates und damit um<br />
die zukünftige gesellschaftliche Entwicklung<br />
offensiv zu führen. Dieser Sozialstaat<br />
ist we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Schönwettere<strong>in</strong>richtung<br />
noch ist er vom Himmel gefallen. Er ist<br />
Ergebnis langer und harter Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen<br />
um mehr soziale Gerechtigkeit,<br />
Solidarität und Demokratie <strong>in</strong> Wirtschaft,<br />
Gesellschaft und Staat. Se<strong>in</strong> Ziel ist es,<br />
die grundlegenden Interessen und Ansprüche<br />
<strong>der</strong> Menschen auf humane und nützliche<br />
Arbeit, auf gesundheitsgerechte<br />
Lebensbed<strong>in</strong>gungen, soziale Sicherheit,<br />
angemessene Wohnbed<strong>in</strong>gungen und<br />
gleichberechtigte Teilhabe aller am gesellschaftlichen<br />
Leben zur Geltung zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Es gibt ke<strong>in</strong>en Grund, von diesen<br />
Zielen abzurücken. Ke<strong>in</strong>es dieser Ziele<br />
wird durch die sich selbst überlassenen<br />
Marktkräfte erreicht. Hierzu bedarf es des<br />
gestaltenden E<strong>in</strong>griffs des aktiven Sozialstaates.<br />
Er ist soziales Gegenpr<strong>in</strong>zip und<br />
zugleich politisches Korrektiv zu e<strong>in</strong>er<br />
kapitalistischen Marktwirtschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
sich die gesellschaftliche Entwicklung<br />
nach den Zwängen privater Kapitalverwertung,<br />
wirtschaftlicher Konkurrenzpr<strong>in</strong>zipien<br />
und gesellschaftlicher Privilegien<br />
weniger ausrichtet.<br />
Deshalb zählt es zu den zentralen Aufgaben<br />
für die Sozialdemokratie, <strong>der</strong> unter dem<br />
Dach <strong>der</strong> Standortdiskussion gefor<strong>der</strong>ten<br />
Rückführung sozialpolitischer Regulierungen<br />
und <strong>der</strong> Privatisierung gesellschaftlicher<br />
Risiken entgegenzutreten.<br />
286<br />
Massenarbeitslosigkeit bekämpfen ±<br />
Arbeitnehmerrechte stärken<br />
Zentrales Problem unserer Gesellschaft ist<br />
die ständig steigende Massenarbeitslosigkeit.<br />
Sie ist nicht nur die Hauptursache für<br />
die F<strong>in</strong>anzierungsprobleme <strong>der</strong> Sozialversicherungen<br />
und <strong>der</strong> desolaten Lage aller<br />
öffentlichen Haushalte. Sie gefährdet langfristig<br />
auch das demokratische Zusammenleben<br />
<strong>in</strong> unserer Gesellschaft.<br />
Deshalb bedarf es e<strong>in</strong>er Wirtschafts-,<br />
Haushalts- und Steuerpolitik, die die<br />
Nachfrage <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />
Arbeitnehmer, <strong>der</strong> Techniker und Ingenieure,<br />
<strong>der</strong> Handwerker und des <strong>in</strong>novativen<br />
Mittelstands verbessert und die <strong>in</strong>vestive<br />
Kraft <strong>der</strong> Städte und Geme<strong>in</strong>den<br />
wie<strong>der</strong>herstellt.<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt deshalb auf e<strong>in</strong>e Reform<br />
unseres Steuersystems, die auf Seriosität<br />
und Verläûlichkeit setzt. Steuern s<strong>in</strong>d und<br />
bleiben die Haupte<strong>in</strong>nahmequelle für die<br />
öffentlichen Haushalte. Da sich auch heute<br />
nur die wirklich Reichen e<strong>in</strong>en armen Staat<br />
leisten können, darf e<strong>in</strong>e Steuerreform die<br />
f<strong>in</strong>anziellen und damit politischen Handlungsmöglichkeiten<br />
des Staates nicht weiter<br />
bee<strong>in</strong>trächtigen. Dies heiût nicht, daû e<strong>in</strong>e<br />
Steuerreform nicht nötig ist. Im Gegenteil:<br />
Die Bundesrepublik entwickelt sich zunehmend<br />
zu e<strong>in</strong>em Lohnsteuerstaat. Deshalb<br />
muû e<strong>in</strong>e sozialdemokratische Steuerreform<br />
darauf abzielen, <strong>der</strong> zunehmenden<br />
Schieflage <strong>der</strong> Verteilung von E<strong>in</strong>kommen<br />
und Vermögen gegenzusteuern, die Massene<strong>in</strong>kommen<br />
und damit die brachliegende<br />
B<strong>in</strong>nennachfrage zu stabilisieren und<br />
Anreize für e<strong>in</strong>e ökologische Mo<strong>der</strong>nisierung<br />
unserer Industriegesellschaft zu<br />
geben.<br />
Die Belastung von Rentnern und Arbeitslosen,<br />
von Schichtarbeitern und Pendlern zur<br />
F<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>er solchen Steuerreform,
eson<strong>der</strong>s zur weiteren Entlastung von<br />
E<strong>in</strong>kommens- und Vermögensmillionären,<br />
ist von <strong>der</strong> Sozialdemokratie zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
± Mit e<strong>in</strong>em kreditf<strong>in</strong>anzierten öffentlichen<br />
Beschäftigungsprogramm auf <strong>der</strong> Basis<br />
des Vorschlags <strong>der</strong> Landesgruppe <strong>der</strong><br />
Bayern-<strong>SPD</strong> im Deutschen Bundestag<br />
müssen kurzfristig Investitionen <strong>in</strong> den<br />
Kommunen, Landkreisen und Län<strong>der</strong>n<br />
geför<strong>der</strong>t und damit neue Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden. Bei <strong>der</strong> Vergabe<br />
öffentlicher Aufträge ist die E<strong>in</strong>haltung<br />
von Tariftreueerklärungen vorzuschreiben<br />
und streng zu kontrollieren.<br />
± Die Tarifparteien werden ermutigt, die<br />
<strong>in</strong>dividuelle Arbeitszeit weiter zu verkürzen<br />
und damit Arbeit breiter zu verteilen.<br />
Die gesetzlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
im Arbeitsrecht sowie bei den<br />
Sozialgesetzen müssen so gestaltet werden,<br />
daû die verschiedenen Modelle <strong>der</strong><br />
Arbeitszeitverkürzung (Überstundenabbau,<br />
Teilzeitarbeit, Verkürzung <strong>der</strong><br />
Lebensarbeitszeit, etc.) entsprechend den<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer und <strong>der</strong>: Betriebe flexibel,<br />
wirtschaftlich handhabbar und<br />
sozial verträglich umgesetzt werden können.<br />
Wir wollen die Arbeitnehmerrechte stärken.<br />
Nur gleichberechtigte Partner <strong>in</strong><br />
Wirtschaft und Gesellschaft können die<br />
Produktivkräfte zum Nutzen aller <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gesellschaft ausschöpfen. Deshalb werden<br />
wir den Abbau von Arbeitnehmerrechten<br />
rückgängig machen und sie <strong>in</strong> Teilen neu<br />
gestalten.<br />
± Dazu gehört die Wie<strong>der</strong>herstellung des<br />
Kündigungsschutzes und die Korrektur<br />
des Streikparagraphen 116 AFG ebenso<br />
wie e<strong>in</strong>e tariffeste Regelung des Entsendegesetzes.<br />
± Dazu gehört die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />
Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle<br />
ebenso wie die des Schlechtwettergeldes.<br />
± Das Betriebsverfassungs- und Bundespersonalvertretungsgesetz<br />
s<strong>in</strong>d so fortzuentwickeln,<br />
daû sie den Erfor<strong>der</strong>nissen <strong>der</strong><br />
mo<strong>der</strong>nen Arbeitswelt und den gewachsenen<br />
Bedürfnissen und Notwendigkeiten<br />
konkreter Mitbestimmung <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Rechnung<br />
tragen und die betrieblichen Interessenvertretungen<br />
gestärkt werden. Der<br />
Arbeitnehmerbegriff ist umfassend neu<br />
zu regeln. Allen Plänen, Tarifverträge<br />
durch Betriebsvere<strong>in</strong>barungen unterlaufen<br />
zu können, erteilen wir e<strong>in</strong>e Absage.<br />
Tarifpolitik ist Angelegenheit <strong>der</strong> Tarifvertragsparteien.<br />
Dies muû auch künftig<br />
so bleiben! Wir Sozialdemokraten wollen,<br />
daû von Arbeitslosigkeit betroffene<br />
Arbeitnehmer auch weiterh<strong>in</strong> die Möglichkeit<br />
zur Arbeitssuche ohne sofortige<br />
Herabstufung und Verarmung haben.<br />
Deshalb s<strong>in</strong>d die solidarisch zu f<strong>in</strong>anzierenden<br />
Leistungen bei Arbeitslosigkeit<br />
so zu bemessen, daû sie dieser Zielsetzung<br />
dienen.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird deshalb das von <strong>der</strong> Bundestagsfraktion<br />
<strong>in</strong> den Bundestag e<strong>in</strong>gebrachte<br />
und von <strong>der</strong> Koalition abgelehnte Arbeitsund<br />
Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetz als vordr<strong>in</strong>gliche<br />
Maûnahme e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-geführten<br />
Regierung zur Bekämpfung <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Langzeitarbeitslosigkeit umsetzen:<br />
Dieses Reformgesetz verschiebt nicht die<br />
Hauptverantwortung für mehr Beschäftigung<br />
von <strong>der</strong> Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anz- zur<br />
Arbeitsmarktpolitik, es erhöht aber die<br />
Effektivität letzterer. Der Vorrang <strong>der</strong> aktiven<br />
Arbeitsmarktpolitik wird dadurch verb<strong>in</strong>dlich<br />
festgeschrieben, ihre Verzahnung<br />
mit <strong>der</strong> regionalen Strukturpolitik wird<br />
ermöglicht. E<strong>in</strong> so reformiertes AFG kann<br />
e<strong>in</strong>en eigenständigen Beitrag zur Reduzierung<br />
<strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit leisten.<br />
Dadurch wird die notwendige Brückenfunktion<br />
<strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik gestärkt.<br />
Soziale Sicherungssysteme reformieren!<br />
Die sozialen Sicherungssysteme haben sich<br />
<strong>in</strong> ihrer 100jährigen Geschichte bewährt<br />
und besitzen nach wie vor e<strong>in</strong>e hohe<br />
Akzeptanz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft. Dies gilt<br />
sowohl für die Renten- wie auch die<br />
gesetzliche Krankenversicherung.<br />
287
± Rentenversicherung<br />
Wir Sozialdemokraten treten auch <strong>in</strong><br />
Zukunft dafür e<strong>in</strong>, daû die Altersrente als<br />
Lohn für Lebensarbeit gezahlt und nicht<br />
als Almosen gewährt wird. Wir wollen, daû<br />
die aus dem aktiven Erwerbsleben Ausgeschiedenen<br />
am Wohlstandszuwachs verb<strong>in</strong>dlich<br />
teilnehmen. Deshalb setzen wir<br />
auch zukünftig auf die Solidarität <strong>der</strong><br />
Beschäftigten. Das von ihnen erwirtschaftete<br />
Sozialprodukt ist die e<strong>in</strong>zige Quelle,<br />
aus <strong>der</strong> die Sozialtransfers f<strong>in</strong>anziert<br />
werden können. Sozialdemokraten halten<br />
deshalb an <strong>der</strong> beitragsf<strong>in</strong>anzierten und<br />
dynamischen Rente fest. Zur Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />
ist ke<strong>in</strong>e Alternative denkbar; sie<br />
trägt dem Umstand Rechnung, daû das<br />
jeweils <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Periode erwirtschaftete<br />
Sozialprodukt e<strong>in</strong>zige Quelle zur F<strong>in</strong>anzierung<br />
von Sozialleistungen darstellt. Zudem<br />
garantiert dieses System, daû die aus dem<br />
Erwerbsleben Ausgeschiedenen am Wohlstandszuwachs<br />
partizipieren. Um dieses<br />
System auch zukünftig zu sichern, s<strong>in</strong>d<br />
Reformen im System notwendig. Vorrangig<br />
dabei ist es, die Rentenversicherung von<br />
versicherungsfremden Leistungen zu entlasten.<br />
Der Griff <strong>in</strong> die Rentenkassen zur<br />
F<strong>in</strong>anzierung von allgeme<strong>in</strong>-gesellschaftlichen<br />
Aufgaben muû verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t und rückgängig<br />
gemacht werden.<br />
Deshalb wollen wir Leistungen <strong>der</strong> Fremdrenten,<br />
des SED-Unrechtbere<strong>in</strong>igungsgesetzes<br />
und Auffüllbeträge für die Ostrenten<br />
aus Bundesmitteln und nicht aus Beiträgen<br />
f<strong>in</strong>anzieren. Bereits dadurch können die<br />
Beitragssätze dauerhaft stabilisiert werden.<br />
Die Kosten e<strong>in</strong>es nach wie vor arbeitsmarktpolitisch<br />
notwendigen Vorruhestandes<br />
s<strong>in</strong>d durch e<strong>in</strong>e an die Kurzarbeitsregelung<br />
angelehnte Form zu f<strong>in</strong>anzieren, wie<br />
dies im Entwurf für e<strong>in</strong> Arbeits- und Strukturför<strong>der</strong>ungsgesetz<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
vorgesehen ist.<br />
Wir wollen die <strong>der</strong>zeit auf über 900 000<br />
geschätzten Sche<strong>in</strong>selbständigen sowie die<br />
ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten <strong>in</strong> die Sozialversicherungspflicht<br />
e<strong>in</strong>beziehen. Auch<br />
dadurch kann die Rentenversicherung ent-<br />
288<br />
lastet und zudem <strong>der</strong> Entsolidarisierung<br />
entgegengewirkt werden.<br />
± Krankenversicherung<br />
Gesundheit darf ke<strong>in</strong>e Frage von E<strong>in</strong>kommen<br />
und Vermögen werden. Voraussetzung<br />
dafür bleibt die solidarische Krankenversicherung.<br />
Nur sie stellt den Zugang aller<br />
Versicherten zu Gesundheitsdienstleistungen<br />
und zur mediz<strong>in</strong>isch notwendigen Versorgung<br />
im Krankheitsfall unabhängig von<br />
<strong>der</strong> jeweiligen <strong>in</strong>dividuellen Leistungsfähigkeit<br />
sicher. Die gesetzliche Krankenversicherung<br />
hat sich als e<strong>in</strong> System erwiesen,<br />
das weltweit ke<strong>in</strong>en Vergleich zu scheuen<br />
braucht.<br />
Ihre Sicherung ist deshalb sowohl sozialpolitisch<br />
wünschenswert als auch ökonomisch<br />
vernünftig. Um die Beitragssätze zu stabilisieren<br />
wollen wir<br />
1. die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Globalbudgets,<br />
2. die Schaffung e<strong>in</strong>er Positivliste,<br />
3. Vorhaltung <strong>der</strong> Apotheken auch von<br />
Importprodukten verb<strong>in</strong>dlich anordnen,<br />
4. die Wirtschaftlichkeitsreserven nutzen.<br />
Alle<strong>in</strong> die Realisierung <strong>der</strong> s<strong>in</strong>nvollen E<strong>in</strong>sparmöglichkeiten<br />
würde zu e<strong>in</strong>er Reduzierung<br />
<strong>der</strong> Ausgaben im Gesundheitswesen<br />
um über 10 % und folglich auch zu e<strong>in</strong>er<br />
Senkung des Beitragssatzes um ca. 1,4 Prozentpunkte<br />
führen.<br />
Zusätzlich kann durch Stärkung des Solidarpr<strong>in</strong>zips<br />
die f<strong>in</strong>anzielle Basis <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />
gestärkt werden. Dies<br />
könnte geschehen durch die Anhebung <strong>der</strong><br />
Versicherungspflicht und Beitragsbemessungsgrenzen<br />
<strong>der</strong> GKV auf das Niveau <strong>der</strong><br />
Rentenversicherung. Geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong><br />
Rücknahme <strong>der</strong> reaktionären Kürzung <strong>der</strong><br />
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und <strong>der</strong><br />
Revision <strong>der</strong> Absenkung <strong>der</strong> Beitragsbemessungsgrundlage<br />
für die GKV-Beiträge<br />
<strong>der</strong> Leistungsempfänger <strong>der</strong> Bundesanstalt<br />
für Arbeit, kann auch dadurch <strong>der</strong> Beitragssatz<br />
um weitere 0,8 Prozentpunkte redu-
ziert werden. Mehr Solidarität ist möglich,<br />
und dies zu weniger Kosten.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 168<br />
Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong><br />
Reform des Sozialstaates ±<br />
Eckpunkte e<strong>in</strong>es<br />
Innovationskonzepts<br />
1. E<strong>in</strong>leitung<br />
Das bisherige Sozialstaatsmodell wird den<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> sozialen Sicherung, des<br />
Arbeitsmarktes und <strong>der</strong> Wettbewerbsfähigkeit<br />
angesichts <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Arbeitswelt und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft nicht<br />
mehr gerecht. Die Voraussetzung für e<strong>in</strong>e<br />
soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit<br />
und im Alter ist die lebenslange, kont<strong>in</strong>uierliche<br />
Vollerwerbstätigkeit. Die auf Normalerwerbstätigkeit<br />
bezogenen sozialen<br />
Sicherungssysteme werden durch Faktoren<br />
wie den demographischen Wandel und des<br />
Standortwettbewerb <strong>in</strong> Frage gestellt, vor<br />
allem aber durch Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Erwerbsarbeit und durch die<br />
Massenarbeitslosigkeit.<br />
Unstete Erwerbsbiographien, Teilzeitarbeit,<br />
befristete und ger<strong>in</strong>gfügige, nicht sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigung ± das<br />
Normalarbeitsverhältnis als Bezugsgröûe<br />
<strong>der</strong> Sozialen Sicherung löst sich auf. Für<br />
viele Frauen, die durch ihre ¹Zuständigkeitª<br />
für Haushaltsführung, K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung<br />
und Pflege ke<strong>in</strong>er kont<strong>in</strong>uierlichen<br />
Erwerbstätigkeit nachgehen können, war<br />
e<strong>in</strong>e eigenständige soziale Sicherung ohneh<strong>in</strong><br />
nie gegeben.<br />
Die Sozialhilfe, als Ausnahmefall konzipiert,<br />
ist zum ständigen Lebensunterhalt<br />
e<strong>in</strong>er wachsenden, sich verfestigenden<br />
Gruppe von Langzeitarbeitslosen, von<br />
Alle<strong>in</strong>erziehenden und Rentnern geworden.<br />
Sie basiert auf e<strong>in</strong>em überkommenen<br />
Familienbild, führt zu zunehmen<strong>der</strong><br />
Intransparenz und Bürokratisierung sowie<br />
zum f<strong>in</strong>anziellen Kollaps <strong>der</strong> Städte und<br />
Geme<strong>in</strong>den ± ohne den Betroffenen ausreichend<br />
helfen zu können.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> nahezu vollständigen<br />
Anrechnung von Erwerbse<strong>in</strong>kommen trägt<br />
das Sozialhilferecht dazu bei, e<strong>in</strong>e<br />
¹Armutsfalleª aufzustellen: Eigen<strong>in</strong>itiative<br />
und <strong>der</strong> langsame Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den<br />
Arbeitsmarkt werden nicht geför<strong>der</strong>t, son<strong>der</strong>n<br />
bestraft.<br />
Es ist e<strong>in</strong>e Aufgabe <strong>der</strong> Sozialdemokratie,<br />
e<strong>in</strong>en öffentlichen Diskurs über e<strong>in</strong>e<br />
Reform des Sozialstaats zu organisieren<br />
und mit eigenen Innovationsvorschlägen<br />
voranzutreiben. Ziel muû es se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en<br />
breiten gesellschaftlichen Konsens mit den<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozial- und Arbeitsmarktpolitik relevanten<br />
Gruppen zu erzielen und die Tarifpartner<br />
(Gewerkschaften und Arbeitgeber)<br />
sowie Wohlfahrtsverbände <strong>in</strong> die Diskussion<br />
und die Entscheidungen e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den.<br />
Bislang f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e öffentliche Diskussion<br />
über geme<strong>in</strong>same Problembewältigungsstrategien<br />
nicht statt. Die Politik <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
privatisiert und <strong>in</strong>dividualisiert<br />
die sozialen Probleme , je<strong>der</strong> und jede<br />
sche<strong>in</strong>t nur noch für sich selbst verantwortlich.<br />
Modelle gegen das Dilemma liegen auch<br />
bei uns auf dem Tisch. Sie wurden <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />
Län<strong>der</strong>n längst umgesetzt und halfen<br />
dort, unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>sgesamt<br />
nur noch ger<strong>in</strong>gfügig wachsenden<br />
Arbeitsvolumens die Arbeitslosigkeit zu<br />
verr<strong>in</strong>gern, die soziale Sicherung zu stabilisieren<br />
und die zentralen Bestandteile des<br />
Sozialstaates zu erhalten sowie sozialpolitische<br />
mit arbeitsmarktpolitischen Maûnahmen<br />
zu verknüpfen.<br />
Die Sicherungssysteme unserer europäischer<br />
Nachbarn, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande,<br />
s<strong>in</strong>d nicht im Maûstab e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s<br />
übertragbar. Aber sie zeigen, daû es auch<br />
im Zeitalter <strong>der</strong> europäischen Integration<br />
und <strong>der</strong> Globalisierung Spielräume für e<strong>in</strong>e<br />
eigenständige Arbeitsmarkt- und Sozialpo-<br />
289
litik gibt. Auch wir haben die Möglichkeit,<br />
wenn wir erprobte Grundpr<strong>in</strong>zipien unserer<br />
Nachbarn mit <strong>der</strong> gebotenen kritischen<br />
Distanz zum Vorbild nehmen, unser<br />
¹soziales Netzª zum ¹Trampol<strong>in</strong>ª umzubauen:<br />
Zu e<strong>in</strong>em ¹Trampol<strong>in</strong>ª <strong>der</strong> aus dem<br />
System <strong>der</strong> Erwerbsarbeit fallende Menschen<br />
<strong>in</strong> Beschäftigung und Eigenverantwortung<br />
zurückfe<strong>der</strong>t.<br />
Auch bei uns würde e<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong><br />
Sicherungssysteme durch e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte,<br />
bedarfsorientierte und erwerbsunabhängige<br />
Grundsicherung, durch die Komb<strong>in</strong>ierbarkeit<br />
von Transferleistungen und<br />
Erwerbse<strong>in</strong>kommen (Transferentzugsgrenze),<br />
durch die Aufstockung niedriger<br />
E<strong>in</strong>kommen und durch die Komb<strong>in</strong>ation<br />
qualifizierungs- und arbeitsmarktpolitischer<br />
Programme (Stellvertretermodell) unter<br />
den verän<strong>der</strong>ten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen nicht<br />
weniger, son<strong>der</strong>n mehr Schutz bieten. Sie<br />
bietet bessere Chancen, <strong>der</strong> ¹Armutsfalleª<br />
zu entkommen.<br />
Die Grundsicherung als ¹Sicherungsmodell<br />
mit Beschäftigungseffektenª würde durch<br />
e<strong>in</strong> ergänzendes Soziale<strong>in</strong>kommen als<br />
¹Beschäftigungsmodell mit Sicherungseffektenª<br />
s<strong>in</strong>nvoll vorbereitet und ± bei E<strong>in</strong>führung<br />
<strong>der</strong> Grundsicherung ± ergänzt.<br />
Die E<strong>in</strong>zelvorschläge zur Reform des<br />
Sozialstaates können unter dem Ziel,<br />
Beschäftigung zu schaffen und zu sichern,<br />
gebündelt werden. Die Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />
sozialen Sicherung hat positive beschäftigungspolitische<br />
Effekte, weil sie Anreize<br />
zur Aufnahme von Erwerbsarbeit setzt. Die<br />
Aufstockung niedriger E<strong>in</strong>kommen durch<br />
Sozialtransfers macht die Beschäftigungsaufnahme<br />
auch dann lohnend, wenn <strong>der</strong><br />
Stundenumfang nicht ausreicht, um die<br />
Existenz zu sichern. Die im <strong>in</strong>ternationalen<br />
Vergleich niedrige Teilzeitquote und die<br />
Flexibilität <strong>der</strong> Arbeitnehmer würde gesteigert,<br />
ohne das <strong>in</strong>dividuelle Risiko zu erhöhen.<br />
E<strong>in</strong>e solche Reform ist auch wirtschaftspolitisch<br />
s<strong>in</strong>nvoll: Statt auf Kosten <strong>der</strong> Arbeit<br />
Arbeitslosigkeit zu f<strong>in</strong>anzieren, würde<br />
Kaufkraft geschaffen. Die am Standort<br />
290<br />
Deutschland gefor<strong>der</strong>te Produktivitätsorientierung<br />
<strong>der</strong> im <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb<br />
stehenden Branchen, die zwangsläufig<br />
zu e<strong>in</strong>em Abbau ger<strong>in</strong>g qualifizierter<br />
Arbeit führt, würde durch neue Beschäftigungsverhältnisse<br />
im Dienstleistungsbereich<br />
sozial verantwortlich und wirtschaftspolitisch<br />
s<strong>in</strong>nvoll flankiert.<br />
2. Nie<strong>der</strong>lande: Beschäftigungserfolge<br />
durch steuerf<strong>in</strong>anzierte Grundsicherung<br />
In den Nie<strong>der</strong>landen ist die Erkenntnis<br />
umgesetzt: Von Menschen, die aus dem<br />
Arbeitsmarkt herausfallen, kann höhere<br />
Flexibilität nur gefor<strong>der</strong>t werden, wenn<br />
man ihnen e<strong>in</strong>e Grundsicherung bietet und<br />
Anreize zur Aufnahme e<strong>in</strong>er Erwerbsarbeit<br />
öffnet. Das nie<strong>der</strong>ländische System aus<br />
steuerf<strong>in</strong>anzierten ¹Volks-ª und beitragsf<strong>in</strong>anzierten<br />
¹Arbeitnehmerversicherungenª<br />
sichert jedem Bürger und je<strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en am M<strong>in</strong>destlohn orientierten Lebensstandard.<br />
Dabei folgt die Logik dem ¹Capucc<strong>in</strong>o-<br />
Pr<strong>in</strong>zipª: Die pauschalierte Grundsicherung<br />
(¹Algemene Bijstandswetª) und die<br />
Volksrente (¹Algemeen Ou<strong>der</strong>domswetª)<br />
bilden ± zusammen mit Ansprüchen auf<br />
H<strong>in</strong>terbliebenenversicherung, K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld,<br />
Invalidenrente und Son<strong>der</strong>leistungen im<br />
Gesundheitsbereich ± e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte<br />
M<strong>in</strong>destversorgung. Durch Erwerbstätigkeit<br />
werden Ansprüche an die beitragsf<strong>in</strong>anzierte<br />
Arbeitslosigkeits- und Arbeitsunfähigkeitsversicherung<br />
und e<strong>in</strong><br />
Krankengeld aufgesattelt. Private Versicherungen<br />
bilden den Kakaopulver auf ¹Kaffeeª<br />
und ¹aufgeschäumter Milchª.<br />
In den Nie<strong>der</strong>landen haben Arbeitslose<br />
und Grundsicherungsempfänger e<strong>in</strong> Recht<br />
auf eigene Erwerbse<strong>in</strong>künfte, ohne sofort<br />
E<strong>in</strong>buûen bei den flankierenden Sozialtransfers<br />
h<strong>in</strong>nehmen zu müssen. Dieses<br />
Recht übernimmt <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen die<br />
Funktion e<strong>in</strong>er Aufstockung niedriger E<strong>in</strong>kommen<br />
aus ger<strong>in</strong>g qualifizierter und<br />
bezahlter Arbeit und Teilzeitarbeit. In<br />
Zusammenhang mit verschärften Zumut-
arkeitsregelungen und forcierter Vermittlungstätigkeit<br />
hat dieses System e<strong>in</strong>en Teilzeit-<br />
und Flexibilitätsboom erlaubt, <strong>der</strong> für<br />
den Groûteil des nie<strong>der</strong>ländischen<br />
¹Beschäftigungswun<strong>der</strong>sª (plus 1,2 Millionen<br />
Arbeitsverhältnisse von 1985 bis 1995)<br />
verantwortlich ist.<br />
Die von <strong>der</strong> Europäischen Union erhobenen<br />
± vergleichbaren ± Daten zeigen, daû<br />
die Nie<strong>der</strong>lande e<strong>in</strong>en deutlichen Rückgang<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosenquote erreicht haben,<br />
während <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik e<strong>in</strong>e deutliche<br />
Zunahme <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit verzeichnet<br />
wurde. Heute beträgt die Arbeitslosenquote<br />
<strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen nach<br />
<strong>in</strong>ternationalen Vergleichsdaten <strong>der</strong> EU<br />
deutlich weniger als 6 Prozent. Mehr als<br />
je<strong>der</strong> Dritte (37,4 Prozent) ist teilzeitbeschäftigt.<br />
Bei den Frauen s<strong>in</strong>d es mit<br />
67,2 Prozent sogar mehr als zwei Drittel.<br />
Das ist die mit Abstand höchste Teilzeitquote<br />
<strong>der</strong> Männer(Deutschland: 2 bis<br />
4 Prozent). Je<strong>der</strong> zweite neu geschaffene<br />
Arbeitsplatz entsteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeitarbeitsbranche.<br />
Wir können von unseren Nachbarn lernen.<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong> soziales Sicherungssystem<br />
± das den Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage befristeter<br />
Beschäftigung o<strong>der</strong> Teilzeitarbeit för<strong>der</strong>t,<br />
± ohne daû die Menschen fürchten müssen,<br />
im Alter und <strong>in</strong> Notlagen unzureichend<br />
abgesichert zu se<strong>in</strong>,<br />
± ohne daû eigene Erwerbsarbeit durch<br />
e<strong>in</strong>e ¹konfiskatorischeª nahezu vollständige<br />
Anrechnung von E<strong>in</strong>kommen auf<br />
Sozialtransfers unattraktiv wird.<br />
± ¾hnlich wie <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen müssen<br />
auch bei uns Arbeitgeber und Gewerkschaften<br />
<strong>in</strong> die geme<strong>in</strong>same Verantwortung<br />
für den Erhalt und Umbau <strong>der</strong><br />
sozialen Sicherungssysteme genommen<br />
werden.<br />
Die <strong>in</strong>stitutionelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung bei<strong>der</strong><br />
Gruppen <strong>in</strong> Entscheidungsprozesse hat bei<br />
unseren Nachbarn verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, daû die mit<br />
den Verän<strong>der</strong>ungen verbundenen Härten<br />
e<strong>in</strong>seitig verteilt wurden und führte zu<br />
e<strong>in</strong>er breiten Zustimmung zu den Reformen.<br />
So konnten groûe Konflikte vermieden<br />
werden, die e<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzung<br />
für den Erfolg <strong>der</strong> Reformen<br />
waren.<br />
H<strong>in</strong>zu kommt, daû <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />
auch die allgeme<strong>in</strong>e Arbeitszeitverkürzung<br />
und die Flexibilisierung <strong>der</strong> Arbeitszeit <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er grundsätzlichen Übere<strong>in</strong>kunft zwischen<br />
Gewerkschaften, Arbeitgebern und<br />
Regierung entschieden wurden. Die Verkürzung<br />
<strong>der</strong> Wochen- und Lebensarbeitszeit<br />
und die Flexibilisierung können so e<strong>in</strong>e<br />
Flankierung <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung des<br />
Sozialstaates darstellen und e<strong>in</strong> Bezug zur<br />
stetigen Schaffung neuer Arbeitsplätze se<strong>in</strong>.<br />
3. Bedarfsorientierte Grundsicherung<br />
für Deutschland: E<strong>in</strong>e soziale, arbeitsmarkt-<br />
und wirtschaftspolitische<br />
Innovation<br />
Die heutigen sozialen Sicherungssysteme <strong>in</strong><br />
Deutschland gehen grundsätzlich von <strong>der</strong><br />
Alternative aus, e<strong>in</strong>en Vollarbeitsplatz zu<br />
haben o<strong>der</strong> arbeitslos zu se<strong>in</strong>. Unter den<br />
Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
wird diese Logik zur ¹Falleª. Auch <strong>in</strong><br />
Deutschland kann durch e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte<br />
bedarfsorientierte Grundsicherung<br />
e<strong>in</strong> erheblicher arbeitsmarktpolitischer<br />
Effekt erzielt werden. Sie muû deshalb die<br />
sozialen Sicherungssysteme ergänzen. Die<br />
beitragsf<strong>in</strong>anzierten Sicherungssysteme,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die solidarische Rentenversicherung,<br />
werden dadurch nicht e<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Die Eckpunkte e<strong>in</strong>er steuerf<strong>in</strong>anzierten<br />
sozialen Grundsicherung s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei<br />
seit 1988 diskutiert worden. Sie liegen <strong>in</strong><br />
verschiedenen Programmentwürfen und<br />
Beschlüssen vor. Wir müssen diese Diskussionen<br />
verbreitern, beschleunigen und vere<strong>in</strong>heitlichen.<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e steuerf<strong>in</strong>anzierte,<br />
bedarfsorientierte Grundsicherung, um die<br />
soziale Absicherung aller <strong>in</strong> Deutschland<br />
lebenden Menschen, die längerfristig o<strong>der</strong><br />
dauerhaft ohne eigenes E<strong>in</strong>kommen leben<br />
müssen, zu garantieren. Wir brauchen e<strong>in</strong>e<br />
291
Grundsicherung mit dem Charakter e<strong>in</strong>es<br />
Rechtsanspruches, um die Transparenz <strong>der</strong><br />
Sozialleistungen zu erhöhen und die Stigmatisierung<br />
im Zusammenhang mit dem<br />
Sozialhilfebezug aufzuheben.<br />
Vor allem brauchen wir e<strong>in</strong>e soziale<br />
Grundsicherung, die es attraktiv werden<br />
läût, Erwerbsarbeit auch dann aufzunehmen,<br />
wenn ihr Umfang weit unter <strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>er Vollzeitstelle liegt. Dazu dürfen<br />
ger<strong>in</strong>ge eigene E<strong>in</strong>kommen nur zu<br />
50 Prozent auf die Sozialtransfers <strong>der</strong><br />
Grundsicherung angerechnet werden. Bei<br />
<strong>der</strong> Anrechnung höherer eigener E<strong>in</strong>kommen<br />
muû gewährleistet se<strong>in</strong>, daû e<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong><br />
Anreiz zur Aufnahme besser<br />
bezahlter Arbeit besteht und daû gleichzeitig<br />
die Grundsicherung f<strong>in</strong>anzierbar<br />
bleibt. Dazu kann es s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, die<br />
Transferleistungen <strong>der</strong> Grundsicherung<br />
nicht an e<strong>in</strong>er festen E<strong>in</strong>kommensgrenze<br />
e<strong>in</strong>zustellen, son<strong>der</strong>n sie mit steigen<strong>der</strong><br />
E<strong>in</strong>kommenshöhe sukzessive herabzusetzen.<br />
Die Steigerung des Erwerbse<strong>in</strong>kommens<br />
lohnt sich dann durchgängig von<br />
<strong>der</strong> ersten Mark an. Wir verb<strong>in</strong>den mit<br />
<strong>der</strong> steuerf<strong>in</strong>anzierten bedarfsorientierten<br />
Grundsicherung e<strong>in</strong>e starke wirtschaftsund<br />
arbeitsmarktpolitische Akzentuierung.<br />
Die Grundsicherung setzt Anreize zu<br />
mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt,<br />
auf <strong>der</strong> Angebots- wie auf <strong>der</strong> Nachfrageseite.<br />
Sie erleichtert die Erschlieûung<br />
neuer Beschäftigungsfel<strong>der</strong>. Sie verbessert<br />
die Voraussetzungen für Selbständigkeit<br />
und Eigen<strong>in</strong>itiative und leistet e<strong>in</strong>en Beitrag<br />
zur Entspannung <strong>der</strong> Situation auf<br />
dem Arbeitsmarkt.<br />
Das seit vielen Jahren diskutierte Modell<br />
e<strong>in</strong>er ¹negativen E<strong>in</strong>kommenssteuerª ist<br />
langfristig gesehen das umfassendste Pr<strong>in</strong>zip<br />
zum Erhalt unserer sozialstaatlichen<br />
Grundlagen. Alle Modelle, die darauf<br />
abzielen, e<strong>in</strong>en schrittweisen Übergang von<br />
Sozialleistungen h<strong>in</strong> zu Erwerbse<strong>in</strong>kommen<br />
f<strong>in</strong>anziell lohnend zu gestalten ± egal<br />
ob Grundsicherung, Kombilohn o<strong>der</strong><br />
¹negative E<strong>in</strong>kommenssteuerª ± haben<br />
e<strong>in</strong>en gesetzlichen M<strong>in</strong>destlohn als Voraussetzung.<br />
292<br />
4. Reformvorschläge für den<br />
Mo<strong>der</strong>nisierungsprozeû<br />
Auf dem Weg zu e<strong>in</strong>er steuerf<strong>in</strong>anzierten<br />
Grundsicherung können kurz- bis mittelfristig<br />
durch vorgezogene Reformen die<br />
Akzeptanz für die Logik <strong>der</strong> Systemreform<br />
erhöht, die Voraussetzungen h<strong>in</strong>sichtlich<br />
e<strong>in</strong>er Flexibilisierung bei den Trägern<br />
geschaffen und die Orientierung des<br />
Sicherungssystem auf die Stärkung von<br />
Eigenverantwortung und Autonomie vorbereitet<br />
werden. Wir benötigen mehr<br />
Phantasie, um e<strong>in</strong>e aktive Arbeitsmarktpolitik<br />
zu erreichen, die den Erwerbslosen<br />
¹neue Brückenª zum Arbeitsmarkt errichtet.<br />
Den Weg <strong>in</strong> die Wie<strong>der</strong>beschäftigung ebnen<br />
Das Beschäftigungsvolumen wenig<br />
produktiver Dienstleistungen wird auf <strong>der</strong><br />
Nachfrageseite durch hohe Arbeitskosten,<br />
auf <strong>der</strong> Angebotsseite durch die im<br />
Vergleich zum ger<strong>in</strong>gen Nettoe<strong>in</strong>kommen<br />
gröûere Attraktivität <strong>der</strong> Sozialtransfers<br />
begrenzt. Für die Empfänger von<br />
Sozialhilfe ist die Aufnahme ger<strong>in</strong>g entlohnter<br />
o<strong>der</strong> Teilzeitarbeit oft weniger<br />
attraktiv als <strong>der</strong> Verbleib <strong>in</strong> <strong>der</strong> Transferleistung.<br />
Durch e<strong>in</strong>e dauerhafte Ausweitung <strong>der</strong><br />
Beschäftigung <strong>in</strong> den b<strong>in</strong>nenabsatz-orientierten<br />
Dienstleistungsbereichen können<br />
Menschen, die sonst zur Langzeitarbeitslosigkeit<br />
verurteilt s<strong>in</strong>d, ihren Platz f<strong>in</strong>den<br />
und ggf. den Weg zurück <strong>in</strong> besser<br />
bezahlte Beschäftigung. Die für die Absicherung<br />
des Existenzm<strong>in</strong>imums e<strong>in</strong>zusetzenden<br />
Mittel müssen <strong>in</strong> höherem Maûe<br />
als bisher statt zur F<strong>in</strong>anzierung von<br />
Arbeitslosigkeit für diese dauerhafte Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Beschäftigung e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden. Statt dessen ist kurzfristig e<strong>in</strong>e<br />
Pauschalierung vieler Sozialhilfe-E<strong>in</strong>malzahlungen<br />
notwendig, was mit e<strong>in</strong>er Erhöhung<br />
<strong>der</strong> Regelsätze e<strong>in</strong>herg<strong>in</strong>ge. Längerfristig<br />
geht jedoch ke<strong>in</strong> Weg an e<strong>in</strong>er<br />
grundlegenden Reform <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er<br />
bedarfsorientierten Grundsicherung vorbei.
Sozialhilfe reformieren ±<br />
Arbeitse<strong>in</strong>kommen nur teilweise<br />
anrechnen<br />
Für Sozialhilfeempfänger bestehen ke<strong>in</strong>e<br />
f<strong>in</strong>anziellen Anreize zur Aufnahme von<br />
Teilzeitbeschäftigungen o<strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gqualifizierten<br />
Tätigkeiten, weil bisher das<br />
gesamte E<strong>in</strong>kommen mit Ausnahme e<strong>in</strong>es<br />
Betrages von etwa 260 DM auf die Sozialhilfe<br />
angerechnet wird. Das ist zu wenig.<br />
E<strong>in</strong> niedriges eigenes E<strong>in</strong>kommen sollte<br />
zur e<strong>in</strong>en Hälfte beim Sozialhilfeempfänger<br />
verbleiben und nur die an<strong>der</strong>e Hälfte<br />
sollte auf die Sozialhilfe angerechnet werden.<br />
Die Etablierung von Beschäftigtengruppen<br />
mit niedrigem E<strong>in</strong>kommen, die dann <strong>der</strong><br />
Staat dauerhaft subventionieren müûte, ist<br />
abzulehnen. Es ist s<strong>in</strong>nvoll, niedrige E<strong>in</strong>kommen<br />
mit Sozialtransfers aufzustocken,<br />
nicht jedoch e<strong>in</strong>e Subventionierung untertariflicher<br />
Bezahlung o<strong>der</strong> eigens hierfür<br />
geschaffener Lohngruppen. Längerfristig<br />
geht ke<strong>in</strong> Weg vorbei an e<strong>in</strong>er grundlegenden<br />
Reform <strong>in</strong> Richtung e<strong>in</strong>er bedarfsorientierten<br />
Grundsicherung vorbei, die<br />
dann den von den Sozialhilfezahlungen<br />
entlasteten Kommunen ihre Handlungsfähigkeit<br />
zurückgibt.<br />
Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
Die Reduktion <strong>der</strong> Sozialbeiträge am<br />
unteren Ende <strong>der</strong> Lohnskala würde<br />
bedeutende Beschäftigungseffekte erzielen.<br />
Von <strong>der</strong> vollständigen Erstattung <strong>der</strong><br />
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge an<br />
e<strong>in</strong>er gesetzlich festzulegenden und tarifpolitisch<br />
abzusichernden Untergrenze ausgehend,<br />
könnte die Senkung über e<strong>in</strong>e<br />
¹För<strong>der</strong>streckeª degressiv zurückgenommen<br />
werden und an e<strong>in</strong>er politisch zu<br />
def<strong>in</strong>ierenden Obergrenze enden. Die<br />
Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
würde <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> bestehenden Tarifstruktur<br />
implementiert werden. Der vom<br />
Arbeitgeber zu zahlende Bruttolohn würde<br />
heruntergefahren, ohne daû des neuer<br />
Niedriglohntarife bedürfte.<br />
Neue Brücken für den Arbeitsmarkt:<br />
Komb<strong>in</strong>ation sozialer Sicherung,<br />
arbeitsmarktpolitischer Instrumente und<br />
Qualifizierung im ¹ Stellvertretermodellª<br />
Die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit, die<br />
für immer mehr Menschen <strong>in</strong> Langzeitarbeitslosigkeit,<br />
De-Qualifizierung und<br />
Unvermittelbarkeit führt, steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
starken Kontrast zum langfristig wachsenden<br />
Bedarf an flexibel, zeitnah und mo<strong>der</strong>n<br />
qualifizierten Arbeitskräften. Aufgrund <strong>der</strong><br />
demographischen Entwicklung wird prognostiziert,<br />
daû schon bald nach <strong>der</strong> Jahrtausendwende<br />
nicht mehr genügend zeitnah<br />
ausgebildete Fachkräfte aus dem<br />
Bildungs- <strong>in</strong> das Beschäftigungssystem e<strong>in</strong>treten.<br />
Die Arbeitsteilung, nach <strong>der</strong> die Wirtschaft<br />
für die Aus- und Weiterbildung ihrer Fachkräfte<br />
sorgt, und die Arbeitsämter für die<br />
Qualifizierung <strong>der</strong> Arbeitslosen, bleibt<br />
s<strong>in</strong>nvoll. Es liegt aber nahe, Weiterbildungszeiten<br />
<strong>der</strong> aktiven Arbeitnehmer zu<br />
nutzen, um Arbeitslose <strong>in</strong> Kontakt mit dem<br />
Arbeitsmarkt zu halten.<br />
Unter Inanspruchnahme dänischer Erfahrungen,<br />
angepaût an deutsche Verhältnisse,<br />
wird folgendes Modell vorgeschlagen: E<strong>in</strong><br />
Arbeitnehmer verläût mit Rückkehrgarantie,<br />
befristet und für e<strong>in</strong>e an den betrieblichen<br />
Notwendigkeiten orientierte Qualifizierungsmaûnahme<br />
für maximal 24 Monate<br />
se<strong>in</strong>en Arbeitsplatz. Das Bildungsziel wird<br />
zwischen den Betriebspartnern abgestimmt.<br />
Die Sicherung des Arbeitnehmers erfolgt<br />
durch e<strong>in</strong> Weiterbildungsentgelt <strong>der</strong> Bundesanstalt<br />
für Arbeit <strong>in</strong> Höhe von 75 Prozent<br />
des letzten Nettoentgeltes, ref<strong>in</strong>anziert<br />
durch E<strong>in</strong>sparungen beim Arbeitslosengeld<br />
und bei den Integrationshilfen. Der Arbeitgeber<br />
stockt den Betrag auf 90 Prozent des<br />
letzten Nettoentgeltes auf. Die Kosten <strong>der</strong><br />
Weiterbildungsmaûnahme trägt die BfA.<br />
Die Absicherung des Arbeitslosen, <strong>der</strong> im<br />
Rahmen e<strong>in</strong>er Wie<strong>der</strong>besetzungskette die<br />
Stelle besetzt, erfolgt durch e<strong>in</strong>e Lohnzahlung<br />
des Arbeitgebers <strong>in</strong> Höhe von 90 Pro-<br />
293
zent des Tarifentgeltes, das für die befristet<br />
geleistete Arbeit maûgeblich ist.<br />
Das Modell ist für den Arbeitgeber und für<br />
die Bundesanstalt für Arbeit weitgehend<br />
kostenneutral. Die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Regelungen<br />
sollte im Rahmen von Tarifverträgen<br />
o<strong>der</strong> arbeitsrechtlichen E<strong>in</strong>zelvere<strong>in</strong>barungen<br />
erfolgen. Die Realisierung setzt<br />
darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e Reform des Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetzes<br />
voraus. Bei Akzeptanz des<br />
Modells würde e<strong>in</strong>e arbeitsmarktentlastende<br />
Wirkung von mehr als 200 000 Stellen<br />
im Jahr möglich.<br />
Neue Brücken für den Arbeitsmarkt:<br />
För<strong>der</strong>ung von Dienstleistungsagenturen<br />
Wir brauchen weitere arbeitsmarktpolitische<br />
Instrumente, die mittel- und kurzfristig<br />
die Transparenz <strong>der</strong> vorhandenen<br />
Sozialtransfers erhöhen, den Übergang aus<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit <strong>in</strong> die Beschäftigung<br />
erleichtern, neue Beschäftigungsfel<strong>der</strong><br />
erschlieûen und die Unternehmen zur<br />
Bereitstellung neuer Arbeitsplätze für<br />
ger<strong>in</strong>ger qualifizierte Menschen anzuregen.<br />
Ziel ist es, durch den Aufbau verb<strong>in</strong>dlicher<br />
Kooperationsstrukturen zwischen privatwirtschaftlichen,<br />
geme<strong>in</strong>nützigen und<br />
öffentlichen Akteuren, sowohl Erwerbsarbeit<br />
zu vermitteln, als auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten<br />
zu entwickeln. E<strong>in</strong>mal<br />
e<strong>in</strong>gespielte Strukturen und die Bündelung<br />
zahlreicher erfor<strong>der</strong>licher Informationen<br />
können e<strong>in</strong>e schnelle und flexible Reaktion<br />
solcher Anlaufstellen garantieren und sich<br />
anbahnende soziale Notlagen im Anfangsstadium<br />
überw<strong>in</strong>den helfen.<br />
E<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolles Instrument s<strong>in</strong>d Dienstleistungsagenturen,<br />
die bereits <strong>in</strong> vielen Kommunen<br />
Erwerbsarbeit im Bereich <strong>der</strong> haushaltsbezogenen<br />
Dienstleistungen<br />
erschlieûen. Sie leisten wertvolle Arbeit bei<br />
<strong>der</strong> Qualifizierung und Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e arbeitsloser Frauen <strong>in</strong><br />
den Arbeitsmarkt. Ihr Angebot stöût aufgrund<br />
hoher Arbeitskosten bislang auf<br />
Grenzen <strong>der</strong> Nachfrage.<br />
294<br />
Dienstleistungsagenturen s<strong>in</strong>d deshalb<br />
grundsätzlich von <strong>der</strong> Mehrwertsteuerpflicht<br />
zu befreien. Die Befreiung sollte<br />
ggf. durch e<strong>in</strong> System <strong>der</strong> Zertifizierung<br />
und e<strong>in</strong> ¹Monitor<strong>in</strong>gª vor Miûbrauch<br />
geschützt werden. Darüber h<strong>in</strong>aus muû die<br />
Absetzbarkeit von Haushaltsdienstleistungen<br />
von <strong>der</strong> Steuer des Arbeitgebers<br />
(¹Dienstmädchenprivilegª) auch bei <strong>der</strong><br />
Beauftragung über Dienstleistungsagenturen<br />
gelten. Dies ist bislang nicht <strong>der</strong> Fall ±<br />
e<strong>in</strong> schweres Handicap für die Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Beschäftigung.<br />
Neue Brücken für den Arbeitsmarkt: För<strong>der</strong>ung<br />
von Beratungs-, Beschäftigungs- und<br />
Qualifizierungsagenturen<br />
Das Modell <strong>der</strong> Dienstleistungsagenturen<br />
muû ausgebaut werden. Beratungs-,<br />
Beschäftigungs- und Qualifizierungsagenturen/-gesellschaften,<br />
wie sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Hansestadt<br />
Lübeck o<strong>der</strong> auch <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landen<br />
(Modell ¹Maatwerkª) arbeiten, s<strong>in</strong>d<br />
grundsätzlich geeignet, Empfängern von<br />
Sozialtransfers maûgeschnei<strong>der</strong>te Möglichkeiten<br />
zum Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt<br />
anzubieten ± nach <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />
Komb<strong>in</strong>ation mit <strong>der</strong> Grundsicherung. Sie<br />
können gleichzeitig als neutrale, ¹diskrim<strong>in</strong>ierungsfreieª<br />
Anlaufstelle für die Beantragung<br />
von Versicherungsleistungen und<br />
Sozialtransfers die Arbeit <strong>der</strong> Arbeits- und<br />
Sozialämter ergänzen.<br />
Spätestens bei Beantragung <strong>der</strong> Sozialhilfe<br />
sollte automatisch e<strong>in</strong>e Vermittlungsbemühung<br />
e<strong>in</strong>setzen, die auf den Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>tritt<br />
<strong>in</strong> den ersten Arbeitsmarkt ± ggf. unter den<br />
Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Lohnsubventionierung ±,<br />
auf die Vermittlung <strong>in</strong> geför<strong>der</strong>te Beschäftigungsverhältnisse(z.<br />
B. ABM) o<strong>der</strong> ggf. <strong>in</strong><br />
Qualifizierungsmaûnahmen zielt. E<strong>in</strong> weiterer<br />
Schwerpunkt wären Beratungen zur<br />
Selbständigkeit und Existenzgründung.<br />
Geme<strong>in</strong>nützige Ausbildungs-, Beschäftigungs-<br />
und Beratungsgesellschaften sollen<br />
den Kontakt zur Wirtschaft verbessern, die<br />
Unternehmen bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung von<br />
neuen Arbeitsplätzen für die Zielgruppen<br />
des Arbeitsmarktes beraten und über die
zur Verfügung stehenden arbeitsmarktpolitischen<br />
Hilfen <strong>in</strong>formieren.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 169<br />
Landesverband Bayern<br />
Zukunft <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />
I. Unser Sozialstaatsverständnis<br />
Für die Sozialdemokraten steht <strong>der</strong> Sozialstaat<br />
nicht zur Disposition. Das von konservativen<br />
und liberalen Politikern ständig<br />
angefachte Gerede um die Grenzen des<br />
Sozialstaats soll von den wirklichen Ursachen<br />
<strong>der</strong> Probleme <strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme<br />
ablenken. Nicht <strong>der</strong> Sozialstaat<br />
ist zu teuer, son<strong>der</strong>n die Massenarbeitslosigkeit<br />
und die Ausweitung prekärer<br />
Beschäftigungsverhältnisse. Diese dramatische<br />
Entwicklung zu stoppen und<br />
gesellschaftliche Verän<strong>der</strong>ungen aufzunehmen,<br />
ist zentrale Aufgabe sozialdemokratischer<br />
Sozialpolitik <strong>in</strong> den kommenden Jahren.<br />
Nicht <strong>der</strong> Abbau sozialer Leistungen,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Umbau des Sozialstaates im<br />
S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten Anfor<strong>der</strong>ungen steht<br />
für uns heute auf <strong>der</strong> Tagesordnung.<br />
1. Sozialdemokratisches Sozialstaatsverständnis<br />
± Sozialstaat ist mehr als nur<br />
Sozialhilfe<br />
Die Sozialdemokraten waren von Beg<strong>in</strong>n<br />
an die treibende Kraft beim Auf- und Ausbau<br />
sozialer Sicherungssysteme. Den e<strong>in</strong>stmals<br />
erreichten Schutz vor Lebensrisiken<br />
wie Alter, Krankheit und Arbeitslosigkeit<br />
werden wir nicht den sche<strong>in</strong>bar mo<strong>der</strong>nen<br />
und flotten Sprüchen neo-konservativer<br />
Standortprotagonisten opfern, die nur darüber<br />
h<strong>in</strong>wegtäuschen sollen, daû die<br />
Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> Deutschland <strong>in</strong><br />
Zukunft für weniger Geld und weniger<br />
Sicherheit mehr als bisher arbeiten sollen.<br />
Wir wehren uns auch gegen die sche<strong>in</strong>bar<br />
wohlme<strong>in</strong>ende Absicht, die soziale Sicherung<br />
auf die ¹wirklich Hilfsbedürftigenª zu<br />
konzentrieren. Die Aufgabe des Sozialstaats<br />
ist nicht darauf beschränkt, nur wirklich<br />
Hilfsbedürftigen im falle akuter Not<br />
Unterstützung zu gewähren. Sozialleistungen<br />
s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Almosen ± soziale Sicherheit<br />
muû <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>nen Industriegesellschaft<br />
für alle und nicht nur für die Armen<br />
da se<strong>in</strong>.<br />
Erst <strong>der</strong> Sozialstaat hat über diverse Transfers<br />
sowie <strong>der</strong> sozialen Regulierung <strong>der</strong><br />
Arbeitsmärkte für breite Bevölkerungsschichten<br />
und <strong>in</strong> bestimmten Lebensphasen<br />
überhaupt erst die Möglichkeit <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen<br />
Lebensgestaltung geschaffen. Er<br />
hat Raum, Zeit und Ressourcen bereitgestellt,<br />
damit nicht nur privilegierte Schichten<br />
ihre geistigen, kulturellen und kommunikativen<br />
Anlagen und Fähigkeiten<br />
ausbilden und entfalten konnten. Unter<br />
den Bed<strong>in</strong>gungen sozial ungeschützter<br />
Arbeit, mangeln<strong>der</strong> sozialer Absicherung<br />
und steigenden Arbeitsdrucks werden die<br />
Lebensperspektiven dagegen e<strong>in</strong>geschnürt<br />
und auf die re<strong>in</strong>e Existenzsicherung<br />
zurückgeworfen. Der Sozialstaat ist somit<br />
weit mehr als e<strong>in</strong>e Umverteilungs<strong>in</strong>stanz.<br />
Erst auf Grundlage solidarischer gesellschaftlicher<br />
Strukturen wird <strong>in</strong>dividuelle<br />
Lebensentfaltung für die breite Bevölkerungsschicht<br />
zu e<strong>in</strong>em Lebens<strong>in</strong>halt. Die<br />
von den Konservativen betriebene Zurückführung<br />
des Sozialstaats setzt dagegen an<br />
die Stelle von sozialer Individualität die<br />
entfesselte Konkurrenz zwischen den Menschen.<br />
Der Wi<strong>der</strong>stand gegen neo-konservativen<br />
Systemumbau ist daher ke<strong>in</strong>eswegs<br />
nur e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satz für die Rechte <strong>der</strong> unmittelbar<br />
Betroffenen, son<strong>der</strong>n zugleich auch<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz für e<strong>in</strong>e freiheitliche und<br />
zugleich solidarische Lebenswelt, <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> sich die Menschen nicht permanent als<br />
Konkurrenten gegenübertreten müssen.<br />
2. Sozialstaat vor neuen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
Der soziale und Wandel stellt den Sozialstaat<br />
vor neue Herausfor<strong>der</strong>ungen. Die<br />
Umbrüche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt und die hohe<br />
Arbeitslosigkeit, die wachsende Armut, <strong>der</strong><br />
demographische Wandel und die gestiegenen<br />
Erwartung von Männern und Frauen<br />
295
an e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barkeit von Beruf mit e<strong>in</strong>em<br />
Zusammenleben mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n müssen im<br />
Umbau <strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme<br />
ihren Nie<strong>der</strong>schlag f<strong>in</strong>den.<br />
Massenarbeitslosigkeit hat sich zu e<strong>in</strong>em<br />
Dauerproblem verfestigt, gleichzeitig verän<strong>der</strong>t<br />
sich mit <strong>der</strong> allmählichen Auflösung<br />
des ¹Normalarbeitsverhältnissesª die<br />
Anfor<strong>der</strong>ung an die Sozialsysteme. So werden<br />
die Voraussetzungen <strong>der</strong> Risikoabsicherung<br />
von Arbeitslosen nicht mehr<br />
erfüllt. Ger<strong>in</strong>gfügig o<strong>der</strong> nur teilweise<br />
Beschäftigungsverhältnisse begründen nur<br />
unzureichende Ansprüche auf spätere Leistungen<br />
aus den Sozialkassen. Die Kompensation<br />
von Lohnsteigerungen durch<br />
Arbeitszeitverkürzung führt <strong>in</strong>folge des<br />
lohnbezogenen Anpassungssystems zu<br />
e<strong>in</strong>em Rückgang des Rentenniveaus. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
Frauen s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong> von Altersarmut<br />
betroffen. Armut wird zu e<strong>in</strong>em verbreiteten<br />
Problem. Die Zahl <strong>der</strong> Personen,<br />
die zwischen 25 und 50 Jahren, die im<br />
Laufe e<strong>in</strong>es Jahres m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal<br />
Sozialhilfe bezogen, hat sich 1987 bis 1990<br />
verdreifacht. 40 % <strong>der</strong> Hilfeempfänger<strong>in</strong>nen<br />
s<strong>in</strong>d jünger als 25 Jahre.<br />
Der Schlüssel zur f<strong>in</strong>anziellen Stabilisierung<br />
<strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme und<br />
zur Senkung <strong>der</strong> Beiträge liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Beschäftigung. Wir brauchen<br />
e<strong>in</strong>e Konsolidierung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Fundamente<br />
<strong>der</strong> sozialen Sicherungssysteme<br />
über e<strong>in</strong>e deutliche Ausweitung <strong>der</strong> Beitragsbemessungs-<br />
und Versicherungspflichtgrenzen.<br />
Auûerdem müssen die<br />
Sozialversicherungssysteme von denjenigen<br />
versicherungsfremden Leistungen entlastet<br />
werden, die nicht zum <strong>in</strong>ternen sozialen<br />
Ausgleich gerechnet werden können.<br />
3. Nach 15 Jahren neo-konservativer<br />
Politik ± die soziale Frage meldet sich<br />
zurück<br />
Mehr als 14 Jahre neo-konservativer<br />
Systemumbau haben deutliche Spuren im<br />
sozialen Gefüge unseres Landes h<strong>in</strong>terlassen.<br />
Von 1980 bis 1990 nahm im alten<br />
Bundesgebiet die Zahl <strong>der</strong> statistisch ausgewiesenen<br />
Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen um<br />
296<br />
75 % auf gut 3,75 Mio. zu. Berücksichtigt<br />
man die dabei vermutete Dunkelziffer von<br />
ca. 30 %, so muû von ca. 5 Mio. Sozialhilfeberechtigten<br />
ausgegangen werden. Inzwischen<br />
werden die Folgen <strong>der</strong> verfehlten<br />
Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik immer<br />
deutlicher, <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong>jenigen, die wegen<br />
Arbeitslosigkeit zu Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen<br />
werden, steigt stetig. Doch die Bundesregierung<br />
reagiert wie bisher: statt die<br />
Ursachen wachsen<strong>der</strong> Armut und Arbeitslosigkeit<br />
anzugehen, bekämpft sie die<br />
Opfer ihrer Politik, <strong>in</strong>dem sie die Leistungen<br />
kürzt.<br />
Dabei kann von e<strong>in</strong>em ¹Ausufern des<br />
Sozialstaatesª nicht die Rede se<strong>in</strong>. Dies<br />
bestätigt die Entwicklung <strong>der</strong> Sozialleistungsquote.<br />
Lag diese im Jahre 1980 noch<br />
bei 33,4 %, betrug sie aufgrund des massiven<br />
Sozialabbaus <strong>der</strong> Kohl-Regierung zehn<br />
Jahre später nur noch 29,5 %. Das bedeutet,<br />
daû die Gesellschaft gemessen an ihrem<br />
produzierten Reichtum im Jahre 1990<br />
ganze 13 % weniger für soziale Belange<br />
aufwandte als noch 1980. Und trotz <strong>der</strong><br />
erheblichen Zunahme von Arbeitslosen,<br />
Rentner<strong>in</strong>nen und Sozialhilfebezieher<strong>in</strong>nen<br />
liegt <strong>der</strong> Anteil des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts,<br />
<strong>der</strong> für ¹Sozialesª ausgegeben wird, noch<br />
deutlich unterhalb <strong>der</strong> Werte von Mitte<br />
<strong>der</strong> 70er und Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre. Der<br />
Anstieg <strong>der</strong> Sozialquote seit 1990 hat auch<br />
nichts mit überborden<strong>der</strong> Anspruchsmentalität<br />
zu tun, son<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong>zig durch<br />
milliardenschwere Transfers nach Ostdeutschland<br />
verursacht. So erreichte die<br />
Sozialleistungsquote 1992 <strong>in</strong> ganz Deutschland<br />
zwar 32,7 %, im Westen machte sie<br />
aber nur 29,4 % aus gegenüber 67,9 % im<br />
Osten. Diese hohen Sozialaufwendungen<br />
für Ostdeutschland waren und s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong><br />
notwendig, um angesichts explodieren<strong>der</strong><br />
Massenarbeitslosigkeit e<strong>in</strong>e breite Verelendung<br />
<strong>der</strong> Bevölkerung dort zu<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
Zurückbleibende E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong> Arbeitnehmer,<br />
Ausweitung <strong>der</strong> prekären Beschäftigungsverhältnisse<br />
und vor allem die Massenarbeitslosigkeit<br />
bilden die eigentlichen<br />
Ursachen für die soziale Spaltung <strong>der</strong><br />
Gesellschaft und die Defizite <strong>in</strong> den öffent-
lichen Etats, nicht die vielfach beschworenen<br />
¹überzogenen Ansprücheª. Die hier<br />
entstehenden Kosten s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> soziale Preis<br />
für e<strong>in</strong>e Wirtschafts-, F<strong>in</strong>anz- und Sozialpolitik,<br />
die durch Umverteilung, Privatisierung<br />
und Deregulierung die Konkurrenzund<br />
Ausgrenzungsmechanismen <strong>der</strong> Marktwirtschaft<br />
för<strong>der</strong>t anstatt auf ihre soziale<br />
Korrektur und die gesellschaftliche Regulierung<br />
des Marktes zu orientieren.<br />
E<strong>in</strong> System, dessen F<strong>in</strong>anzierung an die<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>es Teils <strong>der</strong> Lohnquote<br />
gekoppelt ist, gerät zwangsläufig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Schieflage, wenn Massenarbeitslosigkeit<br />
und Reallohnsenkungen über Jahre h<strong>in</strong>weg<br />
die f<strong>in</strong>anzielle Basis aushöhlen. Wenn sich<br />
die Lohnquote von historischem Tiefstand<br />
zu Tiefstand bewegt, können die sozialen<br />
Sicherungssysteme davon nicht unberührt<br />
bleiben. Die massive Ausweitung <strong>der</strong><br />
sozialversicherungsfreien Beschäftigung<br />
und <strong>der</strong> Sche<strong>in</strong>selbständigkeit wirken weiterh<strong>in</strong><br />
verschärfend für die F<strong>in</strong>anzierbarkeit<br />
des Systems. Die völlig verfehlte F<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>der</strong> deutschen Vere<strong>in</strong>igung und <strong>der</strong><br />
nochmalige Anstieg <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit auf<br />
Rekordhöhe hat das Faû dann endgültig<br />
zum Überlaufen gebracht.<br />
4. Konservatives Sozialstaatsverständnis ±<br />
vom Sozialstaat zum Konkurrenzstaat<br />
Für die Konservativen und Liberalen ist<br />
<strong>der</strong> Sozialstaat nur mehr e<strong>in</strong> lästiges H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis<br />
auf dem Weg zur schrankenlosen<br />
Herrschaft <strong>der</strong> Märkte. Sie haben sich von<br />
dem e<strong>in</strong>stigen allgeme<strong>in</strong>en Konsens, <strong>der</strong><br />
Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben,<br />
verabschiedet. Während früher das Ziel <strong>der</strong><br />
Gleichheit als Motor gesellschaftlichen<br />
Fortschritts galt, sehen die Konservativen<br />
heute <strong>in</strong> <strong>der</strong> Differenz die vorwärtstreibende<br />
Kraft <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />
Egalität gilt ihnen als Schimpfwort.<br />
Die von Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden<br />
formulierte Sozialstaatskritik ist<br />
ke<strong>in</strong>eswegs neu, son<strong>der</strong>n greift auf zentrale<br />
Denkmuster neo-konservativer und ordoliberaler<br />
Sozialstaatskritik zurück. Die Eckpunkte<br />
konservativ-liberaler Sozialpolitik<br />
werden deutlich: Privatisierung und Ver-<br />
marktung sozialer Risiken und Dienste,<br />
E<strong>in</strong>kommensumverteilung zu Lasten <strong>der</strong><br />
abhängig Beschäftigten, schrittweise Rückführung<br />
staatlicher Sozialpolitik und nicht<br />
zuletzt die umfassende Deregulierung <strong>der</strong><br />
Arbeitsbeziehungen markieren die Leitl<strong>in</strong>ien<br />
e<strong>in</strong>es marktradikalen Umbaukonzeptes<br />
des Sozialstaates, das die sozialstaatliche<br />
Verfassung <strong>der</strong> Gesellschaft den Erfor<strong>der</strong>nissen<br />
e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong> kapitalorientierten Mo<strong>der</strong>nisierungsprozesses<br />
anpassen will. Die<br />
Sozialpolitik verliert <strong>in</strong> diesem Konzept<br />
ihre Funktion als gesellschaftlich legitimiertes<br />
soziales Korrektiv <strong>der</strong> Konkurrenz<br />
und Profitgesetze des Marktes. Ihr Ziel<br />
und Zweck werden neu def<strong>in</strong>iert. Nicht <strong>der</strong><br />
problemadäquate Schutz vor sozialen Risiken<br />
und die Korrektur <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommenspolarisierung,<br />
son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Beitrag <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />
zur Konsolidierung <strong>der</strong><br />
Staatsf<strong>in</strong>anzen, zur Reduzierung <strong>der</strong> Personalzusatzkosten<br />
und zur Deregulierung des<br />
Arbeitsrechts- und Tarifsystems avanciert<br />
zum Erfolgskriterium konservativer Sozialpolitik.<br />
Sozialstaat und Sozialpolitik werden<br />
<strong>in</strong> die Logik angebotsorientierter<br />
Wirtschafts- und F<strong>in</strong>anzpolitik <strong>in</strong>tegriert<br />
und erhalten die Aufgaben, Selektions- und<br />
Ausgrenzungsmechanismen des Arbeitsmarktes<br />
zu stützen, anstatt sie auszugleichen<br />
und auf e<strong>in</strong>e präventive Politik <strong>der</strong><br />
Risikovermeidung abzuzielen.<br />
II. Aktives Alter ± Sicheres Alter<br />
Anzahl und gesellschaftliches Gewicht <strong>der</strong><br />
älteren Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger nehmen<br />
zu. E<strong>in</strong> Fünftel <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />
ist im Rentenalter. Diese Menschen<br />
wollen länger aktiv bleiben, sie wollen über<br />
sich und über ihr Leben selbst bestimmen,<br />
sie wollen am öffentlichen Leben <strong>in</strong> Staat<br />
und Gesellschaft teilnehmen, sie wollen<br />
mitentscheiden und mitgestalten.<br />
Die Möglichkeiten <strong>der</strong> älteren Generation,<br />
an gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen<br />
mitzuwirken, s<strong>in</strong>d jedoch noch<br />
immer zu ger<strong>in</strong>g. Ihr Mitspracherecht <strong>in</strong><br />
Kommunen und Staat, <strong>in</strong> gesellschaftlichen<br />
Organisationen und politischen Parteien<br />
muû erweitert und verbessert werden.<br />
297
Gesellschaft und Staat können es sich<br />
immer weniger leisten, Wissen, Erfahrung<br />
und Kompetenz älterer Menschen ungenutzt<br />
zu lassen. Wir brauchen deshalb<br />
überall ± <strong>in</strong> <strong>der</strong> privaten Wirtschaft wie im<br />
staatlichen und öffentlichen Bereich ±<br />
Organisationsformen und Arbeitsmöglichkeiten,<br />
die auf die spezifischen Voraussetzungen<br />
älterer Menschen ausgerichtet s<strong>in</strong>d.<br />
Ehrenamtliches Engagement und Zuverdienstarbeitsplätze<br />
müssen geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Die Arbeitslosigkeit älterer Menschen ist<br />
e<strong>in</strong>e groûe Last für die Gesellschaft, für die<br />
Betroffenen und ihre Familien. Die vorzeitige<br />
Verdrängung älterer Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer muû erschwert<br />
werden, die Wie<strong>der</strong>erlangung von Arbeitsplätzen<br />
durch sie ist gezielt zu för<strong>der</strong>n.<br />
Die Altersarmut, die vor allem Frauen trifft<br />
± die Durchschnittsrenten von Frauen liegen<br />
unter dem Sozialhilfeniveau, muû entschieden<br />
bekämpft werden. Die Augen vor<br />
<strong>der</strong> zunehmenden Armut zu verschlieûen,<br />
wie es die CSU-Staatsregierung getan hat,<br />
löst das Problem nicht.<br />
1. Unsere Ziele<br />
Leitziel sozialdemokratischer Altenpolitik<br />
ist die Möglichkeit zur aktiven Selbstbestimmung<br />
auch im Alter. Das setzt nicht<br />
nur die Erhaltung <strong>der</strong> körperlichen und<br />
geistigen Gesundheit voraus, son<strong>der</strong>n auch<br />
die Sicherung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Eigenständigkeit.<br />
Die Rentenversicherung als f<strong>in</strong>anzielle<br />
Basis <strong>der</strong> älteren Menschen muû wie<strong>der</strong><br />
solide und zukunftssicher f<strong>in</strong>anziert werden.<br />
Die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er bedarfsorientierten<br />
sozialen Grundsicherung mit Beteiligung<br />
des Bundes ist zu prüfen. Sie würde<br />
vielen Rentnern und vor allem Rentner<strong>in</strong>nen<br />
das Schicksal Altersarmut ersparen.<br />
