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NewHealthGuide 02/2023

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Ausgabe <strong>02</strong>/2<strong>02</strong>3<br />

Ihr Weg in das digitale Gesundheitssystem<br />

„Wir brauchen einen<br />

Digitalisierungsprozess mit<br />

einheitlicher Struktur“<br />

Prof. Dr. Henriette Neumeyer<br />

von der DKG im Interview<br />

Datenharmonie pur?<br />

Von der Interoperabilität<br />

können alle profitieren – nur<br />

wann? Ein Überblick<br />

OP mit Joystick<br />

Wo Neuroradiologen präziser<br />

operieren – dank Roboter<br />

Multiple Sklerose an der<br />

Stimme erkennen?<br />

Über den Einsatz von KI bei<br />

Krankheitsdiagnosen<br />

Digitale Highlights<br />

Telemedizin-Kabine statt<br />

Arztpraxis, KI für die Wundversorgung<br />

und neue DiGA<br />

PREIS: 8,50 EUR


newhealth.guide #2<br />

Liebe Leserinnen,<br />

liebe Leser<br />

Wie weit wäre die Digitalisierung<br />

im Krankenhaus ohne<br />

das Krankenhauszukunftsgesetz<br />

(KHZG)? Diese Frage<br />

konnte man sich unter anderem<br />

auf der DMEA stellen,<br />

Europas führender Veranstaltung<br />

für die Digitalisierung<br />

des Gesundheitswesens.<br />

Von dort sind wir Ende April<br />

mit vielfältigen Eindrücken<br />

zurückgekehrt. Ins Auge fiel dabei<br />

besonders die Vielzahl der Anbieter<br />

von Patientenportalen – ohne<br />

das KHZG wäre dieser Schwerpunkt<br />

wohl nicht so ausgeprägt. Insofern<br />

hat das Gesetz einen wichtigen<br />

Impuls gesetzt, der nicht nur den<br />

Anbietern solcher Lösungen zugutekommt,<br />

sondern demnächst auch<br />

den Mitarbeitenden im Krankenhaus<br />

und den Patienten.<br />

Was aber passiert, wenn die<br />

jetzt genehmigten Patientenportale<br />

demnächst alle installiert<br />

sind? Werden Mitarbeitende und<br />

Patienten ohne Probleme damit<br />

zurechtkommen? Wohl kaum.<br />

Denn es geht dabei um nicht weniger<br />

als um eine Reise in völliges<br />

Neuland – und auf einer Reise<br />

braucht man häufig eine Übersetzungs-App.<br />

All das Neue muss<br />

noch in eine verständliche Sprache<br />

für diejenigen übersetzt werden,<br />

die es dann nutzen sollen. Gerade<br />

diese wichtige Frage scheint häufig<br />

noch nicht geklärt: Wie kann das,<br />

was sich IT und Technik ausgedacht<br />

haben, den Anwendern vermittelt<br />

werden? Auch hierbei wollen wir als<br />

NewHealth.Guide helfen.<br />

Ein wichtiges Thema in diesem<br />

Zusammenhang: die Verbesserung<br />

der Interoperabilität. Denn auch<br />

die technischen und die IT-Systeme<br />

müssen sich untereinander<br />

verstehen, damit gewinnbringender<br />

Datenaustausch stattfinden<br />

kann. Am Ende müssen sinnvolle<br />

Informationen in einer Form herauskommen,<br />

die die Gegenseite<br />

lesen und verstehen kann.<br />

Lesen Sie dazu in unserem<br />

Schwerpunkt, warum es sich lohnt,<br />

die Interoperabilität zu verbessern,<br />

und welche Schritte<br />

konkret zu gehen sind.<br />

Die anderen Systembeteiligten<br />

sozusagen zu ertüchtigen<br />

und die „digitale<br />

Literacy“ zu verbessern, ist ein<br />

weiterer wesentlicher Schritt.<br />

Darauf weist auch Frau Prof.<br />

Henriette Neumeyer, stellvertretende<br />

Vorsitzende der<br />

DKG, hin. In unserem großen<br />

Interview in dieser Ausgabe<br />

schildert sie außerdem, wie<br />

der Umgang mit Studierenden<br />

ihr frische Ideen bringt,<br />

welche Herausforderungen<br />

die Umsetzung der Krankenhausplanung<br />

mit sich bringt<br />

und warum es so ein wichtiger<br />

Impuls des KHZG war, dass Digitalisierung<br />

nicht umsonst zu haben ist.<br />

Weitere Eindrücke, die von der<br />

DMEA in Erinnerung bleiben, sind<br />

die Aufnahme der aktuellen Podcast-Folgen<br />

direkt auf der Messe<br />

und die interessanten Gespräche<br />

an verschiedenen Ständen. Dazu<br />

möchte ich Ihnen abschließend<br />

den NewHealth.Guide zum Hören<br />

ans Herz legen: Folge 6 mit<br />

Dr. Markus Leyck Dieken, dem Geschäftsführer<br />

der gematik, die als<br />

nationale Agentur das Mandat für<br />

die Umsetzung der elektronischen<br />

Patientenakte (ePA) erhalten hat,<br />

und Folge 7 direkt von unserem<br />

DMEA-Rundgang, der Eindrücke<br />

von der Bandbreite der Angebote<br />

und Entwicklungen vermittelt.<br />

Viel Spaß beim Lesen und Hören!<br />

Dr. med. Gudrun Westermann<br />

Chefredakteurin<br />

2


newhealth.guide #2<br />

Inhalt<br />

COVER: GENE GLOVER; FOTOS: EVELYN DRAGAN, SOPHIA RACKL, KLINIKUM RECHTS DER ISAR/THOMAS EINBERGER<br />

04<br />

Aktuelles aus der Gesundheitsbranche:<br />

z. B. eine Telemedizin-Kabine für die medizinische<br />

Versorgung in ländlichen Regionen<br />

08<br />

Entbürokratisierung, eine neue digitale Infrastruktur<br />

und Kliniken als Teil eines Netzwerks:<br />

Prof. Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende<br />

Vorsitzende der DKG, im Interview<br />

14<br />

Die Verbesserung der Interoperabilität kann<br />

Kosten sparen und Ressourcen<br />

freisetzen. Aber wie gelingt das? Ein Überblick<br />

Newsletter<br />

Erhalten Sie das monatliche<br />

Update zu allen<br />

Fragen der Digitalisierung im<br />

Gesundheitswesen<br />

Podcast<br />

Experten und Vorreiter im Interview.<br />

Jeden Monat ein spannendes<br />

Hintergrundgespräch zum Thema<br />

New Health<br />

20<br />

OP mit Joystick: Im Münchner<br />

Universitätsklinikum rechts der Isar gehen<br />

Roboter Neuroradiologen zur Hand<br />

24<br />

Ein Besuch bei audEERING: Das Unternehmen<br />

hat eine KI entwickelt, die Krankheiten wie<br />

Depression oder MS anhand der Stimme erkennt<br />

28<br />

Digital fit für jetzt und die Zukunft?<br />

Hier sind Fortbildungen für Klinikpersonal<br />

30<br />

Wichtige Konferenzen und Tagungen<br />

im Überblick<br />

Website<br />

Die Plattform für alle Inhalte des<br />

NewHealth.Guide: schnell Wissen<br />

finden und abrufen, Podcasts<br />

laden oder Newsletter bestellen!<br />

3


newhealth.guide #2<br />

News + Trends + Future<br />

4


newhealth.guide #2<br />

Telemedizin<br />

Ersatz für<br />

die Arztpraxis<br />

Das französische Unternehmen<br />

H4D hat die erste<br />

Telemedizin-Kabine entwickelt.<br />

Patienten können hier<br />

Arzttermine wahrnehmen,<br />

ohne in die Praxis zu müssen.<br />

Per Videocall führt der<br />

Arzt die Patienten durch die<br />

Behandlung. Ein Video-Tutorial<br />

hilft ihnen, mit einfach zu<br />

bedienenden Messgeräten<br />

in der Kabine Herzrhythmus,<br />

Blutzucker oder Sauerstoffgehalt<br />

im Blut selbst zu messen<br />

und über den Bildschirm<br />

die weitere Behandlung mit<br />

dem Arzt zu besprechen.<br />

Vor allem für ländliche<br />

Regionen ein spannendes<br />

Versorgungskonzept.<br />

www.h4d.com<br />

FOTO: MAURITIUS IMAGES/SCIENCE PHOTO LIBRARY/KATERYNA KON<br />

Künstliche Intelligenz<br />

Schnelles Handeln<br />

bei Sepsis<br />

Blutvergiftungen sind die dritt häufigste<br />

Todesursache in Deu tschland.<br />

Laut Weltgesundheitsorganisation<br />

(WHO) sterben circa<br />

35 Prozent der Patientinnen<br />

und Patienten mit einer Sepsis.<br />

Die Deutsche Telekom und das<br />

Start-up Telehealth Competence<br />

Center Analytics (TCC AI & Analytics)<br />

aus Hamburg haben nun<br />

eine KI-Lösung entwickelt, die<br />

Ärztinnen und Ärzten dabei hilft<br />

einzuschätzen, ob ihre Patienten<br />

gefährdet sind. Standardschnittstellen<br />

erfassen die Vitaldaten<br />

der Patienten und analysieren<br />

sie in der sicheren Open Telekom<br />

Cloud mit einem selbstlernenden<br />

Algorithmus. Dieser soll rund zehn<br />

Stunden vor dem Ausbruch einer<br />

Sepsis das individuelle Risiko vorhersagen<br />

können und über ein<br />

Dashboard den Ärztinnen und<br />

Ärzten anzeigen, sodass sie schnell<br />

handeln können. Aktuell wird die<br />

KI in zwei Krankenhäusern pilotiert.<br />

www.tcc-clinicalsolutions.de<br />

https://tinyurl.com/sepsis-telekom<br />

5


newhealth.guide #2<br />

News + Trends + Future<br />

Pflege<br />

Radar statt<br />

Video<br />

Ziel des Projekts Omni-<br />

Connect des Fraunhofer-<br />

Instituts ist es, zukünftig<br />

Gefahrensituationen<br />

bei pflegebedürftigen<br />

Menschen schneller zu<br />

erkennen – ohne Video.<br />

Mithilfe von Radarstrahlen<br />

werden Räume und<br />

Bewegungen von<br />

Menschen darin erfasst.<br />

Passive Tags in der Kleidung<br />

schicken relevante<br />

Infos an Sende-Empfangs-Module<br />

an der<br />

Zimmerdecke. Das System<br />

schlägt sofort Alarm,<br />

falls eine Person stürzt.<br />

www.fraunhofer.de<br />

Forschungsprojekt<br />

Wundanalyse mit KI<br />

„Nur etwa 20 Prozent aller<br />

chronischen Wunden, mit<br />

denen die Pflegenden in der<br />

ambulanten Alten pflege<br />

konfrontiert sind, werden<br />

adäquat behandelt“, sagt<br />

Julien Maarten Akay. Der<br />

26-jährige Data-Science-<br />

Masterstudent an der Fachhochschule<br />

Bielefeld will<br />

das ändern. Im Rahmen eines<br />

Forschungsprojekts entwickelt<br />

er gemeinsam mit<br />

der Softwarefirma Connext<br />

Communication eine Software<br />

zur Wundanalyse, -einschätzung<br />

und -versorgung.<br />

So soll zukünftig die Pflegekraft<br />

lediglich ein Foto von<br />

der Wunde aufnehmen und<br />

dieses in der Software Vivendi<br />

hochladen. Dort ordnet<br />

eine KI das Bild einer Wundart<br />

zu. Die Pflegekraft erhält<br />

somit eine Zweitmeinung für<br />

die weitere Behandlung der<br />

Wunde.<br />

www.hsbi.de<br />

Befundung<br />

Erstes deutsches KI-Teleradiologienetz<br />

In über 900 medizinischen Zentren weltweit wird die KI-Technologie des israelischen<br />

Unternehmens Aidoc bei bildgebenden Verfahren genutzt.<br />

Jetzt setzt auch das erste Teleradiologienetz in Deutschland, das Unternehmen<br />

Reif & Möller, bei der Befundung darauf. Die KI unterstützt vor allem in der<br />

