Contura DE Frühling/Sommer 2023
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Frühling</strong> / <strong>Sommer</strong><br />
<strong>2023</strong><br />
<strong>Contura</strong><br />
Das Magazin der Rhätischen Bahn
Bitte<br />
einsteigen<br />
Editorial<br />
Geschätzte Fahrgäste, ich bin ein grosser Fan des<br />
öffentlichen Verkehrs und bin quasi mit der Rhätischen<br />
Bahn vor der Haustüre aufgewachsen.<br />
Seit dem 1. Januar <strong>2023</strong>, meinem Amtsantritt<br />
als Regierungsrätin, nutze ich die RhB fast täglich,<br />
um von meinem Wohnort Castrisch ins Büro<br />
nach Chur zu reisen. Dabei führt mich die Fahrt<br />
durch eine der schönsten Streckenabschnitte des<br />
RhB-Netzes, die Ruinaulta. Auch wenn ich die<br />
Strecke durch die Ruinaulta in- und auswendig<br />
kenne, werfe ich gerne einen Blick aus dem<br />
Fenster, wo Licht und Landschaft immer wieder<br />
ein neues Naturschauspiel bieten.<br />
Ich stehe dem Departement für Infrastruktur,<br />
Energie und Mobilität vor. Dazu gehört auch der<br />
öffentliche Verkehr des Kantons Graubünden und<br />
somit die RhB. Die RhB bildet das Rückgrat des<br />
öffentlichen Verkehrs im Kanton, sie erschliesst<br />
Täler, verbindet Menschen und bringt Gäste von<br />
nah und fern durch unseren Kanton. Die RhB<br />
leistet viel für den Kanton und der Kanton leistet<br />
viel für die RhB.<br />
Damit die RhB der Bevölkerung und den Gästen<br />
künftig einen noch besseren Service und noch<br />
bessere Verbindungen bieten kann, setzt die<br />
«Kleine Rote» in den kommenden Jahren grosse<br />
Projekte um. Angefangen bei «Retica 30», der<br />
Einführung des Halbstundentakts in Graubünden,<br />
über den Ausbau diverser Streckenabschnitte,<br />
um schneller fahren zu können, bis hin zur Anschaffung<br />
von neuem Rollmaterial für eine halbe<br />
Milliarde Franken.<br />
Der Kanton glaubt an die RhB und es ist ein starkes<br />
Zeichen der Politik, dass die öffentliche Hand<br />
so viel Geld in unsere Bahn investiert. Damit wir<br />
dieses Engagement auch in Zukunft erbringen<br />
können, müssen wir zu diesen Leistungen Sorge<br />
tragen.<br />
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine entspannte<br />
Fahrt mit vielen tollen Erlebnissen.<br />
Dr. Carmelia Maissen<br />
Regierungsrätin Kanton Graubünden,<br />
Vorsteherin des Departements<br />
für Infrastruktur, Energie und Mobilität
Sehnsuchtsort<br />
Bergün<br />
«Gleis null» – eine Kolumne von Antonia Bertschinger<br />
«Liebe Fahrgäste, der Zug verkehrt nun auf der Albulalinie<br />
der Rhätischen Bahn …», verkündet die Frauenstimme<br />
jeweils kurz nach Thusis. Kaum eine Eisenbahn-Ansage<br />
habe ich so oft gehört, und kaum eine<br />
Bahnstrecke ist für mich bedeutsamer als die UNESCO<br />
Welterbestrecke – und das auch schon damals, als der<br />
Zug noch banal «Schnellzug nach St. Moritz» hiess.<br />
Denn der Zug fuhr und fährt nach Bergün/Bravuogn:<br />
in der Kindheit mein Ferien- und Sehnsuchtsort, in<br />
der Jugend der Ort, wo man ohne Eltern hinfuhr (mit<br />
dem Zug natürlich), und seit Dezember 2022 mein<br />
Wohn- und Arbeitsort. Und: der Schauplatz meiner<br />
Romanserie «Bergünerstein», die sich um den Bau der<br />
Strasse durch den Bergünerstein dreht, die Felswand<br />
kurz vor Bergün.<br />
Mein persönlicher Höhepunkt der Welterbestrecke ist<br />
daher weder der Landwasserviadukt noch das Verwirrspiel<br />
der Kehrtunnels, sondern der Bergünerstein.<br />
Als Kind im elterlichen Auto befürchtete ich bei jeder<br />
Durchfahrt, der Fels würde uns unter sich begraben.<br />
Heute stelle ich mich ins Alvra-Fotoabteil und versuche,<br />
die Felswand aus dem Zug zu fotografieren, doch<br />
leider stehen (zu) viele Bäume im Weg.<br />
Proxima fermada – Bergünerstein<br />
Antonia Bertschingers zweiter Band der<br />
Bergünerstein-Reihe, «Der Mord»,<br />
erzählt vom Versuch, am Bergünerstein<br />
eine Strasse zu bauen.<br />
<br />
→ www.berguenerstein.ch<br />
Aber wer weiss, vielleicht verkündet die Frauenstimme<br />
dereinst: «Nun erreichen wir einen weiteren Höhepunkt<br />
der Welterbestrecke: den Bergünerstein …»,<br />
der Zug verlangsamt seine Fahrt, die Fahrgäste fotografieren<br />
Felswand und Strasse am Bergünerstein in<br />
voller Pracht und stellen weitere spektakuläre Bilder<br />
mit Hashtag #RhaetischeBahn auf Twitter?<br />
Editorial Rubrik<br />
1
Zwischenstopp<br />
Rhätische Bahn<br />
UNESCO Welterbe RhB<br />
Bernina Express Bus<br />
Tirano – Lugano<br />
42 – 45<br />
Simona<br />
Aebersold<br />
Powerplay<br />
Zürich<br />
St.Ga<br />
Ilanz<br />
R<br />
T<br />
Disentis /<br />
Mustér<br />
S u r s e l v<br />
a<br />
Thus<br />
Oberalppass<br />
Andermatt<br />
Visp<br />
Zermatt<br />
Impressum<br />
© Copyright / Herausgeberin<br />
Rhätische Bahn AG,<br />
Bahnhofstrasse 25, CH-7001 Chur<br />
Technische Daten RhB<br />
Konzept / Text Panta Rhei PR AG<br />
(Erika Suter sue, Franz Bamert ba, Jaëlle Troxler jtr,<br />
Marie-Sophie Zinsli msz, Reto Wilhelm rw)<br />
Grafik Süsskind SGD Chur<br />
Fotos<br />
Jaromir Kreiliger Editorial<br />
Bilder.GR S. 4 – 11, 16 / 17, Umschlag<br />
Yannick Andrea S. 12 - 15, 48<br />
Carmen Jossen Moser S. 26<br />
Nicola Pitaro S. 28 - 33, 42 - 45<br />
Meinrad Schade S. 36 - 39<br />
Matt Hind S. 41<br />
Tibert Keller S. 47<br />
Falls nicht speziell erwähnt, von der RhB<br />
und Partnern zur Verfügung gestellt<br />
Ausgabe<br />
Nr. 14 <strong>Frühling</strong> / <strong>Sommer</strong> <strong>2023</strong><br />
Gedruckt in der Schweiz<br />
Lukmanier<br />
Biasca<br />
Bellinzona<br />
Lugano<br />
Milano<br />
San<br />
Bernardino<br />
Chiavenna
N<br />
12 – 15<br />
Zugbegleiter<br />
Sujevan<br />
Passion<br />
Basel<br />
Bern<br />
SCHWEIZ<br />
Genève<br />
Zermatt<br />
Zürich<br />
Chur<br />
Graubünden<br />
Lugano<br />
len<br />
Landeck<br />
is<br />
Rhein<br />
Landquart Ried<br />
Igis<br />
Zizers<br />
rvaz-Trimmis<br />
Haldenstein<br />
r Wiesental<br />
ur West<br />
erg<br />
eichenauamins<br />
nauamins<br />
Chiavenna<br />
Lugano<br />
venna<br />
no<br />
Landquart<br />
Landquart<br />
Chur<br />
Chur<br />
Tiefencastel<br />
Tiefencastel<br />
Plessur<br />
Weisshorn<br />
2653 m<br />
Lenzerheide<br />
Savognin<br />
Arosa<br />
P r<br />
P r<br />
Filisur<br />
ä t t<br />
ä t t<br />
Arosa<br />
Bergün<br />
Filisur<br />
i g a<br />
Landwasser<br />
u<br />
Landquart<br />
i g a<br />
Samedan<br />
St.Moritz<br />
u<br />
Davos<br />
Platz<br />
Albulatunnel<br />
Samedan<br />
St. Moritz<br />
Klosters<br />
Platz<br />
Malans<br />
Seewis-Pardisla<br />
Grüsch<br />
Schiers<br />
Furna<br />
Jenaz<br />
Fideris<br />
Chur Altstadt<br />
Küblis<br />
Lüen-Castiel<br />
St. Peter-Molinis<br />
Saas<br />
Peist<br />
Klosters Dorf<br />
Langwies<br />
Litzirüti<br />
Bergün/Bravuogn<br />
Piz Ela<br />
3339 m<br />
Piz Nair<br />
3057 m<br />
18 – 21<br />
Maloja<br />
Davos Wiesen<br />
Preda<br />
Davos Frauenkirch<br />
Davos Glaris<br />
Davos Monstein<br />
Spinas<br />
Cavadürli<br />
Davos Laret<br />
Davos Wolfgang<br />
Davos Dorf<br />
Davos Platz<br />
Celerina<br />
Celerina Staz<br />
Punt Muragl Staz<br />
50 Jahre<br />
Bernina Express<br />
UNESCO Welterbe RhB<br />
Pontresina<br />
Vereinatunnel<br />
Klosters Platz<br />
O b e r e n g a<br />
Pontresina<br />
Piz Bernina<br />
Vereinatunnel<br />
d i n<br />
O b e r e n g a<br />
Bever<br />
Piz Bernina<br />
4049 m<br />
Valposchiavo<br />
Piz Palü<br />
3901 m<br />
Lugano<br />
Piz Linard<br />
3411 m<br />
Zernez<br />
d i n<br />
Zuoz<br />
Madulain<br />
La Punt Chamues-ch<br />
Punt Muragl<br />
Surovas<br />
Morteratsch<br />
Bernina Suot<br />
Berninapass<br />
Muottas Muragl<br />
2453 m<br />
Berninapass<br />
S-chanf<br />
Poschiavo<br />
Valposchiavo<br />
U n<br />
t<br />
Livigno<br />
e r e<br />
Tirano<br />
g<br />
Edolo<br />
Val Camonica<br />
Brescia<br />
n a<br />
Na tiona lpa rk<br />
Susch<br />
Poschiavo<br />
U n<br />
Sagliains<br />
Zernez<br />
Cinuos-chel–Brail<br />
Bernina Diavolezza<br />
Bernina Lagalb<br />
Ospizio Bernina<br />
Alp Grüm<br />
Cavaglia<br />
Cadera<br />
Li Curt<br />
n<br />
d i<br />
Scuol-Tarasp<br />
t<br />
Ftan<br />
Ardez<br />
Guarda<br />
Lavin<br />
e r e<br />
Bormio<br />
g<br />
n a<br />
Müstair<br />
Na tiona lpa rk<br />
Le Prese<br />
Miralago<br />
Brusio<br />
Campascio<br />
28 – 33<br />
Livigno<br />
Zeugin<br />
der Zeit<br />
Tradition<br />
Campocologno<br />
Tirano<br />
Samnaun<br />
Inn<br />
n<br />
d i<br />
Scuol-Tarasp<br />
Bormio<br />
Mals<br />
Meran<br />
Müstair<br />
<strong>Contura</strong> online<br />
Hier können Sie das<br />
neue <strong>Contura</strong> online<br />
durchblättern.<br />
Landeck<br />
Mals<br />
Meran<br />
→ www.rhb.ch/contura
Halt auf<br />
Verlangen<br />
Haltestellen entlang unserer Route<br />
4 – 11<br />
Univers<br />