Das Gesundheitssystem muû gerade für<br />
alte Menschen bezahlbar bleiben.<br />
Wir wollen ke<strong>in</strong>e isolierte und isolierende<br />
¹Seniorisierungª, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Politik, die<br />
das Zusammenleben <strong>der</strong> Generationen, den<br />
Dialog untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> und den Austausch<br />
298<br />
von Kenntnissen und Fähigkeiten ermöglicht.<br />
¾ltere Menschen dürfen nicht ausgegrenzt<br />
werden, son<strong>der</strong>n müssen mit ihren<br />
reichhaltigen Erfahrungen und ihrer Leistungskraft<br />
Betätigungsfel<strong>der</strong> f<strong>in</strong>den. Wir<br />
fassen die Entwicklung zum aktiven Alter<br />
als Chance für unsere Gesellschaft auf und<br />
unterstützen sie durch e<strong>in</strong>e lebensbejahende,<br />
för<strong>der</strong>nde Politik.<br />
Erhaltung von Aktivität und Mobilität ist<br />
im Alter e<strong>in</strong> vorrangiges Bedürfnis. Altengerechte<br />
Wohnungen, e<strong>in</strong> funktionierendes<br />
Nahverkehrssystem, gesundheitliche Prävention<br />
und Rehabilitation s<strong>in</strong>d dafür<br />
unumgängliche Voraussetzungen.<br />
2. Wo wir handeln werden<br />
Um den Grundsatz Rehabilitation vor<br />
Pflege endlich durchzusetzen, brauchen wir<br />
e<strong>in</strong>en Bundesplan für Geriatrie. Ziele s<strong>in</strong>d:<br />
Ausbau von geriatrischen Rehabilitationszentren,<br />
Schaffung e<strong>in</strong>es Netzes von teilstationären<br />
E<strong>in</strong>richtungen und Sicherstellung<br />
<strong>der</strong> ambulanten Rehabilitation durch ¾rzte,<br />
Therapieberufe und Pflegekräfte. Aus- und<br />
Fortbildung auf dem Gebiet <strong>der</strong> geriatrischen<br />
Prävention und Rehabilitation<br />
werden wir aktiv för<strong>der</strong>n. An den Universitäten<br />
werden wir dazu sofort die Voraussetzungen<br />
für mediz<strong>in</strong>ische Ausbildung und<br />
Forschung schaffen.<br />
Betreuungs- und Pflegemöglichkeiten zu<br />
Hause s<strong>in</strong>d sicherzustellen. Das Angebot<br />
ambulanter sozialpflegerischer Dienste wie<br />
häusliche Pflege, Essen auf Rä<strong>der</strong>n und<br />
hauswirtschaftliche Versorgung ist auszubauen,<br />
nicht zu verschlechtern, wie es die<br />
Konsequenz <strong>der</strong> CSU-Politik ist. Deshalb<br />
ist die staatliche För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> häuslichen<br />
Krankenpflege wie<strong>der</strong> aufzunehmen. Häusliche<br />
Pflege wird überwiegend von Angehörigen,<br />
meistens von Frauen, geleistet.<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong> flächendeckendes Angebot<br />
von fachlicher Beratung und begleiten<strong>der</strong><br />
Unterstützung.<br />
Die Schaffung von Kurzzeit- und Tagespflegeplätzen<br />
sowie die Sanierung und<br />
Mo<strong>der</strong>nisierung von Pflegeheimplätzen<br />
werden wie<strong>der</strong> ausschlieûlich aus staatlichen<br />
Mitteln geför<strong>der</strong>t. Diese Last zur
Hälfte den Landkreisen und kreisfreien<br />
Städten aufzubürden, wie es die CSU im<br />
Ausführungsgesetz zur Pflegeversicherung<br />
gegen den Rat aller Fachleute und entgegen<br />
den bundesrechtlichen Vorgaben getan<br />
hat, war e<strong>in</strong>e falsche Entscheidung.<br />
Wir werden e<strong>in</strong> Gesetz zur f<strong>in</strong>anziellen<br />
Sicherstellung <strong>der</strong> Ausbildung zur Pflegekraft<br />
sowie <strong>der</strong> Fort- und Weiterbildung<br />
aller <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altenpflege Beschäftigten erlassen.<br />
Die Personalschlüssel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altenpflege<br />
müssen verbessert werden, damit<br />
auch <strong>in</strong> Heimen und Pflegee<strong>in</strong>richtungen<br />
Würde und selbstbestimmtes Leben unterstützt<br />
und gefor<strong>der</strong>t werden kann.<br />
Sterben <strong>in</strong> Würde und mit menschlicher<br />
Zuwendung muû möglich se<strong>in</strong>, zu Hause,<br />
<strong>in</strong> Heimen und <strong>in</strong> Krankenhäusern. Wir<br />
werden die Schaffung von Hospiz-E<strong>in</strong>richtungen<br />
sowie die ehrenamtliche und professionelle<br />
Sterbebegleitung för<strong>der</strong>n und<br />
kostendeckend f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Mobilität darf ke<strong>in</strong>e Privileg jüngerer Menschen<br />
se<strong>in</strong>. Jede verkehrspolitische Entscheidung<br />
muû auf die Bedürfnisse und<br />
Fähigkeiten älterer Menschen Rücksicht<br />
nehmen. Das gilt ganz beson<strong>der</strong>s für den<br />
Öffentlichen Personennahverkehr.<br />
E<strong>in</strong> Schwerpunkt staatlicher und kommunaler<br />
Wohnungspolitik und <strong>der</strong> Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung<br />
wird die Schaffung<br />
altengerechter barrierefreier Wohnungen<br />
durch Neu- o<strong>der</strong> Umbau se<strong>in</strong>. Um das<br />
Zusammenleben <strong>der</strong> Generationen zu<br />
ermöglichen, muû die Bauplanung auf die<br />
Mischung von Wohnraumtypen achten.<br />
Sportliche und kulturelle Aktivitäten,<br />
Erwachsenenbildung und Reisen s<strong>in</strong>d für<br />
ältere Menschen beson<strong>der</strong>s wichtige Möglichkeiten<br />
zur Teilnahme am gesellschaftlichen<br />
Leben. Das rechtfertigt e<strong>in</strong>e För<strong>der</strong>ung<br />
durch Staat und Kommunen auch <strong>in</strong><br />
Zeiten knapper Mittel.<br />
Wir wollen, daû die Mitsprache älterer<br />
Menschen <strong>in</strong> Kommunen, Staat und<br />
Gesellschaft verbessert wird. In allen Landkreisen<br />
und Städten sollen Seniorenbeiräte<br />
gebildet, <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Geme<strong>in</strong>den Senio-<br />
renbeauftragte bestellt werden. E<strong>in</strong> unmittelbares<br />
Antragsrecht an die Organe <strong>der</strong><br />
Kommune ist gesetzlich abzusichern.<br />
III. Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />
Die <strong>SPD</strong> hat durchgesetzt, daû das Grundgesetz<br />
im Art. 3 ergänzt wurde ¹Niemand<br />
darf wegen se<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung benachteiligt<br />
werden.ª Dieser neue Verfassungsartikel<br />
ist Auftrag für sozialdemokratische<br />
Politik für beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen und muû<br />
jetzt endlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>facher Gesetzgebung<br />
umgesetzt werden. Dafür werden wir e<strong>in</strong>treten.<br />
In Deutschland leben über sechse<strong>in</strong>halb<br />
Millionen anerkannte Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te.<br />
Viele dieser Menschen bedürfen ke<strong>in</strong>er<br />
staatlichen Hilfe, sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> das gesellschaftliche<br />
und berufliche Leben voll <strong>in</strong>tegriert.<br />
Für die, die Hilfen benötigen, muû<br />
<strong>der</strong> Staat e<strong>in</strong> differenziertes Hilfsangebot<br />
zur Verfügung stellen, das mit den Interessensvertretungen<br />
und Selbsthilfegruppen<br />
abgestimmt ist.<br />
E<strong>in</strong>e wichtige Aufgabe fällt hierbei dem<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenbeauftragten zu. Wir Sozialdemokraten<br />
wollen, daû <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenbeauftragte<br />
nicht von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
gestellt, son<strong>der</strong>n vom Parlament gewählt<br />
wird und als eigenständige unabhängige<br />
Interessensvertretung <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />
wirkt.<br />
Wir werden sicherstellen, daû beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit Nichtbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />
<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten und zur Schule gehen können,<br />
sofern die Eltern dies wünschen. Die<br />
E<strong>in</strong>richtung von Integrationsk<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten<br />
und Integrationsklassen werden wir för<strong>der</strong>n.<br />
Unsere Politik schafft die Voraussetzungen<br />
dafür, daû möglichst viele Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te e<strong>in</strong><br />
selbständiges Leben führen können. Dazu<br />
gehört auch das eigenständige Wohnen.<br />
Wir werden dafür sorgen, daû e<strong>in</strong> vielfältiges<br />
Wohnangebot zur Verfügung steht, da<br />
den Interessen und Bedürfnissen beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter<br />
Menschen gerecht wird.<br />
299
IV. Aktive Beschäftigungspolitik<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> Arbeitslosen beträgt <strong>in</strong><br />
Deutschland über 4,6 Millionen und die<br />
Arbeitslosenquote rd. 12 % ± e<strong>in</strong> Negativrekord.<br />
Die Arbeitslosigkeit ist das drängendste<br />
gesellschaftliche Problem. In e<strong>in</strong>er<br />
Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> nach wie vor <strong>der</strong><br />
soziale Status von <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit<br />
abhängt, ist die Arbeitslosigkeit nicht nur<br />
e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> soziales<br />
Problem.<br />
Die bisherigen Maûnahmen <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
haben ke<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />
Situation bewirkt, die Lage hat sich vielmehr<br />
ständig verschlechtert. Das liegt vor<br />
allem daran, daû nicht Ursachen bekämpft<br />
werden, son<strong>der</strong>n nur Flickschusterei an<br />
Symptomen betrieben wird. Zur Verr<strong>in</strong>gerung<br />
des Haushaltsdefizits werden ständig<br />
die Leistungen <strong>der</strong> öffentlichen Hand, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
<strong>der</strong> Sozialversicherungen,<br />
gekürzt und die Belastungen (Steuern und<br />
Abgaben) erhöht.<br />
Das geschieht aber nicht ausgewogen, son<strong>der</strong>n<br />
zu Lasten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>wohner mit kle<strong>in</strong>en<br />
und mittleren E<strong>in</strong>kommen. Die Bundesregierung<br />
betreibt e<strong>in</strong>e Politik <strong>der</strong> sozialen<br />
Ungerechtigkeit. Ferner führt die Sparpolitik,<br />
die durch die re<strong>in</strong> stabilitätsorientierte<br />
Politik <strong>der</strong> Bundesbank noch unterstützt<br />
wird, zu ger<strong>in</strong>gerer Inlandsnachfrage, da<br />
gerade den Beziehern niedriger E<strong>in</strong>kommen<br />
durch die zunehmenden staatlichen<br />
Belastungen das Geld für den Konsum<br />
fehlt. Diese Deflationspolitik bremst das<br />
Wirtschaftswachstum und ist daher<br />
geradezu kontraproduktiv für die Schaffung<br />
von mehr Arbeitsplätzen.<br />
Die Argumentation <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
wird durch die Schlagworte ¹Standortsicherungª<br />
und ¹Globalisierungª geprägt.<br />
Mit dem H<strong>in</strong>weis auf die Standortsicherung<br />
wird <strong>der</strong> Sozialstaat als wesentlicher<br />
Standortnachteil kritisiert und se<strong>in</strong> Umbau<br />
gefor<strong>der</strong>t. Die Kosten des sozialen Standards<br />
seien viel zu hoch und müûten deutlich<br />
reduziert werden. Für die Wettbewerbsfähigkeit<br />
ist aber nicht die absolute<br />
Höhe <strong>der</strong> Kosten <strong>der</strong> richtige Vergleichs-<br />
300<br />
maûstab, son<strong>der</strong>n die Kosten im Verhältnis<br />
zur Stundenproduktivität. Hier aber zeigt<br />
sich, daû die Lohnstückkosten <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren <strong>in</strong> Westdeutschland durchschnittlich<br />
ger<strong>in</strong>ger gestiegen s<strong>in</strong>d als im<br />
Durchschnitt <strong>der</strong> wichtigsten Handelspartner.<br />
Von e<strong>in</strong>er Kostenkrise ± hervorgerufen<br />
durch den sozialen Standard ± kann also<br />
ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>.<br />
Die Globalisierung des Wettbewerbs wird<br />
als Begründung dafür angegeben, daû <strong>in</strong><br />
Deutschland ke<strong>in</strong>e zusätzlichen Arbeitsplätze<br />
entstehen. Bei den hohen Arbeitskosten<br />
<strong>in</strong> Deutschland seien die Unternehmen<br />
geradezu gezwungen, <strong>in</strong> das Ausland<br />
zu gehen, weil es viel billiger sei, dort<br />
(Osteuropa, Fernost) zu produzieren.<br />
Die Haltlosigkeit dieser Argumentation für<br />
die deutsche Wirtschaft <strong>in</strong>sgesamt zeigen<br />
die Handelsbilanzüberschüsse, die<br />
Deutschland gerade gegenüber allen ¹billigenª<br />
osteuropäischen Län<strong>der</strong>n aufweist.<br />
Was an Arbeitsplätzen durch Verlagerung<br />
verlorengeht, wird <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Unternehmen<br />
o<strong>der</strong> Branchen durch höhere Exporte<br />
wie<strong>der</strong> ausgeglichen. Diese Strukturverschiebungen<br />
mit ihren negativen Beschäftigungswirkungen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Branchen<br />
s<strong>in</strong>d zwar e<strong>in</strong>e Folge <strong>der</strong> Internationalisierung<br />
<strong>der</strong> Märkte, stellen aber nicht die<br />
Hauptursache <strong>der</strong> Beschäftigungsprobleme<br />
dar.<br />
Die entscheidenden Ursachen s<strong>in</strong>d vielmehr:<br />
Durch die unausgewogene und ungerechte<br />
Spar- und Verteilungspolitik ± höhere Belastungen<br />
für Bezieher kle<strong>in</strong>er und mittlerer<br />
E<strong>in</strong>kommen bei gleichzeitiger Entlastung<br />
hoher E<strong>in</strong>kommen und groûer Vermögen ±<br />
wird <strong>der</strong> soziale Konsens aufgekündigt und<br />
damit die Grundlage für den Erfolg <strong>der</strong><br />
sozialen Marktwirtschaft zerstört.<br />
Die überzogen e<strong>in</strong>seitige Belastung des<br />
Produktionsfaktors Arbeit mit Abgaben<br />
und Steuern führt dazu, daû Arbeit immer<br />
weniger bezahlbar ist. Das gilt vor allem<br />
für den Dienstleistungsbereich, <strong>in</strong> dem<br />
reguläre Leistungen zu teuer s<strong>in</strong>d und
nicht nachgefragt werden o<strong>der</strong> als Schwarzarbeit<br />
ausgeführt werden.<br />
Die konzeptionslose Wirtschaftspolitik <strong>der</strong><br />
Bundesregierung bietet ke<strong>in</strong>e verläûliche<br />
Grundlage für längerfristige Unternehmensentscheidungen.<br />
Sie ist das gröûte<br />
Hemmnis für Investitionen.<br />
Forschung und Entwicklung, Bildungswesen<br />
und Existenzgründungen s<strong>in</strong>d die notwendige<br />
Innovationsbasis zur Erhaltung<br />
und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Trotz<br />
dieser Erkenntnis wird die För<strong>der</strong>ung dieser<br />
Bereiche immer stärker e<strong>in</strong>geschränkt.<br />
Von e<strong>in</strong>er aktiven Beschäftigungspolitik <strong>der</strong><br />
Bundesregierung zum Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
kann ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Die durchgeführten<br />
Maûnahmen führen vielmehr zu<br />
negativen Beschäftigungseffekten, wie deutlich<br />
an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
zu erkennen ist.<br />
1. Maûnahmen e<strong>in</strong>er aktiven Beschäftigungspolitik<br />
Die Probleme <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />
s<strong>in</strong>d zum Teil dadurch entstanden,<br />
daû den Sozialversicherungen im Zuge <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> deutschen E<strong>in</strong>heit versicherungsfremde<br />
Lasten aufgebürdet wurden.<br />
Die wesentliche Ursache ist aber die<br />
hohe Arbeitslosigkeit, die zu E<strong>in</strong>nahmeausfällen<br />
± Steuern und Beiträge für die<br />
Sozialversicherungen ± führt und erhöhte<br />
Ausgaben für die Unterstützung <strong>der</strong><br />
Arbeitslosen verursacht. Vorrangiges Ziel<br />
von Wirtschafts- und Sozialpolitik muû<br />
daher <strong>der</strong> nachhaltige Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
se<strong>in</strong>.<br />
1.1. Steigerung des Wirtschaftswachstums<br />
Das Bruttosozialprodukt <strong>in</strong> Westdeutschland<br />
ist <strong>in</strong> den 35 Jahren von 1960 bis 1995<br />
zwar real um 270 % und durchschnittlich<br />
um 2,9 % pro Jahr gestiegen. Diese Steigerung<br />
hat aber gerade dazu ausgereicht, die<br />
laufenden Produktivitätsverbesserungen<br />
(2,7 % pro Jahr) auszugleichen, die zur<br />
Erhaltung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerbsfähigkeit<br />
beson<strong>der</strong>s im <strong>in</strong>dustriellen<br />
Bereich notwendig s<strong>in</strong>d und die letztlich<br />
durch die hohe Qualifikation <strong>der</strong> Mitarbeiter<br />
erreicht wurden. Die Zahl <strong>der</strong> Erwerbstätigen<br />
lag 1995 mit 28,5 Mio. nur um 8 %<br />
höher als 1960 mit 26,4 Mio.<br />
Das durchschnittliche Wirtschaftswachstum<br />
führte also nicht zu e<strong>in</strong>er nennenswerten<br />
Steigerung des Beschäftigungsvolumens.<br />
Erst bei e<strong>in</strong>er Wachstumsrate von<br />
mehr als 3 % ist mit zusätzlichen Arbeitsplätzen<br />
zu rechnen. Solche Wachstumsraten<br />
s<strong>in</strong>d aber <strong>in</strong> den letzten Jahren nicht<br />
erreicht worden und werden auch <strong>in</strong> Prognoserechnungen<br />
für die nächsten zehn<br />
Jahren nicht erwartet.<br />
Da mit dem durchschnittlichen Wachstum<br />
kaum mehr als <strong>der</strong> Ausgleich <strong>der</strong> Produktivitätssteigerungen<br />
erreicht werden kann,<br />
bedarf es weiterer Maûnahmen zum nachhaltigen<br />
Abbau <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit.:<br />
1.2. Direktmaûnahmen zum Abbau <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit<br />
Die vorhandene hohe Arbeitslosigkeit kann<br />
nur durch e<strong>in</strong> Bündel von Maûnahmen<br />
reduziert werden, die geme<strong>in</strong>sam von den<br />
Tarifpartnern und dem Gesetzgeber durchzuführen<br />
s<strong>in</strong>d. Die beiden Schwerpunkte<br />
dieser Maûnahmen s<strong>in</strong>d die Arbeitszeitverkürzung<br />
zur Verteilung des vorhandenen<br />
Arbeitsvolumens auf mehr Beschäftigte<br />
sowie die Beschäftigungsprogramme, <strong>der</strong>en<br />
Ziel die Vergröûerung des Arbeitsvolumens<br />
darstellt.<br />
Maûnahmen Zusätzliche<br />
Arbeitsplätze<br />
bis zum Jahr 2000<br />
(Westdeutschland)<br />
A. Arbeitszeitverkürzung<br />
± Halbierung <strong>der</strong> Überstunden,<br />
Ausgleich durch Freizeit 350000<br />
± Erhöhung <strong>der</strong> Teilzeitarbeit,<br />
Steigerung<br />
<strong>der</strong> Teilzeitquote von 19 %<br />
auf 24 % 500000<br />
301
± Reduzierung <strong>der</strong> Arbeitszeit<br />
(Wochen o<strong>der</strong> Jahresarbeitszeit)<br />
um 10 % bei Lohnausgleich<br />
entsprechend <strong>der</strong><br />
Produktivitätssteigerung 1000 000<br />
± Begleitende Maûnahme:<br />
Unterstützung und Beratung<br />
von kle<strong>in</strong>en und<br />
mittleren Betrieben, die die<br />
Arbeitszeit auf bis<br />
zu 30 Stunden/Woche senken.<br />
B. Arbeitskostensenkung<br />
Reduzierung <strong>der</strong> Lohnzusatzkosten,<br />
Senkung <strong>der</strong> Beiträge für<br />
die Sozialversicherungen durch<br />
Herausnahme <strong>der</strong> versicherungsfremden<br />
Leistungen. Bei<br />
Senkung <strong>der</strong> Beitragssätze um<br />
1%-Punkt können etwa 100 000<br />
zusätzliche Arbeitsplätze<br />
entstehen. Bei Senkung um rd.<br />
5%-Punkte durch die Herausnahme<br />
<strong>der</strong> versicherungsfremden<br />
Leistungen s<strong>in</strong>d es <strong>in</strong>sgesamt 500 000<br />
C. Programme zur Schaffung von<br />
Arbeitsplätzen<br />
± Investitionsprogramm; mit<br />
10 Mrd. DM Investitionen<br />
können etwa 140 000 Arbeitsplätze<br />
geschaffen werden.<br />
Mit 35 Mrd. DM, entsprechend<br />
dem Vorschlag <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> Bayern 500 000<br />
± Überführen von unbezahlter<br />
Arbeit <strong>in</strong> bezahlte Arbeit<br />
durch kommunale und regionaleBeschäftigungsprogramme,<br />
Projekte mit<br />
sozialen, ökologischen und<br />
kulturellen Zielen 1000 000<br />
± Begleitende Maûnahmen:<br />
Lohnkostenzuschüsse vor<br />
allem für junge Facharbeiter,<br />
die nach <strong>der</strong> Ausbildung<br />
ke<strong>in</strong>en Arbeitsplatz f<strong>in</strong>den<br />
F<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />
von Existenzgründungen<br />
durch Bereitstellung von Risikokapital<br />
und Bürgschaften.<br />
302<br />
Um die Bedeutung <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Maûnahmen<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Zielsetzung Vollbeschäftigung<br />
zu veranschaulichen, ist e<strong>in</strong>e<br />
Quantifizierung vorgenommen worden, die<br />
sich an die Auswertungen des Instituts für<br />
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)<br />
anlehnen. Die Zahlen s<strong>in</strong>d für Westdeutschland<br />
ermittelt, entsprechende Rechnungen<br />
für Gesamtdeutschland liegen noch<br />
nicht vor.<br />
Die Anzahl <strong>der</strong> zusätzlichen Arbeitsplätze<br />
beträgt damit <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> Westdeutschland<br />
3850 000. Die aufgezeigten Maûnahmen<br />
bieten die Möglichkeit, die Arbeitslosigkeit<br />
deutlich zu reduzieren und dem<br />
Ziel <strong>der</strong> Vollbeschäftigung nahezukommen<br />
unter Berücksichtigung <strong>der</strong> sogenannten<br />
stillen Reserve, die etwa e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong><br />
registrierten Arbeitslosen ausmacht.<br />
Die Maûnahmen gelten grundsätzlich auch<br />
für Ostdeutschland, auch wenn aufgrund<br />
struktureller Unterschiede, die zahlenmäûige<br />
Wirkung dort im E<strong>in</strong>zelfall nicht<br />
genau <strong>der</strong> Entwicklung <strong>in</strong> Westdeutschland<br />
entspricht.<br />
1.3. F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Maûnahmen<br />
Die Maûnahmen zur Erhöhung des<br />
Arbeitsvolumens (Punkte 2. und 3.) s<strong>in</strong>d<br />
mit erheblichem f<strong>in</strong>anziellen Aufwand verbunden.<br />
Die Senkung <strong>der</strong> Sozialversicherungsbeiträge<br />
ist durch Steuern zu f<strong>in</strong>anzieren.<br />
Dasselbe gilt für die Maûnahmen im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Beschäftigungsprogramme. Zur<br />
F<strong>in</strong>anzierung ist <strong>der</strong> Lastenausgleich<br />
(Besteuerung von Vermögen über 2,5 Millionen<br />
DM) heranzuziehen. Da dieses Steueraufkommen<br />
nicht ausreicht, ist zusätzlich<br />
die Ökosteuer e<strong>in</strong>zuführen bzw. die M<strong>in</strong>eralölsteuer<br />
um etwa 0,40 DM/Liter zu<br />
erhöhen.<br />
Die Aufwendungen für Investitionen f<strong>in</strong>anzieren<br />
sich mittelfristig zum gröûten Teil<br />
selbst. Die Berechnungen vom WSI ergaben<br />
rd. 70 % und vom IAB sogar 100 %<br />
Rückflüsse <strong>der</strong> aufgewendeten Mittel. Den<br />
Maûnahmekosten <strong>der</strong> öffentlichen Hand<br />
stehen Entlastungen gegenüber, die durch
vermiedene Kosten <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
entstehen sowie durch Mehre<strong>in</strong>nahmen aus<br />
Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen<br />
<strong>in</strong>folge <strong>der</strong> positiven Beschäftigungswirkungen<br />
aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>duzierten Wachstumssteigerung<br />
im Inland.<br />
Bei den Beschäftigungsprogrammen wird<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Arbeit statt Arbeitslosigkeit<br />
f<strong>in</strong>anziert. Wenn bisher Arbeitslose e<strong>in</strong><br />
Monatse<strong>in</strong>kommen von brutto DM 3000,±<br />
erhalten (z. B. aus e<strong>in</strong>em Son<strong>der</strong>etat <strong>der</strong><br />
Bundesanstalt für Arbeit), so können über<br />
1 Million Arbeitsplätze mit e<strong>in</strong>em F<strong>in</strong>anzaufwand<br />
von rd. 8 Mrd. DM geschaffen<br />
werden. Hier gilt h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Kosten<br />
und Entlastungen dasselbe wie bei den<br />
Investitionsprogrammen.<br />
V. Unsere Städte brauchen den sozialen<br />
Frieden<br />
Deutschland braucht starke, selbständig<br />
handelnde und selbstbewuûte Städte. Sie<br />
s<strong>in</strong>d Zentren <strong>der</strong> Produktion, des Handels<br />
und <strong>der</strong> Dienstleistung. Ihre Rolle als<br />
Wirtschaftszentren können die Städte nur<br />
wahrnehmen, wenn ihre Bewohner<strong>in</strong>nen<br />
und Bewohner bereit und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d,<br />
sich den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> heutigen<br />
Arbeitswelt zu stellen.<br />
Grundvoraussetzung für den hohen E<strong>in</strong>satz<br />
und die hohe Flexibilität, die <strong>der</strong> heutige<br />
Arbeitsmarkt von den Beschäftigten for<strong>der</strong>t,<br />
ist e<strong>in</strong> funktionierendes soziales<br />
Sicherungssystem. Erst den e<strong>in</strong>zelnen stützende<br />
soziale Strukturen und die Gewiûheit<br />
des bereitstehenden Hilfesystems<br />
schaffen die notwendigen Handlungsfreiheiten.<br />
Durch e<strong>in</strong>e vorbeugende Ausrichtung<br />
<strong>der</strong> Sozialpolitik s<strong>in</strong>d lebenswerte stabile<br />
Verhältnisse <strong>in</strong> den Städten zu schaffen<br />
und zu för<strong>der</strong>n, um so Konflikte und Krisen<br />
möglichst von vorne here<strong>in</strong> zu vermeiden<br />
zu können. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> <strong>in</strong> Not gerät,<br />
muû die erfor<strong>der</strong>liche Hilfe und damit die<br />
Chance erhalten, wie<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em unabhängigen<br />
und selbstbestimmten Leben<br />
zurückzuf<strong>in</strong>den. Dabei setzen wir vorrangig<br />
auf Hilfe zur Selbsthilfe, die dazu beiträgt,<br />
soziale Ungleichheiten abzubauen, soziale<br />
Integration zu ermöglichen, solidarisches<br />
Handeln zu erleichtern und damit den<br />
sozialen Frieden <strong>in</strong> den Städten zu erhalten.<br />
Die Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Städte im sozialen<br />
Bereich und damit ihre Möglichkeiten,<br />
ihren Beitrag für den sozialen Frieden <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Stadt zu leisten, wird zunehmend e<strong>in</strong>geschränkt:<br />
E<strong>in</strong>erseits s<strong>in</strong>ken die E<strong>in</strong>nahmen, an<strong>der</strong>erseits<br />
wachsen die von den Städten zu erledigenden<br />
Aufgaben und werden ihnen<br />
zusätzliche Lasten von Bund und Land auferlegt.<br />
Dies verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t den notwendigen<br />
E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> den <strong>der</strong>zeit wichtigsten Problemfel<strong>der</strong>n<br />
sozialer Sicherung:<br />
± Die Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
und ihrer Folgen wird ohne zusätzliche<br />
Mittel immer mehr den Städten auferlegt<br />
± In Folge von Arbeitslosigkeit, wachsen<strong>der</strong><br />
Teilzeitarbeit und wachsenden Zahlen<br />
an ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten erhöht<br />
sich die Zahl <strong>der</strong> Armen. Gezielte<br />
Armutsbekämpfung braucht Investitionen<br />
<strong>in</strong> die Selbsthilfekräfte <strong>der</strong> Betroffenen.<br />
Diese Mittel stehen kaum noch zur<br />
Verfügung.<br />
± Der Personenkreis <strong>der</strong>er, die sich aus<br />
eigener Kraft nicht mit ausreichendem<br />
Wohnraum versorgen können, wird gröûer.<br />
Das als Hilfe <strong>in</strong> dieser Zwangslage<br />
geschaffene Wohngeld, e<strong>in</strong>e Aufgabe von<br />
Bund und Land, wird den Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>in</strong> den Städten nicht mehr gerecht.<br />
Dies führt von Jahr zu Jahr zu steigenden<br />
Lasten <strong>der</strong> Städte als Sozialhilfeträger,<br />
die ihnen von niemandem ersetzt<br />
werden. Würde jetzt noch <strong>der</strong> Rückzug<br />
des Bundes aus <strong>der</strong> Wohnungsbauför<strong>der</strong>ung<br />
Realität, ohne daû das Land e<strong>in</strong>spr<strong>in</strong>gt,<br />
s<strong>in</strong>d die Städte mit diesem Problem<br />
weitgehend alle<strong>in</strong>gelassen und<br />
überfor<strong>der</strong>t.<br />
± Die Bevölkerung wird <strong>in</strong>sgesamt deutlich<br />
älter. Darauf wird sich die gesamte Infrastruktur<br />
<strong>der</strong> Städte e<strong>in</strong>stellen müssen.<br />
Wir wollen alten Menschen möglichst<br />
lange ihre gewohnte Umgebung erhalten.<br />
Deshalb müssen die Wohnungen<br />
303
304<br />
und das Wohnumfeld an die Bedürfnisse<br />
<strong>der</strong> Menschen angepaût werden. Hier<br />
s<strong>in</strong>d die Städte sowohl <strong>in</strong> ihrer Funktion<br />
als planende Instanz gefor<strong>der</strong>t, aber auch<br />
als die örtliche Geme<strong>in</strong>schaft, die auf<br />
e<strong>in</strong>e ausreichende ambulante und stationäre<br />
Versorgung h<strong>in</strong>wirken soll.<br />
Diese vier zentralen Aufgaben können die<br />
Städte nicht aus eigener Kraft mit ihren<br />
heute zur Verfügung stehenden Mitteln<br />
bewältigen. Sie s<strong>in</strong>d auf Unterstützung des<br />
Bundes angewiesen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 170<br />
Bezirk Weser-Ems<br />
Entschlieûung zur Sozialpolitik<br />
Arbeitslosigkeit gefährdet unsere Sicherheit<br />
± zum Sozialstaat gibt es ke<strong>in</strong>e Alternative!<br />
Die Bundesrepublik Deutschland ist e<strong>in</strong>es<br />
<strong>der</strong> reichsten Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Welt. Deshalb<br />
trägt sie ± jedenfalls <strong>in</strong> Europa ± die<br />
mitentscheidende Verantwortung für politische,<br />
soziale und wirtschaftliche Stabilität.<br />
Stabilitätspolitik ist Sicherheitspolitik <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em umfassenden s<strong>in</strong>ne. Die hektische<br />
und immer mehr zu panikartigen Reaktionen<br />
neigende Politik <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
vernachlässigt die Sicherheit <strong>in</strong> sträflicher<br />
Weise.<br />
Die junge Generation steht mitten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
chaotischen Situation für ihre Ausbildung:<br />
Lehrstellenkatastrophe, Probleme <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Unterrichtsversorgung, drohen<strong>der</strong> Verfall<br />
von Wissenschaft, Forschung und Entwicklung<br />
s<strong>in</strong>d die Stichworte. Drohende<br />
Arbeitslosigkeit schon am Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es<br />
Berufslebens führt <strong>in</strong> die Resignation, bei<br />
manchen zu aggressivem Verhalten.<br />
Die mittlere Generation steht ohnmächtig<br />
vor <strong>der</strong> höchsten Abgabenbelastung, die es<br />
je <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik gegeben hat.<br />
Obwohl es zugleich niemals günstigere<br />
Bed<strong>in</strong>gungen für Investitionen gegeben<br />
hat, kennzeichnen Abwarten und <strong>in</strong> vielen<br />
Fällen wachsen<strong>der</strong> Egoismus ihr Verhalten.<br />
Die ¾lteren fürchten um die Stabilität ihrer<br />
Altersversorgung. Nicht selten, son<strong>der</strong>n<br />
immer häufiger empf<strong>in</strong>den sie zunehmende<br />
Gewalt und Krim<strong>in</strong>alität als unmittelbare<br />
Bedrohung.<br />
Sozialer Ausgleich, soziale Partnerschaft<br />
und soziale Gerechtigkeit s<strong>in</strong>d Werte, die<br />
immer mehr <strong>in</strong> Frage gestellt werden. Wo<br />
s<strong>in</strong>d die Grenzen des Sozialstaates? Verlangt<br />
er denjenigen, die etwas haben, zuviel<br />
ab? O<strong>der</strong> gönnt er den Bedürftigen zu<br />
wenig? M<strong>in</strong><strong>der</strong>n Sozialausgaben die Konkurrenzkraft<br />
<strong>der</strong> Unternehmen? O<strong>der</strong><br />
sichern sie den sozialen Frieden und damit<br />
den Wirtschaftsstandort Deutschland?<br />
Je heftiger diese Diskussion <strong>in</strong> Deutschland<br />
geführt wird, desto mehr geraten die Maûstäbe<br />
<strong>in</strong>s Wanken. Auf e<strong>in</strong>mal sche<strong>in</strong>t unter<br />
dem Deckmantel von sogenannten Reformen<br />
alles möglich. Längst gibt es ke<strong>in</strong>e<br />
soziale Leistung mehr, <strong>der</strong>en Streichung<br />
nicht schon lautstark gefor<strong>der</strong>t worden<br />
wäre. Ist Solidarität nicht mehr zeitgemäû?<br />
Selbst diejenigen werden unsicher, denen<br />
Solidarität e<strong>in</strong>e menschliche Selbstverständlichkeit<br />
ist. Weil immer nur gefragt<br />
wird, wie belastbar die s<strong>in</strong>d, die das soziale<br />
Netz bezahlen: die Steuerzahler, die Beitragszahler,<br />
die Wirtschaft. Kaum jemand<br />
fragt noch, wie belastbar eigentlich die<br />
s<strong>in</strong>d, die Hilfe brauchen? Gibt es das Recht<br />
auf Hilfe nicht mehr?<br />
Sozialpolitik ist heut mehr denn je gefor<strong>der</strong>t.<br />
Wir sehen die Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
wollen aber die wirtschaftliche und soziale<br />
Situation <strong>in</strong> Deutschland auch nicht<br />
schlechter reden als sie ist. Die Leistungsfähigkeit<br />
unserer Wirtschaft ist nach wie<br />
vor hoch. Tarifpartnerschaft und die sozialen<br />
Sicherheitssysteme s<strong>in</strong>d dafür e<strong>in</strong>e entscheidende<br />
Grundlage.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs hat <strong>der</strong> Sozialstaat auch e<strong>in</strong>e<br />
beträchtliche Schwäche. Denn daû alles
funktioniert, hängt unmittelbar davon ab,<br />
daû viele Menschen im Erwerbsleben stehen.<br />
Massenarbeitslosigkeit und e<strong>in</strong>e älter<br />
werdende Gesellschaft br<strong>in</strong>gen die sozialen<br />
Sicherheitssysteme deshalb unweigerlich<br />
<strong>in</strong>s Wanken.<br />
Selbstbestimmt und lebensfroh älter werden,<br />
bedeutet auch neue Angebote im<br />
sozialen System zur Beratung und Pflege.<br />
Und wer arbeitslos ist, braucht staatliche<br />
Hilfen zum Lebensunterhalt und Qualifizierung.<br />
Kurzum: Um <strong>der</strong> Verpflichtung<br />
zum sozialen Ausgleich nachzukommen,<br />
werden mehr f<strong>in</strong>anzielle Mittel gebraucht.<br />
Daraus nun zu folgern, <strong>der</strong> Sozialstaat sei<br />
nicht mehr f<strong>in</strong>anzierbar, heiût Resignation<br />
vor dem Problem, heiût e<strong>in</strong>fach zuschauen,<br />
wie sich die D<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e falsche unsoziale<br />
Richtung entwickeln.<br />
Insofern muû e<strong>in</strong>e Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong><br />
Sozialpolitik auch ¾n<strong>der</strong>ungen im sozialen<br />
System e<strong>in</strong>schlieûen, um se<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle<br />
Stabilität zu gewährleisten und allen e<strong>in</strong>e<br />
gleiche Teilhabe <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft zu bieten.<br />
So kann die Teilung von Erwerbsarbeit<br />
zwischen Frauen und Männern o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Abbau von Überstunden e<strong>in</strong>erseits die<br />
Beschäftigungspolitik wirksam unterstützen<br />
und gleichzeitig für mehr Lebensqualität<br />
sorgen. Workaholics auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite,<br />
die viel Geld und ke<strong>in</strong>e Zeit haben und<br />
Arbeitslose auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en, die viel Zeit<br />
und ke<strong>in</strong> Geld haben, das ist ke<strong>in</strong>e<br />
Zukunftsperspektive.<br />
Nachbarschaftshilfe, Selbsthilfe, Engagement<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bürgerbewegung ± auch das<br />
geht nur, wenn man nicht nur für se<strong>in</strong>en<br />
Beruf lebt. Neue Formen <strong>der</strong> Solidarität<br />
können das soziale System s<strong>in</strong>nvoll ergänzen<br />
und auch Leistungen hervorbr<strong>in</strong>gen,<br />
die man bisher vom Staat erwartete.<br />
Die hohe Zahl <strong>der</strong> Arbeitslosen verschl<strong>in</strong>gt<br />
Jahr für Jahr 150 Milliarden Mark. Das<br />
s<strong>in</strong>d fast 2000 Mark pro Kopf <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
und mehr als die Haushaltsdefizite<br />
des Bundes, <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> und aller Geme<strong>in</strong>den<br />
zusammen. Die Massenarbeitslosigkeit<br />
und ihre zunehmende Dauer gefährdet<br />
massiv alle sozialen Sicherheitssysteme.<br />
Jede sogenannte Reform kuriert an Symptomen,<br />
solange es nicht endlich zu e<strong>in</strong>er<br />
entscheidenden Verän<strong>der</strong>ung auf dem<br />
Arbeitsmarkt kommt.<br />
Insofern ist nicht <strong>der</strong> Sozialstaat zu teuer<br />
son<strong>der</strong>n die Arbeitslosigkeit.<br />
Auf diesen Unterschied h<strong>in</strong>zuweisen, ist<br />
ke<strong>in</strong>e Spitzf<strong>in</strong>digkeit. Denn damit ist<br />
gesagt, daû die Schaffung von Arbeitsplätzen<br />
oberste Priorität haben muû.<br />
Gleichzeitig wissen wir, daû es zum Abbau<br />
<strong>der</strong> Arbeitslosigkeit ke<strong>in</strong>e Patentrezepte<br />
gibt. Unbestritten ist es die Aufgabe e<strong>in</strong>er<br />
gerechten Wirtschaftsordnung, allen<br />
Frauen und Männern, die dies wünschen,<br />
die Beteiligung an <strong>der</strong> Erwerbsarbeit zu<br />
eröffnen. Das muû immer das Ziel bleiben.<br />
Auch wenn wir wissen, daû Arbeitslosigkeit<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft e<strong>in</strong> Problem bleiben wird.<br />
Die Frage ist, <strong>in</strong> welchem Ausmaû und auf<br />
wessen Kosten.<br />
Es ist auch schwer geworden, über Sozialpolitik<br />
sachlich zu diskutieren. Viele<br />
Debatten s<strong>in</strong>d von Vorurteilen besetzt.<br />
Und es wird um so schwerer, je selbstverständlicher<br />
alle von <strong>der</strong> ¹Krise des Sozialstaatesª<br />
reden.<br />
Denn <strong>in</strong> Wirklichkeit ist nicht <strong>der</strong> Sozialstaat<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise, son<strong>der</strong>n das Vertrauen <strong>in</strong><br />
ihn, se<strong>in</strong>e Akzeptanz und Glaubwürdigkeit<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeit. Und diese Glaubwürdigkeit<br />
geht weiter verloren, wenn nur auf<br />
die hohen Kosten des Sozialstaates und<br />
immer seltener auf se<strong>in</strong>en hohen Nutzen<br />
verwiesen wird.<br />
Sozialpolitik <strong>in</strong> dieser Situation heiût auch,<br />
für Selbstverständlichkeiten werben. Zum<br />
Sozialstaat gibt es ke<strong>in</strong>e Alternative. We<strong>der</strong><br />
für die Menschen noch für die Wirtschaft.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
305
Antrag I 171<br />
Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />
Vom Generationsvertrag zum<br />
Gesellschaftsvertrag<br />
Wir brauchen e<strong>in</strong>e neue Politik, um die<br />
Zukunftschancen junger Menschen zu<br />
wahren und zu verbessern<br />
Junge Menschen haben <strong>in</strong> Deutschland<br />
heute vielfältige Chancen und Möglichkeiten<br />
zur persönlichen Lebensgestaltung.<br />
Vielen Jugendlichen gel<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle<br />
Lebens- und Zukunftsplanung. Sie s<strong>in</strong>d<br />
erfolgreich beim E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Erwachsenenwelt<br />
und verfügen über gute materielle<br />
und soziale Lebenschancen.<br />
E<strong>in</strong>e wachsende Zahl von Jugendlichen<br />
jedoch hat gravierende Probleme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
sozialen und ökonomischen Wandel, <strong>der</strong><br />
sich häufig negativ und belastend auf die<br />
Zukunftsperspektiven <strong>der</strong> Jüngeren auswirkt.<br />
Viele reagieren mit Verunsicherung<br />
und Angst, manche werden gewalttätig,<br />
e<strong>in</strong>zelne straffällig. An<strong>der</strong>e suchen ihr<br />
¹Glückª <strong>in</strong> Formen des heilsverkündenden<br />
Okkultismus o<strong>der</strong> im Gebrauch von Drogen.<br />
Aktuelle Jugendstudien, wie etwa die Shell-<br />
Studie 1997 bestätigen, daû <strong>in</strong> <strong>der</strong> jungen<br />
Generation die Unsicherheit über ihre<br />
zukünftige Stellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
wächst. E<strong>in</strong>e wachsende M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit scheitert<br />
tatsächlich beim E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die<br />
Erwachsenenwelt. E<strong>in</strong>e Mehrheit <strong>der</strong><br />
Jugendlichen macht sich bereits ernsthafte<br />
Sorgen um die eigenen beruflichen und<br />
sozialen Chancen. Die Erwachsenengeneration<br />
steht bei vielen Jüngeren schon <strong>in</strong> Verdacht,<br />
ihre Zukunftschancen zu versperren.<br />
Die Distanz zwischen den Generationen<br />
wächst. Die Entscheidung zur Familiengründung<br />
und für K<strong>in</strong><strong>der</strong> wird wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
stärkerem Maûe davon abhängig gemacht,<br />
ob es verläûliche ökonomische und soziale<br />
Perspektiven für junge Familien <strong>in</strong> unserem<br />
Land gibt. Denn nach wie vor treffen wirtschaftliche<br />
und soziale Risiken die Familien<br />
schneller und härter als Alle<strong>in</strong>stehende<br />
o<strong>der</strong> k<strong>in</strong><strong>der</strong>lose Paare.<br />
306<br />
Die gesellschaftlichen und politischen Folgen<br />
dieser Entwicklung s<strong>in</strong>d gravierend<br />
und werden weith<strong>in</strong> unterschätzt. Das Vertrauen<br />
<strong>der</strong> Jugend <strong>in</strong> das bestehende Politiksystem<br />
nimmt dramatisch ab. Viele junge<br />
Menschen nehmen Abstand von <strong>der</strong> Politik,<br />
weil sie nicht mehr erkennen, daû sie<br />
ihre Fragen und Sorgen ernsthaft aufgreift<br />
und zu lösen versucht.<br />
Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt<br />
jedoch unmittelbar davon ab, welche Chancen<br />
wir jungen Menschen bieten. Vorrangiges<br />
gesellschaftliches Ziel <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> muû es<br />
deshalb se<strong>in</strong>, ausreichende soziale und<br />
berufliche Chancen zu schaffen, um jungen<br />
Menschen und Familien Vertrauen <strong>in</strong> ihre<br />
persönliche Zukunft zurückzubr<strong>in</strong>gen.<br />
Dabei geht es auch um die Stabilität unserer<br />
Demokratie.<br />
Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung s<strong>in</strong>d Anstrengungen<br />
zur Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit.<br />
Sie gefährdet e<strong>in</strong>e tragende<br />
Säule unserer Gesellschaft, die Solidarität<br />
<strong>der</strong> Generationen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />
Die ökonomische und soziale Architektur<br />
unserer Gesellschaft ist darauf angewiesen,<br />
daû die Generationen solidarisch füre<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>stehen.<br />
Zunahme und Verfestigung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
treffen immer stärker junge<br />
Menschen. Schon heute s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland<br />
mehr als 500 000 junge Menschen<br />
unter 25 Jahren ohne Arbeit. (August 1997:<br />
544 387, Quelle: Bundesanstalt für Arbeit<br />
hdk). Die Zahl <strong>der</strong>er, die sich <strong>in</strong> Warteschleifen<br />
aufhalten nimmt zu. Auch die<br />
Zahl <strong>der</strong>er, die von <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit <strong>der</strong><br />
Eltern mitbetroffen s<strong>in</strong>d, wächst.<br />
Dem Diktum <strong>der</strong> Sachverständigenkommission<br />
zum 5. Familienbericht, wonach <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik e<strong>in</strong>e ¹strukturelle<br />
Rücksichtslosigkeitª gegenüber Familien<br />
herrsche, ist nicht viel h<strong>in</strong>zuzufügen. Die<br />
Bundesregierung hat ihr Versprechen, e<strong>in</strong>e<br />
neue Familienorientierung von Politik und<br />
Gesellschaft voranzutreiben, nicht gehalten.<br />
Nach wie vor verweigert unser Steuersystem<br />
e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Anerkennung <strong>der</strong><br />
Leistung <strong>der</strong> Familien. E<strong>in</strong> aus Steuermit-
teln f<strong>in</strong>anzierter E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bessere<br />
Anerkennung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeiten<br />
bei den Renten ist längst überfällig. Über<br />
die Senkung des Spitzensteuersatzes wird<br />
von <strong>der</strong> Bonner Regierung mehr geredet<br />
als über e<strong>in</strong>en gerechteren Familienlastenausgleich.<br />
Die F<strong>in</strong>anzierbarkeit <strong>der</strong> Alterssicherung<br />
wird zunehmend auch von jungen Menschen<br />
<strong>in</strong> Frage gestellt. Damit wachsen die<br />
Zweifel aller Beitragszahler an <strong>der</strong><br />
Zukunftssicherung. Und dies nicht nur auf<br />
Grund <strong>der</strong> unverän<strong>der</strong>t hohen Arbeitslosigkeit.<br />
Auch die starke Zunahme nicht sozialversicherungspflichtiger<br />
Erwerbsarbeit und<br />
die demographische Entwicklung, die sich<br />
zur Jahrtausendwende e<strong>in</strong>deutig zu Lasten<br />
<strong>der</strong> jungen Generation verschieben wird,<br />
verstärken diese Tendenz.<br />
Soweit sich die Bundesregierung diesen<br />
Problemen überhaupt stellt, s<strong>in</strong>d ihre<br />
Lösungsversuche gescheitert. Junge Menschen<br />
akzeptieren nicht mehr, daû sie <strong>in</strong><br />
die Rentenversicherung e<strong>in</strong>zahlen sollen,<br />
ohne daû dadurch e<strong>in</strong>e verläûliche Perspektive<br />
für die eigene Alterssicherung entsteht.<br />
Wenn immer mehr junge Menschen den<br />
E<strong>in</strong>druck gew<strong>in</strong>nen, daû ihnen die Erwachsenen<br />
Zukunftsperspektiven vorenthalten,<br />
werden sie auch immer weniger e<strong>in</strong>sehen,<br />
für die ältere Generation Zahlungen zu leisten.<br />
E<strong>in</strong>e Politik, die auf die Solidarität zwischen<br />
den Generationen und auf die<br />
geme<strong>in</strong>same Verantwortung für die<br />
Zukunft zielt, bedarf nicht <strong>der</strong> e<strong>in</strong>es auf die<br />
materielle Sicherung abzielenden Generationenvertrages.<br />
Sie erfor<strong>der</strong>t auch e<strong>in</strong>e<br />
sozial ausgewogene Gestaltung <strong>der</strong> Lebensverhältnisse,<br />
die ausdrücklich e<strong>in</strong>e bessere<br />
För<strong>der</strong>ung von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, Jugendlichen und<br />
Familien umfassen muû.<br />
E<strong>in</strong> neuer Gesellschaftsvertrag für<br />
Vertrauen und Sicherheit<br />
Der Generationsvertrag muû zu e<strong>in</strong>em<br />
¹Gesellschaftsvertragª erweitert werden,<br />
<strong>der</strong> stärker als bisher die Lebenschancen<br />
<strong>der</strong> Jüngeren zum Inhalt hat. Es ist e<strong>in</strong>e<br />
<strong>der</strong> Alterssicherung an Gewicht m<strong>in</strong>destens<br />
ebenbürtige Aufgabe, jedem E<strong>in</strong>zelnen<br />
reale Chancen und Perspektiven zum E<strong>in</strong>stieg<br />
<strong>in</strong> die Erwachsenengeneration zu bieten.<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t den Parteivorstand<br />
auf, e<strong>in</strong> Konzept e<strong>in</strong>es neuen<br />
¹Gesellschaftsvertragsª im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es<br />
umfassenden Generationsvertrages zu entwickeln.<br />
E<strong>in</strong> solches Konzept soll sich vor<br />
allem an folgenden Zielsetzungen orientieren:<br />
± Schaffung neuer Arbeitsplätze und Sicherung<br />
<strong>der</strong> gerechten Verteilung <strong>der</strong><br />
Arbeit, um jungen Menschen berufliche<br />
Chancen zu eröffnen und zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
daû sie bereits nach <strong>der</strong> Schule <strong>in</strong><br />
Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug<br />
entlassen werden. Hierbei ist e<strong>in</strong>e aktive<br />
Arbeitsmarkt- und Strukturpolitik ebenso<br />
erfor<strong>der</strong>lich wie e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />
Arbeitsmarktordnung.<br />
± E<strong>in</strong>e strukturelle Verbesserung des geltenden<br />
Alterssicherungssystems mit dem<br />
Ziel, die Aushöhlung des Solidarpr<strong>in</strong>zips<br />
durch e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destversicherungspflicht<br />
für alle Personen im erwerbsfähigen<br />
Alter zu stoppen und e<strong>in</strong>e bessere<br />
Berücksichtigung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungsleistung<br />
künftig durch alle Steuerzahler<br />
sicherzustellen.<br />
± Schaffung von besseren Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die Familien durch<br />
± familienfreundlichere Arbeitszeiten,<br />
± den Ausbau von Betreuungsangeboten<br />
für unter 3jährige und schulpflichtige<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />
± familienunterstützende Hilfen <strong>der</strong> Beratung<br />
und Bildung, För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Familienselbsthilfe,<br />
Schaffung wohnumfeldnaher<br />
Begegnungsformen,<br />
± e<strong>in</strong>en sozial gerechten Familienleistungsausgleich,<br />
± beson<strong>der</strong>e Hilfen für Alle<strong>in</strong>erziehende<br />
und Familien <strong>in</strong> schwierigen Lebenssituationen,<br />
307
± e<strong>in</strong>e gerechte Steuerreform, die vor<br />
allem die gesellschaftlichen Leistungen<br />
<strong>der</strong> Familien berücksichtigt,<br />
± e<strong>in</strong>en verbesserten Schutz von Familien<br />
<strong>in</strong> Mietwohnungen und<br />
± e<strong>in</strong>e eigenständige Alterssicherung für<br />
Frauen.<br />
± Entwicklung e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und jugendfreundlichen<br />
Umwelt durch e<strong>in</strong>e stärkere<br />
Berücksichtigung ihrer spezifischen<br />
Interessen und Belange bei Stadtplanung<br />
und Stadtentwicklung.<br />
± Stärkung <strong>der</strong> Beteiligung junger Menschen<br />
an sie betreffenden Entscheidungen<br />
<strong>in</strong> Politik und Gesellschaft. Über die<br />
Herabsetzung des Wahlalters bei Kommunalwahlen<br />
auf Jahre h<strong>in</strong>aus, wollen<br />
wir geeignete Formen entwickeln, die<br />
konkrete Mitbestimmung sicherstellen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Artikel I 178<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Frankfurt/<br />
Ma<strong>in</strong>-Nordwest<br />
III-Süd<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Rücknahme <strong>der</strong><br />
Renten¹reformª: ¹Den Weg <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Republik<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die Programmkommission<br />
<strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Deutschlands auf, die Rücknahme<br />
<strong>der</strong> Blümschen Renten¹reformª ±<br />
falls sie im Bundestag mit <strong>der</strong> Regierungsmehrheit<br />
verabschiedet wird ± <strong>in</strong> das Bundestagswahlprogramm<br />
©98 aufzunehmen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
308<br />
Antrag I 179<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Zwickau Mitte/Nord<br />
(Landesverband Sachsen)<br />
Beseitigung <strong>der</strong><br />
Benachteiligung bei den<br />
orsorgungsaufwendungen<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen<br />
Nach dem Grundgesetz s<strong>in</strong>d alle Bürger<br />
gleich zu behandeln, d. h. daû auch alle, die<br />
e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kommen haben, nach dem Gesetz<br />
Sozialversicherungsbeiträge entrichten<br />
müûten.<br />
Wir for<strong>der</strong>n somit den <strong>SPD</strong>- und AfA-<br />
Bundesvorstand auf, folgende ¾n<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>in</strong> den Rentengesetzentwurf aufzunehmen<br />
und zu verabschieden.<br />
(1) Da bestimmte Personengruppen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Bundesrepublik die E<strong>in</strong>künfte beziehen,<br />
dieser gesetzlichen Regelung nicht unterliegen,<br />
for<strong>der</strong>n wir, daû dieser Personenkreis,<br />
per Gesetz, zur Beitragszahlung <strong>in</strong><br />
die Sozialkasse verpflichtet wird.<br />
(2) Die neue Rentengesetzgebung darf<br />
nicht den <strong>der</strong>zeitigen Stand beibehalten<br />
(Rentene<strong>in</strong>trittsalter: 65 Jahre), son<strong>der</strong>n<br />
muû durch Gesetzgebung wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />
alten Stand versetzt werden. Wir for<strong>der</strong>n,<br />
daû das Rentene<strong>in</strong>trittsalter für Frauen und<br />
Männer auf 60 Jahre festgelegt wird. Die<br />
weitere Herabsetzung auf 55 Jahre sollte ±<br />
im H<strong>in</strong>blick auf die Arbeitsmarktsituation<br />
± möglich se<strong>in</strong>.<br />
(3) Die BfA und die LVAen s<strong>in</strong>d von jeglichen<br />
politischen Zahlungen zu befreien,<br />
diese Leistungen s<strong>in</strong>d aus dem Steuerhaushalt<br />
zu bestreiten. Der Gesetzgeber muû<br />
veranlassen, daû aus den gesetzlichen Kassen<br />
(z.B. Rentenversicherung, Pflegeversicherung,<br />
Arbeitslosenversicherung) ke<strong>in</strong><br />
Geld mehr für versicherungsfremde Leistungen<br />
entnommen werden kann. Gleichzeitig<br />
müssen schon geleistete Zahlungen<br />
zurückgeführt werden.<br />
(4) Der Bundeszuschuû ist wie<strong>der</strong> auf<br />
25 % und danach schrittweise auf 30 % zu
erhöhen, auch als Entschädigung für die<br />
Zahlungen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit als<br />
Kriegsfolgelasten o<strong>der</strong>. politisch notwendige<br />
Zahlungen ± <strong>in</strong> Milliardenhöhe ± zu<br />
Lasten <strong>der</strong> Rentenversicherungen abgebucht<br />
wurden (Haushaltssicherung, Aufbau<br />
Ost etc.).<br />
(5) Die Rentenbezüge dürfen nicht gesenkt<br />
werden. Die bisher gültige Regelung ist<br />
beizubehalten.<br />
(6) Zur Beseitigung von ungerechtfertigter<br />
Benachteiligung bei den E<strong>in</strong>kommen bzw.<br />
Lohnsteuer, bezüglich <strong>der</strong> Vorsorgeaufwendungen<br />
nach § 10, Absatz 1±3 EStG ist<br />
festzustellen, daû die Vorsorgepauschale<br />
und die steuerlich abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen<br />
<strong>der</strong> Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und<br />
Arbeitnehmer <strong>in</strong> den letzten 20 Jahren<br />
nicht entsprechend <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Rentenversicherungs-,Arbeitslosenversicherung-<br />
und Krankenversicherungsbeiträge<br />
angepaût wurden. Der Gesetzgeber hat<br />
dafür zu sorgen, daû grundsätzlich E<strong>in</strong>künfte<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong> zu leistenden Versorgungsaufwendungen<br />
frei zu stellen s<strong>in</strong>d.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Artikel I 180<br />
Unterbezirk Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Versorgungskasse<br />
Der <strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
auf, für (Sche<strong>in</strong>-)Selbständige und<br />
Freiberufler <strong>in</strong> <strong>der</strong> Erwachsenenbildung<br />
schnellstmöglich e<strong>in</strong>e Versorgungskasse<br />
nach dem Muster <strong>der</strong> Künstlerkasse e<strong>in</strong>zuführen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 183<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Schwanewede<br />
(Bezirk Nord-Nie<strong>der</strong>sachsen)<br />
Ger<strong>in</strong>gfügige Beschäftigung<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Abschaffung <strong>der</strong><br />
¹ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigungª.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 184<br />
Unterbezirk Kreis Viersen<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Sozialversicherungspflichtige<br />
Beschäftigungsverhältnisse<br />
Wir wollen, daû die <strong>SPD</strong> dafür Sorge<br />
trägt, daû bei allen Teilzeitmodellen und<br />
überhaupt bei allen Arbeitszeitmodellen die<br />
betroffenen Arbeitnehmer <strong>in</strong> sozialversicherungspflichtigenBeschäftigungsverhältnissen<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>kommen bzw. bleiben.<br />
Hier hat die <strong>SPD</strong> ke<strong>in</strong>en Verhandlungsspielraum!!!<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Artikel I 185<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Tangstedt<br />
(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />
Sozialversicherungs- und<br />
Steuerpflicht<br />
Die <strong>SPD</strong> spricht sich dafür aus, langfristig<br />
für alle Beschäftigungsverhältnisse e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />
Sozialversicherungs- und Steuerpflicht<br />
e<strong>in</strong>zuführen. Er begrüût daher die<br />
Initiative <strong>der</strong> Bundestagsfraktion zur Beseitigung<br />
des Miûbrauchs <strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze<br />
(610,± DM-Beschäftigung) <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Sozialversicherung.<br />
309
Da e<strong>in</strong> übergangsloses Inkrafttreten des<br />
entsprechenden Gesetzes aber zu e<strong>in</strong>er<br />
ganzen Reihe von schädlichen Auswirkungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft und beim Sozialklima<br />
führen würde, for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>Parteitag</strong><br />
die Bundestagsfraktion auf, den Entwurf<br />
nochmals zu überarbeiten. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
s<strong>in</strong>d Übergangsregelungen vorzusehen.<br />
Dabei müssen u.a. auch folgende Lösungsansätze<br />
diskutiert werden:<br />
1. Begrenzung <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gfügigen Beschäftigung<br />
nach Zahl und/o<strong>der</strong> Anteil je<br />
Betrieb/Unternehmen.<br />
2. Anfängliche Beitragspflicht <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Sozialversicherung nur für die Arbeitgeber.<br />
3. Aufhebung <strong>der</strong> B<strong>in</strong>dung des maximalen<br />
Verdienstes für ger<strong>in</strong>gfügig/kurzfristig<br />
Beschäftigte an die Beitragsbemessungsgrenzen.<br />
Statt dessen Beibehaltung des<br />
bisherigen Grenzwertes o<strong>der</strong> allmähliches<br />
Absenken.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 186<br />
Landesverband Saar<br />
Versicherungspflicht<br />
für alle Beschäftigungsverhältnisse<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Versicherungspflicht<br />
für alle Beschäftigungsverhältnisse. Die<br />
<strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
sowie die A-Län<strong>der</strong> des Bundesrates mit<br />
Nachdruck ihrerseits auf, die ger<strong>in</strong>gfügigen<br />
Beschäftigungsverhältnisse gemäû dem<br />
610-Mark-Gesetz abzuschaffen und dafür<br />
Sorge zu tragen, daû alle E<strong>in</strong>kommen <strong>der</strong><br />
Versicherungspflicht unterliegen und nur<br />
Beschäftigungsverhältnisse unterhalb <strong>der</strong><br />
Bagatellgrenze von z.Zt. monatlich ca.<br />
81,± DM versicherungsfrei bleiben und<br />
310<br />
daû Schüler<strong>in</strong>nen und Studierende von<br />
<strong>der</strong> Regelung ausgenommen werden können.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 187<br />
Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Beitragsbemessungsgrundlage<br />
für die Sozialversicherung<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich mit den ihr zur Verfügung<br />
stehenden Mitteln auf allen Ebenen<br />
dafür e<strong>in</strong>, daû die Arbeitgeberanteile zu<br />
den Sozialversicherungen nicht mehr nach<br />
<strong>der</strong> Lohn/Gehaltssumme <strong>der</strong> Betriebe,<br />
son<strong>der</strong>n nach <strong>der</strong> betrieblichen<br />
Wertschöpfung berechnet werden. Die<br />
Gesamtsumme aller Arbeitgeber- und<br />
Arbeitnehmerbeiträge zu den Sozialversicherungskassen<br />
soll dabei wie bisher<br />
jeweils zur Hälfte aufgebracht werden.<br />
Die Arbeitnehmeranteile berechnen sich<br />
unverän<strong>der</strong>t nach den <strong>in</strong>dividuellen Bruttoe<strong>in</strong>kommen.<br />
Die Arbeitgeberanteile<br />
werden nach e<strong>in</strong>em geson<strong>der</strong>ten Berechnungsschema,<br />
welches sich an <strong>der</strong> Bruttowertschöpfung<br />
<strong>der</strong> Betriebe orientiert,<br />
erhoben. Damit werden die Beitragslasten<br />
zugunsten <strong>der</strong> personal<strong>in</strong>tensiven Unternehmen<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Unternehmensseite<br />
an<strong>der</strong>s verteilt.<br />
Für die Sozialversicherung soll e<strong>in</strong> neues<br />
F<strong>in</strong>anzierungssystem geprüft werden. Die<br />
Arbeitnehmerbeiträge bleiben wie bisher<br />
erhalten und dienen weiterh<strong>in</strong> als Bemessungsgrundlage<br />
für Renten und Arbeitslosengeld.<br />
Die Arbeitgeberbeiträge h<strong>in</strong>gegen sollen<br />
nach e<strong>in</strong>em Faktor berechnet werden, <strong>der</strong><br />
die Wirtschaftsleistung des Betriebes und<br />
se<strong>in</strong>en Arbeitskräftee<strong>in</strong>satz berücksichtigt.<br />
Ziel wäre es, das Beitragsaufkommen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em vertretbaren Maûe zu erhöhen und
die Arbeitgeberbeiträge wirtschaftlich und<br />
sozial gerechter zu verteilen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 188<br />
Unterbezirk München<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Versicherungspflicht für alle<br />
Beschäftigten von <strong>der</strong> ersten bis<br />
zur letzten Mark<br />
Die Versicherungspflicht von abhängig<br />
Beschäftigten soll von <strong>der</strong> ersten verdienten<br />
Mark, d.h. für die sog. 610 DM-Jobs, bis<br />
zur letzten verdienten Mark erfolgen, d.h.<br />
Wegfall <strong>der</strong> Beitragsbemessungsgrenze.<br />
Dabei soll aus den hohen Beitragszahlungen<br />
ke<strong>in</strong>e volle Leistung erwachsen.<br />
Ebenso sollen die sogenannten Sche<strong>in</strong>selbständigen<br />
<strong>in</strong> die Versicherungspflicht mit<br />
e<strong>in</strong>bezogen werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 189<br />
Kreisverband Emmend<strong>in</strong>gen<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Bemessungsgrundlage für die<br />
Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung<br />
Der Bundestagsparteitag möge beschlieûen,<br />
daû e<strong>in</strong>e Wertschöpfungsabgabe e<strong>in</strong>geführt<br />
wird.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 190<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />
(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />
E<strong>in</strong>beziehung von groûen<br />
Vermögen <strong>in</strong> die<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />
Sozialversicherungssysteme<br />
Groûe Vermögen werden zur F<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />
herangezogen.<br />
Kennzahlen können se<strong>in</strong>:<br />
Vermögen/Person<br />
Vermögen/Institution<br />
Bau-Vermögen/...<br />
Immobilien-Vermögen/...<br />
Sachwerte/...<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 191<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Ergänzungsabgabe<br />
Wir wollen die lohnbezogenen Beiträge für<br />
die Rentenversicherung durch e<strong>in</strong>e Wertschöpfungsabgabe<br />
ergänzt sehen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 192<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />
(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />
Erhalt und F<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />
Der <strong>SPD</strong>-Bundesvorstand wird beauftragt,<br />
noch vor <strong>der</strong> heiûen Phase des Bundestagswahlkampfes<br />
<strong>in</strong> klarer Sprache, für alle ver-<br />
311
ständlich und nachvollziehbar e<strong>in</strong> Konzept<br />
zu veröffentlichen, das den Erhalt, den<br />
Ausbau und die künftigen Schwerpunkte<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Sozialversicherungssysteme<br />
beschreibt. Auch die Belastungen<br />
<strong>der</strong> Gruppen, die bislang noch nicht ausreichend<br />
an <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung beteiligt werden,<br />
sollen ausführlich beschrieben werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 193<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />
(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />
E<strong>in</strong>führung des Umsatzes als<br />
weitere Grundlage für<br />
Zahlungen an die Sozialversicherungen<br />
Die <strong>SPD</strong> wird den Umsatz von Groûfirmen,<br />
die nur im ger<strong>in</strong>gen Umfang Personal<br />
beschäftigen, als weitere Grundlage für<br />
Beitragszahlungen an die Sozialversicherungen<br />
e<strong>in</strong>führen.<br />
Dies gilt z.B. für Telefon-Gesellschaften,<br />
Kommunikationsunternehmen, Stromversorgungsunternehmen,<br />
für Aktienhändler,<br />
Immobilienunternehmen und für Versicherungen,<br />
die oft mit ger<strong>in</strong>gem Personale<strong>in</strong>satz<br />
regelmäûige und hohe Umsätze und<br />
Gew<strong>in</strong>ne erzielen. Als Beispiel sei hier<br />
Mannesmann genannt, die mit <strong>der</strong> Sparte<br />
Telekommunikation deutlich höhere<br />
Gew<strong>in</strong>ne bei ger<strong>in</strong>gerem Personalbestand<br />
als z.B. mit ihrem klassischen Stahl und<br />
Röhrenbereich erwirtschaften.<br />
Die Abwicklung erfolgt über e<strong>in</strong>en Soziallastenfonds,<br />
<strong>in</strong> den <strong>in</strong> Abhängigkeit vom<br />
Umsatz Prämien (z.B. 0,5 %) e<strong>in</strong>gezahlt<br />
werden müssen. Kennzahl ist <strong>der</strong> Umsatz.<br />
Übersteigt dieses Verhältnis e<strong>in</strong>en<br />
bestimmten Wert, greift die o. g. Regelung.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
312<br />
Antrag I 194<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Pflegeversicherung<br />
Das nunmehr geschaffene Pflegeversicherungsgesetz<br />
und se<strong>in</strong>e Umsetzung bleiben<br />
weit h<strong>in</strong>ter den gesundheits- und sozialpolitischen<br />
Erfor<strong>der</strong>nissen zurück. E<strong>in</strong>e<br />
bedarfs- und bedürfnisgerechte Versorgung<br />
für alle pflegebedürftigen Menschen stellt<br />
die Pflegeversicherung nicht sicher, statt<br />
dessen bleibt e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>der</strong> Betroffenen<br />
weiterh<strong>in</strong> von Sozialhilfe abhängig und e<strong>in</strong><br />
