Turnerschaft
Kleine Schriftenreihe 28 des Museumsvereins Klostertal
Kleine Schriftenreihe 28 des Museumsvereins Klostertal
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Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal 28
100 Jahre
Turnerschaft Dalaas
Christof Thöny
Museumsverein
KLOSTERTAL
Christof Thöny
100 Jahre Turnerschaft Dalaas
(Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal 28)
Wald am Arlberg 2023
Museumsverein Klostertal
Haus Nr. 60a
A-6752 Wald am Arlberg
info@museumsverein-klostertal.at
www.museumsverein-klostertal.at
+43 650 5200932
museumsverein.klostertal
klostertalmuseum
Gestaltung: Kathrin Novis
Druck: Druckerei Thurnher
© Museumsverein Klostertal. Wald am Arlberg 2023
100 Jahre
Turnerschaft Dalaas
Christof Thöny
Kleine Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal 28
Wald am Arlberg 2023
Inhalt
Vorwort 5
Einleitung 6
Die Turnbewegung in Vorarlberg 8
Turnvereine in Bludenz 10
Gründung des Turnerbundes Dalaas 12
Bau einer Turnhalle 16
Vereinsleben bis zur Auflösung 1938 20
Neuanfang 26
Entwicklung der Vereinstätigkeit 29
Heutige Situation 36
Anmerkungen 39
Abbildungen 40
Vorwort
Als sich im Mai des Jahres 1922 eine Handvoll Leute zur Gründung
eines Turnvereines im Gasthof Christberg in Dalaas zusammensetzte,
ahnten sie nicht, dass ihr Verein einst das einhundertjährige Jubiläum
feiern würde.
Die sportbegeisterten jungen Männer wollten sich – ganz im Geist
ihrer Zeit und beeinflusst vom Gedankengut von Turnvater Jahn –
körperlich betätigen und sich vor allem am Reck, Barren und den
Ringen im Wettkampf beweisen.
Viel Wasser ist seitdem die Alfenz hinuntergeflossen. Der Verein wurde
im Laufe seiner wechselvollen Geschichte immer mehr von einer Stätte
des Wettkampfes und der körperlichen Ertüchtigung einiger Sportbegeisterter
zu einer Dienstleistungsstätte für Fitness für die gesamte
Bevölkerung.
Heute finden sich im Verein viele junge Leute, die schon von frühesten
Kindesbeinen an mit Begeisterung und der ihnen innewohnenden Bewegungsfreudigkeit
das wöchentliche Training genießen. Unsere ausgebildeten
Trainerinnen meistern den Spagat zwischen sportlichem Ansporn
und spielerischer Leichtigkeit bravourös. Bei Wettkämpfen treten
wir in der Disziplin TURN 10 an und erzielen respektable Resultate.
In einer Zeit, in der Sport und Bewegung immer wichtiger werden, ist
es inspirierend zu sehen, wie die Turnerschaft Dalaas seit 100 Jahren
Menschen zusammenbringt und sie dazu ermutigt, sich körperlich zu
betätigen und ihre Gesundheit zu fördern.
Unser Verein ist breit aufgestellt, es turnen Uromas mit Urenkeln – und
alle haben Freude an der Bewegung und am Miteinander. Neue Mitglieder
sind jederzeit herzlich willkommen, wir freuen uns über jeden
Neuzugang.
Mit sportlichen Grüßen
Sylvia Fritz, Obfrau der Turnerschaft Dalaas
5
Einleitung
Turnwart Galler begrüßte alle Versammelten […], erstattete sodann Bericht
über die bisherige Tätigkeit u. schönen Leistungen der Turner u.
gab auch näheren Aufschluß über die Gründung des Turnerbundes.
Diese Worte sind im bis heute erhaltenen ältesten Protokollbuch der
Turnerschaft Dalaas niedergeschrieben. Der Verein wurde am 15. Mai
1922 mit dem Namen „Turnerbund Dalaas“ gegründet. Die 100-jährige
Wiederkehr seiner Gründung ist Anlass zu einer Auseinandersetzung
mit der Geschichte. Sie erfolgt – aufgrund der Einschränkungen durch
die Corona-Pandemie – mit einem Jahr Verzögerung. Die vorliegende
Publikation ist als Beitrag zur Dokumentation des Vereinslebens in den
vergangenen 100 Jahren entstanden. Die Geschichte des Turnens in Dalaas
wird dabei in die Grundzüge der Entwicklung der Turnbewegung
in Vorarlberg eingebettet. Im Mittelpunkt stehen aber die Chronik der
Turnerschaft Dalaas und jene Menschen, die diesen Verein seit seiner
Gründung zu dem gemacht haben, was er heute ist.