Tarasp<br />
Scena<br />
22<br />
Bernina Express<br />
Tickets gewinnen<br />
Verlosung<br />
18 – 21<br />
50 Jahre<br />
Bernina Express<br />
UNESCO Welterbe RhB<br />
23<br />
Graubünden<br />
liegt in der Luft<br />
Auf dem Radar<br />
RhB Blog<br />
Entdecken, was sich alles<br />
bewegt rund um<br />
die Rhätische Bahn!<br />
Scena, 4 – 11<br />
Passion, 12 – 15<br />
→ www.rhb.ch/blog<br />
2 www.rhb.ch/contura
RhB Newsletter<br />
Jetzt abonnieren<br />
und immer auf dem<br />
Laufenden sein.<br />
→ www.rhb.ch/newsletter<br />
Innovation, 36 – 39 Powerplay, 42 – 45<br />
24 – 27<br />
Cäsar Ritz<br />
Museum<br />
Glacier Express<br />
40 / 41<br />
Eastern & Oriental<br />
Express<br />
Worldwide<br />
34 / 35<br />
Was transportiert<br />
unsere Güterbahn?<br />
Zahlen und Fakten<br />
42 – 45<br />
Die Meisterin der<br />
Orientierung<br />
Powerplay<br />
36 – 39<br />
Capricorn:<br />
Die heisse Phase im<br />
Hintergrund<br />
Innovation<br />
46 / 47<br />
Der neue<br />
Clà<br />
Clà Ferrovia<br />
Inhaltsverzeichnis 3
Univers<br />
Tarasp<br />
Zu Besuch beim Bündner Künstler Not Vital<br />
→ www.notvital.ch<br />
Ein metallener Mond im See. Auf der anderen Seite<br />
des Schlosshügels: «The house to watch the sunset»,<br />
ein 13 Meter hoher Turm mit drei Treppen und vier<br />
Stockwerken – perfekt, um den Sonnenuntergang<br />
zu beobachten. Beide Skulpturen befinden sich auf<br />
dem Gelände rund um das Schloss Tarasp bei Scuol,<br />
das der Engadiner Künstler Not Vital 2016 erwerben<br />
konnte. Sein Ziel: einen Ort der kulturellen Bedeutung<br />
und der menschlichen Begegnungen zu schaffen.<br />
Inzwischen beherbergt das Schloss eine Sammlung<br />
antiker, moderner und zeitgenössischer Kunst,<br />
wobei Not Vital auch die Geschichte des Schlosses und<br />
dessen ursprünglichen Charakter respektiert. So blieb<br />
die grösste Privatorgel Europas, die sich über drei<br />
Stockwerke verteilt, erhalten; gleichzeitig bringt Not<br />
Vital seine eigene Kunst und Kunstsammlung in den<br />
Räumlichkeiten ein.<br />
Geboren wurde Not Vital 1948 in Sent. Sein künstlerischer<br />
Werdegang führte ihn zunächst nach Paris an<br />
das Centre universitaire expérimental de Vincennes,<br />
dann nach Rom und New York und später nach Peking<br />
und Rio de Janeiro, wo er bis heute tätig ist, sofern er<br />
sich nicht in seinem Heimatkanton aufhält. Ob Grafik,<br />
Malerei, Bildhauerei oder Architektur: Vitals Werke<br />
zelebrieren verschiedene Techniken und Gattungen<br />
und werden in bedeutenden Museen und Galerien<br />
wie auch im öffentlichen Raum weltweit gezeigt.<br />
4
5
6 www.rhb.ch/contura
Scena<br />
7
8 www.rhb.ch/contura
Schlossführungen<br />
→ www.schloss-tarasp.ch<br />
Scena<br />
9
10 www.rhb.ch/contura
Scena<br />
11
Sujevan Sivakumar (22) finanziert<br />
sich als RhB-Zugführer sein Studium.<br />
12 www.rhb.ch/contura
Reisender zwischen<br />
den Kulturen<br />
Mit Sujevan Sivakumar im Bernina Express<br />
Zugführer im Teilzeitpensum. Für Sujevan Sivakumar der perfekte Job, auch um sein<br />
Betriebsökonomiestudium zu finanzieren. Doch nicht nur beruflich, auch privat bewegt<br />
sich der Schweizer mit tamilischen Wurzeln glücklich zwischen zwei Welten.<br />
Passion 13
Wenn Sujevan Sivakumar von sich und der RhB erzählt,<br />
klingt das fast wie eine Liebesgeschichte: «Als<br />
ich Kind war, hatten wir kein Auto, also fuhren wir<br />
jeweils mit der RhB. Züge und alles, was dazugehört,<br />
haben mich seither immer fasziniert.» So kam es, wie<br />
es wohl kommen musste: Sivakumar und die RhB kamen<br />
nicht mehr voneinander los.<br />
Es ist ein Privileg, Einblick in<br />
verschiedene Welten zu haben.<br />
Auch an diesem Samstagmorgen sind die beiden gemeinsam<br />
unterwegs. Es ist kurz vor halb neun Uhr,<br />
Sivakumar, den seine Freunde Suje nennen, steht am<br />
Bahnhof Chur auf dem Perron zwischen Gleis neun<br />
und zehn, redet mit seinen Passagieren vor allem auf<br />
Englisch, Italienisch, Französisch und manchmal auch<br />
auf Deutsch. Er weist Plätze zu, hilft mit dem Gepäck,<br />
hievt einen Kinderwagen in den Bernina Express und<br />
gibt Auskünfte. Der Zug zwischen Chur und Tirano ist<br />
wie meistens bis auf den letzten Platz ausgebucht.<br />
Sivakumar weiss auch warum: «Ich bin diese Strecke<br />
unzählige Male gefahren und doch immer von neuem<br />
fasziniert. Wenn es schon mir so geht, wie fühlen<br />
sich dann erst die Menschen, die zum ersten Mal hier<br />
unterwegs sind?» Ein Gang durch den Zug zeigt es:<br />
Kaum setzt sich der Bernina Express in Bewegung,<br />
beginnen die Menschen zu fotografieren, was Handys<br />
und Kameras hergeben. Spätestens ab Thusis, wo die<br />
UNESCO Welterbestrecke beginnt, ist es in manchen<br />
Panoramawagen beinahe kirchenstill. Fast andächtig<br />
staunen die Passagiere in die vorbeiziehende Landschaft<br />
hinaus.<br />
Arbeiten und studieren<br />
Sivakumar hat jetzt ein bisschen Zeit und öffnet einen<br />
Spaltbreit die Sicht auf sein Leben und das Schicksal,<br />
das er mit vielen Tamilen teilt. Der Bürgerkrieg in Sri<br />
Lanka trieb seine Eltern in die Flucht. Diese endete<br />
1985 in Chur. «Ich wurde vor 22 Jahren hier geboren<br />
und bis ich in die Schule kam, sprach ich kaum ein<br />
Wort Deutsch», sagt der Mann mit der tiefen Stimme<br />
und den dunklen Augen. «Aber als Kind lernst du<br />
schnell und ich ging auch gerne in die Schule – meistens<br />
wenigstens.» Nach der obligatorischen Schulzeit<br />
absolvierte er die Ausbildung zum Kaufmann mit<br />
Schwerpunkt Zugbegleitung, nun studiert Sivakumar<br />
Betriebsökonomie und arbeitet im Teilzeitpensum.<br />
«Einerseits mache ich das, um mein Studium zu finanzieren,<br />
andererseits brauche ich einfach Abwechslung.<br />
Ich bin ein Bewegungsmensch und liebe zudem<br />
den Kontakt mit ‹meinen› Passagieren. Wenn ich unterwegs<br />
bin, ist jeder Tag anders: Andere Menschen,<br />
andere Fragen, anderes Wetter, andere Stimmungen.<br />
Das gefällt mir.»<br />
Zwischen den Welten<br />
Zu seinem Job, den er nicht nur auf der Berninastrecke<br />
ausführt, gehören Begegnungen mit Dankbaren,<br />
Glücklichen, Zufriedenen, aber auch mit Einsamen,<br />
Betrunkenen und Billettlosen. Letztere sind manchmal<br />
nicht leicht zu handhaben. «Ich höre zu und helfe,<br />
wenn ich kann. Und manchmal lasse ich Beleidigungen<br />
über mich ergehen. Aber bei der Ausübung dieses<br />
Jobs muss man das wegstecken können. Nur wenn<br />
es um meine Hautfarbe, um Rassismus geht …».<br />
Sivakumars Gesicht verfinstert sich, doch er lässt offen,<br />
was das bei ihm auslöst. Er sagt stattdessen:<br />
«Wenn ich am Feierabend meine Uniform ausziehe,<br />
fällt alles von mir ab. Dann bin ich nicht mehr der<br />
Zugführer. Dann bin ich der Suje, der zum Ausgleich<br />
ins Krafttraining geht, sich mit Freunden trifft, mit<br />
den Eltern den Tempel besucht oder sich aufs Studium<br />
konzentriert.» Und sich auch mal von seiner<br />
Mutter mit tamilischem Essen verwöhnen lässt. «Ich<br />
bin in zwei Welten, in zwei Kulturen daheim», sagt<br />
er, der Rösti genauso gut mag wie Thali, ein tamilisches<br />
Curry-Gericht. «Ich feiere mit meiner hinduistischen<br />
Community die Feiertage, aber auch Weihnachten.<br />
Mich interessiert, was hier geschieht und ich<br />
will wissen, was in Sri Lanka passiert. Und obwohl ich<br />
dort der Schweizer und in der Schweiz der Tamile bin,<br />
zerreisst mich das nicht. Im Gegenteil: Es ist doch ein<br />
Privileg, Einblick in verschiedene Welten und einen<br />
breiten Horizont zu haben.» Die Strecke Chur – Tirano<br />
14 www.rhb.ch/contura
könnte darum nicht symbolischer sein, führt sie doch<br />
durch den alemannischen, rhätischen und italienischen<br />
Kulturraum.<br />
Gut gemacht<br />
Inzwischen ist der Bernina Express auf der Alp Grüm<br />
angekommen: eine Viertelstunde Aufenthalt. Sujevan<br />
Sivakumar zeigt auf den Palügletscher, der beängstigend<br />
schnell schmilzt und doch immer noch majestätisch<br />
wirkt. Handys und Fotoapparate sind im<br />
Dauereinsatz. Doch von nun an geht’s bergab. Also<br />
nicht (nur) für die Gletscher, sondern für den Bernina<br />
Express, der innerhalb einer guten Stunde von der<br />
hochalpinen Alp Grüm auf 2100 Meter ins mediterrane<br />
Tirano auf 429 Meter hinunterfährt.<br />
Einer jungen Frau aus Frankreich ist das nicht ganz<br />
geheuer. Sie will wissen, ob die Zugbremsen auch<br />
wirklich intakt sind. Sivakumar beruhigt sie mit seiner<br />
herzlichen Art und einer natürlichen Autorität, die<br />
man bei einem 22-Jährigen nicht vermuten würde.<br />
Dann fährt der Bernina Express in Tirano ein. Wieder<br />
hilft der Zugführer seinen Gästen, verabschiedet<br />
sich, gibt hier einen Restaurant-Tipp, zeigt dort jemandem,<br />
wo der lokale Bus steht, und rennt einem<br />