Detektion, Priorisierung und Kommunikation verschiedener Anomalien – und soll<br />

so Radiologen von Routineaufgaben entlasten.<br />

www.diagnostic-network-ag.de<br />

6


newhealth.guide #2<br />

Digitale Medizinprodukte<br />

DiGA<br />

Kaia Rückenschmerzen<br />

Die Kaia Rückenschmerzen<br />

App behandelt nach<br />

einem individuellen Therapieprogramm<br />

sowohl<br />

Symptome als auch Ursachen<br />

der Beschwerden.<br />

Bewegungsübungen,<br />

Atem- und Entspannungstechniken<br />

sowie Wissenseinheiten,<br />

die Tipps für<br />

den Alltag bereithalten,<br />

sind Teil des Konzepts.<br />

Die App ist dauerhaft<br />

in das DiGA-Verzeichnis<br />

aufgenommen.<br />

Diagnostik<br />

Chip erkennt Krebs<br />

Das Forschungszentrum für Medizintechnik und<br />

Biotechnologie (fzmb) im thüringischen Bad<br />

Langensalza entwickelt derzeit einen Chip zur Früherkennung<br />

von hämatologischen Malignomen. Er basiert<br />

auf der Microarray-Technologie und soll exakte Informationen<br />

darüber liefern, welche Biomarker in der<br />

Patientenprobe vorliegen. Das Projekt wird vom Horizon<br />

Europe Programme der Europäischen Kommission<br />

gefördert und bald in klinischer Umgebung getestet.<br />

https://tinyurl.com/knochenmarkkrebs<br />

FOTOS: FRAUNHOFER IZM, P. POLLMEIER/FH BIELEFELD, KAIA HEALTH, ISTOCK/DA-KUK<br />

Elevida<br />

Ein Symptom der Multiplen<br />

Sklerose ist das<br />

Fatigue-Syndrom. Die Online-Anwendung<br />

Elevida<br />

unterstützt Patienten mithilfe<br />

von therapeutischen<br />

Techniken und Übungen<br />

im Umgang mit ihrer Fatigue<br />

und reduziert diese<br />

im besten Fall. Elevida<br />

ist ebenfalls dauerhaft<br />

in das DiGA-Verzeichnis<br />

aufgenommen.<br />

Cara Care für Reizdarm<br />

Die DiGA Cara Care<br />

liefert Anleitungen, wie<br />

man die Symptome<br />

Bauchkrämpfe, Blähbauch<br />

& Co. mit darmfreundlicher<br />

Ernährung<br />

und einem stressärmeren<br />

Lebensstil (z. B. durch audiogeführte<br />

Hypnose) verbessern<br />

kann. Die App ist<br />

vorläufig in das DiGA-Verzeichnis<br />

aufgenommen.<br />

Radiologie<br />

Update der RZV-EFA<br />

Die elektronische Fallakte (EFA)<br />

des Rechenzentrums Volmarstein<br />

(RZV) kann ab sofort<br />

auch radiologische Bilder verarbeiten.<br />

Hierfür wurde ein DI-<br />

COM-Archiv über IHE-Standards<br />

an das EFA-Backend angebunden.<br />

Bilder und Serien aus Röntgen,<br />

CT oder MRT lassen sich<br />

nun sicher importieren und über<br />

einen webbasierten Viewer betrachten.<br />

RZV ist einer der ersten<br />

Anbieter von intersektoralen<br />

Aktensystemen, die eine direkte<br />

Verknüpfung mit einem zentralen<br />

DICOM-Archiv bieten. Dies<br />

ermöglicht Ärzten einen umfassenden<br />

Blick auf das Behandlungsgeschehen.<br />

www.rzv.de<br />

7


newhealth.guide #2<br />

WANDELKOSTET<br />

Seit Juni 2<strong>02</strong>2<br />

ist Prof. Dr. med.<br />

Henriette Neumeyer<br />

stellvertretende<br />

Vorsitzende<br />

der DKG. Sie leitet<br />

auch den neuen<br />

Geschäftsbereich<br />

„Krankenhauspersonal<br />

und Politik“<br />

& GELD<br />

ZEIT<br />

Interview<br />

Fotos<br />

Gudrun Westermann<br />

Gene Glover<br />

8


newhealth.guide #2<br />

Wie die Digitalisierung medizinische<br />

Fachkräfte entlasten kann, ist nur<br />

eines der vielen Themen, die<br />

Prof. Dr. med. Henriette Neumeyer,<br />

stellvertretende Vorstandsvorsitzende der<br />

Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG),<br />

beschäftigen und die sie in der Politik<br />

platziert. Ein Gespräch über Reformen<br />

und das Krankenhaus der Zukunft<br />

Frau Prof. Neumeyer, Sie haben<br />

einmal gesagt, dass Sie im<br />

Gesundheitswesen übergeordnet<br />

etwas bewegen wollten, deshalb<br />

einen MBA gemacht haben und<br />

schließlich bei der DKG gelandet<br />

sind. Jetzt sind Sie seit mehr als<br />

einem Jahr in einer der höchsten<br />

Funktionen der DKG im Amt. Was<br />

konnten Sie bereits anstoßen?<br />

Generell geht es mir bei der Arbeit für<br />

die DKG darum, ein Bewusstsein für<br />

die Situation der Krankenhäuser und<br />

von deren Mitarbeitenden zu schaffen.<br />

Die Pandemie hat Spuren hinterlassen.<br />

Im Personalbereich haben wir<br />

uns daher für eine bedarfsgerechte<br />

Personalausstattung eingesetzt und<br />

das Thema mit unseren Partnern<br />

ver.di und DPR vorangetrieben. Außerdem<br />

konnten wir für den eiskalten<br />

Strukturwandel, also die Bedrohung<br />

von Versorgungsangeboten durch<br />

Unterfinanzierung, sensibilisieren.<br />

Die Kampagne „Alarmstufe Rot“,<br />

die wir 2<strong>02</strong>2 gestartet haben, und<br />

die damit verbundene Aufklärungsarbeit<br />

waren dabei ein Meilenstein.<br />

Wir konnten dafür sorgen, dass die<br />

Politik sich dessen angenommen<br />

hat, müssen aber weiter am Ball<br />

bleiben. Gleichzeitig haben wir uns<br />

durch unsere Auswirkungsanalyse<br />

für die Krankenhausreform konstruktiv<br />

in den Diskurs eingeschaltet,<br />

auch um die regionalen Besonderheiten<br />

in Deutschland in den Blick zu<br />

nehmen.<br />

Zur geplanten Gesundheitsreform:<br />

Die DKG hat die Reform ja<br />

scharf kritisiert. Was genau ist<br />

das Problem, wenn sie so wie geplant<br />

umgesetzt würde?<br />

Seit wir die Auswirkungen analysiert<br />

haben, sehen wir, dass die Reform<br />

eine deutliche Reduktion von<br />

Standorten über die Fläche bedeuten<br />

würde, was viele Menschen<br />

beunruhigt hat. Uns geht es darum,<br />

die Balance von wohnortnahem Zugang<br />

zu Versorgungsangeboten mit<br />

noch höheren Spezialisierungsgraden<br />

als heute zu ermöglichen.<br />

Sie betonen, dass die DKG nicht<br />

nur kritisieren möchte. Sie haben<br />

einen alternativen Vorschlag für<br />

eine Reform erarbeitet. Was sind<br />

die größten Unterschiede?<br />

Der Zugang zu Gesundheitsangeboten<br />

mit adäquater Wartezeit ist eine<br />

von der WHO geforderte Qualitätsdimension,<br />

ebenso wie Versorgungsgerechtigkeit,<br />

also, ob ich unabhängig<br />

von meinem sozioökonomischen<br />

Status Versorgung erhalte, wenn ich<br />

sie brauche. Wir werben daher dafür,<br />

die Bedarfsgerechtigkeit mehr in den<br />

Blick zu nehmen und jetzt die Versorgungsangebote<br />

zu stützen. Insgesamt<br />

muss die Politik den Bürgerinnen<br />

und Bürgern klar erklären, welche<br />

Versorgungsziele erfüllt werden sollen,<br />

und dazu gehört neben Strukturqualität<br />

eben auch der Zugang. Daher<br />

ist es uns zum einen ein Anliegen,<br />

die Kopplung von Leistungsgruppen<br />

und Leveln aufzuheben, da diese<br />

zu einer unverhältnismäßig starken<br />

Ausdünnung von wichtigen Versorgungsangeboten<br />

geführt hätte.<br />

Zum anderen muss das durch die<br />

Pandemie und den Ukrainekrieg<br />

verursachte Finanzierungsdefizit mit<br />

einem Vorschaltgesetz schnell und<br />

nachhaltig behoben werden. Nur<br />

so kann ein guter Boden für eine<br />

Reform bereitet werden ohne vorherige<br />

Strukturbereinigung am Bedarf<br />

vorbei. Die Basis der Vorhaltefinanzierung<br />

muss es sein, Versorgung<br />

im Grundsatz finanziell so abzusichern,<br />

dass in jeder Lebensrealität,<br />

ob Stadt oder Land, gleichwertiger<br />

Zugang zu Versorgung herrscht. Wir<br />

gehen davon aus, dass die reine<br />

Umschichtung innerhalb des Fallpauschalensystems<br />

nicht ausreichen<br />

wird und zusätzliche Mittel<br />

entlang der Notfallstufen als Komplexitätsindikator<br />

notwendig sind.<br />

Wenn jetzt zudem die Versorgungslandschaft<br />

umgebaut werden soll,<br />

müssen die anstehenden Investitionen<br />

in Infrastruktur und Medizintechnik<br />

so finanziert werden, dass die<br />

Bürgerinnen und Bürger auch den<br />

Mehrwert sehen.<br />

Wichtig ist schließlich die Frage, wie<br />

genau die ambulante Transformation<br />

und die sektorenübergreifende<br />

Planung gedacht werden können.<br />

9


newhealth.guide #2<br />

Wenn Krankenhäuser Leistungen<br />

aus dem vertragsärztlichen Bereich<br />

in der ambulanten Notfallversorgung<br />

mit absichern, muss das auch<br />

für die Versorgung planerisch mitgedacht<br />

und langfristig in der Vergütung<br />

berücksichtigt werden.<br />

Sie setzen sich schon länger für<br />

einen Wandel hin zu einer integrierten<br />