Der Museumsverein Klostertal hat die Umsetzung einer solchen „Festschrift“
gerne übernommen und sich mit den historischen Unterlagen
des Vereins befasst. Wir würden uns darüber freuen, wenn dadurch
auch andere Vereine und Körperschaften der Region angeregt würden,
sich mit der eigenen Vergangenheit zu befassen. Unterstützung bei der
Aufarbeitung der Geschichte bieten wir als regionales Museum gerne
an.
6
Dritte Seite des Gründungsprotokolls
mit dem damals schon vorhandenen Vereinsstempel
7
Die Turnbewegung in
Vorarlberg
Die Entwicklung der Turnbewegung im deutschsprachigen Raum ist
auf den Pädagogen und Politiker Johann Friedrich Ludwig Christoph
Jahn (1778-1852) zurückzuführen. Dieser ist als „Turnvater Jahn“ in die
Geschichte eingegangen, sein Name ist untrennbar mit der Begeisterung
für das Turnen und die Kombination mit dem deutschen Nationalgedanken
im Laufe des 19. Jahrhunderts verbunden. Weit weniger
bekannt, aber international bis heute bedeutend waren die Gedanken
des Pädagogen Johann Christoph Friedrich GutsMuths (1759-1839). Die
ungewöhnliche Schreibweise seines Nachnamens hatte er selbst gewählt.
Er gilt als Ideengeber der von den Gedanken der Aufklärung beeinflussten
„Gymnastik“, die weltweite Verbreitung fand. Körperliche
Aktivitäten – sogenannte „Leibes-Übungen“ – sollten Menschen zu
vernünftigen Handlungen führen.
Aufbauend auf diesen Ideen entstand bei Jahn der Gedanke eines
„Turnens zur Volkserziehung“. So entwickelte er ein neues, deutsch
geprägtes Gymnastikkonzept, für das der Ideengeber den Begriff
„Turnen“ einführte. Es war vor allem politisch motiviert, denn Jahn
war es daran gelegen, zur Befreiung Preußens von der Herrschaft Napoleons
und der Gründung eines eigenen deutschen Nationalstaats
beizutragen. Als Pädagoge sah er auch die praktischen Auswirkungen
des Turnens, das dazu beitrug, dass seine (männlichen) Schüler ihre
Energien freisetzen konnten. 1
Die Anfänge der Turnbewegung in Vorarlberg sind in der Mitte des 19.
Jahrhunderts zu suchen. Sie stehen in Zusammenhang mit dem Revolutionsjahr
1848 und waren daher auch mit politischen Zielen verknüpft.
Die ersten Versuche waren allerdings privater Natur, nachdem der in
Deutschland ausgebildete Bregenzer Bürgerssohn Robert Kurer im Garten
ein Reck, einen Barren und eine Strickschaukel aufstellte, um dort
8
zu turnen. Bald gesellte sich eine Gruppe deutscher Facharbeiter dazu.
Im März 1849 konstituierte sich die Bregenzer Turngruppe als offizieller
Verein. In Feldkirch wurde die Gründung eines Turnvereins 1851 bei
den Behörden gemeldet. In Dornbirn gab es ebenfalls Turner, es kam
aber offenbar zu keiner offiziellen Vereinsgründung. Die vom Neoabsolutismus
unter Kaiser Franz Joseph geprägten österreichischen Behörden
standen diesen Bestrebungen negativ gegenüber, was zu einer
offiziellen Einstellung der organisierten Turnaktivitäten in Vorarlberg in
den Jahren 1852 und 1853 führte. 2
Die politischen Freiheiten im österreichischen Kaiserreich, die mit dem
Oktoberdiplom von 1860 und dem Februarpatent von 1861 einhergingen,
ermöglichten die neuerliche Gründung von Turnvereinen, wobei
diese zunächst wieder in den Städten Feldkirch, Dornbirn und Bregenz
entstanden. Das Deutsche Turnen nach dem Gedanken Jahns erhielt
1883 mit dem Vorarlberger Turngau einen Dachverband. Der Zusammenhang
zwischen Politik und Sport blieb weiterhin sehr ausgeprägt.
Als Gegenpol zu den deutschnationalen Turnvereinen, die sich zunehmend
gegen die Katholische Kirche stellten, entstanden schon vor
1900 Turnclubs innerhalb von christlich-sozialen Organisationen. Diese
katholischen Turnerbünde bildeten ab 1906 den „Vorarlberger Turnerund
Athletenverband“, dem später auch der Turnerbund Dalaas angehörte.