Passagier nach, der die Jacke vergessen hat. Und das<br />
warʼs dann. Die Reise ist vorbei. Doch dann kommt<br />
die Französin von vorhin, gibt dem Zugführer die<br />
Hand, bedankt sich und schenkt ihm ein charmantes<br />
Lächeln. Suje äussert sich schmunzelnd dazu: «Wenn<br />
so etwas passiert, dann weiss ich, dass ich meinen<br />
Job nicht nur gerne, sondern auch gut mache.» (ba)<br />
Passion 15
Eintauchen, staunen,<br />
entschleunigen:<br />
in den Bündner Pärken<br />
Ressourcenschonend die Natur geniessen<br />
Nachhaltige Mobilität und sanfter Tourismus sind<br />
wichtig; und zwar nicht nur für Natur und Tiere, sondern<br />
auch für die Menschen. Das Bedürfnis, neue Orte<br />
zu entdecken, ist gross; dies auf nachhaltige Art und<br />
Weise tun zu können, ist für viele Touristinnen und<br />
Touristen zu einem zentralen Anliegen geworden. Die<br />
Kooperation «Fahrtziel Natur Graubünden» setzt sich<br />
genau dafür ein.<br />
Seit 2016 engagieren sich das Netzwerk Schweizer<br />
Pärke, der Verkehrs-Club der Schweiz und der<br />
Bündner Vogelschutz gemeinsam mit der Rhätischen<br />
Bahn und PostAuto Graubünden in der Kooperation<br />
«Fahrtziel Natur Graubünden» für nachhaltige Mobilität<br />
und sanften Tourismus in den Bündner Pärken.<br />
Fahrtziel Natur möchte die Gäste zu einem Umstieg<br />
auf den öffentlichen Verkehr motivieren, und setzt<br />
sich dafür ein, dass der Schweizerische Nationalpark,<br />
der Parc Ela, der Naturpark Beverin, der Naturpark<br />
Biosfera Val Müstair, der Parco Val Calanca und das<br />
UNESCO-Welterbe Tektonikarena Sardona mit attraktiven<br />
Angeboten bereist und erlebt werden können.<br />
Vor Ort sorgen innovative Lösungen für eine flexible<br />
und nachhaltige Mobilität: Der graubünden Pass<br />
bietet den Gästen freie Fahrt mit dem öffentlichen<br />
Verkehr und das AlpenTaxi sowie Bus alpin sorgen für<br />
die Erreichbarkeit der letzten Meile. Zudem ermöglicht<br />
das Angebot «Einfach für Retour» ausgewählte<br />
Anlässe in den Pärken mit einem Einfach-Billett zu<br />
besuchen: Mit dem Stempel des Veranstalters ist das<br />
Billett auch für die Rückfahrt gültig. Übernachtungsgäste<br />
können mit der Aktion «Gratis öV-Anreise»<br />
kostenlos mit dem öffentlichen Verkehr in die Pärke<br />
reisen und dank der Fahrtziel-Natur-Pauschale auch<br />
von der freien Fahrt vor Ort profitieren.<br />
16 www.rhb.ch/contura
Stimmen aus den Bündner Pärken<br />
«Wir können vom Hotel aus den Wald des Schweizerischen Nationalparks sehen. Diese unberührte Natur ist<br />
so kostbar! Und es ist beeindruckend, wie schnell sich die Natur ohne das Zutun der Menschen erholen kann.<br />
Wenn ich da beispielsweise an den Lawinenwinter von 1999 denke … In meiner Freizeit gehe ich immer wieder<br />
gerne via Naturlehrpfad auf Margunet. Dort sind oft Bartgeier, Gämsen oder Steinböcke zu sehen – einfach<br />
faszinierend. Natürlich ist der Park aber nicht nur für mich eine Bereicherung, sondern auch für unser Hotel<br />
bedeutend. 70 Prozent unserer <strong>Sommer</strong>gäste besuchen den Nationalpark, 95 Prozent davon sind Schweizerinnen<br />
und Schweizer. Besonders freut mich, dass auch viele junge Gäste und Familien darunter sind. Es zeigt mir,<br />
dass die jungen Menschen von heute ihren Kindern ein Leben im Einklang mit der Natur vorleben möchten.<br />
Und genau deswegen unterstützen wir auch Fahrtziel Natur, weil eine nachhaltige Mobilität von immenser Bedeutung<br />
für unser aller Zukunft ist.»<br />
Andrea Emmenegger,<br />
seit 20 Jahren Hotelière im Hotel Baer & Post Zernez<br />
«Ich arbeite seit rund einem Jahr beim Parc Ela und<br />
habe ihn als extrem spannenden Ort kennengelernt.<br />
Die unberührte Natur und die intakten Moorlandschaften<br />
sind beeindruckend. Gleichzeitig gibt es hier sehr<br />
viel Kultur und Geschichte: Es wurden Spuren der Römer<br />
gefunden – und sogar die weltweit einzige weibliche<br />
Gletscherleiche wurde hier im Parc Ela entdeckt.<br />
Einer meiner persönlichen Lieblingsorte ist die Alp Flix<br />
im Frühsommer oder <strong>Sommer</strong>, wenn die Blumen blühen;<br />
die Vielfalt an Farben ist wirklich etwas Besonderes.<br />
Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns als Park<br />
sehr stark. Wir brauchen spezialisierte Leute mit breitem<br />
Fachwissen, die gut vernetzt sind und interdisziplinär<br />
arbeiten. Gleichzeitig wollen wir die Bedürfnisse<br />
der Bevölkerung abholen und den Nutzen des Parks für<br />
die Region deutlich machen. Wir möchten aufzeigen,<br />
was der Begriff ‹intakte Landschaft› bedeutet, denn<br />
eines ist klar: Nur ein ressourcenschonender Umgang<br />
mit der Natur wird auf lange Sicht auch Wertschöpfung<br />
generieren können. Deshalb ist die Zusammenarbeit<br />
mit Fahrtziel Natur für uns so wichtig.»<br />
Veronika Widmann, Geschäftsleiterin Parc Ela<br />
und Zuständige für das Thema Mobilität<br />
Nächster Halt – Fahrtziel Natur<br />
Mehr Informationen zur<br />
nachhaltigen Kooperation:<br />
<br />
→ www.fahrtziel-natur.ch<br />
Natur 17
Ein halbes Jahrhundert<br />
mit dem Bernina Express<br />
Die Geschichte eines Meisterwerks im Bündner Bahnverkehr<br />
«Von den Gletschern zu den Palmen» - mit diesem<br />
Slogan durchquert der Panoramazug seit 1973 verschiedene<br />
Klimazonen vom alpinen Raum in Chur bis<br />
ins sonnige Tirano. In Zahlen ausgedrückt: Der Bernina<br />
Express fährt von 584 bis hoch auf 2253 und<br />
dann zurück auf 429 Meter über Meer. Fast wie eine<br />
Achterbahn – zumindest eine Achterbahn der Gefühle,<br />
dank der beeindruckenden Kulisse: Die Strecke<br />
führt vorbei an Gletschern und Bergseen über das<br />
Dach der RhB, Ospizio Bernina, hinunter ins Puschlav<br />
und weiter in Richtung Italien.<br />
Mehr als nur Fortbewegung<br />
Aus dem Bedürfnis heraus, die Alpen zu überwinden<br />
und eine Verbindung zwischen dem schweizerischen<br />
Mittelland und dem Veltlin in Norditalien herzustellen,<br />
ist die Idee der Berninalinie entstanden. Die<br />
Bahnstrecke von 61 Kilometern bot einige Hindernisse<br />
und verlangte den Bau von Brücken, Tunnels<br />
und Viadukten. Nicht umsonst gilt das Endergebnis<br />
als eine Meisterleistung der Ingenieurskunst und der<br />
Bernina Express ist von Beginn an mehr als nur ein<br />
Zug, der einen von A nach B chauffiert.<br />
Bereits 1969 konnte man ohne Umsteigen im gleichen<br />
Wagen von der Bündner Hauptstadt Chur bis<br />
nach Tirano fahren. Dies gelang dank den Sonderexemplaren<br />
der Einheitswagen EW I, die etwas kürzer<br />
waren als das Original und die mit einer Zweispannungsanlage<br />
sowohl für das RhB-Stammnetz als<br />
auch die Berninastrecke ausgerüstet waren. Es war<br />
ein grosser Moment für die Berninalinie, um nicht zu<br />
sagen eine bahnbrechende Entwicklung, der schon<br />
bald der grosse Bernina Express folgte: 1973 lancierten<br />
die damaligen Verantwortlichen der RhB den<br />
Bernina Express als eigenständigen Zug.<br />
Die Hauptmerkmale der RhB entwickeln sich<br />
Es waren kreative Köpfe in Chur, die unter der Führung<br />
des damaligen RhB-Direktors Otto Wieland die<br />
Marke Bernina Express ins Leben riefen. Sowohl mit<br />
seinem äusseren Erscheinungsbild wie auch mit der<br />
Innenausstattung schufen sie ein unverkennbares<br />
Markenzeichen. Die Fahrgastzahlen schnellten nach<br />
oben, sodass bereits zehn Jahre später das Wagenmaterial<br />
erneuert wurde. 1983 gönnte sich die RhB<br />
die ersten eigens für diese Strecke entworfenen Panoramawagen,<br />
zwei in der 1. und acht in der 2. Klasse<br />
– für alle sofort erkennbar am neuen zweifarbigen<br />
Anstrich: In glänzendem Rot, das im Jahr zuvor<br />
als offizielle RhB-Farbe eingeführt wurde, und mit<br />
graubraunem Fensterband hoben sich die Züge kontrastreich<br />
von ihrer Umwelt ab. Das Ambiente war<br />
modern, mit verglasten Abteiltrennwänden, weiten<br />
Sitzabständen und grossflächigen Senkfenstern. Die<br />
Panoramafenster brachten die Landschaft noch näher<br />
zum Fahrgast und boten eine noch nicht dagewesene<br />
Perspektive beim Bahnfahren.<br />
18 www.rhb.ch/contura
19
Alpentourismus: RhB erkennt Potenzial<br />
Die Schönheit der Alpenregion Graubündens zu entdecken,<br />
stiess auf Interesse. Die RhB realisierte das<br />
touristische Ausbaupotenzial schnell und legte ihr<br />
Augenmerk darauf, ein noch besseres Reiseerlebnis<br />
zu bieten. Die Bahnstrecke wurde aus diesem Grund<br />
modernisiert und an die wachsenden Anforderungen<br />
des Tourismus angepasst. Die Einheitswagen EW III<br />
boten noch bessere Sicht und noch mehr Bewegungsfreiheit.<br />
Einige Jahre später, im Jahr 2000, folgten dann die<br />
ersten Panoramawagen mit grossformatigen Fenstern<br />
und einer neuen Technologie, welche die Temperaturschwankungen<br />
in den Wagen auf dem Weg von<br />