groûer Teil <strong>der</strong> pflegebedürftigen Menschen<br />
wird gänzlich von Leistungen ausgeschlossen.<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
und die Landtagsfraktionen<br />
auf Initiativen für e<strong>in</strong>e Novellierung <strong>der</strong><br />
Pflegeversicherung zu entwickeln und <strong>in</strong><br />
die Parlamente e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.<br />
Wir führen nachstehend Begründungen an:<br />
1. Gleiche Beitragsbelastung von Arbeitgebern<br />
und Arbeitnehmern<br />
Die Kompensation <strong>der</strong> Arbeitgeberbeiträge<br />
ist grundsätzlich abzulehnen. Sie wi<strong>der</strong>spricht<br />
dem Solidargedanken und dient <strong>der</strong><br />
systematischen Aushöhlung elementarer<br />
Sozialversicherungspr<strong>in</strong>zipien. Ebenfalls<br />
abzulehnen und zurückzunehmen ist somit<br />
die alle<strong>in</strong>ige Beitragszahlung zur Pflegeversicherung<br />
durch die Arbeitnehmer.<br />
2. Die Pflegeversicherung grenzt e<strong>in</strong>e Zahl<br />
von Pflegebedürftigen aus ihrem Leistungsrecht<br />
aus<br />
Davon s<strong>in</strong>d ca. 500 000 Menschen betroffen,<br />
<strong>der</strong>en täglicher Bedarf weniger als<br />
90 M<strong>in</strong>uten beträgt o<strong>der</strong> vorrangig im<br />
hauswirtschaftlichen Bereich liegt o<strong>der</strong> vor<br />
allem im psychiatrisch-betreuenden S<strong>in</strong>ne<br />
besteht.<br />
Für die leistungsberechtigten Pflegebedürftigen<br />
s<strong>in</strong>d zudem die Leistungen zu dekken.<br />
Für beide Gruppen bleibt daher trotz<br />
Pflegeversicherungsgesetz e<strong>in</strong> hohes
Armutsrisiko bestehen. Das Ziel des Pflegeversicherungsgesetzes,<br />
pflegebedürftige<br />
Menschen von Sozialhilfe unabhängig zu<br />
machen, das zur Zeit deutlich verfehlt<br />
wird, muû Leitl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Politik se<strong>in</strong>. Nur<br />
mit bedarfsorientierten Leistungen läût<br />
sich die Lebensqualität und Menschenwürde<br />
<strong>der</strong> pflegebedürftigen Menschen<br />
dauerhaft sichern. Der Grundsatz <strong>der</strong><br />
Bedarfsdeckung muû auf Basis e<strong>in</strong>er sozial<br />
gerechten F<strong>in</strong>anzierung realisiert werden.<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />
ist daher durch steuerf<strong>in</strong>anzierte Elemente<br />
zu ergänzen.<br />
3. Erweiterung des Pflegebegriffes unter<br />
Berücksichtigung des sozialpflegerischen<br />
Betreuungsbedarfes <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei gerontopsychiatrisch<br />
erkrankten Menschen<br />
Der Pflegebedürftigkeitsbegriff <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />
ist sehr stark an somatischen<br />
Defiziten ausgerichtet. Auch die Richtl<strong>in</strong>ien<br />
zur Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit<br />
und die Begutachtungsanleitungen des<br />
Mediz<strong>in</strong>ischen Dienstes vernachlässigen die<br />
sozialpflegerischen und psychosozialen<br />
Betreuungsbedarfe (z. B. Gedächtnistra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,<br />
Begleitung bei Spaziergängen, Tagesstrukturierung,<br />
Sterbebegleitung), die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
bei gerontopsychiatrisch<br />
erkrankten Pflegebedürftigen von groûer<br />
Bedeutung s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e ganzzeitliche Pflege<br />
darf sich daher nicht nur an den Kriterien<br />
¹satt und sauberª orientieren, son<strong>der</strong>n muû<br />
den ganzen Menschen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em sozialen<br />
Umfeld sehen. Auch die Ermöglichung<br />
e<strong>in</strong>er Teilhabe am gesellschaftlichen und<br />
kulturellen Leben ist unverzichtbarer<br />
Bestandteil von Pflege. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff<br />
des Pflegeversicherungsgesetzes<br />
muû daher im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Ganzheitlichkeit<br />
von Pflege erweitert werden.<br />
4. Leistungsrechtliche Zuordnung <strong>der</strong> Behandlungspflege<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> stationären Pflege<br />
zur Krankenversicherung<br />
Die Behandlungspflege (z.B. ärztlich verordnete<br />
Injektionen, Verbands- und Katheterwechsel,<br />
Dekubitusversorgung) pflegebedürftiger<br />
Menschen, die zu Hause leben,<br />
wird von den Krankenkassen im Rahmen<br />
des § 37 SGB V f<strong>in</strong>anziert. Diese Zuordnung<br />
ist s<strong>in</strong>nvoll, da die Behandlungspflege<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel <strong>der</strong> Sicherung <strong>der</strong> ärztlichen<br />
Therapie dient. Auch die Behandlungspflege<br />
<strong>in</strong> teilstationären und stationären<br />
Pflegee<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d dementsprechend<br />
zuzuordnen. Die durch das Pflegeversicherungs-¾n<strong>der</strong>ungsgesetz<br />
bis 1999 vorgenommene<br />
Zuordnung zur Pflegeversicherung<br />
ist systemwidrig, be<strong>in</strong>haltet massive<br />
Ungleichbehandlung zwischen zu Hause<br />
lebenden und <strong>in</strong> Pflegee<strong>in</strong>richtungen<br />
lebenden Menschen und ist daher dr<strong>in</strong>gend<br />
gesetzlich zu korrigieren.<br />
5. Qualifizierung <strong>der</strong> Begutachtungstätigkeit<br />
des Mediz<strong>in</strong>ischen Dienstes <strong>der</strong><br />
Krankenkasse (MDK)<br />
An die Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit<br />
müûten hohe Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt<br />
werden, weil sie den Zugang zu Sozialversicherungen<br />
def<strong>in</strong>iert. Im Mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Dienst <strong>der</strong> Krankenkassen müssen daher<br />
¾rzte tätig se<strong>in</strong>, die e<strong>in</strong>e geriatrische Ausbildung<br />
nachweisen können und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Geriatrie bereits gearbeitet haben. Die<br />
Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit darf<br />
nicht dem MDK alle<strong>in</strong>e überlassen bleiben.<br />
Es ist vielmehr notwendig, daû die Beurteilung<br />
des Pflegebedürftigen durch den<br />
Hausarzt und das betreuende Pflegepersonal<br />
bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufung e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es<br />
Gewicht erhält und dieses gesetzlich abgesichert<br />
wird.<br />
Auch muû <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Dienst bei <strong>der</strong><br />
Begutachtung <strong>der</strong> Pflegebedürftigkeit häufiger<br />
Pflegekräfte h<strong>in</strong>zuziehen, die das<br />
Erfor<strong>der</strong>nis Pflege und <strong>der</strong>en Umfang oft<br />
besser beurteilen können, als die meist<br />
unerfahrenen ¾rzt<strong>in</strong>nen und ¾rzte. Ferner<br />
sollte <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ische Dienst verpflichtet<br />
werden, die Begutachtung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er<br />
Frist von 4 Wochen nach Antragstellung<br />
durchzuführen. Wenn e<strong>in</strong> Antragsteller<br />
e<strong>in</strong>er Betreuung unterliegt, muû die<br />
Benachrichtigung über den Besuchsterm<strong>in</strong><br />
dem/<strong>der</strong> Betreuer/<strong>in</strong> so rechtzeitig zugehen,<br />
daû e<strong>in</strong>e Teilnahme an dem Term<strong>in</strong><br />
möglich ist. Der Antragsteller muû beim<br />
Besuch des MDK auch e<strong>in</strong>e Person se<strong>in</strong>es<br />
Vertrauens h<strong>in</strong>zuziehen dürfen.<br />
313
6. Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung des bürokratischen Aufwandes<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei Feststellung<br />
bzw. ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Pflegestufe, beim<br />
Leistungsnachweis, im Rechnungswesen,<br />
beim Abschluû sowie bei <strong>der</strong> statistischen<br />
Erfassung<br />
Trotz <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Bundesregierung immer<br />
wie<strong>der</strong> verkündeten Marktorientierung <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Pflege, die mit dem Pflegeversicherungsgesetz<br />
verbunden sei, leidet dieses<br />
Gesetz unter e<strong>in</strong>er dramatischen Überreglementierung,<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Rechnungslegung,<br />
beim Leistungsnachweis,<br />
beim Begutachtungsverfahren und bei <strong>der</strong><br />
statistischen Erfassung. Im Gegensatz zu<br />
den Verwaltungskosten <strong>der</strong> Pflegekassen ist<br />
die Vergütung des <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen<br />
und Diensten entstehenden Personal- und<br />
Sachaufwandes im Zusammenhang mit<br />
Verwaltungsaufgaben gesetzlich nicht geregelt.<br />
Die Vere<strong>in</strong>fachung von Verfahren und<br />
Abläufen und Darstellungspflichten kommt<br />
letztlich dem Pflegebedürftigen zugute,<br />
denn die E<strong>in</strong>sparungen <strong>in</strong> diesem Bereich<br />
können <strong>der</strong> Pflegearbeit zugeführt werden.<br />
Die Milliarden, die zur Zeit bei den Pflegekassen<br />
als Überschuû gehortet werden,<br />
müssen dem Bereich <strong>der</strong> Pflegearbeit zugeführt<br />
werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 195<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Pflegeversicherungsgesetz<br />
1. Die Deckelung <strong>der</strong> Pflegesätze kann<br />
und darf nicht weitergeführt werden. Sie<br />
muû wie<strong>der</strong> aufgehoben und <strong>der</strong> Pflegesatz<br />
angesetzt werden, <strong>der</strong> den tatsächlichen<br />
Kostenberechnungen entspricht.<br />
2. Die Richtl<strong>in</strong>ien des MDK müûten <strong>in</strong>sofern<br />
geän<strong>der</strong>t werden, daû die Behandlungspflege<br />
sowie <strong>der</strong> gesamte psychosoziale<br />
Bereich und die körperlich und<br />
geistig Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Berücksichtigung<br />
314<br />
f<strong>in</strong>den und <strong>in</strong> dem Punktesystem erfaût<br />
werden können.<br />
3. Für die BewohnerInnen <strong>in</strong> Heimen,<br />
sowie für die Betroffenen <strong>in</strong> <strong>der</strong> ambulanten<br />
Pflege, die nicht <strong>in</strong> Pflegestufe 1,<br />
2 o<strong>der</strong> 3 e<strong>in</strong>gestuft werden können, die<br />
aber ebenfalls e<strong>in</strong>en erheblichen Pflegeaufwand<br />
benötigen, muû e<strong>in</strong>e bezahlte<br />
Stufe 0 e<strong>in</strong>geführt werden ± vielleicht<br />
auch aus gewissen Überschüssen, die<br />
momentan ja schon vorhanden s<strong>in</strong>d. Es<br />
wäre e<strong>in</strong> Betrag <strong>in</strong> Höhe von DM 500,±<br />
bis 1000,± anzusetzen.<br />
4. Die E<strong>in</strong>stufung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Pflegestufe<br />
durch den MDK muû zeitnah erfolgen<br />
können und ist nach e<strong>in</strong>er gewissen Zeit<br />
wie<strong>der</strong>um zu überprüfen, damit aktuelle<br />
Verbesserungen und Verschlechterungen<br />
erkannt und anerkannt werden können.<br />
5. Es muû e<strong>in</strong>e Gleichbehandlung bei <strong>der</strong><br />
Zuweisung von Hilfsmitteln durch die<br />
Krankenkassen für Heimbewohner und<br />
Betroffene <strong>in</strong> <strong>der</strong> ambulanten Pflege<br />
erfolgen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 196<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Pflegeversicherung<br />
Die <strong>SPD</strong>-Fraktion im Deutschen Bundestag<br />
wird aufgefor<strong>der</strong>t, sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen,<br />
daû die Pflegekassen e<strong>in</strong>en Leistungserbr<strong>in</strong>gungsvertrag<br />
mit e<strong>in</strong>em<br />
pflegebedürftigen Versicherten über die<br />
Sicherstellung <strong>der</strong> Pflegesachleistung für<br />
die eigene Person gem. § 77 Abs. 1 SGB XI<br />
abschlieûen können und demzufolge Pflegekräfte,<br />
die e<strong>in</strong> Pflegebedürftiger selbst<br />
e<strong>in</strong>gestellt hat, als Sachleistung gem. § 36<br />
SGB XI vergütet werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)
Antrag I 197<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Novellierung des Pflegeversicherungsgesetzes<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
geeignete Schritte zu unternehmen,<br />
daû im Rahmen des Pflegeversicherungsgesetzes<br />
sogen. ¹verwirrteª Personen<br />
als pflegebedürftig anerkannt werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 198<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Nachbesserung ambulante<br />
Pflegeversicherung<br />
Bei den Kriterien <strong>der</strong> ambulanten Pflege<br />
ist e<strong>in</strong> wichtiger Aspekt vollkommen unberücksichtigt<br />
geblieben; <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> psychosozialen<br />
Betreuung. Dies ist umgehend<br />
zu vervollständigen und abrechnungsfähig<br />
zu machen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 199<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Rücklagen Pflegeversicherung<br />
Die Rücklagen, die sich aus den Pflegeversicherungsbeiträgen<br />
gebildet haben, s<strong>in</strong>d<br />
nicht zweckentfremdet zu verwenden (z. B.<br />
zur Haushaltskonsolidierung), son<strong>der</strong>n<br />
müssen <strong>in</strong> direkter o<strong>der</strong> <strong>in</strong>vestiver Form<br />
den Pflegebedürftigen zugute kommen.<br />
Die <strong>SPD</strong>-Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Landes- und<br />
Bundestagsfraktionen werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich für die dr<strong>in</strong>gend notwendigen nachverbesserungsbedürftigen<br />
Bereiche <strong>der</strong><br />
Pflegeversicherung e<strong>in</strong>zusetzen, um Leistungskürzungen<br />
durch das bundese<strong>in</strong>heitliche<br />
Standard-Pflegesatzmodell zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
und die Pflege im stationären und<br />
ambulanten Bereich erheblich zu verbessern.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 200<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Pflegeversicherung<br />
Die Fraktion <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> im Bundestag wird<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, alle Möglichkeiten auszuschöpfen,<br />
um zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, daû die<br />
Regierung Kohl <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />
Beträge <strong>in</strong> Milliardenhöhe für Zwecke entnimmt,<br />
die nicht zu den Aufgaben <strong>der</strong> Pflegeversicherung<br />
gehören.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 201<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Standard-Pflegesatz-Modell<br />
Die neusten Vorstellungen im SPM (Standard-Pflegesatz-Modell)<br />
h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong><br />
Personalkostenberechnung s<strong>in</strong>d abzulehnen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
315
Antrag I 202<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Betreuungsrecht<br />
Auf das Gesetzgebungsverfahren im Bundestag<br />
und Bundesrat zur ¾n<strong>der</strong>ung des<br />
Betreuungsrechts soll von Seiten <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
so E<strong>in</strong>fluû genommen werden,<br />
± daû e<strong>in</strong>e Qualitätsabsenkung <strong>der</strong> Betreuungsarbeit,<br />
durch vermehrten E<strong>in</strong>satz<br />
unqualifizierter ¹Berufsªbetreuer vermieden<br />
wird.<br />
± E<strong>in</strong>e ¹Unterhaltspflichtª von Angehörigen<br />
für Betreuungsleistungen wird abgelehnt.<br />
± Die Kostenerstattung für die Betreuungsvere<strong>in</strong>e<br />
muû sich an den tatsächlichen<br />
Unkosten orientieren und bei m<strong>in</strong>destens<br />
75,± DM pro Stunde liegen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 203<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Der sog. ¹Bayerische Wegª<br />
Es wird befürwortet, daû <strong>der</strong> sog. ¹Bayerische<br />
Wegª weiterh<strong>in</strong> von den Krankenkassen<br />
bezahlt wird bzw. e<strong>in</strong> Ersatz <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Pflegeversicherung geschaffen wird.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
316<br />
Antrag I 204<br />
Unterbezirk Mettmann<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Gesundheitspolitik<br />
Die gesetzliche Krankenversicherung ist<br />
e<strong>in</strong>e solidarische Versicherung mit Selbstverwaltung<br />
und hälftigem Beitrag für<br />
Arbeitgeber und Versicherte. Sie muû als<br />
solidarische Versicherung erhalten bleiben.<br />
Weiterentwicklungen im Gesundheitswesen<br />
müssen sich an dem Ziel orientieren, allen<br />
Menschen unabhängig von ihrem E<strong>in</strong>kommen<br />
und ihrem sozialen Statuts gleiche<br />
Chancen zur Bewahrung ihrer Gesundheit,<br />
zur Wie<strong>der</strong>herstellung nach Erkrankung,<br />
zur Pflege und Rehabilitation zu geben.<br />
Dabei ist die soziale Krankenversicherung,<br />
die für mehr als 90 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
zuständig ist, e<strong>in</strong> wesentlicher Teilbereich,<br />
um das Ziel <strong>der</strong> Chancengleichheit<br />
zu verwirklichen.<br />
Folgende For<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d vorrangig<br />
umzusetzen:<br />
1. Prävention muû schnellstmöglich wie<strong>der</strong><br />
Aufgabe <strong>der</strong> Krankenversicherungen<br />
sowie <strong>der</strong> Öffentlichkeit werden. Die<br />
Qualität <strong>der</strong> Maûnahmen ist dabei<br />
sicherzustellen. Das Angebot soll sich an<br />
e<strong>in</strong>em Katalog von Gesundheitszielen<br />
orientieren, über <strong>der</strong>en Priorität e<strong>in</strong><br />
gesellschaftlicher Konsens hergestellt<br />
wird (z.B.: Bis zum Zeitpunkt xy haben<br />
98 Prozent aller 16jährigen kariesfreie<br />
Zähne).<br />
2. An die Leistungsanbieter s<strong>in</strong>d strenge<br />
Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen zu stellen. Diese<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen, z.B. Standardisierungen,<br />
müssen <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />
den Kassen erstellt und überprüft werden.<br />
Bereiche können z.B. se<strong>in</strong>: Röntgenuntersuchungen,<br />
Pharmakotherapie<br />
etc. Hierbei s<strong>in</strong>d die Möglichkeiten, die<br />
durch die masch<strong>in</strong>ell erstellten Daten<br />
bestehen, konsequent zu nutzen.<br />
Modellvorhaben mit positiven Ergebnissen<br />
(z.B. AOK Kreis Mettmann) müssen<br />
zu Regel<strong>in</strong>strumenten umgesetzt werden.
3. Zur Beurteilung von Vorsorgemaûnahmen,<br />
Therapieverfahren, Arznei-, Heilund<br />
Hilfsmitteln müssen bevölkerungsmediz<strong>in</strong>ische<br />
und statistische Methoden<br />
mit e<strong>in</strong>gesetzt werden. Hierzu muû die<br />
notwendige Infrastruktur geschaffen<br />
werden, entwe<strong>der</strong> beim Mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Dienst <strong>der</strong> Krankenkassen o<strong>der</strong> (noch<br />
besser) auf staatlicher Ebene. Die Versichertengeme<strong>in</strong>schaft<br />
wird damit <strong>in</strong> die<br />
Lage versetzt, zwischen Verfahren auszuwählen<br />
und uns<strong>in</strong>nige Therapien und<br />
Mittel aus <strong>der</strong> solidarischen F<strong>in</strong>anzierung<br />
auszuschlieûen. Es kann nicht<br />
angehen, daû weiterh<strong>in</strong> die Verkäufer<br />
<strong>der</strong> Leistungen bestimmen, was s<strong>in</strong>nvoll<br />
ist und gebraucht wird.<br />
4. Es muû e<strong>in</strong>e geregelte Gesundheitsberichterstattung<br />
erstellt werden. Über die<br />
bisherigen regional ungleichen und sporadischen<br />
Ansätze muû man h<strong>in</strong>auskommen.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Gesundheitsberichterstattung<br />
werden gesundheitliche Ziele<br />
bestimmt und umgesetzt.<br />
5. Die Beteiligung und Information <strong>der</strong><br />
Bevölkerung muû wesentlich ausgebaut<br />
und erweitert werden. Ansätze s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
den Modellvorhaben zur ortsnahen<br />
Koord<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> NRW bereits zu f<strong>in</strong>den.<br />
Ebenso müssen die Interessen <strong>der</strong><br />
Versicherten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Selbstverwaltung <strong>der</strong><br />
Krankenversicherung gestärkt werden.<br />
6. Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird<br />
beauftragt, im Falle e<strong>in</strong>es Regierungswechsels<br />
diejenigen ¾n<strong>der</strong>ungen des<br />
SGB V (Beitragsentlastungsgesetz,<br />
1. und 2. NOG) wie<strong>der</strong> rückgängig zu<br />
machen, die die Eigenbeteiligung <strong>der</strong><br />
Versicherten erhöht und das Solidarpr<strong>in</strong>zip<br />
<strong>der</strong> gesetzlichen Krankenversicherung<br />
ausgehöhlt haben.<br />
Diese Maûnahmen tragen dazu bei, mehr<br />
Transparenz und Demokratie im Gesundheitswesen<br />
herzustellen, mit den vorhandenen<br />
Mitteln effizienter umzugehen und<br />
damit die Grundlage <strong>der</strong> solidarischen<br />
F<strong>in</strong>anzierung zu erhalten. Sie stärken die<br />
Interessen <strong>der</strong> Bürger gegenüber den Leistungsanbietern.<br />
Sie s<strong>in</strong>d nicht als abschlieûend<br />
zu betrachten, son<strong>der</strong>n als erster Bau-<br />
ste<strong>in</strong> zu sehen. Das Gesundheitswesen muû<br />
als Kernaufgabe des Sozialstaats gesehen<br />
werden und darf nicht dem freien Markt<br />
überlassen werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 205<br />
Bezirk <strong>Hannover</strong><br />
Gesundheitsreform<br />
I. Mit den Gesetzen zur sogenannten<br />
3. Stufe <strong>der</strong> Gesundheitsreform<br />
(Beitragsentlastungsgesetz 1. und 2. Krankenversicherungsneuordnungsgesetz)<br />
vollzieht die Bonner Koalition e<strong>in</strong>en<br />
grundlegenden Systemwechsel <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Krankenversicherung.<br />
Weg vom Solidarpr<strong>in</strong>zip, h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er von<br />
primär f<strong>in</strong>anz- und wirtschaftspolitischen<br />
Zielen dom<strong>in</strong>ierten Politik, die gekennzeichnet<br />
ist von Privatisierung <strong>der</strong> Krankenversicherung,<br />
Leistungskürzungen bzw.<br />
Ausgrenzungen zu Lasten <strong>der</strong> Versicherten,<br />
Schonung von Leistungsanbietern im<br />
Gesundheitswesen (¾rzten, Pharma<strong>in</strong>dustrie<br />
usw.) sowie existenzbedrohendem<br />
Druck auf die gesetzlichen Krankenkassen.<br />
Mit dieser Politik setzen CDU/CSU und<br />
FDP den seit ihrem Regierungsantritt 1982<br />
systematisch betriebenen Sozialabbau fort.<br />
(Beispiele: Kürzungen bei Arbeitslosengeld<br />
und -hilfe, Streichung des Schlechtwettergeldes,<br />
Verschlechterung beim Kündigungsschutz,<br />
deutliche Reduzierung von<br />
ABM, Kürzung <strong>der</strong> Sozialhilfe, Kürzung<br />
<strong>der</strong> Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und<br />
des Krankengeldes, E<strong>in</strong>schnitte bei Berufsund<br />
Erwerbsunfähigkeitsrenten, Verlängerung<br />
<strong>der</strong> Lebensarbeitszeit.)<br />
Diese Politik richtet sich sowohl gegen<br />
Arbeitslose als auch gegen Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Arbeitnehmer, Rentner, Kranke,<br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te, Frauen und Familien. Während<br />
Unternehmen und Vermögende<br />
317
immer weiter f<strong>in</strong>anziell entlastet werden,<br />
steigt die Arbeitslosigkeit auf e<strong>in</strong> Rekordniveau<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Bundesrepublik<br />
Deutschland. Immer mehr Menschen s<strong>in</strong>d<br />
auf Sozialhilfe angewiesen; die öffentlichen<br />
Haushalte von Län<strong>der</strong>n und Kommunen<br />
werden über ihre Grenzen h<strong>in</strong>aus belastet.<br />
II. Die <strong>SPD</strong> wi<strong>der</strong>setzt sich entschieden<br />
dieser Politik.<br />
Sie for<strong>der</strong>t statt dessen u.a.:<br />
1. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Beitragsbemessungsgrenze<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Kranken- und Rentenversicherung<br />
um die E<strong>in</strong>nahmesituation <strong>der</strong><br />
gesetzlichen Krankenkassen zu verbessern.<br />
Der Beitragssatz könnte alle<strong>in</strong><br />
dadurch um 0,6%-Punkte gesenkt werden.<br />
2. Weitgehende Abschaffung <strong>der</strong> versicherungsfreien<br />
610,± DM Jobs. Dadurch<br />
werden 4 bis 5 Millionen Menschen<br />
zusätzlich abgesichert, und gleichzeitig<br />
könnte <strong>der</strong> Beitragssatz um 0,1%-<br />
Punkte gesenkt werden.<br />
3. Reduzierung <strong>der</strong> versicherungsfremden<br />
Leistungen zu Lasten e<strong>in</strong>er Steuerf<strong>in</strong>anzierung.<br />
4. Begrenzung <strong>der</strong> Leistungsausweitungen<br />
von ¾rzten, und durch degressive Vergütung<br />
und Budgets beim E<strong>in</strong>satz von<br />
Groûgeräten. Nicht jede Untersuchung<br />
rechtfertigt den E<strong>in</strong>satz teurer CT- und<br />
Röntgengeräte. Wo das Leistungsangebot<br />
aufgebläht wird, steigen unweigerlich<br />
die Kosten.<br />
5. Ausgabenbegrenzung im Pharmabereich<br />
durch e<strong>in</strong>e Positivliste (Ersparnis<br />
2 Mrd. DM) und marktwirtschaftliche<br />
Elemente, wobei sich auch die Krankenkassen<br />
an <strong>der</strong> Versorgung mit Arzneimitteln<br />
unmittelbar beteiligen können.<br />
6. Stärkung <strong>der</strong> Hausärzte durch e<strong>in</strong> eigenes,<br />
von den Fachärzten getrenntes<br />
Budget. Behandlung bei Fachärzten <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Regel nur noch nach Überweisung<br />
durch den Hausarzt, um kostspielige<br />
und gesundheitsschädigende Doppeluntersuchungen<br />
zu vermeiden. Dabei kann<br />
die Patient<strong>in</strong>/<strong>der</strong> Patient sich auch dafür<br />
entscheiden, die Funktionen des Haus-<br />
318<br />
arztes von e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong><strong>der</strong>ärzt<strong>in</strong>/e<strong>in</strong>em<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>arzt o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gynäkolog<strong>in</strong>/<br />
e<strong>in</strong>em Gynäkologen wahrnehmen zu<br />
lassen.<br />
7. Die Versorgung mit notwendigem<br />
Zahnersatz für alle Altersgruppen auf<br />
<strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>es prozentualen Zuschusses<br />
muû e<strong>in</strong>e Leistung <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Krankenversicherung bleiben. Das auf<br />
Druck <strong>der</strong> Zahnärzte-Lobby e<strong>in</strong>geführte<br />
Instrument <strong>der</strong> privatversicherungsrechtlichen<br />
Kostenerstattung wird abgelehnt.<br />
Die Prüfung <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Notwendigkeit und <strong>der</strong> Wirtschaftlichkeit<br />
durch die Krankenkassen wird so<br />
umgangen. Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Patientenschutzes<br />
wird am bewährten Sachleistungspr<strong>in</strong>zip<br />
festgehalten.<br />
8. Vorhandene Überkapazitäten im Krankenhausbereich<br />
s<strong>in</strong>d weiter abzubauen.<br />
Bei <strong>der</strong> drohenden Schlieûung von<br />
Krankenhäusern darf die Notwendigkeit<br />
<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Grundversorgung<br />
und die Bedeutung von Krankenhäusern<br />
als regionaler Arbeitgeber <strong>in</strong> ländlichen<br />
Regionen nicht zugunsten von Oberzentren<br />
vernachlässigt werden.<br />
Der Grundsatz ¹ambulant vor stationärª<br />
muû verstärkt werden. Dabei ist die<br />
Kooperation zwischen Krankenhausärzten<br />
und an<strong>der</strong>en Anbietern im Gesundheitswesen<br />
zu <strong>in</strong>tegrierten Versorgungsformen<br />
auszubauen. Die immer noch<br />
bestehenden starren Grenzen zwischen<br />
ambulanter und stationärer Versorgung<br />
müssen aufgegeben werden. Krankenhäuser<br />
müssen bei Bedarf zur ambulanten<br />
fachärztlichen Versorgung zugelassen<br />
werden können. Nie<strong>der</strong>gelassene<br />
¾rzte müssen die <strong>in</strong> Krankenhäusern<br />
vorhanden; Strukturen auf vertraglicher<br />
Basis mitbenutzen, z. B. mediz<strong>in</strong>-technische<br />
Geräte, Möglichkeit <strong>der</strong> ambulanten<br />
Operationen.<br />
Die Möglichkeit von ambulanten Operationen,<br />
sowie von vor- und nachstationären<br />
Behandlungen durch das Krankenhaus<br />
ist durch Kostenträger und<br />
Krankenhausträger zügig umzusetzen.
Das duale Krankenhausf<strong>in</strong>anzierungssystem<br />
ist zu überprüfen und mittelfristig<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e monistische F<strong>in</strong>anzierung zu<br />
überführen.<br />
9. Die Beitragszahlung zur Krankenversicherung<br />
darf nicht ausschlieûlich lohnorientiert<br />
bleiben, weil dadurch<br />
beschäftigungs<strong>in</strong>tensivere Bereiche wie<br />
Handwerk und Dienstleistungsgewerbe<br />
gegenüber <strong>der</strong> rationalisierenden Groû<strong>in</strong>dustrie<br />
überproportional mit Sozialabgaben<br />
belastet werden.<br />
10. Die gesetzlichen Krankenkassen s<strong>in</strong>d<br />
für alle Bevölkerungsgruppen zu öffnen<br />
und attraktiver zu machen, damit e<strong>in</strong><br />
echter Solidarausgleich möglich wird<br />
und ¹gute Risikenª nicht automatisch<br />
<strong>in</strong> private Versicherung abgedrängt werden.<br />
Den gesetzlichen Krankenkassen<br />
muû daher auch die Möglichkeit von<br />
Zusatzangeboten e<strong>in</strong>geräumt werden.<br />
Mediz<strong>in</strong>isch notwendige Leistungen<br />
gehören <strong>in</strong> das Leistungsangebot <strong>der</strong><br />
Krankenkassen.<br />
III. Reha vor Rente<br />
Vorsorgemaûnahmen tragen zur Kostenreduzierung<br />
im Akutbereich bei. Daher s<strong>in</strong>d<br />
Prävention und Rehabilitation im Gesundheitswesen<br />
stärker auszubauen. Der Grundsatz<br />
¹Rehabilitation vor Renteª, wie mit<br />
dem Rehabilitationsangleichungsgesetz <strong>der</strong><br />
sozial-liberalen Koalition e<strong>in</strong>geführt, muû<br />
wie<strong>der</strong> stärker umgesetzt werden. Die massiven<br />
Erhöhungen <strong>der</strong> Eigenbeteiligungen<br />
im Reha-Bereich sowie die Verkürzung <strong>der</strong><br />
geför<strong>der</strong>ten Reha-Maûnahmen s<strong>in</strong>d<br />
zurückzunehmen. Der Rechtsanspruch auf<br />
berufliche Rehabilitation von Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten<br />
von <strong>der</strong> Bundestagsmehrheit abgeschafft ±<br />
ist wie<strong>der</strong> herzustellen.<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich gegen diese sozial unausgewogenen<br />
Maûnahmen e<strong>in</strong>.<br />
Sie for<strong>der</strong>t:<br />
± die Umstrukturierung von Heilbä<strong>der</strong>n<br />
und Kurorten zu Gesundheitszentren <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er ökologisch <strong>in</strong>takten Umwelt,<br />
± die För<strong>der</strong>ung wohnortnaher Rehabilitation,<br />
± die Nutzung von frei werdenden Reha-<br />
Kl<strong>in</strong>iken als Akutkrankenhäuser anstelle<br />
von teuren Krankenhaussanierungen,<br />
± Kooperationsverträge zwischen Krankenhäusern<br />
und Krankenhäusern und Reha-<br />
E<strong>in</strong>richtungen (ausgetauschte Leistungen<br />
dürfen dabei nicht e<strong>in</strong>e Umsatzsteuer-<br />
Pflicht begründen),<br />
± Schaffung von Schwerpunktorten für stationäre,<br />
teilstationäre und ambulante<br />
Rehabilitation,<br />
± Verzahnung von Akutmediz<strong>in</strong>, Rehabilitation<br />
und Pflege sowohl im stationären<br />
als auch im ambulanten Bereich<br />
voranzutreiben.<br />
IV. E<strong>in</strong>er Politik, die die Schwächsten <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Gesellschaft weiter schwächt, um<br />
gleichzeitig Millionären und Milliardären<br />
Steuergeschenke machen zu können, setzt<br />
die <strong>SPD</strong> entschiedenen Wi<strong>der</strong>stand entgegen.<br />
Die <strong>SPD</strong> will die Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> solidarischen gesetzlichen Krankenversicherung,<br />
statt den Umbau zu e<strong>in</strong>er Zwei-<br />
Klassen-Mediz<strong>in</strong>.<br />
Begründung: Der Angriff auf die solidarische<br />
Krankenversicherung verstärkt den<br />
Trend zur Spaltung <strong>der</strong> Gesellschaft <strong>in</strong> arm<br />
und reich.<br />
Beispiele s<strong>in</strong>d<br />
± die Kürzung des Krankengeldes seit<br />
1. 1. 1997 um zehn Prozent,<br />
± die Abschaffung des Kassenzuschusses<br />
zum Zahnersatz für alle, die nach 1978<br />
geboren wurden,<br />
± weiter deutliche Erhöhung <strong>der</strong> Eigenbeteiligung<br />
<strong>der</strong> Kranken von bisher <strong>in</strong>sgesamt<br />
13 Mrd. DM auf zukünftig m<strong>in</strong>destens<br />
18 Mrd. DM bei dynamischer<br />
jährlicher Anpassung.<br />
Trickreich wird so die bisherige paritätische<br />
Beitragsaufteilung zwischen Arbeitgebern<br />
und Arbeitnehmern e<strong>in</strong>seitig zu<br />
Lasten <strong>der</strong> Arbeitnehmer und Versicherten<br />
verschoben.<br />
Die Erhöhung des Eigenanteils,<br />
± bei Fahrtkosten von 20 DM auf 25 DM,<br />
319
± bei Verbandmittel von 4 DM auf 9 DM,<br />
± bei Krankenhausaufenthalt täglich von<br />
12 DM auf 17 DM sowie<br />
± bei Bewegungstherapie, Krankengymnastik,<br />
Sprachtherapie, Massagen von 10 %<br />
auf 15 %<br />
± Notopfer <strong>der</strong> Versicherten für Krankenhaus<strong>in</strong>standsetzung<br />
jährlich 20 DM<br />
± Erhöhung des Eigenanteils für Medikamente<br />
von 4,±, 6,±, 8,± DM auf 9,±, 11,±,<br />
13,± DM.<br />
Damit zahlen die Betroffenen zukünftig ca.<br />
40 % <strong>der</strong> Arzneimittel selbst!<br />
± Kürzung <strong>der</strong> Aufenthaltsdauer bei Rehabilitationsmaûnahmen<br />
von vier auf drei<br />
Wochen,<br />
± Erhöhung <strong>der</strong> täglichen Eigenbeteiligung<br />
bei Reha-Maûnahmen auf 25 DM,<br />
± Anrechnung von m<strong>in</strong>destens zwei<br />
Urlaubstagen pro Kurwoche,<br />
± Verlängerung des Wie<strong>der</strong>holungszeitraumes<br />
für Kuren von drei auf vier Jahre.<br />
In <strong>der</strong> Folge wird Krankheit zu e<strong>in</strong>em privaten<br />
Kostenfaktor, <strong>der</strong> für viele nicht<br />
mehr bezahlbar ist. Krankenkassen müssen<br />
Beiträge zur Deckung <strong>der</strong> gesetzlich vorgeschriebenen<br />
Leistungen erheben. Sie haben<br />
auf die Ausgaben und E<strong>in</strong>nahmen kaum<br />
E<strong>in</strong>fluû. Beiträge werden entsprechend den<br />
Bruttolöhnen erhoben bzw. s<strong>in</strong>d vom<br />
Gesetzgeber bei bestimmten Personengruppen<br />
(Arbeitslose, Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te, Sozialhilfeempfänger)<br />
festgelegt. Die Krankenkassen<br />
haben nicht nur e<strong>in</strong> Ausgabenproblem,<br />
son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>nahmeproblem. Alle<strong>in</strong><br />
durch die gesetzliche Reduzierung <strong>der</strong> Beiträge<br />
für Arbeitslose wurden den Krankenkassen<br />
6 Mrd. DM jährlich entzogen. Mit<br />
<strong>der</strong> Kürzung <strong>der</strong> Lohnfortzahlung kommen<br />
weitere 2 Mrd. DM M<strong>in</strong><strong>der</strong>e<strong>in</strong>ahmen<br />
h<strong>in</strong>zu.<br />
Erneut wird e<strong>in</strong>e stärkere Belastung des<br />
Sozialhilfeetats provoziert. Gleichzeitig<br />
drängen Koalitionspolitiker auf Abbau von<br />
Sozialhilfeleistungen. Getreu dem Motto<br />
¹Angebot regelt die Nachfrageª wird genau<br />
das gemacht, was die Kosten im Gesund-<br />
320<br />
heitswesen nicht nach unten, son<strong>der</strong>n weiter<br />
nach oben treibt, z.B. Aufhebung <strong>der</strong><br />
Groûgeräteverordnung und Abschaffung<br />
<strong>der</strong> Positivliste für Arzneimittel (Liste verordnungsfähiger<br />
Arzneimittel).<br />
Die gesetzliche Krankenversicherung wird<br />
<strong>in</strong> ihrer Existenz bedroht<br />
Den Krankenkassen wurde zum 1. 1. 1997<br />
e<strong>in</strong>e Beitragssatzsenkung um 0,4 % systemwidrig<br />
gesetzlich verordnet. Das Defizit<br />
<strong>der</strong> Krankenkassen von zur Zeit ca.<br />
10 Mrd. DM wird so durch den Bundesgesetzgeber<br />
wi<strong>der</strong>rechtlich vergröûert. Bei<br />
Beitragserhöhung erhöht sich nach dem<br />
Willen des Gesetzgebers zukünftig automatisch<br />
noch mal die Eigenbeteiligung für<br />
Kranke. Im Ergebnis wird dies dazu führen,<br />
daû den gesetzlichen Krankenkassen<br />
Versicherte zu beitragsgünstigeren Kassen<br />
¹davonlaufenª, o<strong>der</strong> ± sofern möglich ± <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e private Krankenversicherung wechseln.<br />
Folge: Krankenkassen mit sogenannten<br />
schlechten Risiken wie z.B. die AOK werden<br />
<strong>in</strong> ihrer Existenz bedroht. Mit ihrer<br />
Existenzgefährdung s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> bei <strong>der</strong><br />
AOK-Nie<strong>der</strong>sachsen 6500 Arbeitsplätze<br />
bedroht. Die AOK-Nie<strong>der</strong>sachsen ist nach<br />
VW <strong>der</strong> zweitgröûte Arbeitgeber im Land.<br />
Die Bonner Beschlüsse im Rehabereich<br />
führen zu gesundheitspolitisch und volkswirtschaftlich<br />
unverantwortlichen<br />
Konsequenzen<br />
Die beschlossene Kürzung <strong>der</strong> Ausgaben<br />
im Reha-Bereich von 14 auf 11 Mrd. DM<br />
führt mit den übrigen den Reha-Bereich<br />
betreffenden Beschlüssen zu gesundheitspolitisch<br />
nicht zu verantwortenden Folgen:<br />
Immerh<strong>in</strong> dienen 90 % <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Reha-Maûnahmen <strong>der</strong> gesundheitlichen<br />
Wie<strong>der</strong>herstellung von Menschen nach<br />
schweren Erkrankungen. Bei Reduzierung<br />
o<strong>der</strong> Wegfall dieser Maûnahmen würden<br />
viele berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig<br />
werden o<strong>der</strong> bleiben. Die Kürzungen<br />
gefährden auûerdem den wirtschaftlichen<br />
Bestand von Heilbä<strong>der</strong>n und Kl<strong>in</strong>iken.<br />
Alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen s<strong>in</strong>d 50 Heilbä<strong>der</strong><br />
und etwa 40 von 130 Reha-Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong><br />
ihrer Existenz bedroht. Das bedeutet den
direkten Verlust von 4000 bis 5000<br />
Arbeitsplätzen. Mittelbar s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> monostrukturierten<br />
Gebieten m<strong>in</strong>destens 10000<br />
Arbeitsplätze e<strong>in</strong>schlieûlich Beherbergungsgewerbe,<br />
Zuliefererbetriebe, Handel- und<br />
Gewerbe gefährdet. Für die nie<strong>der</strong>sächsischen<br />
Heilbä<strong>der</strong> hat die Bundesregierung<br />
damit e<strong>in</strong> Arbeitsgesetzvernichtungsprogramm<br />
auf den Weg gebracht.<br />
Folgen für Versicherte: Weniger Leistung<br />
für mehr Geld<br />
Für Versicherte bedeuten die ¹Reformenª<br />
weniger Leistungen für mehr Geld. Ausgerechnet<br />
Kranke werden <strong>in</strong> nie dagewesener<br />
Weise belastet. Die Bonner Gesetze bewirken<br />
zudem die Ausgrenzung sog. schlechter<br />
Risiken; Krankheit wird zunehmend Privatrisiko.<br />
Die gewachsene solidarische Sozialversicherung<br />
wird zu M<strong>in</strong>imalversorgung<br />
für f<strong>in</strong>anziell Schwache und durch Arbeitslosigkert<br />
und Krankheit <strong>in</strong> Armut getrieben<br />
Menschen degradiert. Es wird Menschen<br />
geben, die an Krankheiten leiden, die sie<br />
sich nicht mehr leisten können, während<br />
sich diejenigen, die es sich leisten können,<br />
Krankheit privat absichern.<br />
Ke<strong>in</strong>e amerikanischen Verhältnisse<br />
Mit dem H<strong>in</strong>weis auf mehr Eigenverantwortung,<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Eigenbeteiligung<br />
und Ausgrenzungen von Leistungen sollen<br />
Versicherte bzw. Kranke nach dem Willen<br />
<strong>der</strong> CDU/CSU und <strong>der</strong> FDP zur Sparsamkeit<br />
erzogen werden. Gleichzeitig sollen so<br />
die Lohnnebenkosten gesenkt werden.<br />
Tatsache ist jedoch, daû Leistungen <strong>der</strong><br />
Krankenversicherung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel von ¾rzten<br />
durch Verordnungen ausgelöst werden<br />
und nicht von den Patienten.<br />
In den USA hat das hierzulande von <strong>der</strong><br />
Koalition angestrebte Modell dazu geführt,<br />
daû 50 Mio. Menschen ke<strong>in</strong>e gesetzliche<br />
Absicherung gegen das Krankheitsrisiko<br />
haben. Gleichzeitig beträgt <strong>der</strong> Anteil an<br />
Aufwendungen für das Gesundheitswesen<br />
<strong>in</strong> den USA 14,2 % des Bruttosozialproduktes,<br />
bei uns nur 8,6 %.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 206<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Gesundheitsreform!<br />
Die Krankenversicherung und auch die<br />
Rentenversicherung bilden für die ältere<br />
Generation die wichtigsten Säulen <strong>der</strong><br />
sozialen Sicherheit. Ihre Zuverlässigkeit<br />
und Durchschaubarkeit s<strong>in</strong>d die unverzichtbare<br />
Grundlage für das Vertrauen <strong>der</strong><br />
Bürger <strong>in</strong> ihre politische Führung.<br />
Die jetzige Bundesregierung hat, wie ke<strong>in</strong>e<br />
an<strong>der</strong>e Regierung nach dem Krieg, dieses<br />
Vertrauen verspielt. Hier liegt die groûe<br />
Chance für die <strong>SPD</strong>, bei <strong>der</strong> nächsten Bundestagswahl<br />
das Vertrauen <strong>der</strong> Bürger <strong>in</strong><br />
den ¹Sozialstaat Bundesrepublik Deutschlandª<br />
wie<strong>der</strong> herzustellen.<br />
Die von <strong>der</strong> Regierung im September 1996<br />
vorgelegten Eckpunkte zur Fortführung<br />
<strong>der</strong> Gesundheitsreform, übertrafen h<strong>in</strong>sichtlich<br />
<strong>der</strong> Ansätze zur Privatisierung des<br />
Krankheitsrisikos, zur Kostenumverteilung,<br />
zur Entsolidarisierung bei weitem alle<br />
Befürchtungen, die nach dem Beitragsentlastungsgesetz,<br />
laut geworden waren.<br />
Ungeschm<strong>in</strong>kt wurde deutlich, daû <strong>der</strong><br />
Weg <strong>in</strong> die Zweiklassen-Mediz<strong>in</strong> programmiert<br />
ist mit dem Ziel, welches <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
die FDP verfolgt, die Arbeitgeber<br />
auch von den Krankenversicherungsbeiträgen<br />
zu befreien. E<strong>in</strong> Ziel, welches sie ja bei<br />
<strong>der</strong> Pflegeversicherung schon erreicht hat.<br />
Wenn es auch dem massiven Protest <strong>der</strong><br />
Gewerkschaften und <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> als dem<br />
Bündnis für die solidarische Krankenversicherung<br />
gelungen ist, das Schlimmste<br />
abzuwenden, besteht durch die erneute<br />
Erhöhung <strong>der</strong> Zuzahlungen, e<strong>in</strong>e paritätische<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Krankenversicherung<br />
nicht mehr. Es kann bestenfalls noch<br />
321
von e<strong>in</strong>er Beteiligung <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />
gesprochen werden.<br />
E<strong>in</strong> weiteres, sehr deutliches Beispiel auf<br />
dem e<strong>in</strong>geschlagenen Weg <strong>in</strong> die Zweiklassen-Mediz<strong>in</strong>,<br />
ist das per Gesetz generell<br />
möglich gewordene Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Kostenerstattung<br />
bei ärztlichen Leistungen. An<br />
Stelle <strong>der</strong> Chipkarte <strong>der</strong> Krankenkasse, mit<br />
<strong>der</strong> die Übernahme <strong>der</strong> Behandlungskosten<br />
durch die Kasse gesichert ist, soll die Arztrechnung<br />
stehen und <strong>der</strong> Patient soll sich<br />
se<strong>in</strong>en Kassenanteil selbst holen, damit <strong>der</strong><br />
Arzt unabhängig se<strong>in</strong>e Leistungen berechnen<br />
kann.<br />
Die systematische Zerstörung unserer<br />
sozialen Sicherungssysteme durch die jetzige<br />
Bundesregierung kann nur durch<br />
e<strong>in</strong>en Wahlsieg unserer Partei bei <strong>der</strong><br />
nächsten Bundestagswahl gestoppt und<br />
rückgängig gemacht werden.<br />
Von e<strong>in</strong>em sozialdemokratischen Gesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />
for<strong>der</strong>n wir:<br />
± Die Streichung <strong>der</strong> Positivliste ¹verordnungsfähiger<br />
Arzneimittelª muû rückgängig<br />
gemacht werden.<br />
± Die Voraussetzungen für Rehabilitationsmaûnahmen,<br />
beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> Rehakl<strong>in</strong>iken,<br />
müssen klar und präzise def<strong>in</strong>iert werden.<br />
Rentner und aktive Krankenversicherte<br />
brauchen ke<strong>in</strong>e verschiedenen<br />
Rehakriterien.<br />
± Die Krankengeldkürzung um 10 Prozent<br />
bei den Rehamaûnahmen muû zurückgenommen<br />
werden.<br />
± Die Zuzahlungen auf Medikamente s<strong>in</strong>d<br />
zu streichen.<br />
± Weitere Zuzahlungen s<strong>in</strong>d zu reduzieren<br />
(Zahnersatz, Krankenhaus, Kuren, Heilund<br />
Hilfsmittel, Fahrtkosten).<br />
± Die Pflichtversicherungsgrenze und die<br />
Beitragsbemessungsgrenze müssen angehoben<br />
werden. Als Limit bietet sich die<br />
Beitragsbemessungsgrenze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />
an.<br />
± Die volle Lohnfortzahlung bei Krankheit<br />
muû wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführt werden.<br />
322<br />
± Die seit dem 1. Juli 1997 für alle Versicherten<br />
e<strong>in</strong>geführte Möglichkeiten, sich<br />
vom Arzt ¹privatª behandeln zu lassen,<br />
ist ersatzlos zu streichen.<br />
± Präventionsmaûnahmen müssen erhalten<br />
und weiter ausgebaut werden.<br />
± Bei Härtefallregelungen müssen Höchstbeschränkungen<br />
aufgehoben werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 207<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Velbert<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Gesundheitspolitik<br />
Die <strong>SPD</strong> möge folgende Positionen zur<br />
Gesundheitspolitik <strong>in</strong> das Bundestagswahlprogramm<br />
aufnehmen:<br />
Die <strong>SPD</strong> wird im Fall <strong>der</strong> Regierungsübernahme<br />
die gesetzlichen Voraussetzungen<br />
für e<strong>in</strong> qualitativ gutes, gerechtes und<br />
kostengünstiges Gesundheitssystem für alle<br />
schaffen.<br />
Extreme Erhöhungen <strong>der</strong> Zuzahlung und<br />
Selbstbeteiligung bei Arznei- und Heilmitteln,<br />
Krankenhaus, Zahnersatz und Rehabilitation<br />
s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> zusätzlicher Beitrag, <strong>der</strong><br />
alle<strong>in</strong> von den <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e kranken Versicherten<br />
getragen werden muû. Die Parität<br />
zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern<br />
wird auf kaltem Wege beseitigt. Dies ist<br />
für die <strong>SPD</strong> nicht tragbar.<br />
Wir halten den <strong>der</strong>zeitigen Anteil von etwa<br />
8 Prozent am Brutto<strong>in</strong>landsprodukt für<br />
Gesundheit für angemessen. Werden die<br />
Mittel sachgerecht e<strong>in</strong>gesetzt und nicht für<br />
uns<strong>in</strong>nige und überteuerte Behandlungen<br />
verschwendet, reichen sie aus, um alle Mitbürger<br />
bedarfsgerecht zu versorgen und<br />
soziale Ungerechtigkeiten wie die Streichung<br />
<strong>der</strong> Kostenübernahme für Zahnersatz<br />
zu vermeiden.<br />
Wir wenden uns gegen die E<strong>in</strong>führung von<br />
Elementen wie Kostenerstattung, wählbare
Selbstbeteiligung o<strong>der</strong> Beitragsrückerstattung<br />
<strong>in</strong> die gesetzliche Krankenversicherung.<br />
Diese Elemente verletzen die Pr<strong>in</strong>zipien<br />
<strong>der</strong> sozialen Versicherung und führen<br />
zu e<strong>in</strong>er Risikoselektion und e<strong>in</strong>er weiteren<br />
Benachteiligung von Alten und Kranken,<br />
die die Mittel für rabattierte Beiträge aufbr<strong>in</strong>gen<br />
müssen. Wir for<strong>der</strong>n die gesetzlichen<br />
Krankenversicherungen und ihre<br />
Selbstverwaltungsorgane auf, sich untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
darüber zu verständigen, diese Elemente<br />
nicht <strong>in</strong> ihre Satzung aufzunehmen.<br />
Wir s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Auffassung, daû Prävention<br />
erfor<strong>der</strong>lich ist, um allen Bürgern unabhängig<br />
von E<strong>in</strong>kommen und Bildungsstand<br />
gleiche Chancen zum Erhalt ihrer Gesundheit<br />
zu geben. Insbeson<strong>der</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> aus<br />
sozial schwachen Verhältnissen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>zeit<br />
erheblich benachteiligt.<br />
Wir halten es für erfor<strong>der</strong>lich, die Bürger<br />
<strong>in</strong> ihren Mitwirkungsmöglichkeiten um im<br />
Schutz ihrer Interessen (z.B. Wahl zwischen<br />
Therapiemöglichkeiten, Informationen<br />
zu Krankenhäusern, ¾rzten und Zahnärzten<br />
und Arzneimittel, Hilfe bei<br />
Kunstfehlern) zu stärken. Wir for<strong>der</strong>n die<br />
E<strong>in</strong>richtung von fachlich beratenden Stellen,<br />
die unabhängig von Gew<strong>in</strong>n<strong>in</strong>teressen<br />
arbeiten. Wir for<strong>der</strong>n die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es<br />
Patientenschutzgesetzes.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 208<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Karlsfeld<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Gesundheitsreform<br />
¹Der Bundesparteitag möge den Bundesvorstand<br />
auffor<strong>der</strong>n, se<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluû geltend<br />
zu machen, um<br />
± das 1. und 2. Neuordnungsgesetz im<br />
Gesundheitswesen sowie<br />
± die 3. Stufe <strong>der</strong> Gesundheitsreform<br />
zurückzunehmen.<br />
Es muû das Ziel e<strong>in</strong>er Gesundheitsreform<br />
se<strong>in</strong>, unsoziale Folgen zu vermeiden, wie<br />
sie zur Zeit z.B. bei <strong>der</strong> Zahlungspraxis<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Alte und chronisch<br />
Kranke zu beobachten s<strong>in</strong>d.<br />
Der Bundesvorstand soll sich für e<strong>in</strong>e<br />
sozial verantwortbare Gesundheitsreform<br />
e<strong>in</strong>setzen, die alle nach ihrer Leistungskraft<br />
an den Kosten beteiligt.ª<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 209<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Frankfurt/<br />
Ma<strong>in</strong>-Nordwest<br />
III-Süd (Bezirk Hessen-Süd)<br />
Rücknahme <strong>der</strong> 3. Stufe<br />
<strong>der</strong> Gesundheits¹reformª:<br />
¹Den Weg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Republik verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n!ª<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die Programmkommission<br />
<strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Deutschlands auf, die<br />
Rücknahme <strong>der</strong> Seehoferschen Gesundheits¹reformª<br />
<strong>in</strong> das Bundestagswahlprogramm<br />
©98 aufzunehmen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 210<br />
Landesverband Saar<br />
Ablehnung von<br />
Selbstbeteiligung im<br />
Krankheitsfall<br />
Die <strong>SPD</strong> wendet sich nachhaltig gegen<br />
jede weitere Ausweitung <strong>der</strong> Selbstbeteiligung<br />
im Krankheitsfall. Insbeson<strong>der</strong>e lehnt<br />
sie entschieden die von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
beabsichtigte Zuzahlung zu psychotherapeutischen<br />
Leistungen ab.<br />
323
Die Bundesregierung wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
die unsozialen und unsolidarischen Maûnahmen<br />
zu Lasten <strong>der</strong> kranken, alten und<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen zurückzunehmen.<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion, die <strong>SPD</strong>-<br />
Landtagsfraktionen, die <strong>SPD</strong>-regierten<br />
Län<strong>der</strong> und <strong>der</strong> Parteivorstand werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich entschieden je<strong>der</strong> weiteren<br />
Demontage unserer solidarischen Gesundheitsversorgung<br />
zu wi<strong>der</strong>setzen und die<br />
Öffentlichkeit konsequent über diese Grausamkeiten<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung zu <strong>in</strong>formieren.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 211<br />
Bezirk Braunschweig<br />
Arbeitsplätze sichern Kur und<br />
Rehabilitation im Harz<br />
erhalten<br />
Die <strong>SPD</strong> wendet sich entschieden gegen<br />
das von CDU/CSU und FDP im Bundestag<br />
geplante Gesetz zur Senkung <strong>der</strong><br />
Kosten im Sozialversicherungssystem im<br />
Bereich <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Rehabilitation.<br />
Die <strong>SPD</strong> und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, alle politischen Möglichkeiten<br />
zu nutzen, um die geplante Zerschlagung<br />
des mediz<strong>in</strong>ischen Badebetriebes,<br />
<strong>der</strong> Anschluûheilbehandlungen, <strong>der</strong><br />
stationären Kuren und Vorsorgemaûnahmen<br />
und <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Rehabilitation<br />
zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
Die Bundesregierung plant die Streichung<br />
von 490 000 Rehabilitationsmaûnahmen für<br />
kranke Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmer<br />
und damit bundesweit e<strong>in</strong>e Schlieûung<br />
von etwa 200 Rehabilitationskl<strong>in</strong>iken. Mehr<br />
als 22000 Arbeitsplätze s<strong>in</strong>d dabei <strong>in</strong><br />
Gefahr.<br />
324<br />
Die Mehrzahl dieser Kl<strong>in</strong>iken liegt <strong>in</strong><br />
landschaftlich reizvollen, aber oft auch<br />
strukturschwachen Regionen mit hoher<br />
Arbeitslosigkeit. So bef<strong>in</strong>den sich von den<br />
33 Kl<strong>in</strong>iken des Regierungsbezirkes Braunschweig<br />
25 <strong>in</strong> Braunlage, Bad Harzburg,<br />
Clausthal-Zellerfeld, Goslar, Sankt Andreasberg,<br />
Seesen, Bad Grund, Bad Lauterberg,<br />
Bad Sachsa, Zorge und Osterode. Da<br />
Nie<strong>der</strong>sachsen re<strong>in</strong> rechnerisch mit etwa<br />
40 Kl<strong>in</strong>ikschlieûungen betroffen ist, wären<br />
im Regierungsbezirk Braunschweig vor<br />
allem die Städte und Geme<strong>in</strong>den des Harzes<br />
von diesem dramatischen Arbeitsplatzabbau<br />
gefährdet.<br />
Alle<strong>in</strong> 600 Arbeitsplätze im unmittelbaren<br />
Kur- und Rehabilitationsbereich <strong>der</strong> Harzer<br />
Städte und Geme<strong>in</strong>den drohen verloren<br />
zu gehen. Mehr als 2000 Arbeitsplätze im<br />
nachgeordneten Bereich <strong>der</strong> Zulieferfirmen<br />
s<strong>in</strong>d darüber h<strong>in</strong>aus betroffen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 212<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Rehabilitationsmaûnahmen<br />
Es wird befürwortet, daû Rehabilitationsmaûnahmen<br />
auch weiterh<strong>in</strong> von nie<strong>der</strong>gelassenen<br />
¾rzten gestellt werden können<br />
und die E<strong>in</strong>weisung aus <strong>der</strong> ambulanten<br />
Behandlung direkt <strong>in</strong> die Rehabilitationskl<strong>in</strong>ik<br />
möglich ist.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)
Antrag I 213<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Rehabilitationsmaûnahmen<br />
Rehabilitationsmaûnahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Abschluûheilbehandlung müssen wie<strong>der</strong><br />
länger als 3 Wochen möglich se<strong>in</strong> (m<strong>in</strong>d.<br />
4 Wochen).<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 214<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Rehabilitationsanträge<br />
Rehabilitationsanträge z.B. für Anschluûheilbehandlungs-Maûnahmen<br />
sollen nicht<br />
wie bisher erst durch die BfA o<strong>der</strong> LVA<br />
geprüft werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 215<br />
Unterbezirk Goslar<br />
(Bezirk Braunschweig)<br />
Belegungsrückgänge im Kurund<br />
Reha-Bereich stoppen<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, politisch alles <strong>in</strong> ihrer Macht<br />
stehende zu tun, die Belegungsrückgänge<br />
im Kur- und Reha-Bereich zu stoppen und<br />
die CDU/FDP-Koalition daran zu h<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
durch weitere Neuordnungsgesetze die<br />
Bereiche <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Badebetriebe,<br />
<strong>der</strong> Anschluûbehandlungen und <strong>der</strong> stationären<br />
Kuren und Vorsorgemaûnahmen aus<br />
dem Leistungskatalog <strong>der</strong> Krankenkassen<br />
herauszunehmen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 216<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Überleben als Rechenexempel<br />
Es ist zu verurteilen und schon im Vorfeld<br />
auszuschlieûen, daû durch ¹Rationalisierungsªmaûnahmen<br />
im Gesundheitssystem<br />
bestimmte Personengruppen von mediz<strong>in</strong>isch<br />
notwendigen Leistungen ausgeschlossen<br />
werden, z.B. ¾ltere von Operationen<br />
o<strong>der</strong> Schwerstkranke o<strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te von<br />
lebensverlängernden Maûnahmen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 217<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Gleichstellung <strong>der</strong> psychisch<br />
Kranken mit den somatisch<br />
Kranken<br />
Es muû die Notwendigkeit ausgesprochen<br />
werden und den Kostenträgern empfohlen<br />
werden, daû die Psychiatrie-Personalverordnung,<br />
die 1990 von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
verabschiedet wurde ± nach Psychiatrie-Enquete<br />
1975 und Empfehlungen <strong>der</strong><br />
Expertenkommission 1988 ± erhalten bleibt<br />
und damit auch <strong>der</strong> Trend zur Gleichstellung<br />
<strong>der</strong> psychisch Kranken mit den somatisch<br />
Kranken.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
325
Antrag I 218<br />
Unterbezirk Herne<br />
(Bezirk Westliches Westfalen)<br />
Werbung<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundespartei wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich dafür e<strong>in</strong>zusetzen, daû die Werbung<br />
für alkoholische Getränke <strong>in</strong> den öffentlich-rechtlichen<br />
und privaten Rundfunkund<br />
Fernsehanstalten, analog zur Verfahrensweise<br />
bei <strong>der</strong> Werbung für Tabakwaren<br />
e<strong>in</strong>geschränkt wird.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 220<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Sozialhilfereform<br />
Die Bundespartei und die sozialdemokratischen<br />
Mitglie<strong>der</strong> des Bundestages werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, sich für die Rücknahme des<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialhilfereform geän<strong>der</strong>ten § 3a<br />
sowie weiterer Vorschriften des BSHG und<br />
für den Vorrang <strong>der</strong> ambulanten Hilfe vor<br />
<strong>der</strong> stationären Versorgung e<strong>in</strong>zusetzen,<br />
damit Menschen mit Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungen weiterh<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> selbstbestimmtes Leben <strong>in</strong><br />
selbstgewählter Umgebung führen zu können.<br />
Sollte die Rücknahme auf dem parlamentarischen<br />
(legislativen) Weg nicht zum<br />
Erfolg führen, so haben sie sich um Durchführung<br />
e<strong>in</strong>es Normenkontrollverfahrens<br />
zu bemühen, um so die ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Rechtsform zu erwirken. Für die Län<strong>der</strong><br />
müssen landesrechtliche Regelungen<br />
geschaffen werden, die e<strong>in</strong>e Zwangse<strong>in</strong>weisung<br />
<strong>in</strong> Heime nicht zulassen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
326<br />
Antrag I 221<br />
Unterbezirk Passau<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Sozialhilfe<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, daû die<br />
Sozialhilfe auch <strong>in</strong> Zukunft als Sicherung<br />
gegen existentieller Not erhalten bleibt.<br />
Kürzungen s<strong>in</strong>d deswegen genauso abzulehnen<br />
wie noch stärkerer Druck auf die<br />
Empfänger<strong>in</strong>nen von Sozialhilfe. Ziel muû<br />
bleiben, Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen die<br />
Rückkehr o<strong>der</strong> den E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Arbeitsprozeû<br />
zu ermöglichen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 222<br />
Landesverband Baden-Württemberg<br />
Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stieg nach dem<br />
Erziehungsurlaub<br />
Frauen und Männer, die nach dem Erziehungsurlaub<br />
wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> die Berufstätigkeit<br />
e<strong>in</strong>steigen wollen, sollen bei Beschäftigungen<br />
<strong>in</strong> ABM-Verhältnissen- den Leistungsempfänger<strong>in</strong>nen<br />
auf dem Arbeitsmarkt<br />
gleichgesetzt werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 223<br />
Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />
Reform des K<strong>in</strong><strong>der</strong>lastenausgleichs<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />
Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />
Initiativen mit dem Ziel gebeten,
± den K<strong>in</strong><strong>der</strong>lastenausgleich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weise<br />
zu reformieren, daû Familien mit e<strong>in</strong>en<br />
niedrigen Haushaltse<strong>in</strong>kommen e<strong>in</strong><br />
Zuschlag zum K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld gezahlt wird.<br />
Dieser Zuschlag soll für jedes K<strong>in</strong>d<br />
gezahlt werden, für das e<strong>in</strong> Anspruch auf<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld besteht. Er soll den Haushalten<br />
gewährt werden, die aufgrund ihrer<br />
E<strong>in</strong>kommensverhältnisse wohngeldberechtigt<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms und überwiesen<br />
an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 225<br />
Bezirk Rhe<strong>in</strong>hessen<br />
Reform <strong>der</strong> Eigenheimzulage<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />
Län<strong>der</strong> im Bundesrat werden um<br />
Initiativen mit dem Ziel gebeten,<br />
± die Bestimmungen zur Eigenheimzulage<br />
so zu verän<strong>der</strong>n, daû die bisher geltenden<br />
E<strong>in</strong>kommensgrenzen für die gesamte<br />
För<strong>der</strong>dauer maûgeblich s<strong>in</strong>d und die<br />
staatlichen Zuschüsse damit auf die tatsächliche<br />
Zielgruppe beschränkt werden.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktion)<br />
Antrag I 226<br />
Bezirk Ostwestfalen-Lippe<br />
Unterbezirk M<strong>in</strong>den-Lübbecke<br />
(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />
Reichtumsbericht<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich für die Vorlage e<strong>in</strong>es Reichtumsberichtes<br />
auf Bundesebene e<strong>in</strong>zusetzen.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 40<br />
Solidarität zwischen Alt und<br />
Jung: Sozialbeiträge<br />
stabilisieren, Renten sichern<br />
1. Der von <strong>der</strong> Regierung Kohl beschlossene<br />
Anstieg des Rentenversicherungsbeitrages<br />
zum 1. Januar 1998 muû verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />
werden. Dieser Anstieg <strong>der</strong> Sozialabgaben<br />
für Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen und Unternehmen<br />
ist e<strong>in</strong>e schwere Belastung für den Arbeitsmarkt.<br />
Die Verantwortung dafür trägt die<br />
Regierung Kohl, die durch ihr Versagen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Beschäftigungspolitik die F<strong>in</strong>anzierungsprobleme<br />
verursacht hat und <strong>der</strong><br />
Rentenversicherung seit Jahren ungerechtfertigte<br />
F<strong>in</strong>anzierungslasten für die Deutsche<br />
E<strong>in</strong>heit aufbürdet.<br />
Um den Anstieg des Rentenversicherungsbeitrages<br />
zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong><br />
kurzfristig Entlastung <strong>der</strong> Rentenkassen<br />
von den beitragsungedeckten und versicherungsfremden<br />
Leistungen sowie zum<strong>in</strong>dest<br />
e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> die Beseitigung des Miûbrauchs<br />
<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Sozialversicherung. Die <strong>SPD</strong> ist bereit,<br />
geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Bundesregierung für<br />
e<strong>in</strong>e gerechte Umf<strong>in</strong>anzierung durch Verbrauchssteuern<br />
zu sorgen.<br />
Die von <strong>der</strong> Bundesregierung für 1999<br />
beschlossene Rentenkürzung, vor allem die<br />
Absenkung des Rentenniveaus und massiven<br />
E<strong>in</strong>schnitte <strong>in</strong> die Erwerbsunfähigkeitsrenten<br />
lehnen wir ab. Wir for<strong>der</strong>n die<br />
Bundesregierung auf, e<strong>in</strong>e schnelle E<strong>in</strong>igung<br />
über e<strong>in</strong>e Beitragsstabilisierung nicht<br />
durch e<strong>in</strong> vorziehen dieser Maûnahmen zu<br />
blockieren. Die <strong>SPD</strong> sichert zu, daû sie die<br />
unsozialen Folgen <strong>der</strong> Rentenpolitik <strong>der</strong><br />
Regierung Kohl unmittelbar nach <strong>der</strong> Bundestagswahl<br />
1998 korrigieren wird.<br />
2. Zur mittelfristigen Sicherung <strong>der</strong> Rentenf<strong>in</strong>anzierung<br />
s<strong>in</strong>d Strukturreformen notwendig,<br />
die die Rentenversicherung vor<br />
Überfor<strong>der</strong>ung schützen, <strong>der</strong> Erosion des<br />
Normalarbeitsverhältnisses E<strong>in</strong>halt gebieten<br />
und den gesellschaftlichen Strukturverän<strong>der</strong>ungen<br />
Rechnung tragen. Dazu gehören:<br />
327
± Rentenversicherungspflicht <strong>der</strong> ger<strong>in</strong>gfügig<br />
Beschäftigten,<br />
± Rentenversicherungspflicht <strong>der</strong> Selbständigen.<br />
Für die Sche<strong>in</strong>selbständigen, die<br />