Auch innerhalb der sozialdemokratischen Bewegung entstanden
schließlich Turnvereine, von denen einer auch in Bludenz angesiedelt
war. 3
9
Turnvereine in Bludenz
Da die Anfänge des Turnens in Dalaas von Bludenz aus angeregt wurden,
ist ein Blick auf die Entwicklung des Turnwesens in der Bezirkshauptstadt
ebenfalls angebracht. Die Anfänge gehen auf das Jahr 1858
zurück, worauf der einstige Turnverein Bludenz 1858 in seinem Namen
verwiesen hatte. Im Garten der Industriellenfamilie Gassner waren damals
ein Barren, ein Reck und Ringe aufgestellt worden. 4 Diese Initiative
mündete 1882 in die Gründung des Turnvereins Bludenz 1858.
Die Mitglieder veranstalteten 1923 in Bludenz das 20. Vorarlberger
Gauturnfest. Da es im Vorfeld zu Gerüchten kam, es handle sich dabei
um ein „Hakenkreuzfest“, distanzierte sich der Verein von der damals
aufkommenden nationalsozialistischen Bewegung. 29 Mitglieder traten
deshalb aus und gründeten 1925 einen eigenen „Deutschvölkischen
Turnverein Jahn Bludenz“, der seine politische Ausrichtung schon im
Namen zum Ausdruck brachte. 5 Damit bestanden zu diesem Zeitpunkt
vier Turnvereine in Bludenz, denn schon 1912 waren ein katholischer
Turnerbund und 1922 ein sozialdemokratischer Arbeiter Turn- und
Sportverein gegründet worden. 6 Aus diesen vier ehemaligen Vereinen
wurde 1946 schließlich die Turnerschaft Bludenz gegründet. 7
10
11
Umzug beim 1923 in Bludenz veranstalteten 20. Vorarlberger Gauturnfest
Gründung des
Turnerbundes Dalaas
Die katholischen Turnerbünde des Landes widmeten sich nicht nur
dem Sport, sondern auch der Bewerbung ihrer Sache in benachbarten
Regionen. So versuchten Mitglieder des Turnerbundes Bludenz, auch
in Dalaas Begeisterung zu wecken. Die von Alois Galler, dem Bludenzer
Turnwart, federführend betriebene Initiative zeigte rasch Erfolg. Am
15. Mai 1922 kam es im Gasthaus Christberg, damals im Besitz des
Kaufmanns und Gastwirts Richard Fritz, zur Gründungsversammlung
des Turnerbundes Dalaas. Fritz sollte sich in den folgenden Jahren
als besonderer Gönner des neuen Vereins erweisen, ebenso wie der
Dalaaser Heilig-Kreuz-Benefiziat Josef von Schmuck. 8 Neben der Wahl
des ersten Vereinsvorstands wurde bei der Gründungsversammlung
auch der Beitritt zum Dachverband der Turnerbünde, dem sogenannten
Vorarlberger Rheingau, beschlossen. Der neu gewählte Vorstand
umfasste folgende Personen 9 :
Obmann: Georg Türk
Obmann-Stellvertreter: Josef Konzett
Turnwart: Alois Galler
Turnwart-Stellvertreter: Josef Engstler
Schriftführer: Georg Fritz
Schriftführer-Stellvertreter: Andreas Engstler
Zeugwart: Vinzenz Marinschitz
Beiräte: Benefiziat Josef von Schmuck, Gemeinderat Andreas Schnetzer
Kassier: Willi Hueber
Kassier-Stellvertreter: Emil Burtscher
Der erste Obmann, Georg Türk, war in seinem Brotberuf als Bahnhofsvorstand
in Dalaas tätig. Innerhalb der Gemeinde genoss er großes
Ansehen, was durch seine vielfältigen Tätigkeiten bei den Dalaaser
Vereinen unterstrichen wurde.