Norden nach Süden – von Extremwerten von minus 20<br />
Grad bis plus 30 Grad Celsius – ausgleicht. Seit 2006<br />
schickt die RhB auf der Bernina Express Strecke diese<br />
Wohlfühl-Panoramakompositionen ins Rennen,<br />
heute oft gemeinsam mit den Allegra-Triebzügen. Der<br />
positive Effekt der modernisierten Züge, der Bahnhoferweiterungen<br />
und der Schaffung neuer touristischer<br />
Angebote entlang der Strecke liess nicht auf<br />
sich warten: So reisten bis heute rund 10 Millionen<br />
Fahrgäste im Bernina Express.<br />
Weiter geht’s: Das rote Postauto<br />
In Tirano enden die RhB-Gleise. Nicht aber die Reise:<br />
Schon 1992 wurde der Bernina Express Busbetrieb<br />
zwischen Tirano und Lugano eingeführt. Die logische<br />
Fortführung des Starzugs bringt die Gäste aus<br />
dem Norden in den Genuss einer Sprach-, Kultur- und<br />
Landesgrenzen überschreitenden Rundreise. Sie führt<br />
durch ganz Graubünden hinunter nach Tirano in Italien,<br />
weiter dem malerischen Comersee entlang bis<br />
nach Lugano, von wo aus es sich bequem durch den<br />
Gotthard zurückreisen lässt. Umgekehrt erreichen die<br />
Fans des «Trenino Rosso» aus dem Tessin und Norditalien<br />
ihren Liebling bequem auf einer Tagesausfahrt.<br />
Übrigens: 2010 wurde der Bernina Express Bus<br />
dem RhB-Design angepasst und dank rotem Anstrich<br />
zum ersten «roten Postauto».<br />
Meilenstein: UNESCO Welterbe RhB<br />
Ein Höhepunkt in der Geschichte des Bernina Express<br />
ereignete sich im <strong>Sommer</strong> 2008, als die Bahnstrecke<br />
Teil des UNESCO Welterbes wurde: UNESCO Welterbe<br />
RhB in der Landschaft Albula / Bernina heisst die Bezeichnung<br />
mit vollem Namen. Dieser Meilenstein<br />
führte zu noch mehr Popularität dieser Alpenregion –<br />
und das Ansehen ist wohlverdient: Die imposante<br />
Landschaft steckt voller Überraschungen, fast hinter<br />
jeder Kurve wartet ein neuer Höhepunkt, sei es der<br />
Landwasserviadukt, die berühmte Montebellokurve,<br />
der Kreisviadukt bei Brusio oder die Gletschermühlen<br />
von Cavaglia.<br />
Der Stolz der Bahnindustrie – seit 50 Jahren<br />
Seit nunmehr 50 Jahren bezwingt die rollende Legende<br />
eine der bekanntesten Bahnstrecken der Welt<br />
und heute gilt der Bernina Express als einer der zehn<br />
beliebtesten touristischen Panoramazüge weltweit.<br />
Die von der Natur gestellten Hindernisse wurden hier<br />
durch aufwendige Bauten bewältigt. Die Entwicklung<br />
des Bernina Express macht die Errungenschaft<br />
der Bahnpioniere genauso wie die Fortschritte der<br />
Bahnindustrie deutlich. Er ist ein Meisterwerk der<br />
Bahntechnik, das auf eindrückliche Weise Landschaft<br />
und Technologie in sich vereint. (msz/sue)<br />
Verewigen Sie<br />
Ihren Wow-Moment<br />
im Bernina Express<br />
→ www.berninaexpress.ch/50jahre<br />
20 www.rhb.ch/contura
Beliebtes Fotomotiv:<br />
die Montebellokurve<br />
Weltberühmt:<br />
der Landwasserviadukt<br />
Mittendrin:<br />
dank grossflächiger Panoramafenster<br />
Das rote Postauto:<br />
der Bernina Express Bus<br />
UNESCO Welterbe RhB 21
Happy Birthday<br />
Bernina Express<br />
Mitmachen und gewinnen<br />
Zu Ehren des 50-jährigen Jubiläums<br />
testen wir Ihr Wissen rund um die<br />
Entstehungsgeschichte des Bernina<br />
Express.<br />
Schon bald kann es für Sie heissen:<br />
«Nächster Halt: Bernina Express».<br />
Zu gewinnen:<br />
Zwei Bernina Express Tickets<br />
Unter den richtigen Einsendungen<br />
verlosen wir 2 x 2 Tickets der 1. Klasse<br />
für eine Fahrt mit dem Bernina<br />
Express (inkl. Sitzplatzreservation).<br />
Seit dem Jahr 2000 erfreut der Bernina Express mit den ersten …<br />
Welche Kurve zählt zu den Höhepunkten der Berninalinie?<br />
2<br />
In welcher Landschaft befindet sich das UNESCO Welterbe RhB?<br />
Welches gelbe Verkehrsmittel erhielt 2010 einen roten Anstrich?<br />
4<br />
/<br />
3<br />
1<br />
Welches imposante Bauwerk überquert der Bernina Express in Brusio?<br />
5<br />
Wie hiess der damalige RhB-Direktor, als der Bernina Express lanciert wurde?<br />
6<br />
Lösungswort bitte einreichen via<br />
www.rhb.ch/contura-wettbewerb<br />
Einsendeschluss ist der<br />
30. September <strong>2023</strong>.<br />
Wo befindet sich das «Dach der RhB»?<br />
7<br />
Wie wird der Bernina Express auf Italienisch auch genannt?<br />
8<br />
Die Teilnahme ist gratis und unverbindlich.<br />
Die Gewinnerinnen und Gewinner werden<br />
schriftlich benachrichtigt. Eine Barauszahlung<br />
der Preise ist nicht möglich.<br />
Über die Auslosung wird keine Korrespondenz<br />
geführt und der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />
Die persönlichen Daten werden<br />
vertraulich behandelt und nicht an Dritte<br />
weitergegeben.<br />
In welcher südlichen Stadt enden die RhB-Gleise?<br />
9<br />
Wo befinden sich die Gletschermühlen?<br />
10<br />
22<br />
www.rhb.ch/contura
Graubünden<br />
liegt in der Luft<br />
Lifestyle-Tipps mit frischer Bündner Bergluft<br />
Bergwiesenduft<br />
zum Trinken<br />
Im Schellenursli-Dorf Guarda pflanzen die Mitarbeitenden<br />
des Projekts «Guarda Kräuter» sorgsam ihre<br />
Kräuter an. Diese werden zu Tee, Gewürzen oder Salben<br />
weiterverarbeitet. Der prachtvolle und duftende<br />
Kräutergarten ist im Bergdorf als Schaugarten beliebt:<br />
Auf 1650 Metern auf einer steilen Sonnenterrasse gelegen,<br />
ist dies das wohl höchstgelegene Kräuterbeet<br />
der Schweiz.<br />
→ www.guarda-kraeuter.ch<br />
Graubünden<br />
im Flakon<br />
Die frische Bergluft des Bündnerlands gibt es abgefüllt<br />
zu kaufen: Mit der Duftkreation ODUR – räto-<br />
romanisch für Duft – assoziieren Claudio Zier und<br />
Patrick Stebler die Kraft der Bündner Berge. Die vier<br />
Kreationen der Duftreihe enthalten alle mindestens<br />
20 Prozent ätherische Öle und möchten so nah wie<br />
möglich an die Frische der Natur herankommen.<br />
→ www.odur.ch<br />
Auf Tour mit dem<br />
Bergluft-Sommelier<br />
Bergluft-Sommelier Patrick Stebler beschreibt die Luft<br />
hoch hoben im Engadin als die vielleicht vielfältigste<br />
Spezialität Graubündens. Er weiss, welche Schlucht<br />
wie ein <strong>Sommer</strong>morgen riecht und welcher Wald mit<br />
harzigen Noten beruhigend wirkt. Ab <strong>Frühling</strong> <strong>2023</strong><br />
bietet er in Zusammenarbeit mit Graubünden Ferien<br />
Bergluft-Touren an und führt die Teilnehmenden an<br />
Orte, wo verschiedenste Duftfacetten regieren.<br />
→ www.graubuenden.ch/bergluft<br />
Arvenduft:<br />
für besseren Schlaf<br />
«Die Königin der Alpen» ist unter vielen Namen bekannt:<br />
Arve, Arbe, Zirbe, Dschember, Schiember,<br />
Schember, Cier, Cirum, Zirm oder Cirmul. Ihre königliche<br />
Auszeichnung erhielt die Arve nicht zuletzt<br />
dank ihrem wohltuenden, beruhigenden Duft, dessen<br />
positive Wirkung auf die Gesundheit inzwischen<br />
wissenschaftlich belegt ist. Besonders beliebt ist<br />
das mit Arvenholzspänen gefüllte Arvenkissen für<br />
einen erholsamen, tieferen Schlaf.<br />
Auf dem Radar<br />
23
Vom Bergbauernsohn<br />
zum Luxushotelier<br />
Das Cäsar Ritz Museum an der Glacier Express Strecke<br />
Der Glacier Express gehört zu den Zugpferden der<br />
Rhätischen Bahn. Dabei geht die Reise ein gutes Stück<br />
über die Gleise der RhB, ja gar über Graubünden hinaus:<br />
Kurz nach Disentis/Mustér verlässt der berühmte<br />
Zug den Kanton, durchquert Uri und fährt dann<br />
ins Wallis ein. Hier passiert er einen kleinen Ort, der<br />
mit einem grossen Namen aufzuwarten vermag: Dem<br />
berühmten Hotelier Cäsar Ritz ist in Niederwald ein<br />
Museum gewidmet. Wer war der Mann, der die Luxus-Hotelmarke<br />
erfand?<br />
Wo der Glacier Express normalerweise vorbeirauscht,<br />
legen wir heute einen Stopp ein: in Niederwald beim<br />
Cäsar Ritz Museum. Es ist dem «König der Hoteliers<br />
und Hotelier der Könige» gewidmet. Diese Bezeichnung<br />
hat sich der Schweizer damit verdient, dass er<br />
einige der luxuriösesten Hotels in Europa eröffnete,<br />
darunter das Savoy Hotel London und das Hotel Ritz<br />
in Paris.<br />
Ein reales Tellerwäscher-Märchen<br />
Dabei waren die Schienen für Cäsar Ritz’ Leben nicht<br />
gerade in Richtung Luxushotellerie gelegt. Er wurde<br />
1850 in Niederwald als dreizehntes und damit<br />
jüngstes Kind einer Bergbauernfamilie geboren und<br />
das Leben war karg und hart. Cäsars Interesse für<br />
die Landwirtschaft hielt sich denn auch in Grenzen<br />
und er trat als junger Mann stattdessen eine Stelle<br />
als Kellner in einem Hotel in Brig an. Anders als<br />
sein späterer Erfolg es vermuten liesse, war er in dieser<br />
Position aber nur mässig erfolgreich und er verliess<br />
kurz darauf die Schweiz in Richtung Paris, wo<br />
1867 die Weltausstellung stattfand. Es folgten diverse<br />
weitere Anstellungen als Kellner in der Schweiz, in<br />
Deutschland, in England und Frankreich. Dort traf er<br />