Gesundheitsversorgung<br />

ein, bei der verschiedene Akteure<br />

enger und besser als heute<br />

zusammenarbeiten. Was könnte<br />

dadurch verbessert werden?<br />

Die integrierte Versorgung bezeichnet<br />

ein umfassendes Konzept, bei<br />

dem verschiedene Gesundheitsdienstleister<br />

zusammenarbeiten,<br />

um eine nahtlose und koordinierte<br />

Versorgung für Patienten sicherzustellen.<br />

Dies umfasst die Verbindung<br />

medizinischer Behandlung, der<br />

Pflege und unterstützender Dienste,<br />

um die Effizienz und Qualität<br />

der Versorgung zu verbessern.<br />

Durch engere Zusammenarbeit<br />

der Akteure in der integrierten Gesundheitsversorgung<br />

könnten wir<br />

Effizienzsteigerungen, bessere Qualität<br />

der Patientenversorgung und<br />

höhere Patientenzufriedenheit erreichen.<br />

Durch Case- und Care­<br />

Management, z. B. durch spezialisierte<br />

Schlaganfall-Lotsen, können<br />

schon jetzt individuelle Bedürfnisse<br />

berücksichtigt und reibungslose<br />

Übergänge zwischen verschiedenen<br />

Versorgungsbereichen ermöglicht<br />

werden. Dies ist jedoch neben der<br />

Abschottung der Sozialgesetzbücher<br />

und datenschutzrechtlichen<br />

Fragen leider zu häufig eine Vergütungsfrage,<br />

obwohl hier ein wirklicher<br />

Mehrwert liegt. Den Gedanken mehr<br />

auf Versorgungsprozesse und -ziele<br />

zu richten, so wie es die integrierte<br />

Versorgung sektorenübergreifend<br />

ermöglicht, und die genannten Hindernisse<br />

zu bearbeiten, würde auch<br />

der Reformdebatte Schub geben.<br />

Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen<br />

ist heute schon<br />

ein riesiges Thema – in Zukunft<br />

wird sich die Situation noch verschärfen.<br />

Wie ist hier Ihre Strategie?<br />

Was fordern Sie von der<br />

Politik und von den Trägern der<br />

Kliniken?<br />

Um den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen<br />

anzugehen, haben<br />

wir eine klare Strategie: Zum<br />

einen arbeiten wir operativ und mit<br />

Bildungseinrichtungen für die Ausbildung<br />

von Gesundheitsberufen<br />

zusammen, unterstützen die Anerkennung<br />

ausländischer Abschlüsse<br />

und geben Empfehlungen aus für<br />

eine qualitative Ausbildung. Zudem<br />

setzen wir uns für die Attraktivität der<br />

Gesundheitsberufe ein, z. B. für einen<br />

ausgewogenen Mix aus Qualifikationen<br />

in der Pflege und die Stärkung<br />

der akademischen Ausbildung.<br />

Mit den gesammelten Daten und<br />

dem Feedback unserer Mitglieder<br />

und aus unserem Netzwerk entwickeln<br />

wir konkrete Positionen und<br />

Forderungen an die Politik, um die<br />

Personalpolitik in Krankenhäusern<br />

„Durch Datenfreigabe<br />

sichere ich mir als Patient<br />

oder Patientin<br />

einen Behandlungsvorteil.“<br />

aktiv mitzugestalten und zu unterstützen.<br />

Auch verstehen wir uns als<br />

Dialogplattform. Dringend erforderlich<br />

ist es, bürokratische Dokumentationsanforderungen<br />

an der Stelle<br />

zu reduzieren, wo sie keinen medizinischen<br />

Mehrwert schaffen. Denn<br />

Gesundheitsfachkräfte in den Krankenhäusern<br />

dürfen keinen „Bürokratie-Burn-out“<br />

erleiden.<br />

Wie kann die Digitalisierung helfen,<br />

den Fachkräftemangel zu<br />

entschärfen?<br />

Die Digitalisierung kann einen wesentlichen<br />

Beitrag leisten, um den<br />

Fachkräftemangel zu entschärfen.<br />

Es ist jedoch wichtig, dass die Digitalisierung<br />

in die Arbeitsprozesse<br />

integriert wird und nicht als zusätzliche<br />

Belastung wahrgenommen<br />

wird. Tatsächliche Entlastung durch<br />

Digitalisierung wird erlebbar, wenn<br />

sie durch die Berücksichtigung der<br />

Erfahrungen und Rückmeldungen<br />

der Nutzer die Arbeitsprozesse erleichtert<br />

und mehr Zeit für die Patientinnen<br />

und Patienten schafft.<br />

Auch kann Remote-Arbeit für medizinische<br />

Fachkräfte ein Attraktivitätsfaktor<br />

sein. Wir sprechen häufig<br />

von Telemedizin und KI, aber bereits<br />

heute sind manche medizintechnischen<br />

Geräte remote-steuerungsfähig.<br />

Auch hier sind eine Flexibilisierung<br />

und eine Unterstützung der<br />

immer rarer werdenden Fachkräfte<br />

möglich. Diese Potenziale müssen<br />

wir mehr in den Blick nehmen und<br />

auf allen regulatorischen Ebenen<br />

mitdenken, denn mit der digitalen<br />

Abbildung der bisherigen Überbürokratie<br />

ist nichts gewonnen und das<br />

Gesundheitswesen nicht konkurrenzfähig<br />

im Wettbewerb um Fachkräfte<br />

mit anderen Branchen. Eine<br />

10


newhealth.guide #2<br />

weitere Maßnahme zur Entlastung<br />

des Personals ist die Förderung digitaler<br />

Kompetenz. Sowohl die nächste<br />

als auch die heutige Generation<br />

müssen befähigt werden, die Digitalisierung<br />

so zu erlernen, dass sie in<br />

der Lage sind, ihre eigenen Arbeitsprozesse<br />

kompetent umzugestalten.<br />

Einflussreich<br />

In ihrer Position<br />

bei der DKG ist<br />

Prof. Henriette<br />

Neumeyer eine<br />

neue, starke<br />

Meinungsmacherin<br />

im<br />

Gesundheitswesen<br />

Inspiriert und<br />

inspirierend<br />

Sie lehrt<br />

zudem an der<br />

Nordakademie<br />

„Healthcare<br />

Management“<br />

– und bekommt<br />

dort „viele Impulse<br />

von den<br />

Studierenden“<br />

In welchen Bereichen kann die<br />

Digitalisierung den Krankenhäusern<br />

helfen, größere Probleme zu<br />

lösen und die integrierte Versorgung<br />

voranzubringen?<br />

Die Digitalisierung bietet im Bereich<br />

der integrierten Versorgung<br />

die Möglichkeit für mehr präventive<br />

Gesundheitsversorgung in der<br />

Interaktion aller für den Patienten<br />

beteiligten Berufsgruppen. Statt<br />

erst zu reagieren, wenn ein Patient<br />

bereits einen krankheitsspezifischen<br />

Bedarf hat, können durch geringfügige<br />

Anpassungen, wie Coachings<br />

oder Medikamentenumstellungen,<br />

frühzeitig Maßnahmen ergriffen<br />

werden, um eine Verschlechterung<br />

des Gesundheitszustands zu verhindern.<br />

Ein herausragendes Beispiel<br />

dafür ist die Herzinsuffizienz. Durch<br />

ein kleines Monitoring, das zu Hause<br />

durchgeführt werden kann, können<br />

wertvolle Parameter gewonnen<br />

werden, um frühzeitig Vorhersagen<br />

über den zukünftigen Zustand des<br />

Patienten zu treffen. Auf diese Weise<br />

kann man rechtzeitig intervenieren<br />

und „vor der Welle“ handeln, um<br />

Notfälle im ambulanten oder stationären<br />

Bereich zu vermeiden. Dieses<br />

proaktive Handeln müsste jedoch<br />

auch über die Vergütungssysteme<br />

belohnt werden.<br />

Wie können wir uns das Krankenhaus<br />

der Zukunft vorstellen?<br />

Das Krankenhaus der Zukunft wird<br />

mit Sicherheit Teil eines Netzwerks<br />

sein: Teil einer Struktur, die sowohl<br />

stationär versorgt als auch ambulant<br />

geöffnet ist – auch für fachärztliche<br />

Leistungen, damit in diesem<br />

Versorgungsnetzwerk der Patient<br />

regional gut versorgt und gut gesteuert<br />

ist. Es gibt aus der integrierten<br />

Versorgung in Deutschland auch<br />

schon Regionen und Projekte, die<br />

versuchen, diese integrierte Realität<br />

zu befördern. Das einzige Problem<br />

11


newhealth.guide #2<br />

Nah dran an der Politik<br />

Prof. Henriette Neumeyer in ihrem<br />

Büro in der Geschäftsstelle<br />

der Deutschen Krankenhausgesellschaft<br />

in Berlin<br />

Prof. Dr. med. Henriette Neumeyer<br />

absolvierte ihr Studium der Humanmedizin an der Universität zu Lübeck und entschied sich nach Promotion und initialer<br />

chirurgischer Ausrichtung für den Einstieg in die Krankenhausberatung. Ein berufsbegleitendes MBA-Studium schloss sie 2016<br />

mit einer mit dem Innovationspreis der DGIV prämierten Thesis zum Thema „Integrierte Versorgung und Medizintechnik“ ab.<br />

Sie war als ärztliche Beraterin im Gesundheitswesen für ein führendes Medizintechnikunternehmen tätig und für die Neuentwicklung<br />

und Implementierung IT-gestützter Versorgungsprojekte zuständig. 2019 entwickelte Prof. Neumeyer den Masterstudiengang<br />

„Healthcare Management“ für die Nordakademie und lehrt seitdem in Elmshorn und Hamburg. Im Alter von<br />

36 Jahren übernahm sie im Juni 2<strong>02</strong>2 den stellvertretenden Vorstandsvorsitz der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).<br />