12
Führende Vereinsfunktionäre der Anfangszeit mit der Turnerriege
V. l. n. r.: Georg Türk, Benefiziat Josef von Schmuck, Josef Konzett, Georg Fritz, Willi Hueber
Die sportliche Betätigung der Anfangszeit war von bescheidenen Verhältnissen
geprägt. Schon vor der offiziellen Gründung waren Turnstunden
unter der Leitung von Alois Galler abgehalten worden, und
zwar im alten Schießstand auf der Radona. Die Gemeinde Dalaas
stellte nach der Vereinsgründung das Spritzenhaus als Turnlokal zur
Verfügung. Der einstige Dalaaser Pfarrer, Josef Andreas Thurnher, organisierte
über Vermittlung von Benefiziat Schmuck leihweise die ersten
Turngeräte – ein Pferd und einen Barren. Ein provisorisches Reck wurde
von den Mitgliedern selbst angefertigt. 10 Sportliche Erfolge traten
schnell ein und bereits 1923 konnte das erste Schauturnen in Dalaas
veranstaltet werden, über das auch in der Presse berichtet wurde:
„Am Sonntag (23.) wurde das erste Schauturnen des jungen, durch
Turnwart Galler herangebildeten Turnerbundes Dalaas abgehalten,
wozu in sehr lobenswerter Weise auch der wackere Turnerbund
13
Bludenz mit Fahne erschien. Unter Mitwirkung der Brazer Musikkapelle
fanden die turnerischen Uebungen statt, welche volle Anerkennung
fanden. Von Bludenz erschienen auch zahlreiche Freunde und Freundinnen
des Bundes, so daß in den Wirtschaften die Stühle aus den
Fremdenzimmern noch herabgeholt werden mußten. St. Petrus war
den Turnern hold und wartete mit seiner Begießung, bis alle unter
Dach waren.“ 11
Finanziell erwies sich die Veranstaltung als großer Erfolg, konnte Kassier
Willi Hueber bei der Vereinsversammlung am 2. Oktober 1923 doch
berichten, dass insgesamt ein Gewinn von 619.000 Kronen erzielt werden
konnte. 12 Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass dies
noch in die Zeit der Hyperinflation in Österreich fiel.
Verzeichnis der ersten Mitglieder
14
Turnerriege 1924
V. l. n. r.: Josef Engstler, Andreas
Engstler, Hermann Gorbach,
Ludwig Zudrell, Karl Nußbaumer,
Richard Zudrell, Karl Burtscher,
Alois Zudrell, Franz Wachter
Postkarte des Turnerbundes
Dalaas von 1925
15
Bau einer Turnhalle
Als „bedeutendste Leistung“ des noch jungen Vereins wird im Heimatbuch
Dalaas-Wald der Neubau einer eigenen Turnhalle bezeichnet. 13
Diesem Urteil kann uneingeschränkt zugestimmt werden, denn die Initiative
zu diesem Bauwerk in einer wirtschaftlich äußerst angespannten
Zeit bedeutete für die Funktionäre des Turnerbundes ein großes
Wagnis. So wurde der Hallenbau zur „Existenzfrage“ des Vereins, denn
als das Spritzenhaus für Turnstunden nicht mehr zur Verfügung stand,
musste „Wachters Stall“ als notdürftige Stätte dienen. 14
Bei einer Sitzung des Vereins gaben die Mitglieder an Obmann Georg
Türk den Auftrag, ein Ansuchen an die Gemeinde um Überlassung des
Bauholzes für eine Turnhalle zu stellen. 15 Offenbar intervenierten einige
Gemeindebürger bei der Gemeindeaufsichtsbehörde gegen das Anliegen
des Vereins, 50 Festmeter Bauholz aus den Gemeindewaldungen
zu beziehen. Nach einer Intervention von Benefiziat Josef von Schmuck
konnte die erbetene Holzspende schließlich am 18. Dezember 1924
bewilligt werden. Die Inflation erreichte zur Zeit der Planung ihren Höhepunkt:
3,5 Millionen Kronen mussten für Aufrüstung und Transport
des Bauholzes aufgebracht werden. Für das Bauprojekt an sich wurden
50 bis 60 Millionen Kronen veranschlagt. Jedes Mitglied verpflichtete
sich zur Leistung von 30 unbezahlten Arbeitsstunden. Die Bausumme
wurde bei der Raiffeisenbank Dalaas als Kredit aufgenommen, wobei
Vereinsmitglieder mit ihrem Privatvermögen hafteten.
Den Bauplatz neben dem Schuppen der Gemeinde stellte der Kaufmann
und Gastwirt Richard Fritz als Förderer des Vereins zu großzügigen
Konditionen zum Verkauf. Inzwischen war mit 1. Jänner 1924
im Zuge der Währungsreform in Österreich die Schillingwährung eingeführt
worden (ein Schilling entsprach 10.000 Kronen). Den zur Fertigstellung
noch fehlenden Betrag von 5.000 Schilling brachten zehn
Vereinsmitglieder mit einer äußerst großzügigen Spende von je 500
16
Vertrag des Turnerbundes mit Richard Fritz über den Ankauf des Baugrundes
17
Schilling auf. Auch Geräte konnten durch Spenden angeschafft werden,
etwa ein von Obmann Georg Türk finanziertes Reck. Tische und Bänke
erwarb der Turnerbund zu günstigen Konditionen von den Baustellen
des neu errichteten Spullerseekraftwerks.