ökonomisch von e<strong>in</strong>em Auftraggeber<br />
abhängig s<strong>in</strong>d, hat dieser den Arbeitgeberanteil<br />
zu tragen,<br />
± Laufende Beitragszahlung des Bundes<br />
für K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeiten,<br />
± Bessere Abgrenzung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierungslasten<br />
<strong>der</strong> Rentenversicherung im Verhältnis<br />
zu an<strong>der</strong>en Sozialleistungsträgern<br />
und Neuordnung <strong>der</strong> Leistungen des<br />
sozialen Ausgleichs <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> gesetzlichen<br />
Rentenversicherung,<br />
± Eigenständige Alterssicherung <strong>der</strong><br />
Frauen und Verbesserung <strong>der</strong> rentenrechtlichen<br />
Anerkennung <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehung,<br />
± Steuerf<strong>in</strong>anzierte und bedarfsorientierte<br />
Soziale Grundsicherung im Alter und bei<br />
Invalidität als Ergänzung zur beitragsbezogenen<br />
Rente,<br />
± Harmonisierung <strong>der</strong> Alterssicherungssysteme.<br />
3. Der Schlüssel für die dauerhafte und<br />
langfristige Sicherung <strong>der</strong> Renten ist die<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Massenarbeitslosigkeit<br />
und die Steigerung <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Erwerbstätigen,<br />
vor allem durch Erhöhung <strong>der</strong><br />
Erwerbsbeteiligung <strong>der</strong> Frauen und durch<br />
Vermeidung von Früh<strong>in</strong>validität. Das Zahlenverhältnis<br />
zwischen Beitragszahlern und<br />
Leistungsempfängern muû wie<strong>der</strong> <strong>in</strong>s Lot<br />
gebracht werden. Deshalb hat die Schaf-<br />
328<br />
fung neuer Arbeitsplätze für die <strong>SPD</strong> höchste<br />
Priorität.<br />
Der Generationenvertrag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rentenversicherung<br />
darf nicht aufgekündigt werden.<br />
Die Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger müssen wie<strong>der</strong><br />
auf die Sicherheit <strong>der</strong> Rente vertrauen<br />
können. Die Solidarität zwischen Alt und<br />
Jung muû dauerhaft erhalten bleiben.<br />
Die <strong>SPD</strong> steht zu e<strong>in</strong>er beitrags- und leistungsorientieren<br />
Rente, die im Alter e<strong>in</strong>en<br />
angemessenen Lebensstandard sichert. Die<br />
<strong>SPD</strong> tritt dafür e<strong>in</strong>, daû die betriebliche<br />
Altersversorgung und die Beteiligung <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu<br />
e<strong>in</strong>er festen und zusätzlichen Säule <strong>der</strong><br />
Alterssicherung ausgebaut wird. Sie unterstützt<br />
auch die Stärkung <strong>der</strong> privaten Vorsorge.<br />
Für die langfristige F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong><br />
gesetzlichen Rentenversicherung hat <strong>der</strong><br />
Bericht <strong>der</strong> vom Präsidium <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>gesetzten<br />
Alterssicherungskommission verschiedene<br />
Optionen aufgezeigt, die es<br />
erlauben, die lohnbezogene und lebensstandardsichernde<br />
Rente ohne grundsätzlichen<br />
Systemwechsel zu sichern. Der <strong>Parteitag</strong><br />
for<strong>der</strong>t den Parteivorstand auf, auf <strong>der</strong><br />
Basis dieses Kommissionsberichtes e<strong>in</strong>e<br />
Beschluûempfehlung zu erarbeiten, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>der</strong> Gedanke e<strong>in</strong>er Wertschöpfungsabgabe<br />
und e<strong>in</strong>er Rücklage zur Stabilisierung <strong>der</strong><br />
Beiträge geprüft wird sowie diese<br />
Beschluûvorlage dem nächsten ordentlichen<br />
<strong>Parteitag</strong> vorzulegen.<br />
(Angenommen)
Innen- und Rechtspolitik<br />
Antrag I 228<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />
Sozialstaatsgebot<br />
Die <strong>SPD</strong> Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />
Län<strong>der</strong> werden aufgefor<strong>der</strong>t, ihre<br />
Bemühungen um e<strong>in</strong>e Ergänzung des<br />
Grundgesetzes durch die klassischen Sozialen<br />
Grundrechtsbestimmungen wie<strong>der</strong>aufzunehmen,<br />
um endlich unsere Ziele <strong>der</strong><br />
sozialen Gerechtigkeit und Solidarität auch<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Staats- und Rechtspraxis durchzusetzen.<br />
Dies ist aus den folgenden Gründen<br />
dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />
1. Das grundgesetzliche Sozialstaatsgebot<br />
(Art. 201) wird ± obwohl Oberster Verfassungsgrundsatz<br />
mit ¹Ewigkeitsgarantieª<br />
absoluter Unabän<strong>der</strong>lichkeit<br />
(Art. 79 III) ± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Staats- und Rechtspraxis<br />
nur unzureichend beachtet. Es<br />
hat viele unsoziale Gerichtsentscheidungen-<br />
und Regierungsmaûnahmen wie<br />
den zunehmenden Sozialabbau und die<br />
For<strong>der</strong>ungen auf Ausdünnung des<br />
Sozialstaates nicht verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t.<br />
2. Das Sozialstaatsgebot bedarf daher <strong>der</strong><br />
Präzisierung und Konkretisierung durch<br />
die als Auslegungsregeln zur verfassungskonformen<br />
Auslegung <strong>der</strong> Gesetze<br />
unmittelbar wirksamen Rechte auf<br />
Arbeit, Wohnung, Bildung und Soziale<br />
Sicherheit.<br />
3. Solche Grundgesetzergänzungen würden<br />
auch die gebotene Übere<strong>in</strong>stimmung<br />
zwischen dem Grundgesetz und<br />
den für an<strong>der</strong>e Geltungsbereiche<br />
bestehenden Gewährleistungen Sozialer<br />
Grundrechte herstellen:<br />
In den Landesverfassungen, denen<br />
wegen Fehlens entsprechen<strong>der</strong> Vorschriften<br />
im Grundgesetz (und auch<br />
wegen <strong>der</strong> Bundesgesetzgebungskompe-<br />
tenz für das betr. Sachgebiet) von politisch<br />
<strong>in</strong>teressierter Seite immer wie<strong>der</strong><br />
die Wirksamkeit abgesprochen wird,<br />
<strong>in</strong> den Verfassungen <strong>der</strong> meisten an<strong>der</strong>en<br />
EU-Mitgliedstaaten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen<br />
Menschenrechtskonvention,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Europäischen Sozialcharta,<br />
im Internationalen Pakt über wirtschaftliche,<br />
soziale und kulturelle Rechte.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 229<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Sozialdemokratischer Frauen<br />
Gleichstellung von Männern<br />
und Frauen auch im Ehrenamt<br />
Die Debatte um das freiwillige, nicht nur<br />
das soziale ehrenamtliche Engagement <strong>in</strong><br />
unserer Gesellschaft ist nicht neu. Die<br />
Feststellung, daû beispielsweise unbezahltes<br />
und unbezahlbares Engagement nach wie<br />
vor fester Bestandteil von sozialstaatlichen<br />
Institutionen und Wohlfahrtsverbänden ist<br />
und bleiben wird, ist ebenso wenig umstritten<br />
wie die Tatsache, daû ehrenamtliche<br />
Arbeit durchaus s<strong>in</strong>nstiftend ist für viele<br />
Millionen Frauen und Männer, die hun<strong>der</strong>te<br />
Millionen von Stunden im Jahr unbezahlte<br />
und unbezahlbare Arbeit leisten.<br />
In ökonomisch schwierigen Zeiten dient<br />
<strong>der</strong> Ruf nach För<strong>der</strong>ung und Aufwertung<br />
ehrenamtlicher Arbeit allzu gern und allzu<br />
leicht dazu, die tradierte Arbeitsteilung<br />
zwischen Frauen und Männern zu rekultivieren,<br />
sprich arbeitsmarkt- und sozialpolitische<br />
Probleme auf dem Rücken von<br />
Frauen und auf Kosten <strong>der</strong>en hauptberuflichem<br />
Engagement auszutragen.<br />
329
Das Ehrenamt ± ke<strong>in</strong>e Arbeit zum<br />
Nulltarif<br />
Ehrenamtliche Arbeit darf nicht als<br />
¹Arbeit zum Nulltarifª miûverstanden und<br />
damit als E<strong>in</strong>sparpotential im sozialen<br />
Bereich benutzt werden. Es darf nicht h<strong>in</strong>genommen<br />
werden, daû ehrenamtliche<br />
Arbeit als Ersatz für bezahlte Erwerbsarbeit<br />
angesehen und anstelle von professionellen<br />
Angeboten e<strong>in</strong>gesetzt wird, um<br />
(öffentliche) Haushalte zu entlasten und<br />
Erwerbslosen e<strong>in</strong>e Sche<strong>in</strong>alternative zur<br />
Arbeitslosigkeit anzudienen. Konzepte, die<br />
geradezu darauf ausgerichtet s<strong>in</strong>d, gezielt<br />
Frauen ehrenamtliche Tätigkeit anstelle<br />
von Berufstätigkeit schmackhaft zu<br />
machen, s<strong>in</strong>d unannehmbar. Das gilt um<br />
so mehr <strong>in</strong> Zeiten anhaltend hoher Massenarbeitslosigkeit,<br />
<strong>in</strong> denen <strong>der</strong> Druck auf<br />
Frauen, den Arbeitsmarkt zu ¹entlastenª,<br />
seit jeher gröûer wird. Die Tatsache, daû<br />
sich im Ehrenamt die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft<br />
übliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung<br />
wi<strong>der</strong>spiegelt, darf nicht als quasi<br />
naturgegeben h<strong>in</strong>genommen und damit<br />
<strong>der</strong> konservativen Vere<strong>in</strong>nahmung überlassen<br />
werden.<br />
Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung auch<br />
im Ehrenamt überw<strong>in</strong>den<br />
Es gibt e<strong>in</strong>e unvertretbare Kluft <strong>der</strong><br />
Geschlechterbeteiligung zwischen <strong>der</strong><br />
unmittelbar personenbezogenen Hilfe auf<br />
<strong>der</strong> untersten Hierarchiestufe, die m<strong>in</strong>destens<br />
zu 80 Prozent von Frauen erbracht<br />
wird, und den gleichfalls als Ehrenamt geltenden<br />
Entscheidungs-, Aufsichts- und<br />
Kontrollfunktionen, etwa <strong>in</strong> Beiräten aller<br />
Art. Das unentgeltliche Ehrenamt im<br />
Bereich <strong>der</strong> Sorge- und Betreuungsarbeit<br />
ist ke<strong>in</strong> ¹Privilegª von Frauen, son<strong>der</strong>n<br />
muû im selben Maû ± <strong>in</strong> allen Bereichen<br />
und auf allen Hierarchiestufen ± auch von<br />
Männern ausgeübt werden. Unter Gleichstellungsgesichtspunkten<br />
muû im Umkehrschluû<br />
erreicht werden, daû Frauen gleichberechtigt<br />
auch an allen gesellschaftlichen<br />
ehrenamtlichen Machtfunktionen beteiligt<br />
werden. In bei<strong>der</strong>lei H<strong>in</strong>sicht würde dies<br />
<strong>der</strong> Kompetenzerweiterung von Männern<br />
und Frauen dienen, womit auch das Quali-<br />
330<br />
fikationsspektrum für Erwerbstätigkeit<br />
bereichert werden könnte.<br />
Gesellschaftliche Solidarität nicht länger<br />
auf Kosten von Frauen<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung von Modellprojekten, die<br />
gezielt Frauen den Zugang zu Ehrenämtern<br />
erleichtern sollen, führen dazu, daû<br />
ehrenamtliche Sozialarbeit Frauenarbeit<br />
bleibt und zu den alten Rollenklischees<br />
zurückführt: Sozusagen Hausarbeit plus für<br />
Frauen und für Männer Berufsarbeit pur.<br />
E<strong>in</strong> solches Muster ist im übrigen schon<br />
deswegen immer weniger e<strong>in</strong>kalkulierbar,<br />
weil die Erwerbsneigung und Erwerbsbefähigung<br />
von Frauen <strong>in</strong> den alten Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
immer mehr zunimmt und <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
ungebrochen hoch ist. Die<br />
Bereitschaft von Frauen zum ¹Dase<strong>in</strong> für<br />
an<strong>der</strong>eª <strong>in</strong> Form von unentgeltlicher und<br />
sozial nicht abgesicherter ehrenamtlicher<br />
Arbeit stöût somit an Grenzen. An<strong>der</strong>erseits<br />
muû vermerkt werden, daû gerade<br />
berufstätige Frauen (und Männer) stark<br />
motiviert s<strong>in</strong>d, sich darüber h<strong>in</strong>aus gesellschaftlich<br />
zu engagieren. Auch das ist bei<br />
e<strong>in</strong>er Neubewertung des Ehrenamtes und<br />
freiwilligen Engagements zu berücksichtigen.<br />
Der Versuch von Konservativen und<br />
¹Liberalenª, den Verlust von Frauen als<br />
¹stille Reserve <strong>der</strong> Sozialpolitikª durch<br />
Programme auszugleichen, die das Pr<strong>in</strong>zip<br />
<strong>der</strong> Freiwilligkeit verlassen und e<strong>in</strong>e soziale<br />
Dienstpflicht für alle vorsehen, muû kategorisch<br />
zurückgewiesen werden. Für<br />
Frauen würde das doppelte Benachteiligung<br />
zusätzlich zu traditionellen Benachteiligungen<br />
bei Berufsausbildung und -ausübung<br />
und e<strong>in</strong>seitiger Rollenaufteilung <strong>in</strong><br />
Haus und Familie bedeuten.<br />
Für die <strong>SPD</strong> ergeben sich daraus folgende<br />
Schluûfolgerungen:<br />
Es müssen vor allem solche Konzepte und<br />
Strategien unterstützt werden, die e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barkeit<br />
von Erwerbsarbeit, Familie und<br />
gesellschaftlichem Engagement anstreben ±<br />
für Frauen und Männer. Das kann u.a.<br />
bedeuten, Möglichkeiten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung<br />
vorzuhalten und Aufwandsentschädi-
gungen vorzusehen für K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuung<br />
und Inanspruchnahme von Dienstleistungen,<br />
um zusätzliche Kosten für Haus- und<br />
Sorgearbeit aufzufangen, soweit es sich<br />
nicht um gut dotierte Aufsichts- und Kontrollfunktionen<br />
handelt.<br />
± Es müssen die Bed<strong>in</strong>gungen dafür<br />
geschaffen werden, ehrenamtliche Arbeit<br />
mit Berufstätigkeit zeitlich zu vere<strong>in</strong>baren.<br />
± Das freiwillige ökologische bzw. soziale<br />
Jahr ist auf Ausbildungszeiten bzw. beim<br />
beruflichen Aufstieg angemessen zu<br />
berücksichtigen, sofern die dabei gesammelten<br />
Erfahrungen e<strong>in</strong>schlägig s<strong>in</strong>d.<br />
± Um die Gleichstellung <strong>der</strong> Geschlechter<br />
auch im Ehrenamt zu erreichen, müssen<br />
verpflichtende Regelungen geschaffen<br />
werden, die Frauen den Zugang zu den<br />
bisher überwiegend Männern vorbehaltenen<br />
Aufsichts- und Kontrollgremien etc.<br />
ermöglichen, z. B. durch<br />
± Quotenvorschriften <strong>in</strong> Satzungen und<br />
Gesetzen (z. B. Rundfunkgesetzen)<br />
± Quotenvorschriften <strong>in</strong> Geschäftsordnungen<br />
von Fraktionen, Wohlfahrtsverbänden<br />
und sonstigen Vere<strong>in</strong>igungen und<br />
Gremien.<br />
± Paritätische Aufgabenverteilung zwischen<br />
den Geschlechtern bei kommunalen<br />
Gebietskörperschaften, kommunalen<br />
Spitzenverbänden, Zweckverbänden usw.<br />
± Es ist zu prüfen, ob bzw. welche steuerlichen<br />
Erleichterungen s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong> können<br />
und unter welchen Umständen e<strong>in</strong>e<br />
additive, steuerf<strong>in</strong>anzierte rentenrechtliche<br />
Regelung erwogen werden können<br />
o<strong>der</strong> ob e<strong>in</strong> Sozialversicherungsbeitrag<br />
von den Nutznieûern ehrenamtlicher<br />
Arbeit erhoben werden sollte. Letzteres<br />
könnte dazu beitragen, die ger<strong>in</strong>gfügigen<br />
Beschäftigungsverhältnisse abzuschaffen,<br />
von <strong>der</strong> z.B. auch soziale Institutionen<br />
profitieren.<br />
± Darüber h<strong>in</strong>aus ist e<strong>in</strong>e Art Bonus-<br />
System zu schaffen, das ehrenamtliche<br />
Arbeit immateriell aufwertet und denen,<br />
die sich engagieren, e<strong>in</strong>e ¹greifbareª<br />
Anerkennung bietet, die um so wichtiger<br />
wird, je ger<strong>in</strong>ger die materielle Auf-<br />
wandsentschädigung ausfällt (wenn nicht<br />
sogar Aufwendungen aus eigener Tasche<br />
erbracht werden müssen).<br />
± Für ehrenamtliche (Wahl-)Funktionen <strong>in</strong><br />
Aufsichts-, Kontroll- und ähnlichen Gremien<br />
s<strong>in</strong>d rechtlich verb<strong>in</strong>dliche Freistellungsregelungen<br />
zu schaffen. Für die<br />
Ausübung zeitlich begrenzter ehrenamtlicher<br />
Funktionen, die e<strong>in</strong>er hauptamtlichen<br />
Tätigkeit gleichzusetzen s<strong>in</strong>d, sollten<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Beurlaubung mit<br />
Arbeitsplatzgarantie vorgesehen werden.<br />
± Für jede Art <strong>der</strong> ehrenamtlichen Arbeit<br />
könnte <strong>in</strong> Anlehnung an bereits erprobte<br />
Nachweissysteme e<strong>in</strong> Nachweisheft<br />
geführt werden, <strong>in</strong> dem z.B. Art, Dauer<br />
und Umfang sowie Fort- und Weiterbildungsmaûnahmen<br />
<strong>der</strong> ehrenamtlichen<br />
Tätigkeit verzeichnet werden. Damit<br />
könnte e<strong>in</strong> Qualifikationsnachweis für<br />
Praktika und Beför<strong>der</strong>ungsaufstieg belegt<br />
werden. Durch die E<strong>in</strong>führung solcher<br />
Nachweissysteme kann ehrenamtliche<br />
Arbeit, die oft im Verborgenen geleistet<br />
wird, sichtbar gemacht und anerkannt<br />
werden.<br />
Ehrenamtlichkeit gilt auch für Politik und<br />
Gewerkschaften<br />
Schlieûlich ist auch e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition vorzunehmen,<br />
welche Aufgaben und Tätigkeiten<br />
als ehrenamtliche Arbeit anzusehen s<strong>in</strong>d.<br />
Nicht nur soziale Dienste o<strong>der</strong> etwa Tätigkeit<br />
<strong>in</strong> Exportvere<strong>in</strong>en sollten anerkannt<br />
werden, son<strong>der</strong>n auch ehrenamtliche<br />
Tätigkeit <strong>in</strong> Gewerkschaften o<strong>der</strong> politischen<br />
Parteien bzw. Vere<strong>in</strong>igungen.<br />
Fazit: Die <strong>SPD</strong> will e<strong>in</strong>e zielgerichtete För<strong>der</strong>ung<br />
von Ehrenämtern und freiwilligem<br />
Engagement. Dabei muû darauf h<strong>in</strong>gewirkt<br />
werden, daû die Aufhebung <strong>der</strong><br />
geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und<br />
e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Aufteilung von ergänzen<strong>der</strong><br />
ehrenamtlicher Arbeit und <strong>der</strong> notwendigen<br />
professionellen Leistung erreicht<br />
und gleichen Zugang zu gesellschaftlichen<br />
Machtpositionen ermöglicht werden. Die<br />
Gesellschaft würde so nicht nur weiblicher,<br />
son<strong>der</strong>n auch menschlicher geprägt.<br />
(Angenommen)<br />
331
Antrag I 230<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Freiwilliges Engagement<br />
für die Geme<strong>in</strong>schaft<br />
Die <strong>SPD</strong> wird das freiwillige Engagement<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>schaft nachdrücklich unterstützen.<br />
Von <strong>der</strong> Bundesregierung sowie den im<br />
Bundestag vertretenen Fraktionen werden<br />
Initiativen e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t, die kurzfristig<br />
Grundlagen für wirksame För<strong>der</strong>ungs- und<br />
Absicherungsmaûnahmen schaffen.<br />
Baldmöglichst umzusetzende Maûnahmen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e:<br />
1. Verstärkte För<strong>der</strong>ung und Koord<strong>in</strong>ation<br />
ehrenamtlich tätiger Kräfte über öffentliche<br />
und private Leistungsträger.<br />
2. E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er steuerfreien Aufwandsentschädigung<br />
zur Deckung <strong>der</strong><br />
den ehrenamtlichen Helfern entstehenden<br />
Kosten.<br />
3. Anerkennung <strong>der</strong> ehrenamtlich geleisteten<br />
Dienstzeit als Rentenanwartschaftszeit<br />
(analog K<strong>in</strong><strong>der</strong>erziehungszeit).<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 231<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Frauenrechte<br />
Die Weltfrauenkonferenz <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g hat<br />
nach langen und kontroversen Diskussionen<br />
e<strong>in</strong>e Aktionsplattform verabschiedet, <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> deutliche For<strong>der</strong>ungen zu den Themen<br />
Armut, Bildung, Gesundheit, Abtreibung,<br />
Sexualität, Gewalt, Menschenrechte,<br />
Gleichstellung, Mädchenarbeit und F<strong>in</strong>anzmittel<br />
formuliert s<strong>in</strong>d. Bekräftigt wurde die<br />
universelle Gültigkeit <strong>der</strong> Frauenrechte als<br />
Menschenrechte; Fortschritte wurden<br />
erzielt bei <strong>der</strong> Bewertung und statistischen<br />
Erfassung unbezahlter Frauenarbeit, bei<br />
332<br />
<strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> sexuellen Rechte und<br />
bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>stufung <strong>der</strong> Gesetze zur Bestrafung<br />
illegaler Schwangerschaftsabbrüche.<br />
An vielen For<strong>der</strong>ungen muûten Abstriche<br />
gemacht werden, damit sie <strong>in</strong> Form von<br />
Kompromissen doch noch konsensfähig<br />
wurden. Überdies lieûen sich viele Staaten<br />
durch ihr Beharren auf nationaler Souveränität<br />
e<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>tertür offen, <strong>in</strong>dem sie ausdrücklich<br />
Vorbehalte mit Blick auf ihnen<br />
miûliebige Empfehlungen formulierten.<br />
Da die Aktionsplattform für die unterzeichnenden<br />
Staaten ohneh<strong>in</strong> nur Empfehlungscharakter<br />
hat und nicht b<strong>in</strong>dend ist, ist es<br />
um so wichtiger, jetzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong><br />
Nachbereitung <strong>der</strong> Weltfrauenkonferenz<br />
mit Nachdruck auf allen politischen Ebenen<br />
auf die Umsetzung <strong>der</strong> <strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g verabschiedeten<br />
For<strong>der</strong>ungen zu drängen.<br />
Deshalb for<strong>der</strong>n wir<br />
1. auf europäischer Ebene:<br />
± daû die Gleichstellung von Frauen zu<br />
e<strong>in</strong>em zentralen Punkt bei den Revisionsverhandlungen<br />
zum Maastrichter<br />
Vertrag gemacht wird<br />
± daû bei den Strukturför<strong>der</strong>maûnahmen<br />
Frauenprojekte o<strong>der</strong> Maûnahmen zur<br />
Frauenför<strong>der</strong>ung paritätisch berücksichtigt<br />
werden<br />
± daû Führungspositionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU<br />
(Europäischer Gerichtshof, Europäischer<br />
Rechnungshof) zu m<strong>in</strong>destens 50 Prozent<br />
von Frauen besetzt werden<br />
± daû das Ziel <strong>der</strong> Gleichstellung von<br />
Frauen als garantierter und damit e<strong>in</strong>klagbarer<br />
Rechtsanspruch <strong>in</strong> <strong>der</strong> europäischen<br />
Grundrechtscharta festgeschrieben<br />
wird<br />
± formelle Frauenm<strong>in</strong>isterien<br />
± EU-Kommissar<strong>in</strong> für Gleichstellung<br />
unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> bisherigen<br />
Beschlüsse zur Europapolitik<br />
2. auf Bundesebene:<br />
± daû bei <strong>der</strong> nationalen Nachbereitungskonferenz<br />
zur Weltfrauenkonferenz die<br />
Nichtregierungsorganisationen als Part-
ner<strong>in</strong>nen bei <strong>der</strong> Verwirklichung <strong>der</strong><br />
Gleichstellung ernst genommen und ihre<br />
wirksame Beteiligung verb<strong>in</strong>dlich sichergestellt<br />
wird<br />
± Maûnahmen, die den une<strong>in</strong>geschränkten<br />
Zugang von Frauen zur Erwerbstätigkeit<br />
sicherstellen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die überproportionale<br />
Arbeitslosigkeit von<br />
Frauen bekämpfen<br />
± Maûnahmen zur Verwirklichung <strong>der</strong><br />
Lohngleichheit bei gleicher und gleichwertiger<br />
Arbeit<br />
± Initiativen zur Neubewertung von sogenannten<br />
frauendom<strong>in</strong>ierten Berufen<br />
± wirksame Maûnahmen, wie z.B. Quotierung,<br />
für die gleichberechtigte Teilhabe<br />
von Frauen an Entscheidungsprozessen<br />
auf allen Ebenen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im politischen<br />
und ökonomischen Bereich<br />
± wirksame gesetzliche und bewuûtse<strong>in</strong>sbildende<br />
Initiativen zum Schutz von<br />
Frauen vor Gewalt, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch<br />
± e<strong>in</strong>e Strafrechtsreform, die Vergewaltigung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Ehe zum Straftatbestand<br />
macht, ohne die Ehefrau Erpressungsversuchen<br />
durch den Täter auszusetzen<br />
± e<strong>in</strong> eigenständiges Aufenthaltsrecht für<br />
miûhandelte ausländische Ehefrauen, das<br />
nicht an Fristen gebunden ist<br />
± die Anerkennung von Verfolgung aufgrund<br />
des Geschlechts bzw. <strong>der</strong> sexuellen<br />
Orientierung als Asylgrund<br />
± die Bereitstellung von Mitteln für die<br />
Friedensforschung und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Friedensforscher<strong>in</strong>nen bei <strong>der</strong> Untersuchung<br />
<strong>der</strong> Auswirkungen von gewaltsamen<br />
Konflikten auf Frauen und <strong>der</strong><br />
Beteiligung von Frauen an friedlichen<br />
Konfliktbearbeitungsmethoden und Konfliktprävention<br />
± die Berücksichtigung <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Auswirkungen auf Frauen bei allen Maûnahmen<br />
und Programmen <strong>in</strong> den <strong>in</strong>ternationalen<br />
ökonomischen Beziehungen<br />
und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
und bei den Strukturanpassungsmaûnahmen<br />
sowie e<strong>in</strong>en verbesserten<br />
Zugang von Frauen zu<br />
f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen wie Krediten,<br />
Subventionen etc.<br />
± Geschlechterparität bei <strong>der</strong> Aufstellung<br />
von Kandidat<strong>in</strong>nen und Kandidaten für<br />
die Wahl o<strong>der</strong> Ernennung bei Institutionen,<br />
Abteilungen und Organisationen<br />
<strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten Nationen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
für die höheren Ebenen<br />
± Vorschläge zur Umschichtung von Haushaltsmitteln,<br />
um die notwendigen f<strong>in</strong>anziellen<br />
Mittel für nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />
Maûnahmen und Programme zur<br />
Gleichstellung von Frauen bereitstellen<br />
zu können<br />
± e<strong>in</strong>e Gestaltung <strong>der</strong> nationalen Entwicklungszusammenarbeit,<br />
die <strong>der</strong> Feststellung<br />
<strong>der</strong> Weltmenschenrechtskonferenz<br />
<strong>in</strong> Wien 1993 Rechnung trägt, daû Menschenrechte<br />
von Frauen und Mädchen<br />
unveräuûerlicher, <strong>in</strong>tegraler und<br />
untrennbarer Bestandteil <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />
Menschenrechte s<strong>in</strong>d und ke<strong>in</strong>er religiösen,<br />
kulturellen o<strong>der</strong> traditionellen E<strong>in</strong>schränkung<br />
unterliegen<br />
± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit die<br />
Verbesserung des Zugangs zu Bildung<br />
für Frauen und Mädchen, die Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Gesundheitsdienste und die<br />
Verbesserung <strong>der</strong> wirtschaftlichen Selbständigkeit<br />
<strong>der</strong> Frauen mit unbürokratischem<br />
Zugang zu Kapitalhilfen und mit<br />
Recht auf Eigentum an Grund und<br />
Boden zu gewährleisten<br />
± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungspolitik die Belange<br />
<strong>der</strong> durch Krieg und Vertreibung beson<strong>der</strong>s<br />
betroffenen Frauen und Mädchen<br />
als eigenständige Aktionsfel<strong>der</strong> zu<br />
berücksichtigen<br />
± über <strong>in</strong>ternationale Vere<strong>in</strong>barungen und<br />
Abkommen Zwangsabtreibungen,<br />
Zwangssterilisationen und gesetzliche<br />
Vorgaben <strong>der</strong> Geburtenkontrolle, Mädchenbeschneidungen,Geschlechtsverstümmelungen<br />
und den Zwang zur Prostitution<br />
zu bekämpfen sowie physische<br />
und psychische Gewalt gegen Frauen zu<br />
ächten<br />
± <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit<br />
mehr Mittel für Familienplanung bereitzustellen<br />
und zu gewährleisten, daû<br />
333
Frauen freien Zugang zu den Methoden<br />
<strong>der</strong> Geburtenkontrolle ihrer Wahl haben<br />
und Männer sowie männliche Jugendliche<br />
<strong>in</strong> den Familienplanungs- und Aufklärungsprozeû<br />
e<strong>in</strong>zubeziehen<br />
± e<strong>in</strong>e nationale Politik, die auf <strong>in</strong>ternationaler<br />
Ebene dafür e<strong>in</strong>tritt, die Strukturanpassungsmaûnahmen<br />
von Internationalem<br />
Währungsfonds (IWF) und<br />
Weltbank sozialverträglich und nachhaltig<br />
zu gestalten und die beson<strong>der</strong>e Situation<br />
<strong>der</strong> Frauen zu berücksichtigen<br />
3. auf Landesebene:<br />
± e<strong>in</strong> Bayerisches Gleichstellungsgesetz,<br />
das als M<strong>in</strong>destanfor<strong>der</strong>ungen folgende<br />
Punkte enthält:<br />
± Beseitigung <strong>der</strong> Benachteiligung von<br />
Frauen als kommunale Pflichtaufgabe<br />
± hauptamtliche Frauenbeauftragte für alle<br />
Städte und Landkreise<br />
± das ausdrückliche Recht von Frauenbeauftragten,<br />
frauenpolitische Anliegen<br />
öffentlich und offensiv zu thematisieren<br />
und die Schaffung entsprechen<strong>der</strong><br />
Durchsetzungsmöglichkeiten<br />
± die Bereitstellung <strong>der</strong> dafür notwendigen<br />
F<strong>in</strong>anzmittel und Sachausstattung<br />
4. Auf kommunaler Ebene bekräftigen<br />
wir die folgenden For<strong>der</strong>ungen gemäû<br />
dem Kommunalpolitischen Programm<br />
<strong>der</strong> Erlanger <strong>SPD</strong>, beschlossen am<br />
26. 10. 1995:<br />
± alle kommunalpolitischen Möglichkeiten<br />
auszuschöpfen, um das Arbeitsplatzangebot<br />
für Frauen <strong>in</strong> Erlangen zu verbessern<br />
± die berufliche För<strong>der</strong>ung von Frauen <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Stadtverwaltung zu verbessern durch<br />
Umsetzung des Frauenför<strong>der</strong>plans<br />
± die Arbeit <strong>der</strong> Erlanger Gleichstellungsstelle<br />
für Frauenfragen zu unterstützen<br />
± zusätzliche Maûnahmen zur Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Sicherheit für Frauen im<br />
öffentlichen und privaten Raum zu<br />
schaffen<br />
334<br />
± die K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen dem<br />
Bedarf entsprechend auszubauen und<br />
ihre Qualität sicherzustellen<br />
± Frauennachttaxis e<strong>in</strong>zuführen<br />
± auch weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche<br />
Arbeit des Frauenhauses, das e<strong>in</strong>e wichtige<br />
E<strong>in</strong>richtung zum Schutz und zur<br />
Hilfe für miûhandelte Frauen und <strong>der</strong>en<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> darstellt, zu gewährleisten<br />
± die E<strong>in</strong>richtung und gesicherte F<strong>in</strong>anzierung<br />
e<strong>in</strong>es Mädchenschutzhauses<br />
± die Zuschüsse für Frauen-Selbstverteidigungskurse<br />
(WenDo) zu erhöhen<br />
± die Tätigkeit <strong>der</strong> bestehenden kommunalen<br />
Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte<br />
sicherzustellen, damit<br />
die Beratung über die Möglichkeiten<br />
und Probleme e<strong>in</strong>es Schwangerschaftsabbruchs<br />
als selbstbestimmte Entscheidung<br />
gewährleistet ist<br />
± die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er ambulanten<br />
Schwangerschaftsabbruchstelle aktiv zu<br />
unterstützen<br />
± das <strong>in</strong> Erlangen vorhandene Frauenzentrum<br />
auf Dauer f<strong>in</strong>anziell zu sichern, bei<br />
Bedarf auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen Haus<br />
± die Existenz <strong>der</strong> bestehenden Frauenprojekte<br />
zu sichern (z. B. Mütterzentrum,<br />
Notruf für vergewaltigte Mädchen und<br />
Frauen, Treffs für ausländische Frauen)<br />
sowie das Frauengruppentreffen zu<br />
unterstützen<br />
± e<strong>in</strong>en Mädchentreff e<strong>in</strong>zurichten<br />
± Stadt- und Verkehrsplanung frauenfreundlich<br />
zu gestalten<br />
± das Volkshochschulangebot um frauenspezifische<br />
Themen auszuweiten<br />
± verstärkt Straûen und E<strong>in</strong>richtungen<br />
nach Frauen zu benennen<br />
± darauf h<strong>in</strong>zuwirken, daû <strong>in</strong> allen städtischen<br />
Dienststellen das Bewuûtse<strong>in</strong> für<br />
die Lebenssituation von lesbischen<br />
Frauen geschärft wird<br />
(Überwiesen an die Sozialdemokraten im<br />
Europäischen Parlament (zu 1), an die<br />
Bundestagsfraktion (zu 2) und die Bayerische<br />
Landtagsfraktion (zu 3 und 4)
Antrag I 232<br />
Unterbezirk Bergstraûe<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Politik braucht Frauen<br />
Die Gleichberechtigung von Männern und<br />
Frauen ist noch immer nicht erreicht. Die<br />
Arbeitslosigkeit hat e<strong>in</strong> weibliches Gesicht.<br />
Wesentlich mehr Frauen s<strong>in</strong>d von <strong>der</strong><br />
Arbeitslosigkeit betroffen und leiden mehr<br />
unter <strong>der</strong> Bonner Politik. Die Gesundheitsund<br />
vor allem auch die geplante Rentenreform<br />
benachteiligt Frauen um so stärker.<br />
Viele Frauen s<strong>in</strong>d f<strong>in</strong>anziell abhängig von<br />
ihren Ehemännern. Hier ist e<strong>in</strong>e völlig<br />
an<strong>der</strong>e Familienpolitik notwendig.<br />
Es gibt immer mehr alle<strong>in</strong>erziehende Mütter<br />
und Väter. Hierauf muû verstärkt Rücksicht<br />
genommen werden. Es muû für sie<br />
möglich werden ohne Benachteiligung für<br />
ihren Lebensunterhalt und ihre K<strong>in</strong><strong>der</strong> gut<br />
zu sorgen. Hier ist mehr nötig, als nur die<br />
Umsetzung von dem Recht auf e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenplatz<br />
für jedes K<strong>in</strong>d. Zum Beispiel<br />
würde die Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen<br />
auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite und<br />
auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite K<strong>in</strong><strong>der</strong>tagesstätten<br />
und betreute Schulen die Situation wesentlich<br />
verbessern.<br />
Auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik s<strong>in</strong>d Frauen unterrepräsentiert.<br />
Weibliche Führungskräfte s<strong>in</strong>d die<br />
Ausnahme. Frauen s<strong>in</strong>d immer noch die<br />
besten Schriftführer<strong>in</strong>nen und im besten<br />
Fall mal Stellvertreter<strong>in</strong>nen, aber ke<strong>in</strong>e<br />
Vorsitzenden o<strong>der</strong> Staatssekretär<strong>in</strong>nen.<br />
Frauen haben es auch hier im politischen<br />
Alltag schwerer, da sie durch die Doppelbelastung<br />
im Haushalt weniger Zeit haben.<br />
Das Ergebnis ist traurig: Immer mehr<br />
Frauen distanzieren sich von <strong>der</strong> Politik<br />
und gehen nicht mehr wählen. Gezeigt hat<br />
sich das sehr deutlich bei den letzten Kommunalwahlen.<br />
Da war <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> weiblichen<br />
Nichtwähler/<strong>in</strong>nen sehr hoch.<br />
Hier muû e<strong>in</strong>e Wende erreicht werden!<br />
Frauenpolitik ist Querschnittspolitik und<br />
genau deshalb darf sie nicht auf Familien-<br />
politik o<strong>der</strong> ähnliches reduziert werden.<br />
Ebenso müssen sich die Strukturen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Politik än<strong>der</strong>n, da wir genug von <strong>der</strong> männerdom<strong>in</strong>ierten<br />
Politik haben!<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 233<br />
Landesverband Bayern<br />
Weg mit dem § 218!<br />
Hilfe statt Strafe ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zig s<strong>in</strong>nvolle<br />
Weg, Frauen e<strong>in</strong> tatsächliches statt e<strong>in</strong> formales<br />
Selbstbestimmungsrecht zu garantieren.<br />
Deshalb muû das Gebot des Bundesverfassungsgerichtsurteils<br />
auf Vere<strong>in</strong>barkeit<br />
von Familie und Beruf sowie das Recht von<br />
Frauen auf Berufstätigkeit endlich <strong>in</strong> staatliches<br />
Handeln umgesetzt werden. Vordr<strong>in</strong>glich<br />
s<strong>in</strong>d hierzu vor allem<br />
± Schaffung wohnortnaher Arbeitsplätze<br />
durch verstärkte und vorgezogene Investitionen<br />
sowie staatliche Beschäftigungsprogramme,<br />
± Rücknahme <strong>der</strong> Arbeitsplatzvernichtung<br />
im öffentlichen Dienst (Arbeitszeitverlängerung,<br />
Stellensperren, Stellenabbau),<br />
± Arbeitszeitregelungen nach den Bedürfnissen<br />
von Beschäftigten mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
(Zeitsouveränität),<br />
± das Recht auf e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartenplatz<br />
sowie ausreichend ganztägige K<strong>in</strong><strong>der</strong>betreuungse<strong>in</strong>richtungen<br />
für K<strong>in</strong><strong>der</strong> jeden<br />
Alters,<br />
± sofortige Rücknahme <strong>der</strong> Reduzierung<br />
<strong>der</strong> Lohnfortzahlung für Schwangere,<br />
± Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung des Kündigungsschutzes<br />
<strong>in</strong> Betrieben unter 10 Vollzeitbeschäftigten.<br />
Unser Ziel bleibt die ersatzlose Streichung<br />
<strong>der</strong> §§ 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch<br />
und damit die Entkrim<strong>in</strong>alisierung<br />
<strong>der</strong> Frauen, die sich für e<strong>in</strong>en Schwangerschaftsabbruch<br />
entschieden haben. Zur<br />
kurzfristigen Umsetzung for<strong>der</strong>n wir<br />
± Abschaffung <strong>der</strong> Pflichtberatung<br />
335
± Schaffung von E<strong>in</strong>richtungen für ambulante<br />
Schwangerschaftsabbrüche <strong>in</strong> Krankenhäusern<br />
und Facharztpraxen, und<br />
zwar flächendeckend für das gesamte<br />
Bundesgebiet<br />
± Kostenübernahme des Abbruchs durch<br />
die Krankenkasse<br />
± bessere Aufklärung über Verhütung(smethoden)<br />
und Verhütungsmittel <strong>in</strong> den<br />
Schulen, z.B. auch durch externe Beratungsstellen<br />
wie Pro Familia<br />
± viele ungewollte Schwangerschaften<br />
könnten damit verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden<br />
± Bereitstellung von mehr Forschungsgel<strong>der</strong>n<br />
für die Entwicklung von neuen Verhütungsmittel,<br />
die weniger gesundheitsschädlich<br />
s<strong>in</strong>d<br />
± Zulassung von RU 486<br />
(Überwiesen als Material an Bundestagsfraktion<br />
und Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 235<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />
Frauen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong><br />
Jungsozialist<strong>in</strong>nen und Jungsozialisten<br />
Gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung und<br />
Benachteiligung ± Politik für<br />
Schwule und Lesben<br />
Die deutsche Sozialdemokratie setzt sich<br />
seit ihrer Entstehung für e<strong>in</strong>e menschenwürdige,<br />
sozial gerechte und solidarische<br />
Gesellschaft e<strong>in</strong>. Gerechtigkeit gründet für<br />
uns <strong>in</strong> <strong>der</strong> Würde jedes e<strong>in</strong>zelnen Menschen<br />
und verlangt Freiheit für jeden e<strong>in</strong>zelnen,<br />
unabhängig von Geschlecht und<br />
sexueller Identität. Die <strong>SPD</strong> kämpft für<br />
e<strong>in</strong>e Gesellschaft ohne Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
und Ausgrenzung. Sie verurteilt deshalb<br />
jegliche Diskrim<strong>in</strong>ierung und Unterdrükkung<br />
von Lesben und Schwulen <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft.<br />
Homosexuelle Menschen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Deutschland<br />
lange Zeit <strong>in</strong> schlimmster Weise ausgegrenzt,<br />
gedemütigt und verfolgt worden,<br />
bis h<strong>in</strong> zur Ermordung e<strong>in</strong>er Vielzahl von<br />
336<br />
Homosexuellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit des Nationalsozialismus.<br />
Die staatliche Verfolgung endete<br />
zwar 1945, es blieb aber die gesetzliche<br />
Unterdrückung und soziale Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
von Homosexualität <strong>in</strong> beiden deutschen<br />
Staaten.<br />
Seit Ende <strong>der</strong> 60er Jahre prägt wachsende<br />
Liberalität und Toleranz unsere Gesellschaft.<br />
Das Strafrecht wurde <strong>in</strong> Ost und<br />
West schrittweise liberalisiert bis h<strong>in</strong> zur<br />
Streichung des § 175 aus dem Strafgesetzbuch,<br />
die Existenz lesbischen und schwulen<br />
Lebens rückte schrittweise <strong>in</strong>s Bewuûtse<strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Öffentlichkeit, während sie <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
DDR bis Mitte <strong>der</strong> 80er Jahre e<strong>in</strong><br />
Nischendase<strong>in</strong> führte. Immer häufiger<br />
bekennen sich Lesben und Schwule zu<br />
ihrer sexuellen Identität und for<strong>der</strong>n von<br />
Gesellschaft und Politik die Anerkennung<br />
ihrer Lebensweisen und Lebensentwürfe<br />
e<strong>in</strong>. Gleichwohl bestehen teils subtile, teils<br />
aber auch offene Formen <strong>der</strong> Benachteiligung<br />
und Diskrim<strong>in</strong>ierung fort. Dabei<br />
unterliegen Lesben nicht nur <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung homosexueller Menschen,<br />
son<strong>der</strong>n werden zudem von <strong>der</strong><br />
Benachteiligung von Frauen <strong>in</strong> den immer<br />
noch männlich orientierten Strukturen und<br />
Handlungsweisen unserer Gesellschaft<br />
betroffen. Es wird ihnen so schwer<br />
gemacht, e<strong>in</strong> eigenes Selbstwertgefühl aufzubauen.<br />
Wir müssen diese Strukturen und<br />
Handlungsweisen überw<strong>in</strong>den.<br />
In e<strong>in</strong>em demokratischen Rechtsstaat<br />
haben Lesben und Schwule e<strong>in</strong>en Anspruch<br />
auf Schutz vor Diskrim<strong>in</strong>ierung und<br />
Gewalt. E<strong>in</strong> je<strong>der</strong> soll se<strong>in</strong> Leben selbstbestimmt<br />
entfalten können. Wir wollen die<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund sexueller Identität<br />
bekämpfen.<br />
Das Grundgesetz än<strong>der</strong>n ± Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
abbauen<br />
Wir wollen die Grundlagen für Leben von<br />
Lesben und Schwulen ohne Angst vor<br />
Benachteiligung und Diskrim<strong>in</strong>ierung verbessern.<br />
Dazu wollen wir <strong>in</strong> Artikel 3<br />
Absatz 3 des Grundgesetzes e<strong>in</strong> Verbot <strong>der</strong><br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung aufgrund <strong>der</strong> sexuellen<br />
Identität verankern und den Schutzbereich
des Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes<br />
auf an<strong>der</strong>e auf Dauer angelegte Lebensgeme<strong>in</strong>schaften<br />
ausweiten. Entsprechende<br />
Regelungen s<strong>in</strong>d bereits <strong>in</strong> den Landesverfassungen<br />
von Berl<strong>in</strong>, Brandenburg, Thür<strong>in</strong>gen<br />
und Sachsen-Anhalt verankert worden.<br />
Die Erfahrung <strong>in</strong> diesen Län<strong>der</strong>n<br />
zeigt, daû es s<strong>in</strong>nvoll ist, Lesben und<br />
Schwulen e<strong>in</strong>e Handhabe zu geben, sich<br />
auf Verfassungsrechte berufen zu können.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus for<strong>der</strong>n wir, daû die Bundesregierung<br />
und die Landesregierungen<br />
e<strong>in</strong>en Bericht zur Situation von Schwulen<br />
und Lesben und über Maûnahmen zum<br />
Abbau von Diskrim<strong>in</strong>ierung und Benachteiligung<br />
vorlegen.<br />
Die Lebensformenpolitik neu gestalten<br />
Homosexuelle Menschen haben ± im<br />
Gegensatz zu heterosexuellen Paaren ± faktisch<br />
ke<strong>in</strong>e Möglichkeit, überhaupt zu entscheiden,<br />
ob sie die Rechte und die Pflichten<br />
annehmen wollen, die an die<br />
Institution Ehe gebunden s<strong>in</strong>d. Wir Sozialdemokraten<br />
plädieren dafür, daû auch<br />
an<strong>der</strong>e als heterosexuelle, auf Dauer angelegte<br />
gleichgeschlechtliche Paare und<br />
Lebensgeme<strong>in</strong>schaften Schutz des Staates<br />
erhalten. Selbst nach langjähriger Lebenspartnerschaft<br />
gelten bis heute die Betroffenen<br />
als ¹Fremdeª. Bei Unglücks- o<strong>der</strong><br />
Krankheitsfällen des Partners o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Partner<strong>in</strong> werden Betroffene häufig nicht<br />
zu Rate gezogen o<strong>der</strong> nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong>formiert.<br />
Auch müssen H<strong>in</strong>terbliebene regelmäûig<br />
um die geme<strong>in</strong>same Mietwohnung<br />
fürchten o<strong>der</strong> um das Erbe des verstorbenen<br />
Lebenspartners/<strong>der</strong> verstorben Lebenspartner<strong>in</strong><br />
kämpfen. Schwierigkeiten gibt es<br />
auch bei <strong>der</strong> wechselseitigen Altersversorgung<br />
sowie <strong>der</strong> geme<strong>in</strong>samen Sorge für<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>. Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, daû<br />
diese unwürdigen Zustände beseitigt werden.<br />
Wir wollen gleichgeschlechtlichen<br />
Paaren durch Gesetz die gleichen rechtlichen<br />
Möglichkeiten zur Ausgestaltung<br />
ihrer Partnerschaft eröffnen, wie sie verschiedengeschlechtlichen<br />
Paaren offenstehen.<br />
Deshalb unterstützen wir die Schaffung<br />
e<strong>in</strong>es Rechts<strong>in</strong>stituts, das vergleichbare<br />
Rechte und Pflichten wie die Ehe<br />
umfaût.<br />
B<strong>in</strong>ationale Partnerschaften absichern<br />
Ausländische Lebenspartner<strong>in</strong>nen von Lesben<br />
und Lebenspartner von Schwulen, die<br />
nicht aus <strong>der</strong> EU kommen, sollen künftig<br />
e<strong>in</strong> gesichertes Aufenthaltsrecht erhalten.<br />
Dabei übernimmt zugleich ihr deutscher<br />
Lebenspartner/Lebenspartner<strong>in</strong> die Pflichten,<br />
wie sie vergleichbar bei Eheleuten<br />
zugrundegelegt werden.<br />
Menschenrechte schützen<br />
Die Rechte von Schwulen und Lesben s<strong>in</strong>d<br />
Teil <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en bürgerlichen und<br />
sozialen Menschenrechte. Die <strong>SPD</strong> setzt<br />
sich dafür e<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong>en Schutz <strong>in</strong>tegrierter<br />
Bestandteil <strong>der</strong> weltweiten Menschenrechtspolitik<br />
Deutschlands se<strong>in</strong> muû. Homosexuelle,<br />
die <strong>in</strong> ihrem Heimatland aufgrund<br />
ihrer sexuellen Identität staatlicher Verfolgung<br />
ausgesetzt s<strong>in</strong>d, haben <strong>in</strong> Deutschland<br />
grundsätzlich Anspruch auf Asyl.<br />
Die Gleichstellung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft, vor<br />
allem <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt erreichen<br />
Homosexualität wird <strong>in</strong> vielen gesellschaftlichen<br />
Bereichen, auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeits- und<br />
Berufswelt nach wie vor tabuisiert und diskrim<strong>in</strong>iert.<br />
Aus diesem Grunde sehen sich<br />
viele Lesben und Schwule immer noch veranlaût,<br />
<strong>in</strong> ihrem Arbeitsalltag e<strong>in</strong> Doppelleben<br />
zu führen. Wir setzen uns e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong><br />
Gleichbehandlungsgesetz. Es soll zum<br />
e<strong>in</strong>en wirksame Maûnahmen gegen die<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung von Schwulen und Lesben<br />
im Privatrechtsverkehr vorsehen und den<br />
Betroffenen ausreichende Möglichkeiten an<br />
die Hand geben, sich gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
effektiv zur Wehr zu setzen (Klagebefugnis<br />
für Verbände, Schadensersatz- und<br />
Unterlassungsanspruch). Zum an<strong>der</strong>en s<strong>in</strong>d<br />
bestehende Vorschriften gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
im Arbeitsrecht (Betriebsverfassungsgesetz)<br />
und Öffentlichen Dienstrecht<br />
(Beamtenrechtsrahmengesetz, Bundesbeamtengesetz,<br />
Personalvertretungsgesetz, Soldatengesetz<br />
und Soldatenlaufbahnverordnung)<br />
um das Kriterium <strong>der</strong> sexuellen<br />
Identität zu erweitern.<br />
Lesbische Frauen erleben <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er<br />
Weise die Benachteiligung von Frauen <strong>in</strong><br />
337
Arbeitswelt und Gesellschaft. Es ist <strong>in</strong><br />
ihrem beson<strong>der</strong>en Interesse, unser Sozialsystem<br />
stärker auf die Belange von Frauen<br />
e<strong>in</strong>zustellen und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die soziale<br />
Absicherung von alle<strong>in</strong>erziehenden Müttern<br />
zu gewährleisten. Der öffentliche<br />
Dienst muû als Arbeitgeber e<strong>in</strong>e offene<br />
Lebensweise von Lesben und Schwulen<br />
durch geeignete Maûnahmen för<strong>der</strong>n.<br />
Erfahrungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
zeigen, daû die E<strong>in</strong>richtung von Referaten<br />
für gleichgeschlechtliche Lebensweisen<br />
hilfreich beim Abbau <strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
von Lesben und Schwulen s<strong>in</strong>d. Dies trägt<br />
dazu bei, daû sich das gesellschaftliche<br />
Klima <strong>der</strong> Akzeptanz gegenüber homosexuellen<br />
Menschen verstärkt.<br />
Der Gewalt entgegentreten<br />
Von <strong>der</strong> Zunahme an Gewalt <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft s<strong>in</strong>d Homosexuelle beson<strong>der</strong>s<br />
betroffen. Dagegen wollen wir vorgehen.<br />
Für die Präventionsarbeit ist e<strong>in</strong>e Erforschung<br />
<strong>der</strong> Gewaltursachen und -motive<br />
notwendig. Bislang gibt es über die Motive<br />
gegen Lesben und Schwule gerichteter<br />
Gewalttaten ke<strong>in</strong>e ausreichenden Erhebungen.<br />
Wir setzen uns deshalb für die Durchführung<br />
entsprechen<strong>der</strong> Untersuchungen<br />
und Forschungsvorhaben e<strong>in</strong>, um auf <strong>der</strong>en<br />
Grundlage Präventionsprogramme zu entwickeln.<br />
Opfer von Gewalt scheuen oftmals<br />
den Weg zur Polizei. Hier müssen Berührungsängste<br />
durch e<strong>in</strong>e offene Informationspolitik<br />
abgebaut werden. Hilfreich s<strong>in</strong>d<br />
beson<strong>der</strong>e Ansprechpersonen bei <strong>der</strong> Polizei,<br />
dies ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Bundeslän<strong>der</strong>n mit<br />
Erfolg bereits geschehen. Dazu müssen<br />
Informationen über H<strong>in</strong>tergründe und<br />
Bed<strong>in</strong>gungen für Gewalt gegen Schwule<br />
und Lesben Bestandteil <strong>der</strong> Polizeiaus- und<br />
-fortbildung werden.<br />
Lernen von Akzeptanz und Selbstbestimmung<br />
<strong>in</strong> Schule, Erwachsenenbildung und<br />
Jugendarbeit verankern ± die Bedeutung<br />
<strong>der</strong> Kultur<br />
Die Schule hat als Sozialisations<strong>in</strong>stanz für<br />
Jugendliche e<strong>in</strong>e erhebliche Bedeutung. Sie<br />
ist e<strong>in</strong> Ort, an dem Toleranz, Offenheit<br />
sowie Respekt vor dem Leben und <strong>der</strong><br />
338<br />
Lebensweise an<strong>der</strong>er Menschen gelernt<br />
werden können. Wir wollen, daû Selbstbewuûtse<strong>in</strong>,<br />
selbstbestimmtes Leben und<br />
selbstbestimmte sexuelle Orientierung<br />
bereits dort ermöglicht und geför<strong>der</strong>t werden.<br />
Da unsere Gesellschaft bislang ausschlieûlich<br />
heterosexuelle Leitbil<strong>der</strong> vorgibt,<br />
muû Schule <strong>der</strong> Darstellung von<br />
lesbischem und schwulem Leben und ihren<br />
Traditionen Raum geben. Schulbücher mit<br />
schwulen- o<strong>der</strong> lesbenfe<strong>in</strong>dlichen Inhalten<br />
darf es nicht geben. Um e<strong>in</strong>e vorurteilsfreie<br />
Gestaltung des Unterrichts zu för<strong>der</strong>n, treten<br />
wir dafür e<strong>in</strong>, Modellprojekte für die<br />
Aus- und Fortbildung von Lehrer<strong>in</strong>nen<br />
und Lehrern zu entwickeln.<br />
In <strong>der</strong> Erwachsenenbildung ist das Thema<br />
lesbisches und schwules Leben und se<strong>in</strong>e<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> das Angebot <strong>der</strong> Träger<br />
<strong>der</strong> Erwachsenenbildung aufzunehmen.<br />
Wir wollen dabei lesbische und schwule<br />
Bildungsarbeit und <strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen<br />
zur Stärkung von Identität, Selbstbewuûtse<strong>in</strong><br />
und Lebensstil von Lesben und<br />
Schwulen unterstützen.<br />
Aufgabe <strong>der</strong> auûerschulischen Jugendarbeit<br />
ist es, die Selbstf<strong>in</strong>dung von jungen Schwulen<br />
und Lesben positiv zu begleiten. Auûerdem<br />
s<strong>in</strong>d Projekte und Aktionen <strong>der</strong> auûerschulischen<br />
Jugendarbeit zur Aufklärung,<br />
Identitätsför<strong>der</strong>ung und Gewaltprävention<br />
zu unterstützen.<br />
Menschen benötigen für ihre Identitätsf<strong>in</strong>dung<br />
und für das Zusammenleben mit<br />
an<strong>der</strong>en die Kultur als Medium <strong>der</strong> Kommunikation.<br />
Lesbische und schwule Kultur<br />
bietet Ansatzpunkte für die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mit <strong>der</strong> eigenen Person. Sie ermöglicht<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft <strong>in</strong>sgesamt die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mit und das bessere<br />
Verständnis für homosexuelles Leben. Wir<br />
wollen deshalb lesbische und schwule<br />
Interessen bei <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung kultureller<br />
Projekte und E<strong>in</strong>richtungen berücksichtigen.<br />
Die Teilhabe von Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten sichern<br />
Die Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenarbeit ignoriert bisher häufig<br />
Sexualität und sexuelle Identität <strong>der</strong>
Betroffenen und reduziert sie damit auf<br />
ihre Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung. Auch hier wollen wir<br />
durch e<strong>in</strong>e Neubewertung von Sexualität <strong>in</strong><br />
unserer Gesellschaft erreichen, daû Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />
mit ihren sexuellen Bedürfnissen<br />
wahrgenommen und akzeptiert werden.<br />
Pflege-, Therapie- und Betreuungspersonal<br />
s<strong>in</strong>d häufig die e<strong>in</strong>zigen Bezugspersonen<br />
für beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen. Beson<strong>der</strong>s sie<br />
s<strong>in</strong>d es, die durch ihre Vorurteilsfreiheit<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen Selbstverleugnung<br />
ersparen und so zur Lebensqualität beitragen<br />
können. Wir treten deshalb dafür e<strong>in</strong>,<br />
den Umgang mit Sexualität und sexueller<br />
Identität verstärkt <strong>in</strong> die Aus- und Fortbildung<br />
von Pflege-, Therapie- und Betreuungspersonal<br />
e<strong>in</strong>zubeziehen, um e<strong>in</strong>en vorurteilslosen<br />
Umgang mit den Bedürfnissen<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Menschen zu för<strong>der</strong>n.<br />
Die Selbsthilfe beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter Menschen und<br />
die Arbeit ihrer Organisationen, auch <strong>der</strong><br />
lesbischen und schwulen Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenselbsthilfe,<br />
s<strong>in</strong>d wertvolle, weil unverzichtbare<br />
Bestanteile <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenarbeit. Die<br />
<strong>SPD</strong> wird deshalb ihre Arbeit und E<strong>in</strong>beziehung<br />
<strong>in</strong> die Gestaltung <strong>der</strong> Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenarbeit<br />
unterstützen und för<strong>der</strong>n.<br />
Wissenschaft und Forschung vorantreiben<br />
Forschung und Lehre zum Thema Homosexualität<br />
haben bisher viele Fragen auûer<br />
acht gelassen. Erforscht werden muû vor<br />
allem, warum <strong>in</strong> verschiedenen Zeiten<br />
homosexuelle Menschen diskrim<strong>in</strong>iert und<br />
verfolgt wurden und wo die Ursachen e<strong>in</strong>es<br />
gestörten Umganges mit Sexualität <strong>in</strong><br />
unserer Gesellschaft liegen. Wir unterstützen<br />
deshalb den Aufbau e<strong>in</strong>es Forschungsnetzwerks<br />
für die Erforschung lesbischer<br />
und schwuler Lebensweisen und Kultur.<br />
Gesundheitspolitik fortentwickeln ± Erfahrungen<br />
mit HIV und AIDS berücksichtigen<br />
Diskrim<strong>in</strong>ierung und Ausgrenzung s<strong>in</strong>d<br />
immer auch gesundheitse<strong>in</strong>schränkende<br />
Faktoren, da sie bei den Betroffenen negative<br />
psychische und physische Folgen haben<br />
können. Indem wir dies bekämpfen, för<strong>der</strong>n<br />
wir die Gesundheit <strong>der</strong> Betroffenen und<br />
machen sie damit auch für e<strong>in</strong>e zielgruppenspezifische<br />
Präventionsarbeit empfänglicher.<br />
Wir werden die Arbeit <strong>der</strong> Selbsthilfegruppen<br />
von Schwulen und Lesben und ihre<br />
E<strong>in</strong>richtungen unterstützen und för<strong>der</strong>n, da<br />
diese <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch <strong>der</strong> Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />
und Prävention dienen.<br />
HIV und AIDS haben an Schwule beson<strong>der</strong>e<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen gestellt. Dabei haben<br />
die Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Krankheit und<br />
Tod, aber auch Solidarität und Freundschaft<br />
e<strong>in</strong>en neuen Stellenwert erlangt.<br />
Diese Erfahrungen s<strong>in</strong>d durch die Selbsthilfebewegung<br />
umgesetzt worden. Schwule<br />
haben e<strong>in</strong>e eigene Hospizbewegung<br />
geschaffen. Sie ist beispielhaft und wird<br />
von uns unterstützt.<br />
Lesben und Schwule aktiv vertreten<br />
In Deutschland arbeitet ± wie <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />
westlichen Län<strong>der</strong>n ± e<strong>in</strong>e aktive und<br />
selbstbewuûte Lesben- und Schwulenbewegung.<br />
Die <strong>SPD</strong> begrüût ihr gesellschaftliches<br />
und politisches Engagement und würdigt<br />
ihren Beitrag zur Aufklärung über<br />
fortbestehende Formen von Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
und zu ihrem Abbau. Wir werden die<br />
Arbeit von Selbsthilfegruppen und E<strong>in</strong>richtungen<br />
<strong>der</strong>, sozialen, juristischen, psychologischen<br />
und gesundheitlichen Beratung<br />
unterstützten, f<strong>in</strong>anziell för<strong>der</strong>n und mit<br />
ihnen zusammenarbeiten, um geme<strong>in</strong>sam<br />
die Emanzipation von Schwulen und Lesben<br />
zu för<strong>der</strong>n und gegen Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
und Gewalt vorzugehen.<br />
Wir laden alle politisch <strong>in</strong>teressierten<br />
homosexuellen Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger,<br />
die sich zu den Zielen <strong>der</strong> Sozialdemokratie<br />
bekennen, e<strong>in</strong>, sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, ihren<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften und auch im<br />
Arbeitskreis lesbischer Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />
und schwuler Sozialdemokraten<br />
(Schwusos) für die Verwirklichung e<strong>in</strong>er<br />
menschenwürdigen und diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien<br />
Gesellschaft e<strong>in</strong>zusetzen und ihre<br />
Belange zu vertreten. Alle Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, das dafür notwendige<br />
Klima <strong>der</strong> Offenheit und des Respekts<br />
vor <strong>der</strong> Identität und Lebensweise aller <strong>in</strong><br />
unseren Reihen zu schaffen.<br />
(Angenommen)<br />
339
Antrag I 243<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Ostbahnhof<br />
(Bezirk Ostwestfalen-Lippe)<br />
Maûnahmen zur<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Schwer-<br />
Krim<strong>in</strong>alität<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, die Schwer-<br />
Krim<strong>in</strong>alität vorrangig zu bekämpfen.<br />
Hierzu s<strong>in</strong>d zu zählen: Die Wirtschaftskrim<strong>in</strong>alität,<br />
die Subventionskrim<strong>in</strong>alität, die<br />
Steuerkrim<strong>in</strong>alität, die organisierte Krim<strong>in</strong>alität,<br />
die Drogenkrim<strong>in</strong>alität, <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationale<br />
Waffenhandel, <strong>der</strong> Menschenhandel,<br />
die illegale Prostitution und die<br />
Schwarzarbeit.<br />
Zur Bekämpfung dieser Krim<strong>in</strong>alitätsformen<br />
ist es notwendig, vorrangig die<br />
Gew<strong>in</strong>ne (und die entsprechenden Z<strong>in</strong>sen)<br />
aus diesen Geschäften zu beschlagnahmen,<br />
die Geldwäschestrukturen zu zerschlagen<br />
und die Haupttäter aus dem H<strong>in</strong>tergrund<br />
<strong>der</strong> Möglichkeit zum eigenständigen wirtschaftlichen<br />
Handel zu nehmen.<br />
Das Instrumentarium zur Bekämpfung und<br />
Bestrafung für diese Tätergruppen wird<br />
entsprechend erweitert.<br />
Dazu muû auch das Risiko für Banken, die<br />
zur Geldwäsche beitragen, drastisch verschärft<br />
werden.<br />
Hier s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Entzug <strong>der</strong> Konzession, die<br />
Beschlagnahme <strong>der</strong> Gel<strong>der</strong> sowie bei m<strong>in</strong><strong>der</strong>schweren<br />
Fällen die zeitweise Sperrung<br />
(bis zu Jahren) des Geschäftsbetriebes<br />
wichtige Mittel.<br />
Für die Vorstände, Aufsichtsräte und die<br />
entsprechenden Direktoren wird die persönliche<br />
Haftung erweitert.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
340<br />
Antrag I 244<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Lünen-Stadt<br />
(Bezirk Westliches Westfalen)<br />
Jugendkrim<strong>in</strong>alität<br />
1. Das Strafmündigkeitsalter wird nicht<br />
vom 14. Lebensjahr auf das 12. Lebensjahr<br />
gesenkt.<br />
2. Für die Heranwachsenden (18 Jahre bis<br />
zum vollendeten 20. Lebensjahr) bleibt<br />
die Vorgabe des § 105 Jugendgerichtsgesetz<br />
erhalten, daû sie weiterh<strong>in</strong> wie<br />
Jugendliche verurteilt werden können,<br />
wenn die entsprechen<strong>der</strong> Voraussetzungen<br />
gegeben s<strong>in</strong>d.<br />
3. Im Bereich <strong>der</strong> Jugendstrafrechtspflege<br />
werden die Möglichkeiten unterstützt<br />
und geför<strong>der</strong>t, die Justiz und Jugendhilfeträger<br />
<strong>in</strong> die Lage versetzen, <strong>der</strong><br />
Erziehungsgedanken des Jugendrechts<br />
auch tatsächlich verwirklichen zu können.<br />
Diese For<strong>der</strong>ung gilt für den stationären<br />
und ambulanten Bereich gleichermaûen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 246<br />
Kreisverband Sigmar<strong>in</strong>gen<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
Wahlrecht für EU-Bürger<br />
Die <strong>SPD</strong>-Fraktionen im Europaparlament,<br />
Deutschen Bundestag und <strong>in</strong> den Landtagen<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, e<strong>in</strong>en Richtl<strong>in</strong>ienentwurf<br />
bzw. Gesetzesentwürfe <strong>in</strong> die<br />
betreffenden Parlamente e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen mit<br />
dem Ziel, daû Bürger <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union bereits bei <strong>der</strong> nächsten Bundestagswahl<br />
bzw. bei den nächsten Landtagswahlen<br />
das aktive und passive Wahlrecht besitzen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)
Antrag I 247<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Wiesbaden-Westend<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Neufassung des Bundestagswahlgesetzes<br />
Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
schnellstens für die Verabschiedung<br />
<strong>der</strong> Neufassung des Bundestagswahlgesetzes<br />
zu sorgen, das gleichen Wert für jede<br />
Wählerstimme sichert, die endgültige Zahl<br />
und Abgrenzung <strong>der</strong> Wahlkreise be<strong>in</strong>haltet<br />
und zur Reduzierung <strong>der</strong> überhöhten<br />
Zahl <strong>der</strong> Abgeordneten führt, wie schon<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit den Wählern versprochen.<br />
So s<strong>in</strong>d nach den statistischen E<strong>in</strong>wohnerzahlen<br />
von 1995 die Zahl <strong>der</strong> Bundestagswahlkreise<br />
auf höchstens 280 zu verr<strong>in</strong>gern<br />
und die Gesamtzahl <strong>der</strong> Bundestagsabgeordneten<br />
zur nächsten Bundestagswahl auf<br />
599 und <strong>in</strong> <strong>der</strong> dann folgenden auf 555 zu<br />
verr<strong>in</strong>gern.<br />
Es ist zu ermöglichen, daû <strong>in</strong> den Wahlkreisen<br />
auch Ersatzkandidaten aufgeführt<br />
werden, die im Falle e<strong>in</strong>er Mandatsnie<strong>der</strong>legung<br />
für e<strong>in</strong>en direkt gewählten Kandidaten<br />
nachrücken können. Gleichfalls ist zu<br />
ermöglichen, daû anstelle von Landeslisten<br />
auch die Zulassung von Bundeslisten statthaft<br />
ist.<br />
Auf <strong>der</strong> Basis des Bundesgebietes hat die<br />
Berechnung <strong>der</strong> Mandatsverteilung nach<br />
<strong>der</strong> Wahl zu erfolgen. Von <strong>der</strong> Gesamtzahl<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Liste zustehenden Mandatszahl<br />
s<strong>in</strong>d die direkt errungenen Mandate abzuziehen,<br />
<strong>der</strong> verbleibende Rest wird dann<br />
anteilmäûig über Landes- und Bundeslisten<br />
verteilt. Parteien verschiedenen Namens,<br />
die <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten Wahlperiode vor <strong>der</strong><br />
Wahl e<strong>in</strong>e Fraktion bildeten, gelten dabei<br />
als e<strong>in</strong>e Partei.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 248<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Samtgeme<strong>in</strong>de Isenbüttel<br />
Unterbezirk Gifhorn<br />
(Bezirk Braunschweig)<br />
Wahlgesetze<br />
Die bestehenden Wahlgesetze<br />
a) für die Kommunalwahlen<br />
b) für die Landtagswahlen<br />
c) für die Bundestagswahlen<br />
s<strong>in</strong>d dah<strong>in</strong>gehend zu än<strong>der</strong>n und zu ergänzen,<br />
daû auch EDV-Listen und Disketten<br />
zur E<strong>in</strong>reichung von Kandidat(<strong>in</strong>nen)vorschlägen<br />
möglich s<strong>in</strong>d.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktion)<br />
Antrag I 249<br />
Unterbezirk Passau<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Integration von<br />
Auslän<strong>der</strong>Innen<br />