schliesslich auch die Elsässerin Marie-Louise Beck, die<br />
er 1888 in der Kirche Notre Dame in Cannes heiratete.<br />
Es heisst, seine Ehefrau sei ihm in seinem gesamten<br />
Leben eine grosse Stütze gewesen. In den Jahren<br />
nach der Hochzeit war Cäsar beruflich sehr erfolgreich,<br />
verdiente zum ersten Mal in seinem Leben richtig<br />
gutes Geld und wurde als Direktor ins Hotel Savoy<br />
in London berufen. Gleichzeitig widmete er sich dem<br />
Hotel de Provençe in Cannes und dem Restaurant de<br />
la Conversation in Baden-Baden, die er bereits 1887<br />
erworben hatte. Das Savoy in London musste Cäsar<br />
schliesslich aufgrund von «Unregelmässigkeiten» verlassen,<br />
einige vermuteten auch Erfolgsneid als Grund<br />
für seine Entlassung. Doch davon liess sich Cäsar Ritz<br />
nicht entmutigen – im Gegenteil: 1898 eröffnete er<br />
sein eigenes Hotel in Paris. Und dieses Hotel Ritz an<br />
der Place Vendôme in Paris wurde zu einem seiner<br />
grössten Erfolge.<br />
Zwischen Genialität und Tragik<br />
Die Liste der Luxus- und Grandhotels, für die Cäsar<br />
Ritz europaweit verantwortlich war, liesse sich noch<br />
um einige Namen ergänzen, beispielsweise um das<br />
Hotel Carlton in London (1899) oder um das Grand<br />
Hotel des Thermes im italienischen Salsomaggiore<br />
(1900). Dank harter Arbeit, eiserner Disziplin und<br />
grossem Ideenreichtum, aber auch dank seiner Sozialkompetenz<br />
war Cäsar Ritz einer der erfolgreichsten<br />
Hoteliers seiner Zeit. Ihm wird beispielsweise die<br />
Erfindung des Zimmerservice zugeschrieben, ebenso<br />
24 www.rhb.ch/contura
Oben: Cäsar Ritz mit seiner Frau Marie-Louise 1888.<br />
Unten: Das berühmte Hotel Ritz in Paris um 1900.<br />
Glacier Express 25
Das Cäsar Ritz Museum gibt Einblick in eines<br />
der Zimmer des Hotels Ritz in Paris.<br />
26 www.rhb.ch/contura
wie einige andere innovative Ideen, die das heutige<br />
moderne Gastgewerbe prägen sollten. Doch die viele<br />
Arbeit lastete schwer auf seinen Schultern. Gleichzeitig<br />
hatte er mit Marie-Louise zwei Söhne, Charles<br />
und René, für die er allerdings nicht nur der langen<br />
Arbeitstage wegen wenig Zeit fand: Die vollkommene<br />
Hingabe für seinen Beruf hinterliess ihre Spuren,<br />
das enorme Arbeitspensum forderte schliesslich seinen<br />
Tribut und Cäsar Ritz erlitt 1902 einen Zusammenbruch,<br />
von dem er sich nie mehr richtig erholte.<br />
Depressionen und weitere Zusammenbrüche wurden<br />
nur durch kurze bessere Phasen unterbrochen und er<br />
war nicht mehr in der Lage, seiner Arbeit nachzugehen.<br />
Seine letzten rund 15 Lebensjahre verbrachte er<br />
mehrheitlich in abgedunkelten Räumen. Die Eröffnung<br />
des Hotel Ritz in Budapest 1913, genauso wie<br />
die schwierige Zeit des Ersten Weltkriegs, nahm er<br />
kaum zur Kenntnis. Am 26. Oktober 1918, mit 68 Jahren,<br />
verstarb Cäsar Ritz. Marie-Louise führte das Vermächtnis<br />
ihres Mannes bis an ihr Lebensende weiter.<br />
Übrigens: Der Luxus, für den Cäsar Ritz in der Hotellerie<br />
prägend war, hat auch Einzug gehalten im Glacier<br />
Express. Seit 2020 gibt es die Excellence Class: Elegantes,<br />
dunkles Nussbaumholz, handgetuftete Teppiche,<br />
Stimmungslicht mit indirekten LED-Spots, verstellbare<br />
Ledersitze, mit Blattgold beschichtete Spezialleuchten<br />
und «Scherenschnitt»-Friesen mit Berglandschaften<br />
machen Luxus auf der Fahrt von St. Moritz / Davos nach<br />
Zermatt erlebbar. Und das Bijou der Excellence Class:<br />
die aus Rheintaler Quarzit gefertigte Bar mit ihrer riesigen,<br />
blattgoldverzierten Kompass-Kuppel. An dieser<br />
Art von Luxus hätte bestimmt auch Cäsar Ritz seinen<br />
Gefallen gefunden. (sue)<br />
Der Luxus kehrt zurück – und geht auf Reisen<br />
In der Ausstellung in Niederwald wird der Lebensweg<br />
des legendären Hoteliers und seiner Frau nachgezeichnet<br />
und ein Hotelzimmer des berühmten Pariser<br />
Hotels Ritz ausgestellt. Der von Cäsar und Marie-Louise<br />
Ritz geschaffene Luxus kehrt damit an jenen Ort zurück,<br />
an dem vor über 170 Jahren in ärmlichen Verhältnissen<br />
alles begann. Hier können Besucherinnen<br />
und Besucher Fotos von ihm mit einigen der berühmtesten<br />
europäischen Persönlichkeiten wie Kaiser Wilhelm<br />
II., König Edward VII. und Zar Nikolaus II. sowie<br />
Zeitungsartikel aus ganz Europa über ihn und seine<br />
Arbeit im Gastgewerbe im Laufe der Zeit betrachten.<br />
Darüber hinaus können die Gäste diverse Artefakte<br />
aus unterschiedlichen Epochen seines Lebens besichtigen,<br />
beispielsweise Möbel aus verschiedenen Hotels,<br />
die er besass oder leitete, oder Gegenstände aus Privatsammlungen,<br />
die einen Einblick in seine Lebensweise<br />
während bestimmter Abschnitte seines Lebens<br />
geben.<br />
Nächster Halt –<br />
Cäsar Ritz Museum<br />
Entdecken Sie das Leben<br />
von Cäsar Ritz:<br />
<br />
→ www.stationritz.ch<br />
Glacier Express 27
Die letzte Mühle<br />
des Engadins<br />
Reise in die Vergangenheit<br />
28 www.rhb.ch/contura
Einst war das Engadin eine Kornkammer. In Ftan<br />
erinnert eine Mühle an diese Zeit. Cilgia Florineth hält<br />
sie in der fünften Generation in Schuss und nimmt<br />
Besucherinnen und Besucher auf eine Zeitreise mit.<br />
Tradition<br />
29
Viel hat sich hier am westlichen Dorfrand von Ftan in<br />
den letzten Jahrhunderten auf den ersten Blick nicht<br />
verändert. L’aual da muglin, der Mühlbach, rauscht<br />
wie eh und je, in der Luft hängt ein leiser Duft nach<br />
frischem Mehl und eigentlich müsste jetzt dann gleich<br />
der Müller um die Ecke kommen. Oder ein Bauer aus<br />
Ftan, der Getreide zum Mahlen bringt.<br />
Doch die Kornfelder sind verschwunden, die Bauern<br />
kommen nicht mehr, die Müller sind schon lange gegangen.<br />
Dafür öffnet eine Frau die Türe zur Muglin<br />
und sagt «Allegra, ich bin Cilgia Florineth – kommt<br />
doch herein.» Dann beginnt die Engadinerin zu erzählen<br />
und nimmt einen mit auf eine fesselnde Reise<br />
durch die Engadiner Geschichte. «Dieses Gebäude mit<br />
der über 400 Jahre alten Mühle wechselte 1831 den<br />
Besitzer: Der gelernte Mühlebauer und Müller Jakob<br />
Florineth – mein Ururgrossvater – war fünf Jahre zuvor<br />
nach Ftan gekommen und erwarb 1831 die Mühle<br />
für 300 Gulden», erzählt die Ururenkelin. Sein Lebenswerk,<br />
die zweite Mühle, baute er zwischen 1832<br />
und 1835. Damals war das Engadin eine eigentliche<br />
Kornkammer. Cilgia Florineth fährt fort: «Die Bauern<br />
terrassierten hier über Jahrhunderte die Landschaft<br />
und pflanzten für sich und ihre Tiere vor allem Gerste,<br />
aber auch Hafer, Roggen, Weizen und Dinkel an.<br />
Als Selbstversorger waren sie auf Gedeih und Verderb<br />
auf die Ernten angewiesen.» Nichts, kein Halm sei<br />
verloren gegangen. «So etwas wie Foodwaste gab es<br />
nicht.»<br />
Backtage waren früher<br />
ein sozialer Event.<br />
Zugmaschinen statt Ochsen<br />
Als die Müllerstochter ein Kind war, existierten noch<br />
viele Mühlen im Tal; allein in Ftan standen mindestens<br />
acht. «Und heute gibt es im ganzen Engadin nur<br />
noch diese Mühle hier.» Wie konnte es so weit kommen?<br />
«Noch bis in die Fünfzigerjahre lebten die meisten<br />
Menschen im Tal von der Landwirtschaft. Viele<br />
arbeiteten mit Pferden und Ochsen als Zugtiere. Wer<br />
beides nicht vermochte, spannte eine Kuh ein», erinnert<br />
sich die Ftanerin. Doch langsam wurden aus den<br />
Zugtieren Zugmaschinen, Traktoren lösten die Ochsen<br />
und Pferde ab. Es kam ein bisschen Geld ins Tal, die<br />
Verkehrswege verbesserten sich und ab der Mitte des<br />
letzten Jahrhunderts verlor der Getreideanbau seine<br />
Wichtigkeit. Es brauchte immer weniger Mühlen, immer<br />
weniger Müller.<br />
Erhalt einer Zeitzeugin<br />
Dass es die Ftaner Mühle noch gibt, ist dem Schweizer<br />
Heimatschutz und den fünf Generationen Florineth<br />
zu verdanken. Cilgia Florineth hatte die Möglichkeit,<br />
die Mühle nach dem Tod ihres Vaters nach überliefertem<br />
Wissen weiter zu betreiben und das Kleinod mit<br />
grossem Engagement zu betreuen. Es war für sie undenkbar,<br />
die von Generationen geprägte Zeitzeugin<br />
einer ungewissen Zukunft zu überlassen. Eine Vereinbarung<br />
mit dem Schweizer Heimatschutz ermöglichte<br />
2014 die Gründung einer regionalen Stiftung, der<br />
«Fundaziun Muglin da Ftan». Die Vereinbarung beinhaltet<br />
die Verpflichtung, die Mühle so lange wie möglich<br />
in Betrieb zu halten und den öffentlichen Zugang<br />
zu sichern. Besucherinnen und Besucher treffen nicht<br />
einfach auf ein Museum, sondern auf ein Gebäude<br />
mit zwei vollständig funktionierenden Mühlen und<br />
der ehemaligen Wohnstube der Florineths. Die Mühlen<br />
mahlen nicht nur, sie zeigen auch, wie nachhaltig<br />