Im Laufe des Jahres 1926 konnte die Halle trotz aller Hindernisse fertiggestellt
werden. Die feierliche Eröffnung fand am 12. September 1926
statt. 16 Die Mitglieder des Vereins besuchten an diesem Tag das neue
Spullerseekraftwerk in Wald gemeinsam mit der bekannten Musikkapelle
Zäzilia aus Lustenau. Diese umrahmte am Nachmittag des Tages
die feierliche Eröffnung der Turnhalle. 17
Für die Gemeinde Dalaas, die Vereine und die Schule erwies sich die
zwischen 1926 und 1988 bestehende Halle als Glücksfall. Durch eine
eingebaute Bühne war sie gleichzeitig ein multifunktional nutzbarer
Saal. Bei öffentlichen Veranstaltungen musste auch die Bewirtschaftung
geregelt werden. Diese übernahm zunächst der Gastwirt Richard
Fritz, später der Postwirt und Bürgermeister Karl Fritz und schließlich
wieder Richard Fritz. Auf Betreiben von letzterem wurde der Turnerbund
Dalaas mit 1. Juli 1931 zum „Hallenwirt“, was dem Verein willkommene
Einnahmen brachte und die Gastwirte von einer ihnen eher
unliebsamen Verpflichtung befreite.
18
Turnhalle in Dalaas von 1926 bis 1988
Blick Richtung Parzelle Poller, im Zentrum die Turnhalle (um 1930)
19
Vereinsleben bis zur
Auflösung 1938
In sportlicher Hinsicht konnten die Mitglieder des Turnerbundes Dalaas
im ersten Jahrzehnt des Bestands etliche Erfolge erreichen. Diese
wurden im Protokollbuch festgehalten, das bis 1932 reicht. Für die folgenden
Jahre fehlen allerdings Unterlagen. Die Aktivitäten des Vereins
spielten aber auch in sozialer und kultureller Hinsicht eine wichtige
Rolle im Dorfleben. So entwickelte sich die Turnhalle zu einem Ort, in
dem regelmäßig Theateraufführungen stattfanden. Innerhalb des Vereins
war ein eigener Theaterleiter für diese verantwortlich, wie aus den
Protokollen hervorgeht. Die 1923 gegründete Harmoniemusik Dalaas
wirkte dabei oftmals mit. 18 Im Fasching organisierte der Turnerbund
beliebte Familienabende mit Turnen, Theater und Tanz. Das soll ein
Zeitungsbericht aus dem Jahr 1927 illustrieren:
„Der gestern abends in der Turnhalle abgehaltene Familienabend des
Turnerbundes Dalaas erfreute mit seinem reichhaltigen Programm (turnerische
und komische Aufführungen sowie Glückstopf) die zahlreich
erschienenen Freunde und Gäste des Vereins. Allgemein überrascht
waren die Besucher durch die glänzenden turnerischen Leistungen,
die auch von Seiten der ausländischen Wintergäste großes Lob fanden.
Der reich ausgestattete Gabentempel brachte den glücklichen
Gewinnern manche Freude. Der Bevölkerung der Gemeinde Dalaas,
dem hochherzigen Vertreter des Spullerseewerks, den verschiedenen
Geschäftsleuten im Lande sowie den Gönnern in den Reihen der Sektion
Freiburg des D.-Oe. Alpenvereines spricht auf diesem Wege für die
reichlichen Spenden, die schönen und brauchbaren Glückstopfbeste,
ferner allen Mitwirkenden an dem Familienabend den aufrichtigsten
und wärmsten Dank aus.
Die Turnerbundleitung“ 19
20
Familienabend am 2. Mai 1929
Theateraufführung mit religiösem Hintergrund (um 1930)
21
Eine Besonderheit des Turnerbundes Dalaas, die diesen von anderen
Vereinen seiner Art unterschied, war die eigene Skiriege, die im August
1925 gegründet worden war. Ihr gehörten 21 Mitglieder an, die nicht
nur das Vereinsleben bereicherten, sondern auch den Tourismus und
den Skisport förderten. Richard Fritz organisierte innerhalb des Vereins
und auch für Gäste Skikurse. Darüber hinaus nahmen die Mitglieder
der Skiriege an Skirennen teil und veranstalten ebensolche in Dalaas. 20
1928 wurde im Ort ein eigener Skiclub gegründet. Dieser wurde offenbar
ab 1930 für einige Jahre mit der Skiriege des Turnerbundes vereinigt.