Sozialdemokratische Politik für Zuwan<strong>der</strong>er<br />
zielt ab auf die Integration, d. h. die<br />
gleichberechtigte Teilhabe am Rechts-,<br />
Sozial- und Wirtschaftssystem unserer<br />
Gesellschaft. Deutschland ist nicht zuletzt<br />
durch die gezielte Anwerbung von ausländischen<br />
Arbeitskräften zum Lebensmittelpunkt<br />
für Millionen von Menschen frem<strong>der</strong><br />
Staatsangehörigkeit geworden. Die Zuwan<strong>der</strong>er<br />
haben jahrzehntelang zum wirtschaftlichen<br />
Wachstum beigetragen und mit<br />
ihren Steuern und Sozialbeiträgen die<br />
sozialen Sicherungssysteme mitf<strong>in</strong>anziert.<br />
Sehr viele dieser Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen leben <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> zweiten o<strong>der</strong> dritten Generation <strong>in</strong><br />
Deutschland. Aus Gästen von e<strong>in</strong>st s<strong>in</strong>d<br />
faktisch E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>er und Mitbürger<strong>in</strong>nen<br />
geworden. Dieser faktische Zustand spiegelt<br />
sich aber noch nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er chancenund<br />
rechtsgleichen Teilhabe an allen gesellschaftlichen<br />
Bereichen wi<strong>der</strong>, soziale Ausgrenzung<br />
und rechtliche Unsicherheit<br />
erschweren die dauerhafte Integration.<br />
341
Die <strong>SPD</strong> tritt daher dafür e<strong>in</strong>, den zugewan<strong>der</strong>ten<br />
Menschen durch verb<strong>in</strong>dliche,<br />
nicht mehr revidierbare und je<strong>der</strong>zeit e<strong>in</strong>klagbare<br />
Rechtsansprüche e<strong>in</strong>e längerfristige<br />
Lebensplanung zu ermöglichen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
muû mit zunehmen<strong>der</strong><br />
Aufenthaltsdauer auch die Aufenthaltssicherheit<br />
wachsen, die Ausweisungsmöglichkeiten<br />
haben <strong>der</strong> stufenweisen Verfestigung<br />
des Aufenthaltsrechts Rechnung zu tragen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e for<strong>der</strong>n wir:<br />
± e<strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>lassungsrecht für alle Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen,<br />
die sich seit m<strong>in</strong>destens acht<br />
Jahren rechtmäûig <strong>in</strong> Deutschland aufhalten.<br />
Es ist ohne Auflagen und<br />
Beschränkungen auszugestalten. Mit<br />
Gewährung des Nie<strong>der</strong>lassungsrechts<br />
wird die Ausweisung <strong>in</strong> jedem Falle<br />
unzulässig; bei Straffälligkeit greift <strong>der</strong><br />
Sühneanspruch des Staates bzw. <strong>der</strong><br />
Anspruch auf Resozialisierung.<br />
± e<strong>in</strong>en Verzicht auf Ausweisungen<br />
± bei ausländischen Ehegatten e<strong>in</strong>es o<strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>er Deutschen,<br />
± bei m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen K<strong>in</strong><strong>der</strong>n e<strong>in</strong>es Auslän<strong>der</strong>s,<br />
wenn sich <strong>der</strong> Sorgeberechtigte<br />
rechtmäûig <strong>in</strong> Deutschland aufhält,<br />
± bei e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> Deutschland geborenen<br />
Auslän<strong>der</strong>, wenn er m<strong>in</strong>destens zehn<br />
Jahre hier gewohnt hat,<br />
± bei Asylbewerbern, Asylberechtigten<br />
o<strong>der</strong> Staaten- o<strong>der</strong> Heimatlosen.<br />
± e<strong>in</strong>e Zulässigkeit von Ausweisungen nur<br />
± bei Mitarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verbotenen Vere<strong>in</strong>igung,<br />
± bei Besuchsaufenthalten im Falle schwerwiegen<strong>der</strong><br />
Gefährdung <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Sicherheit,<br />
± bis zum Erwerb des Nie<strong>der</strong>lassungsrechts<br />
im Falle <strong>der</strong> Begehung e<strong>in</strong>er<br />
Straftat, wenn die Strafzumessung<br />
wenigstens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe von<br />
sechs Monaten besteht,<br />
± bei längerfristigen Aufenthalt von mehr<br />
als fünf Jahren nach Verurteilung zu<br />
e<strong>in</strong>er Freiheitsstrafe von m<strong>in</strong>destens drei<br />
Jahren,<br />
342<br />
± und nach rechtskräftiger Verurteilung.<br />
± e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>bürgerungsanspruch nach<br />
zehnjährigem rechtmäûigen Aufenthalt.<br />
E<strong>in</strong>e weitere bestehende Staatsangehörigkeit<br />
soll diesem Anspruch nicht im<br />
Weg stehen.<br />
Wir SozialdemokratInnen wenden uns<br />
auch dagegen, daû e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit<br />
straffällig gewordener Auslän<strong>der</strong>Innen als<br />
Begründung für den Stillstand <strong>der</strong> Integrationspolitik<br />
verwendet wird. Vor allem deswegen,<br />
weil die Aussagen zur Auslän<strong>der</strong>Innenkrim<strong>in</strong>alität<br />
fast ausschlieûlich anhand<br />
<strong>der</strong> Polizeilichen Krim<strong>in</strong>alitätsstatistik<br />
(PKS) gemacht werden, <strong>in</strong> <strong>der</strong>en Vorbemerkung<br />
es bereits heiût: ¹Es kann nicht<br />
von e<strong>in</strong>er feststehenden Relation von<br />
begangenen und statistisch erfaûten Straftaten<br />
ausgegangen werden. Die Polizeiliche<br />
Krim<strong>in</strong>alstatistik bietet ke<strong>in</strong> getreues Spiegelbild<br />
<strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alitätswirklichkeit, son<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong>e je nach Deliktsart mehr o<strong>der</strong><br />
weniger starke Annäherung an die Realität.ª<br />
Bere<strong>in</strong>igt man die PKS um auslän<strong>der</strong>spezifische<br />
Straftaten, um die Illegalen,<br />
Touristen, Durchreisenden etc., dann kann<br />
man feststellen, daû Auslän<strong>der</strong>Innen<br />
genauso viele Straftaten begehen wie Deutsche<br />
vergleichbarer sozialer Situation.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 250<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Für e<strong>in</strong>e humane und liberale<br />
Auslän<strong>der</strong>(<strong>in</strong>nen)politik<br />
E<strong>in</strong> Auslän<strong>der</strong>recht nach unseren Vorstellungen<br />
steht auf <strong>der</strong> Grundlage von Humanismus,<br />
Aufklärung und Solidarität. Sozialdemokratische<br />
Politik für Zuwan<strong>der</strong>er/<br />
<strong>in</strong>nen zielt auf die Integration, d.h. die<br />
gleichberechtigte Teilhabe am Rechts-,<br />
Sozial- und Wirtschaftssystem unserer<br />
Gesellschaft.
Die BRD ist zum Lebensmittelpunkt für<br />
Millionen von Menschen mit frem<strong>der</strong><br />
Staatsangehörigkeit geworden. Dies gilt<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die hier aufgewachsene<br />
o<strong>der</strong> geborene zweite o<strong>der</strong> dritte Generation<br />
<strong>der</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>er.<br />
Die ausländische Bevölkerung ist nach wie<br />
vor von e<strong>in</strong>er gleichberechtigten Teilhabe<br />
am gesellschaftlichen, rechtlichen und<br />
sozialen Leben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundesrepublik ausgeschlossen.<br />
Trotz zahlreicher Bemühungen<br />
und For<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> den letzten<br />
15 Jahren muû eher e<strong>in</strong>e Stagnation als e<strong>in</strong><br />
Vorwärtsschreiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>politik<br />
verzeichnet werden. Für viele Probleme,<br />
denen sich die Politik gegenübersieht, gibt<br />
es ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fachen Lösungen son<strong>der</strong>n sie<br />
erfor<strong>der</strong>n tiefgreifende und komplexe Verän<strong>der</strong>ungen.<br />
Schnell wird hier wie<strong>der</strong> die<br />
ausländische Bevölkerung als Sündenbock<br />
für die vielen Versäumnisse <strong>der</strong> Regierungspolitik<br />
benutzt.<br />
Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen und Sozialdemokraten<br />
haben dies immer schon verurteilt und<br />
verurteilen dies auch heute.<br />
In bevorstehenden Landtags- und Bundestagswahlkämpfen<br />
1998 soll die negative<br />
Besetzung des Themas ¹Auslän<strong>der</strong>politikª,<br />
wie z.B. ¹Auslän<strong>der</strong>- und Krim<strong>in</strong>alität/<br />
Innere Sicherheitª als Wahlkampfthema<br />
vermieden werden. Wir halten diese Verknüpfung<br />
für gefährlich und kontraproduktiv.<br />
Die Würde des Menschen ist unantastbar:<br />
von diesem Grundsatz ausgehend, soll die<br />
Umsetzung <strong>der</strong> nachfolgenden Punkte dazu<br />
beitragen, den ausländischen Mitbürger/<br />
<strong>in</strong>nen unter uns e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Würde zu<br />
ermöglichen ± dies dient <strong>der</strong> Integration<br />
und dem gegenseitigen Verständnis und<br />
hilft Vorurteile abzubauen.<br />
Wir for<strong>der</strong>n den Bundesparteitag auf, über<br />
die folgenden Ziele <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auslän<strong>der</strong>politik<br />
zu beschlieûen:<br />
1. Wer <strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD geboren ist, muû automatisch<br />
die deutsche Staatsangehörigkeit<br />
besitzen. Sie darf ihm/ihr nicht<br />
aberkannt werden, es sei denn er/sie<br />
wählt sie mit dem 18. Lebensjahr ausdrücklich<br />
ab. Die Möglichkeit für e<strong>in</strong>e<br />
doppelte Staatsbürgerschaft muû vorhanden<br />
se<strong>in</strong>.<br />
2. Die E<strong>in</strong>bürgerung ausländischer Mitbürger/<strong>in</strong>nen<br />
wird erleichtert. Es soll<br />
e<strong>in</strong> une<strong>in</strong>geschränktes Recht auf E<strong>in</strong>bürgerung<br />
nach acht Jahren Aufenthalt <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> BRD geben. Nachgezogene Ehepartner/<strong>in</strong>nen<br />
müssen e<strong>in</strong> eigenständiges<br />
Aufenthaltsrecht bekommen. K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
und Jugendliche sollen im Rahmen <strong>der</strong><br />
Familie ohne die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es<br />
eigenen Visums o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er eigenen Aufenthaltserlaubnis<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> BRD leben, lernen<br />
und arbeiten können.<br />
3. E<strong>in</strong>e Abschiebung e<strong>in</strong>gebürgerter ausländischer<br />
Mitbürger/<strong>in</strong>nen ist nicht<br />
möglich. Nicht e<strong>in</strong>gebürgerte Auslän<strong>der</strong>/<strong>in</strong>nen<br />
können nur dann abgeschoben<br />
werden, wenn sie straffällig geworden<br />
und rechtskräftig verurteilt s<strong>in</strong>d.<br />
Hierbei ist e<strong>in</strong>e ¹Verbesserungª <strong>der</strong> bisherigen<br />
Praxis anzustreben: E<strong>in</strong>e<br />
Abschiebung ist frühestens nach zweimaliger<br />
Verurteilung zu m<strong>in</strong>destens<br />
e<strong>in</strong>em halben Jahr Gefängnis möglich.<br />
Wenn <strong>der</strong> Verurteilte bereits fünf Jahre<br />
hier gelebt hat, ist Abschiebung erst<br />
nach e<strong>in</strong>er Verurteilung zu drei o<strong>der</strong><br />
mehr Jahren Freiheitsstrafe möglich.<br />
4. K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendliche dürfen grundsätzlich<br />
nicht abgeschoben werden,<br />
wenn sie dadurch von <strong>der</strong> Familie<br />
getrennt werden.<br />
5. Nach <strong>der</strong> de facto Abschaffung des Art.<br />
16 GG soll zum<strong>in</strong>dest das Anerkennungsverfahren<br />
e<strong>in</strong>facher und humaner<br />
gestaltet werden. Die Möglichkeiten zur<br />
Erteilung e<strong>in</strong>er Aufenthaltsbefugnis aus<br />
humanitären Gründen soll erweitert<br />
werden. Asylbewerber sollen ihren<br />
Lebensunterhalt durch eigenständige<br />
Arbeit verdienen können. Dies för<strong>der</strong>t<br />
die soziale und wirtschaftliche Integration<br />
und hilft Vorurteile abzubauen.<br />
6. Die bisher durch das Auslän<strong>der</strong>gesetz<br />
verfolgte Praxis <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
muû durch e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ungsgesetz<br />
ersetzt werden. Dies muû e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> vor-<br />
343
angigen Ziele e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong> geführten<br />
Bundesregierung se<strong>in</strong>.<br />
7. Ausländischen Mitbürger/<strong>in</strong>nen soll<br />
ohne Unterschied h<strong>in</strong>sichtlich des Herkunftslandes<br />
das kommunale Wahlrecht<br />
gewährt werden. Die E<strong>in</strong>schreibung <strong>in</strong><br />
Wähler/<strong>in</strong>nenlisten muû dabei vere<strong>in</strong>facht<br />
werden.<br />
8. Zur Integration <strong>der</strong> ausländischen Mitbürger/<strong>in</strong>nen<br />
s<strong>in</strong>d gezielte För<strong>der</strong>maûnahmen<br />
zu ergreifen; beispielsweise sollten<br />
bei <strong>der</strong> Stellenbesetzung im<br />
öffentlichen Dienst ausländische Mitbürger/<strong>in</strong>nen<br />
ihrem Bevölkerungsanteil<br />
entsprechend berücksichtigt werden.<br />
Für Auslän<strong>der</strong>/<strong>in</strong>nen sollen die gleichen<br />
gesetzlichen und sozialen Standards gelten,<br />
wie für alle an<strong>der</strong>en Bürger <strong>der</strong> BRD. Dies<br />
schlieût die Verurteilung für Straftaten<br />
genauso e<strong>in</strong> wie die Geltung <strong>der</strong> unveräuûerlichen<br />
Grund- und Menschenrechte.<br />
Krim<strong>in</strong>alität ist e<strong>in</strong> Problem <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft. Dieses Problem ist jedoch <strong>in</strong><br />
ke<strong>in</strong>ster Weise mit <strong>der</strong> Staatsbürgerschaft<br />
verknüpft. Der pauschal geäuûerte Zusammenhang<br />
von angeblich steigen<strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alität<br />
und dem Anteil an ausländischen<br />
Mitbürger/<strong>in</strong>nen schürt Fe<strong>in</strong>dbil<strong>der</strong> und<br />
schafft rechten ¹law and or<strong>der</strong>ª-Parolen<br />
neue Freiräume.<br />
Diesen populistischen Vere<strong>in</strong>fachungen<br />
müssen wir Sozialdemokraten/<strong>in</strong>nen entschlossen<br />
entgegenwirken.<br />
E<strong>in</strong> Blick auf die Polizeiliche Krim<strong>in</strong>alstatistik<br />
(PKS) verdeutlicht die Fakten und hilft<br />
Vorurteile zu wi<strong>der</strong>legen:<br />
± 1993 war das bisherige Spitzenjahr <strong>der</strong><br />
registrierten Krim<strong>in</strong>alität, seither hat e<strong>in</strong><br />
leichter Rückgang stattgefunden (1993:<br />
8337 Straftaten pro 100000 E<strong>in</strong>wohner;<br />
1996: 8125);<br />
± In 1996 weist die PKS ca. 625 500 nichtdeutsche<br />
Tatverdächtige (von <strong>in</strong>sgesamt<br />
ca. 2,2 Mio.) aus, was e<strong>in</strong>em Anteil von<br />
28,3 % entspricht. Dies ist gegenüber<br />
1993 e<strong>in</strong> Rückgang von 5,3 Prozentpunkten.<br />
344<br />
± Diese Gesamtzahl wird dennoch häufig<br />
als e<strong>in</strong> angeblicher Beleg dafür genannt,<br />
daû Auslän<strong>der</strong> krim<strong>in</strong>eller seien als<br />
Deutsche.<br />
± Die offizielle Unterscheidung <strong>in</strong> Krim<strong>in</strong>alität<br />
von Auslän<strong>der</strong>n und Deutschen<br />
ist jedoch unpräzise.<br />
± Es gibt ke<strong>in</strong>e geeignete Zahlenbasis für<br />
¹Auslän<strong>der</strong>ª ± die E<strong>in</strong>wohnerstatistik<br />
erfaût z.B. ke<strong>in</strong>e Touristen, Durchreisende,<br />
Grenzpendler, Illegale etc.<br />
± Es ist also <strong>in</strong> Ermangelung e<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>reichenden<br />
Zahlenbasis nicht zulässig, den<br />
Auslän<strong>der</strong>anteil an den Tatverdächtigen<br />
<strong>der</strong> PKS mit dem weit niedrigeren Auslän<strong>der</strong>anteil<br />
an <strong>der</strong> <strong>in</strong>ländischen Wohnbevölkerung<br />
zu vergleichen.<br />
± E<strong>in</strong>e aussagekräftige vergleichende<br />
Untersuchung muû also<br />
± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten Schritt best. Personengruppen<br />
wie Touristen, Durchreisende,<br />
Asylbewerber etc. aus <strong>der</strong> Betrachtung<br />
herauszunehmen.<br />
± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zweiten Schritt all jene Strafvorschriften<br />
ausblenden, gegen die von<br />
Deutschen nicht verstoûen werden kann,<br />
weil sie eigens gegen Auslän<strong>der</strong>/<strong>in</strong>nen<br />
gerichtet s<strong>in</strong>d (Straftaten nach dem Auslän<strong>der</strong><br />
und Asylverfahrensgesetz).<br />
± E<strong>in</strong>e solchermaûen bere<strong>in</strong>igte registrierte<br />
Auslän<strong>der</strong>krim<strong>in</strong>alität zeigt, daû Nichtdeutsche<br />
sich krim<strong>in</strong>alstatistisch nicht<br />
wesentlich von den erfaûten Deutschen<br />
unterscheiden.<br />
± Demgegenüber besteht e<strong>in</strong> wesentlicher<br />
Unterschied h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Gewaltkrim<strong>in</strong>alität<br />
jedoch dar<strong>in</strong>, daû Auslän<strong>der</strong><br />
häufiger Opfer fremdenfe<strong>in</strong>dlicher<br />
Gewalttaten werden als umgekehrt<br />
Deutsche Opfer nichtdeutscher Gewalttäter.<br />
Fakt ist, daû bei vergleichbarer sozialer<br />
Situation Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit<br />
ke<strong>in</strong>eswegs häufiger Straftaten<br />
begehen als Deutsche.<br />
Die Verteilung <strong>der</strong> Krim<strong>in</strong>alität steht <strong>in</strong><br />
starkem Zusammenhang mit <strong>der</strong> Betroffenheit<br />
von sozialer Ungleichheit.
Das wirksamste Mittel liegt deshalb <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Politik <strong>der</strong> konsequenten sozialen<br />
Integration.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 251<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />
Aussetzung <strong>der</strong> Abschiebung<br />
von Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und<br />
Auslän<strong>der</strong>n aus humanitären<br />
Gründen im E<strong>in</strong>zelfall<br />
Das Auslän<strong>der</strong>recht ist dah<strong>in</strong> zu än<strong>der</strong>n,<br />
daû ± wie bei Gruppen von Auslän<strong>der</strong>n<br />
nach § 54 Auslän<strong>der</strong>gesetz ± auch <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen<br />
e<strong>in</strong>e Aussetzung <strong>der</strong> Abschiebung<br />
aus humanitären Gründen über die Fälle<br />
<strong>der</strong> §§ 51 bis 53 AuslG h<strong>in</strong>aus ermöglicht<br />
wird. E<strong>in</strong>e solche Ausnahmeregelung sollte<br />
ähnlich wie e<strong>in</strong>e Gnadenentscheidung im<br />
Strafrecht ausgestaltet werden, um nicht<br />
den Ansatz für langwierige Gerichtsverfahren<br />
zu bilden. Auf diesem Weg könnten<br />
auch viele Fälle befriedigend gelöst werden,<br />
die sonst oft <strong>in</strong> Kirchenasyl münden,<br />
ohne daû e<strong>in</strong>e solche Ausnahmeregelung<br />
unter Berufung auf den Asylkompromiû<br />
abgelehnt werden könnte. Es würde auch<br />
e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvoller Spielraum für Härtefallkommissionen<br />
auf Län<strong>der</strong>ebene geschaffen,<br />
denen Mitglie<strong>der</strong> des Landtags, <strong>der</strong> Exekutive,<br />
<strong>der</strong> Kirchen sowie von Organisationen<br />
wie Wohlfahrtsverbänden und amnesty<br />
<strong>in</strong>ternational angehören sollten.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 256<br />
Landesverband Saar<br />
Sicherstellung e<strong>in</strong>er ärztlichen<br />
Betreuung bei Schwangerschaften<br />
von Asylbewerber<strong>in</strong>nen und<br />
Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen<br />
Art. 25, Abs. 2, Satz 1 <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en<br />
Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>ten<br />
Nationen lautet: ¹Mutter und K<strong>in</strong>d<br />
haben Anspruch auf beson<strong>der</strong>e Hilfe und<br />
Unterstützung.ª<br />
Nach § 4, Abs. 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes<br />
(AsylblG) s<strong>in</strong>d werdenden<br />
Müttern und Wöchner<strong>in</strong>nen ... ärztliche<br />
und pflegerische Hilfe und Betreuung,<br />
Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und<br />
Heilmittel zu gewährenª.<br />
Dies. gilt allerd<strong>in</strong>gs nur für Frauen, die<br />
sich an dem ihnen zugewiesenen Ort aufhalten.<br />
Die Erfahrungen zeigen allerd<strong>in</strong>gs, daû <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
schwangere Frauen dort leben,<br />
wo sich ihre Lebenspartner aufhalten.<br />
Wir for<strong>der</strong>n die Bundesregierung auf, daû<br />
diese <strong>in</strong> § 4, Abs. 2 AsylblG garantierten<br />
Leistungen <strong>in</strong> jedem Fall auch für die oben<br />
genannten Auslän<strong>der</strong><strong>in</strong>nen f<strong>in</strong>den, auch<br />
wenn sie nicht an dem ihnen zugewiesenen<br />
Ort aufhalten.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag 1 257<br />
Kreis Leer<br />
(Bezirk Weser-Ems)<br />
Strafverfahren beschleunigen<br />
Der Gesetzgeber wird aufgefor<strong>der</strong>t, dafür<br />
Sorge zu tragen, daû Strafverfahren<br />
beschleunigt durchzuführen s<strong>in</strong>d.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
345
Antrag I 259<br />
Parteivorstand<br />
Verbot des Klonens<br />
Das Klonen von Menschen ist technisch<br />
machbar geworden. Der Gesetzgeber muû<br />
<strong>der</strong> Anwendung <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Biologie am<br />
Menschen dort Grenzen setzen, wo sie mit<br />
<strong>der</strong> Würde des Menschen unvere<strong>in</strong>bar ist<br />
und Grundrechte und Grundfreiheiten des<br />
Menschen gefährdet werden. Das Klonen,<br />
die Technik, genetisch identische Menschen<br />
herzustellen, verstöût gegen die<br />
Würde des Menschen. Wir halten an dem<br />
<strong>in</strong> Deutschland bestehenden strafrechtlichen<br />
Verbot des Klonens von Menschen<br />
fest und setzen uns e<strong>in</strong> für e<strong>in</strong> europaweites<br />
und weltweites Verbot des Klonens von<br />
Menschen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag 1 261<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommen<br />
zur Biomediz<strong>in</strong><br />
Der Bundesparteitag beobachtet mit groûer<br />
Sorge die vom Europarat ausgearbeiteten<br />
Vorschläge und Normen des zur Ratifizierung<br />
anstehenden Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommens<br />
zur Biomediz<strong>in</strong> (früher Bioethik-<br />
Konvention), das ethische Standards bei<br />
<strong>der</strong> Anwendung von Biologie und Mediz<strong>in</strong><br />
festlegen soll. Sie erwartet, daû e<strong>in</strong>e Ratifizierung<br />
dieses Übere<strong>in</strong>kommens durch die<br />
Bundesrepublik Deutschland nur dann<br />
erfolgt, wenn <strong>der</strong> Schutz e<strong>in</strong>willigungsunfähiger<br />
Personen gegen fremdnützige Forschung<br />
unzweideutig gewährleistet und<br />
damit e<strong>in</strong> umfassen<strong>der</strong> Persönlichkeitsschutz<br />
des betroffenen Personenkreises<br />
garantiert ist.<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t deshalb die<br />
<strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion auf, im Rahmen<br />
des Ratifizierungsverfahrens <strong>der</strong> vorliegenden<br />
Fassung des Menschenrechtsübere<strong>in</strong>kommens<br />
zur Biomediz<strong>in</strong> nicht zuzustim-<br />
346<br />
men und bei den weiteren Verhandlungen<br />
mit Nachdruck darauf zu drängen, daû<br />
Menschenrecht und Menschenwürde e<strong>in</strong>willigungsunfähiger<br />
Menschen umfassend<br />
gewahrt werden und nicht zum Spielball<br />
fragwürdiger kommerzieller Interessen verkommen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 262<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Patientenverfügung<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Fraktion<br />
im Bundestag auf, die Anerkennung<br />
<strong>der</strong> Patientenverfügungen gesetzlich zu<br />
regeln. Die dar<strong>in</strong> im Falle e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schränkung<br />
ihrer Willens- und Entscheidungsfähigkeit<br />
festgelegte Form <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Behandlung muû gelten.<br />
Das Gesetz muû sicherstellen, daû Patientenwünsche<br />
verb<strong>in</strong>dlich und gleichzeitig<br />
die behandelnden ¾rzte vor strafrechtlichen<br />
Folgen geschützt s<strong>in</strong>d.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 263<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Isarvorstadt<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Mut zu e<strong>in</strong>er besseren<br />
Drogenpolitik<br />
Die <strong>SPD</strong> wird den e<strong>in</strong>geschlagenen Weg<br />
e<strong>in</strong>es Kurswechsels <strong>in</strong> <strong>der</strong> Drogenpolitik<br />
konsequent fortsetzen und <strong>in</strong> ihrem Regierungsprogramm<br />
1998 e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />
Alternative zur verfehlten Drogenpolitik<br />
<strong>der</strong> bisherigen Bundesregierung anbieten.<br />
Die Bundestagsfraktion und die Landesregierungen<br />
werden aufgefor<strong>der</strong>t, die e<strong>in</strong>gebrachten<br />
Gesetzesentwürfe zum Betäubungsmittelgesetz<br />
weiterzuverfolgen und<br />
weiterh<strong>in</strong> abzustimmen mit den folgenden<br />
Zielen und Grundsätzen:
± die wissenschaftliche Erforschung von<br />
mediz<strong>in</strong>ischen Behandlungsprogrammen<br />
von Drogenkranken auch <strong>in</strong> Deutschland<br />
zu erleichtern, damit die positiven Erfahrungen<br />
aus <strong>der</strong> Schweiz bei <strong>der</strong> Vergabe<br />
von Hero<strong>in</strong> an Schwerstabhängige auch<br />
bei uns nachvollziehbar und nutzbar<br />
werden: Über die Erkenntnisse aus den<br />
Behandlungsprogrammen ist jährlich zu<br />
berichten, um die gesellschaftliche<br />
Akzeptanz für die Probleme Suchtkranker<br />
zu erhöhen und ¾ngste bei <strong>der</strong><br />
Bevölkerung abzubauen;<br />
± die Substitutionstherapie mit Methadon<br />
und ähnlichem <strong>in</strong> den Leistungskatalog<br />
<strong>der</strong> Gesetzlichen Krankenversicherung<br />
aufzunehmen. Der Zugang zu diesen<br />
Therapien ist zu erleichtern und dadurch<br />
auch die weltweit nur <strong>in</strong> Deutschland<br />
e<strong>in</strong>gesetzte uns<strong>in</strong>nige Code<strong>in</strong>-Substitution<br />
e<strong>in</strong>zuschränken. Die psycho-soziale<br />
Betreuung Drogenkranker und entsprechende<br />
± auch ambulante ± Therapieformen<br />
und Präventionsleistungen müssen<br />
als Kassenauftrag erhalten bzw. wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>geführt<br />
und ausgeweitet werden. Die<br />
Kassenausgaben für Hepatitis, Aids und<br />
an<strong>der</strong>e Sekundärerkrankungen werden<br />
dadurch ebenso s<strong>in</strong>ken wie die immensen<br />
gesellschaftlichen Kosten <strong>der</strong> Beschaffungskrim<strong>in</strong>alität;<br />
± e<strong>in</strong>e bundese<strong>in</strong>heitliche Rechtslage zu<br />
schaffen, um <strong>in</strong> staatlich anerkannten<br />
Drogenhilfestellen, Kontakt- und Krisenzentren<br />
neben vielfältigen Therapieund<br />
Hilfsangeboten auch den hygienischen<br />
Verbrauch von Drogen zu dulden,<br />
<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Verwahrlosung Süchtiger vorbeugen,<br />
Kontakt zu ansonsten nicht<br />
erreichbaren Abhängigen herstellen und<br />
die mediz<strong>in</strong>ische Notfallversorgung<br />
erleichtern kann;<br />
± praktische Erfahrungen zur Trennung<br />
<strong>der</strong> Märkte von harten und weichen<br />
Drogen durch e<strong>in</strong>en Modellversuch zu<br />
ermöglichen, die wie<strong>der</strong>holten<br />
Beschlüsse <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>gesundheitsm<strong>in</strong>ister<br />
zu realisieren und die Initiative<br />
Schleswig-Holste<strong>in</strong>s dabei ausdrücklich<br />
zu unterstützen;<br />
± bei <strong>der</strong> Strafverfolgung des Drogenkonsums<br />
zu e<strong>in</strong>er bundesgesetzlichen e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Regelung zu kommen und<br />
Herstellung, Erwerb und Besitz ger<strong>in</strong>ger<br />
Drogenmengen zum Eigenkonsum ohne<br />
Fremdgefährdung straflos zu stellen.<br />
Dies bedeutet ke<strong>in</strong>e Freigabe von Drogen,<br />
son<strong>der</strong>n für Polizei, Staatsanwaltschaften<br />
und Gerichte e<strong>in</strong> flexibleres und<br />
e<strong>in</strong>heitliches Vorgehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Strafverfolgung<br />
suchtkranker Menschen;<br />
± den Konsum von legalen und illegalen<br />
Drogen als millionenfache gesellschaftliche<br />
Realität wahrzunehmen und bei den<br />
bundesweiten Maûnahmen zur Suchtprävention<br />
Glaubwürdigkeit und gesellschaftliche<br />
Akzeptanz anzustreben: Dazu<br />
gehört bei <strong>der</strong> Aufklärung Jugendlicher<br />
auch e<strong>in</strong>e ihren realen Erfahrungen<br />
gerecht werdende Gefährlichkeitse<strong>in</strong>schätzung<br />
<strong>der</strong> verschiedenen Suchtstoffe.<br />
Nicht Strafe, son<strong>der</strong>n die För<strong>der</strong>ung<br />
e<strong>in</strong>es verantwortungsvollen Umgangs<br />
mit allen Rauschmitteln, die Vorsorge<br />
gegen gesundheitliche Schäden und die<br />
Hilfe für diejenigen, die solche benötigen,<br />
müssen im Vor<strong>der</strong>grund stehen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 264<br />
Landesverband Baden-Württemberg<br />
Drogenpolitik<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich für e<strong>in</strong>e neue Bewertung<br />
von Drogen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft e<strong>in</strong>.<br />
Ziel ist e<strong>in</strong>e Gleichbehandlung <strong>der</strong> Drogen<br />
Alkohol, Nikot<strong>in</strong> und Cannabis, bei gleichzeitiger<br />
klarer Trennung von den sogenannten<br />
harten Drogen wie Hero<strong>in</strong>,<br />
Koka<strong>in</strong>, Ecstasy etc.<br />
Dazu s<strong>in</strong>d folgende Maûnahmen zu ergreifen:<br />
Die E<strong>in</strong>fuhr, <strong>der</strong> Erwerb, Anbau, Besitz<br />
und Konsum von THC-haltigen Stoffen<br />
zum Eigenbedarf soll straffrei gestellt werden.<br />
347
THC-haltige Stoffe dürfen über geeignete<br />
E<strong>in</strong>richtungen wie z.B. Apotheken o<strong>der</strong><br />
spezielle Geschäfte abgegeben werden.<br />
Der Erwerb bzw. die Abgabe darf die<br />
Höchstmenge von 20 g nicht überschreiten.<br />
Die Abgabe hat nach den Regelungen des<br />
Jugendschutzgesetzes zu erfolgen und ist<br />
an Personen unter 18 Jahren nicht gestattet.<br />
Es besteht grundsätzliches Werbeverbot für<br />
Alkohol, Nikot<strong>in</strong> und Cannabis.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 265<br />
Kreisverband Erlangen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Betäubungsmittel<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t, Erwerb und Besitz ger<strong>in</strong>ger<br />
Mengen von Betäubungsmitteln straflos<br />
zu stellen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprgramms)<br />
Antrag I 267<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />
Verabschiedung des Arbeitsvertragsgesetzes<br />
Entsprechend <strong>der</strong> Beschluûlage <strong>der</strong> Partei<br />
auf allen Ebenen for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundesparteitag<br />
die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und<br />
die <strong>SPD</strong>-geführten Län<strong>der</strong> auf, den vom<br />
Land Brandenburg <strong>in</strong> das Gesetzgebungsverfahren<br />
e<strong>in</strong>gebrachten Entwurf e<strong>in</strong>es<br />
Arbeitsvertragsgesetzes beschleunigt zu<br />
behandeln und zu verabschieden.<br />
Neben den Tarifverträgen würde dieses<br />
Gesetz den Arbeitnehmer<strong>in</strong>nen und Arbeitnehmern<br />
die notwendige Rechtssicherheit<br />
348<br />
geben. Die Bundesregierung erfüllt ihren<br />
Auftrag aus Artikel 30 des E<strong>in</strong>igungsvertrages,<br />
e<strong>in</strong> solches Gesetz vorzulegen nicht,<br />
weil sie Kritik aus den Reihen <strong>der</strong> Arbeitgeber<br />
an klaren gesetzlichen Regelungen<br />
befürchtet. Dem gegenüber wird neben <strong>der</strong><br />
Arbeitnehmerschaft gerade die Arbeitsgerichtsbarkeit<br />
e<strong>in</strong> solches Gesetz begrüûen,<br />
das gesellschaftlich notwendig und sozialpolitisch<br />
ausgewogen ist. Unter den gegebenen<br />
Umständen ist es beson<strong>der</strong>s wichtig,<br />
daû <strong>der</strong> vorliegende Gesetzentwurf von<br />
e<strong>in</strong>em neuen Bundesland e<strong>in</strong>gebracht worden<br />
ist.<br />
Die For<strong>der</strong>ung aus, dem Entwurf des<br />
Regierungsprogramms <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> für die<br />
Bundestagswahl 1994, die gesetzliche<br />
Grundlage für e<strong>in</strong>e sozial fortschrittliche<br />
Gestaltung aller Arbeitsverhältnisse zu<br />
schaffen, gew<strong>in</strong>nt <strong>in</strong> Zeiten wachsen<strong>der</strong><br />
sozialer Kälte mehr denn je an Bedeutung.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 268<br />
Unterbezirk Hochsauerland<br />
(Bezirk Westliches Westfalen)<br />
Mitbestimmung im Betriebsverfassungsgesetz<br />
sichern<br />
Die Novellierung des 1972 verabschiedeten<br />
Betriebsverfassungsgesetzes <strong>in</strong> Bezug auf<br />
Mitbestimmungsmöglichkeiten <strong>der</strong><br />
Betriebsräte <strong>in</strong> Konzernunternehmen ist<br />
auf Grund <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> den letzten Jahrzehnten<br />
geän<strong>der</strong>ten Unternehmens- bzw.<br />
Konzernstrukturen zu än<strong>der</strong>n. Das Mitbestimmungsrecht<br />
<strong>der</strong> Betriebsräte ist diesen<br />
Strukturen anzupassen. Zur Zeit ist die im<br />
Betriebsverfassungsgesetz geregelte Mitbestimmung<br />
lediglich auf die Unternehmensebene<br />
begrenzt. Die Unternehmen, vor<br />
allem Konzernunternehmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />
letzten Jahrzehnten dazu übergegangen,<br />
E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e rechtlich selbständige<br />
Unternehmen aufzuspalten, <strong>in</strong> denen für<br />
den jeweiligen Betriebsrat die Mitbestimmung<br />
an <strong>der</strong> Unternehmensgrenze endet.<br />
Über diese Grenze h<strong>in</strong>aus im Konzern, hat
<strong>der</strong> Konzernbetriebsrat lediglich Informations-<br />
und Anhörungsrechte, während alle<br />
unternehmerisch wichtigen Entscheidungen<br />
<strong>in</strong> konzernführenden Hold<strong>in</strong>g-Gesellschaften<br />
getroffen werden.<br />
Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t deshalb den<br />
<strong>SPD</strong>-Bundesvorstand und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
auf, nach e<strong>in</strong>er Regierungsübernahme<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> Bonn nach <strong>der</strong><br />
nächsten Bundestagswahl die betriebsverfassungsrechtlichenMitbestimmungsmöglichkeiten<br />
auf Konzernbetriebsräte zu<br />
erweitern.<br />
Wir for<strong>der</strong>n die Aufnahme <strong>in</strong> das Wahlprogramm<br />
<strong>der</strong> Bundes-<strong>SPD</strong> zur nächsten<br />
Bundestagswahl.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 269<br />
Unterbezirk Hochsauerland<br />
(Bezirk Westliches Westfalen)<br />
Novellierung<br />
Betriebsverfassungsgesetz<br />
Durch die §§ 106±109 BetrVG wird <strong>der</strong><br />
Betriebsrat nur unzulänglich an wirtschaftlichen<br />
Angelegenheiten beteiligt. Er steht<br />
mehr o<strong>der</strong> weniger auûen vor, wenn durch<br />
Miûmanagement o<strong>der</strong> durch unternehmerische<br />
Fehlentscheidung e<strong>in</strong> Unternehmen<br />
ru<strong>in</strong>iert wird. Erst danach hat <strong>der</strong> Betriebsrat<br />
im Rahmen <strong>der</strong> §§ 111±113 BetrVG die<br />
Möglichkeit durch e<strong>in</strong>en Interessenausgleich<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Sozialplan die Folgen<br />
unternehmerischer Fehlentscheidung mitzugestalten.<br />
Im Vorfeld begrenzen sich<br />
se<strong>in</strong>e Beteiligungsmöglichkeiten lediglich<br />
auf Informations- und Anhörungsrechte.<br />
Hier muû dem Betriebsrat e<strong>in</strong>e stärkere<br />
Mitbestimmung e<strong>in</strong>geräumt werden.<br />
Der <strong>SPD</strong>-<strong>Parteitag</strong> for<strong>der</strong>t deshalb den<br />
<strong>SPD</strong>-Bundesvorstand und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
auf, nach e<strong>in</strong>er Regierungsübernahme<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> <strong>in</strong> Bonn nach <strong>der</strong><br />
nächsten Bundestagswahl e<strong>in</strong>e Erweiterung<br />
<strong>der</strong> betriebsverfassungsrechtlichen Mitbe-<br />
stimmung auf wirtschaftliche Angelegenheiten<br />
gesetzlich zu verankern.<br />
Wir for<strong>der</strong>n die Aufnahme <strong>in</strong> das Wahlprogramm<br />
<strong>der</strong> Bundes-<strong>SPD</strong> zur nächsten<br />
Bundestagswahl.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 270<br />
Bezirk <strong>Hannover</strong><br />
Beamt<strong>in</strong>nen und Beamte<br />
Für Beamte wird e<strong>in</strong>e eigenständige Pensionskasse<br />
e<strong>in</strong>gerichtet, die analog zu den<br />
Regelungen <strong>der</strong> gesetzlichen Rentenversicherung<br />
Beiträge vom Staat und von den<br />
Beamten f<strong>in</strong>anziert wird und schrittweise<br />
die Pensionen <strong>der</strong> Beamten übernimmt.<br />
Dazu s<strong>in</strong>d auch die erfor<strong>der</strong>lichen ¾n<strong>der</strong>ungen<br />
des Grundgesetzes e<strong>in</strong>zuleiten. Bei<br />
dem schrittweisen Umbau ist durch e<strong>in</strong>e<br />
Anhebung <strong>der</strong> unteren Bruttogehälter für<br />
e<strong>in</strong>en sozialen Ausgleich zu sorgen.<br />
Weiterh<strong>in</strong> ist die E<strong>in</strong>stellung neuer Beamt<strong>in</strong>nen<br />
und Beamter nur noch für hoheitliche<br />
Aufgaben nach e<strong>in</strong>em strengen Maûstab<br />
vorzunehmen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 271<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Beamtenrecht<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
darauf h<strong>in</strong>zuarbeiten, daû das<br />
Beamtenrecht so geän<strong>der</strong>t wird, daû politische<br />
Beamte nach <strong>der</strong>en Ausscheiden aus<br />
dem jeweiligen Amt neben den zum<br />
Lebensunterhalt erfor<strong>der</strong>lichen Berufse<strong>in</strong>künften<br />
nicht gleichzeitig noch Pensionen<br />
349
zw. nicht mehrere Pensionen gleichzeitig<br />
erhalten.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 273<br />
Landesverband Sachsen<br />
Unterhaltsrecht m<strong>in</strong><strong>der</strong>jähriger<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Die Bundestagsfraktion wird beauftragt,<br />
e<strong>in</strong>e ¾n<strong>der</strong>ung des Unterhaltsvorschuûgesetzes<br />
anzustreben mit <strong>der</strong> Maûgabe, die<br />
Anspruchsberechtigung auf alle m<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong> ohne eigenes E<strong>in</strong>kommen<br />
auszuweiten.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 274<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft sozialdemokratischer<br />
Jurist<strong>in</strong>nen und Juristen (ASJ)<br />
Öffnungsklausel für<br />
auûergerichtliche<br />
Konfliktregelung<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion und die <strong>SPD</strong>geführten<br />
Landesregierungen werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
durch e<strong>in</strong>e weit gefaûte Öffnungsklausel<br />
im E<strong>in</strong>führungsgesetz zur<br />
Zivilprozeûordnung und im Gesetz über<br />
die freiwillige Gerichtsbarkeit den Landesgesetzgebern<br />
die Möglichkeit zu geben,<br />
Verfahrensvorschriften so auszugestalten,<br />
daû sich e<strong>in</strong> breit gefächertes Angebot für<br />
auûergerichtliche Konfliktregelung bzw.<br />
Streitschlichtung entwickeln kann.<br />
Den Län<strong>der</strong>n muû e<strong>in</strong> wesentlich weiterer<br />
Rahmen als jetzt im Gesetzentwurf für<br />
§ 15a EGZPO vorgesehen für die E<strong>in</strong>führung<br />
des obligatorischen Vorverfahrens vor<br />
350<br />
<strong>der</strong> Gütestelle e<strong>in</strong>geräumt werden, damit<br />
alle vom Streitgegenstand her geeigneten<br />
Fälle auch mit höheren Streitwerten von<br />
vornhere<strong>in</strong> an entsprechende Gütestellen<br />
verwiesen werden können, sofern <strong>in</strong> dem<br />
jeweiligen Land geeignete Stellen zur Verfügung<br />
stehen. (Zu diskutieren wäre dies<br />
z. B. für familienrechtliche Streitigkeiten<br />
nach dem FGG wie Hausratsverteilungsverfahren,<br />
Wohnungszuweisung, Umgangsregelung<br />
mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d, wie auch die<br />
entsprechenden zivilprozessual zu lösenden<br />
Konflikte zwischen Partnern nichtehelicher<br />
Lebensgeme<strong>in</strong>schaften und Wohngeme<strong>in</strong>schaften,<br />
Unterlassungsansprüche zwischen<br />
Lebenspartnern (Belästigungsverbote pp)<br />
und an<strong>der</strong>es mehr.)<br />
Die Län<strong>der</strong> sollten weiter die Möglichkeit<br />
bekommen, vorzusehen, daû e<strong>in</strong> Gericht<br />
e<strong>in</strong> bereits laufendes Verfahren für e<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>igungsversuch <strong>in</strong> Schlichtungsverfahren<br />
unterschiedlichster Art (Mediation/rechtlich<br />
orientierte Schlichtungsverfahren/fachlich<br />
orientierte Güteverfahren mit Sachverständigen<br />
u. a.m.) überweisen kann.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 275<br />
Unterbezirk <strong>Hannover</strong>-Stadt<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
Mitwirkung <strong>der</strong> Städte und<br />
Geme<strong>in</strong>den an <strong>der</strong> Gesetzgebung<br />
verbessern<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong>-Fraktionen <strong>der</strong><br />
Landtage und die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion<br />
auf, die Initiative zu ergreifen, um durch<br />
die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er ¹Kommunalkammerª<br />
<strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen und auf Bundesebene die<br />
Beteiligung <strong>der</strong> Städte und Geme<strong>in</strong>den an<br />
<strong>der</strong> Gesetzgebung zu verbessern.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktionen)
Antrag I 276<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>SPD</strong> 60 plus<br />
Kommunalpolitische Initiative<br />
Der demographische Wandel, d.h. Alterung<br />
und Abnahme <strong>der</strong> e<strong>in</strong>heimischen<br />
Bevölkerung, ist schon heute <strong>in</strong> den Städten,<br />
beson<strong>der</strong>s den Groû- und Mittelstädten,<br />
spürbar. Die Folgen <strong>der</strong> steigenden<br />
Lebenserwartung und kont<strong>in</strong>uierlich niedriger<br />
Geburtenraten werden noch verstärkt<br />
durch die überdurchschnittliche Abwan<strong>der</strong>ung<br />
von Jungen und den Zuzug von ¾lteren.<br />
Ab 2010 werden die geburtenstarken<br />
Jahrgänge <strong>in</strong> den Ruhestand wechseln. Das<br />
Verhältnis <strong>der</strong> ¾lteren zu an<strong>der</strong>en Gruppen<br />
<strong>der</strong> Stadtbevölkerungen wird sich dann von<br />
1 zu 3 auf 1 zu 2 verän<strong>der</strong>n. Neue soziale<br />
Situationen s<strong>in</strong>d im kommunalen Raum<br />
direkt erfahrbar, ebenso wie <strong>der</strong> Erfolg<br />
o<strong>der</strong> Miûerfolg politischen Planens und<br />
Handelns.<br />
Die AG <strong>SPD</strong> 60 plus wird e<strong>in</strong>e kommunalpolitische<br />
Initiative auf allen Ebenen<br />
ergreifen. Die <strong>SPD</strong> begrüût und unterstützt<br />
diese Initiative. Die Ergebnisse sollen<br />
für die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Handlungsanleitung<br />
bieten und <strong>in</strong> die Arbeit <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
<strong>in</strong>sgesamt e<strong>in</strong>flieûen.<br />
Die kommunalpolitische Initiative <strong>der</strong> AG<br />
<strong>SPD</strong> 60 plus wird sich mit Themen und<br />
Positionen beschäftigen, die die Fachdiskussion<br />
als neue Leitl<strong>in</strong>ien bestimmen und<br />
mit denen sich die Politik kritisch ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen<br />
soll.<br />
Zielpunkt ist e<strong>in</strong> bundesweiter Kongreû im<br />
Frühsommer 1999, <strong>der</strong> durch Fach- und<br />
Verbändegespräche, Veröffentlichungen<br />
und Sem<strong>in</strong>arangebote vorbereitet wird.<br />
In <strong>der</strong> Vorbereitung wird sich die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit folgenden<br />
Themen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen:<br />
Initiativen zur nachberuflichen Tätigkeit;<br />
För<strong>der</strong>ungsmodelle des Ehrenamtes;<br />
Selbsthilfe-Netzwerke ¾lterer; Gesund-<br />
heitspolitik; Dienstleistungen und ihre<br />
Qualitätssicherung; Verwaltungsmo<strong>der</strong>nisierung;<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an mo<strong>der</strong>ne Altenplanung;<br />
Stadtplanung/Stadtentwicklung/<br />
Kulturpolitik.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 277<br />
Bezirk <strong>Hannover</strong><br />
Opferrenten für NS-Verbrecher<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t, daû die rechtlichen<br />
Grundlagen für die Zahlung von Opferrenten<br />
für NS-Verbrecher (auch <strong>der</strong> im Ausland<br />
lebenden) und <strong>der</strong>en Angehörige<br />
überprüft und ggf. geän<strong>der</strong>t werden.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 278<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Hettenshausen<br />
Kreisverband Pfaffenhofen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Handwerksordnung<br />
Die Bundestagsfraktion und die Mitglie<strong>der</strong><br />
des Bundesrates <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Deutschlands werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
e<strong>in</strong>e ¾n<strong>der</strong>ung des Gesetzes zur Ordnung<br />
des Handwerkes (Handwerksordnung) <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Richtung herzuführen, daû es jeden<br />
Staatsbürger erlaubt wird, se<strong>in</strong> Recht auf<br />
freie Berufsausübung auszuüben. Ebenso<br />
ist es fraglich ob die deutsche Gesetzesgebung<br />
hier nicht mit dem Europäischen<br />
Recht kollidiert. Deshalb ist e<strong>in</strong>e Streichung<br />
o<strong>der</strong> ¾n<strong>der</strong>ung sämtlicher Paragraphen,<br />
die dieses Grundrecht e<strong>in</strong>schränken<br />
dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich. Denkbar wäre alternativ<br />
e<strong>in</strong>e Verän<strong>der</strong>ung des § 8 (HwO) <strong>in</strong><br />
dem S<strong>in</strong>n die Kannbestimmung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Muûbestimmung umzuwandeln.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
351
Antrag I 279<br />
Unterbezirk Northeim-E<strong>in</strong>beck<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
Vergaberichtl<strong>in</strong>ien<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich dafür e<strong>in</strong>, die Vergaberichtl<strong>in</strong>ien<br />
<strong>der</strong> öffentlichen Hände dah<strong>in</strong>gehend<br />
zu än<strong>der</strong>n, dass Betriebe, die ausbilden<br />
o<strong>der</strong> Ausbildungsplätze vorhalten, bei<br />
<strong>der</strong> Vergabe öffentlicher Aufträge unbed<strong>in</strong>gt<br />
bevorzugt behandelt werden. Öffentliche<br />
Aufträge s<strong>in</strong>d von sozialversicherungspflichtiger<br />
Beschäftigung und<br />
Tarifgebundenheit abhängig zu machen.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion und<br />
Landtagsfraktionen)<br />
Antrag I 280<br />
Landesverband Berl<strong>in</strong><br />
Prostitution als Beruf<br />
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion<br />
soll sich dafür e<strong>in</strong>setzen, daû Prostitution<br />
als Beruf anerkannt wird. Dazu gehört<br />
vor allem:<br />
± die ¾n<strong>der</strong>ung des § 138 BGB, <strong>der</strong> die<br />
Sittenwidrigkeit von Prostitution festlegt<br />
und damit die Ursache für die Nichtigkeit<br />
von Rechtsgeschäften mit Prostituierten<br />
ist, und<br />
± die Abschaffung <strong>der</strong> Verwehrung <strong>der</strong><br />
Aufnahme <strong>in</strong> die Kranken-, Renten-,<br />
Arbeitslosen und Unfallversicherung.<br />
(Überwiesen an Bundestagsfraktion)<br />
Antrag I 282<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Kiel-Süd-West<br />
(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />
Offenlegung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverhältnisse<br />
von Abgeordneten<br />
Dem letzten ordentlichen Bundesparteitag<br />
haben mehrere Anträge mit <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung<br />
nach Offenlegung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>kommensverhält-<br />
352<br />
nisse von Abgeordneten vorgelegen. Die<br />
Antragskommission hatte den folgenden<br />
IR 27 e<strong>in</strong>es Ortsvere<strong>in</strong>s aus Baden-Württemberg<br />
zur Annahme vorgeschlagen:<br />
¹Die Abgeordneten im Bundestag werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, sich <strong>in</strong> ihrer Fraktion dafür<br />
e<strong>in</strong>zusetzen, daû e<strong>in</strong>e gesetzliche Grundlage<br />
geschaffen wird, nach <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong><br />
des Bundes- und <strong>der</strong> Landtage ihre Nebentätigkeiten<br />
und die daraus resultierenden<br />
E<strong>in</strong>künfte offenlegen müssen.ª<br />
Da aus zeitlichen Gründen e<strong>in</strong>e Beschluûfassung<br />
durch den Bundesparteitag nicht<br />
möglich war, wurde <strong>der</strong> Antrag an den Parteirat<br />
überwiesen, <strong>der</strong> ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er<br />
ersten Sitzungen nach dem Bundesparteitag<br />
ordnungsgemäû beschlossen hat.<br />
1. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
dem auûerordentlichen Bundesparteitag<br />
schriftlich zu berichten, was die Bundestagsfraktion<br />
und die e<strong>in</strong>zelnen Landtagsfraktionen<br />
zur Umsetzung dieses<br />
nach den Parteistatuten verb<strong>in</strong>dlichen<br />
Beschlusses <strong>in</strong>zwischen unternommen<br />
haben.<br />
2. Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
soweit e<strong>in</strong>e gesetzliche Umsetzung an<br />
den Mehrheitsverhältnissen scheitert,<br />
die Bundestagsfraktion und die Landtagsfraktionen<br />
zu veranlassen, durch<br />
Ergänzungen <strong>der</strong> jeweiligen Geschäftsordnungen<br />
die Offenlegung aller steuerpflichtigen<br />
Nebene<strong>in</strong>künfte <strong>der</strong> Abgeordneten<br />
zu gewährleisten.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 32<br />
Groûer Lauschangriff<br />
Der Bundesparteitag nimmt den Zwischenbericht<br />
<strong>der</strong> Verhandlungskommission zur<br />
Umsetzung des <strong>Parteitag</strong>sbeschlusses von<br />
Wiesbaden 1993 zur Kenntnis.<br />
Um sicherzustellen, daû auch bei entschiedener<br />
Bekämpfung <strong>der</strong> Organisierten Krim<strong>in</strong>alität<br />
e<strong>in</strong> effektiver Grundrechtsschutz
aufrechterhalten wird, und um den Schutz<br />
<strong>der</strong> Privatsphäre und e<strong>in</strong>em freiheitlichen<br />
Klima <strong>in</strong> unserer Gesellschaft Rechnung zu<br />
tragen, for<strong>der</strong>t <strong>der</strong> Bundesparteitag folgende<br />
Klarstellungen:<br />
1. Beichte und seelsorgerisches Gespräch<br />
dürfen <strong>in</strong>nerhalb und auûerhalb von<br />
Wohnungen nicht akustisch überwacht<br />
werden. Das ist unverrückbar und unbezweifelbar<br />
klarzustellen.<br />
2. Gespräche im Rahmen beson<strong>der</strong>er Vertrauensverhältnisse<br />
<strong>in</strong>nerhalb und auûerhalb<br />
von Wohnungen (z.B. das Arzt-<br />
Patienten-Verhältnis o<strong>der</strong> das Anwalts-<br />
Mandanten-Verhältnis) müssen durch<br />
beson<strong>der</strong>e Beweiserhebungs- o<strong>der</strong><br />
Beweisverwertungsverbote verfassungsfest<br />
geschützt werden.<br />
3. Die akustische Wohnraumüberwachung<br />
muû aufgrund des damit immer verbundenen<br />
Grundrechtse<strong>in</strong>griffes auf den<br />
kle<strong>in</strong>en Kreis hochgefährlicher schwerer<br />
Strafttaten, die zur Organisierten Krim<strong>in</strong>alität<br />
führen (wozu auch Korruptionsdelikte<br />
gehören), begrenzt werden. Er<br />
muû verfahrensmäûig durch die B<strong>in</strong>dung<br />
<strong>der</strong> Anordnungsbefugnis an e<strong>in</strong>en<br />
OLG-Senat und durch die nachträgliche<br />
Benachrichtigung <strong>der</strong> Betroffenen noch<br />
besser abgesichert werden.<br />
4. Der präventive Lauschangriff ist strikt<br />
auf die Abwehr e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>en Gefahr<br />
o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Lebensgefahr zu begrenzen.<br />
5. Abhörmaûnahmen müssen laufend richterlich<br />
überwacht und dabei unzulässige<br />
Aufzeichnungen <strong>der</strong> Vernichtung zugeführt<br />
werden.<br />
6. Der Bundesparteitag betont die Aufrechterhaltung<br />
des Trennungsgebotes<br />
und lehnt die E<strong>in</strong>beziehung von Verfassungsschutzbehörden<br />
<strong>in</strong> den Bereich <strong>der</strong><br />
Verbrechensbekämpfung weiterh<strong>in</strong> ab.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 48<br />
Gegen die unmenschliche Abschiebepraxis<br />
<strong>der</strong> bayerischen<br />
Staatsregierung<br />
Der Bundesparteitag <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> wendet sich<br />
mit Abscheu gegen die <strong>in</strong>humane Abschiebepraxis<br />
<strong>der</strong> Bayerischen Staatsregierung!<br />
Wir unterstützen die Bemühungen des<br />
¹Asylkreises Eichenauª und des ¹Unterstützerkreises<br />
Zanª, für die Familie Zan e<strong>in</strong><br />
Bleiberecht zu erreichen.<br />
Familie Zan, kurdische Türken (Eltern und<br />
sechs K<strong>in</strong><strong>der</strong>, geb. zwischen 1980 und<br />
1989) lebt seit 1989 im Landkreis Fürstenfeldbruck/Bayern.<br />
Der Vater war <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Türkei wegen se<strong>in</strong>er Weigerung, als Dorfschütze<br />
zu arbeiten, drei und sechs Monate<br />
<strong>in</strong> Haft. 1991 und 1994 wurden Asylantrag<br />
bzw. Asylfolgeantrag abgelehnt, von 1994<br />
bis April 1996 lebte die Familie mit Landkreisduldung<br />
<strong>der</strong> damaligen <strong>SPD</strong>-Landrät<strong>in</strong><br />
im Kreis Fürstenfeldbruck. Zahlreiche<br />
Petitionen beim Bayerischen Landtag, u. a.<br />
durch Caritaspfarrer Neuhauser aus München<br />
und Hans-Jochen Vogel, blieben<br />
erfolglos.<br />
Familie Zan erfüllt sämtliche Bed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>der</strong> Härtefallregelung für e<strong>in</strong>e Aufenthaltsgewährung:<br />
± sie lebt sei 1989 ununterbrochen <strong>in</strong><br />
Deutschland<br />
± sie verfügt über e<strong>in</strong>e für ihre acht Familienangehörigen<br />
ausreichende Wohnung,<br />
die sie auch aus eigenen Mitteln bezahlt<br />
± sie hat e<strong>in</strong> festes monatliches E<strong>in</strong>kommen,<br />
das sie vom Bezug staatlicher<br />
Sozialleistungen unabhängig macht<br />
± die Eltern sowie die nicht mehr schulpflichtige<br />
Tochter haben feste Arbeitsplätze<br />
Die Bayerische Staatsregierung verlangt<br />
jetzt unter H<strong>in</strong>weis, nicht für 40 an<strong>der</strong>e<br />
Fälle (Familien!) e<strong>in</strong>en Präzedenzfall schaffen<br />
zu wollen, daû die Bed<strong>in</strong>gungen für die<br />
Anerkennung als Härtefall bereits zum<br />
Zeitpunkt <strong>der</strong> Verabschiedung <strong>der</strong> Härte-<br />
353
fallregelung am 29. 3. 96 hätten erfüllt se<strong>in</strong><br />
müssen.<br />
Dies wi<strong>der</strong>spricht dem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er <strong>in</strong> humanitärer<br />
Weise anzuwendenden Härtefallregelung,<br />
bei <strong>der</strong> Raum zur Lösung für<br />
beson<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>zelfälle bleiben muû.<br />
354<br />
Der Bundesparteitag <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> verurteilt die<br />
hartherzige auslän<strong>der</strong>rechtliche Praxis <strong>der</strong><br />
bayerischen Staatsregierung.<br />
(Angenommen)
Jugend- und Bildungspolitik<br />
Antrag I 283<br />
Parteivorstand<br />
Bildung für die Zukunft ± Bildung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er lernfähigen und<br />
lernenden Gesellschaft<br />
Wir wollen unser Land auf das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
vorbereiten. Wir wollen e<strong>in</strong>e neue<br />
Politik durchsetzen, die Bildung und Wissenschaft,<br />
Qualifikation und Innovation<br />
e<strong>in</strong>en neuen Stellenwert gibt und unser<br />
Land wie<strong>der</strong> zukunftsfähig macht. Wir<br />
wollen e<strong>in</strong>e Bildungspolitik, die junge und<br />
erwachsene Menschen darauf vorbereitet,<br />
daû die Menschheit nur mit e<strong>in</strong>er nachhaltigen<br />
Entwicklung e<strong>in</strong>e selbstbestimmte<br />
Zukunft haben wird.<br />
Unser Land braucht e<strong>in</strong>e neue Regierung.<br />
Die jetzige Bundesregierung hat <strong>in</strong> 15 Jahren<br />
Regierungstätigkeit die Grundlagen für<br />
die Bewältigung des Strukturwandels und<br />
den sozialen Zusammenhalt aufs Spiel<br />
gesetzt. Weit über vier Millionen Arbeitslose,<br />
darunter e<strong>in</strong>e halbe Million Jugendliche<br />
unter 25 Jahren und die auf über zwei<br />
Billionen Mark angestiegene Staatsverschuldung<br />
s<strong>in</strong>d hierfür Beleg.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird <strong>in</strong> ihrem Regierungsprogramm<br />
1998 Bildung, Qualifikation und<br />
Innovation, Forschung und Wissenschaft,<br />
e<strong>in</strong>en zentralen Stellenwert geben und<br />
zugleich deutlich machen, daû und <strong>in</strong> welchem<br />
Umfang sie die Bildungsausgaben<br />
des Bundes, die unter <strong>der</strong> konservativen<br />
Regierung e<strong>in</strong>en zukunftsschädigenden<br />
Tiefstand erreicht haben, ausweiten wird.<br />
Den Herausfor<strong>der</strong>ungen des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
kann nur e<strong>in</strong>e lernfähige Politik <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er lernfähigen Gesellschaft gerecht werden.<br />
± In <strong>der</strong> lernenden Gesellschaft muû<br />
lebenslanges Lernen ermöglicht und<br />
geför<strong>der</strong>t werden: Lernen <strong>in</strong> Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />
ebenso wie <strong>in</strong>formelles, <strong>in</strong>dividuelles<br />
Lernen; denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> lernenden<br />
Gesellschaft s<strong>in</strong>d Bildung und Ausbildung<br />
ke<strong>in</strong>e abgeschlossene Lebensphase,<br />
son<strong>der</strong>n ständige Aufgabe. Wir müssen<br />
uns orientieren an den vier Pr<strong>in</strong>zipien<br />
<strong>der</strong> lernenden Gesellschaft: Lernen zu<br />
lernen, lernen zu handeln, lernen für das<br />
Leben und Lernen für das Zusammenleben.<br />
± Die Gesellschaft muû lernen, daû das<br />
Wohlstandsmodell <strong>der</strong> Industrielän<strong>der</strong><br />
die Lebensgrundlagen <strong>der</strong> gesamten<br />
Menschheit gefährdet: Globales Lernen<br />
und Umweltbildung als Voraussetzung<br />
für e<strong>in</strong>e an Nachhaltigkeit orientierte<br />
Denk- und Handlungsweise muû deshalb<br />
die Lernprozesse <strong>in</strong> allen Bereichen des<br />
Bildungswesens bestimmen. Unser Bildungssystem<br />
muû junge und erwachsene<br />
Menschen dazu befähigen, die Dynamik<br />
<strong>der</strong> beschleunigten ökologischen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
zu begreifen und daraus<br />
Schluûfolgerungen für <strong>in</strong>dividuelles und<br />
gesellschaftliches Handeln zu ziehen.<br />
Deshalb müssen wir immer wie<strong>der</strong> neue<br />
Bildungschancen eröffnen. Wir müssen die<br />
unterschiedlichen Ausbildungsgänge durchlässig<br />
gestalten und flieûende und wechselnde<br />
Übergänge zwischen Bildung und<br />
Beruf schaffen. Dar<strong>in</strong> unterscheidet sich<br />
sozialdemokratische von konservativer<br />
Politik. Konservative wollen mit ideologisierten<br />
Schlagworten wie Wettbewerb und<br />
Eliteför<strong>der</strong>ung die Bildungsübergänge<br />
erschweren, frühzeitige Selektion und Privilegien<br />
erhalten und den Zugang zu Bildung<br />
wenigen, die über Marktmacht und<br />
Vermögen verfügen, vorbehalten.<br />
± Wir wollen die aufklärende und <strong>in</strong>tegrierende<br />
Kraft von Bildung stärken und<br />
355
356<br />
nutzen, um so Spaltungstendenzen und<br />
Ausgrenzungen <strong>in</strong> unserer Gesellschaft<br />
entgegenzuwirken. Die Schule als Ort, <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aller gesellschaftlichen<br />
Schichten begegnen, ist <strong>der</strong> wichtigste<br />
Ort für Integration <strong>in</strong> unserer<br />
Gesellschaft. Berufliche Bildung <strong>in</strong><br />
Betrieben, Schulen und Hochschulen<br />
eröffnen <strong>der</strong> jungen Generation den<br />
besten Zugang zur Arbeitswelt. Durch<br />
Bildung wird auch e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong><br />
Beitrag für das Zusammenwachsen<br />
Deutschlands, für die <strong>in</strong>nere E<strong>in</strong>heit<br />
Deutschlands geleistet.<br />
± Chancengleichheit bleibt für uns e<strong>in</strong><br />
unverrückbares Ziel. Wir bleiben dabei,<br />
daû Bildungschancen allen nach ihren<br />
Neigungen und Fähigkeiten offenstehen<br />
müssen und daû die Bildungsangebote<br />
sich an alle <strong>in</strong> geeigneter Weise zu wenden<br />
haben. Den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n, die aus bildungsferneren<br />
Schichten kommen o<strong>der</strong><br />
aus an<strong>der</strong>en Gründen e<strong>in</strong>er beson<strong>der</strong>en<br />
Ansprache und För<strong>der</strong>ung bedürfen, gilt,<br />
unser beson<strong>der</strong>es Augenmerk. Aber auch<br />
die Leistungsfähigeren werden wir ihren<br />
Möglichkeiten entsprechend for<strong>der</strong>n und<br />
för<strong>der</strong>n. Dabei halten wir daran fest, daû<br />
die Teilhabe an Bildung gegenüber <strong>der</strong><br />
Gesellschaft verpflichtet.<br />
± Bildung ist nicht nur e<strong>in</strong> Gut für den<br />
E<strong>in</strong>zelnen und se<strong>in</strong> Fortkommen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Gesellschaft; Bildung dient dem allgeme<strong>in</strong>en<br />
Wohlstand. Möglichst viele lernende<br />
und qualifizierte Menschen schaffen<br />
nicht nur die Voraussetzung für die<br />
wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit<br />
unserer Gesellschaft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft;<br />
durch Bildung bestimmt sich Deutschland<br />
auch als Kulturnation. Die systematische<br />
Weiterentwicklung und Umsetzung<br />
unseres Wissens schafft zugleich<br />
die Basis für die Bewältigung von<br />
Zukunftsproblemen; deshalb ist Bildung<br />
für uns Sozialdemokraten nicht nur e<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>dividuelles, son<strong>der</strong>n auch e<strong>in</strong> schutzwürdiges<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsgut.<br />
± Wir wollen deshalb die grundgesetzliche<br />
Garantie und die öffentliche Verantwor-<br />
tung für das Bildungswesen wahren:<br />
Zugleich wollen wir sowohl die Eigenverantwortlichkeit<br />
<strong>der</strong> Lehrenden als<br />
auch e<strong>in</strong>zelnen Institutionen stärken.<br />
Wir wollen den Institutionen des Lernens<br />
neue selbstverantwortete Gestaltungsspielräume<br />
geben und staatliche<br />
Verantwortung stärker durch Zielvorgaben<br />
und Ergebnisbewertung (<strong>in</strong> den<br />
Schulen: beratende Aufsicht) als durch<br />
Ablaufkontrolle und starre Verwaltungsvorgaben<br />
ausüben. In diesem S<strong>in</strong>ne wollen<br />
wir Schule und Hochschule neu denken<br />
und gestalten.<br />
± Ausbildung für alle soll nicht nur das<br />
<strong>in</strong>dividuelle Bedürfnis <strong>der</strong> Jugend nach<br />
bestmöglicher beruflicher Qualifizierung<br />
erfüllen, son<strong>der</strong>n auch den Wirtschaftsstandort<br />
Deutschland <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Phase<br />
beson<strong>der</strong>er wirtschaftlicher und politischer<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen stärken. Staatliche<br />
und betriebliche Aufwendungen zur<br />
Realisierung dieses Zieles s<strong>in</strong>d als Investitionen<br />
<strong>in</strong> die Zukunft <strong>der</strong> Menschen<br />
unseres Landes und Europas zu betrachten.<br />
Deshalb ist für uns die nachhaltige<br />
Sicherung des dualen Systems <strong>der</strong><br />
Berufsausbildung e<strong>in</strong> zentrales politisches<br />
Ziel.<br />
± Wir wollen den Generationenvertrag<br />
zugunsten <strong>der</strong> Bildung erneuern, <strong>der</strong><br />
allen Jugendlichen neue Chancen bietet.<br />
Wir wissen, daû Solidarität mit den Jungen<br />
bedeutet, ihnen Wege zu Bildung<br />
und Qualifikation zu eröffnen und damit<br />
zugleich die Voraussetzung dafür zu<br />
schaffen, daû sie wie<strong>der</strong>um zukünftig den<br />
Generationenvertrag gegenüber den<br />
¾lteren ihrerseits werden e<strong>in</strong>lösen können.<br />
Zur Vorbereitung des Regierungsprogramms<br />
wird die <strong>SPD</strong> die Bildungsdebatte<br />
mit den vielen Interessierten, den jungen<br />
Menschen, den Eltern, Groûeltern, Arbeitnehmern<br />
und Arbeitgebern sowie den Lehrer<strong>in</strong>nen<br />
und Lehrern führen. So wollen<br />
wir e<strong>in</strong> Klima für die lernende Gesellschaft<br />
<strong>der</strong> Zukunft schaffen.