früher gebaut wurde: Die originalen eisernen Wasserräder<br />
sind von Hand geschmiedet, die Zahnräder, die<br />
beim Mahlen ineinandergreifen, aus Holz gefertigt.<br />
Für jeden Mühleteil wurde – je nach Funktion – anderes<br />
Holz verwendet, das zum Teil durch Tauchbäder<br />
in siedendem Öl widerstandsfähiger gemacht wurde.<br />
30 www.rhb.ch/contura
Zeitzeugin: Die Mühle in Ftan ist die letzte Mühle im Engadin.<br />
Sie ist über 400 Jahre alt – und funktioniert noch heute.<br />
Tradition<br />
31
Wenn die Bauern ihre Ernte brachten, wurde akribisch genau<br />
notiert, welcher Bauer was und wie viel lieferte.<br />
32 www.rhb.ch/contura
Strenge Kontrollen<br />
«Die Mühle lief früher vor allem ab Herbst bis in den<br />
Winter hinein. Und dann nochmals ab Spätwinter bis<br />
ins Frühjahr», erinnert sich die Müllerstochter. «Dann<br />
brachten die Bauern ihre Ernte und mein Vater musste<br />
akribisch genau aufschreiben, welcher Bauer was<br />
und wie viel lieferte und wieder abholte.» Darüber<br />
wachte die Eidgenössische Getreideverwaltung. Sie<br />
kontrollierte in der Person eines Beamten aus Chur<br />
auch die Sauberkeit und das gute Funktionieren der<br />
Mühle. Zum Beweis des Gesagten zeigt die heutige<br />
Müllerin ein Journal, in das ihre Vorfahren die jeweiligen<br />
Daten mit einer wunderschönen Handschrift eintrugen.<br />
«Das fertige Mehl musste jeweils – ebenfalls<br />
auf Geheiss der Bundesbehörde – innerhalb von drei<br />
Tagen abgeholt werden», spinnt sie den Geschichtsfaden<br />
weiter. «Also liefen meine Brüder und ich oft<br />
nach der Schule zu den verschiedenen Höfen. Wir<br />
richteten den Bauern aus, dass sie das Getreide abholen<br />
mussten. Und manchmal überbrachten wir die<br />
bescheidene Rechnung für den Mahlauftrag.»<br />
Bei den Bauern wurde das Getreide auf den Speichern,<br />
das Mehl in Truhen und das Viehfutter in Futterkisten<br />
gelagert. Oft waren die Häuser mit einem<br />
Brotofen ausgestattet. «Meine Grossmutter ist in einem<br />
solchen Haus aufgewachsen. An den Backtagen<br />
kamen jeweils die Nachbarinnen mit dem Teig auf den<br />
Teigbrettern», erinnert sich die Enkelin. «Der Backtag<br />
war – wie man heute sagen würde – auch ein<br />
sozialer Event.»<br />
Proxima fermada – Mühle Ftan<br />
Wer die Mühle gerne persönlich in<br />
Augenschein nehmen möchte,<br />
findet hier weitere Informationen:<br />
<br />
→ www.muglin-ftan.ch<br />
Cilgia Florineth<br />
behütet und betreibt<br />
die Mühle in Ftan<br />
in fünfter Generation.<br />
Lob der Langsamkeit<br />
Heute lebt Cilgia Florineth in der Mühle. Sie kennt die<br />
technischen Details, setzt Augen und Ohren ein, um<br />
bei Unregelmässigkeiten und Funktionsstörungen sofort<br />
eingreifen zu können und erzählt liebevoll die<br />
Mühlegeschichte(n). Ganz im Sinn einer ihrer Vorfahren,<br />
der sagte: «Hier soll nur arbeiten, wer dies mit<br />
Herz und Liebe, in Ruhe und Langsamkeit tut, wer<br />
Ehrfurcht hat vor den Menschen, die hier gelebt und<br />
gewirkt haben, und die Frucht des Ackers nicht verhöhnt.»<br />
(ba)<br />
Tradition<br />
33
Unsere Güterbahn<br />
in Zahlen<br />
Schon gewusst?<br />
Ein Güterwagen hat Platz für<br />
2 Mulden mit je 10 Tonnen Material<br />
1t 1t 1t 1t 1t<br />
1t 1t 1t 1t 1t<br />
1t 1t 1t 1t 1t<br />
1t 1t 1t 1t 1t<br />
78500<br />
Am grössten RhB-Umschlagszentrum in Landquart<br />
verlassen täglich zirka 20 Güterzüge den Bahnhof<br />
in Richtung Engadin (und zurück).<br />
Das entspricht rund 1/3 des Umsatzes der Güterbahn.<br />
LKW-Fahrten<br />
werden dank Schienengüterverkehr in<br />
Graubünden eingespart<br />
10 x<br />
weniger C0 2<br />
34 rhb.ch/contura<br />
als Lastwagen verursacht der Verkehrsträger<br />
«Zug» im Durchschnitt
Um<br />
04:00<br />
Uhr morgens verlässt der erste Güterzug das<br />
Güterumschlagszentrum Landquart in Richtung Engadin,<br />
der letzte Güterzug erreicht Landquart um<br />
23:00<br />
Die RhB transportiert total<br />
600000<br />
Tonnen<br />
Güter pro Jahr …<br />
… das entspricht in etwa dem Gewicht von<br />
100000<br />
Elefanten<br />
35
36 www.rhb.ch/contura
Die heisse<br />
Phase im<br />
Hintergrund<br />
Garantiearbeiten beim Capricorn<br />
Die Inbetriebnahme der neuen Capricorn-Flügeltriebzüge<br />
ist in vollem Gange. Über 40 Stück sind inzwischen<br />
an die RhB ausgeliefert worden. Während die<br />
Passagiere bereits die Annehmlichkeiten des neuen<br />
Zuges geniessen, laufen im Hintergrund noch detaillierte<br />
Kontrollen, denn im August dieses Jahres fallen<br />
die ersten Fahrzeuge aus der Garantie.<br />
Der Abschluss eines langen Projekts rückt langsam in<br />
sichtbare Nähe. Seit dem ersten Leistungspflichtenheft<br />
im Jahr 2012 sind mehr als zehn Jahre ins Land<br />
gezogen. Im <strong>Sommer</strong> 2024 sollen alle 56 Stück der<br />
umgangssprachlich Capricorn genannten Züge ausgeliefert<br />
und auf dem RhB-Netz unterwegs sein. Doch<br />
zwischen «Auslieferung» und «unterwegs sein» liegt<br />
ein gutes Stück Arbeit.<br />
Probleme lokalisieren<br />
Die Arbeit von Robin Mühlmeyer nämlich. Er ist Garantiebetreuer<br />
der neuen Triebzüge. Der studierte<br />
Schienenfahrzeugtechniker kam für ein Praktikum zur<br />
RhB und erhielt anschliessend im <strong>Frühling</strong> 2021 diese<br />
neu geschaffene Stelle. «In dieser Position begleite<br />
ich die Garantiephase jedes einzelnen neuen Fahrzeugs»,<br />
erklärt Mühlmeyer. Das bedeutet konkret:<br />
Jedes noch so kleine auftretende Problem wird vom<br />
29-Jährigen erfasst. Ob lockere Haltestangen, eine<br />
tropfende Klimaanlage, falsche Fahrgastinformationen<br />
auf den Bildschirmen oder Fenster, die nicht<br />
37
Der letzte Schliff: Robin Mühlmeyer überwacht<br />
die Garantiearbeiten an den Capricorn-Zügen.<br />
38 www.rhb.ch/contura
ichtig schliessen; alles wird akribisch notiert. Nicht<br />
von Robin Mühlmeyer allein, versteht sich. Er bewegt<br />
sich zwischen Büroarbeit und Begutachtungen vor Ort<br />
im Capricorn und findet diese Abwechslung extrem<br />
spannend: «Jeden Tag gibt’s was anderes zu tun, das<br />
finde ich cool.»<br />
Viele Rückmeldungen erhält Mühlmeyer direkt von<br />
den Lokführerinnen und Lokführern, die auftretende<br />
Probleme auf einer digitalen Plattform selbst eintragen<br />
können. Gleichzeitig durchläuft jeder neue<br />
Zug einen zweiwöchigen Probeeinsatz im fahrplanmässigen<br />
Betrieb, währenddem das Fahrzeug unter<br />
ständiger Beobachtung ist. Da fährt der Garantiebetreuer<br />
teilweise mit und überprüft gewisse Dinge vor<br />
Ort. Seine Erkenntnisse hält Robin Mühlmeyer ebenfalls<br />
auf der Problemerfassungsplattform Redmine<br />
fest. Besonders hilfreich ist, dass sich ähnliche oder<br />
mehrfach auftretende Fehler dank dieser Plattform<br />
miteinander verknüpfen und sich so Muster erkennen<br />
lassen. «Ich entscheide dann, ob es sich bei einem<br />
Problem um eine Fehlmanipulation, Vandalismus<br />
oder einen Garantiefall handelt. Garantiefälle werden<br />
dem Hersteller Stadler Rail gemeldet und gemeinsam<br />
gelöst», so Robin Mühlmeyer.<br />
Geduld, Geduld<br />
So weit die Theorie. Es liegt in der Natur der Sache,<br />
dass dieser ganze Vorgang nicht immer ganz reibungslos<br />
und vor allem nicht immer ganz so schnell<br />
wie in der Erzählung abläuft. Türen, die nicht richtig<br />
öffnen und schliessen, oder eine Kupplung mit<br />
undichter Hauptluftleitung: Solche und ähnliche<br />
Schwierigkeiten werden vom Zug zwar selbstständig<br />
erfasst und können anschliessend ausgelesen und<br />
ausgewertet werden, was zu guten Diagnosedaten<br />
führt. «Wir haben dadurch eine umfassende Übersicht<br />
darüber, welcher Zug wie oft welchen Fehler<br />
meldet. Tritt ein Fehler zwei- oder dreimal auf, sind<br />
das meist Einzelfälle. Wird ein Fehler aber hundertmal<br />
gemessen, ist es oft ein Garantiefall», so Mühlmeyer.<br />
Manchmal sind dann Verhandlungen nötig.<br />
Und nicht alle Probleme sind gleich dringlich. So kann<br />
es bei der hohen Arbeitslast aller Beteiligten durchaus<br />
sein, dass die Lösung nur langsam vorangeht: «Es<br />
kommt vor, dass ein von uns identifiziertes Software-<br />
Problem erst ein halbes oder ganzes Jahr später gelöst<br />
werden kann.» Apropos Software: Es liegt nahe, dass<br />
diverse Garantiefälle sich längst nicht mehr nur auf<br />
die Hardware beziehen, auf Kratzer am Material oder<br />
quietschende Türen. Bei einem State-of-the-Art-Zug<br />
wie dem Capricorn verstecken sich diverse Probleme<br />
im Detail, sprich: in der Software. «Viele Fehler lassen<br />
sich heutzutage per Software-Update beheben –<br />
und mit jedem dieser Updates wird der Capricorn<br />
wieder ein Stück besser», so Robin Mühlmeyer.<br />
Im Fahrplan<br />
Die Beschaffung der Capricorn-Züge gilt als grösste<br />
Rollmaterialerneuerung in der Geschichte der RhB.<br />