Erst 1936 folgte die neuerliche Gründung eines eigenständigen
Wintersportvereins Dalaas. 21
Gründer der Skiriege
22
Skirennen in der Parzelle Poller (um 1930)
23
Der „Anschluss“ Österreichs 1938 brachte ein jähes Ende der Vereinstätigkeit
des Turnerbundes Dalaas. Im Zuge der Gleichschaltung
wurden der „Vorarlberger Rheingau“ und alle seine Mitgliedsvereine
zwangsweise aufgelöst. Alle Vereinsunterlagen, der Schlüssel zur Turnhalle
und die Vereinskasse mussten an die neuen Machthaber abgegeben
werden. Die Turnhalle mit dem Inventar und den Geräten wurden
beschlagnahmt. 22
Mitglieder des Turnerbundes bei der Feier zum 50-Jahr-Jubiläum der Arlbergbahn 1934
24
Protokoll der Beschlagnahmung des Vermögens 1938
25
Neuanfang 1946
Am 8. Dezember 1946 wurde die Turnerschaft Dalaas – nunmehr mit
einem neuen Namen – neu gegründet. Josef Engstler, der bis zur Auflösung
1938 Turnwart gewesen war, unterzeichnete die Einladung zur
Gründungsversammlung, der 23 Interessierte folgten. Teilweise waren
einstige Mitglieder des Turnerbundes unter ihnen, teilweise junge Burschen.
Die Abhaltung der Turnstunden wurden für Samstagabend beschlossen.
Der erste Vereinsvorstand der Turnerschaft Dalaas bestand
aus folgenden Personen:
Obmann: Josef Engstler
Obmann-Stellvertreter: Friedrich Engstler
Kassier und Schriftführer: Hubert Seewald
Turnwart: Rudolf Veith
Turnwart-Stellvertreter: Adolf Walser
Zeugwart: Norbert Engstler
Kassaprüfer: Gottfried Simma, Oskar Zudrell
Beiräte: Anton Purtscher, Gottfried Simma
Die Aufmerksamkeit des Vereins galt vor allem der in der Zeit der NS-
Diktatur beschlagnahmten Turnhalle. Auch neue Turngeräte mussten
angeschafft werden. 23 Nach einer Rückforderung übergab die Gemeinde
Dalaas die Turnhalle in die Verantwortung des Vereins. 24 Dieser
musste aber auch 16.000 Schilling an Schulden übernehmen. Um Einnahmen
zu erzielen, wurde die Halle an Vereine und die Gemeinde für
Veranstaltungen vermietet. Ein Gastronom übernahm die Bewirtung,
wobei 10% des Umsatzes an den Verein gingen. Zudem führte die Turnerschaft
selbst wie schon vor dem Krieg Theateraufführungen durch
und bemühte sich um private Geldgeber. Bald fand die Turnhalle auch
Verwendung für den Turnunterricht der Volksschule Dalaas. In sportlicher
Hinsicht bildete das 1950 durchgeführte Bergturnfest einen ersten
Höhepunkt. Die Vorarlberger Nachrichten berichteten über dieses
große Ereignis wie folgt:
26
„Das Bergdorf Dalaas, das so schön zwischen Kristberg und Roggelskopf
eingebettet liegt, sah ein wahrhaft schönes und harmonisches
Turnertreffen. Ueber 800 Turnbrüder vereinten sich zu Wettkämpfen an
den Geräten und aus Leichtathletik. Vom 12jährigen Turner bis hinauf
zum 62jährigen war fast die gesamte Turnerschaft des Landes vertreten.
Man weiß nicht, soll man die Feststimmung, die den weiten Platz
beherrschte, das herrliche Wetter – leider nur bis zum Nachmittag!