12


newhealth.guide #2<br />

„Das KHZG hat einen<br />

wichtigen Akzent gesetzt.<br />

Es hat verdeutlicht, dass<br />

digitale Transformation nicht<br />

umsonst zu haben ist.“<br />

ist, dass wir aktuell den Sprung in die<br />

Regelversorgung noch nicht schaffen.<br />

Aber das ist definitiv das Ziel, um<br />

das es auf die Dauer gehen muss,<br />

gerade auch weil wir ressourcenschonender<br />

und weniger redundant<br />

arbeiten könnten.<br />

Hat das Krankenhauszukunftsgesetz<br />

hier nicht – gezwungenermaßen<br />

– für eine gewisse Begeisterung<br />

bei den Kliniken gesorgt?<br />

Das KHZG hat auf jeden Fall einen<br />

wichtigen Akzent gesetzt. Es hat verdeutlicht,<br />

dass digitale Transformation<br />

nicht umsonst zu haben ist. Das<br />

ist ein komplexer Change-Prozess,<br />

der finanziert werden will – durch Allokation<br />

von Zeit, aber auch durch<br />

Allokation von Geld in neue, digitale<br />

Infrastruktur. Insofern war das ein sehr<br />

wichtiger Schritt. Der starre Planungsrahmen<br />

wird dem sehr agilen Thema<br />

jedoch nicht gerecht. Technologien<br />

verändern sich rapide. Da ist es für<br />

die Krankenhäuser wichtig, flexiblere<br />

Möglichkeiten innerhalb der genehmigten<br />

Fördervolumen neu zu gestalten,<br />

um auf den technologischen<br />

Fortschritt in Echtzeit zu reagieren.<br />

Wie wichtig sind Datenschutz und<br />

Datensicherheit – und wo werden<br />

sie manchmal überbetont?<br />

Man muss aus diesem Diskurs rauskommen:<br />

Datenschutz oder Gesundheit.<br />

Was sehr wenig diskutiert<br />

wird, ist die Qualität der Versorgung,<br />

die ich persönlich erhalten kann,<br />

wenn meine ÄrztInnen, meine PflegerInnen,<br />

meine TherapeutInnen<br />

meinen Krankheitsverlauf, meine<br />

Medikamente, Unverträglichkeiten<br />

oder Ähnliches schon kennen,<br />

wenn ich dort eintreffe. Das Wichtigste<br />

überhaupt ist, verständlich zu<br />

machen, dass ich mir durch meine<br />

Datenfreigabe einen Behandlungsvorteil<br />

sichere. Daher setzen wir uns<br />

auch für ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz<br />

ein, das das Arbeiten<br />

für unsere Mitarbeitenden leichter,<br />

aber auch die Behandlung sicherer<br />

macht.<br />

Gleichwohl ist es so, dass es in<br />

Deutschland eine gewisse Grundskepsis<br />

gibt. In anderen Ländern<br />

ist das Vertrauenslevel viel höher.<br />

Deswegen muss man transparente,<br />

verständliche Datennutzung kommunizieren,<br />

aber auch sagen: Es<br />

gibt eine Transparenz, wer auf deine<br />

Daten zugreift, und die Möglichkeit<br />

zum Opt-out. Auch Dänemark hat<br />

so eine Lösung. Dort merkt die Bevölkerung<br />

ganz klar: Es bringt mir so<br />

viel, die Daten im System zu haben,<br />

dass ich sie gar nicht mehr rausziehen<br />

möchte.<br />

Die elektronische Gesundheitskarte<br />

und Dinge wie das E-Rezept<br />

sollen nun endlich bald kommen.<br />

Worauf kommt es an, damit solche<br />

Projekte ein Erfolg werden?<br />

Wir haben leider vielfach Systeme<br />

eingeführt, die überhaupt noch<br />

nicht nutzbar und nutzbringend waren<br />

– auch ohne Rücksicht auf die<br />

belasteten Gesundheitsfachkräfte.<br />

Sobald es datensichere Lösungen<br />

gibt, die auf den Endgeräten der<br />

Patientinnen und Patienten gut<br />

funktionieren – also einfach zu bedienen<br />

und einzurichten sind –, werden<br />

wir diese auch nutzen, weil sie<br />

das Leben leichter machen.<br />

Es gibt einen Mangel an IT-Experten,<br />

insbesondere solchen,<br />

die sich auch noch medizinisch<br />

auskennen. Wie lässt sich mehr<br />

IT-Personal mit medizinischer Expertise<br />

„heranziehen“?<br />

Wir sehen einen großen Bedarf, sich<br />

genau an diesen Schnittstellen weiterzubilden.<br />

Aber wir müssen neben<br />

der Begeisterung des Nachwuchses<br />

auch auf die Berufserfahrenen setzen.<br />

Es gibt aktuell auf dem Arbeitsmarkt<br />

ja auch eine große Gruppe<br />

von qualifizierten Menschen, denen<br />

Wissen zur Verfügung gestellt werden<br />

muss, auch mit Angeboten,<br />

die nicht gleich ein mehrjähriges<br />

berufsbegleitendes Studium umfassen.<br />

Durch Digitalisierung gibt es hier<br />

ebenfalls Möglichkeiten einer anderen<br />

Wissensvermittlung – kürzer,<br />

prägnanter, etwa mit Video.<br />

Sie lehren an der Nordakademie<br />

in Hamburg und Elmshorn als<br />

Professorin. Eigentlich haben Sie<br />

mehr als genug zu tun – warum<br />

tun Sie sich das an?<br />

Ich empfinde es als Privileg, das<br />

machen zu dürfen. Denn die Impulse,<br />

die ich bekomme, sind wirklich<br />

vielfältig. Wir haben Studierende<br />

mit unterschiedlichen Professionen;<br />

Gesundheitsberufe, IT-Spezialisten<br />

und Ökonomen – man bekommt<br />

ein ganz breites Bild, was sich diese<br />

Generation wünscht und womit sie<br />

sich befasst. Von unschätzbarem<br />

Wert ist meine Teilhabe an den Lebenswegen<br />

der Studierenden – das<br />

zu begleiten, macht mir wahnsinnig<br />

viel Freude. Da komme ich oft mit<br />

neuen Ideen raus.<br />

13


newhealth.guide #2<br />

Datenharmonie<br />

pur? Schön wär’s!<br />

Die Verbesserung der Interoperabilität im<br />

Gesundheitswesen kann Kosten sparen und<br />

Ressourcen freisetzen. Aber wie gelingt das?<br />

Und wo stehen wir gerade? Ein Überblick<br />

Text Christian Heinrich<br />

Illustration Sophia Rackl<br />

Wenn zwei sich verstehen,<br />

geht alles<br />

leichter von der<br />

Hand. Das gilt für<br />

Arbeitskolleginnen,<br />

Ehepartner, Freunde – und es trifft<br />

auch auf IT-Systeme im Gesundheitswesen<br />

zu. Wenn beispielsweise<br />

das Krankenhausinformationssystem<br />

(KIS) den Datenstandard der<br />

EKG-Geräte auf der Intensivstation<br />

unterstützt, können die erfassten<br />

Daten eines Patienten nicht nur<br />

direkt in dessen elektronische Akte<br />

übermittelt werden – sie lassen sich<br />

auch von überall in der Klinik aufrufen.<br />

So sieht erfolgreiche Interoperabilität<br />

in der Praxis aus. Datenharmonie<br />

pur.<br />

14


newhealth.guide #2<br />

Im Alltag gestaltet sich die Sache<br />

etwas anders. Wohl jede Mitarbeiterin<br />

und jeder Mitarbeiter einer<br />

Klinik kämpft an manchen Stellen<br />

damit, Daten mühsam zusammenzutragen<br />

und so zu speichern oder<br />

zu verschicken, dass der Empfänger<br />

– sei es eine Arztpraxis, der Medizinische<br />

Dienst der Krankenkassen<br />

oder die nächste Schicht in der<br />

Pflege – gut darauf zugreifen kann.<br />

Oder das Problem liegt im Empfangen:<br />

Man erhält Daten, kann sie<br />

aber nicht öffnen, nicht verarbeiten,<br />

nicht in einem gängigen Format<br />

speichern.<br />

Die Interoperabilität der Daten<br />

im Klinikum zu optimieren, kann<br />

enorm effizienzsteigernd sein. Und<br />

ist nicht nur wegen der Betonung<br />

des Themas im Krankenhauszukunftsgesetz<br />

eine Investition in die<br />

Zukunft. Hier beantworten wir die<br />

wichtigsten Fragen – und zeigen,<br />

wo Sie anfangen sollten, wenn Sie<br />

die Interope rabilität verbessern<br />

wollen.<br />

Worum geht es bei der<br />

Interoperabilität von Daten?<br />

In der Unfallchirurgie eines mittelgroßen<br />

Klinikums werden Patienten<br />

für einen chirurgischen Eingriff im CT<br />

voruntersucht. Findet die Operation<br />

statt, können sich die Ärzte die CT-Bilder<br />

aber nur begrenzt auf dem Bildschirm<br />

im OP-Saal anzeigen lassen.<br />

Im ungünstigsten Fall wird dadurch<br />

das Outcome der Operation beeinträchtigt.<br />

Ließen sich die Daten von<br />

der Software im OP besser verstehen,<br />

wäre das von großem Vorteil.<br />

Ein anderes Szenario: Man will in<br />

einer Klinik das Formularwesen umstellen.<br />

Bislang wurden Aufklärungsbögen<br />

ausgedruckt, vom Patienten<br />

beim Aufklärungsgespräch unterschrieben,<br />

eingescannt und in der<br />

Akte hinterlegt. Vor der Operation<br />

müssen die Aufklärungsbögen unter<br />

den Anhängen der Akte gesucht<br />

werden. Mithilfe einer Software, die<br />

Handschrift erkennt, werden unterschriebene<br />

Aufklärungsbögen<br />

schnell identifiziert. Ein Haken bestätigt<br />

„Aufklärung erfolgt?“, zusätzlich<br />

werden eventuelle handschriftliche<br />

Notizen des aufklärenden Arztes<br />

eingeblendet.<br />

Diese beiden Beispiele zeigen,<br />

was die Interoperabilität von Daten<br />

im Kern ist: In den allermeisten Fällen<br />

geht es um sogenannte Medienbrüche.<br />

Daten können nicht von allen<br />

Medien und von jeder Software gelesen<br />

werden. Oder sie werden unterschiedlich<br />

interpretiert; es werden<br />

andere Standards vorausgesetzt –<br />

auf diese Weise werden die Daten<br />

verzerrt oder sind mit bestimmten<br />

Softwaretools nur begrenzt<br />

zugänglich. Entsprechend<br />

bedeutet die Interoperabilität<br />

von Daten grundsätzlich:<br />

Zwei Systeme können<br />

ohne Barrieren Daten austauschen<br />

und nutzen.<br />

Wenn es auf den nächsten<br />

Seiten um die Schritte<br />

geht, wie in der Praxis eine<br />

bessere Interoperabilität<br />

aufzubauen ist, werden Beispiele<br />

wie die oben geschilderten<br />

eine zentrale Rolle<br />

spielen: als Anwendungs-<br />

15


fälle bzw. Use Cases (s. Seite 17).<br />

Zuvor in aller Kürze ein Überblick<br />

über die vier verschiedenen Ebenen,<br />

die für die Interoperabilität von<br />

Daten eine Rolle spielen:<br />

1. Strukturelle<br />

Interoperabilität<br />

Damit zwei medizinische Geräte<br />

miteinander Daten austauschen<br />

können, müssen sie miteinander<br />

verbunden sein. Dabei geht es<br />

vor allem um eine Hardwareverbindung,<br />

entweder über ein<br />

Kabel oder über ein drahtloses<br />

Netzwerk. Die strukturelle Interoperabilität<br />

ist die Grundvoraussetzung<br />

für den Austausch von<br />

medizinischen Daten.<br />

2. Syntaktische<br />

Interoperabilität<br />

Wenn Daten ausgetauscht werden<br />

können, muss auch gewährleistet<br />

sein, dass die Informationseinheiten<br />

von Sender und Empfänger<br />

richtig erkannt werden. Die Systeme<br />

müssen also die Zahlenfolgen<br />

gleich interpretieren. Die Bitfolge<br />

01001000 01100101 01110010 01111010<br />

kann für das Wort Herz stehen, sie<br />

kann aber auch für die Zahlen 72,<br />

101, 114 und 122 stehen.<br />

3. Semantische Interoperabilität<br />

Wenn nun der Datensatz richtig erkannt<br />

wurde, muss er auch korrekt<br />

interpretiert werden. Bei der genannten<br />

Zahlenfolge zum Beispiel<br />

könnte es sich um Pulswerte handeln,<br />

sie könnte aber ebenso verschiedene<br />

Kostenschlüssel in einem<br />

Abrechnungssystem darstellen.<br />

4. Organisatorische<br />

Interoperabilität<br />

Hier geht es darum, dass die Organisation<br />

so gestaltet ist, dass<br />

die Daten entsprechend fließen<br />

können. Dabei handelt es sich<br />

unter anderem darum, dass Ärzte<br />

und medizinisches Personal über<br />

entsprechende Berechtigungen<br />

verfügen, die Daten abzurufen.<br />

Warum lohnt es sich für<br />

eine Klinik, die Interoperabilität<br />

zu verbessern?<br />

Eine gute Interoperabilität hilft<br />

grundsätzlich, Prozesse zu vereinfachen.<br />

Was früher mühselig per<br />

Hand eingegeben wurde, kann<br />

nun mit einem Mausklick erledigt<br />

werden. Das gilt auch für abzurechnende<br />

Leistungen: Häufig ist<br />

es komplex und zeitintensiv, die<br />

Leistungen zu dokumentieren.<br />

Programme wie das Notaufnahmen-Informationssystem<br />

ERPath<br />

helfen dabei mit einfachen Checklisten,<br />

an denen Merkmale wie Abrechnungsziffern<br />

und Diagnosen<br />

hängen. „Je besser die Interoperabilität,<br />

desto einfacher kann diese<br />

Dokumentation dann in Abrechnungssystemen<br />

verarbeitet werden.<br />

Damit sinkt der Aufwand für<br />

die Abrechenbarkeit noch weiter“,<br />

sagt Susanne Büchner von ERPath<br />

Software.<br />

Dabei ist es wichtig, auf die sogenannte<br />

semantische Dateninteroperabilität<br />

zu achten. „Wenn der<br />

Entlassbrief in der Urologie ‚Formular<br />

37a‘ heißt und in der Unfallchirurgie<br />

‚Elab‘, kann ein solches Dokument<br />

im Zielsystem nicht ohne weitere<br />

Maßnahmen automatisch in der<br />

richtigen Kategorie einsortiert werden.<br />

Es bedarf einer menschlichen<br />

Intervention, um diese fehlende Interoperabilität<br />

auszugleichen. Das<br />

kann Abläufe verlangsamen und<br />

bindet Ressourcen“, erklärt der Radiologe<br />

Dr. Marc Kämmerer, Leiter<br />

des Innovationsmanagements bei<br />

VISUS Health IT. Im Grunde ließen<br />

sich für jeden Anwendungsfall die<br />

Benefits festlegen und teilweise<br />