1. Bildung: Priorität <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialen<br />
Demokratie<br />
Bildung und Qualifikation s<strong>in</strong>d von entscheiden<strong>der</strong><br />
Bedeutung für die Lebenschancen<br />
<strong>der</strong> Menschen, für die Zukunft <strong>der</strong><br />
sozialen Demokratie <strong>in</strong> Deutschland und<br />
nicht zuletzt für die wirtschaftliche, ökologische<br />
und kulturelle Entwicklung und<br />
damit für den allgeme<strong>in</strong>en Wohlstand<br />
unseres Landes.<br />
Willy Brandt hat 1969 mit <strong>der</strong> sozialliberalen<br />
Bundesregierung ebenso wie seither<br />
sozialdemokratisch geführte Bundes- und<br />
Landesregierungen die Weichen dafür<br />
gestellt, daû im Westen Deutschlands Bildung<br />
für viele und mehr Chancengleichheit<br />
möglich wurden. Mehr Demokratie wagen,<br />
gleiche Chancen für alle, Durchlässigkeit<br />
und Gleichwertigkeit von beruflicher und<br />
allgeme<strong>in</strong>er Bildung ± das waren und s<strong>in</strong>d<br />
bis heute unsere Leitziele.<br />
Den Bildungswillen <strong>der</strong> Menschen konnte<br />
auch die konservative Bundesregierung<br />
nicht aufhalten. Nie zuvor, läût sich nach<br />
den Jahren <strong>der</strong> Reform und des Ausbaus<br />
im Westen und nach <strong>der</strong> Phase <strong>der</strong><br />
Erneuerung im Osten unseres Landes<br />
sagen, hat es <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>e so gut<br />
ausgebildete junge Generation und so gute<br />
Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e lernfähige, für<br />
e<strong>in</strong>e lernende Gesellschaft gegeben.<br />
Trotzdem haben wir nach 15 Jahren konservativer<br />
Regierung <strong>in</strong> Bonn e<strong>in</strong>en<br />
Höchststand <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit und<br />
Staatsverschuldung bei höchster Abgabenlast<br />
für die Familien; und dennoch haben<br />
wir e<strong>in</strong>en Tiefstand <strong>der</strong> Bildungs- und Forschungsausgaben<br />
des Bundes. Unser Bildungssystem<br />
ist durch die Konservativen<br />
massiv gefährdet. Die junge Generation hat<br />
deshalb allen Grund mit Sorge und Pessimismus<br />
<strong>in</strong> die Zukunft zu blicken.<br />
Wer Innovation will, muû zur Verän<strong>der</strong>ung<br />
bereit se<strong>in</strong>; deshalb werden wir Sozialdemokraten<br />
neue Wege und Instrumente zur<br />
Erreichung unserer Ziele entwickeln. Wir<br />
werden jedoch an unseren Grundwerten<br />
festhalten, wenn es um die Verteidigung<br />
des Sozialstaates und des Kulturstaates<br />
geht.<br />
2. Der Ertrag <strong>der</strong> Bildungsreform<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Schulen, alle Lernorte <strong>der</strong><br />
dualen Berufsausbildung, Hochschulen und<br />
Institutionen <strong>der</strong> Weiterbildung, <strong>in</strong> denen<br />
heute gelernt und gelehrt wird, haben im<br />
Westen seit den Aufbruchsjahren <strong>der</strong> Bildungsreform<br />
und im Osten seit <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>igung<br />
e<strong>in</strong>en kaum vorstellbaren Expansions-<br />
und Wandlungsprozeû durchlaufen.<br />
Das Qualifikations- und Bildungsniveau<br />
<strong>der</strong> heute im Arbeits- und Berufsleben Stehenden<br />
ist hoch; und die Nachfrage nach<br />
qualifizierter Bildung und Ausbildung ist<br />
ungebrochen. 17 Millionen Menschen lernen<br />
<strong>in</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten, Schulen und Hochschulen;<br />
etwa 20 Millionen Menschen<br />
beteiligen sich an <strong>der</strong> Weiterbildung. Den<br />
allergröûten Teil <strong>der</strong> Bildungsausgaben tragen<br />
die Län<strong>der</strong>, die ger<strong>in</strong>gsten trägt mit<br />
dramatisch abnehmen<strong>der</strong> Tendenz <strong>der</strong><br />
Bund. Aufbau und Reform haben die Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />
und ihre Inhalte verän<strong>der</strong>t.<br />
± Im Westen f<strong>in</strong>den drei von vier K<strong>in</strong><strong>der</strong>n,<br />
im Osten nahezu jedes K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>en Platz<br />
im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten. Der Alltag <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>gärten<br />
ist mehr als je zuvor k<strong>in</strong>dgerecht<br />
gestaltet.<br />
± Die Grundschulen s<strong>in</strong>d zu Zentren pädagogischer<br />
Reformen geworden. Ihre<br />
Arbeit strahlt <strong>in</strong> die weiterführenden<br />
Schulen aus. Dort haben die Herausfor<strong>der</strong>ungen,<br />
die von den <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er verän<strong>der</strong>ten<br />
Umwelt heranwachsenden Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schülern sowie von <strong>der</strong><br />
Entwicklung <strong>der</strong> Gesamtschule ausgehen,<br />
e<strong>in</strong>en tiefgreifenden Wandlungsprozeû<br />
e<strong>in</strong>geleitet. Dieser Prozeû hat durch<br />
die Entwicklung <strong>in</strong> den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
e<strong>in</strong>en neuen Antrieb bekommen.<br />
± Neun von zehn jungen Menschen verfügen<br />
heute über e<strong>in</strong>e abgeschlossene<br />
Berufsausbildung. Die duale Berufsausbildung<br />
hat sich <strong>in</strong> Betrieb und Berufsschule<br />
als wandlungsfähig erwiesen; und<br />
sie gilt weltweit als vorbildlich. Um so<br />
357
dramatischer ist es, daû die s<strong>in</strong>kende<br />
Ausbildungsbereitschaft <strong>der</strong> Betriebe das<br />
System <strong>der</strong> dualen Berufsausbildung <strong>in</strong>sgesamt<br />
<strong>in</strong> Frage stellt. Im Osten<br />
Deutschlands ist nach <strong>der</strong> seit 1990 e<strong>in</strong>geleiteten<br />
Umstrukturierung <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wirtschaft und im Bildungswesen die<br />
Ausbildungsbereitschaft <strong>der</strong> Betriebe<br />
noch zu wenig entwickelt.<br />
± Insgesamt hat an den Hochschulen e<strong>in</strong><br />
Prozeû <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Reform und <strong>der</strong><br />
Neuorientierung <strong>in</strong> Lehre und Forschung<br />
e<strong>in</strong>gesetzt; sie haben damit kreativ<br />
und mit hohem Engagement auf die<br />
Herausfor<strong>der</strong>ung reagiert, die durch die<br />
hohe Bildungsbereitschaft <strong>der</strong> jungen<br />
Menschen auf sie zugekommen ist. Die<br />
Hochschulen s<strong>in</strong>d dabei, ihre Studienangebote<br />
<strong>der</strong> um e<strong>in</strong> Mehrfaches gestiegenen<br />
Nachfrage anzupassen.<br />
Die Haushaltsmittel <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> für die<br />
Hochschulen haben jedoch mit den gestiegenen<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen nicht Schritt halten<br />
können. Mangelnde Unterstützung und<br />
säumige Zahlung durch den Bund bei <strong>der</strong><br />
Hochschulbauför<strong>der</strong>ung haben zu beklagenswerten<br />
Zuständen an unseren Hochschulen<br />
geführt und den Aufbau <strong>der</strong> wissenschaftlichen<br />
E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> den<br />
neuen Län<strong>der</strong>n beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t. H<strong>in</strong>zu kommen<br />
<strong>der</strong> Kahlschlag des Bundes beim BAföG<br />
und die s<strong>in</strong>kenden Mittel für die Forschung.<br />
± Die Weiterbildung, vor allem die berufliche<br />
Weiterbildung ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em fortdauernden<br />
Expansionsprozeû; dies ist e<strong>in</strong>e<br />
Antwort auf die Anfor<strong>der</strong>ungen des<br />
Strukturwandels <strong>der</strong> Wirtschaft. Um so<br />
nachteiliger ist die Beschränkung <strong>der</strong><br />
För<strong>der</strong>möglichkeiten für Weiterbildung<br />
zum Beispiel im Arbeitsför<strong>der</strong>ungsgesetz.<br />
± Mädchen und junge Frauen haben im<br />
allgeme<strong>in</strong>bildenden Schulsystem gegenüber<br />
Jungen und jungen Männern aufgeholt.<br />
Seit 1995 stellen junge Frauen<br />
unter den Erstsemestern <strong>in</strong> Deutschland<br />
erstmals die Mehrheit; allerd<strong>in</strong>gs ist im<br />
Mittelbau <strong>der</strong> Hochschulen und unter<br />
den Professoren <strong>der</strong> Frauenanteil noch<br />
viel zu ger<strong>in</strong>g.<br />
358<br />
Die hohe Bildungsbeteiligung ist nach Auffassung<br />
<strong>der</strong> Sozialdemokraten e<strong>in</strong> wichtiger<br />
Pluspunkt für unserer Zukunftsfähigkeit.<br />
Wir wollen die Bildungsbeteiligung <strong>in</strong> ganz<br />
Deutschland weiter ausbauen und dabei die<br />
Priorität auf Reformen legen, den wirtschaftlichen<br />
Fortschritt und die Erneuerung<br />
unserer Gesellschaft beför<strong>der</strong>n. Vor<br />
allem <strong>in</strong> den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n ist<br />
die Erweiterung <strong>der</strong> Bildungsangebote auf<br />
<strong>der</strong> Tagesordnung: Die wirtschaftliche<br />
sowie die soziale Entwicklung s<strong>in</strong>d dort<br />
mehr noch als <strong>in</strong> den westlichen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
auf e<strong>in</strong>e Ausweitung <strong>der</strong> Bildungsbeteiligung<br />
angewiesen.<br />
Es gilt, das Erreichte zu sichern gegen e<strong>in</strong>e<br />
konservative Trendwende <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bildungspolitik<br />
und zugleich neue Wege für die<br />
Zukunft aufzuzeigen.<br />
3. Unsere Handlungsmaximen<br />
± Wir wollen die <strong>in</strong>tegrierende und orientierende<br />
Kraft von Bildung stärken und<br />
zugleich nutzen. In unserer Gesellschaft<br />
zeigen sich Spaltungstendenzen, die sich<br />
auch im Bildungswesen, <strong>in</strong> den Schulen<br />
wi<strong>der</strong>spiegeln. Schule muû wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong><br />
Ort werden, <strong>in</strong> dem sich die K<strong>in</strong><strong>der</strong> aller<br />
begegnen. Schule ist die wichtigste Integrations<strong>in</strong>stanz<br />
unserer Gesellschaft.<br />
Sozialdemokratische Bildungspolitik<br />
muû dies <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise berücksichtigen.<br />
Dies gilt aber auch für den<br />
Beitrag, den unser Bildungssystem für<br />
den <strong>in</strong>neren Zusammenhalt und das<br />
Zusammenwachsen Deutschlands leisten<br />
kann.<br />
± Wir wollen die Lernschwächeren ebenso<br />
wie die Leistungsfähigen ihren Fähigkeiten<br />
entsprechend för<strong>der</strong>n und for<strong>der</strong>n.<br />
Wir wollen, daû möglichst alle junge<br />
Menschen ihre Schulzeit mit e<strong>in</strong>em<br />
schulischen o<strong>der</strong> berufsbildenden<br />
Abschluû beenden. Zugleich wollen wir<br />
es ermöglichen, daû junge Menschen,<br />
die dies wollen und können, ihren Schulabschluû,<br />
z.B. das Abitur, zu e<strong>in</strong>em früheren<br />
Zeitpunkt als allgeme<strong>in</strong> vorgesehen,<br />
erreichen können. Über- und<br />
Unterfor<strong>der</strong>ung stellen gleichermaûen
e<strong>in</strong>e Vergeudung von menschlichen<br />
Fähigkeiten und von Lebenszeit dar.<br />
± Unsere Bildungspolitik muû <strong>der</strong> Tatsache<br />
Rechnung tragen, daû die Bildungs<strong>in</strong>stitutionen<br />
vom E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten<br />
bis zum Abschluû <strong>der</strong> beruflichen<br />
Erstausbildung für K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Heranwachsende<br />
über viele Jahre h<strong>in</strong> Aufenthaltsort,<br />
für manche sogar Lebensmittelpunkt<br />
s<strong>in</strong>d. Das Bildungsangebot muû<br />
nicht nur för<strong>der</strong>n, son<strong>der</strong>n auch for<strong>der</strong>n,<br />
muû erziehen und an die Lebenserfahrungen<br />
und Lebenswelten <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
und Jugendlichen anknüpfen. Unser Bildungssystem<br />
muû denen, die <strong>in</strong> ihm lernen<br />
und arbeiten, e<strong>in</strong> Ort se<strong>in</strong>, an dem<br />
sie sich gerne aufhalten.<br />
± Unser Bildungssystem steht und fällt mit<br />
dem Engagement und <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong>er,<br />
die <strong>in</strong> ihm tätig s<strong>in</strong>d. Wir wollen daher<br />
dafür sorgen, daû Aus- und Weiterbildung<br />
<strong>der</strong> Lehrer, den neuen Aufgaben<br />
des Lehrerberufs Rechnung tragen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> Lage <strong>der</strong> öffentlichen<br />
F<strong>in</strong>anzen werden wir geme<strong>in</strong>sam mit den<br />
Lehrenden <strong>in</strong> unseren Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
nach neuen und solidarischen<br />
Wegen suchen, um e<strong>in</strong>e Steigerung <strong>der</strong><br />
Effizienz unseres Bildungssystems zu<br />
erreichen, Qualitätssicherung zu garantieren<br />
und zugleich e<strong>in</strong>e Verschlechterung<br />
<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Lehrenden<br />
und Lernenden zu vermeiden.<br />
± Wir wollen erreichen, daû K<strong>in</strong><strong>der</strong> und<br />
Jugendliche lernen, Probleme und Konflikte<br />
argumentativ im Gespräch, auch<br />
im Streitgespräch auszutragen. Der<br />
Wettbewerb um das bessere Konzept,<br />
nicht <strong>der</strong> Angriff auf die persönliche<br />
Me<strong>in</strong>ung muû Handlungsmaxime für<br />
junge Menschen werden. Dabei kann<br />
unser Bildungssystem e<strong>in</strong>en Beitrag zur<br />
Schaffung e<strong>in</strong>er diskursfähigen Öffentlichkeit<br />
leisten.<br />
4. Bildung <strong>in</strong> öffentlicher Verantwortung<br />
E<strong>in</strong> Sozialstaat <strong>der</strong> die Bildung aufgibt,<br />
gibt sich selbst auf. Deshalb stehen Sozialdemokraten<br />
dafür e<strong>in</strong>, daû das Bildungssy-<br />
stem auch <strong>in</strong> Zukunft öffentlich f<strong>in</strong>anziert<br />
und öffentlich verantwortet bleibt.<br />
Bildung schafft nicht nur berufliche Qualifikation,<br />
sie prägt junge Menschen auch als<br />
Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger unseres Staates.<br />
E<strong>in</strong> öffentlich verantwortetes Bildungssystem<br />
kann die Aufgabe am besten erfüllen<br />
und die Grundlagen <strong>der</strong> Demokratie durch<br />
e<strong>in</strong>e Erziehung zur Dialogfähigkeit am<br />
besten festigen. Nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlich<br />
verantworteten Bildungssystem lassen sich<br />
Chancengleichheit und Durchlässigkeit<br />
garantieren. Private Angebote können dies<br />
ergänzen aber nicht ersetzen. Der Staat<br />
muû deshalb neben <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Verpflichtung<br />
auch e<strong>in</strong>e politische Verantwortung<br />
<strong>in</strong> diesem wichtigen Lebensbereich<br />
erhalten, Qualität und Leistung garantieren<br />
und sichern, ohne daû dieser Vorrang des<br />
Staates zu Überregulierung führen darf.<br />
Innerhalb staatlich gesetzter Rahmenvorgaben<br />
sollen die e<strong>in</strong>zelnen E<strong>in</strong>richtungen des<br />
Bildungssystems freier und selbständiger<br />
bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Inhalte, bei <strong>der</strong><br />
Auswahl <strong>der</strong> Personals und <strong>der</strong> Verwendung<br />
ihrer Ressourcen handeln können<br />
und sich selbst über den Stand ihrer Leistung<br />
vergewissern.<br />
Wir Sozialdemokraten stellen fest, daû<br />
durch e<strong>in</strong>e Vielzahl von E<strong>in</strong>zelregelungen,<br />
manche auch durchaus s<strong>in</strong>nvolle Normierungen<br />
die Handlungsbereitschaft <strong>der</strong><br />
Akteure <strong>in</strong> Schulen und Hochschulen lähmen.<br />
Wir treten deshalb für e<strong>in</strong>en Abbau<br />
von Überregulierungen, für e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>fachung<br />
von Verwaltungsabläufen und Entscheidungsmechanismen<br />
e<strong>in</strong>.<br />
Es ist und bleibt <strong>in</strong> unserem Verständnis<br />
die Rolle des Staates, dafür Sorge zu tragen,<br />
daû alle Heranwachsenden gerechte<br />
Bildungschancen erhalten. Zugleich bleibt<br />
<strong>der</strong> Staat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung, wenn es<br />
darum geht, <strong>in</strong>haltliche Standards und<br />
Gleichwertigkeit von Bildung und Ausbildung<br />
zu sichern. Die öffentliche Rahmenverantwortung<br />
für Bildung, Wissenschaft<br />
und Forschung ist für Sozialdemokraten<br />
unverzichtbar.<br />
359
Bei Wahrung se<strong>in</strong>er Verantwortung für die<br />
grundsätzlichen Ziele müssen sich Politik<br />
und Verwaltung aber von <strong>der</strong> Vorstellung<br />
lösen, sie kennen alle Wege zur Erreichung<br />
<strong>der</strong> gesteckten Ziele besser als die Handelnden<br />
vor Ort. Wir wollen deshalb e<strong>in</strong>e<br />
neue Bildungsreformbewegung von unten,<br />
aus den Institutionen heraus för<strong>der</strong>n. Wir<br />
wollen, daû unsere Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
<strong>der</strong>en Aufgabe die Bildung und Erziehung<br />
mündiger Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger ist, selber<br />
mündig handeln dürfen. Innerhalb<br />
staatlich gesetzter Rahmenvorgaben sollen<br />
die e<strong>in</strong>zelnen E<strong>in</strong>richtungen mehr Verantwortung<br />
bei <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Gestaltung,<br />
bei <strong>der</strong> Gew<strong>in</strong>nung ihres Personals und bei<br />
<strong>der</strong> Verwendung ihrer Ressourcen wahrnehmen.<br />
Wir setzen darauf, daû dieser<br />
Freiraum Erneuerungskräfte und Selbststeuerung<br />
mobilisiert und ermutigt. Die<br />
Stärkung <strong>der</strong> Gestaltungsspielräume und<br />
Selbstverantwortung <strong>der</strong> Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
verlangt gleichzeitig e<strong>in</strong>e Verpflichtung<br />
zu selbstorganisierter Ergebniskontrolle,<br />
zur Rechenschaftslegung, zur<br />
Transparenz und zur Stärkung <strong>der</strong> Demokratie<br />
im <strong>in</strong>neren <strong>der</strong> Institutionen. Für<br />
uns heiût dies nicht nur Schule neu zu denken,<br />
son<strong>der</strong>n auch staatliches Handeln.<br />
Zugleich müssen wir das Zusammenwirken<br />
zwischen staatlichen und privaten Bildungse<strong>in</strong>richtungen,<br />
das Verhältnis zwischen<br />
Staat und Wirtschaft selbstbewuût<br />
weiterentwickeln, neue Formen <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />
erproben und erweitern.<br />
5. Mehr F<strong>in</strong>anzen für die Bildung<br />
Wir treten für e<strong>in</strong>en neuen Generationenvertrag<br />
zugunsten von Bildung und Ausbildung<br />
e<strong>in</strong>; wesentliche Elemente <strong>der</strong> zu<br />
übernehmenden Generationenverpflichtung<br />
s<strong>in</strong>d:<br />
± Zur Sicherung <strong>der</strong> für die Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Mittel wollen<br />
wir das öffentliche Bildungsbudget <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland ausweiten.<br />
Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Bund, <strong>der</strong> <strong>in</strong> den letzten<br />
Jahren ± an<strong>der</strong>s als die Län<strong>der</strong>- se<strong>in</strong>e<br />
Bildungsausgaben ständig abgesenkt hat,<br />
muû hier e<strong>in</strong>en gewichtigen Beitrag zur<br />
Sicherung <strong>der</strong> Zukunft unseres Landes<br />
360<br />
leisten. Es muû unser Ziel se<strong>in</strong>, die Bildungs<strong>in</strong>vestitionen<br />
des Bundes <strong>in</strong> den<br />
nächsten fünf Jahren deutlich auszubauen.<br />
± Bildung und Ausbildung nach <strong>der</strong> persönlichen<br />
Fähigkeit und nach Neigung<br />
darf nicht an f<strong>in</strong>anziellen Barrieren<br />
scheitern. Da, wo f<strong>in</strong>anzielle För<strong>der</strong>ung<br />
gewährt wird, müssen die Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong><br />
Verteilungsgerechtigkeit und <strong>der</strong> Wirksamkeit<br />
Anwendung f<strong>in</strong>den. Unsere Vorschläge<br />
zum BAföG zeigen, wie wir dies<br />
verstehen.<br />
± Angesichts <strong>der</strong> <strong>in</strong>sgesamt steigenden<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen an die öffentlichen Haushalte<br />
sollen vorhandene Ressourcen<br />
effektiver genutzt werden. Wir setzen<br />
dabei auch auf e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong><br />
Ressourcennutzung durch autonome<br />
Mittelbewirtschaftung (Budgetierung,<br />
F<strong>in</strong>anzautonomie, erfolgsorientierte Mittelverteilung).<br />
± Wir unterstützen die Gesetzes<strong>in</strong>itiative<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion, die alle<br />
privaten und öffentlichen Arbeitgeber zu<br />
e<strong>in</strong>er solidarischen Ausbildungsleistung<br />
verpflichtet. Sie verfolgt das Ziel, auf<br />
dieser gesetzlichen Grundlage e<strong>in</strong> bundesweit<br />
und regional auswahlfähiges<br />
Ausbildungsplatzangebot zu garantieren,<br />
e<strong>in</strong>en gerechten Leistungsausgleich zwischen<br />
ausbildenden und nicht o<strong>der</strong><br />
unterdurchschnittlich ausbildenden<br />
Betrieben und Verwaltungen sicherzustellen,<br />
e<strong>in</strong>en überregionalen Ausgleich<br />
bei <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Mittel zur Schaffung<br />
zusätzlicher Ausbildungsplätze zu<br />
ermöglichen und <strong>in</strong>novative Ausbildungsprojekte<br />
zu för<strong>der</strong>n sowie neue<br />
Ausbildungsbereiche zu erschlieûen.<br />
± Zur f<strong>in</strong>anziellen För<strong>der</strong>ung des Studiums<br />
wollen wir alle ausbildungsbezogenen<br />
staatlichen Leistungen zusammenfassen<br />
und so e<strong>in</strong>setzen, daû e<strong>in</strong>e elternunabhängige<br />
Grundför<strong>der</strong>ung für alle während<br />
des regulären Studiums gezahlt<br />
werden kann, die je nach Bedarf durch<br />
e<strong>in</strong>e Zusatzför<strong>der</strong>ung ergänzt wird. Wir<br />
wollen so für die Studierenden e<strong>in</strong> neues<br />
BAföG schaffen, das se<strong>in</strong>en Namen wie<strong>der</strong><br />
verdient.
6. Das haben wir Sozialdemokraten uns<br />
vorgenommen:<br />
± Wir wollen e<strong>in</strong>e Lernkultur schaffen, die<br />
Lernen für das Leben und über die Institutionen<br />
h<strong>in</strong>aus ermöglicht. In e<strong>in</strong>er lernenden<br />
Gesellschaft s<strong>in</strong>d Institutionen<br />
nur e<strong>in</strong> ± wenn auch wesentlicher ± Ort<br />
<strong>der</strong> Bildung. Bildungs<strong>in</strong>stitutionen führen<br />
<strong>in</strong> das Lernen e<strong>in</strong>. Je mehr sie die<br />
Menschen zu e<strong>in</strong>er lernenden Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />
mit ihrer Umwelt befähigen,<br />
um so erfolgreicher arbeiten sie. E<strong>in</strong><br />
bürgernahes Netz öffentlicher Bibliotheken<br />
sowie <strong>der</strong> Zugang zu mo<strong>der</strong>nen<br />
Informations- und Kommunikationstechnologien<br />
und neuen Medien sowie <strong>der</strong>en<br />
Beherrschung haben <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />
beson<strong>der</strong>es Gewicht. Die Befähigung<br />
zum kompetenten und verantwortungsvollen<br />
Umgang mit ihnen muû<br />
daher <strong>in</strong> den Bildungse<strong>in</strong>richtungen<br />
angelegt werden.<br />
Auch dem zunehmend wachsenden Markt<br />
von Selbstlernangeboten und von Bildungsangeboten<br />
im Rahmen <strong>der</strong> Medienwirtschaft<br />
müssen wir e<strong>in</strong>e gröûere Aufmerksamkeit<br />
widmen. Wirtschafts- und<br />
Bildungspolitik s<strong>in</strong>d aufgerufen, die hier<br />
entstehenden neuen Arbeitsfel<strong>der</strong> zu för<strong>der</strong>n<br />
und wo nötig zu strukturieren. Bildungssoftware<br />
sollte z.B. als marktfähiges<br />
Produkt nicht nur bei uns erdacht und entwickelt,<br />
son<strong>der</strong>n auch produziert werden.<br />
Bildung als Dienstleistungsangebot, Konsumgut<br />
und Wirtschaftsfaktor müssen von<br />
uns zum Thema gemacht werden.<br />
Für die Bildungs<strong>in</strong>stitutionen bedeutet das:<br />
± Jedes K<strong>in</strong>d braucht e<strong>in</strong>en Platz im K<strong>in</strong><strong>der</strong>garten.<br />
Während das Ziel <strong>der</strong><br />
Bedarfsdeckung im Westen unseres Landes<br />
weitere Ausbauanstrengungen erfor<strong>der</strong>t,<br />
macht es im Osten den Erhalt von<br />
Angeboten auch da notwendig, wo dies<br />
aufgrund des starken Geburtenrückgangs<br />
beim Festhalten an bundesdurchschnittlichen<br />
Gruppengröûen nicht möglich<br />
wäre.<br />
± Wir wollen die <strong>in</strong>stitutionelle Ausgestaltung,<br />
die pädagogische Arbeit und die<br />
strukturelle Gestaltung <strong>der</strong> Schulen den<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Zukunft entsprechend<br />
weiterentwickeln. Unsere Schulen<br />
benötigen gröûere Selbständigkeit <strong>in</strong><br />
<strong>in</strong>haltlicher, organisatorischer, personeller<br />
und f<strong>in</strong>anzieller H<strong>in</strong>sicht. Sie brauchen<br />
motivierte Lernende und Lehrer,<br />
e<strong>in</strong>e professionelle Schulleitung,<br />
mo<strong>der</strong>ne Führungs- und Organisationsstrukturen,<br />
mehr Mitwirkungsmöglichkeiten<br />
von Lehrern, Schülern und Eltern<br />
sowie zur Wahrung von Qualitätsstandards<br />
und Vergleichbarkeit e<strong>in</strong>e beratende<br />
und unterstützende Schulaufsicht.<br />
± Die pädagogischen Konzepte <strong>in</strong> unseren<br />
Schulen müssen sich daran orientieren,<br />
daû <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft mehr denn je<br />
Eigenschaften wie Selbstbewuûtse<strong>in</strong>,<br />
Selbständigkeit, Kreativität, Teamfähigkeit<br />
und Internationalität, aber eben<br />
auch Fachwissen gefor<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d. Weil das<br />
Beschäftigungssystem Hierarchie abbaut,<br />
wird die hierarchische Struktur des<br />
geglie<strong>der</strong>ten Schulsystems dysfunktional.<br />
Wir wollen unser Konzept <strong>der</strong> Gesamtschule<br />
weiterentwickeln. Weil <strong>in</strong> Forschung,<br />
Entwicklung und Produktion die<br />
Grenzen zwischen unterschiedlichen<br />
Bezugsdiszipl<strong>in</strong>en immer öfter überschritten<br />
werden, müssen die Schulen<br />
stärker überfachliches Lernen praktizieren.<br />
Weil im Arbeitsleben die Gruppe<br />
mit ihren Potentialen <strong>in</strong> den Mittelpunkt<br />
rückt, sollten Schulen aufhören, am <strong>in</strong>dividuellen<br />
Erfolg orientierte ¹E<strong>in</strong>zelkämpferª<br />
zu erziehen. Weil unsere<br />
Gesellschaft durch die anhaltende<br />
Zuwan<strong>der</strong>ung kulturell immer vielfältiger<br />
wird, müssen sich unsere Schulen<br />
darauf e<strong>in</strong>stellen. Weil Grenzüberschreitungen<br />
im Europa und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Welt mehr<br />
und mehr zur Regel werden, müssen<br />
Kenntnisse von Sprachen und Kulturen<br />
an<strong>der</strong>er Län<strong>der</strong> zur Grundausstattung<br />
<strong>der</strong> Absolventen unserer Schulen gehören.<br />
± Wir wollen die Struktur unseres Schulsystems<br />
an den Zielen <strong>der</strong> Regionalität,<br />
<strong>der</strong> Durchlässigkeit und <strong>der</strong> Integration<br />
orientieren: Die demographische Entwicklung<br />
<strong>in</strong> den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n<br />
sowie die regional sehr unterschiedliche<br />
361
Wahrnehmung <strong>der</strong> verschiedenen Bildungswege<br />
erfor<strong>der</strong>n ± <strong>in</strong>nerhalb des<br />
Rahmens e<strong>in</strong>er zehnjährigen Schulpflicht<br />
± regional ¹maûgeschnei<strong>der</strong>teª Angebotsstrukturen.<br />
± Der Ansatz <strong>der</strong> Regionalisierung bei<br />
strukturellen Lösungen sollte von e<strong>in</strong>em<br />
Ausbau des Pr<strong>in</strong>zips <strong>der</strong> Durchlässigkeit<br />
zwischen unterschiedlichen Bildungswegen<br />
begleitet werden.<br />
± Wir wollen die Möglichkeiten zur Integration<br />
beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ter und von Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />
bedrohter K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlicher<br />
± am Wunsch <strong>der</strong> Eltern orientiert ±<br />
ausweiten.<br />
± Für die Berufsausbildung im dualen<br />
System und <strong>in</strong> den berufsbildenden<br />
Schulen gilt: Unser Land ist <strong>in</strong> Gefahr,<br />
den hohen Ausbildungsstand <strong>der</strong> Bevölkerung,<br />
das wichtigste Potential se<strong>in</strong>er<br />
Entwicklung, leichtfertig zu verspielen.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> den östlichen, aber auch<br />
<strong>in</strong> den westlichen Bundeslän<strong>der</strong>n, <strong>in</strong><br />
denen das Ausbildungsplatzangebot weiter<br />
h<strong>in</strong>ter dem Bedarf zurückbleibt, fehlt<br />
für e<strong>in</strong>en beträchtlichen Teil <strong>der</strong> Jugendlichen<br />
die Möglichkeit, e<strong>in</strong>en Beruf zu<br />
erlernen. Unsere Politik wird dafür sorgen,<br />
daû die Sicherung <strong>der</strong> Ausbildung<br />
für alle Heranwachsenden des Landes<br />
nicht Jahr für Jahr zu e<strong>in</strong>er Zitterpartie<br />
wird.<br />
± Dies erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e erhebliche Ausweitung<br />
<strong>der</strong> Ausbildungskapazitäten <strong>in</strong><br />
Betrieben und Schulen. Private und<br />
öffentliche Arbeitgeber müssen dazu<br />
durch e<strong>in</strong>en solidarischen Leistungsausgleich<br />
zwischen ausbildenden und nicht<br />
o<strong>der</strong> unterdurchschnittlich ausbildenden<br />
Betrieben und Verwaltungen veranlaût<br />
werden.<br />
Daneben müssen vollzeitschulische Formen<br />
fortentwickelt und vorsorglich bereitgehalten<br />
werden. Dies gilt <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise<br />
für den Osten unseres Landes. Begleitet<br />
werden muû dieser quantitative Ausbau<br />
durch die Mo<strong>der</strong>nisierung bestehen<strong>der</strong> und<br />
die Schaffung neuer Berufe. E<strong>in</strong>em Abbau<br />
<strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Berufsbildung, etwa durch<br />
e<strong>in</strong>e undifferenzierte Reduzierung des zeit-<br />
362<br />
lichen Umfangs des Berufsschulunterrichts,<br />
als, Preis für e<strong>in</strong>e Vermehrung <strong>der</strong> Zahl<br />
<strong>der</strong> Ausbildungsplätze werden wir nicht<br />
zustimmen. Den Bedürfnissen <strong>der</strong> Betriebe<br />
und unterschiedlichen Branchen bei e<strong>in</strong>er<br />
s<strong>in</strong>nvollen Gestaltung <strong>der</strong> Ausbildung kann<br />
und muû durch unterschiedliche Organisationsformen<br />
des Berufsschulunterrichts<br />
entsprochen werden.<br />
± Die Politik <strong>der</strong> Öffnung beim Hochschulzugang<br />
muû fortgeführt werden. In<br />
den östlichen Bundeslän<strong>der</strong>n wollen wir<br />
erreichen, daû <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Studierenden<br />
an e<strong>in</strong>em Altersjahrgang sich dem<br />
<strong>der</strong> westlichen Bundeslän<strong>der</strong> angleicht.<br />
Wir sehen <strong>in</strong> dem Ausbau leistungsfähiger<br />
E<strong>in</strong>richtungen von Lehre und Forschung<br />
im Osten Deutschlands e<strong>in</strong> herausragendes<br />
Instrument zur Entwicklung<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur und für den wirtschaftliche<br />
Aufbau im Osten unseres Landes.<br />
Noch stellt <strong>der</strong> Osten Deutschlands <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Industrieforschung nur etwa zwei<br />
Prozent des deutschen Potentials <strong>in</strong> Forschung<br />
und Entwicklung ± bei e<strong>in</strong>em<br />
Anteil von etwa 20 Prozent an <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
Deutschlands.<br />
Wir wollen den Hochschulzugang für<br />
Berufserfahrene ohne Abitur öffnen und<br />
zugleich darauf achten, daû das Abitur<br />
nicht durch zusätzliche Hochschule<strong>in</strong>gangsprüfungen<br />
entwertet wird.<br />
Wir Sozialdemokraten lehnen Studiengebühren<br />
ab; diese erschweren den Hochschulzugang<br />
für junge Menschen aus Familien<br />
mit ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen und stellen<br />
neue soziale Barrieren vor die weiterführende<br />
Bildung. Wir wenden uns beim<br />
Hochschulzugang gegen neue F<strong>in</strong>anzbarrieren<br />
und die damit e<strong>in</strong>hergehende Verstärkung<br />
<strong>der</strong> sozialen Auslese.<br />
Zur verstärkten Sicherung <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong><br />
Lehre und Forschung <strong>in</strong> den Hochschulen<br />
wollen wir die Studienreform weiter vorantreiben,<br />
den Ausbau <strong>der</strong> Anreizsysteme für<br />
hervorragende Leistungen <strong>in</strong> Lehre und<br />
Forschung sowie e<strong>in</strong>e Effektivierung des<br />
Mittele<strong>in</strong>satzes durch die Stärkung <strong>der</strong><br />
Eigenverantwortlichkeit <strong>der</strong> Hochschulen.
± In allen Bereichen <strong>der</strong> Berufsausbildung<br />
sehen wir Sozialdemokraten e<strong>in</strong>e wichtige<br />
Aufgabe dar<strong>in</strong>, die jungen Frauen<br />
bei ihrem Bemühen zu stützen, ihre<br />
hohe schulische Qualifikation für e<strong>in</strong>e<br />
angemessene und gleichberechtigte<br />
Berufsausbildung zu nutzen.<br />
± Wir Sozialdemokraten halten an unserem<br />
Konzept <strong>der</strong> Weiterbildung für e<strong>in</strong>e<br />
menschliche Zukunft fest. Was für das<br />
Sachkapital selbstverständlich ist, die<br />
ständige Pflege, Instandhaltung und<br />
Erneuerung, muû erst recht für die Menschen<br />
gelten: Ihnen müssen ± eng verbunden<br />
mit <strong>der</strong> beruflichen Erstausbildung<br />
± Angebote zur ständigen<br />
Weiterbildung gegeben werden. In<br />
Deutschland ist zwar die Weiterbildungsbeteiligung<br />
bei den höher und<br />
hoch Qualifizierten gestiegen. Weniger<br />
Qualifizierte und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch<br />
nicht Erwerbstätige f<strong>in</strong>den dagegen nur<br />
schwer Zugang zu Weiterbildung. Wir<br />
wollen daher e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> öffentlich<br />
geför<strong>der</strong>ten Weiterbildungsmaûnahmen<br />
auf die sonst vom System beruflicher<br />
Weiterbildung nahezu<br />
ausgeschlossenen. Daneben werden wir<br />
aber auch das Angebot an Themen, die<br />
sich auf das soziale Zusammenleben und<br />
auf die Entfaltung <strong>der</strong> demokratischen<br />
Kultur beziehen, sichern.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 285<br />
Parteivorstand<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> neues<br />
BAföG für Studierende ± jetzt!<br />
Die <strong>SPD</strong> tritt für e<strong>in</strong>e gerechtere Ausbildungs-<br />
und Studienf<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>. Dies<br />
hat sie im Beschluû von Parteirat und Parteivorstand<br />
am 11./12. Dezember 1995<br />
festgehalten.<br />
Seither hat sich das Studenten-BAföG dramatisch<br />
weiter verschlechtert; die Geför<strong>der</strong>tenquote<br />
ist auf 15 % <strong>der</strong> Studierenden<br />
gesunken (während sie 1971 bei E<strong>in</strong>füh-<br />
rung des BAföG durch die sozialliberale<br />
Bundesregierung noch 45 % betrug und<br />
noch 1990 bei 30 % lag).<br />
Die <strong>SPD</strong> drängt deshalb auf e<strong>in</strong>e Beschleunigung<br />
<strong>der</strong> Beratungen zwischen Län<strong>der</strong>n<br />
und Bund über e<strong>in</strong> neues BAföG für Studierende.<br />
Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> neues BAföG ± jetzt!<br />
E<strong>in</strong>e Fortschreibung des alten BAföG hilft<br />
nicht mehr weiter; deshalb setzen wir<br />
Sozialdemokraten uns für e<strong>in</strong>e grundlegende<br />
Neuordnung <strong>der</strong> Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen Ausbildungsför<strong>der</strong>ungsgesetz<br />
für Studierende e<strong>in</strong>, das auch<br />
den ausbildungsbezogenen Familienleistungsausgleich<br />
mit e<strong>in</strong>bezieht:<br />
Das neue Ausbildungsför<strong>der</strong>ungsgesetz für<br />
Studierende muû folgende Eckpunkte<br />
berücksichtigen:<br />
1. Wir for<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>en elternunabhängigen<br />
Grundbetrag (Ausbildungsgeld) für alle<br />
Studierenden während des regulären<br />
Studiums<br />
Dazu sollen die bisherigen Leistungen des<br />
Familienleistungsausgleichs ± K<strong>in</strong><strong>der</strong>geld/<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>freibeträge und Ausbildungsfreibeträge<br />
zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen Grundför<strong>der</strong>ung<br />
und damit zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichem<br />
System des Familienleistungsausgleichs für<br />
die Ausbildung zusammengefaût werden.<br />
Dadurch wird das System des familienbezogenen<br />
Familienleistungsausgleichs vere<strong>in</strong>heitlicht<br />
und vere<strong>in</strong>facht; die beson<strong>der</strong>e<br />
Begünstigung von Beziehern hoher E<strong>in</strong>kommen<br />
wird abgebaut, und die Bezieher<br />
mittlerer und ger<strong>in</strong>ger E<strong>in</strong>kommen bei <strong>der</strong><br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Ausbildung ihrer K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
spürbar entlastet werden.<br />
Die Studierenden können damit sicher über<br />
e<strong>in</strong>en bestimmten Betrag zur Abdeckung<br />
des Grundbedarfs ihrer Lebenshaltungskosten<br />
verfügen. Dies stärkt ihre Eigenständigkeit<br />
und die Planbarkeit des Lebensabschnittes<br />
Studium. Zuverdienst bzw. eigenes<br />
zusätzliches E<strong>in</strong>kommen muû <strong>in</strong>nerhalb<br />
bestimmter Grenzen möglich se<strong>in</strong>.<br />
363
2. Der Bezug <strong>der</strong> elternunabhängigen<br />
Grundför<strong>der</strong>ung (Ausbildungsgeld) soll<br />
± ebenso wie die elternabhängige Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
von Leistungsnachweisen<br />
während des Studiums abhängig gemacht<br />
werden.<br />
Dadurch wird sichergestellt, daû die f<strong>in</strong>anzielle<br />
För<strong>der</strong>ung für die Ausbildung, die<br />
allen zugute kommt, auch tatsächlich<br />
zweckgerecht verwendet wird. Nur wer tatsächlich<br />
studiert, soll auch von den staatlichen<br />
Leistungen profitieren.<br />
3. Darauf aufbauen soll e<strong>in</strong>e elternabhängige<br />
Zusatzför<strong>der</strong>ung (Ausbildungshilfe)<br />
analog des <strong>der</strong>zeitigen BAföG während<br />
des Studiums<br />
Auch <strong>in</strong> Zukunft sollen diejenigen Studierenden<br />
e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e staatliche För<strong>der</strong>ung<br />
erhalten, <strong>der</strong>en Familien die Kosten ihrer<br />
Ausbildung über den Grundbedarf h<strong>in</strong>aus<br />
nicht selbst tragen können.<br />
Die Schuldenlast für die geför<strong>der</strong>ten Studierenden<br />
wird <strong>in</strong> erträglichen Grenzen<br />
gehalten, da die Ausbildungshilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Regelför<strong>der</strong>ungszeit auch weiterh<strong>in</strong> als<br />
Zuschuû und unverz<strong>in</strong>stes Darlehen<br />
gewährt werden soll.<br />
4. Wir wollen die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
wie<strong>der</strong> so gestalten, daû e<strong>in</strong> Auslandsstudium<br />
und soziales Engagement, z. B.<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Hochschulselbstverwaltung angemessen<br />
berücksichtigt werden<br />
Soziales Engagement und Mobilität dürfen<br />
nicht bestraft werden o<strong>der</strong> den wohlhaben<strong>der</strong>en<br />
Studierenden vorbehalten bleiben!<br />
Die Möglichkeiten <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des Auslandsstudiums<br />
wollen wir stärken. Künftig<br />
darf es ke<strong>in</strong>e Rolle mehr spielen, ob e<strong>in</strong><br />
Studieren<strong>der</strong> <strong>in</strong> Köln o<strong>der</strong> <strong>in</strong> London studiert.<br />
5. Die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung muû regelmäûig<br />
bedarfsgerecht fortgeschrieben<br />
werden<br />
364<br />
6. Wir Sozialdemokraten werden angemessene<br />
Haushaltsmittel für die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
bereitstellen<br />
Unser Ziel ist es, die Ausgaben für Bildung,<br />
Wissenschaft und Forschung <strong>in</strong> den<br />
nächsten 5 Jahren deutlich zu stärken.<br />
Dazu gehört auch die Zukunftsaufgabe<br />
Ausbildungsför<strong>der</strong>ung. Wir werden e<strong>in</strong>e<br />
angemessene F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> neuen Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
sichern. Die Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
darf nicht länger zur Sparkasse<br />
des Bundeshaushalts werden.<br />
Studienreform mit dem Ziel e<strong>in</strong>es schnelleren<br />
Studiums ist nur mit e<strong>in</strong>er h<strong>in</strong>reichenden<br />
Studienför<strong>der</strong>ung möglich.<br />
Dies ist nicht nur e<strong>in</strong>e soziale Aufgabe und<br />
Ausgabe, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>e Investition<br />
<strong>in</strong> die Zukunft, die sich langfristig<br />
auszahlen wird. Denn Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
trägt zur Erhaltung zweier wesentlicher<br />
Standortfaktoren bei:<br />
Die gute Ausbildung, das Wissen und<br />
Know-how <strong>der</strong> jungen Menschen und den<br />
sozialen Frieden durch Schaffung von<br />
Chancengleichheit.<br />
7. Wir Sozialdemokraten wollen die Reform<br />
<strong>der</strong> Ausbildungsför<strong>der</strong>ung noch <strong>in</strong><br />
dieser Legislaturperiode verwirklichen<br />
Die Lebenssituation <strong>der</strong> Studierenden muû<br />
jetzt verbessert werden. Sie dürfen nicht zu<br />
Opfern des Reformunwillens und <strong>der</strong><br />
Reformunfähigkeit werden. Nur wenn wir<br />
bei <strong>der</strong> Ausbildung <strong>der</strong> jungen Menschen<br />
unseren Teil des Generationenvertrags<br />
erfüllen, werden später auch sie bereit und<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, ihren Teil beizutragen.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird <strong>in</strong> ihr Regierungsprogramm<br />
1998 e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Aussage für das<br />
zukünftige BAföG aufnehmen.<br />
Diese Reform erfor<strong>der</strong>t den politischen<br />
Handlungs- und Gestaltungswillen aller<br />
Beteiligten. Wir Sozialdemokraten s<strong>in</strong>d<br />
dazu bereit!<br />
(Angenommen)
Antrag I 289<br />
Landesverband Bayern<br />
Berufliche Bildung<br />
Für das Bundeswahlprogramm 1998 nimmt<br />
sich die <strong>SPD</strong> zum Thema Berufliche Bildung<br />
folgende Position zur Grundlage<br />
ihrer weiteren Arbeit und Diskussion.<br />
Zur Ausgangssituation am Ausbildungsstellenmarkt<br />
1. Das Angebot an Ausbildungsstellen ist ±<br />
wenngleich unterschiedlich regional ausgeprägt<br />
± quantitativ nicht ausreichend und<br />
qualitativ nicht identisch mit den Interessen<br />
<strong>der</strong> Jugendlichen:<br />
± Wegfall e<strong>in</strong>es Viertels <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />
<strong>in</strong>sgesamt, alle<strong>in</strong> von zwei Dritteln<br />
<strong>der</strong> Ausbildungsplätze des öffentlichen<br />
Dienstes <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> letzten zehn<br />
Jahre<br />
± s<strong>in</strong>kende Angebots-Nachfrage-Relation:<br />
<strong>in</strong> dem Zeitraum seit 1992 verr<strong>in</strong>gerte<br />
sich die Zahl <strong>der</strong> gemeldeten Ausbildungsstellen<br />
um 57508, während die<br />
Zahl <strong>der</strong> Ausbildungsplatzbewerber<strong>in</strong>nen<br />
im gleichen Zeitraum um 24569 anstieg;<br />
(alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Nordbayern erfüllte 1996 nur<br />
noch e<strong>in</strong> Arbeitsamtsbezirk [von 14] den<br />
vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebenen<br />
M<strong>in</strong>destüberhang von<br />
12,5 %; bis zum Ausbildungsjahr 2005/<br />
2006 ist e<strong>in</strong> Anwachsen <strong>der</strong> Ausbildungslücke<br />
auf 19 045 unversorgter Bewerber<strong>in</strong>nen<br />
prognostiziert [unter <strong>der</strong><br />
Annahme e<strong>in</strong>es gleichbleibenden Standes<br />
an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen<br />
von 90 000 sowie e<strong>in</strong>es BGJ von<br />
7000 und e<strong>in</strong>em Anwachsen <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nenzahlen<br />
an Berufsfachschulen]).<br />
± nur noch ger<strong>in</strong>ge Chancen auf e<strong>in</strong>en passenden<br />
Ausbildungsplatz <strong>in</strong> den Dienstleistungsberufen<br />
(v. a. <strong>in</strong> den kffr./kfm.<br />
und Büroberufen) und <strong>in</strong> den technischen<br />
Berufen auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en, e<strong>in</strong> Mehrangebot<br />
an Ausbildungsplätzen <strong>in</strong> für<br />
Jugendliche wenig attraktiven Berufen<br />
wie den Fertigungsberufen und den<br />
Ernährungsberufen (hauptsächlich aus<br />
Gründen ungünstiger Ausbildungsbed<strong>in</strong>gungen<br />
o<strong>der</strong> fragwürdiger Zukunftsperspektiven).<br />
± Ausbildungsplätze fehlen auch <strong>in</strong><br />
zukunftsorientierten Branchen; <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Wachstumsbranche Medien besteht die<br />
Ausbildung i.d. R. aus ,tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g on the<br />
job©, e<strong>in</strong>e Ausbildung gem. BBiG/HwO<br />
f<strong>in</strong>det kaum statt. Von e<strong>in</strong>em-auswahlfähigen<br />
Angebot kann nicht mehr gesprochen<br />
werden.<br />
Interessanterweise erfolgte e<strong>in</strong>e Steigerung<br />
des Ausbildungsumfanges <strong>in</strong> den Branchen,<br />
<strong>in</strong> denen zum e<strong>in</strong>en die höchste Ausbildungsvergütung<br />
gezahlt wird, und wo es<br />
zum an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>e Umlage zwischen ausbildenden<br />
und nicht ausbildenden Betrieben<br />
gibt.<br />
2. Die Ausbildungsquote <strong>in</strong> Industrie und<br />
Handel und im öffentlichen Dienst liegt<br />
weit unter, im Handwerk über ihren jeweiligen<br />
Beschäftigungsanteilen.<br />
3. Nach wie vor gibt es deutliche Geschlechtsunterschiede<br />
und noch immer,<br />
und erneut <strong>in</strong> zunehmendem Maûe auftretende<br />
Benachteiligung von Frauen auf dem<br />
Ausbildungsstellenmarkt:<br />
± nach e<strong>in</strong>em Höchststand mit 43,2 % im<br />
Jahr 1988 liegt <strong>der</strong> Frauenanteil an den<br />
Ausbildungsplätzen 1995 bei 40,3 %<br />
± im gewerblichen Bereich im Handwerk<br />
s<strong>in</strong>d die Frauen nur mit 15 % vertreten<br />
± die Ausbildung von Frauen <strong>in</strong> männlich<br />
dom<strong>in</strong>ierten Berufen geht seit 1990 <strong>in</strong><br />
den alten Län<strong>der</strong>n zurück ± nur noch<br />
8 % <strong>der</strong> weiblichen Auszubildenden<br />
erlernen e<strong>in</strong>en dieser Berufe; <strong>in</strong> 33 Ausbildungsberufen<br />
im Handwerk bzw. 29<br />
Ausbildungsberufen von Industrie und<br />
Handel s<strong>in</strong>d Frauen überhaupt nicht präsent;<br />
<strong>der</strong> öffentliche Dienst ist <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zige<br />
Bereich, <strong>in</strong> dem die Frauenquote angestiegen<br />
ist und <strong>in</strong> dem die Frauen heute<br />
sogar über 50 % <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />
<strong>in</strong>nehalten<br />
± bei <strong>der</strong> Wahl (?) des Ausbildungsberufes<br />
existiert e<strong>in</strong>e starke geschlechtsspezifi-<br />
365
sche Orientierung und Konzentration:<br />
bei den Frauen gehören die am häufigsten<br />
gewählten Berufe dem kaufmännischen<br />
und dem Dienstleistungsbereich<br />
an, während die Männer sich überwiegend<br />
für gewerbliche Berufe entscheiden<br />
(nur e<strong>in</strong> Ausbildungsberuf unter den<br />
jeweils zehn am häufigsten gewählten ist<br />
bei Frauen und Männern identisch:<br />
Bankkauffrau/-mann)<br />
± beson<strong>der</strong>s ausgegrenzt s<strong>in</strong>d beh<strong>in</strong><strong>der</strong>te<br />
Frauen: nur jede/r 5. Auszubildende <strong>in</strong><br />
Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten-Ausbildungsberufen <strong>in</strong><br />
Industrie <strong>in</strong> Handel ist e<strong>in</strong>e Frau, im<br />
Handwerk sogar nur jede/r 16.<br />
± nur jede/r 5. Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong> ist e<strong>in</strong>e Frau<br />
(am weitesten klafft die Schere zwischen<br />
e<strong>in</strong>em Auszubildendenanteil von 99 %<br />
und e<strong>in</strong>er Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong>nenquote von 17 %<br />
ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong> bei den freien Berufen), was<br />
e<strong>in</strong>e erhebliche ± wenngleich nur schwer<br />
meûbare ± Auswirkung auf Rollen- und<br />
Vorbil<strong>der</strong> bei jungen Menschen, u. U.<br />
auch auf die Vermittlung <strong>der</strong> Lern<strong>in</strong>halte<br />
haben dürfte<br />
± während die Lösungsquote 1985 noch<br />
bei den männlichen Auszubildenden<br />
höher ausfiel, hat sich das Verhältnis<br />
<strong>in</strong>zwischen ± mit zunehmen<strong>der</strong> Tendenz<br />
± umgekehrt; dies bedeutet e<strong>in</strong>e ungleich<br />
höhere ¸weibliche Abbruchquote als sie<br />
dem Ausbildungsanteil entspräche (die<br />
gröûte Spanne liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
mit 30 % Ausbildungsanteil und<br />
gleichzeitig 40 % Anteil an den Vertragslösungen)<br />
± <strong>der</strong> Frauenanteil ist <strong>in</strong> nichtbetrieblichen<br />
Ausbildungen (d.h. entwe<strong>der</strong> ohne Ausbildungsvertrag<br />
und/o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Ausbildungsgängen,<br />
die nicht durch das BBiG/<br />
die HwO geregelt s<strong>in</strong>d, beson<strong>der</strong>s hoch<br />
(BVJ 55 %, nicht vollqual. BFSem 85 %,<br />
vollqual. BFSem 80 %).<br />
4. Die schulische Vorbildung stellt die<br />
Weichen für die spätere Berufsauswahl: die<br />
meisten Hauptschüler<strong>in</strong>nen f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong><br />
gewerblichen Ausbildungsberufen des<br />
Handwerks, <strong>der</strong> Groûteil <strong>der</strong> Absolvent<strong>in</strong>nen<br />
e<strong>in</strong>es mittleren o<strong>der</strong> höheren Bildungs-<br />
366<br />
abschlusses <strong>in</strong> den kffr./kfm. Ausbildungsberufen<br />
<strong>in</strong> Industrie und Handel.<br />
5. Ausländische Jugendliche s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>zwischen<br />
zahlenmäûig ihrem Anteil an <strong>der</strong><br />
Wohnbevölkerung auf dem Gesamtausbildungsmarkt<br />
entsprechend vertreten, allerd<strong>in</strong>gs<br />
ist ihre starke Repräsentanz lediglich<br />
auf das Handwerk beschränkt; <strong>in</strong> den<br />
Berufsbereichen Industrie und Handel,<br />
städt. Hauswirtschaft und ganz beson<strong>der</strong>s<br />
<strong>in</strong> den Ausbildungsberufen des öffentlichen<br />
Dienstes und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Landwirtschaft s<strong>in</strong>d sie<br />
nach wie vor unterrepräsentiert. Am häufigsten<br />
s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> den Fertigungs- und<br />
Dienstleistungsberufen aufzuf<strong>in</strong>den.<br />
Ausländische junge Frauen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sgesamt<br />
etwas stärker repräsentiert als ihre ausländischen<br />
Kollegen, v. a. im gewerblichen<br />
Bereich s<strong>in</strong>d sie um e<strong>in</strong> Drittel gefragter.<br />
Und sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen Berufsbereichen ± mit<br />
Ausnahme Industrie und Handel ± stärker<br />
als ihre deutschen Geschlechtsgenoss<strong>in</strong>nen<br />
vertreten; im Handwerk allerd<strong>in</strong>gs nur <strong>in</strong><br />
den gewerblichen Berufen ± <strong>in</strong> den kauffr.<br />
Ausbildungen liegt ihr Anteil um 1/7 unter<br />
dem Frauenanteil <strong>in</strong>sgesamt. H<strong>in</strong>sichtlich<br />
<strong>der</strong> Repräsentanz <strong>der</strong> ausländischen Auszubildenden<br />
im Handwerk gibt es auch regionale<br />
Unterschiede: (unterrepräsentiert s<strong>in</strong>d<br />
sie <strong>in</strong> Coburg, Nie<strong>der</strong>bayern/Oberpfalz,<br />
Oberfranken und auch Unterfranken).<br />
Zusammengefaût ist e<strong>in</strong>e Konzentration<br />
ausländischer Jugendlicher auf Ausbildungsberufe<br />
mit niedriger Ausbildungsvergütung<br />
festzustellen.<br />
6. Die Quote <strong>der</strong> Ausbildungsabbrüche ist<br />
seit 1985 <strong>in</strong> allen Berufsbereichen (mit<br />
Ausnahme <strong>der</strong> städt. Hauswirtschaft mit<br />
ihrer schon seit damals höchsten Abbruchsquote<br />
von knapp 10 %) angestiegen ± 1995<br />
wurde jedes 15. Ausbildungsverhältnis vor<br />
Ausbildungsende aufgelöst.<br />
± Die meisten vorzeitigen Vertragslösungen<br />
erfolgen jedoch im 1. Ausbildungsjahr:<br />
jede/r 10. Auszubildende bricht die<br />
Ausbildung vorzeitig ab (<strong>in</strong> <strong>der</strong> städt.<br />
Hauswirtschaft ist es mehr als jede/r<br />
achte, im Handwerk jede/r neunte Auszubildende).
