DGCMitteilungen173UhrenSalzburg
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AUS DEN FACHKREISEN<br />
Zeit-Künderinnen und Zeit-Zeuginnen.<br />
Turmuhren aus sechs Jahrhunderten in Stadt und<br />
Land Salzburg<br />
Michael Neureiter<br />
„Es ist eine herrliche Sache um die Erfindung der<br />
Uhrwerke welche uns den Zeitverstrich Tags und<br />
Nachts richtig anzeigen…“, so begann Karl Friedrich<br />
Buschendorf 1805 sein Buch „Gründlicher<br />
Unterricht von Thurmuhren“. 1 Turmuhrwerke<br />
waren bis in das 20. Jahrhundert die wichtigsten<br />
Zeit-Künder. Einige sind seit Jahrhunderten und<br />
noch heute in Betrieb. Und sie sind Zeit-Zeugen:<br />
Sie belegen die spannende Entwicklung der<br />
Technik und die Kunstfertigkeit der „Großuhrmacher“.<br />
Das Kulturgut Turmuhr sorgte für die<br />
akustische Zeitanzeige auf Glocken und für die<br />
optische auf Zifferblättern.<br />
Im Land Salzburg gibt es erfreulicherweise<br />
noch viele mechanische Turmuhrwerke. Die ältesten<br />
wurden im 16. Jahrhundert gebaut, die<br />
jüngsten erst im 20. Jahrhundert. Dieser Blick<br />
auf fünf Jahrhunderte bringt Beispiele aus allen<br />
sechs Bezirken des Landes Salzburg, nennt besonders<br />
wichtige Turmuhrmacher und versucht,<br />
das permanente Bemühen um Genauigkeit, um<br />
Qualität und Präzision zu erkunden. Es geht um<br />
Kostbarkeiten in Türmen und Türmchen, hinter<br />
Giebeln und ihren Zifferblättern. Viele der mehr<br />
als 200 Großuhrwerke landesweit sind noch unentdeckt,<br />
einige haben in Museen einen neuen<br />
Platz bekommen.<br />
Seit dem 13. Jahrhundert<br />
Am Beginn war die Schlaguhr wichtiger als die<br />
Zeiguhr, das hörbare Signal hatte Vorrang vor<br />
der sichtbaren Anzeige. Der Glockenschlag steuerte<br />
den klösterlichen Tagesablauf, begann und<br />
beendete die Arbeitszeiten, ordnete das Leben.<br />
Es ist nicht bekannt, wann die erste Räderuhr<br />
gebaut wurde, vermutlich im 13. Jahrhundert.<br />
Allerdings hat schon der 1321 verstorbene italienische<br />
Dichter und Philosoph Dante Alighieri in<br />
seiner „Göttlichen Komödie“ ("Divina Commedia",<br />
ca. 1307–1320) diese als Vergleich für den<br />
Tanz der Seligen verwendet:<br />
„Wie, wohlgefügt, der Uhren Räder thun –<br />
In voller Eil’ zu fliegen scheint das letzte,<br />
Das erste scheint, wenn man’s beschaut, zu ruhn…“ 2<br />
Räderuhren waren also zu dieser Zeit bereits<br />
erfunden und wahrscheinlich allgemein im<br />
Gebrauch.<br />
1372 ist die älteste<br />
Turmuhr in Österreich<br />
belegt, und<br />
zwar in Tulln: Ein<br />
Breslauer Uhrmacher<br />
verpflichtete<br />
sich als Sühne für<br />
einen Totschlag<br />
„ze pesserung seiner<br />
Sel“ zum Bau<br />
einer Uhr für die<br />
Pfarrkirche, sie ist<br />
nicht erhalten. 3<br />
Die erhaltene Uhr<br />
der Kathedrale<br />
von Salisbury hat<br />
kein Zifferblatt<br />
und keine optische<br />
Anzeige, dürfte 1386 entstanden sein<br />
und gilt als die älteste funktionierende Uhr<br />
der Welt.<br />
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts schuf der Ordensbruder<br />
Paulus Almanus seine Beschreibung<br />
von 30 frühen Räderuhren in Rom. Sein „Almanus-Manuskript“<br />
mit zahlreichen Zeichnungen<br />
wurde erst 2021 durch die Staats- und Stadtbibliothek<br />
Augsburg online gestellt und erschien<br />
2022 auf Initiative des Fachkreises Turmuhren<br />
der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie<br />
in Buchform in Deutsch. 4 Und auch Leonardo<br />
da Vinci hinterließ ebenfalls um 1480 ein paar<br />
Uhren-Zeichnungen. 5<br />
Das älteste erhaltene und betriebsfähige Turmuhrwerk<br />
Österreichs am Original-„Tatort“ mag<br />
das Werk der Pfarrkirche Axams sein, das 1523/25<br />
von Konrad Grienberger gebaut wurde. Es kostete<br />
60 Gulden und ist auch durch Archivalien<br />
belegt. 6<br />
Im Salzburger Land<br />
Beginnen wir bei der vielleicht ältesten nachweislichen<br />
mechanischen Uhr im Land? Erst<br />
kürzlich fand ich in einem Regest (der Kurzfassung<br />
einer Urkunde) von Stift Nonnberg diese<br />
Information: Pfarrer Leonhard von Rottenmann<br />
kam am 24. September 1402 mit dem Konvent<br />
der Schwestern überein, dass sie für ihn einen<br />
„ewigen Jahrtag“, ein jährliches Totengedenken<br />
bei der Messfeier, begehen. Die Gegenleistung<br />
Abb. 1: Ein Zifferblatt am<br />
Südturm des Doms zu<br />
Salzburg, domplatzseitig,<br />
entstanden um 1652/55.<br />
FRÜHJAHR 2023 49 Mitteilungen Nr. 173