auch beziffern.<br />

16


newhealth.guide #2<br />

Doch eine hohe Interoperabilität<br />

von Daten räumt nicht nur Hindernisse<br />

aus dem Weg, sondern kann<br />

auch zusätzlich unterstützend wirken:<br />

„Wenn die Patientendaten<br />

in einer für die Software verständlichen<br />

Form vorliegen, kann ein<br />

Programm den Ärzten auch Hilfestellungen<br />

bei der Diagnostik und<br />

der Auswahl der richtigen Therapie<br />

geben. Gerade bei seltenen Erkrankungen<br />

kann das manch eine<br />

Ärzte-Odyssee verkürzen oder ganz<br />

verhindern“, sagt Fabian Pritzel,<br />

Geschäftsführer des Bereichs Technologie<br />

& Innovationsmanagement<br />

bei den Paracelsus-Kliniken.<br />

Welche Schritte sind konkret<br />

zu gehen, um eine Interoperabilität<br />

der Daten aufzubauen?<br />

Das Ideal am Horizont sieht so aus:<br />

Durch eine sogenannte Interoperabilitätsplattform<br />

fließen alle Daten<br />

und sind automatisch überall so<br />

verfügbar, dass sie nach aktuellen<br />

Datenstandards vergleichbar<br />

sind und verarbeitet werden können.<br />

Unter Berücksichtigung des<br />

Datenschutzes sind die Daten bei<br />

Anfragen schnell und im für alle<br />

Programme lesbaren Format verfügbar.<br />

Damit gäbe es keine Hürden<br />

mehr bei der Bereitstellung und<br />

dem Verarbeiten von Daten.<br />

„Die Herausforderung ist, dass<br />

man in vielen Fällen die IT-Infrastruktur<br />

einer Klinik von Grund auf erneuern<br />

muss. Angesichts des enormen<br />

Aufwands ist das für kaum ein<br />

Krankenhaus in Gänze machbar“,<br />

berichtet Jan Oswald, der bei Deloitte<br />

Gesundheitseinrichtungen<br />

zur Prozess optimierung und Interoperabilität<br />

berät. Kurz: Sich als Ziel<br />

zu setzen, alle Daten im Haus interoperabel<br />

zu machen, ist in der Regel<br />

unrealistisch. Oswald und auch sein<br />

Kollege Marc Kämmerer von VISUS<br />

Health IT empfehlen daher dringend,<br />

in Use Cases, also Anwendungsfällen,<br />

zu denken.<br />

Schritt 1: Einen Anwendungsfall<br />

beschreiben<br />

Zunächst gilt es, die Anwendungsfälle<br />

zu identifizieren, bei denen Dateninteroperabilität<br />

zu einer Reduktion<br />

von Kosten und Zeit sowie zu<br />

einer Verbesserung der Patientenversorgung<br />

führen kann. Das sind<br />

typischerweise solche, bei denen<br />

Daten durch verschiedene IT-Systeme<br />

prozessiert und an weiterverarbeitende<br />

Systeme übergeben<br />

werden. So kann zum Beispiel ein<br />

Klinikum in der Notaufnahme ein<br />

eigenes IT-System verwenden, das<br />

nicht gut mit dem Krankenhausinformationssystem<br />

kommuniziert.<br />

Entweder aufgrund fehlender oder<br />

nicht interoperabler Schnittstellen<br />

(strukturelle Interoperabilität), aufgrund<br />

fehlender oder uneinheitlicher<br />

Metadaten zur eindeutigen<br />

Zuordnung der Daten im Zielsystem<br />

(semantische Interoperabilität) oder<br />

aufgrund nicht miteinander kompatibler<br />

Dateiformate. In der Praxis<br />

sieht das dann so aus: Die Stationsärzte<br />

erhalten die Notaufnahmebefunde<br />

nur als PDF, wo Copyand-paste<br />

nur schwer möglich ist.<br />

Für die eigene Dokumentation z.B.<br />

in Entlassbriefen müssen sie alles<br />

selbst eingeben – das ist zeit- und<br />

nervenraubend. Der Anwendungsfall<br />

wäre hier: Die Daten, die in der<br />

Notaufnahme generiert werden,<br />

sind im KIS und damit auf Station<br />

in strukturierter Form so verfügbar,<br />

dass sie dort direkt automatisch in<br />

die Dokumentvorlagen übernommen<br />

werden können.<br />

Welche dringlichen Anwendungsfälle<br />

es gibt, ist generell einrichtungsspezifisch.<br />

„Es geht darum,<br />

die Problemzonen in der eigenen<br />

Einrichtung zu finden. Dabei sollten<br />

das ärztliche und das Pflegepersonal<br />

unbedingt in die Suche und die<br />

Definition von Anwendungsfällen<br />

einbezogen werden“, so Oswald.<br />

Ist ein Anwendungsfall gefunden<br />

und beschrieben, geht es an die<br />

Umsetzung.<br />

Schritt 2: Die Umsetzung<br />

Auch wenn sich die Umsetzung<br />

auf einen Anwendungsfall fokussiert,<br />

kann die Projektdurchführung<br />

wiederum viele kleine Schritte umfassen.<br />

„Entscheidend ist, dass in<br />

kurzen Abständen der jeweilige<br />

Fortschritt kontrolliert wird. So kann<br />

das Projektteam jederzeit korrigierend<br />

eingreifen und die Entscheider<br />

können besser und frühzeitiger<br />

den Nutzen der Investition bewerten“,<br />

sagt Oswald.<br />

Je nach Anwendungsfall und<br />

Klinikum kann das Vorgehen stark<br />

17


newhealth.guide #2<br />

variieren: Manchmal braucht es<br />

ein komplettes externes IT-Team,<br />

in anderen Fällen stemmt die eigene<br />

IT-Abteilung die Umsetzung.<br />

„In den meisten Kliniken binden<br />

aktuelle Herausforderungen – etwa<br />

die Umsetzung des Krankenhauszukunftsgesetzes<br />

– die Kapazitäten<br />

der IT-Abteilungen. Projekte zur Herstellung<br />

oder Verbesserung der Interoperabilität<br />

haben es – sofern sie<br />

nicht bereits Teil einer KHZG-Förderung<br />

sind – daher schwerer“, sagt<br />

Marc Kämmerer.<br />

Hat man mehrere Anwendungsfälle<br />

erfolgreich umgesetzt,<br />

ergeben sich oft Synergieeffekte<br />

bei neuen Anwendungsfällen.<br />

Fließen die Daten zwischen dem<br />

Programm in der Notaufnahme<br />

und dem KIS bereits, ist ein Anwendungsfall,<br />

in dem es um das<br />

verbesserte Einarbeiten externer<br />

Daten ins KIS geht, schon ein<br />

Stück weit gelöst. „So kann man<br />

auch in großen Krankenhäusern<br />

unter Berücksichtigung des Investitionsschutzes<br />

die Interoperabilität<br />

Schritt für Schritt verbessern<br />

und dabei die Prozesse effizienter,<br />

schneller und ressourcenschonender<br />

gestalten“, so Oswald.<br />

Welche Rolle spielt bei alldem<br />

das Krankenhausinformationssystem?<br />

Das KIS ist eine wesentliche Drehscheibe<br />

für die Daten in einem<br />

Krankenhaus. „Wenn man an der<br />

Interoperabilität von Daten arbeitet,<br />

macht man das im Idealfall<br />

gemeinsam mit dem Betreiber des<br />

KIS“, sagt Fabian Pritzel von den Paracelsus-Kliniken.<br />

Daher sollte unbedingt<br />

Kontakt zum Hersteller oder<br />

Betreiber des KIS gesucht werden.<br />

Doch leider findet man hier nicht<br />

immer schnelle und wirksame Hilfe.<br />

„Ein KIS hat viele Daten im Bestand.<br />

Wenn es zu transparent wird und es<br />

zu leicht ist, diese Daten zu exportieren,<br />

macht sich das KIS potenziell<br />

entbehrlich. Doch genau diese<br />

Transparenz braucht es, um die Interoperabilität<br />

von Daten zu verbessern“,<br />

erklärt Oswald. Hier seien gewachsene,<br />

gegenläufige Interessen<br />

im Spiel – die Regulatorik versuche<br />

aber, sie im Sinne einer optimierten<br />

Patientenversorgung und Kostenersparnis<br />

immer mehr zu verbessern:<br />

„Vorgaben wie im KHZG, das für die<br />

Fördertatbestände zwei bis sechs<br />

interoperable Schnittstellen und Daten<br />

zwingend als Basis voraussetzt,<br />

sind hier hilfreich“, sagt Oswald.<br />

Doch vonseiten der Hersteller<br />

der KIS sind die Vorgaben manchmal<br />

nur mit größerem Aufwand<br />

umzusetzen. Das liegt auch daran,<br />

dass vor allem in Deutschland die<br />

KIS häufig im Lauf der Zeit gewachsen<br />

sind. „Anders als bei amerikanischer<br />

Software, wo in regelmäßigen<br />

Abständen eine komplett neue<br />

Version angeboten wird, werden in<br />

Deutschland durch Anpassungen<br />

im bestehenden System Dinge immer<br />

wieder verbessert und Fehler<br />

beseitigt. Auf diese Weise sind einige<br />

KIS über die Jahre zu einem<br />

komplexen, eher undurchsichtigen<br />

Konstrukt geworden, bei dem Anpassungen<br />

zunehmend aufwendiger<br />

werden. Wenn man sich dann<br />

als Klinik mit einer konkreten Fragestellung<br />

an den Hersteller wendet,<br />

wird es in der Regel teuer“, sagt Fabian<br />

Pritzel.<br />

Daher kann es häufig sinnvoll sein,<br />

andere Bausteine und Programme<br />

hinzuzuziehen, die für eine verbesserte<br />

Interoperabilität sorgen. Kurz: Das<br />

KIS sollte bei der Umsetzung aller Anwendungsfälle<br />

mit einbezogen werden.<br />

In manchen Fällen ist es aber<br />

18


newhealth.guide #2<br />

122<br />

80 76<br />

nicht Teil der Lösung, sondern Teil des<br />

Problems. Dann gilt es, innovative Lösungen<br />

zu entwickeln, die einerseits<br />

die individuelle Situation berücksichtigen,<br />

sich andererseits aber an aktuellen<br />

Standards orientieren und so<br />

nicht zu einer neuen Problemquelle<br />

in der Zukunft werden können.<br />

Wie geht die Entwicklung<br />

bei der Interoperabilität weiter?<br />

Dank internationaler Standards<br />

können Daten zunehmend geteilt<br />

werden. Der Standard FHIR HL7 zum<br />

Beispiel legt fest, wie Datenobjekte<br />

ausgetauscht werden können. Auf<br />

der Senderseite definiert FHIR, wie<br />

die Daten verpackt und kategorisiert<br />

werden müssen, damit sie auf<br />

der Empfängerseite reibungslos weiterverarbeitet<br />

und in das dort vorhandene<br />

System integriert werden<br />

können. HL7 ist die Abkürzung für<br />

Health Seven International, das ist<br />

die gemeinnützige Organisation, die<br />

den Standard ins Leben gerufen hat.<br />

Ein weiterer wichtiger Standard<br />

im Gesundheitswesen ist DICOM,<br />

den es schon seit den 1980er-Jahren<br />

gibt und der entsprechend etabliert<br />

ist: „Radiologische Bilddaten<br />

im DICOM-Format können heute<br />

weltweit von einem DICOM-Bildbetrachter<br />

eines beliebigen Herstellers<br />

angezeigt werden“, sagt Marc<br />

Kämmerer von VISUS Health IT.<br />

Die Lesbarkeit der Daten hat<br />

sich in den vergangenen Jahren<br />

wegen Standards wie DICOM gesteigert.<br />

Aber der Datenfluss selbst<br />

läuft häufig noch nicht reibungslos.<br />

Doch dass man etwa als Ärztin in<br />

der Praxis auf die Daten einer Patientin<br />

in der Klinik zugreifen kann,<br />

bleibt in Deutschland bislang eine<br />

ferne Vision. Das liegt auch an den<br />

Datenschutzbeschränkungen. „Ich<br />

hoffe, in Zukunft wird es möglich<br />

sein, dass die Gesundheitsdaten<br />

in der Cloud gespeichert werden<br />

können – das ist auch mit höchsten<br />

sicherheitstechnischen Anforderungen<br />

vereinbar. Das würde vieles<br />

erleichtern und die Anwendung<br />

künstlicher Intelligenz auf die Daten<br />

ermöglichen“, sagt Fabian Pritzel<br />

von den Paracelsus-Kliniken.<br />

Es ist davon auszugehen, dass<br />

sich aktuelle Standards nicht von<br />

heute auf morgen ändern. Eine Investition<br />

in die Interoperabilität ist<br />

also eine nachhaltige Maßnahme.<br />

Trotzdem sollte darauf geachtet<br />

werden, dass das IT-System flexibel<br />

ist und mögliche künftige Standards<br />

integrieren kann.<br />

Wie groß ist der Aufwand,<br />

welche Investitionen sind nötig?<br />

Die Investitionen richten sich nach<br />

den Anwendungsfällen und den<br />

gesetzten Zielen. Häufig geht es<br />

darum, zwei Grundbedingungen<br />

zu erfüllen: erstens die Installation<br />

oder Nachrüstung der passenden<br />

Schnittstellen und deren Konfiguration.<br />

Zweitens die Herstellung der<br />

semantischen Interoperabilität der<br />

Daten. Bis alle Prozesse angepasst<br />

sind und störungsfrei funktionieren,<br />

braucht es nicht nur Zeit und IT-Expertise,<br />

sondern auch medizinischen<br />

Input. Die Kosten können je<br />

nach Anwendungsfall von wenigen<br />

Tausend Euro bis zu mehreren Millionen<br />

Euro variieren. Im Extremfall<br />

kann auch ein grundlegender Neuaufbau<br />

der gesamten IT-Architektur<br />

des Krankenhauses notwendig<br />

sein, etwa durch einen Wechsel des<br />

Krankenhausinformationssystems.<br />

Da sich sowohl die Schnittstellen<br />

als auch die Daten über die Zeit verändern<br />

können, muss zudem für ein<br />

kontinuierliches Change Management<br />

gesorgt werden. Dazu sollten<br />

von Anfang an die Möglichkeiten<br />

und Prozesse mitgedacht werden,<br />

für den Fall, dass Schnittstellen einmal<br />

wieder ausgetauscht werden<br />

müssen.<br />

Dr. Marc Kämmerer empfiehlt, eigene<br />

Ressourcen – insbesondere<br />

die eigene IT-Abteilung – möglichst<br />

federführend einzubinden: „Das<br />

lohnt sich langfristig: Wenn es um<br />

den Betrieb und die Wartung der<br />

neuen Schnittstellen geht, kennen<br />

die Mitarbeiter die Hintergründe<br />

und die zum Fehlerfall führenden<br />

Prozesse besser. Auch wenn dies bei<br />

umfangreicheren Projekten mit sich<br />

bringt, dass man neue IT-Mitarbeiter<br />

einstellen muss. Es rechnet sich in<br />