Seit Dezember 2019 rollen die ersten neuen Flügeltriebzüge<br />
auf den Gleisen, im <strong>Frühling</strong> <strong>2023</strong> sind es<br />
nun über 40 Stück und das Projekt ist damit auf Kurs.<br />
Robin Mühlmeyers Arbeit als Garantiebetreuer für die<br />
Capricorn-Triebzüge wird voraussichtlich Ende 2026<br />
abgeschlossen sein, da dann die letzten Fahrzeuge<br />
aus der Garantie kommen. «Auf die ersten sechs<br />
Triebzüge hatten wir vier Jahre Garantie, auf die folgenden<br />
zwölf Stück drei Jahre und auf die übrigen<br />
Züge dann zwei Jahre», erläutert er. Mühlmeyers<br />
Arbeit für die RhB wird hingegen kaum enden, denn<br />
sind erstmal alle neuen Fahrzeuge auf den Schienen<br />
unterwegs, besteht die Hälfte der RhB-Flotte aus<br />
Capricorn-Triebzügen. «Das umfangreiche Wissen,<br />
das ich mir bis dahin zum Capricorn angeeignet habe,<br />
wird es auch in Zukunft noch brauchen», ist er überzeugt.<br />
(sue)<br />
Mit jedem Software-Update<br />
wird der Capricorn ein Stück<br />
besser.<br />
Innovation 39
Per Luxus-Express<br />
durch Südostasien<br />
Top-Ten-Züge<br />
Der Eastern & Oriental Express bietet eine Reise der<br />
Extraklasse durch das exotische Südostasien. Während<br />
der Reise vorbei am Dschungel, an alten Tempeln<br />
und malerischen Dörfern erlebt man Abenteuer, kombiniert<br />
mit purer Entspannung und Service. Der 400<br />
Meter lange Luxuszug verkörpert dabei die Romantik<br />
des ursprünglichen Reisens.<br />
Fahrende Unterkunft im Kolonialstil<br />
Der Nachtzug wurde 1972 in Japan erbaut und verkehrte<br />
danach einige Jahre in Neuseeland. Anschliessend<br />
wurde der Zug nach Singapur gebracht, wo er im<br />
Jahr 1992 umfassend im Kolonialstil renoviert wurde.<br />
Mit 66 Zweibettabteilen, einem Speisewagen, einem<br />
Barwagen inklusive Piano, Salonwagen sowie einem<br />
offenen Wagen für die Aussicht bietet der Zug sowohl<br />
Exklusivität als auch Gemütlichkeit. Geschlafen wird<br />
in einer privaten Kabine mit Fenster. Dabei kann zwischen<br />
drei Klassen gewählt werden, die Kabinen sind<br />
zwischen sechs und zwölf Quadratmeter gross und<br />
verfügen über ein eigenes Badezimmer.<br />
Ein kulinarisches Geschmackserlebnis auf Schienen<br />
Zu den Höhepunkten der Reise gehört die Küche. Aus<br />
lokalen und frischen Zutaten werden Menüs aus Asien<br />
und Europa – zum Beispiel eine Nudelspezialität aus<br />
Thailand oder ein Lamm-Medaillon – gezaubert. Mit<br />
einem Vier-Gänge-Frühstück im eigenen Abteil kann<br />
geruhsam in den Tag gestartet werden, während die<br />
restlichen Mahlzeiten im Speisesalon eingenommen<br />
werden. Den Tag abschliessen können die Gäste mit<br />
einem Drink an der Bar, inklusive Musik des einheimischen<br />
Pianisten.<br />
Seit 1993 zwischen Singapur, Malaysia und Thailand<br />
Die rund 2000 Kilometer lange Fahrt führt vorbei an<br />
antiken Wundern und kosmopolitischen Städten. Für<br />
die Fahrt von Singapur nach Bangkok ist der Express<br />
drei Tage (zwei Nächte) unterwegs. Am ersten Tag<br />
verlässt der Zug am Nachmittag den Bahnhof in Singapur.<br />
Die Gäste können es sich in ihrer Kabine gemütlich<br />
machen oder im offenen Aussichtswagen die<br />
Fahrt mit Blick auf die Landschaft geniessen. Danach<br />
wird im Speisewagen das Abendessen serviert. Nach<br />
dem Frühstück am zweiten Tag verlassen die Gäste in<br />
der Königsstadt Kuala Kangsar den Zug. Mit dem Reisebus<br />
geht der Ausflug weiter nach Labu Kabong, wo<br />
durch eine Führung das malaysische Leben entdeckt<br />
und die Ubudiah Moschee besucht werden kann. Für<br />
das Abendessen und die Übernachtung gehen die<br />
Gäste am späten Nachmittag wieder an Bord. Am<br />
letzten Tag wird in Kanchanaburi Halt gemacht, um<br />
die River Kwai Bridge und das Thailand-Burma-Eisenbahnmuseum<br />
zu besuchen. Nach einem abschliessenden<br />
Mittagessen im Speisewagen trifft der Express<br />
im Zielbahnhof in Bangkok ein.<br />
Evelyn Kocsis, ehemalige Zugmanagerin des Eastern &<br />
Oriental Express, erzählt: «Es gibt mal ruhigere, mal<br />
aufregendere Fahrten. Aber das Tolle ist, dass es uns<br />
praktisch immer gelingt, eine anregende Atmosphäre<br />
zu schaffen, in der die Leute aufeinander zugehen.» (jtr)<br />
40 www.rhb.ch/contura
Worldwide 41
42 www.rhb.ch/contura
Meisterin<br />
der Orientierung<br />
Waldlauf über Stock und Stein<br />
Die Spitzenathletin Simona Aebersold könnte wohl<br />
in vielen Sportarten reüssieren. Doch sie läuft allein<br />
durch die Natur und orientiert sich an Steinen, Felsen<br />
und Hügeln. Und sie will im Juli Orientierungslauf-<br />
Weltmeisterin in Flims Laax werden.<br />
Ein paar Ästchen knacken im Unterholz, trockenes<br />
Laub raschelt und dann gibt der Wald bei Pontresina<br />
eine junge, feingliedrige Frau frei. Diese Frau hat einen<br />
Traum und sie gibt alles, um ihn wahr werden<br />
zu lassen. «Ich bin Simona», sagt sie und lacht ein<br />
warmes Lachen, das auch die Augen miteinbezieht.<br />
Simona – das ist Simona Aebersold aus Brügg BE.<br />
24 Jahre alt und Europameisterin im Orientierungslauf<br />
(OL). «Das ist mein bis jetzt schönstes Resultat»,<br />
meint sie. Dazu kommen aber noch diverse andere<br />
Spitzenplätze an internationalen und nationalen<br />
Wettbewerben. Doch das ist schon Vergangenheit.<br />
Was jetzt zählt, ist das grosse Ding, auf das sich die<br />
junge Frau fokussiert: die Weltmeisterschaften im Juli<br />
<strong>2023</strong> in Flims Laax GR.<br />
Kopf- und Körperarbeit<br />
Warum rennt die Athletin dann durch die Föhrenund<br />
Arvenwälder des Engadins? «Die Meisterschaftsgelände<br />
werden jeweils für uns Athletinnen und Athleten<br />
rund drei Jahre im Voraus gesperrt. Niemand<br />
soll einen Vorteil haben.» Und da halten sich alle daran?<br />
«Im OL-Sport steht Fair Play an erster Stelle und<br />
ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen, dass<br />
niemand sich so einen Vorteil verschaffen will.»<br />
Wenn jemand – auch aus Versehen – im Wettkampfgelände<br />
landet und gesehen wird, ist das ganze Team<br />
für den Wettkampf gesperrt. Kopfarbeit allerdings ist<br />
nicht verboten. Darum gehört Kartenstudium zum<br />
Training von Simona Aebersold: «Für die WM in Flims<br />
geht es vor allem darum, das Relief zu verstehen und<br />
sich zu überlegen, wie schnell man im Gelände im<br />
Vergleich zum Weg vorwärtskommt. So kann man<br />
im Wettkampf abschätzen, ob es jetzt schneller ist,<br />
querfeldein zu laufen oder ob der Umweg auf dem<br />
Weg sich lohnt. Aber das sind letztendlich nur Spekulationen.<br />
Am Schluss kommt es dann doch anders.»<br />
Und weil auch im Leben sowieso immer alles anders<br />
kommen kann, orientiert sich die Frau nicht nur am<br />
Laufen, sie studiert Teilzeit Sportwissenschaften und<br />
Psychologie – wenn sie denn dazu kommt.<br />
Einzelkämpferin und Familienmitglied<br />
gleichermassen<br />
Simona Aebersold ist nicht die einzige OL-Läuferin,<br />
die immer wieder im Engadin weilt. Sie ist zusammen<br />
mit Athletinnen und Athleten aus der Schweiz,<br />
aber auch aus Norwegen und weiteren Ländern unterwegs.<br />
Sie trainieren gemeinsam und länderübergreifend.<br />
Spielt da der Konkurrenzkampf keine Rolle?<br />
«Während des Trainings überhaupt nicht», sagt die<br />
Frau aus dem Kanton Bern. «Etwas vom Schönsten<br />
an meinem Sport ist das: Wir sind – weltweit – eine<br />
grosse Familie. Man hilft und unterstützt einander.<br />
Erst wenn es dann ernst gilt, ist man auf sich allein<br />
gestellt.» Und warum kommen alle gerade ins Engadin?<br />
«Für ein Höhentrainingslager ist das Tal sehr gut<br />
Powerplay 43
geeignet, es gibt viele gute OL-Trainingsmöglichkeiten»,<br />
sagt die junge Frau. Aber wieso tut man sich<br />
das eigentlich an? Also mit der Karte so schnell wie<br />
möglich durch den Wald zu rennen. Man könnte doch<br />
auch einfach durch die Gegend joggen, laufen, spazieren<br />
– und wenn es denn sein muss, auch rennen –<br />
ohne sich um Höhenkurven und Routen zu kümmern<br />
und dabei auch noch mit dem Kompass zu hantieren?<br />
Simona lacht. «Laufen? Einfach laufen oder rennen?<br />
Viel zu langweilig!»<br />
Im OL-Sport steht Fair Play<br />
an erster Stelle.<br />
hat: «Die Wälder dort sind nicht so aufgeräumt wie<br />
hier, die Natur ist wilder. Ausserdem ist OL in Skandinavien<br />
fast ein Volkssport. If I can make it there,<br />
I’ll make it anywhere», zitiert Simona die berühmte<br />
Songzeile aus Frank Sinatras «New York, New York».<br />
Doch jetzt geht es zunächst mal um Flims Laax. Und<br />
die junge Frau aus dem Bernbiet tut alles, um Weltmeisterin<br />
zu werden. Alles heisst in ihrem Fall: Trainieren,<br />
trainieren und trainieren. Auch wenn es mal<br />
quer regnet. Oder Katzen hagelt. Wie motiviert man<br />
sich, wenn einem draussen der Himmel auf den Kopf<br />