–, das festlich stimmende Konzertieren der Harmoniemusik oder die
tadellos funktionierende Organisation zuerst lobend hervorheben.“ 25
Eindrücke vom Bergturnfest 1950
27
Eindrücke vom Bergturnfest 1950
28
Entwicklung
der Vereinstätigkeit
Die Erhaltung und Bewirtschaftung der Turnhalle blieb über Jahrzehnte
die wichtigste Aufgabe des Vereins. Notwendige Reparaturarbeiten
wurden 1952 zu einem Preis von 30.000 Schilling durchgeführt. Der
bauliche Zustand blieb jedoch weiterhin problematisch. Unter der Federführung
von Hallenwart Alois Galler wurden 1961 erneut Renovierungsarbeiten
umgesetzt, insbesondere im Bereich der Garderoben
und Toilettenanlagen. So konnte zum 40-jährigen Bestandsjubiläum,
das 1962 unter der Leitung des Festobmannes Hans Sperandio gefeiert
wurde, eine frisch renovierte Halle präsentiert werden. Ein weiteres
Problem bestand jedoch darin, dass der bisherige Hallenwirt Hubert
Metzger in jenem Jahr seinen Vertrag mit dem Verein kündigte. Da
auf die Bewirtung bei Veranstaltungen nicht verzichtet werden konnte,
übernahm der Verein selbst diese Aufgabe und bemühte sich um eine
Konzession. 26
Die Bewirtschaftung der Turnhalle besorgten für den Verein über viele
Jahre Alfred und Edigna Stürz. Die Turnhalle blieb innerhalb des Vereins
das meistdiskutierte Thema. Sie stellte einerseits eine Einnahmequelle
dar, andererseits aber auch große Verantwortung. Nach langen
Verhandlungen übernahm ab 1987 die Gemeinde das Gebäude. 27 Im
darauffolgenden Jahr entstand im Auftrag derselben eine neue und
geräumige Mehrzweckhalle. 28 Diese erhielt den Namen „Kristbergsaal“,
behielt aber im Volksmund noch lange Zeit die Bezeichnung
„Turnhalla“. 29
29
Familienabend der Turnerschaft Dalaas 1981
Nachwuchsturnerinnen mit Trainerin Iris Schuler und Turnwart Ernst Hartmann
30
Der erfolgreichste Sportler der Vereinsgeschichte war Norbert Engstler,
dem 1954 mit dem Vorarlberger Jugendmeistertitel in der Leichtathletik
sein größter Erfolg gelang. Der hoffnungsvolle Nachwuchsathlet starb
allerdings bereits im folgenden Jahr im jungen Alter an den Folgen
eines Unfalls. 30 Bis um 1970 war das Turnen in Dalaas eine praktisch
ausschließlich männliche Angelegenheit. In dieser Zeit wurde eine
Damenriege gegründet und auch das Kinderturnen für Mädchen und
Burschen eingeführt. 31 Im Laufe der Jahre verschob sich der Fokus der
sportlichen Betätigung vom Leistungsturnen zunehmend in den Bereich
des Gesundheitsturnens. 32 Daneben spielte das Theaterspiel über
viele Jahre einen fixen Bestandteil des Vereinslebens. Der alljährliche
Höhepunkt war der jeweils im Fasching durchgeführte Familienabend.
Dieser wurde in späteren Jahren durch einen Faschingsball ersetzt.
Abordnung der Turnerschaft bei einem Faschingsumzug
31
Auffallend ist in der Vereinschronik die lange Amtszeit der Funktionärinnen
und Funktionäre. Nach einer 20-jährigen Tätigkeit als Obmann
wurde Josef Engstler 1966 in dieser Funktion von Alfred Stürz abgelöst.
Dessen Amtszeit dauert mehr als 30 Jahre bis 1997. In diesem Jahr
erhielt die Turnerschaft mit Monika Pfeifer erstmals eine Obfrau. Diese
legte nach 25 Jahren 2022 – im 100. Jahr des Bestands – ihre Funktion
nieder und erhielt mit Sylvia Fritz eine Nachfolgerin.
Obmann Alfred Stürz mit seiner Nachfolgerin Monika Pfeifer
Ein Höhepunkt der Vereinsgeschichte war die Feier des 70-jährigen
Bestands 1992. Zu diesem Anlass wurde eine von Egon Konzett und
Hubert Seewald gestaltete Festschrift herausgegeben, die eine wichtige
Quelle für die vorliegende Publikation darstellte. Die Turnerschaft
Dalaas erhielt eine neue Vereinsfahne, für die Klaudia Brunner als
Patin fungierte. Das Jubiläum selbst wurde mit einem Festabend im
Kristbergsaal gefeiert.
32
Impressionen der Feier zum 70-jährigen Jubiläum 1992
33
34
35
Heutige Situation
Heute präsentiert sich die Turnerschaft Dalaas als Verein mit einer
langen Tradition, bei dem der Breitensport großgeschrieben wird. Auf
Ausdauertraining wird dabei besonderen Wert gelegt. Auch Geselligkeit
und Gruppendynamik sollen nicht zu kurz kommen. Junge und ältere
Menschen, die Freude an Bewegung und Fitness haben, bilden die Mitglieder
des Vereins. Die Nachwuchsarbeit beschränkt sich aktuell auf
das Angebot „Turn 10 für Mädchen“, nach einem Trainer für Burschen
wird noch gesucht. Mit Stolz kann der Verein im Bereich des Mädchenturnens
auf zahlreiche Erfolge in den vergangenen Jahren zurückblicken.