den allermeisten Fällen.“<br />

Bis in einem Krankenhaus alle<br />

IT-Prozesse angepasst sind und<br />

reibungslos funktionieren, braucht es<br />

auch medizinischen Input.<br />

19


newhealth.guide #2<br />

„Der Roboter bietet<br />

uns eine<br />

zusätzliche Sicherheit“<br />

Millimeterarbeit aus dem Cockpit: An der Technischen<br />

Universität München operieren Neuroradiologen Hirnaneurysmen erstmals<br />

robotergestützt. Ein Vorbote für eine schnellere, telemedizinische<br />

Schlaganfallbehandlung, vor allem in ländlichen Regionen? Die Experten<br />

sagen: Ja, die Vorteile überwiegen!<br />

Text<br />

Christian Heinrich<br />

Der interventionelle Neuroradiologe<br />

Dr. Tobias Boeckh-Behrens ist<br />

an schwierige Eingriffe gewöhnt.<br />

Nur wenig von dem, was er operiert,<br />

ist Routine. Aber wenn es besonders<br />

herausfordernd wird, steht er während<br />

eines Eingriffs nicht mehr neben seiner<br />

Patientin, sondern er sitzt im Cockpit.<br />

So nennen Boeckh-Behrens und seine<br />

Kollegen die Armatur mit Bildschirmen, Joystick<br />

und weiteren Bedienelementen, die im<br />

Kontrollraum etwas abseits des Geschehens<br />

steht und dem Operateur Schutz vor Strahlung<br />

und Ablenkung gibt. „Ich brauche keine<br />

Bleischürze, neben mir wird nicht gespült<br />

und kein Kontrastmittel gespritzt. Ich kann<br />

mich voll auf den Eingriff fokussieren. Wenn<br />

man dann auf die großen Monitore schaut,<br />

auf denen Livebilder des Gefäßes von innen<br />

zu sehen sind, den Joystick in der Hand hält<br />

und sich Stück für Stück vorarbeitet, hat man<br />

das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein und<br />

zu handeln“, sagt Boeckh-Behrens. Er ist leitender<br />

Oberarzt in der Neuroradiologie und<br />

dort Chef der Sektion Intervention am Universitätsklinikum<br />

rechts der Isar der Technischen<br />

Universität München (TUM).<br />

Mit dem Joystick steuert Boeckh-Behrens<br />

den kleinsten, innersten, letzten von mehreren<br />

Kathetern, die über die Leiste bis in die<br />

Gehirngefäße vorgeschoben werden. Die<br />

Steuerung ist dabei robotergestützt: Das Gerät<br />

erlaubt einen Vorschub von weniger als<br />

einem Millimeter. Derart präzise kann ein Arzt<br />

ohne Unterstützung selbst mit viel Feingefühl<br />

meist nicht durchgängig agieren. „Dabei ist<br />

es nicht so, dass der Roboter mir komplett<br />

die Arbeit abnimmt. Jeden einzelnen Schritt<br />

bestimme nach wie vor ich. Nur kann ich mithilfe<br />

des Roboters den winzigen Mikrokatheter<br />

präziser und geplanter bewegen. Das ist<br />

gerade bei herausfordernden Eingriffen eine<br />

große Hilfe“, erklärt Boeckh-Behrens.<br />

Bislang wird das Operationsrobotersystem<br />

mit dem Namen „CorPath GRX Neurovascular“<br />

am Universitätsklinikum rechts der Isar<br />

nur bei einzelnen Patientinnen und Patienten<br />

mit einem Hirnaneurysma eingesetzt. Dabei<br />

handelt sich um eine Aussackung in einem<br />

Gefäß im Gehirn, die oftmals nicht einmal<br />

drei Millimeter groß ist. Mithilfe des winzigen<br />

Katheters werden sogenannte Coils – Spiralen<br />

aus Platindraht – in das Aneurysma gebracht.<br />

Die Spiralen verhindern einerseits,<br />

dass weiteres Blut in das Aneurysma gelangt<br />

und die Aussackung sich vergrößert oder sogar<br />

platzt. Andererseits wächst im Lauf der<br />

Zeit die Gefäßwand über dem Aneurysma<br />

zu. Problem nachhaltig gelöst.<br />

Normalerweise steuert der Operateur den<br />

winzigen Katheter ohne maschinelle Hilfe. „Als<br />

ich von dem Roboter hörte, war ich neugierig,<br />

aber auch etwas skeptisch. Denn wenn man<br />

den Katheter selbst steuert, hat man noch<br />

eine direktere haptische Rückmeldung: Ich<br />

spüre in meinem Finger, wenn ich auf einen<br />

Widerstand stoße“, erklärt Boeckh-Behrens.<br />

Aber als er sich mit dem Roboter vertraut<br />

machte, merkte er nach kurzer Zeit, dass<br />

die Vorteile eindeutig überwiegen. Doch bis<br />

Boeckh-Behrens und sein Oberarzt-Kollege,<br />

Privatdozent Dr. Christian Maegerlein, den<br />

Hightech-Hilfe<br />

Präziser und schonender<br />

Eingriff ins<br />

Gehirn: Radiologe<br />

Dr. Tobias<br />

Boeckh-Behrens<br />

kann über den Arm<br />

des Roboters Katheter,<br />

Stents etc.<br />

millimetergenau<br />

bewegen<br />

FOTOS: KLINIKUM RECHTS DER ISAR/KATHRIN CZOPPELT, KLINIKUM RECHTS DER ISAR/THOMAS EINBERGER<br />

20


FOTOS: XXXXX<br />

21


newhealth.guide #2<br />

Starkes Team<br />

Die Oberärzte<br />

PD Dr. Christian<br />

Maegerlein, PD<br />

Dr. Tobias Boeckh-<br />

Behrens mit Prof.<br />

Dr. Jan Kirschke<br />

und Prof. Dr. Claus<br />

Zimmer, Leiter<br />

der Abteilung für<br />

Diagnostische und<br />

Interventionelle<br />

Radiologie am<br />

Universitätsklinikum<br />

rechts der Isar (von<br />

links nach rechts)<br />

Roboter das erste Mal bei einem Patienten<br />

einsetzten, brauchte es mehrere Monate<br />

Ein arbeitungszeit. Zunächst übten sie einige<br />

Stunden an einem Silikonmodell des Gefäßsystems<br />

im Gehirn, um in der Bedienung<br />

sicher zu werden und den Roboter kennenzulernen.<br />

Auch heute noch fertigen die beiden<br />

von jeder Patientin und jedem Patienten<br />

mittels 3-D-Drucker ein Modell der jeweiligen<br />

individuellen Gefäßstruktur an, um daran<br />

den bevorstehenden Eingriff einmal im Detail<br />

durchzugehen.<br />

Bisher hat sich der Aufwand gelohnt: Zwei<br />

Patienten haben die Ärzte bislang mithilfe<br />

des Roboters behandelt. In beiden Fällen<br />

konnte das Aneurysma erfolgreich verschlossen<br />

werden. „Gerade der jüngste Fall war<br />

besonders anspruchsvoll. Da war ich sehr<br />

froh, dass ich den Roboter an der Seite hatte“,<br />

sagt Boeckh-Behrens.<br />

Ob und in welchem Umfang der Einsatz<br />

des Roboters das Outcome der Aneurysma-<br />

Behandlung verbessert, wird gerade in ersten<br />

Studien erprobt. Bis konkrete Ergebnisse<br />

vorliegen und sich womöglich ein Benefit<br />

zeigt – etwa in der Komplikationsrate oder in<br />

der Überlebensdauer –, dürften jedoch noch<br />

einige Monate ins Land gehen: Da die Geräte<br />

weltweit noch nicht in großem Stil genutzt<br />

werden, braucht es Zeit, bis die Fallzahlen<br />

zusammenkommen. Nach seiner klinischen<br />

Erfahrung mit dem Roboter fällt Boeckh-Behrens‘<br />

Urteil aber klar aus: „Ich bin ziemlich sicher,<br />

dass es hier einen Benefit gibt. Ich selbst<br />

jedenfalls denke gerade bei besonders<br />

schwierigen Fällen inzwischen häufig: Das ist<br />

sehr komplex, aber der Roboter bietet uns<br />

hierfür eine zusätzliche Sicherheit.“<br />

Größere Wirkung durch Kooperationen<br />

Die Abteilung für Diagnostische und Interventionelle<br />

Neuroradiologie am Universitätsklinikum<br />

rechts der Isar ist hierzulande nach<br />

Boeckh-Behrens‘ Wissen die einzige Klinik, wo<br />

der Operationsroboter bereits im klinischen<br />

Einsatz ist. Im deutschsprachigen Ausland arbeiten<br />

auch das Inselspital in Bern und das<br />

Uniklinikum Salzburg mit dem CorPath GRX<br />

Neurovascular. In Salzburg ist man ebenfalls<br />

begeistert. Man wagt sogar einen Blick in die<br />

Zukunft, über die Versorgung von Aneurysmen<br />

hinaus: „Mit einem gut ausgebildeten<br />

Team könnten, wenn medizinisches und<br />

Pflegepersonal rarer werden, sogar mehrere<br />

Krankenhäuser von einem zentralen Standort,<br />

quasi von einem ‚Schaltraum‘ aus, mitversorgt<br />

werden“, sagt Professorin Monika<br />

Killer-Oberpfalzer, die Leiterin des Instituts für<br />

Neurointervention an der Paracelsus Medizinischen<br />

Privatuniversität, wo der Roboter gemeinsam<br />

mit der Uniklinik Salzburg eingesetzt<br />

wird. Dabei geht es vor allem um die Akutversorgung<br />

von Schlaganfällen.<br />

Auch Boeckh-Behrens aus München sieht<br />

in der Versorgung von Schlaganfällen Potenzial<br />

für den Roboter. Denn der Roboter kann<br />

nicht nur präzise arbeiten – der Operateur<br />

kann über ihn auch aus großer Entfernung<br />

FOTOS: KLINIKUM RECHTS DER ISAR/THOMAS EINBERGER, KLINIKUM RECHTS DER ISAR/KATHRIN CZOPPELT<br />

22


newhealth.guide #2<br />

wirken. Gerade im ländlichen Raum ist es ein<br />

großes Problem, die akute Versorgung von<br />

Schlaganfällen mit spezialisiertem Personal<br />

zu gewährleisten. So hat das Universitätsklinikum<br />

rechts der Isar etwa eine Kooperation<br />

mit dem Krankenhaus Weilheim-Schongau in<br />

Oberbayern. Wenn in dem Klinikum beispielsweise<br />

eine Schlaganfallpatientin eingeliefert<br />

wird, bei der ein Gefäß im Gehirn mit einem<br />

Stent wieder geöffnet werden muss, werden<br />

sofort die Kollegen in München benachrichtigt.<br />

Es gilt: „Time is Brain“ – je früher der<br />

Eingriff erfolgt, desto eher kann irreversibler<br />

Schaden im Gehirn vermieden werden.<br />

Die Patientin nach München zu verlegen,<br />

dauert bei einem akuten Schlaganfall oft zu<br />

lange. „Also setzt sich einer von uns zügig ins<br />

Auto und fährt los, während die Kollegen in<br />

Weilheim den Eingriff vorbereiten. Nach rund<br />

einer Stunde sind wir da“, sagt Boeckh-Behrens.<br />

Wäre hingegen der Roboter in Weilheim<br />

vor Ort, bräuchte sich Boeckh-Behrens in<br />

München nur ins Cockpit zu setzen und könnte<br />

den Eingriff aus der Ferne durchführen.<br />

„Das würde sicher eine wertvolle Stunde Zeit<br />

einsparen und auch die personelle Belastung<br />

reduzieren. Aus diesen Gründen ist der Einsatz<br />

des Systems in der Schlaganfallbehandlung<br />

das große Ziel“, sagt Boeckh-Behrens. Aber<br />

er schränkt auch ein: „Bis so etwas überhaupt<br />

einmal erprobt und später dann in die Regelversorgung<br />

aufgenommen wird, ist es noch<br />

ein sehr langer Weg.“<br />

Auch deshalb dürfte das System zunächst<br />

nur für größere, forschende Kliniken infrage<br />

kommen: Zwar hat das Universitätsklinikum<br />

rechts der Isar das System vom Hersteller nur<br />

geleast, das heißt, die Kosten halten sich in<br />

Grenzen. Doch die Zeit, die das Personal in die<br />

Vorbereitung der Eingriffe investiert, ist enorm.<br />

Bei einzelnen, besonders herausfordernden<br />

Fällen, wie sie etwa in hoch spezialisierten Häusern<br />

auflaufen, ist der Aufwand aber ohnehin<br />

groß. Gerade für solche Anwendungen scheint<br />

das Robotersystem einen wertvollen Benefit zu<br />

bringen. Nun sind Boeckh-Behrens und seine<br />

Kollegen gespannt, ob sich dieser Eindruck<br />

auch in den klinischen Studien bestätigt.<br />

Intensive<br />

Vorbereitung<br />

Der Roboter ist<br />

geleast, was<br />

Kosten einspart. Für<br />

die Einarbeitung<br />

in die Bedienung<br />

muss das Personal<br />

jedoch viel Zeit<br />

investieren<br />

23


newhealth.guide #2<br />

„Die Stimme ist<br />

das neue Blut“<br />

KI ist in aller Munde, auch in der Gesundheitsbranche. Was sie hier zu<br />

leisten vermag, zeigt zum Beispiel das bayerische Unternehmen audEERING.<br />

Es hat eine Technologie entwickelt, die Krankheiten aus der<br />

menschlichen Stimme herauslesen kann – zum Beispiel Depressionen,<br />

Multiple Sklerose oder Corona<br />

Text<br />

Kathrin Schwarze-Reiter<br />

24


newhealth.guide #2<br />

FOTOS: ISTOCK (4), AUDEERING/MARTIN NINK<br />

Kann eine Fernsehserie<br />

aus den 80er-Jahren<br />

Forschende dazu bringen,<br />

die Medizin der<br />

Zukunft zu gestalten?<br />

So abenteuerlich das klingt: ja.<br />

Aber dazu später.<br />

„Die Stimme ist das neue Blut –<br />

man kann aus ihr unglaublich viel<br />

herauslesen“, sagt Dagmar Schuller,<br />

Mitgründerin von audEERING.<br />

Das Unternehmen, dessen Name<br />

für Intelligent Audio Engineering<br />

steht, hat eine KI-basierte Technologie<br />

entwickelt, die Merkmale<br />

in der Stimme erkennt und diese<br />

bewertet: Dabei spielen Tonhöhe,<br />

Klangfarbe, Betonung und Sprachrhythmus<br />

eine Rolle. „Das sind<br />

wichtige Biomarker – also messbare<br />

Parameter biologischer Prozesse“,<br />

erklärt Schuller. Nahezu 7.000 solcher<br />

Merkmale filtert audEERING<br />

automatisiert und in Echtzeit heraus.<br />

In Kombination können sie auf<br />

bestimmte Erkrankungen oder Zustände<br />

hindeuten, auch Gefühle<br />

kann die Software erkennen.<br />

All diese Erkenntnisse fußen bei<br />

audEERING auf wissenschaftlich<br />

validierter Forschung. Das Team<br />

hat zahlreiche wissenschaftliche<br />

Paper in namhaften Publikationen<br />

veröffentlicht. Der Europäische<br />

Forschungsrat zeichnete das Unternehmen<br />

mit einem seltenen Proof<br />

of Concept Grant aus. Außerdem<br />

wurde es 2019 vom Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung und<br />