fällt? Wenn es viel kuschliger wäre, einen Krimi von<br />
Jo Nesbø zu lesen oder sich eine Netflix-Serie reinzuziehen?<br />
Das tut Simona nämlich gerne. Wenn sie denn<br />
mal Zeit hat. Die Antwort kommt sofort: «Ich habe bei<br />
der letzten Weltmeisterschaft in Dänemark die Goldmedaille<br />
um sechs Sekunden verpasst. Das soll mir in<br />
Flims Laax nicht noch einmal passieren.» (ba)<br />
Nur die Besten<br />
Aber einfacher wäre das Leben als Läuferin schon.<br />
Und vor allem lukrativer. Simona Aebersold ist eine<br />
Spitzenathletin und in einer anderen Sportart – etwa<br />
als Leichtathletin – würden ihr im Stadion Tausende<br />
zujubeln. Und sie hätte keine Geldsorgen. Aber so<br />
rennt sie meist allein durch den Wald. Und auch den<br />
Sponsoren hinterher. Die gewinnt sie nur, wenn sie<br />
Topresultate erzielt. «Wenn du als OL-Läuferin von<br />
deinem Sport leben willst, musst du zu den Besten<br />
der Welt gehören», sagt sie und trinkt Milch mit Honig.<br />
«Das ist mein bevorzugtes Regenerationsgetränk.<br />
Ich kenne nichts Besseres.»<br />
Simona Aebersold<br />
ist Europameisterin im<br />
Orientierungslauf.<br />
Grosse Liebe OL<br />
Aber es ist nun mal so, wie es ist und Simona Aebersold<br />
liebt den OL. Geerbt hat sie diese Liebe wohl<br />
von ihrem Vater und Coach, Christian Aebersold. Der<br />
stand einst auch an der Spitze des OL-Sports und war<br />
dreimal Staffelweltmeister. Ihre Mutter, Gaby Aebersold,<br />
war mehrere Jahre Mitglied des Schweizerischen<br />
Berglaufkaders. Und auch ihr Freund, der Norweger<br />
Kasper Fosser, ist OL-Läufer. Nicht nur deshalb trainiert<br />
sie oft im Norden, wo sie auch Norwegisch gelernt<br />
44 www.rhb.ch/contura
Über Stock und Stein: Nur laufen oder rennen?<br />
Viel zu langweilig!<br />
Unverzichtbar beim OL:<br />
Kompass und Karte<br />
Powerplay 45
Ein neues<br />
Gesicht<br />
Lucas Cadonau, unser neuer Clà Ferrovia<br />
Lucas Cadonau, wie sind Sie zum neuen<br />
Clà Ferrovia geworden?<br />
Ich bin ein langjähriger Freund vom früheren Clà, dem<br />
bekannten Kindermusiker Marius Tschirky. Dank dem<br />
Erfolg mit seiner Band «Jagdkapelle» spielt er immer<br />
mehr Konzerte und hat dadurch weniger Zeit für den<br />
Clà. So durfte ich in die Rolle schlüpfen.<br />
Was gefällt Ihnen an der Figur?<br />
Die Kinder – auch im Unterland – kennen und lieben<br />
den Clà. Er ist, wie der Schellenursli, eine Art Bündner<br />
Heiligtum. Daher ist es für mich als Bündner eine<br />
grosse Ehre, dieser Figur ein Gesicht zu geben.<br />
Wie würden Sie Clà charakterisieren?<br />
Der Clà ist manchmal nicht der Hellste, aber sehr bauernschlau;<br />
manchmal nicht der Schnellste, aber auch<br />
wieselflink. Er kann alles, weiss alles – hat aber das<br />
meiste vergessen. Ich liebe diese Ambivalenz, sie lässt<br />
mir grosse Freiheiten bei der Interpretation der Figur.<br />
Wie sieht es mit Veränderungen an den<br />
Geschichten rund ums Lichter-, Gletscheroder<br />
Farbenland aus?<br />
Da muss gar nichts verändert werden, sie sind in sich<br />
stimmig und lang erprobt. Meine Aufgabe ist es, die<br />
Geschichten für grosse und kleine Kinder verständlich<br />
und lebendig zu erzählen. Mit all den Bergtrollen,<br />
Blonks und Steinohreulen ist das eine spannende und<br />
bisweilen herausfordernde Aufgabe.<br />
Was machen Sie, wenn Sie nicht als Clà<br />
unterwegs sind?<br />
Ich leite zusammen mit meiner Frau und dem älteren<br />
Sohn den Circus Balloni, biete Kinderanimationen im<br />
Bereich Zirkus an und trete als Clown auf: sowohl im<br />
Duo mit «Monsieur Grand» als auch mit einem interaktiven<br />
Solo-Programm. Für die Migros gebe ich den<br />
«Chraxel» an den Lagerfeuer-Nächten oder den «René<br />
Ranzig» beim Migros Bus-Spektakel. Was alle meine<br />
Figuren verbindet: Sie sind vielseitig und lustig.<br />
Haben Sie gewisse Veränderungen an der Figur<br />
vorgenommen?<br />
Unfreiwillig – weil ich nicht singen kann. Dafür kann<br />
mein Clà zaubern und ist sehr lustig. Wenn ich im Familienabteil<br />
des Alvra mitfahre, ist es für alle Gäste,<br />
die kurzen wie die langen, sehr unterhaltsam und<br />
amüsant.<br />
Wie sind Sie zum Zirkus gekommen?<br />
Schon als Kind war der Zirkus für mich das Grösste.<br />
Nach der Lehre bin ich mit einem kleinen Schweizer<br />
Zirkus mitgereist. Danach habe ich mich – frei nach<br />
dem Motto jung, dynamisch und naiv – selbstständig<br />
gemacht. Mittlerweile führe ich ein KMU im Bereich<br />
Zirkus, mit Zelten, Wagen, Halle und viel, viel<br />
Material.<br />
46 www.rhb.ch/contura
Abenteuer mit Clà Ferrovia<br />
Bereit für die nächste Reise mit unserem Kinderkondukteur?<br />
→ www.cla-ferrovia.ch<br />
Warum funktioniert Zirkus auch in Zeiten<br />
von Videogames und Social Media?<br />
Zirkus ist unmittelbar, echt, authentisch. Und er bietet<br />
in seiner Vielseitigkeit für alle etwas. Clowns und<br />
Tiere, Zauberer und Seiltänzerinnen, Akrobaten und<br />
Jongleurinnen. Daneben ist – zumindest bei mir – die<br />
Faszination gross, dass Material und Zelte in wenigen<br />
Stunden verpackt werden können und weiterreisen.<br />
Hatten Sie schon vor Ihrer Rolle als Clà<br />
einen Bezug zur RhB?<br />
Die Rhätische Bahn war für mich als Kind der «Ferienzug».<br />
Und das ist er auch für meine Kinder und Enkel.<br />
Ich habe schon vor meiner Rolle als Clà das gesamte<br />
Streckennetz abgefahren, da ich mich für historische<br />
Züge interessiere. Das Wissen, welches ich mir von<br />
Kindesbeinen an angeeignet habe, kommt mir jetzt<br />
sicher in der Rolle zugute.<br />
Clà Ferrovia<br />
47
«Das Schönste?<br />
Es ist alles schön!»<br />
Fensterplatz<br />
Guten Tag. Sie haben gerade mit dem Zugführer des<br />
Bernina Express geredet. Um was ging es?<br />
Wir haben so viele Fragen. Die Berge, die Flüsse, die<br />
Kunstbauten für die Albulastrecke. Uns kommt das<br />
alles wie ein Wunder vor.<br />
Wie sind Sie überhaupt im Bernina Express gelandet?<br />
Wir wohnen in den USA und wollten die Schweiz kennenlernen.<br />
Da haben uns Bekannte gesagt, wir sollten<br />
das am besten mit der Eisenbahn machen.<br />
War das ein guter Rat?<br />
Zunächst waren wir skeptisch. Bei uns macht man<br />
eigentlich alles mit dem Auto. Aber nun sind wir glücklich,<br />
dass wir uns für die Bahn entschieden haben.<br />
Etwas Besseres konnte uns nicht passieren.<br />
Was haben Sie alles gesehen?<br />
Wir fuhren zunächst mit dem Zug nach Zermatt und<br />
haben dort die Skipisten genossen. Von Zermatt sind<br />
wir dann mit dem Glacier Express nach Chur gereist.<br />
Es ist zwar eine lange Reise, aber sie ist jeden Kilometer<br />
wert.<br />
Was ist das Schönste an Ihrer Bahnreise?<br />
Alles. Alles ist schön. Die Landschaft, die Bahnstrecke.<br />
Beeindruckend ist aber auch die Freundlichkeit der<br />
Bahnleute und überhaupt der Menschen, die wir in<br />
der Schweiz getroffen haben.<br />
Sie haben ja auch in den USA Bahnstrecken und<br />
schöne Landschaften …<br />
… ja schon, aber so etwas wie die Rhätische Bahn,<br />
das finden Sie bei uns nicht.<br />
Robyn und Gerri Green<br />
leben in New York und<br />
waren zum ersten Mal<br />
in der Schweiz.<br />
48
Aussteigen,<br />
bitte<br />
Ihre nächsten Anschlüsse<br />
Highlights der kulinarischen<br />
Genussreisen <strong>2023</strong><br />
ab<br />
5. Mai<br />
Arosa Genussexpress:<br />
Es erwartet Sie nostalgisches Ambiente im<br />
Gourmino Speisewagen, ein Dreigang-Menü und<br />
die wildromantische Landschaft des Schanfiggs.<br />
ab<br />
28. Mai<br />
Welterbe Genussexpress:<br />
Die beliebte «Geführte Zeitreise ins UNESCO<br />
Welterbe RhB» geht in eine weitere Runde.<br />
Geniessen Sie Schauspiel und Kulinarik.<br />
9. Juni<br />
Gin-Dinner:<br />
Erleben Sie beim Gin-Dinner von Chur nach Arosa<br />
und zurück, wie vielfältig der feine Wacholderschnaps<br />
in der Küche eingesetzt werden kann.<br />
BLOG<br />
Die RhB online<br />
Rhätische Bahn AG<br />
Bahnhofstrasse 25<br />
CH-7001 Chur<br />
Tel +41 81 288 65 65<br />
Fax +41 81 288 61 05<br />
railservice@rhb.ch<br />
→ www.rhb.ch<br />
Neuigkeiten und Austausch mit<br />
uns und anderen RhB-Fans.<br />
→ www.rhb.ch/facebook<br />
Stimmungsvolle Ein- und Ausblicke<br />
unter dem Hashtag #rhaetiansensation.<br />
→ www.rhb.ch/instagram<br />
Aktuelles Gezwitscher<br />
von unserer RhB-Front.<br />
→ www.rhb.ch/twitter<br />
Spannende Filme und exklusive<br />
Einblicke hinter unsere Kulissen.<br />
→ www.rhb.ch/youtube<br />
Faszinierende Geschichten<br />
rund um die Rhätische Bahn.<br />
→ www.rhb.ch/blog<br />
Weitere kulinarische Genussreisen:<br />
→ www.rhb.ch/kulinarik<br />
Ausblick<br />
Die nächste <strong>Contura</strong>-Ausgabe<br />
erscheint im Herbst <strong>2023</strong>.
www.rhb.ch<br />
www.rhb.ch<br />
Foto: Bilder.GR / www.schloss-tarasp.ch<br />
Foto: Bilder.GR / www.schloss-tarasp.ch