Der Nationale Integrationsplan als ... - Bibliotheksportal
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3 <strong>Der</strong> <strong>Nationale</strong> <strong>Integrationsplan</strong> <strong>als</strong> Argumentationshilfe für öffentliche Bibliotheken 34<br />
Ralph Ghadban, Islamexperte und Dozent an der Evangelischen Fachhochschule Berlin,<br />
befürchtet, dass sich mit dem Bau der „islamischen Kulturzentren“ die Entwicklung der<br />
islamischen Parallelgesellschaft verstärkt anstatt die Migranten zu integrieren, denn in<br />
den Neubauten soll es nicht nur um die Befriedigung religiöser Bedürfnisse gehen,<br />
sondern es sollen „Aufgaben der Mehrheitsgesellschaft im Erziehungs- und im sozialen<br />
Bereich übernommen werden – auf der Basis des islamischen Rechts, der Scharia“ 129 .<br />
Dies kann die Autorin bestätigen, die im Winter 2010 Gelegenheit hatte, mit dem Leiter<br />
eines Moscheevereins in Berlin-Kreuzberg zu sprechen. Das erklärte Ziel dieses Vereins<br />
war, alle Belange des Alltags in seinen Räumen zu bedienen. Trotz dieses Anspruchs<br />
brachte er Bibliotheken eine außergewöhnlich hohe Wertschätzung entgegen, die darin<br />
mündete, dass er sogar bereit war, Mädchen alleine in die Bibliothek gehen zu lassen. 130<br />
Über die verschiedenen Formen von Diskriminierung und erschwerten Bedingungen zu<br />
informieren, gehört zu dem, was im <strong>Nationale</strong>n <strong>Integrationsplan</strong> mit<br />
„Bewusstseinsbildung“ 131 für Frauen mit Migrationshintergrund gefordert wird.<br />
Bibliotheken eignen sich hervorragend zur Bewusstseinsbildung. Man kann<br />
Bibliotheken anonym nutzen, sich in aller Ruhe Wissen aneignen, ohne sich anmelden<br />
oder an eine Organisation wenden zu müssen. Bibliotheken bieten mit ihren<br />
verschiedenen Informationsdienstleistungen wichtige Hilfestellungen für die<br />
Bewusstseinsbildung, eine komplexe Aufgabe, wenn junge Frauen das Gleichgewicht<br />
beim Spagat nicht verlieren wollen – dem Spagat zwischen den oft gegensätzlichen<br />
Erwartungen der eigenen Familie, der eigenen Gemeinschaft und den Erwartungen der<br />
deutschen Aufnahmegesellschaft, wie sich Migrantinnen an der Gesellschaft beteiligen<br />
sollen. 132 Dieser Prozess braucht Zeit. Jede Biographie hat ihre Besonderheiten.<br />
Niemand hat das Recht, andere von außen zu bevormunden oder zu verurteilen.<br />
Partizipation und Bildung beeinflussen sich gegenseitig. Solide Sprachkenntnisse,<br />
staatsbürgerliche Bildung und ein aus eigener Erwerbstätigkeit erwachsenes<br />
Selbstbewusstsein sind für eine gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und die<br />
Vertretung ihrer eigenen Interessen unabdingbar. 133<br />
Die Mitarbeiter von Bibliotheken sind überwiegend weiblich. Kraft ihrer Anwesenheit<br />
und dem möglichen Kontakt mit ihnen haben sie auch Vorbildcharakter.<br />
„<strong>Der</strong> Übergang von Schule/Studium in den Beruf ist für junge Frauen mit<br />
Migrationshintergrund oft in besonderer Weise belastend. Weil Vorbilder sowohl in<br />
129 http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2004/10/20/a0275 Zugriff: 6.6.2011<br />
130 Vgl. Gespräch mit Moscheevereinsleiter Berlin Kreuzberg Januar 2010<br />
131 <strong>Nationale</strong>r <strong>Integrationsplan</strong> 2007, S. 94<br />
132 Vgl. ebd., S. 95<br />
133 Vgl. <strong>Nationale</strong>r <strong>Integrationsplan</strong> 2007, S. 95