dem DLR Projektträger als eine von<br />

zehn Erfolgsgeschichten für künstliche<br />

Intelligenz genannt, die es von<br />

bahnbrechender Grundlagenforschung<br />

zu einem reellen Produkt<br />

geschafft haben.<br />

audEERING sitzt in einem Industriepark<br />

in Gilching bei München.<br />

Hier entwickeln vor allem Luftfahrtunternehmen<br />

unbemannte Flugobjekte<br />

und nachhaltig angetriebene<br />

Flugzeuge. Auch das Deutsche Luftund<br />

Raumfahrtzentrum startet seine<br />

Testobjekte auf einem Sonderflughafen<br />

in der Nähe. In einem kastenartigen<br />

Gebäude hat audEERING<br />

fast den ganzen zweiten Stock gemietet,<br />

die Räume sind großzügig.<br />

Auf die ehemalige Start-up-Mentalität<br />

deuten lediglich ein Kicker und<br />

Erkennt Ideen mit<br />

Zukunft<br />

Dagmar Schuller ist<br />

CEO und Co-Founder<br />

des KI-Unternehmens<br />

audEERING<br />

Flyer zu einem Wim-Hof-Atem-Workshop<br />

hin. Neben Gilching gibt es inzwischen<br />

auch einen Sitz in Berlin,<br />

ganz zentral in der Friedrichstraße.<br />

Die Geschäftsidee zu audEERING<br />

entstand bereits vor mehr als einem<br />

Jahrzehnt, als Dagmar Schuller mit<br />

Professor Björn Schuller und drei<br />

seiner Doktoranden an der Technischen<br />

Universität München (TUM) in<br />

einem Münchner Café zusammensaß<br />

und über ihre Forschungsarbeit<br />

sprach. Die gelernte Informatikerin,<br />

Wirtschaftswissenschaftlerin und<br />

einst jüngste Managerin bei der Beratungs-<br />

und Prüfungsgesellschaft<br />

Ernst & Young in New York – sie wurde<br />

bereits vor ihrer österreichischen<br />

Matura abgeworben – versuchte,<br />

die Wissenschaftler von dem Wert<br />

ihrer Erfindung zu überzeugen. Florian<br />

Eyben, Martin Wöllmer und Felix<br />

Weninger forschten damals an der<br />

TUM zur intelligenten Spracherkennung.<br />

Leiter dieser speziellen Forschungsgruppe<br />

am Lehrstuhl für<br />

Mensch-Maschine-Kommunikation<br />

war Björn Schuller. Er hatte schon<br />

während seiner eigenen Habilitation<br />

an der TUM und auch später<br />

als einer der führenden Professoren<br />

am Imperial College London die<br />

Themen Affective Computing und<br />

KI wissenschaftlich wesentlich geprägt.<br />

Seine Schwerpunkte waren<br />

dabei der Audiobereich und die<br />

menschliche Stimme. Inspiriert hatte<br />

Björn Schuller die TV-Serie „Knight<br />

Rider“ mit David Hasselhoff. In seiner<br />

Rolle als Michael Knight kommuniziert<br />

er mit dem sprechenden Auto<br />

K.I.T.T., das mit künstlicher Intelligenz<br />

ausgestattet ist und zum Beispiel erkennt,<br />

wenn sein Fahrer müde wird<br />

und eine Pause braucht. Und damit<br />

wären wir bei der Eingangsfrage<br />

dieses Textes.<br />

Dagmar Schuller erkannte in<br />

den Experimenten mit der KI-basierten<br />

Technologie sofort das Potenzial.<br />

„Ich bin vielleicht nicht so genial<br />

im Coden, aber Zukunftsideen<br />

erkennen, das kann ich“, sagt die<br />

Wissenschaftlerin, gebürtig aus Weiz,<br />

einer kleinen Stadt in der Steiermark.<br />

Sie war überzeugt, dass das Potenzial<br />

der intelligenten Sprachanalyse<br />

nicht hinter verschlossenen Uni-Türen<br />

bleiben dürfte. Ein richtiges Softwareprodukt<br />

sollte entstehen, das<br />

man in Alltagsgeräte und -produkte<br />

integrieren kann.<br />

Doch nicht nur ein Cafébesuch<br />

war nötig, um die Wissenschaftler<br />

zu überzeugen. Zu groß war die Ungewissheit:<br />

Die drei Doktoranden<br />

mussten noch ihre Promotionen<br />

beenden, und würde das mit der<br />

Firma überhaupt klappen? Weil Risikokapital<br />

nicht infrage kam, einigte<br />

man sich darauf, pragmatisch zu<br />

starten. Die fünf gründeten Ende<br />

Dezember 2012 eine UG: mit 500<br />

Euro Stammkapital und 7.500 Euro<br />

privatem Startkapital. Heute macht<br />

die Firma siebenstellige Umsätze,<br />

die Mitarbeiterzahl ist auf 75 angewachsen.<br />

Doch wie ist es möglich, körperliche<br />

und psychische Erkrankungen<br />

aus der Stimme herauszulesen?<br />

Ein neues Deep-Learning-Verfahren<br />

wird mit fast 7.000 Merkmalen<br />

kombiniert, die audEERING durch<br />

unzählige Stimm- und Sprechproben<br />

identifiziert hat. Damit hat<br />

das Unternehmen eine flexibel erweiterbare<br />

Softwareplattform gebaut,<br />

die Emotionen und mögliche<br />

Krankheitszustände aus den Stimmdaten<br />

erkennt und versteht. Jedes<br />

Husten, Räuspern und Stocken<br />

kann ein Hinweis sein, der von der<br />

künstlichen Intelligenz analysiert<br />

wird. So spricht ein Mensch, der<br />

an Depressionen leidet, anders als<br />

ein gesunder. Auch neuronale Erkrankungen<br />

wie Parkinson oder Vi-<br />

25


newhealth.guide #2<br />

rusinfektionen wie COVID-19 schlagen<br />

sich in der Stimme nieder. Da<br />

diese durch Zunge, Stimmlippen,<br />

Wangenmuskulatur und Lungenvolumen<br />

gebildet wird, verändert<br />

eine Krankheit die Artikulation: Fieber<br />

macht die Sprache monotoner,<br />

Corona den Husten trockener.<br />

„Inzwischen können wir verschiedene<br />

Merkmale und Zustände wie<br />

Stress oder Erschöpfung erkennen<br />

– aber auch Veränderungen in der<br />

Stimme, die mit Krankheiten wie<br />

Depression, Multipler Sklerose oder<br />

neurodegenerativen Erkrankungen<br />

in Verbindung stehen – manchmal<br />

zeigen sich hierfür schon in einem<br />

früheren Stadium Anzeichen“, sagt<br />

Dagmar Schuller.<br />

Im Jahr 2<strong>02</strong>0 machte audEERING<br />

Schlagzeilen, weil die KI-Technologie<br />

mit einer Wahrscheinlichkeit<br />

von gut 82 Prozent bereits in<br />

der Proof-of-Concept-Phase sagen<br />

konnte, ob ein Sprecher an Corona<br />

leidet oder nicht. In Zusammenarbeit<br />

mit der Universität Augsburg<br />

hat audEERING eine Forschungsstudie<br />

zu einem sprachbasierten CO-<br />

VID-19-Test durchgeführt. „Wir ließen<br />

die Menschen husten sowie weitere<br />

Sprachtests über ihren Laptop oder<br />

ihr Smartphone machen und konnten<br />

dadurch erkennen, ob eventuell<br />

eine Infektion vorliegt – ganz ohne<br />

Nasenabstrich“, so die 47-Jährige.<br />

Die WHO verzeichnet seit einigen<br />

Jahren einen starken Anstieg<br />

bei Depressionen, nicht zuletzt befeuert<br />

durch die Pandemie. Stress<br />

und Erschöpfungszustände nehmen<br />

ebenfalls zu, häufig sind auch<br />

junge Personen betroffen. „Unspezifische<br />

Symptome wie Erschöpfung<br />

objektiv zu messen, ist oft<br />

nicht einfach. Auch zu erkennen,<br />

ob eine Depression beispielsweise<br />

eine Begleiterscheinung einer anderen<br />

Krankheit ist oder sich isoliert<br />

durch andere Einflussfaktoren<br />

entwickelt hat, ist wichtig, um die<br />

richtige Therapie zu finden“, sagt<br />

Schuller. Um diesen Prozess zu erleichtern,<br />

hat audEERING mit AI<br />

SoundLab eine Studienplattform<br />

entwickelt. Mit ihr können die Patientinnen<br />

und Patienten validierte<br />

Sprachtests machen, die Plattform<br />

liefert dann Erkenntnisse durch die<br />

Stimmbiomarker. Außerdem haben<br />

die Testpersonen die Möglichkeit,<br />

ein Audiotagebuch zu führen, das<br />

Aufschluss über die Entwicklung der<br />

Emotionszustände liefert.<br />

audEERING hat die Technologie<br />

ein Jahr lang in einer besonders<br />

aufreibenden Umgebung getestet:<br />

an den Crew-Mitgliedern<br />

eines Frachtschiffs, die durch die<br />

beengten Lebensumstände und<br />

die anstrengende körperliche Arbeit<br />

hohem Stress ausgesetzt sind.<br />

„Durch unsere Technologie und<br />

verschiedene Tests konnten nicht<br />

nur Stresssituationen automatisiert<br />

identifiziert werden, was bessere Interventionen<br />

ermöglicht. Sondern<br />

die Crew-Mitglieder reagierten<br />

auch positiv auf die Möglichkeit,<br />

sich selbst in emotionalen Situationen<br />

objektiv zu analysieren“, erzählt<br />

Schuller.<br />

Vor großen Herausforderungen<br />

steht audEERING allerdings bei<br />

der Datengewinnung: „Die strengen<br />

Vorschriften machen es vor<br />

allem Unternehmen im medizinischen<br />

Bereich echt schwer – die<br />

Gesundheits- und Krankheitsdaten<br />

sind der Grundstock jeder technischen<br />

Entwicklung“, sagt Schuller.<br />

Für sie sei es kein Wunder, dass so<br />

viele junge, aber auch etablierte<br />

Firmen ins Ausland abwandern, wo<br />

die Vorschriften weniger streng sind.<br />

audEERING nimmt das Thema Datenschutz<br />

sehr ernst, setzt sich aber<br />

für eine freiwillige Herausgabe der<br />

Gesundheitsdaten und die Möglichkeit<br />

zur aktiven Partizipation ein.<br />

„Viele Patientinnen und Patienten,<br />

die an chronischen oder seltenen<br />

Krankheiten leiden, würden gerne<br />

freiwillig ihre Daten spenden, nur<br />

um der Linderung ihrer Erkrankung<br />

einen Schritt näherzukommen.“<br />

audEERING möchte nun auf seiner<br />

AI-SoundLab-Plattform eine Möglichkeit<br />

anbieten, die eigenen Daten<br />

zu spenden. Ein Stimmtest kann<br />

dann der Forschung allgemein<br />

oder für ein bestimmtes Krankheitsfeld<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

In einem völlig anderen Bereich<br />

ist die audEERING-Technologie<br />

bereits weltweit im Einsatz: in der<br />

Marktforschung und im Callcenter.<br />

Die KI-Technologie für das Produkt<br />

engage.AI des dänischen Unternehmens<br />

Jabra basiert auf der<br />

Stimme. Wenn der Mitarbeitende<br />

einen Anruf entgegennimmt, analysiert<br />

die Technologie in Echtzeit<br />

die Stimmen. So weiß er unmittelbar,<br />

wie der Anrufende am anderen<br />

Ende der Leitung drauf ist.<br />

Gleichzeitig sieht er, wie er selbst<br />

klingt – freundlich, gereizt, fröhlich?<br />

So kann er seine Stimme an den<br />

Kunden anpassen. Der Inhalt des<br />

Gesprächs wird nicht gespeichert,<br />

sowohl Anrufer als auch Mitarbeiter<br />

bleiben anonym. Das alles scheint<br />

viel zu bringen, zeigt eine Studie anhand<br />

von rund 70.000 Anrufen: Die<br />

Kundenzufriedenheit steigt, die Anliegen<br />

der Anrufer sind schneller erledigt.<br />

So sollen die Telefongespräche<br />

in Zukunft entspannter werden<br />

und konstruktiver verlaufen – eine<br />

Verbesserung für alle Seiten.<br />

FOTOS: ISTOCK<br />

26


Anzeige<br />

Patienten- und Behandlungsinformationen nutzbar<br />

machen<br />

Daten zählen zu den wichtigsten Gütern unserer Zeit. Im Gesundheitswesen ist deren Nutzung allerdings<br />

bisweilen schwierig bis unmöglich, auch wenn diese mittlerweile digital bzw. digitalisiert vorliegen.<br />

ID hat in Kooperation mit DMI eine Portallösung entwickelt, die Krankenhäusern beliebige, semantische<br />

Auswertungen ihrer Patientendaten zur Verfügung stellt. Zudem ist die Implementierung der<br />

Software-as-a-Service-Lösung DaWiMed ohne großen Aufwand möglich.<br />

Im Behandlungsverlauf wird eine<br />

Vielzahl an Informationen zum<br />

Patienten aufgenommen. Diese<br />

Daten können allerdings nur dann<br />

von Computersystemen verarbeitet<br />

werden, wenn sie in standardisiert<br />

strukturierter Form vorliegen. Erst<br />

dann sind sinnvolle Auswertungen<br />

oder zielgerichtete Abfragen möglich,<br />

insbesondere dann, wenn das<br />

Ziel der Abfrage eine intelligente<br />

Interpretation der Daten erfordert.<br />

Das Langzeitarchiv als Datenquelle<br />

für semantische Analysen<br />

Die abgeschlossene und freigegebene<br />

Behandlungsdokumentation<br />

wird im Rahmen der Aufbewahrungspflicht<br />

im digitalen revisionssicheren Langzeitarchiv<br />

aufbewahrt. Dort liegen damit umfassende strukturierte<br />

und unstrukturierte Daten über die Patientenversorgung<br />

vor. Grundsätzlich ist das digitale Langzeitarchiv Datenquelle<br />

für Auswertungen, weil diese Daten u. a. die Anforderungen:<br />

Verfügbarkeit, Vertraulichkeit und Integrität erfüllen<br />

müssen. Um bereits eine strukturierte Aufbewahrung<br />

zu fördern, ist es erforderlich, freitextbasierte Behandlungsdokumentationen<br />