Bei landesweiten Wettkämpfen in Vorarlberg wurden mehrere
Podestplätze erzielt. Einmal konnte ein solcher Erfolg sogar bei einer
Staatsmeisterschaft gefeiert werden. Darüber hinaus werden Sportarten
für erwachsene Frauen und Männer angeboten. Das Vereinsjahr
richtet sich nach dem Schuljahr, in den Sommermonaten wird eine
Pause eingelegt. Die Zahl der Mitglieder variiert jeweils etwas, liegt
aber im Bereich von rund 90 Personen. Die Alteresspanne liegt dabei
zwischen drei und 87 Jahren. 33 80-Jahr-Feier beim Fußballplatz 2002
36
Abordnung der Turnerschaft Dalaas beim Landesjugendturnfest in Bludenz 2019
37
Landesturnfest in Bludenz 2022
Nachwuchsturnerinnen aus Dalaas im Jubiläumsjahr 2022
38
Anmerkungen
1 Gertrud Pfister, 200 Jahre Turnbewegung – von der Hasenheide bis heute. In: Aus Politik und
Zeitgeschichte 2011, online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/33345/200-
jahre-turnbewegung-von-der-hasenheide-bis-heute/.
2 Wolfgang Weber, Von Jahn zu Hitler. Politik- und Organisationsgeschichte des Deutschen
Turnens in Vorarlberg 1847 bis 1938. Konstanz 1995 (=Forschungen zur Geschichte
Vorarlbergs 1), S. 29-60.
3 Peter Laurin, Turnen fürs Vaterland, Sport zum Vergnügen. Vorarlberger Sportgeschichte bis
1945. Bregenz 2001, S. 26-29.
4 Weber (wie Anm. 2), S. 60.
5 Weber (wie Anm. 2), S. 105-111.
6 Weber (wie Anm. 2), S. 290-291.
7 http://www.tsbludenz.at/index.php/archiv-verein-allgemein/186-turnen-in-bludenz (aufgerufen
am 29. März 2023).
8 Zur Biografie Schmucks und seiner weiteren Tätigkeit in Dalaas vgl. Christof Thöny, Josef von
Schmuck und das Heilig-Kreuz-Benefizium in Dalaas. Wald am Arlberg 2017 (= Kleine
Schriftenreihe des Museumsvereins Klostertal 19).
9 Turnerschaft Dalaas (Hg.), 70 Jahre Turnerschaft Dalaas 1922-1992. Bludenz 1992,
S. 10.
10 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 10.
11 Vorarlberger Volksblatt, 30. September 1923, S. 3.
12 Protokoll der Vereinsversammlung vom 2. Oktober 1923. Protokollbuch 1922-1932.
Turnerschaft Dalaas.
13 Gemeinde Dalaas (Hg.), Dalaas-Wald im Wandel der Jahrhunderte. Bregenz 1990, S. 160.
14 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 10-11.
15 Protokoll der Vereinsversammlung vom 12. März 1924. Protokollbuch 1922-1932. Turnerschaft
Dalaas.
16 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 10-16.
17 Allgemeiner Tiroler Anzeiger, 20. September 1926, S. 6.
18 Protokollbuch 1922-1932. Turnerschaft Dalaas.
19 Vorarlberger Volksblatt, 18. Jänner 1927, S. 6.
20 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 18.
21 90 Jahre Wintersportverein Dalaas. In: Christof Thöny (Hg.), Jahresbericht 2018
Museumsverein Klostertal. Wald am Arlberg 2019 (= Kleine Schriftenreihe des
Museumsvereins Klostertal 23), S. 16-18.
22 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 19.
23 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 21.
24 Gemeinde Dalaas (wie Anm. 13), S. 160.
25 Vorarlberger Nachrichten, 18. August 1950, S. 4.
26 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 24-27.
27 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 29-30.
28 Gemeinde Dalaas (wie Anm. 13), S. 160.
29 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 30.
30 Turnerschaft Dalaas (wie Anm. 9), S. 25.
31 Informationen von Obfrau-Stellvertreterin Monika Pfeifer.
32 Gemeinde Dalaas (wie Anm. 13), S. 160.
33 Informationen von Vereinsobfrau Sylvia Fritz und ihrer Stellvertreterin Monika Pfeifer.
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Abbildungen
Museumsverein Klostertal: S. 19 u.
Stadtarchiv Bludenz: S. 11
Turnerschaft Dalaas: Umschlag, S. 7, 13, 14, 15, 17, 19 o., 21, 22, 24,
25, 27, 28, 30, 31, 32, 33, 34, 36, 37, 38
Volare (Vorarlberger Landesbibliothek), Sammlung Wilhelm Purtscher:
S. 23
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