± Am höchsten war <strong>der</strong> Anstieg <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Landwirtschaft (bei den Vertragsauflösungen<br />
im 1. Jahr von 4 auf 10 %),<br />
gefolgt vom Handwerk und den freien<br />
Berufen, am ger<strong>in</strong>gsten im öffentlichen<br />
Dienst (mit 1,7 auf 1,9 bzw. 2,5 %).<br />
± Die Situation ist geschlechtsspezifisch<br />
und regional sehr unterschiedlich:<br />
± In allen Berufsbereichen liegt die Auflösungsquote<br />
<strong>der</strong> Frauen über <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Männer.<br />
± Jede zehnte weibliche Auszubildende <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Landwirtschaft und jede elfte im<br />
Handwerk, je<strong>der</strong> 12. männliche-Auszubildende<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> städt. Hauswirtschaft<br />
und je<strong>der</strong> 14. <strong>in</strong> den freien Berufen lösen<br />
ihre Ausbildung vorzeitig auf.<br />
± (Die regional höchste Abbruchquote <strong>in</strong>sgesamt<br />
lag <strong>in</strong> Mittelfranken mit 10 %,<br />
die Abbruchquote <strong>der</strong> jungen Frauen<br />
erreichte ihren negativen Höhepunkt <strong>in</strong><br />
Coburg mit 12,3 %, wo sie sich auch am<br />
stärksten von <strong>der</strong> <strong>der</strong> jungen Männer<br />
abhob.)<br />
7. Der Anteil <strong>der</strong> Auszubildenden <strong>in</strong><br />
betrieblicher und überbetrieblicher Ausbildung<br />
an allen Jugendlichen <strong>in</strong> Berufsausbildung<br />
o<strong>der</strong> berufsvorbereitenden Maûnahmen<br />
von 1994 (80 % bzw. <strong>in</strong>nerhalb des<br />
dualen Systems 77 %) verr<strong>in</strong>gert sich<br />
zunehmend. Das bedeutet, daû gleichzeitig<br />
die überbetriebliche Ausbildung als auch<br />
die Ausbildung, die auûerhalb des BBiG<br />
bzw. <strong>der</strong> HwO stattf<strong>in</strong>det, zunehmend an<br />
Bedeutung gew<strong>in</strong>nen.<br />
Wir for<strong>der</strong>n<br />
1. Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze<br />
durch Lastenausgleich<br />
Die <strong>SPD</strong> setzt sich für e<strong>in</strong>e bundese<strong>in</strong>heitliche<br />
und branchenübergreifende Neuregelung<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />
e<strong>in</strong>, die zum e<strong>in</strong>en<br />
± zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze<br />
<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong>, d.h. auch auswahlfähiger<br />
Anzahl schafft<br />
± die duale Berufsausbildung unabhängig<br />
von konjunkturellen Schwankungen<br />
sowie regionalen und sektoralen<br />
Ungleichgewichten macht<br />
± zu e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildungsqualität<br />
führt<br />
± zur Sicherung des Standorts Deutschland<br />
beiträgt,<br />
und zum zweiten<br />
± zu e<strong>in</strong>er gleichmäûigen Kostenbelastung<br />
aller Betriebe beiträgt, und auch Wettbewerbsverzerrungen<br />
zwischen ausbildenden<br />
und nicht ausbildenden Betrieben<br />
aufhebt.<br />
Privatbetriebe wie auch <strong>der</strong> öffentliche<br />
Dienst müssen sich gleichermaûen an <strong>der</strong><br />
Ausbildungsf<strong>in</strong>anzierung beteiligen.<br />
Die VOB ist dah<strong>in</strong>gehend zu verän<strong>der</strong>n,<br />
daû Betriebe, die den Vorgaben gemäû ausbilden,<br />
bei <strong>der</strong> Vergabe öffentlicher Aufträge<br />
e<strong>in</strong>en ¸Bonus erhalten.<br />
Aufgrund <strong>der</strong> überproportionalen Ausbildung<br />
im Handwerk s<strong>in</strong>d Handwerksbetriebe<br />
stärker von den Kosten im Rahmen<br />
von Ausbildungsverbünden zu entlasten.<br />
Zur Organisierung <strong>der</strong> Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />
ist an die bestehenden Strukturen <strong>der</strong><br />
Arbeitsverwaltung anzuknüpfen. Die Ausbildungsabgabe<br />
ist geme<strong>in</strong>sam mit den<br />
Sozialabgaben auf dem üblichen Wege<br />
über die Krankenkassen an die Bundesanstalt<br />
für Arbeit abzuführen.<br />
Über die Verwendung <strong>der</strong> Mittel sollen die<br />
Selbstverwaltungsorgane <strong>der</strong> Bundesanstalt<br />
für Arbeit entscheiden. Dies soll weitestgehend<br />
dezentral, also <strong>in</strong> den Arbeitsamtsbezirken<br />
geschehen.<br />
E<strong>in</strong>e regionale Erfassung, För<strong>der</strong>ung und<br />
E<strong>in</strong>richtung von Ausbildungsplätzen ist<br />
auch öffentliche Aufgabe, die von den<br />
Gebietskörperschaften, unter f<strong>in</strong>anzieller<br />
und konzeptioneller Unterstützung durch<br />
den Bund und die Län<strong>der</strong>, zu erfüllen ist.<br />
2. Entwicklung und För<strong>der</strong>ung neuer Ausbildungsmodelle<br />
<strong>in</strong>nerhalb des dualen<br />
Systems<br />
367
Das duale System bedarf <strong>der</strong> Weiterentwicklung<br />
und Mo<strong>der</strong>nisierung. Die viel diskutierten<br />
neuen Ausbildungsmodelle müssen<br />
jedoch die Qualität <strong>der</strong> Ausbildung<br />
sichern und erhöhen, Ausbildungsverkürzungen<br />
und Ausbildungsgänge unterhalb<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen Standards lehnen wir ab.<br />
Verbundausbildung<br />
Zur Sicherung und Ausweitung <strong>der</strong> Ausbildungsplätze<br />
sowie zur qualitativen Verbesserung<br />
<strong>der</strong> betrieblichen Seite <strong>der</strong> dualen<br />
Berufsausbildung bzw. zur Entlastung und<br />
Weiterbildung <strong>der</strong> Betriebe und Behörden<br />
ist verstärkt Ausbildung im Verbund zu<br />
<strong>in</strong>itiieren. Modellversuche s<strong>in</strong>d gerade <strong>in</strong><br />
Bereichen, die kle<strong>in</strong>teilig strukturiert s<strong>in</strong>d,<br />
und <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong>er ¸learn<strong>in</strong>g by do<strong>in</strong>g<br />
weit verbreitet ist, zu starten, so z.B. im<br />
Medien- und Kommunikations-, Freizeit-,<br />
Messe- und Ausstellungs- und im Umweltschutzbereich.<br />
Zur Klärung von Ausbildungsbedarf und -<br />
potentialen, Initiierung und Koord<strong>in</strong>ierung<br />
von Verbundausbildung s<strong>in</strong>d regionale<br />
Regiestellen e<strong>in</strong>zurichten, die eng mit allen<br />
Institutionen <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />
(Kammern, Gewerkschaften, Berufsschulen,<br />
Schulämtern, Arbeitsämtern und kommunalen<br />
Gebietskörperschaften) zusammenarbeiten.<br />
Gerade die Verbundausbildung eignet sich,<br />
vor dem H<strong>in</strong>tergrund EU e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>haltlichen/personellen<br />
Austausch über Län<strong>der</strong>grenzen<br />
h<strong>in</strong>weg zu ermöglichen, d.h. e<strong>in</strong>zelne<br />
Ausbildungsabschnitte <strong>in</strong><br />
Fremdbetrieben/-behörden auch auûerhalb<br />
Deutschlands durchzuführen. Es ist e<strong>in</strong>e<br />
EU-Vere<strong>in</strong>barung anzustreben, <strong>der</strong>zufolge<br />
die entsprechende Berufsbildungsregelungen<br />
<strong>der</strong> entsendenden Staaten ihre Gültigkeit<br />
behalten.<br />
Modulare Ausbildungsmodelle<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Diskussion zur modularen<br />
Ausbildung besteht Klärungsbedarf, was<br />
sich konkret h<strong>in</strong>ter dieser For<strong>der</strong>ung verbirgt,<br />
und v. a., welche Konsequenzen die<br />
gewünschte ¸Durchlässigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung<br />
im H<strong>in</strong>blick auf ihre Integration <strong>in</strong><br />
das System <strong>der</strong> sozialen Sicherung, auf die<br />
368<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Auszubildenden <strong>in</strong> die<br />
Erwerbsarbeit, auf ihre Erfassung durch<br />
das Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsgesetz,<br />
auf die Verb<strong>in</strong>dlichkeit von<br />
Ausbildungs<strong>in</strong>halten, auf die Ausbildungsvergütung<br />
etc. nach sich zieht. Bei e<strong>in</strong>er<br />
Zusammensetzung <strong>der</strong> Ausbildung aus<br />
Pflicht und Wahlbauste<strong>in</strong>en stellt sich die<br />
Frage, ob die Auswahl generell zu e<strong>in</strong>er<br />
Ausweitung <strong>der</strong> Grundqualifikation o<strong>der</strong><br />
aber letztendlich zu e<strong>in</strong>er Konzentration<br />
auf Betriebsspezifika führt, was die For<strong>der</strong>ung<br />
nach Flexibilität auf seiten <strong>der</strong> Auszubildenden<br />
ad absurdum führen würde.<br />
Auch besteht die Gefahr e<strong>in</strong>er Öffnung <strong>der</strong><br />
Ausbildungsqualität nach unten; dies würde<br />
die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>führung von Schmalspurausbildungen,<br />
neue Aufsplitterungen und Ausgrenzungen<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />
bedeuten. Die Frage des Bedarfs und <strong>der</strong><br />
Verwertbarkeit von Teil-Ausbildungen wird<br />
gerade von denen, die sie am vehementesten<br />
for<strong>der</strong>n, nicht beantwortet. Offen ist<br />
auch, <strong>in</strong> welcher Beziehung zum dualen<br />
System modulare Modelle letztendlich stehen.<br />
Solange die Unklarheiten und Gefahren<br />
nicht unzweideutig ausgeräumt werden<br />
können, erteilt die Bayern-<strong>SPD</strong> diesen<br />
Modellen e<strong>in</strong>e Absage.<br />
3. Stärkung <strong>der</strong> Regionen<br />
Zur Aufhebung <strong>der</strong> groûen regionalen<br />
Unterschiede h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Ausbildungssituation<br />
s<strong>in</strong>d gezielte För<strong>der</strong>maûnahmen<br />
erfor<strong>der</strong>lich:<br />
± die Erstellung regionaler Berufsbildungsbilanzen<br />
zur Ermittlung des Bedarfs an<br />
Ausbildungsplätzen und dessen Abgleichung<br />
mit <strong>der</strong> prognostizierten Wirtschaftsentwicklung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Region<br />
± Unterstützung kommunaler Berufsbildungsbilanzen<br />
durch Bund und Län<strong>der</strong><br />
± Durchführung von (jeweils zu Jahresbeg<strong>in</strong>n<br />
stattf<strong>in</strong>denden) Ausbildungskonferenzen<br />
mit dem Ziel e<strong>in</strong>er Verständigung<br />
zwischen o.a. Institutionen <strong>der</strong> beruflichen<br />
Bildung sowie regionalen Planungsbeiräten<br />
h<strong>in</strong>sichtlich des (langfristigen)<br />
Bedarfs und Entwicklungsprognosen
± die Verzahnung <strong>der</strong> Ausbildungsplanung<br />
und -för<strong>der</strong>ung mit Ansätzen <strong>der</strong> regionalen<br />
Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung.<br />
4. Unterstützung <strong>der</strong> Mobilität von<br />
Jugendlichen<br />
Sowohl im Interesse Jugendlicher als auch<br />
im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> regionalen Entwicklung hat<br />
e<strong>in</strong>e wohnortnahe Ausbildung erste Priorität.<br />
In Anbetracht des enormen Gefälles<br />
zwischen den Län<strong>der</strong>n und Regionen ist<br />
jedoch dann, wenn dieses Ziel nicht e<strong>in</strong>gelöst<br />
werden kann, die Mobilität <strong>der</strong> betroffenen<br />
Jugendlichen gezielt zu för<strong>der</strong>n.<br />
Mobilitätshilfen können se<strong>in</strong> Umzugshilfen<br />
o<strong>der</strong> Unterstützung bei <strong>der</strong> Beschaffung<br />
von Wohnraum.<br />
Die Bundesregierung<br />
± entwickelt e<strong>in</strong>e Wohnraumbörse für<br />
Jugendliche und<br />
± erstellt e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>anzierungs- und sonstiges<br />
Unterstützungsprogramm (z. B. schafft<br />
sie entsprechenden Wohnraum <strong>in</strong> Landesliegenschaften).<br />
Materielle Voraussetzung für e<strong>in</strong>e Mobilität<br />
<strong>der</strong> Auszubildenden ist die Anhebung bzw.<br />
Sicherung e<strong>in</strong>er existenzsichernden Ausbildungsvergütung.<br />
Alle Bestrebungen <strong>der</strong><br />
Arbeitgeber, die aktuellen ± i. d.R. bei weitem<br />
unter dem Niveau <strong>der</strong> Existenzsicherung<br />
liegenden ± Ausbildungsvergütungen<br />
zu kürzen, s<strong>in</strong>d zurückzuweisen.<br />
5. Qualifizierung <strong>der</strong> Jugendlichen<br />
Die bereits im Beschäftigungspakt<br />
beschlossenen Maûnahmen zur schulischen<br />
Qualifizierung s<strong>in</strong>d konsequent umzusetzen.<br />
Vor allen D<strong>in</strong>gen ist die Vermittlung<br />
von Schlüsselquatifikationen (Teamfähigkeit,<br />
soziale Kompetenz, abstraktes Denkvermögen)<br />
gefor<strong>der</strong>t. Diese s<strong>in</strong>d erfor<strong>der</strong>lich,<br />
um schnell und flexibel auf<br />
Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Ausbildung und Beruf<br />
reagieren zu können.<br />
6. Koord<strong>in</strong>ierung von Angebot und Nachfrage<br />
Die Bundesregierung macht es sich zur<br />
Aufgabe, das Berufsbildungsprogramm<br />
kont<strong>in</strong>uierlich fortzuschreiben sowie e<strong>in</strong>en<br />
jährlichen Berufsbildungsbericht zu erstellen,<br />
<strong>der</strong> ± regional aufgeglie<strong>der</strong>t ± e<strong>in</strong>e<br />
qualitative Erhebung <strong>der</strong> jeweiligen Situation<br />
bzw. des künftigen Bildungsbedarfs<br />
umfaût. Für solche Berufsbildungsberichte<br />
werden Raster entwickelt, die auch von den<br />
Län<strong>der</strong>n fortgeschrieben werden können.<br />
Sowohl im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es umfassenden und<br />
rechtzeitigen Überblicks über das Angebot<br />
bzw. ggf. e<strong>in</strong>en Fehlbedarf an Ausbildungsstellen,<br />
als auch zur Stärkung <strong>der</strong> Kompetenz<br />
<strong>der</strong> Arbeitsämter zur Berufsberatung<br />
und Ausbildungsstellenvermittlung sollte<br />
für alle öffentlichen und privaten Arbeitgeber<br />
e<strong>in</strong>e Meldepflicht für Ausbildungsplätze<br />
e<strong>in</strong>geführt werden, <strong>der</strong> rechtzeitig<br />
beim örtlich zuständigen Arbeitsamt nachzukommen<br />
ist.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus berichtet die Bundesregierung<br />
jährlich über Bedarf und Entwicklung<br />
zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses.<br />
7. Verbesserung <strong>der</strong> Ausbildungssituation<br />
Bundese<strong>in</strong>heitliche Regelung aller Ausbildungen<br />
Der Bund muû se<strong>in</strong>e bisherige Blockadehaltung<br />
gegenüber e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Regelung aller Ausbildungsberufe im Rahmen<br />
des BBiG aufgeben und e<strong>in</strong>er bundese<strong>in</strong>heitlichen<br />
Neuordnung <strong>der</strong> Ausbildung<br />
<strong>in</strong> den Gesundheits-, Heil-, Pflege- und<br />
Sozialberufen zustimmen.<br />
Der Staat als Ausbil<strong>der</strong> muû <strong>in</strong> quantitativer<br />
wie qualitativer H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e Vorbildfunktion<br />
wahrnehmen. Wo immer das<br />
möglich ist, s<strong>in</strong>d Ausbildungen im dualen<br />
System beamtenrechtlichen Son<strong>der</strong>wegen<br />
vorzuziehen.<br />
Berufsschule<br />
Die Qualität <strong>der</strong> Berufsschulen ist zu verbessern.<br />
Die technische, personelle und<br />
räumliche Ausstattung ist dem Stand <strong>der</strong><br />
Gymnasien anzupassen. Ziel muû se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Gleichstellung von beruflicher und allgeme<strong>in</strong>er<br />
Bildung.<br />
In Anbetracht <strong>der</strong> starken Weltmarktorientierung<br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik ist e<strong>in</strong> qualifi-<br />
369
zierter Fremdsprachenunterricht an den<br />
Berufsschulen ± unabhängig vom Ausbildungsberuf<br />
± unverzichtbar.<br />
Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Kooperation <strong>der</strong> Lernorte<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>stitutionalisierte regionalisierte<br />
Gespräche zwischen Berufsschulen, Lehrer<strong>in</strong>nenverbänden,<br />
Wirtschaft, Gewerkschaften<br />
und Schulaufwandsträgern sicherzustellen,<br />
wie auch geme<strong>in</strong>same Fortbildungen<br />
von Lehrer<strong>in</strong>nen und Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong>nen<br />
durchzuführen.<br />
In e<strong>in</strong>er Zeit erhöhten Leistungsdrucks<br />
und gesteigerter Flexibilitätsanfor<strong>der</strong>ungen<br />
gegenüber Jugendlichen ist dr<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>e<br />
Schulsozialarbeit an den Berufsschulen zu<br />
entwickeln. Dazu s<strong>in</strong>d För<strong>der</strong>programme<br />
aufzubauen sowie entsprechend Sozialpädagog<strong>in</strong>nen<br />
e<strong>in</strong>zustellen und zu qualifizieren.<br />
8. Ausbildung für alle Jugendlichen<br />
Junge Frauen<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> anhaltenden und<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Fällen sogar wie<strong>der</strong> zunehmenden<br />
Ausgrenzung junger Frauen vom Ausbildungsmarkt<br />
for<strong>der</strong>t die <strong>SPD</strong> e<strong>in</strong>e 50%-<br />
Quote für junge Frauen bei <strong>der</strong> Besetzung<br />
<strong>der</strong> Ausbildungsplätze <strong>in</strong> den Ausbildungsberufen<br />
und -branchen, <strong>in</strong> denen Frauen<br />
unterrepräsentiert s<strong>in</strong>d. Zur Unterstützung<br />
e<strong>in</strong>er langfristigen Verän<strong>der</strong>ung von<br />
geschlechtsbezogenen Rollen- und Vorbil<strong>der</strong>n<br />
für junge Menschen müssen Wege<br />
gefunden werden, Frauen auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
angemessenen Anzahl als Ausbil<strong>der</strong><strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />
den Betrieben und Behörden zu berücksichtigen.<br />
Die auf <strong>der</strong> Weltfrauenkonferenz<br />
<strong>in</strong> Pek<strong>in</strong>g 1995 beschlossene Aktionsplattform<br />
verpflichtet auch die Bundesrepublik<br />
Deutschland zur Beobachtung <strong>der</strong> Situation<br />
von Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausbildung und<br />
<strong>der</strong>en Unterstützung. Danach müssen auch<br />
entsprechende För<strong>der</strong>maûnahmen ergriffen<br />
und Mittel zur Verfügung gestellt werden.<br />
Berufsvorbereitungsjahr<br />
Angesichts e<strong>in</strong>er sich immer mehr zuspitzenden<br />
Situation am Ausbildungsstellenmarkt<br />
ist das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ)<br />
e<strong>in</strong> wesentliches Element zur Qualifizie-<br />
370<br />
rung von Jugendlichen, die e<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz<br />
anstreben, aber ke<strong>in</strong>en erhalten.<br />
Demzufolge<br />
± muû das BVJ sowohl quantitativ ausgedehnt<br />
als auch qualitativ erhalten bleiben,<br />
d.h. die Stundenzahl ist ab dem<br />
Schuljahr 1997/98 wie<strong>der</strong>um auf 34<br />
anzuheben und es s<strong>in</strong>d entsprechende<br />
Planstellen zu schaffen<br />
± ist die Stundenzahl für Jugendliche, die<br />
ke<strong>in</strong> Betriebspraktikum machen können,<br />
aufzustocken, um Leerzeiten zu vermeiden<br />
± ist die Handlungskompetenz von Lehrkräften<br />
an beruflichen Schulen im<br />
Umgang mit lern- und leistungsschwächeren<br />
Jugendlichen zu schulen<br />
± ist das BVJ wissenschaftlich zu begleiten,<br />
um die Übergänge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e betriebliche<br />
Ausbildung feststellen und die Erfahrungen<br />
mit den Betriebspraktika auswerten<br />
zu können.<br />
Je besser die Verzahnung <strong>der</strong> für den Bildungsbereich<br />
Zuständigen funktioniert und<br />
je differenzierter die Problematik vor Ort<br />
angegangen wird, desto eher kann e<strong>in</strong>e<br />
erfor<strong>der</strong>liche Flexibilität erreicht werden.<br />
Dazu ist u.a. erfor<strong>der</strong>lich<br />
± bei den Ausbildungskonferenzen frühzeitig<br />
den Bedarf sowie Maûnahmenträger<br />
für das BVJ festzustellen<br />
± Jugendliche, die ke<strong>in</strong>en Ausbildungsplatz<br />
f<strong>in</strong>den, rechtzeitig und umfassend über<br />
¸Alternativ -Möglichkeiten zu <strong>in</strong>formieren<br />
± die Träger <strong>der</strong> öffentlichen Jugendhilfe<br />
mite<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
9. Ausbildungsabbrüchen entgegenwirken<br />
Ausbildungsabbrüchen ist durch e<strong>in</strong>e verbesserte<br />
Informationspolitik (Schulen,<br />
Kammern, Gewerkschaften, Arbeitsamt),<br />
bspw. durch Intensivierung <strong>der</strong> Ausbildungspraktika,<br />
organisierte Betriebsbesichtigungen<br />
und -gespräche im Rahmen des<br />
Schulunterrichts u. a., wie auch ± wo s<strong>in</strong>nvoll<br />
± durch die Berufsschulsozialarbeit<br />
vorzubeugen.
10. Übergang zur Hochschule<br />
Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er anzustrebenden Gleichstellung<br />
von beruflicher und allgeme<strong>in</strong>er Bildung<br />
ist Absolvent<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>er betrieblichen<br />
Berufsausbildung <strong>der</strong> Zugang zur Hochschule<br />
zu erleichtern. Die Hochschulzugangsberechtigung<br />
soll ausnahmslos auch<br />
durch e<strong>in</strong>e abgeschlossene Berufsausbildung<br />
und 13 Jahre Schulbildung (e<strong>in</strong>schl.<br />
<strong>der</strong> Berufsschullehre, ggf. auch zu ergänzen<br />
durch e<strong>in</strong>e entsprechende Anzahl an Jahren<br />
<strong>der</strong> Berufstätigkeit) erreicht werden können.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag I 290<br />
Unterbezirk Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />
Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion<br />
wird aufgefor<strong>der</strong>t, alle gesetzgeberischen<br />
Schritte zur E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Umlagef<strong>in</strong>anzierung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> beruflichen Bildung<br />
e<strong>in</strong>zuleiten. Die Landesregierungen werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, im Bundesrat die Initiative<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion zu unterstützen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag I 291<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten<br />
Jugend gestaltet Zukunft<br />
Politische Mitwirkung und soziales Engagement<br />
s<strong>in</strong>d Wesensmerkmale e<strong>in</strong>er aktiven<br />
Demokratie. Der ehrenamtlichen Tätigkeit<br />
kommt dabei e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Bedeutung<br />
zu. Ehrenamtliche Helfer<strong>in</strong>nen und Helfer<br />
setzen sich für e<strong>in</strong>e solidarische und<br />
menschliche Gesellschaft e<strong>in</strong>. Die Möglichkeiten<br />
<strong>der</strong> Gestaltung und Teilhabe s<strong>in</strong>d<br />
dabei genauso Basis ehrenamtlichen Engagements<br />
wie die Chance persönlicher<br />
Selbstverwirklichung durch die eigene<br />
Arbeit.<br />
Dies gilt im Beson<strong>der</strong>en für junge Menschen,<br />
die sich freiwillig engagieren. Sie<br />
bevorzugen Fel<strong>der</strong> des Engagements, die<br />
Selbstentfaltung, Identitätsf<strong>in</strong>dung und<br />
e<strong>in</strong>en hohen Freizeitwert versprechen. Mit<br />
ihrer Arbeit wollen junge Menschen gestalten,<br />
daher ist es ihnen wichtig, daû reden<br />
und handeln nah beie<strong>in</strong>an<strong>der</strong> liegen. Sie<br />
wollen ihre Fähigkeiten und ihre Phantasie<br />
e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen und ihre Zukunft gestalten.<br />
Die Formen freiwilligen Engagements von<br />
Jugendlichen und jungen Erwachsenen s<strong>in</strong>d<br />
vielfältig: Kont<strong>in</strong>uierlich o<strong>der</strong> zeitlich<br />
begrenzt, <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Bandbreite von<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>- und Jugendgruppen verpflichtet<br />
o<strong>der</strong> begrenzt auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Ausrichtung,<br />
zum Beispiel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Projekt. Freiwillige<br />
Tätigkeit von Jugendlichen f<strong>in</strong>det<br />
statt <strong>in</strong> Jugendverbänden, Initiativen, Projekten,<br />
Gewerkschaften o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Parteien<br />
Interessenorientierte freiwillige Tätigkeit<br />
o<strong>der</strong> ehrenamtliche Arbeit bleibt Grundlage<br />
unseres auf Beteiligung angelegten Bildes<br />
e<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaft.<br />
Es ist wichtig, jungen Menschen deutlich<br />
zu machen, daû ihr Engagement gewollt ist<br />
und daû sie mit ihrem E<strong>in</strong>satz etwas bewegen<br />
können. Wir wollen daher die Voraussetzungen<br />
dafür schaffen, daû Jugendliche<br />
ihre Kommunikationsbedürfnisse realisieren<br />
und ihre Lebensräume aktiv mitgestalten<br />
können, und wir wollen die Eigen<strong>in</strong>itiative,<br />
durch die sich phantasievolle<br />
Lebensräume entwickelt haben, unterstützen.<br />
Die <strong>SPD</strong> will ehrenamtliche Arbeit und die<br />
Selbstorganisation stärken. Diese sozialen<br />
Qualifikationen müssen stärker als bisher<br />
gesellschaftlich anerkannt werden. Die<br />
Arbeit ehrenamtlicher Helfer<strong>in</strong>nen und<br />
Helfer muû geför<strong>der</strong>t und unterstützt werden.<br />
Daher werden wir ihre Situation<br />
durch folgende Maûnahmen verbessern:<br />
1. den Ausbau und die Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> Aus-, Weiter- und Fortbildungsangebote<br />
für freiwillig/ehrenamtliche<br />
371
Tätigkeit sowie <strong>der</strong>en bedarfsgerechte<br />
F<strong>in</strong>anzierung<br />
2. die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er bundesweit e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Jugendleiter/<strong>in</strong>-Card, die zum<br />
e<strong>in</strong>en den § 73 des KJHG mit Leben<br />
füllt und zum an<strong>der</strong>en genutzt werden<br />
kann, für Jugendleiter/<strong>in</strong>nen Anerkennung<br />
und Vergünstigungen zu ermöglichen<br />
3. die Schaffung e<strong>in</strong>er bundese<strong>in</strong>heitlichen<br />
Regelungen für Freistellungen und Son<strong>der</strong>urlaub<br />
4. die Berücksichtigung des ehrenamtlichen<br />
Engagements bei <strong>der</strong> Studienplatzvergabe<br />
durch die Zentralstelle für die<br />
Vergabe von Studienplätzen (ZVS), um<br />
sicherzustellen, daû die Betroffenen ihre<br />
ehrenamtlichte Tätigkeit am Heimatort<br />
fortsetzen können.<br />
5. den E<strong>in</strong>satz ehrenamtlicher Mitarbeiter,<br />
die ihren Wehr- o<strong>der</strong> Ersatzdienst ableisten,<br />
an E<strong>in</strong>satzorten, die die Fortsetzung<br />
<strong>der</strong> ehrenamtlichen Tätigkeit<br />
ermöglichen.<br />
6. e<strong>in</strong>e f<strong>in</strong>anzielle För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> ehrenamtlichen<br />
Tätigkeit durch die Übernahme<br />
<strong>der</strong> Kosten, die <strong>in</strong> ihrem Rahmen<br />
anfallen.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 29<br />
Studienbed<strong>in</strong>gungen<br />
verbessern, Hochschulen<br />
ausbauen und reformieren<br />
1. Für die <strong>SPD</strong> s<strong>in</strong>d Bildung, Wissenschaft<br />
und Forschung Schlüsselressourcen für die<br />
gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche<br />
Entwicklung. Ihre Bedeutung wird im<br />
Übergang zu e<strong>in</strong>er nach<strong>in</strong>dustriellen<br />
Gesellschaft noch weiter zunehmen.<br />
Mo<strong>der</strong>ne Gesellschaften werden daher Bildungs-<br />
und Qualifikationspotentiale entwickeln<br />
müssen, damit sie die Daueraufgabe,<br />
immer wie<strong>der</strong> Innovationen zu<br />
<strong>in</strong>itiieren und umzusetzen, bewältigen können.<br />
Als Konsequenz hat die <strong>SPD</strong> deshalb<br />
372<br />
e<strong>in</strong>e deutliche Verstärkung <strong>der</strong> Bildungsanstrengungen<br />
zu e<strong>in</strong>em Kernprojekt ihrer<br />
Innovationsstrategie gemacht.<br />
Der Streik <strong>der</strong> Studierenden an Hochschulen<br />
<strong>in</strong> verschiedenen Län<strong>der</strong>n ist e<strong>in</strong><br />
öffentliches Signal, damit endlich die Weichen<br />
für e<strong>in</strong>e verträgliche Zukunft an den<br />
Hochschulen gestellt werden. Die Situation<br />
an den e<strong>in</strong>zelnen Hochschulen und <strong>in</strong> den<br />
verschiedenen Studienfächern ist unterschiedlich.<br />
Die Studierenden streiken, um ihren Protest<br />
gegen unhaltbare Zustände an den<br />
deutschen Hochschulen und <strong>der</strong> bundesdeutschen<br />
Sparpolitik im Bildungs- und<br />
Sozialbereich zum Ausdruck zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Den streikenden Studierenden nur Verständnis<br />
entgegenzubr<strong>in</strong>gen reicht alle<strong>in</strong><br />
nicht aus. Den Worten müssen alsbald<br />
Taten folgen.<br />
2. Wir Sozialdemokraten wollen, daû <strong>der</strong><br />
Bildungs- und Wissenschaftsstandort<br />
Deutschland nicht zum Brachland verkommt.<br />
E<strong>in</strong>e grundlegende Verän<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> F<strong>in</strong>anz- und <strong>der</strong> Bildungspolitik ist<br />
dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich.<br />
Ursache für die Unterf<strong>in</strong>anzierung des Bildungssystems<br />
s<strong>in</strong>d die erodierenden Staatse<strong>in</strong>nahmen.<br />
Deswegen bedarf es e<strong>in</strong>er<br />
wesentlichen Neuorientierung <strong>der</strong> Steuerpolitik.<br />
Ziel muû es se<strong>in</strong>, dem Staat zu<br />
ermöglichen, se<strong>in</strong>en wesentlichen Aufgaben<br />
<strong>in</strong> Zukunft wie<strong>der</strong> gerecht zu werden. Das<br />
Problem <strong>der</strong> ungerechten Steuererhebung<br />
muû angegangen werden. Es kann nicht<br />
se<strong>in</strong>, daû <strong>der</strong> Staat sich hauptsächlich aus<br />
<strong>der</strong> Lohn- und E<strong>in</strong>kommensteuer sowie<br />
<strong>in</strong>direkten Steuern (Mehrwertsteuer, M<strong>in</strong>eralöl-<br />
und Tabaksteuer), also von den kle<strong>in</strong>en<br />
und mittleren E<strong>in</strong>kommen, f<strong>in</strong>anziert.<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung und die <strong>in</strong>haltliche Ausgestaltung<br />
von Bildung, Wissenschaft und<br />
Forschung ist Aufgabe des Staates. Bildung<br />
darf nicht weiter kaputt gespart werden.<br />
Stellen- und Mittelkürzungen haben dazu<br />
geführt, daû Hochschulgebäude sich vielfach<br />
<strong>in</strong> schlechtem Zustand bef<strong>in</strong>den, Lehrveranstaltungen<br />
überfüllt, die Lehrmittel<br />
veraltet s<strong>in</strong>d und Dozent<strong>in</strong>nenstellen feh-
len. Soll die Leistungs- und Konkurrenzfähigkeit<br />
<strong>der</strong> deutschen Hochschulen<br />
gewahrt o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>gewonnen werden,<br />
muû auch e<strong>in</strong> universales Studiengangspektrum<br />
erhalten werden, anstatt e<strong>in</strong>seitig<br />
wirtschaftsorientierte Schmalspurhochschulen<br />
zu schaffen.<br />
Der Bildung kommt e<strong>in</strong>e Schlüsselposition<br />
bei <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Gesellschaft zu. Sie<br />
hat e<strong>in</strong> Bewuûtse<strong>in</strong> von zentralen Problemen<br />
<strong>der</strong> Gegenwart und Zukunft zu vermitteln.<br />
Die Erforschung <strong>der</strong> Ursachen globaler<br />
Probleme und die Erarbeitung von<br />
Lösungsstrategien stehen im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
Das Bildungssystem muû von gleichberechtigter<br />
Teilhabe ausgehen und darf ke<strong>in</strong>e<br />
Unterschiede nach <strong>der</strong> Herkunft o<strong>der</strong> Mittelausstattung<br />
<strong>der</strong> Lernenden machen. Bildung<br />
muû f<strong>in</strong>anziell so ausgestattet se<strong>in</strong>,<br />
daû Chancengleichheit gewahrt bleibt.<br />
3. Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t die Bundesregierung<br />
auf, mit den Län<strong>der</strong>n unverzüglich Verhandlungen<br />
über e<strong>in</strong> kurzfristiges Aktionsprogramm<br />
vordr<strong>in</strong>glicher Maûnahmen und<br />
e<strong>in</strong> mittel- und langfristiges Sanierungsund<br />
Mo<strong>der</strong>nisierungsprogramm für die<br />
Hochschulen aufzunehmen. In diese Beratungen<br />
s<strong>in</strong>d die Vorschläge <strong>der</strong> Studierendenverbände,<br />
<strong>der</strong> Hochschulorganisationen<br />
und <strong>der</strong> Hochschulen e<strong>in</strong>zubeziehen. Die<br />
Probleme <strong>der</strong> Hochschulen rechtfertigen<br />
ke<strong>in</strong>en weiteren Aufschub.<br />
Die Koalitionsfraktionen haben bei <strong>der</strong><br />
abschlieûenden Beratung des Bundeshaushalts<br />
1998 e<strong>in</strong> solches Verhandlungsangebot<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> ausgeschlagen. Statt dessen<br />
haben sie e<strong>in</strong>en Beschluû über ihre ¹e<strong>in</strong>malige<br />
Aktionshilfe für e<strong>in</strong> Hochschul-Bibliotheksprogramm<br />
<strong>der</strong> Län<strong>der</strong>ª verabschiedet.<br />
E<strong>in</strong> solches Trostpflaster für die Studierenden<br />
löst die Probleme <strong>der</strong> Hochschulen<br />
und <strong>der</strong> Studierenden nicht. Der Bund<br />
wird so se<strong>in</strong>er Verantwortung für die<br />
F<strong>in</strong>anzierung <strong>der</strong> Hochschulen nicht<br />
gerecht.<br />
Der Bund hat <strong>in</strong> den letzten Jahren ke<strong>in</strong>e<br />
ausreichende f<strong>in</strong>anzielle Ausstattung für die<br />
Hochschulen sichergestellt (Geme<strong>in</strong>schaftsaufgaben<br />
Hochschulbau, Forschungsför<strong>der</strong>ung).<br />
Die Län<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d nicht mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Lage, angesichts <strong>der</strong> Situation <strong>der</strong> öffentlichen<br />
Haushalte die Kürzungen des Bundes<br />
zu kompensieren.<br />
4. Die jahrelange Vernachlässigung <strong>der</strong><br />
Hochschulen ist unverantwortlich:<br />
± weil wir als rohstoffarmes Land auf Wissen<br />
und Qualifikation elementar angewiesen<br />
s<strong>in</strong>d;<br />
± weil wir die Studierenden auf diese<br />
Weise zu den langen Studienzeiten nötigen,<br />
die die Bundesregierung dann<br />
beklagt;<br />
± weil wir e<strong>in</strong> Interesse daran haben, daû<br />
viele junge Menschen gute Qualifizierungen<br />
erhalten;<br />
± weil wir den jungen Menschen e<strong>in</strong>e gute<br />
Ausbildung schulden.<br />
In den nächsten Jahren wird die Zahl <strong>der</strong><br />
Studierenden weiter ansteigen. E<strong>in</strong>e<br />
Gesellschaft, die den Bildungswillen ihrer<br />
Jugend als Last o<strong>der</strong> gar als ¹Überlastª<br />
empf<strong>in</strong>det, darf sich über Protest nicht<br />
wun<strong>der</strong>n.<br />
Allen Überlegungen, die hohe Belastung<br />
unserer Hochschulen durch e<strong>in</strong>e<br />
Erschwerung des Zugangs zum Studium zu<br />
reduzieren, erteilen wir e<strong>in</strong>e klare Absage.<br />
Wenn wir e<strong>in</strong>e zukunftsorientierte Wirtschafts-<br />
und Gesellschaftspolitik verwirklichen<br />
wollen, haben wir nicht zu viele, son<strong>der</strong>n<br />
zu wenig Studierende. Die<br />
Begrenzung <strong>der</strong> Studentenzahlen durch<br />
E<strong>in</strong>führung von Studiengebühren lehnen<br />
wir daher ebenso ab wie e<strong>in</strong>e Privatisierung<br />
<strong>der</strong> Hochschulen. Gleichzeitig treten wir<br />
für e<strong>in</strong>e bedarfsgerechte Ausbildungsf<strong>in</strong>anzierung<br />
e<strong>in</strong>.<br />
5. Die Universitäten und Fachhochschulen<br />
bedürfen <strong>der</strong> demokratischen Umgestaltung.<br />
Hochschulgremien müssen von e<strong>in</strong>er<br />
kollegialen Entscheidungsf<strong>in</strong>dung ausgehen<br />
und dürfen nicht durch autokratische<br />
Strukturen zerstört werden. Für die Sozialdemokraten<br />
steht fest, daû unter dieser<br />
Bed<strong>in</strong>gung die Hochschulen mehr Autonomie<br />
und mehr Gestaltungsspielraum erhalten<br />
sollen. Die Hochschulen müssen die<br />
Autonomie nutzen, um auch selbst dafür<br />
zu sorgen, daû die öffentlichen Mittel effi-<br />
373
zient e<strong>in</strong>gesetzt werden und sie ihre Aufgaben<br />
besser wahrnehmen können.<br />
E<strong>in</strong>e stärkere Orientierung auf die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Studierenden, e<strong>in</strong> stärkeres<br />
Gewicht auf e<strong>in</strong>e verbesserte Lehre, e<strong>in</strong>e<br />
bessere Betreuung <strong>der</strong> Anfangssemester,<br />
e<strong>in</strong>e effizientere Selbststeuerung <strong>der</strong> Hochschulen<br />
und e<strong>in</strong>e Qualitätssicherung <strong>der</strong><br />
Forschung müssen Schritt für Schritt <strong>in</strong><br />
Angriff genommen werden. Die Betreuung<br />
gerade <strong>der</strong> Anfangssemester muû verbessert<br />
werden, damit sie ihre akademischen Freiheiten<br />
im Interesse e<strong>in</strong>es zielgerichteten,<br />
zügigen Studiums selbstverantwortlich<br />
wahrnehmen können.<br />
Mit e<strong>in</strong>er gröûeren Haushaltsautonomie<br />
auf <strong>der</strong> Grundlage klarer Zielvere<strong>in</strong>barungen,<br />
<strong>der</strong> kont<strong>in</strong>uierlichen Evaluation von<br />
Forschung und Lehre und e<strong>in</strong>em effizienteren<br />
Hochschulmanagement wollen wir<br />
diese Ziele erreichen. Notwendig ist auch<br />
e<strong>in</strong>e den Aufgaben adäquate Organisationsreform<br />
<strong>der</strong> Hochschulen.<br />
Der Anteil <strong>der</strong> Frauen am wissenschaftlichen<br />
Personal ist zu niedrig. Von 100 Professor<strong>in</strong>nen<br />
s<strong>in</strong>d im bundesweiten Durchschnitt<br />
nur 8,5 % Frauen. Daher for<strong>der</strong>n<br />
wir, <strong>der</strong>en Anteil sukzessive deutlich zu<br />
erhöhen. In Forschung und Lehre sollen<br />
freiwerdende Stellen verstärkt mit Frauen<br />
besetzt werden.<br />
6. In <strong>der</strong> Kritik <strong>der</strong> Studierenden steht<br />
auch <strong>der</strong> Entwurf für e<strong>in</strong> neues Hochschulrahmengesetz<br />
(HRG). Die Län<strong>der</strong> haben<br />
im Bundesrat e<strong>in</strong>e Reihe von notwendigen<br />
Ergänzungen und Korrekturen am Entwurf<br />
<strong>der</strong> Bundesregierung vorgelegt. Vor allem<br />
haben die Län<strong>der</strong> beantragt, die Studiengebührenfreiheit<br />
im Hochschulrahmengesetz<br />
festzuschreiben.<br />
Im neuen HRG betrifft e<strong>in</strong>e zentrale Verän<strong>der</strong>ung<br />
die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er neuen Studienstruktur<br />
(Bachelor/Master). Für die<br />
<strong>SPD</strong> ist dies nur akzeptabel unter folgenden<br />
Voraussetzungen:<br />
± Es handelt sich um die Erprobung neuer<br />
Studienstrukturen, soweit hierfür e<strong>in</strong>zelne<br />
Fächer tatsächlich geeignet s<strong>in</strong>d.<br />
Bevor die herkömmlichen Abschlüsse<br />
(Diplom, Staatsexamen, Magister) hier-<br />
374<br />
durch abgelöst werden, müssen die<br />
erprobten neuen Studiengänge e<strong>in</strong>gehend<br />
evaluiert werden, auch h<strong>in</strong>sichtlich<br />
<strong>der</strong> Verwertbarkeit <strong>der</strong> neuen Abschlüsse<br />
auf dem Arbeitsmarkt unter E<strong>in</strong>schluû<br />
des öffentlichen Dienstes.<br />
± Ziel ist die europäische Harmonisierung<br />
von Hochschulabschlüssen, nicht die<br />
willkürliche Zweiteilung des Studiums<br />
mit dem Ziel, die groûe Masse <strong>der</strong> Studierenden<br />
<strong>in</strong> Kurzausbildungsgängen<br />
möglichst rasch durch die Hochschulen<br />
zu br<strong>in</strong>gen und ihnen e<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />
Ausbildung vorzuenthalten.<br />
± Zwischen Bachelor- und anschlieûendem<br />
Master-Studiengang muû Durchlässigkeit<br />
gewährleistet werden, d. h. alle Absolventen<br />
e<strong>in</strong>es Bachelorstudienganges müssen<br />
das Recht haben, anschlieûend den<br />
Masterstudiengang zu absolvieren.<br />
± Dies erfor<strong>der</strong>t zw<strong>in</strong>gend, daû <strong>der</strong><br />
Anspruch auf <strong>in</strong>dividuelle Ausbildungsför<strong>der</strong>ung<br />
den Masterstudiengang mit<br />
e<strong>in</strong>schlieût.<br />
Der vorliegende HRG-Entwurf wird <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er öffentlichen Anhörung des Ausschusses<br />
für Bildung und Forschung des Deutschen<br />
Bundestages am 5. Dezember 1997<br />
zusammen mit den Studierendenverbänden<br />
und den Organisationen im Hochschulbereich<br />
erörtert. Die <strong>SPD</strong> erwartet, daû die<br />
Ergebnisse <strong>der</strong> Anhörung <strong>in</strong> die abschlieûenden<br />
parlamentarischen Beratungen e<strong>in</strong>flieûen.<br />
Wir wollen substantielle Verbesserungen<br />
durchsetzen. Hiervon machen wir<br />
unser endgültiges Votum zur HRG-<br />
Novelle abhängig. Hierzu gehören:<br />
± ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>führung von Studiengebühren<br />
± e<strong>in</strong>e verfaûte Studentenschaft <strong>in</strong> allen<br />
Län<strong>der</strong>n<br />
± Reform <strong>der</strong> Studien<strong>in</strong>halte und Strukturen<br />
ohne neue Zugangsbarrieren<br />
± Öffnung für qualifizierte Berufstätige<br />
± e<strong>in</strong>e bessere Frauenför<strong>der</strong>ung<br />
± e<strong>in</strong>e tarifvertragliche Öffnungsklausel für<br />
Zeitverträge.<br />
7. Die HRG-Novelle mit den von uns<br />
gefor<strong>der</strong>ten ¾n<strong>der</strong>ungen ist e<strong>in</strong> Bauste<strong>in</strong>
für e<strong>in</strong>e notwendige Reform <strong>der</strong> Hochschulen.<br />
Diese Reform muû e<strong>in</strong>schlieûen:<br />
± e<strong>in</strong> neues Ausbildungsför<strong>der</strong>ungssystem,<br />
<strong>in</strong> dem alle ausbildungsbezogenen staatlichen<br />
Leistungen zusammengefaût werden,<br />
und das nach Bedarf aufgestockt<br />
wird, damit auch K<strong>in</strong><strong>der</strong>n weniger wohlhaben<strong>der</strong><br />
Eltern e<strong>in</strong> Studium ermöglicht<br />
wird,<br />
± e<strong>in</strong>e deutliche Aufstockung <strong>der</strong> Hochschulbauför<strong>der</strong>ung,<br />
um für die steigenden<br />
Studentenzahlen die notwendigen<br />
Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen,<br />
± e<strong>in</strong>e deutliche Aufstockung <strong>der</strong> Mittel<br />
für Forschung und die Verbesserung des<br />
Wissenschaftstransfers,<br />
± e<strong>in</strong>e Reform <strong>der</strong> Personalstruktur und<br />
die För<strong>der</strong>ung des wissenschaftlichen<br />
Nachwuchses an den Hochschulen.<br />
(Angenommen)<br />
Initiativantrag 30<br />
¾n<strong>der</strong>ungsantrag zu I 283<br />
Punkt 3: Unsere Handlungsmaximen:<br />
Der erste Unterpunkt erhält folgende<br />
Fassung:<br />
± Wir wollen die <strong>in</strong>tegrierende und orientierende<br />
Kraft von Bildung stärken und<br />
zugleich nutzen. In unserer Gesellschaft<br />
zeigen sich Spaltungstendenzen, die sich<br />
auch im Bildungswesen, <strong>in</strong> den Schulen<br />
wi<strong>der</strong>spiegeln. Wir Sozialdemokrat<strong>in</strong>nen<br />
und Sozialdemokraten müssen daher den<br />
fortschreitenden sozialen Differenzierungen<br />
zwischen den Schulen begegnen.<br />
Es gilt heute mehr denn je deutlich zu<br />
machen, da die <strong>in</strong>tegrierte Gesamtschule<br />
für die <strong>SPD</strong> die bevorzugte Schulform<br />
ist, <strong>der</strong>en möglichst flächendeckende<br />
Ausbreitung durch beson<strong>der</strong>e För<strong>der</strong>ung,<br />
pädagogische Kooperation mit ortsnahen<br />
Grundschulen und Aufklärung <strong>der</strong><br />
Eltern voranzutreiben ist. Die Weiterentwicklung<br />
dieser Schulform ist jedoch<br />
längst nicht abgeschlossen. Durch För<strong>der</strong>kurse<br />
und verstärkte Zusammenarbeit<br />
<strong>der</strong> LehrerInnen (geme<strong>in</strong>same Unter-<br />
richtsvorbereitung usw.) muû e<strong>in</strong>e<br />
höhere Durchlässigkeit <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />
Gesamtschulen erreicht werden.<br />
Gerade durch Budgetierung <strong>der</strong> Schulen<br />
und die Aufstellung von Schulprogrammen<br />
ist bei allen positiven Effekten auch<br />
e<strong>in</strong>e verstärkte Ausbildung <strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen<br />
und sozialen Ungleichheiten zwischen<br />
den Schulen zu befürchten. Es<br />
s<strong>in</strong>d daher Son<strong>der</strong>töpfe für den Strukturausgleich<br />
zwischen Schulen e<strong>in</strong>zurichten.<br />
Tendenzen, die freie Schulwahl durch<br />
das Abschieben von schwächeren SchülerInnen<br />
an an<strong>der</strong>e Schul(-formen) und<br />
das Aufstellen von <strong>in</strong>offiziellen Aufnahmekriterien<br />
e<strong>in</strong>zuschränken ist entschieden<br />
entgegenzutreten.<br />
Schule ist die wichtigste Integrations<strong>in</strong>stanz<br />
unserer Gesellschaft. Sozialdemokratische<br />
Bildungspolitik muû dies <strong>in</strong><br />
beson<strong>der</strong>er Weise berücksichtigen. Dies<br />
gilt aber auch für den Beitrag, den unser<br />
Bildungssystem für den <strong>in</strong>neren Zusammenhalt<br />
und das Zusammenwachsen<br />
Deutschlands leisten kann.<br />
An den zweiten Unterpunkt wird angefügt:<br />
Die <strong>SPD</strong> bekennt sich jedoch ausdrücklich<br />
zum 13. Schuljahr. Das Überspr<strong>in</strong>gen von<br />
Klassen kann nur <strong>in</strong> Ausnahmefällen s<strong>in</strong>nvoll<br />
se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e ¹Straffungª <strong>der</strong> Oberstufe<br />
auf zwei Jahre ist für die <strong>SPD</strong> <strong>in</strong>diskutabel.<br />
An den vierten Unterpunkt wird angefügt.<br />
Es ist nötig, je<strong>der</strong> Lehrer<strong>in</strong> und jedem<br />
Lehrer e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaû an jährlichen Fortbildungsveranstaltungen<br />
gesetzlich aufzuerlegen,<br />
um die neuen pädagogischen didaktischen<br />
und <strong>in</strong>haltlichen Ansätze schneller<br />
als bisher an die Schulen zu tragen.<br />
H<strong>in</strong>ter dem fünften Unterpunkt wird e<strong>in</strong>gefügt.<br />
± Demokratie soll <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule nicht nur<br />
gelernt, son<strong>der</strong>n auch gelebt werden. Im<br />
Unterricht soll den SchülerInnen Partizipation<br />
und Engagement <strong>in</strong> <strong>der</strong> Demokratie<br />
nahegelegt werden. Daû es <strong>der</strong><br />
Gesellschaft ernst ist damit, sollten<br />
SchülerInnen schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule erfahren.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs müssen diese wissen, daû<br />
375
376<br />
sie ernstgenommen werden und ihre<br />
Vorschläge und Konzepte e<strong>in</strong>e faire<br />
Chance haben. Ihr Wort und Gewicht<br />
haben, sonst resignieren sie und ziehen<br />
ihr Engagement zurück. Durch weitergehende<br />
Kompetenzen <strong>der</strong> Schülervertretungen<br />
können SchülerInnen viel eher<br />
dazu bewegt werden, sich an <strong>der</strong> Schule<br />
zu engagieren. Nicht zuletzt s<strong>in</strong>d die<br />
Erfahrungen, die hier gemacht werden<br />
auch prägend für das Verhalten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Demokratie, auch lange nach <strong>der</strong> Schulzeit.<br />
(Überwiesen an Kommission Bildung und<br />
Wissenschaft beim Parteivorstand)
Organisationspolitik<br />
Antrag O 292<br />
Parteivorstand<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§§ 28±30<br />
§28<br />
(1) Der Parteirat berät den Vorstand und<br />
för<strong>der</strong>t durch eigene Initiativen die Willensbildung<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei.<br />
(2) Der Parteirat ist anzuhören vor<br />
Beschlüssen des Parteivorstandes über<br />
± grundlegende auûen- und <strong>in</strong>nenpolitische<br />
Entscheidungen,<br />
± grundsätzliche organisatorische Fragen,<br />
± E<strong>in</strong>richtungen von zentralen Partei<strong>in</strong>stitutionen,<br />
die die Partei dauernd erheblich<br />
belasten,<br />
± die Vorbereitung von Bundestags- und<br />
Europawahlen.<br />
(3) Über die von e<strong>in</strong>em Bundesparteitag an<br />
den Parteirat überwiesenen Anträge<br />
beschlieût <strong>der</strong> Parteirat abschlieûend.<br />
(4) Über die von e<strong>in</strong>em Bundesparteitag an<br />
den Parteivorstand und Parteirat überwiesenen<br />
Anträge beschlieût <strong>der</strong> Parteivorstand,<br />
nachdem <strong>der</strong> Parteirat zuvor e<strong>in</strong>e<br />
Empfehlung abgegeben hat.<br />
(5) Der Parteirat faût Beschlüsse im Rahmen<br />
se<strong>in</strong>er Aufgaben, soweit diese nicht<br />
durch Gesetz o<strong>der</strong> Satzung an<strong>der</strong>en Organen<br />
vorbehalten s<strong>in</strong>d. Se<strong>in</strong>e Rechte aus den<br />
§§ 6 Abs. 2, 17 Abs. 2 Organisationsstatut<br />
und § 1 Abs. 4 F<strong>in</strong>anzordnung bleiben<br />
unberührt.<br />
(6) Der Parteirat wählt auf Vorschlag des<br />
Parteivorstandes die Delegierten für die<br />
Sozialdemokratische Partei Europas.<br />
(7) Der Parteirat berät bei <strong>der</strong> Abstimmung<br />
<strong>der</strong> Politik <strong>in</strong> Europa, im Bund, <strong>in</strong><br />
den Län<strong>der</strong>n und Geme<strong>in</strong>den.<br />
§29<br />
(1) Der Parteirat setzt sich zusammen:<br />
1. Mitglie<strong>der</strong><br />
90 von den <strong>Parteitag</strong>en <strong>der</strong> Bezirke/Landesverbände<br />
<strong>in</strong> geheimer Abstimmung zu<br />
wählende Vertreter und Vertreter<strong>in</strong>nen.<br />
Dabei erhält je<strong>der</strong> Bezirk/Landesverband<br />
vorab e<strong>in</strong> Grundmandat. Die weiteren<br />
Mandate werden nach dem Schlüssel für<br />
die Errechnung <strong>der</strong> Delegiertenzahlen auf<br />
den Bundesparteitagen auf die Bezirke/<br />
Landesverbände verteilt.<br />
2. Beratende Mitglie<strong>der</strong><br />
a) die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kontrollkommission,<br />
b) die Vorsitzenden <strong>der</strong> Landesverbände <strong>in</strong><br />
den Län<strong>der</strong>n mit mehr als e<strong>in</strong>em Bezirk,<br />
c) die Vorsitzenden <strong>der</strong> Landtagsfraktionen,<br />
d) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende <strong>der</strong> Bundestagsfraktion,<br />
e) <strong>der</strong> Vorsitzende o<strong>der</strong> die Vorsitzende<br />
<strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>-Abgeordneten im<br />
Europaparlament,<br />
f) die sozialdemokratischen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
EU-Kommission,<br />
g) die sozialdemokratischen M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />
und M<strong>in</strong>isterpräsident<strong>in</strong>nen bzw.<br />
stellvertretenden M<strong>in</strong>isterpräsidenten<br />
und M<strong>in</strong>isterpräsident<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>,<br />
h) die sozialdemokratischen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Bundesregierung,<br />
i) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Seniorenrats,<br />
j) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Gewerkschaftsrats,<br />
377
k) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzenden <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften<br />
auf Bundesebene,<br />
l) <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>,<br />
m)die leitenden Landes- und Bezirksgeschäftsführer/<strong>in</strong>nen.<br />
Der Parteivorstand nimmt an den Sitzungen<br />
des Parteirates teil.<br />
(2) Für die Leitung <strong>der</strong> Sitzungen wählt<br />
<strong>der</strong> Parteirat e<strong>in</strong>e Vorsitzende o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Vorsitzenden und <strong>der</strong>en bzw. dessen Stellvertreter<br />
o<strong>der</strong> Stellvertreter<strong>in</strong>.<br />
§ 30<br />
(1) Der Parteirat wird durch den Vorsitzenden<br />
o<strong>der</strong> die Vorsitzende des Parteirates<br />
im Benehmen mit dem Parteivorstand<br />
unter Angabe <strong>der</strong> Tagesordnung e<strong>in</strong>berufen.<br />
Er tritt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel vierteljährlich<br />
zusammen.<br />
(2) Auf Antrag e<strong>in</strong>es Drittels se<strong>in</strong>er Mitglie<strong>der</strong>,<br />
<strong>der</strong> zu begründen ist, muû e<strong>in</strong>e<br />
auûerordentliche Sitzung e<strong>in</strong>berufen werden.<br />
(3) Die E<strong>in</strong>ladungen sollen den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
des Parteirates <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel spätestens<br />
fünf Tage vor <strong>der</strong> Sitzung zugehen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 296<br />
Parteivorstand<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 8 a<br />
Die <strong>SPD</strong> bildet zusammen mit europäischen<br />
Schwesterparteien die Sozialdemokratische<br />
Partei Europas (SPE).<br />
Der Parteivorstand gewährleistet die Beteiligung<br />
<strong>der</strong> Parteimitglie<strong>der</strong> an <strong>der</strong> Willensbildung<br />
<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> SPE, wobei die Glie<strong>der</strong>ungen<br />
und die Fraktion im EU-<br />
378<br />
Parlament vorrangig zu berücksichtigen<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 297<br />
Bezirk <strong>Hannover</strong><br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 20<br />
Die Delegierten <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> für Konferenzen<br />
<strong>der</strong> SPE sollen künftig nicht mehr nach<br />
Zugriffs- o<strong>der</strong> Zufallspr<strong>in</strong>zip ausgewählt,<br />
son<strong>der</strong>n vom Bundesparteitag gewählt werden.<br />
Dementsprechend ist das Organisationsstatut<br />
<strong>in</strong> § 20 um e<strong>in</strong>e Ziffer zu erweitern.<br />
Nach Ziffer 2 ist e<strong>in</strong>e neue Ziffer 3 zu<br />
ergänzen; die bisherigen Ziffern 3 und 4<br />
werden zu Ziffer 4 und 5.<br />
§ 20,3. lautet künftig:<br />
3. die Wahl von Delegierten zu SPE-Konferenzen.<br />
Je<strong>der</strong> Bezirk/Landesbezirk erhält e<strong>in</strong><br />
Grundmandat. Hierfür haben die Bezirke<br />
e<strong>in</strong> Vorschlagsrecht. Für die restlichen<br />
Delegierten werden Vorschläge aller<br />
Antragsberechtigten berücksichtigt.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand und<br />
Parteirat)<br />
Antrag O 298<br />
Unterbezirk Saarbrücken-Stadt<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Luxemburg<br />
(Landesverband Saar)<br />
Europa <strong>der</strong> BürgerInnen<br />
Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand und die SPE werden<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, die satzungsrechtlichen<br />
Voraussetzungen zu schaffen, daû
1. die Sozialdemokratische Partei Europas<br />
(SPE) die Mitgliedschaft e<strong>in</strong>zelner Parteimitglie<strong>der</strong><br />
vorsieht und dies von allen<br />
Mitgliedsparteien-anerkannt wird;<br />
2. Parteimitglie<strong>der</strong>, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />
Mitgliedstaat wohnen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialdemokratischen<br />
Partei dieses Mitgliedstaates<br />
als gleichberechtigte Mitglie<strong>der</strong><br />
aufgenommen werden können;<br />
3. die SPE den Status dieser Mitglie<strong>der</strong><br />
h<strong>in</strong>sichtlich Beitragspflicht und Teilnahme<br />
an eventuellen SPE-weiten<br />
Abstimmungen regelt, um doppelte<br />
Pflichten o<strong>der</strong> Rechte zu vermeiden;<br />
4. die SPE die grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit regionaler Parteistrukturen<br />
för<strong>der</strong>t und diesen Gremien e<strong>in</strong>e<br />
angemessene Vertretung auf ihren Kongressen<br />
e<strong>in</strong>räumt;<br />
5. die <strong>in</strong>dividuellen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> SPE<br />
die Möglichkeit erhalten, entsprechend<br />
ihrem zahlenmäûigen Anteil Delegierte<br />
zu den Kongressen <strong>der</strong> SPE zu entsenden;<br />
6. die Delegierten <strong>der</strong> nationalen Mitgliedsparteien<br />
zu den Kongressen <strong>der</strong><br />
SPE von <strong>der</strong> Basis gewählt und nicht<br />
lediglich von den Parteileitungen<br />
bestimmt werden;<br />
7. die Fraktion <strong>der</strong> SPE im Europäischen<br />