automatisch mittels Natural Language<br />

Processing (NLP) inhaltlich zu analysieren.<br />

NLP ist seit 2011 bei DMI fester Bestandteil des Archivierungsprozesses.<br />

Die NLP-Analyse medizinischer Freitexte<br />

und weiterer Dokumentenmerkmale ist für die automatisierte<br />

Dokumententypindexierung im Einsatz. In diesem<br />

Archivierungsschritt erhalten die zu archivieren-den papierbasierten<br />

oder elektronischen Dokumente weitere<br />

beschreibende Dokumentenmerkmale. Durch die Klassifizierung<br />

der Dokumente mit der Klinischen Dokumentenklassenliste<br />

(KDL) werden im nächsten Archivierungsschritt<br />

freitextbasierte Dokumente der semantischen Analyse zugeführt.<br />

Dadurch wird die Ergebnisqualität der semantischen<br />

Analyse gesteigert.<br />

Im Jahr 2<strong>02</strong>2 implementierte DMI in Zusammenarbeit<br />

mit ID Berlin weitere NLP-Anwendungen in den Archivierungsprozess.<br />

Zahlreiche Patienteninformationen liegen<br />

nach wie vor in Form von Freitexten vor, ob in Arztbriefen,<br />

OP-Berichten oder Befunden. Mit dem Terminologieserver<br />

ID LOGIK ® werden auch die dort enthalten<br />

Informationen verwertbar. Alle anfallenden Texte zum<br />

Patienten werden mit computerlinguistischen Methoden<br />

analysiert und strukturiert. Das Ergebnis ist eine<br />

vollständige Abbildung der Inhalte auf verschiedene Terminologien,<br />

wie ICD-10-GM, OPS, Wingert-Nomenklatur<br />

(WNC), Anatomisch-Therapeutisch-Chemische Klassifikation<br />

(ATC) und SNOMED CT.<br />

Die Bereitstellung der strukturierten Behandlungsinformationen<br />

erfolgt über ein Health Data Warehouse von DMI.<br />

Die syntaktische Interoperabilität wird durch den Einsatz<br />

von HL7 FHIR ® und HL7 CDA Level 3 sichergestellt.<br />

DaWiMed (Daten – Wissen – Medizin)<br />

Gemeinsam wurde ein flexibles Analysetool entwickelt, das<br />

sich auf viele Fragestellungen anwenden lässt. Was auf<br />

dem ersten Blick einzig als Forschungsinstrument nutzbar<br />

scheint, wird nun auch für Krankenhäuser interessant.<br />

DaWiMed ist eine Portallösung zur Auswertung von Patienten-<br />

und Behandlungsinformationen. Das Besondere<br />

daran: Es werden nicht nur abrechnungsrelevante Informationen<br />

in den Datenbestand einbezogen, sondern alle<br />

in der Klinik vorliegenden Daten. Die Suche in diesen Daten<br />

erfolgt anschließend vollständig Terminologie basiert. Dabei<br />

können Patientenstammdaten, Falldaten, Symptome,<br />

Diagnosen, Prozeduren, Medikamenten und Laborwerte<br />

beliebig miteinander kombiniert werden.<br />

Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und sprechen<br />

gleich mehrere Berufsgruppen im Krankenhaus an.<br />

Neben Studien und Forschung ist DaWiMed auch für die<br />

Qualitätssicherung und das Controlling relevant. Neben<br />

der typischen Kohorten Selektion auf Basis von Ein- und<br />

Ausschlusskriterien kann auch gezielt nach bestimmten<br />

klinischen Situationen gesucht werden.<br />

Mit DaWiMed sind nicht mehr Abrechnungsdaten der limitierende<br />

Faktor, sondern die Inhalte selbst.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.id-berlin.de


newhealth.guide #2<br />

Digitale<br />

Kompetenz<br />

erwerben<br />

Text<br />

Lena Kaeß<br />

In der Gesundheitsbranche entwickeln sich neue Technologien rasant<br />

weiter. Die Anwendung digitaler Tools und das Wissen darüber<br />

werden im klinischen Alltag immer wichtiger. Wo sich Gesundheitsfachkräfte<br />

weiterbilden können und welche Angebote es gibt, erfahren Sie hier<br />

Berufsbegleitende Weiterbildung<br />

Zertifikatsstudium „Digital Health“<br />

Fach- und Führungskräfte aus dem Gesundheitssektor<br />

müssen zunehmend auf neue digitale<br />

Herausforderungen reagieren können. Das<br />

Zertifikatsstudium „Digital Health“ der Leuphana<br />

Professional School bietet hierfür ein berufsbegleitendes<br />

Curriculum: Themen wie die digitale<br />

Gesundheitsförderung, digitales Lernen, Medienpädagogik,<br />

IT und Formen der Online-Kommunikation<br />

für gesundheitsrelevante Aspekte<br />

stehen auf dem Lehrplan. Diese Weiterbildung<br />

auf Master-of-Public-Health-Niveau dauert zwei<br />

Semester und kostet 3.120 Euro zzgl. Semesterbeiträge.<br />

Start ist im Oktober. Die diesjährige Bewerbungsfrist<br />

endet am 15. Juli.<br />

Infos unter: www.leuphana.de<br />

Online-Seminar<br />

Datenschutz im Gesundheitswesen<br />

Datenmissbrauch und Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen<br />

– der Austausch medizinischer<br />

Informationen über Datennetze birgt<br />

enorme Gefahren. Aus diesem Grund sind gesetzlich<br />

zahlreiche Spezialregelungen zu beachten.<br />

Das Online-Seminar „Datenschutz im<br />

Gesundheitswesen“ bietet hierfür den nötigen<br />

Überblick. Der zweitägige Kurs klärt die Teilnehmenden<br />

über Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes,<br />

europäische Regelungen<br />

und auch landesrechtliche Sonderbestimmungen<br />

und Vorschriften auf. Ausgewiesene<br />

Expertinnen und Experten aus der betrieblichen<br />

und anwaltlichen Praxis informieren über<br />

Herausforderungen bei der Übermittlung von<br />

Patientendaten an Dritte: von behördlichen<br />

Auskunftsersuchen über die Nutzung von Gesundheitsdaten<br />

zu Forschungszwecken bis hin<br />

zu betriebsinternen Untersuchungen. Die Zielgruppe<br />

des Kurses sind Akteure im Gesundheitswesen,<br />

die sich mit Compliance- oder Datenschutzfunktionen<br />

auseinandersetzen oder<br />

generell mit Gesundheitsdaten in Berührung<br />

kommen. Das Online-Seminar findet vom 18. bis<br />

19. September statt und teilt sich in zwei Module<br />

auf: Grundlagen- und Vertiefungswissen. Anmeldeschluss<br />

ist der 15. September 2<strong>02</strong>3.<br />

Infos unter: www.bvmed.de<br />

FOTOS: LEUPHANA/ALFRED BRANDL, UNIVERSITÄTSKLINIKUM JENA/ANNA SCHOLL (2)<br />

28


newhealth.guide #2<br />

Weiterbildungsstudiengang<br />

„eHealth and<br />

Communication“<br />

Sicher und souverän ins digitale<br />

Zeitalter: Im berufsbegleitenden<br />

Masterstudiengang „eHealth and<br />

Communication“ der Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena erwerben die<br />

Teilnehmenden die notwendigen<br />

Kompetenzen des digitalen Gesundheitssystems.<br />

Durch eine Kombination<br />

aus Online-Seminaren und flexibel<br />

gestaltbaren Praxisübungen werden<br />

Theorie und Anwendung verknüpft.<br />

Nach drei Semestern können die Studierenden<br />

E-Health-Technologien<br />

unter ethischen, technischen, ökonomischen<br />

und rechtlichen Aspekten<br />

analysieren. Sie lernen, wie die<br />

adäquate digitale Kommunikation<br />

und Vermittlung von Gesundheitsinformationen<br />

funktioniert und worauf<br />

man bei der Implementierung von<br />

E-Health-Anwendungen in unterschiedlichen<br />

Settings achten muss.<br />

Der Studiengang richtet sich an alle<br />

Berufsgruppen des Gesundheitssystems<br />

mit einem ersten Hochschulabschluss,<br />

z. B. in Medizin, Pharmazie,<br />

Psychologie, Pflegewissenschaften.<br />

Kosten: 4.300 Euro pro Semester.<br />

Infos unter: www.master-ehealth.uni-jena.de<br />

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newhealth.guide #2<br />

Termine 2<strong>02</strong>3<br />

Die jüngsten Entwicklungen im Digital-Health-Bereich aus erster Hand<br />

erfahren, Denkanstöße bekommen und Ideen austauschen:<br />

Hier ist ein Überblick über wichtige Kongresse, Tagungen und Konferenzen<br />

10.<br />

Juli<br />

Health-IT Talk Berlin<br />

Einmal im Monat treffen<br />

sich beim Health-IT Talk<br />

Berlin-Brandenburg verbands-<br />

und fachrichtungsübergreifend<br />

rund<br />

50 Branchenkollegen, um<br />

sich zur Digitalisierung der<br />

Gesundheitswirtschaft<br />

auszu tauschen. Die Teilnahme<br />

ist kostenlos.<br />

healthittalk.imatics.de<br />

17.–21.<br />

Juli<br />

Digital Health Lunch<br />

Online<br />

Immer auf dem Laufenden<br />

bleiben mit dem Digital<br />

Health Lunch: Die Remote-<br />

Event-Reihe des Nürnberger<br />

Unternehmens SIXOWLS<br />

informiert mit verschiedenen<br />

Speakern über digitale<br />

Zukunftstechnologien der<br />

Healthcare-Branche.<br />

www.sixowls.de<br />

6.–8.<br />

September<br />

BIG BANG HEALTH Essen<br />

Das BIG BANG HEALTH-Festival will die Revolution im Gesundheitswesen<br />

erlebbar machen. Bei spannenden Keynotes und<br />

Panel-Talks im Colosseum Theater in Essen geben Experten<br />

Einblicke in die aktuellen Entwicklungen der Health-Branche –<br />

mit dabei: Gloria Seibert, CEO von Temedica, und viele mehr.<br />

bigbang.health<br />

Entspannte Festival-Atmosphäre<br />

Durch das Programm des Festivals führt unter anderem<br />

Co-Host Prof. Dr. David Matusiewicz<br />

13.<br />

September<br />

Digital Health Day Leipzig<br />

Das Fachsymposium „Innovation<br />

durch Digitalisierung“<br />

erscheint im neuen Gewand:<br />

dem Digital Health Day. Das<br />

beliebte Eventformat verspricht<br />

freie Gestaltungsmöglichkeiten<br />

der Teilnehmenden<br />

sowie einen Überblick über<br />

die Chancen und Risiken der<br />

Digitalisierung.<br />

www.gesundheitsforen.net<br />

17.–21.<br />

September<br />

68. GMDS-Jahrestagung<br />

Heilbronn<br />

Das Motto der diesjährigen<br />

Tagung der Deutschen<br />

Gesellschaft für Medizinische<br />

Informatik, Biometrie und<br />

Epidemiologie (GMDS) lautet<br />

„Wissenschaft. Nah am Menschen“.<br />

Die internationalen<br />

Keynotes und Diskussionen setzen<br />

sich mit sechs Schwerpunktthemen<br />

auseinander, etwa<br />

„Human Factors in Health“.<br />

www.gmds2<strong>02</strong>3.de<br />

Impressum<br />

#2 / 2<strong>02</strong>3<br />

Herausgeber: DHD Digital Health Development AG, Stolkgasse 25–45,<br />

D-50667 Köln, mail@dhd.ag, Tel. +49 <strong>02</strong>21 466 884-0<br />

Vorstand: Detlef Koenig, detlef.koenig@dhd.ag<br />

Chefredakteurin: Dr. Gudrun Westermann,<br />

gudrun.westermann@newhealth.guide<br />

Redaktion und Gestaltung: Storyboard GmbH, Wiltrudenstraße 5,<br />

D-80805 München<br />

Anzeigen: Thomas Müller, thomas.mueller@newhealth.guide<br />

Druck: Druckerei Laub GmbH & Co KG, Brühlweg 28, D-74834 Elztal-Dallau<br />

Copyright: © DHD Digital Health Development AG 2<strong>02</strong>3; alle Rechte<br />

vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher<br />

Genehmigung des Herausgebers.<br />

Handelsnamen: Die Wiedergabe von Handelsnamen, Warenbezeichnungen<br />

usw. auch ohne besondere Kennzeichnung berechtigt nicht zu der Annahme,<br />

dass solche Namen frei und von jedermann benutzt werden dürften. Für den<br />

Inhalt außerhalb des redaktionellen Teiles (insbes. Anzeigen, Industrieinformationen<br />

usw.) übernehmen Redaktion und Herausgeber keine Gewähr.<br />

Autoren, die mit vollem Namen genannt werden und nicht Mitglied der<br />

Redaktion sind, veröffentlichen ihren Beitrag in alleiniger Verantwortung.<br />

Datenschutzinformation: Verantwortliche Stelle im Sinne des Datenschutzrechts<br />

ist Acxiom Deutschland GmbH, Speicherstraße 57–59, 60327 Frankfurt<br />

am Main. Nähere Informationen auch zu unserer Datenschutzbeauftragten<br />

erhalten Sie unter: www.acxiom.de/datenschutz. Die Verarbeitung Ihrer<br />

Daten erfolgt auf Grundlage von Artikel 6 I 1 f) DSGVO, damit wir Ihnen<br />

interessengerechte Informationen und Angebote zukommen lassen<br />

können. Wenn Sie künftig keine Informationen des werbenden Unternehmens<br />

erhalten möchten, wenden Sie sich bitte direkt an dieses Unternehmen.<br />

Einen generellen Widerspruch zur Verarbeitung Ihrer Daten für<br />

Werbezwecke können sie an die Acxiom Deutschland GmbH richten.<br />

Weitere Informationen:<br />

www.newhealth.guide<br />

FOTO: BIG BANG HEALTH/CAROLINE SCHLÜTER<br />

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