Parlament <strong>in</strong> allen Organen <strong>der</strong> SPE<br />
gleichgewichtig vertreten ist;<br />
8. die SPE e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Wahlkampfplattform<br />
verabschiedet, ausführliche<br />
Stellungnahmen zu europäischen Politikfel<strong>der</strong>n<br />
erarbeitet und e<strong>in</strong> künftiges<br />
europäisches Parteiprogramm entwikkelt;<br />
9. die SPE über die notwendigen F<strong>in</strong>anzmittel<br />
verfügen sollte, um im S<strong>in</strong>ne von<br />
Art. 138 a EG-V auf europäischer Ebene<br />
Informations- und Wahlkampagnen<br />
durchzuführen;<br />
10. die SPE die Mitgliedsparteien dazu<br />
anhält, zu den Europa- und Kommunalwahlen<br />
e<strong>in</strong>e angemessene Zahl von<br />
Kandidat<strong>in</strong>nen aus an<strong>der</strong>en Mitgliedstaaten<br />
aufzustellen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 299<br />
Landesverband Saar<br />
Europa <strong>der</strong> BürgerInnen<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t den <strong>SPD</strong>-Parteivorstand<br />
und den Vorstand <strong>der</strong> SPE auf,<br />
für die Durchführung <strong>der</strong> nachstehenden<br />
Vorschläge Sorge zu tragen und die jeweils<br />
erfor<strong>der</strong>lichen satzungsgemäûen Beschlüsse<br />
zu fassen.<br />
1. Parteimitglie<strong>der</strong>, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en<br />
Mitgliedstaat wohnen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialdemokratischen<br />
Partei dieses Mitgliedstaates<br />
als gleichberechtigte Mitglie<strong>der</strong> aufgenommen<br />
werden können;<br />
2. die SPE den Status dieser Mitglie<strong>der</strong><br />
h<strong>in</strong>sichtlich Beitragspflicht und Teilnahme<br />
an eventuellen SPE-weiten<br />
Abstimmungen regelt, um doppelte<br />
Pflichten o<strong>der</strong> Rechte zu vermeiden;<br />
3. die SPE die grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit regionaler Parteistrukturen<br />
för<strong>der</strong>t.<br />
4. die Delegierten <strong>der</strong> nationalen Mitgliedsparteien<br />
zu den Kongressen <strong>der</strong><br />
SPE von <strong>der</strong> Basis gewählt und nicht<br />
lediglich von den Parteileitungen<br />
bestimmt werden;<br />
5. die Fraktion <strong>der</strong> SPE im Europäischen<br />
Parlament <strong>in</strong> allen Organen <strong>der</strong> SPE<br />
angemessen vertreten ist;<br />
6. die SPE e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Wahlkampfplattform<br />
verabschiedet, ausführliche<br />
Stellungnahmen zu europäischen Politikfel<strong>der</strong>n<br />
erarbeitet und e<strong>in</strong> künftiges<br />
europäisches Parteiprogramm entwikkelt;<br />
7. die SPE über die notwendigen F<strong>in</strong>anzmittel<br />
verfügen sollte, um im S<strong>in</strong>ne von<br />
Art. 138 a EG-V auf europäischer Ebene<br />
Informations- und Wahlkampagnen<br />
durchzuführen;<br />
8. die SPE die Mitgliedsparteien dazu<br />
anhält, zu den Europa- und Kommunalwahlen<br />
e<strong>in</strong>e angemessene Zahl von KandidatInnen<br />
aus an<strong>der</strong>en Mitgliedstaaten<br />
aufzustellen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
379
Antrag O 300<br />
Parteivorstand<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 10<br />
§ 10 des Organisationsstatuts <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Deutschlands wird um<br />
folgenden Absatz 2 ergänzt:<br />
¹Im Rahmen e<strong>in</strong>es Modellprojektes können<br />
bis zum 31. 12. 2000 für die Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen und<br />
Jungsozialisten folgende Regelungen<br />
erprobt werden:<br />
Unterschreitet bei Wahlen für den Bundesvorstand<br />
o<strong>der</strong> für Delegationen zum Bundeskongreû<br />
die Zahl <strong>der</strong> gewählten Kandidat<strong>in</strong>nen<br />
e<strong>in</strong>en Anteil von 40 %, so<br />
verr<strong>in</strong>gert sich die Gröûe des Bundesvorstandes<br />
bzw. <strong>der</strong> Delegation so weit, daû<br />
die Zahl <strong>der</strong> weiblichen Mitglie<strong>der</strong> des<br />
Bundesvorstandes bzw. <strong>der</strong> Delegation<br />
e<strong>in</strong>en Anteil von m<strong>in</strong>destens 40 % erreicht.<br />
Der Mann bzw. die Männer mit <strong>der</strong> niedrigsten<br />
Stimmenzahl gehört bzw. gehören<br />
<strong>in</strong> diesem Fall dem Bundesvorstand bzw.<br />
<strong>der</strong> Delegation nicht an; bei Stimmengleichheit<br />
entscheidet das Los. Für Delegationen<br />
zum Bundeskongreû kann vorgesehen<br />
werden, daû verh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Mitglie<strong>der</strong><br />
nur von Ersatzdelegierten des gleichen<br />
Geschlechts vertreten werden können.ª<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 301<br />
Unterbezirk Unna<br />
(Bezirk Westliches Westfalen)<br />
(vom <strong>Parteitag</strong> Köln 1996 überwiesen)<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 2<br />
Die untere Altersgrenze für den E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong><br />
die <strong>SPD</strong> wird von 16 auf 14 Jahre gesenkt.<br />
§ 2 des Organisationsstatus, <strong>der</strong> Sozialdemokratischen<br />
Partei Deutschlands ist wie<br />
folgt neu zu fassen: ¹Zur Sozialdemokrati-<br />
380<br />
schen Partei Deutschlands gehört jede Person,<br />
die sich zu den Grundsätzen <strong>der</strong> Partei<br />
bekennt und die Mitgliedschaft<br />
erworben hat. Die untere Grenze für den<br />
E<strong>in</strong>tritt ist das vollendete 14. Lebensjahr.ª<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 302<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten (vom <strong>Parteitag</strong> Köln<br />
1996 überwiesen)<br />
Wahlrecht 16<br />
Die <strong>SPD</strong>-Bundestagsfraktion sowie die<br />
<strong>SPD</strong>-Fraktionen <strong>der</strong> Landtage werden aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
soweit noch nicht geschehen,<br />
parlamentarische Aktivitäten zur E<strong>in</strong>führung<br />
des aktiven Wahlrechts ab 16 Jahre zu<br />
ergreifen und somit den entsprechenden<br />
Wiesbadener <strong>Parteitag</strong>sbeschluû umzusetzen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 303<br />
Parteivorstand<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialisten LV Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 10<br />
Der zum 31. 12. 1998 befristete Modellversuch<br />
zur ¹Öffnung für Nichtmitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Jungsozialist<strong>in</strong>nen<br />
und Jungsozialistenª wird auf<br />
unbefristete Zeit verlängert.<br />
(Angenommen)
Antrag O 304<br />
Parteivorstand<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 23<br />
§ 23 Absatz 7 wird wie folgt verän<strong>der</strong>t:<br />
Der amtierende Vorstand unterbreitet zwei<br />
Wochen vor dem <strong>Parteitag</strong> den Delegierten<br />
e<strong>in</strong>en Vorschlag zur Wahl des Vorstandes.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 305<br />
Bezirk Weser-Ems<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wahlordnung<br />
§ 3<br />
Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t, die<br />
Wahlordnung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> zu überarbeiten mit<br />
dem Ziel, das auûerordentlich zeitraubende<br />
Wahlverfahren zu vere<strong>in</strong>fachen respektive<br />
zu verkürzen. Damit soll dem Problem<br />
Rechnung getragen werden, daû <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
jüngere Mitglie<strong>der</strong> wegen <strong>der</strong> aufwendigen<br />
Wahlregulierung immer häufiger<br />
unseren Versammlungen fernbleiben.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 313<br />
Parteivorstand<br />
E<strong>in</strong>setzung e<strong>in</strong>er Beitragskommission<br />
Der Parteivorstand wird beauftragt, e<strong>in</strong>e<br />
Beitragskommission e<strong>in</strong>zusetzen, die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
folgende Aufgaben hat:<br />
± Überprüfung <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er<br />
Abflachung <strong>der</strong> Beitragstabelle bei<br />
Erhaltung <strong>der</strong> bisherigen E<strong>in</strong>nahmen<br />
± Prüfung <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>es Familienbeitrages.<br />
± Vorschläge zur Dynamisierung <strong>der</strong> Beitragse<strong>in</strong>nahmen.<br />
Der Kommission gehören neben den vom<br />
Parteivorstand benannten Mitglie<strong>der</strong>n<br />
jeweils e<strong>in</strong>/e Vertreter/<strong>in</strong> aus den Bezirken<br />
an, die für den Bundesparteitag <strong>in</strong> <strong>Hannover</strong><br />
Anträge zur ¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mitgliedsbeiträge<br />
gestellt haben. Die Kommission<br />
legt dem nächsten ordentlichen <strong>Parteitag</strong><br />
e<strong>in</strong>en abstimmungsreifen Neuentwurf für<br />
e<strong>in</strong>e gerechtere Beitragstabelle vor.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 314<br />
Bezirk Weser-Ems<br />
Mehr Beitragsehrlichkeit durch<br />
wirklichkeitsnahe Beiträge und<br />
Familienbeiträge<br />
Die aktuelle Beitragstabelle <strong>der</strong> Bundes-<br />
<strong>SPD</strong> ist mit dem Ziel zu überarbeiten,<br />
wirklichkeitsnahe Beiträge zu nennen, die<br />
auch als akzeptabler Anhalt für Beitragsgespräche<br />
mit Alt- und Neumitglie<strong>der</strong>n<br />
benutzt werden können.<br />
Ebenfalls ist die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Familienmitgliedschaft<br />
anzustreben.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 315<br />
Kreisverband V ± Ha<strong>der</strong>n, ± Laim, ± Neuhausen-Nymphenburg<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Neue Beitragstabelle erstellen<br />
Der Parteivorstand wird beauftragt, e<strong>in</strong>e<br />
neue Beitragstabelle zu erstellen, die sich<br />
an <strong>der</strong> Realität orientiert und s<strong>in</strong>kende<br />
Nettolöhne und hohe Arbeitslosenzahlen<br />
berücksichtigt.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
381
Antrag O 316<br />
Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong><br />
Beitragstabelle<br />
Die Bundes-<strong>SPD</strong> wird aufgefor<strong>der</strong>t, die<br />
aktuelle Beitragstabelle zu überarbeiten mit<br />
dem Ziel, wirklichkeitsnahe (niedrigere)<br />
Beiträge zu nennen, die auch als akzeptabler<br />
Anhalt für Beitragsgespräche mit Altund<br />
Neumitglie<strong>der</strong>n benutzt werden können.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 317<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Tangstedt<br />
(Landesverband Schleswig-Holste<strong>in</strong>)<br />
Beitragstabelle<br />
¹Die aktuelle Beitragstabelle wird überarbeitet,<br />
mit dem Ziel wirklichkeitsnahe<br />
(niedrigere) Beiträge zu nennen, die auch<br />
als akzeptabler Anhalt für Beitragsgespräche<br />
mit Alt- und Neumitglie<strong>der</strong>n benutzt<br />
werden können.<br />
Es wird e<strong>in</strong>e Kommission gebildet, die<br />
anschlieûend zum folgenden Bundesparteitag<br />
Vorschläge über e<strong>in</strong> verän<strong>der</strong>tes Beitragssystem,<br />
wie z. B. feste Monatsbeträge<br />
mit Härte-/Sozialklausel vorlegt.ª<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 318<br />
Ortsvere<strong>in</strong> L<strong>in</strong>dau<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
Die bisherige Staffelung <strong>der</strong> Mitgliedsbeiträge<br />
wird neu überarbeitet und auf e<strong>in</strong><br />
überschaubares ¹Dreistufensystemª zusammengefaût.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
382<br />
Dabei soll auf die bisher unrealistisch<br />
hohen Beitragssätze mit Koppelung an das<br />
Nettoe<strong>in</strong>kommen verzichtet werden, so<br />
daû jedem Mitglied e<strong>in</strong>e korrekte und<br />
transparente E<strong>in</strong>stufung ermöglicht wird.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 319<br />
Unterbezirk Kreis Wesel<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Neugestaltung <strong>der</strong> Beitragstabelle<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
Der Parteivorstand wird beauftragt, die<br />
Beitragstabelle grundlegend neu zu gestalten.<br />
Ziel dieser Neugestaltung muû es se<strong>in</strong>,<br />
Beiträge zu erheben, die e<strong>in</strong>e breite Akzeptanz<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung f<strong>in</strong>den.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 320<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Kirchheim<br />
(Landesverband Bayern)<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Der Bundesparteitag möge die <strong>in</strong> § 1<br />
F<strong>in</strong>anzordnung aufgeführten Mitgliedsbeiträge<br />
auf e<strong>in</strong> realistisches Niveau zurückführen.<br />
Die geltenden Mitgliedsbeiträge s<strong>in</strong>d zu<br />
hoch. In <strong>der</strong> Praxis werden sie deshalb so<br />
auch nicht entrichtet. In <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen<br />
Höhe s<strong>in</strong>d sie auch nicht geeignet, <strong>der</strong> Partei<br />
neue Mitglie<strong>der</strong> zuzuführen, sie schrekken<br />
vielmehr von e<strong>in</strong>em Beitritt ab.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)
Antrag O 321<br />
Unterbezirk Köln (Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Die F<strong>in</strong>anzordnung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> soll wie folgt<br />
geän<strong>der</strong>t werden:<br />
Die bisherige Fassung von § 1 Absatz 2a<br />
(mit <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er Regelanpassung<br />
<strong>der</strong> Beiträge durch e<strong>in</strong>fache Mehrheit e<strong>in</strong>es<br />
<strong>Parteitag</strong>es) entfällt.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 322<br />
Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong><br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Die F<strong>in</strong>anzordnung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> soll wie folgt<br />
geän<strong>der</strong>t werden:<br />
Die bisherige Fassung von § 1 Absatz 2a<br />
(mit <strong>der</strong> Möglichkeit e<strong>in</strong>er Regelanpassung<br />
<strong>der</strong> Beiträge durch e<strong>in</strong>fache Mehrheit e<strong>in</strong>es<br />
<strong>Parteitag</strong>es) entfällt.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 323<br />
Kreisverband 2 München<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Beitragstabelle<br />
Der <strong>Parteitag</strong> möge folgende Beitragstabelle<br />
beschlieûen:<br />
Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen<br />
erwarteter<br />
Betrag<br />
bis<br />
2 500<br />
7,00-<br />
15,00<br />
25 00-<br />
5 000<br />
15,00-<br />
50,00<br />
5 000-<br />
7 500<br />
50,00-<br />
200,00<br />
über<br />
7 500<br />
200,00<br />
und<br />
mehr<br />
M<strong>in</strong>destbeitrag bleibt bei DM 4 monatlich.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 324<br />
Bezirksverband Oberbayern<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Neue Beitragstabelle<br />
Die <strong>der</strong>zeit gültige Beitragstabelle wird<br />
durch die folgende ersetzt:<br />
Monatliches<br />
Haushalts-<br />
Netto-<br />
E<strong>in</strong>kommen<br />
1 000 bis<br />
1 499<br />
1 500 bis<br />
1 999<br />
2 000 bis<br />
2 499<br />
2 500 bis<br />
2 999<br />
3 000 bis<br />
3 999<br />
4 000 bis<br />
4 999<br />
5 000 und<br />
mehr<br />
Erwarteter monatlicher M<strong>in</strong>destbeitrag<br />
Alle<strong>in</strong>stehend<br />
Faktor:<br />
1<br />
4 4<br />
5 bis<br />
8<br />
8 bis<br />
12<br />
13 bis<br />
18<br />
18 bis<br />
32<br />
32 bis<br />
50<br />
Verheiratet<br />
Faktor:<br />
0,6<br />
4 bis<br />
5<br />
5 bis<br />
7<br />
8 bis<br />
11<br />
11 bis<br />
19<br />
19 bis<br />
30<br />
Bis 2<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
Faktor:<br />
0,4<br />
4<br />
4 bis<br />
5<br />
5 bis<br />
7<br />
7 bis<br />
13<br />
13 bis<br />
20<br />
Ab 3<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
4<br />
Faktor:<br />
0,3<br />
4 bis<br />
5<br />
5 bis<br />
10<br />
10 bis<br />
15<br />
1 % 0,6 % 0,4 % 0,3 %<br />
vom monatlichen Haushalts-<br />
Netto-E<strong>in</strong>kommen<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
383
Antrag O 325<br />
Unterbezirk Wuppertal<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
1. Die Korrektur <strong>der</strong> Mitgliedsbeiträge <strong>in</strong><br />
Form e<strong>in</strong>er Regelanpassung alle zwei<br />
Jahre wird abgeschafft (Streichung des<br />
§ 1 Absatz 2a <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung).<br />
2. Der monatliche Höchstbeitrag wird <strong>in</strong><br />
<strong>der</strong> Gruppe des Monatsnettoe<strong>in</strong>kommens<br />
von 2000 DM bis 3000 DM um<br />
50 Prozent gekürzt. Die monatlichen<br />
M<strong>in</strong>dest- und Höchstbeiträge <strong>in</strong> den<br />
Gruppen <strong>der</strong> Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong><br />
Höhe von 3000 DM bis 4000 DM und<br />
4000 DM bis 6 000 DM werden um<br />
50 Prozent gekürzt. Ab <strong>der</strong> Gruppe des<br />
Monatsnettoe<strong>in</strong>kommens von 6 000 bis<br />
8000 DM wird <strong>der</strong> Beitrag um 25 Prozent<br />
gekürzt.<br />
384<br />
So ist es jetzt!<br />
Beitragstabelle ab dem 1. 1. 1997 (gemäû<br />
F<strong>in</strong>anzordnung)<br />
bis<br />
1 500<br />
8,50<br />
bis<br />
9,60<br />
Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong> DM<br />
1 500<br />
bis<br />
2 000<br />
10,70<br />
bis<br />
14,±<br />
2 000<br />
bis<br />
3 000<br />
15,±<br />
bis<br />
54,±<br />
3 000<br />
bis<br />
4 000<br />
59,±<br />
bis<br />
118,±<br />
4 000<br />
bis<br />
6 000<br />
141,±<br />
bis<br />
295,±<br />
So soll es künftig se<strong>in</strong>!<br />
6 000<br />
bis<br />
8 000<br />
321,±<br />
bis<br />
428,±<br />
über<br />
8 000<br />
471,±<br />
und<br />
mehr<br />
Beitragstabelle nach Ziffer 2 des Beschluûvorschlages<br />
bis<br />
1 500<br />
8,50<br />
bis<br />
9,60<br />
Monatsnettoe<strong>in</strong>kommen <strong>in</strong> DM<br />
1 500<br />
bis<br />
2 000<br />
10,70<br />
bis<br />
14,±<br />
2 000<br />
bis<br />
3 000<br />
15,±<br />
bis<br />
27,±<br />
3 000<br />
bis<br />
4 000<br />
29,50<br />
bis<br />
59,±<br />
4 000<br />
bis<br />
6 000<br />
70,50<br />
bis<br />
147,50<br />
6 000<br />
bis<br />
8 000<br />
240,75<br />
bis<br />
321,±<br />
über<br />
8 000<br />
353,25<br />
und<br />
mehr<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 326<br />
Unterbezirk Eichstätt<br />
(Landesverband Bayern)<br />
¾n<strong>der</strong>ung des Organisationsstatuts<br />
§ 13 und <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
§ 13 Organisationsstatut wird wie folgt geän<strong>der</strong>t:<br />
Jedes Mitglied hat Beiträge zu zahlen. Ausnahmen<br />
regelt die F<strong>in</strong>anzordnung, die<br />
Bestandteil des Organisationsstatuts ist.<br />
§ 1 F<strong>in</strong>anzordnung wird wie folgt geän<strong>der</strong>t:<br />
Neu:<br />
§ 1 (2b)<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, die Sozialhilfe o<strong>der</strong><br />
Arbeitslosenhilfe beziehen o<strong>der</strong> sich wegen<br />
Pflegebedürftigkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Pflegeheim<br />
bef<strong>in</strong>den, können auf Antrag von <strong>der</strong> Beitragspflicht<br />
befreit werden.<br />
Der Antrag auf Befreiung von <strong>der</strong> Beitragspflicht<br />
ist beim Vorstand des Ortsvere<strong>in</strong>s<br />
zu stellen. Dieser entscheidet <strong>in</strong>nerhalb<br />
von zwei Monaten über den Antrag.<br />
Die Befreiung gilt für e<strong>in</strong> Jahr und wird<br />
nur auf Antrag verlängert. Mehrmalige<br />
Verlängerung ist möglich.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 327<br />
Bezirksverband Oberbayern<br />
(Landesverband Bayern)<br />
Beitragsfreie Mitgliedschaft<br />
Nach strenger Prüfung des E<strong>in</strong>zelfalles<br />
durch den jeweiligen UB/KV besteht für<br />
Mitglie<strong>der</strong>, die aufgrund persönlicher<br />
Umstände den M<strong>in</strong>destbeitrag nicht mehr<br />
aufbr<strong>in</strong>gen können die Möglichkeit <strong>der</strong><br />
beitragsfreien Mitgliedschaft.
Dazu zählen:<br />
1. Arbeitslose<br />
2. Sozialhilfeempfänger<strong>in</strong>nen<br />
3. Senior<strong>in</strong>nen (z.B. bei Pflegebedürftigkeit<br />
o<strong>der</strong> bei Betreuung)<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 328<br />
Kreisverband Neuburg-Schrobenhausen<br />
(Landesverband Bayern)<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong>, die Sozialhilfe o<strong>der</strong><br />
Arbeitslosenhilfe beziehen, werden für die<br />
Dauer dieses Bezugs von <strong>der</strong> Beitragspflicht<br />
befreit.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 329<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Goldlauter-Hei<strong>der</strong>sbach<br />
(Landesverband Thür<strong>in</strong>gen)<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Die <strong>SPD</strong>-Mitglie<strong>der</strong>beiträge für Personen<br />
ohne E<strong>in</strong>kommen und für Ger<strong>in</strong>gverdienende<br />
werden wie folgt gesenkt:<br />
± E<strong>in</strong>stiegsbeitrag ohne E<strong>in</strong>kommen<br />
1,± DM<br />
± Staffelung für Ger<strong>in</strong>gverdienende<br />
2,± DM bis 4,± DM<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 330<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Herxheim<br />
(Bezirk Pfalz)<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Die Beitragssatzung sollte dah<strong>in</strong>gehend<br />
geän<strong>der</strong>t werden, daû arbeitslose Mitglie<strong>der</strong><br />
von <strong>der</strong> Beitragszahlung für die Zeit<br />
ihrer Arbeitslosigkeit gänzlich befreit werden.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 331<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Freigericht<br />
(Bezirk Hessen-Süd)<br />
¾n<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzordnung<br />
§ 1<br />
Der Mitgliedsbeitrag für Mitglie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />
beson<strong>der</strong>en Lebenslagen (Sozialhilfeempfänger,<br />
Arbeitslose, Mitglie<strong>der</strong> ohne E<strong>in</strong>kommen,<br />
BAföG-Empfänger u.ä.) ist zu<br />
streichen.<br />
(Überwiesen als Material an Parteivorstand<br />
zu Antrag O 313)<br />
Antrag O 334<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Köln-Buchheim<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
Die F<strong>in</strong>anzkraft <strong>der</strong> Ortsvere<strong>in</strong>e<br />
stärken<br />
Die Zukunft des Ehrenamtes <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
sichern<br />
Der Bundesparteitag beschlieût, daû <strong>der</strong><br />
neue Vorstand <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Jahres verbesserte<br />
Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Ortsvere<strong>in</strong>e<br />
zu schaffen hat.<br />
1. Die Ehrenamtlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> muû<br />
für die Zukunft e<strong>in</strong>e bessere Achtung<br />
385
und Anerkennung erhalten, beson<strong>der</strong>s<br />
von den hauptamtlichen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<br />
und Mitarbeitern.<br />
2. Ebenso ist <strong>der</strong> Entwicklung von <strong>der</strong><br />
Mitglie<strong>der</strong>- zur Medienpartei entgegenzuwirken.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 345<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Boldecker Land<br />
(Bezirk Braunschweig)<br />
(vom <strong>Parteitag</strong> Mannheim 1995<br />
überwiesen)<br />
Urwahl des/<strong>der</strong> Kanzlerkandidaten/<strong>in</strong><br />
In Ergänzung des § 39 b: ¹Urwahl des/<strong>der</strong><br />
Kanzlerkandidaten/<strong>in</strong>ª soll e<strong>in</strong>e Bestimmung<br />
des/<strong>der</strong> Kandidaten/<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zeitlichen<br />
Zusammenhang mit <strong>der</strong> anstehenden<br />
Wahl erfolgen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 364<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong><br />
Namensgebung <strong>der</strong> Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Der Bundesparteitag wird gebeten, e<strong>in</strong>er<br />
Namenserweiterung <strong>der</strong> AGS zuzustimmen.<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Selbständige <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>SPD</strong> (AGS) ± Sozialdemokratische Unternehmer<strong>in</strong>nen.<br />
Der positiv besetzte Begriff ¹Unternehmerª<br />
soll damit für die Partei nutzbar gemacht<br />
werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
386<br />
Antrag O 366<br />
Unterbezirk Coesfeld<br />
(Bezirk Westliches Westfalen)<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Asel<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Diekholzen<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Harsum<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Ra<strong>in</strong><br />
Ortsvere<strong>in</strong> Rautenberg<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Sorsum<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Syke<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Twistr<strong>in</strong>gen<br />
(Bezirk <strong>Hannover</strong>)<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Weisma<strong>in</strong><br />
(Landesverband Bayern)<br />
Netzwerk Tierschutz<br />
Beim Parteivorstand wird e<strong>in</strong> ¹<strong>SPD</strong> Netzwerk<br />
Tierschutzª e<strong>in</strong>gerichtet, <strong>in</strong> das alle<br />
an Tierschutzfragen <strong>in</strong>teressierten Parteimitglie<strong>der</strong><br />
aufgenommen werden, die sich<br />
auf e<strong>in</strong>en entsprechenden H<strong>in</strong>weis im<br />
¹Vorwärtsª beim EOH gemeldet haben.<br />
Aufgabe des Netzwerkes ist es <strong>in</strong> erster<br />
L<strong>in</strong>ie, Hilfestellung bei <strong>der</strong> Gründung<br />
lokaler und regionaler Tierschutzarbeitskreise<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong> zu leisten und e<strong>in</strong>en Informationsaustausch<br />
zwischen diesen Arbeitskreisen<br />
und se<strong>in</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n zu<br />
organisieren.<br />
Das Netzwerk veranstaltet im Jahre 1998<br />
noch vor <strong>der</strong> Bundestagswahl e<strong>in</strong>e Konferenz<br />
¹Tierschutz und Ökologieª.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 367<br />
Unterbezirk Düsseldorf<br />
(Bezirk Nie<strong>der</strong>rhe<strong>in</strong>)<br />
Arbeitskreis ¹Zukunft <strong>der</strong><br />
groûen Städteª<br />
Der Parteivorstand <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> setzt e<strong>in</strong>en<br />
Arbeitskreis<br />
¹Zukunft <strong>der</strong> groûen Städteª<br />
e<strong>in</strong>.
In ihm sollen Mandatsträger von Bund,<br />
Län<strong>der</strong>n und Geme<strong>in</strong>den, die SGK, Wissenschaftler<br />
und Vertreter gesellschaftlicher<br />
Organisationen e<strong>in</strong> Leitbild für die<br />
Zukunft unserer Städte entwickeln. In den<br />
Städten spiegeln sich die Chancen und<br />
Gefahren <strong>der</strong> Globalisierung <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er<br />
Weise wie<strong>der</strong>. Der Bedeutungsverlust des<br />
Nationalstaates muû sowohl durch mehr<br />
<strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit als auch<br />
durch e<strong>in</strong>e Stärkung <strong>der</strong> Regionen aufgefangen<br />
werden. E<strong>in</strong> wichtiger Ansatzpunkt<br />
ist die Umsetzung <strong>der</strong> Lokalen Agenda 21.<br />
(Angenommen und überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 368<br />
Unterbezirk Rhe<strong>in</strong>-Sieg-Kreis<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er auûen-,<br />
europa- und sicherheitspolitischen<br />
Kommission<br />
Der <strong>SPD</strong>-Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
erneut e<strong>in</strong>e auûen-, europa- und sicherheitspolitische<br />
Kommission e<strong>in</strong>zurichten.<br />
Insbeson<strong>der</strong>e sollen dort folgende Aspekte<br />
diskutiert werden:<br />
± Kann unter den neuen politischen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
<strong>in</strong> Europa noch an <strong>der</strong> Vision<br />
e<strong>in</strong>es europäischen Bundesstaates festgehalten<br />
werden und wenn ja, welche <strong>in</strong>stitutionelle<br />
Gestalt e<strong>in</strong>es mo<strong>der</strong>nen europäischen<br />
Bundesstaates streben wir an?<br />
± Welcher gesellschaftlichen Voraussetzungen<br />
bedarf die Vision e<strong>in</strong>es europäischen<br />
Bundesstaates (Parteien, Medien, Verfassung,<br />
Kultur, Sprachen etc.)?<br />
± Wo liegen die <strong>in</strong>stitutionellen und geographischen<br />
Grenzen <strong>der</strong> europäischen<br />
Integration?<br />
± Wenn die EU kle<strong>in</strong>er bleibt als Gesamteuropa:<br />
Wie kann das Verhältnis zu den<br />
europäischen Nicht-Mitglie<strong>der</strong>n, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />
Ruûland gestaltet werden?<br />
± Gibt es nach dem Ende <strong>der</strong> Systemkonkurrenz<br />
noch ausreichende Triebkräfte<br />
für die europäische Integration?<br />
± Wie kann trotz ¹Europäisierungª das<br />
transatlantische Verhältnis gestärkt werden?<br />
± Wie lassen sich die Osterweiterungsprozesse<br />
von NATO und EU aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />
abstimmen?<br />
Die Kommission solle sich zusammensetzen<br />
aus Mitglie<strong>der</strong>n von PV und Bundestagsfraktion,<br />
den Bezirken und Wissenschaftlern<br />
aus den Bereichen Internationale<br />
Politik, Europaforschung. Ziel ist die Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> europapolitischen Programmatik<br />
<strong>der</strong> <strong>SPD</strong>.<br />
(Angenommen und überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 372<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Leiferde<br />
(Bezirk Braunschweig)<br />
Zugang zum Plenum<br />
Für alle Teilnehmer/<strong>in</strong>nen am Wettbewerb<br />
¹Lebendiger Ortsvere<strong>in</strong>ª und ¹Wilhelm-<br />
Dröscher-Preisª ist zu gewährleisten, daû<br />
sie den Beratungen des <strong>Parteitag</strong>es folgen<br />
können.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 374<br />
Unterbezirk Osterode<br />
(Bezirk Braunschweig)<br />
Frauenseite im ¹Vorwärtsª<br />
Der Parteivorstand wird aufgefor<strong>der</strong>t, dafür<br />
Sorge zu tragen, daû e<strong>in</strong>e ständige redaktionelle<br />
¹Frauenseiteª im ¹Vorwärtsª e<strong>in</strong>gerichtet<br />
wird.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
387
Antrag O 375<br />
Landesverband Saar<br />
E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-Card<br />
auf Bundesebene<br />
Der Parteivorstand wird gebeten, erneut<br />
die Kommission Organisationspolitik und<br />
politische Bildung zu beauftragen, e<strong>in</strong><br />
Konzept für die bundesweite E<strong>in</strong>führung<br />
e<strong>in</strong>er <strong>SPD</strong>-Card zu entwickeln.<br />
Die <strong>SPD</strong>-Card soll das Mitgliedsbuch<br />
nicht ersetzen, son<strong>der</strong>n den Mitglie<strong>der</strong>n<br />
<strong>der</strong> Partei e<strong>in</strong> zusätzliches attraktives Leistungsangebot<br />
zur Verfügung stellen.<br />
(Angenommen)<br />
Antrag O 376<br />
Kreisverband Böbl<strong>in</strong>gen<br />
(Landesverband Baden-Württemberg)<br />
<strong>SPD</strong> muû Programmpartei<br />
bleiben<br />
Soziale und ökologische Erneuerung als<br />
Leitl<strong>in</strong>ie<br />
1. Das Ziel<br />
Die Herstellung und Bewahrung von Frieden,<br />
Gerechtigkeit und des Ökosystems<br />
s<strong>in</strong>d, weit über die <strong>SPD</strong> h<strong>in</strong>aus, als notwendige<br />
Bed<strong>in</strong>gungen für das Überleben<br />
unserer Zivilisation erkannt.<br />
Der Verbund dieser Ziele ist deshalb die<br />
Leitl<strong>in</strong>ie unseres Grundsatzprogramms<br />
(Berl<strong>in</strong> 20. 12. 1989).<br />
Schon damals war klar, daû höchste Eile<br />
geboten ist, um die sich abzeichnenden<br />
globalen Katastrophen abzuwenden. Die<br />
<strong>in</strong>zwischen ohne entscheidende Fortschritte<br />
verstrichene Zeit macht e<strong>in</strong> Handeln um so<br />
dr<strong>in</strong>glicher.<br />
2. Der Weg<br />
Auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Arbeitswelt ordnet sich<br />
<strong>der</strong> soziale und ökologische Umbau <strong>der</strong><br />
388<br />
Industriegesellschaft als e<strong>in</strong> sowohl unausweichlicher<br />
wie auch gangbarer Weg <strong>in</strong><br />
dieses Programm e<strong>in</strong>.<br />
Zahlreiche Politiker unserer Partei haben,<br />
zusammen mit weltweit renommierten<br />
Wissenschaftlern, aufgezeigt, wie dieser<br />
Wandel e<strong>in</strong>geleitet und durchgeführt werden<br />
kann. Modellrechnungen, gestützt<br />
durch e<strong>in</strong>zelne erfolgreich erprobte Maûnahmen,<br />
zeigen, daû er volkswirtschaftlich<br />
rentabel wäre und sogar e<strong>in</strong>en Gew<strong>in</strong>n an<br />
Lebensqualität zur Folge hätte. Der politische<br />
Ansatzpunkt ist dabei die Energiepolitik.<br />
Erste Schritte s<strong>in</strong>d erwiesenermaûen auch<br />
im nationalen Alle<strong>in</strong>gang möglich. Sie s<strong>in</strong>d<br />
notwendig, um durch positive Erfahrungen<br />
die <strong>in</strong>ternationale Zusammenarbeit voranzutreiben,<br />
damit die soziale und ökologische<br />
Wende auch global mehrheitsfähig<br />
wird.<br />
3. Glaubwürdigkeit<br />
Alle unsere SpitzenpolitikerInnen haben<br />
dem Grundsatzprogramm zugestimmt.<br />
Manche nehmen es aber entwe<strong>der</strong> nicht<br />
ernst o<strong>der</strong> sie leisten sich aus Angst um<br />
Wählerstimmen <strong>in</strong> Wahlprogrammen und<br />
-Reden verme<strong>in</strong>tlich ¹realpolitischeª<br />
Alle<strong>in</strong>gänge.<br />
Das hat verheerende Folgen:<br />
Bei skeptischen WählerInnen werden damit<br />
unser Programm und se<strong>in</strong>e Vertreter als<br />
wirklichkeitsfremd diffamiert. Freunde<br />
unserer Ziele zweifeln am Ernst <strong>der</strong> Partei,<br />
diese zu verfolgen.<br />
Die notwendige langfristige Me<strong>in</strong>ungsbildung,<br />
die Voraussetzung um Mehrheiten<br />
zu gew<strong>in</strong>nen, wird so, zusammen mit unserer<br />
Glaubwürdigkeit, zweifelhafter Wahltaktik<br />
geopfert.<br />
4. Vertrauensarbeit<br />
Wer die Gesellschaft verän<strong>der</strong>n will, mutet<br />
ihr Risiken zu und begegnet daher berechtigter<br />
Skepsis. Diese ist nur zu überw<strong>in</strong>den,<br />
wenn e<strong>in</strong> langfristig angelegtes, schlüsselfertiges<br />
Programm von den Leitfiguren <strong>der</strong><br />
Partei bis zu den e<strong>in</strong>zelnen Mitglie<strong>der</strong>n vor
Ort verstanden, vertreten und vorgelebt<br />
wird. Das kostet Mühe, weil wir vor sehr<br />
schwierigen Aufgaben stehen. Der dr<strong>in</strong>gend<br />
notwendige Bewuûtse<strong>in</strong>swandel wird<br />
nur durch geduldige Vertrauensarbeit und<br />
persönliche Glaubwürdigkeit möglich.<br />
Es geht nicht bequemer: Die <strong>SPD</strong> muû ihr<br />
Programm ernstnehmen und mit Entschiedenheit<br />
vertreten. Sie muû Programmpartei<br />
bleiben.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand zur Erarbeitung<br />
e<strong>in</strong>es Wahlprogramms)<br />
Antrag O 379<br />
Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Sozialdemokratischer<br />
Frauen<br />
Innerparteiliche Gleichstellung<br />
verwirklichen<br />
Die 1988 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Satzung <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> verankerte<br />
M<strong>in</strong>destabsicherung <strong>der</strong> Geschlechter<br />
ist von Männern und Frauen mit groûer<br />
Mehrheit beschlossen worden, weil es dem<br />
ernsthaften Willen <strong>der</strong> Partei entsprach,<br />
nicht zuletzt im Interesse <strong>der</strong> politischen<br />
Glaubwürdigkeit <strong>in</strong>nerparteiliche Gleichstellung<br />
zu praktizieren. Die <strong>SPD</strong> hat<br />
damit als erste Volkspartei e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche<br />
Vorgabe zur Selbstverpflichtung<br />
gemacht, die <strong>in</strong>zwischen zu e<strong>in</strong>drucksvollen<br />
Erfolgen geführt hat. Die Gleichstellungsberichte,<br />
die den <strong>Parteitag</strong>en regelmäûig<br />
pflichtgemäû vorgelegt werden, belegen<br />
dies e<strong>in</strong>drucksvoll. Auf allen Glie<strong>der</strong>ungsebenen<br />
s<strong>in</strong>d Frauen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Parteispitze vertreten,<br />
auf manchen <strong>Parteitag</strong>en erreichen<br />
sie die Hälfte <strong>der</strong> Delegierten.<br />
Dennoch ist es noch nicht gelungen,<br />
Frauen gleichermaûen <strong>in</strong> Vorsitzendenämter<br />
zu br<strong>in</strong>gen, und es gibt nach wie vor<br />
Probleme, die M<strong>in</strong>destabsicherung bei parlamentarischen<br />
Mandaten umzusetzen.<br />
Die Quotenregelung ist e<strong>in</strong>e Satzungsbestimmung<br />
wie jede an<strong>der</strong>e auch. Sie darf<br />
nicht als Bestimmung m<strong>in</strong><strong>der</strong>en Ranges<br />
angesehen werden, gegen die man(n) ungestraft<br />
verstoûen kann. Die Debatte um<br />
Sanktionen bei Nichte<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Quote<br />
ist so alt wie die Quote selbst. Die <strong>SPD</strong><br />
hat 1988 aus guten Gründen zunächst auf<br />
e<strong>in</strong>e Sanktionsregel verzichtet. Heute aber,<br />
nach fast zehn Jahren, ist es an <strong>der</strong> Zeit,<br />
Mechanismen e<strong>in</strong>zusetzen, die den Glie<strong>der</strong>ungen<br />
die Ernsthaftigkeit <strong>der</strong> Verpflichtung<br />
deutlich machen.<br />
Bezirke und Landesverbände s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
Listen für Parlamentswahlen so zu<br />
gestalten, daû die bestmögliche Absicherung<br />
von Frauen erreicht wird.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus fühlen sich sozialdemokratische<br />
Gremien, die nicht unmittelbar <strong>der</strong><br />
Satzung unterworfen s<strong>in</strong>d, mitunter nicht<br />
verpflichtet, die Grundsätze <strong>in</strong>nerparteilicher<br />
Gleichstellung ausreichend zu beachten.<br />
Sie s<strong>in</strong>d aufgefor<strong>der</strong>t, gleichfalls nach<br />
den Regelungen des Organisationsstatuts<br />
zu verfahren.<br />
Der Parteivorstand wird daher aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
e<strong>in</strong>e entsprechende Ergänzung des<br />
Statuts auf den Weg zu br<strong>in</strong>gen und im<br />
übrigen zur Umsetzung <strong>der</strong> M<strong>in</strong>destabsicherung<br />
entsprechende Anreize zu schaffen,<br />
<strong>in</strong> dem z.B. diejenigen Glie<strong>der</strong>ungen,<br />
die die Quotenregelung <strong>in</strong> vorbildlicher<br />
Art und Weise erfüllen, f<strong>in</strong>anzielle<br />
Zuschüsse für die Frauenarbeit auf <strong>der</strong><br />
jeweiligen Glie<strong>der</strong>ungsebene erhalten und<br />
mit e<strong>in</strong>em zusätzlichen Wahlkampfzuschuû<br />
ausgestattet werden.<br />
Als deutliches Signal nach <strong>in</strong>nen und auûen<br />
ist e<strong>in</strong>e paritätische Besetzung des Regierungsteams,<br />
mit dem die <strong>SPD</strong> 1998 <strong>in</strong> den<br />
Wahlkampf geht, unerläûlich.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand mit <strong>der</strong><br />
Maûgabe bis Ende 1998 e<strong>in</strong> Votum abzugeben)<br />
389
Antrag O 381<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Unkel und Bruchhausen<br />
(Bezirk Rhe<strong>in</strong>land/Hessen-Nassau)<br />
Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª<br />
Der Bundesparteitag möge beschlieûen, auf<br />
Bundesebene e<strong>in</strong>e Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª<br />
zu <strong>in</strong>itiieren.<br />
Der Wechsel <strong>der</strong> Bundesregierung ist überfällig.<br />
Diese Auffassung wird von vielen<br />
Mitbürger<strong>in</strong>nen-und Mitbürgern geteilt.<br />
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands<br />
ist für e<strong>in</strong>e Übernahme <strong>der</strong> Regierungsverantwortung<br />
vorbereitet. Sie hat<br />
seit dem Mannheimer <strong>Parteitag</strong> gezeigt,<br />
daû sie willens und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, das<br />
Schiff Bundesrepublik Deutschland wie<strong>der</strong><br />
auf e<strong>in</strong>en guten Kurs zu br<strong>in</strong>gen. Hierbei<br />
erhalten die von Lasalle im vergangenen<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t geprägten sozialdemokratischen<br />
Grundsätze ¹Freiheit, Gerechtigkeit<br />
und Solidaritätª wie<strong>der</strong> zentrale Bedeutung.<br />
Es gilt vor allem, die Ursachen und<br />
Folgen <strong>der</strong> hohen Arbeitslosigkeit wirksam<br />
zu bekämpfen. Arbeitslosigkeit führt zur<br />
E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> persönlichen Freiheit<br />
und ist ungerecht. Sie verlangt e<strong>in</strong> hohes<br />
Maû an Solidarität <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Arbeitsplatz<br />
besitzenden Bevölkerung gegenüber den<br />
arbeitslosen Mitbürger<strong>in</strong>nen und Mitbürgern.<br />
Nur durch e<strong>in</strong>e solidarische Grunde<strong>in</strong>stellung<br />
können letztlich wirksame<br />
Maûnahmen zur Bekämpfung <strong>der</strong> Arbeitslosigkeit<br />
realisiert werden.<br />
Die <strong>SPD</strong> wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regierungsverantwortung<br />
e<strong>in</strong>e gerechte und sozial ausgewogene<br />
Politik betreiben. Sie wird e<strong>in</strong>e ungerechte<br />
Lastenverteilung beenden, die dazu führt,<br />
daû Reiche immer reicher und Arme<br />
immer ärmer werden. Um den Regierungswechsel<br />
zu erreichen, ist die <strong>SPD</strong> aber auf<br />
die Unterstützung <strong>der</strong> Bevölkerung angewiesen.<br />
Sie muû e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Möglichkeit<br />
anbieten, mit <strong>der</strong> sich ihr <strong>der</strong> überwiegende<br />
Teil <strong>der</strong> Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger solidarisch<br />
anschlieûen kann. E<strong>in</strong>e solche Möglichkeit<br />
könnte <strong>der</strong> Abschluû e<strong>in</strong>es ¹Treuepaktsª<br />
mit den e<strong>in</strong>en Regierungswechsel<br />
390<br />
für notwendig erachtenden Bürger<strong>in</strong>nen<br />
und Bürgern se<strong>in</strong>.<br />
Der überwiegende Teil <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
erkennt die Notwendigkeit e<strong>in</strong>es Regierungswechsels<br />
durch Übernahme durch die<br />
<strong>SPD</strong>. Viele dieser Bürger<strong>in</strong>nen und Bürger<br />
s<strong>in</strong>d zu diesem Zweck bereit, die <strong>SPD</strong> zu<br />
unterstützen. E<strong>in</strong>em Beitritt als Parteimitglied<br />
stehen sie aber vielfach zurückhaltend<br />
gegenüber. Der <strong>SPD</strong> Ortsvere<strong>in</strong> Unkel und<br />
Bruchhausen schlägt daher vor, diesen<br />
Bürger<strong>in</strong>nen und Bürgern e<strong>in</strong>e B<strong>in</strong>dung auf<br />
Zeit anzubieten. Sie sollen sich im Wahlkampf<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Treuepakt mit <strong>der</strong> <strong>SPD</strong><br />
solidarisch zeigen und somit den Regierungswechsel<br />
aktiv unterstützen können.<br />
Insoweit entspricht <strong>der</strong> Treuepakt e<strong>in</strong>er Art<br />
För<strong>der</strong>mitgliedschaft auf Zeit. Hierzu sollte<br />
e<strong>in</strong> Button entwickelt werden, <strong>der</strong> zu<br />
e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>gen Betrag zu erwerben ist.<br />
Der diesen Button erwerbende Bürger<br />
zeigt hiermit se<strong>in</strong>e Solidarität zur <strong>SPD</strong> und<br />
se<strong>in</strong>e grundsätzliche Bereitschaft zur aktiven<br />
Unterstützung zum Regierungswechsel.<br />
Auf diese Weise könnte es zu e<strong>in</strong>er<br />
Bewegung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerung kommen,<br />
die e<strong>in</strong>en Schulterschluû erreicht, wie er<br />
etwa 1972 mit <strong>der</strong> Kampagne ¹Willy wählenª<br />
realisiert wurde. Die <strong>in</strong>haltliche Ausgestaltung<br />
<strong>der</strong> Wähler<strong>in</strong>itiative ¹Treuepaktª<br />
müûte im e<strong>in</strong>zelnen unter<br />
H<strong>in</strong>zuziehung fachlich geeigneter Berater<br />
noch vorgenommen werden.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 383<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Köln-Weidenpesch-Mauenheim-Niehl<br />
(Bezirk Mittelrhe<strong>in</strong>)<br />
Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen<br />
Der Bundesparteitag-beauftragt den Bundesparteivorstand,<br />
Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen <strong>in</strong><br />
den Bundestagswahlkampf e<strong>in</strong>zubeziehen.<br />
Hierzu gehört nicht nur e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<br />
<strong>in</strong> das Informationssystem <strong>der</strong> Wahlkampfleitung,<br />
son<strong>der</strong>n auch die Zulieferung von<br />
geeigneten Materialien für die Ortsvere<strong>in</strong>s-
edaktionen und die f<strong>in</strong>anzielle Unterstützung<br />
bei <strong>der</strong> Herstellung von Ortsvere<strong>in</strong>zeitungen<br />
im Wahljahr 1998 zur Steigerung<br />
des Ersche<strong>in</strong>ungsrhythmus und <strong>der</strong><br />
Auflage vorhandener Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen<br />
o<strong>der</strong> zur Herausgabe neuer Ortsvere<strong>in</strong>szeitungen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Antrag O 384<br />
Ortsvere<strong>in</strong> Altstadt<br />
(Landesorganisation Bremen)<br />
Wahl- und Regierungsprogramm<br />
Der Bundesparteitag begrüût mit Nachdruck<br />
das von <strong>der</strong> Grundwertekommission<br />
beim Parteivorstand <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> erarbeitete<br />
Memorandum ¹ ¸Globalisierung ± Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
und Chanceª. In ihm werden <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er überzeugenden Argumentation und ±<br />
nicht zuletzt ± <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er klaren allgeme<strong>in</strong>verständlichen<br />
Sprache zentrale E<strong>in</strong>sichten,<br />
Zielvorstellungen und Strategien sozialdemokratischer<br />
Gesellschaftspolitik dargestellt.<br />
Der Bundesparteitag for<strong>der</strong>t daher den<br />
Parteivorstand und den künftigen Bundeskanzlerkandidaten<br />
<strong>der</strong> Partei auf, dem<br />
Wahl- und Regierungsprogramm <strong>der</strong> Partei<br />
für die Bundestagswahlen 1998 die <strong>in</strong><br />
dem Memorandum entwickelten Überlegungen<br />
zugrundezulegen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
Initiativantrag 4<br />
Regierungsprogramm<br />
Der Parteivorstand legt den Entwurf e<strong>in</strong>es<br />
Regierungsprogramms so rechtzeitig vor ±<br />
spätestens zum 15. 2. 1998 ±, daû die Parteiglie<strong>der</strong>ungen<br />
die Möglichkeit haben, ihn<br />
gründlich zu diskutieren und rechtzeitig<br />
Anträge zum <strong>Parteitag</strong> <strong>in</strong> Leipzig zu stellen.<br />
(Überwiesen an Parteivorstand)<br />
391
Resolutionen<br />
Schluû mit den Billigjobs!<br />
Die auch von <strong>der</strong> <strong>SPD</strong> unterstützte öffentlichkeitswirksame<br />
Kampagne des Deutschen<br />
Gewerkschaftsbundes und vieler<br />
Unterstützergruppen aus e<strong>in</strong>em breiten<br />
gesellschaftlichen Spektrum ¹Mittendr<strong>in</strong><br />
und trotzdem drauûenª hat auf den Miûstand<br />
<strong>der</strong> sozialversicherungfreien Billigjobs<br />
aufmerksam gemacht und damit die<br />
Chancen verbessert, e<strong>in</strong>e gesetzliche Korrektur<br />
vorzunehmen. Die Leidtragenden<br />
<strong>der</strong> Beschäftigungsverhältnisse <strong>in</strong>nerhalb<br />
<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze s<strong>in</strong>d ganz überwiegend<br />
Frauen, denen Leistungsansprüche<br />
vorenthalten werden, aber auch die Sozialversicherungskassen,<br />
denen Beitragsgel<strong>der</strong><br />
entgehen, und die Arbeitgeber, die nur<br />
reguläre Arbeitsverhältnisse e<strong>in</strong>gehen und<br />
daher höhere Arbeitskosten tragen müssen.<br />
Fünf bis sechs Millionen Menschen s<strong>in</strong>d<br />
heute auf sogenannte Billigjobs angewiesen.<br />
Schlimm genug, daû immer mehr<br />
reguläre Arbeitsplätze verloren gehen. Aber<br />
zusätzlich müssen diese Menschen auch die<br />
sozialen Risiken selbst tragen.<br />
± Mit e<strong>in</strong>em Verdienst von 610 Mark<br />
maximal monatlich im Westen und nur<br />
520 Mark im Osten liegen sie unterhalb<br />
<strong>der</strong> Ger<strong>in</strong>gfügigkeitsgrenze <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Sozialversicherung, es besteht also ke<strong>in</strong>erlei<br />
Anspruch auf Kranken- Pflegeund<br />
Rentenversicherung.<br />
± Immer mehr Arbeitgeber zerstückeln<br />
reguläre Arbeitsverhältnisse, um Kosten<br />
zu sparen. Die Folge: Zwischen 1992<br />
und 1996 ist die Zahl <strong>der</strong> versicherungspflichtig<br />
Beschäftigten um 5,6 % gesunken,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> gleichen Zeit ist die Zahl <strong>der</strong><br />
ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigten um 20 %<br />
gestiegen. Die Konsequenzen tragen<br />
Arbeitnehmer und Betriebe gleichermaûen.<br />
392<br />
± Durch die Inflation <strong>der</strong> 610/520-Mark-<br />
Jobs gehen jedes Jahr rechnerisch<br />
400 000 Vollzeit- und 800000 Teilzeitarbeitsplätze<br />
verloren. Die Sozialversicherung<br />
muû deshalb jährlich E<strong>in</strong>nahmeverluste<br />
<strong>in</strong> Höhe von 15 Milliarden Mark<br />
verkraften.<br />
± Die <strong>SPD</strong> for<strong>der</strong>t statt dessen: Wir brauchen<br />
e<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Arbeitszeitpolitik, die<br />
Teilzeitarbeit för<strong>der</strong>t und Arbeit mit<br />
sozialer Absicherung gerechter verteilt.<br />
Wer die Aufspaltung <strong>in</strong> Billigjobs zuläût,<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t die Schaffung von Hun<strong>der</strong>ttausenden<br />
von Teilzeitarbeitsplätzen.<br />
Bereits vor zwei Jahren hat die <strong>SPD</strong><br />
e<strong>in</strong>en Gesetzesentwurf vorgelegt (Drucksache<br />
13/3301), <strong>der</strong> darauf zielt, die Zerstückelung<br />
regulärer Arbeitsverhältnisse,<br />
Sche<strong>in</strong>selbständigkeit und Lohndump<strong>in</strong>g<br />
zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />
± Die <strong>SPD</strong> tritt für fairen Wettbewerb e<strong>in</strong>:<br />
Arbeitgeber sollen, von e<strong>in</strong>er Bagatellgrenze<br />
abgesehen, auch für ger<strong>in</strong>gfügig<br />
Beschäftigte beitragspflichtig werden.<br />
Arbeitgeber, die reguläre Arbeitsverhältnisse<br />
anbieten, werden entsprechend entlastet.<br />
± Arbeit mit ger<strong>in</strong>ger Stundenzahl soll nur<br />
dort weiterh<strong>in</strong> möglich se<strong>in</strong>, wo sie<br />
betriebswirtschaftlich notwendig ist und<br />
von den Beschäftigten gewünscht wird.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs nur zu den Konditionen, die<br />
für alle an<strong>der</strong>en arbeiten auch gelten.<br />
Das heiût, auch ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigte<br />
werden sozial abgesichert.<br />
± Die Arbeitskosten werden nicht erhöht,<br />
son<strong>der</strong>n gerechter verteilt.<br />
± Wenn mehr Beiträge <strong>in</strong> die Sozialkassen<br />
flieûen, können Lohnnebenkosten ±<br />
gesenkt werden. Die Arbeit wird also<br />
wie<strong>der</strong> billiger.<br />
Auch wenn ger<strong>in</strong>gfügig Beschäftigte durch<br />
ihre Ehemänner ausreichend versorgt s<strong>in</strong>d
und e<strong>in</strong>en Anspruch auf Witwenrente<br />
haben, erhöht e<strong>in</strong>e Rentenversicherungspflicht<br />
das verfügbare Alterse<strong>in</strong>kommen.<br />
Im E<strong>in</strong>zelfall wird <strong>der</strong> Gang zum Sozialamt<br />
vermieden. Wenn auch alle<strong>in</strong> mit ger<strong>in</strong>gfügiger<br />
Beschäftigung ke<strong>in</strong> ausreichen<strong>der</strong><br />
Rentenanspruch erworben wird, gilt: <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
Rentenversicherung führt je<strong>der</strong> zusätzliche<br />
Beitrag zu e<strong>in</strong>er höheren Rente. Das nützt<br />
vor allem Frauen, die wegen <strong>der</strong> Familienaufgaben<br />
häufig e<strong>in</strong>e unterbrochene Rentenbiographie<br />
aufweisen, <strong>der</strong>en Lücken<br />
durch Versicherungspflicht für ger<strong>in</strong>gfügige<br />
Beschäftigung zum<strong>in</strong>dest teilweise ausgeglichen<br />
werden können.<br />
Daher: Schluû mit den Billigjobs!<br />
(Angenommen)<br />
Arbeitskampf von IG Medien<br />
und Deutschem Journalistenverband<br />
e. V.<br />
Der <strong>Parteitag</strong> hat die folgende Resolution<br />
zum Arbeitskampf von IG Medien und<br />
Deutschem Journalistenverband e. V. (DJV)<br />
zustimmend zur Kenntnis genommen:<br />
¹Die Delegierten des <strong>SPD</strong>-Bundesparteitages<br />
<strong>in</strong> <strong>Hannover</strong> erklären sich solidarisch<br />
mit dem Arbeitskampf <strong>der</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen<br />
und Kollegen <strong>der</strong> IG Medien und dem<br />
Deutschen Journalistenverband. Die Kündigung<br />
u. a. des Manteltarifvertrages durch<br />
den Bundesvorstand Deutscher Zeitungsverleger,<br />
womit auch die E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong><br />
bereits vere<strong>in</strong>barten 35-Stunden-Woche<br />
verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden soll, trifft mit Recht auf<br />
den Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Gewerkschaften. Wir<br />
for<strong>der</strong>n die Arbeitgeberseite auf, bald an<br />
den Verhandlungstisch zurückzukehren.ª<br />
(Angenommen)<br />
393
II. Weitere Anträge<br />
1. Für erledigt erklärt wurden die Anträge<br />
(zum Teil s<strong>in</strong>d diese Anträge <strong>in</strong> an<strong>der</strong>e<br />
Beschlüsse e<strong>in</strong>geflossen):<br />
A 2±A 9, A 11, A 3a, A 20, A 21, A 23,<br />
Eu 27, Eu 28, Eu 31, Eu 32, Eu 34, Eu 35,<br />
Eu 36, Eu 37, I 46±I 48, I 51±I 54, I 56,<br />
I 57, I 60, I 65, I 78, I 81, I 95, I 109, I 110,<br />
I 138, I 139, I 147, I 148 (Teil a), I 149,<br />
I 150, I 161, I 166, I 172±I 177, I 181,<br />
I 182, I 219, I 227, I 234, I 236, I 237±<br />
1 242, I 252±I 255, I 258, I 260, I 266,<br />
I 272, I 281, I 284, I 286±I 288, O 306,<br />
O 312, O 342, O 369, O 370, O 373,<br />
O 377, O 382<br />
IA 1 (1. Spiegelstrich, 3. Spiegelstrich letzter<br />
Satz und 6. Spiegelstrich),<br />
IA 2 (ohne Satz 1), IA 3 (ohne Absatz 8),<br />
IA 5, IA 6, IA 10±IA 16, IA 17 (ohne Vorschlag<br />
1), IA 18, IA 19 (¾n<strong>der</strong>ungen 1±3, 4,<br />
6/1. Satz), IA 20, IA 21, IA 22 (3. Satz),<br />
IA 23, IA 24, IA 27, IA 35 (ohne ¾n<strong>der</strong>ungen<br />
2 + 5), IA 36, IA 37, IA 41, IA 42<br />
(¾n<strong>der</strong>ungen 5, 7, 9±14), IA 43, IA 44<br />
(¾n<strong>der</strong>ungen 1 + 4), IA 45 (¾n<strong>der</strong>ung 4),<br />
IA 46, IA 50±IA 52<br />
394<br />
2. Abgelehnt wurden die Anträge:<br />
Eu 30, I 69, I 101, I 108, I 113, I 130,<br />
I 131, I 134, I 154, I 164, I 165, I 224,<br />
I 245, O 293±O 295, O 307±O 311, O 332,<br />
O 333, O 335, O 346, O 356±O 363,<br />
O 365, O 371, O 378, O 380<br />
IA 1 (2. Spiegelstrich Satz 1 + 2, 3. Spiegelstrich<br />
ohne letzten Satz, 4. + 5. Spiegelstrich),<br />
IA 2 (1. Satz), IA 3 (Absatz 8), IA 17<br />
(Vorschlag 1), IA 19 (¾n<strong>der</strong>ungen 4 + 6<br />
ohne den 1. Satz), IA 22 (ohne Satz 3),<br />
IA 31, IA 35 (¾n<strong>der</strong>ungen 2 + 5), IA 42<br />
(¾n<strong>der</strong>ungen 1, 2, 4, 6), IA 44 (¾n<strong>der</strong>ungen<br />
2, 3, 5), IA 47, IA 53<br />
3. ¹Nichtbefassungª wurde beschlossen für<br />
die Anträge:<br />
I 66, I 71, I 73, I 76, I 80, I 96, I 100, I 111,<br />
I 112, O 336±O 341, O 343, O 344, O 347±<br />
O 355, O 385±O 388
Notizen:
Notizen: