6 : 2010 - marke41
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6 : <strong>2010</strong><br />
marke 41<br />
REsEaRch<br />
Markenforschung<br />
Die zweite Anforderung ist nicht leichter zu erfüllen,<br />
zumal sie mit der Ersten verbunden ist: Die Befunde<br />
über die kollektivbildenden Markenwerte müssen<br />
frei sein von den Werten individueller Persönlichkeitsbildung,<br />
sie dürfen nicht gemischt geliefert werden. Im<br />
sogenannten kollektiven Unbewussten einer Versuchsperson<br />
stehen dem Tiefenpsychologen leider nur Mischungen<br />
zur Verfügung. Die kollektiven Werte lassen<br />
sich folglich nicht durch tiefenpsychologische Explorationen<br />
von den individuellen Werten trennen. Sie<br />
sind statistisch unbrauchbar.<br />
Nach der Vermeidung von Meinungseinflüssen<br />
und von Werte-Mischungen muss eine dritte Forderung<br />
erfüllt werden: Die Befunde müssen in der Management-Praxis<br />
zuverlässig nutzbar sein. Sie müssen<br />
dem Markenmanager als Kontrollmaßstäbe zur Verfügung<br />
stehen. Das können sie nur, wenn die Markenwerte<br />
statistisch quantifiziert verfügbar sind. Erst<br />
wenn eine Kollektivforschung auch die Forderungen<br />
erfüllt, die man an eine seriöse Demoskopie<br />
stellt, hat der Markenmanager<br />
was er für seine Arbeit braucht. Erst<br />
dann kann er die Mythomotorik<br />
seiner Marke ebenso sicher steuern<br />
wie die Meinungen über<br />
seine Marke. Das kann er heute.<br />
Es gibt heute eine zuverlässige<br />
Kollektivforschung für die<br />
Management-Praxis.<br />
Der Weg dahin führte<br />
über viele Irrtümer und<br />
durch viele anthropologische<br />
Wissenschaften,<br />
durch Soziologie, Psychologie,<br />
Biologie bis hin<br />
zu den Religionswissenschaften.<br />
Erst dort wurde<br />
der letzte Erkenntnisbaustein<br />
gefunden: In der Mythologie.<br />
Die modernen Mythostheorien<br />
bestätigen die<br />
Evolutionsbiologen darin,<br />
dass der Mensch zu allen Zeiten<br />
nur in Kollektiven überle-<br />
ben konnte und dabei immer kollektiven Orientierungswerten<br />
unterworfen war, den Mythen. Und dass<br />
sich daran auch in Zukunft nichts ändern lässt. Wir<br />
sind und bleiben kollektiven Existenzbedingungen<br />
unterworfen, und zu diesen gehört auch unsere Unterwerfung<br />
unter die Macht des Mythos.<br />
Wir können dem Mythos nicht entkommen<br />
Wir müssen den Mythos als Vorläufer des Logos und<br />
als seinen ebenso unvermeidlichen wie unverzichtbaren<br />
Begleiter akzeptieren. Und weil der Mythos das<br />
Kollektiv bildet, bindet, treibt und steuert, deshalb<br />
musste Kollektivforschung zwangsläufig Mythosforschung<br />
werden. Das müssen wir nicht bedauern, denn<br />
die Mythosforschung führte uns zur Entdeckung der<br />
motorischen Eigendynamik der Marken, zu ihrer<br />
Mythomotorik. Und darüber hinaus zur Mythodiversität.<br />
Das ist die schönste Entdeckung, dass die<br />
Mythomotorik der einzelnen Marken mit<br />
wachsender Markenvielfalt wächst.<br />
Jede echte Marke ist ein Mythos,<br />
jede hat mythomotorische Kraft. Ein<br />
Name ohne mythische Substanz ist<br />
keine Marke. Wenn Sie die Mythomotorik<br />
Ihrer Marken verstehen<br />
und fördern, und sie nicht durch<br />
Ungeschicklichkeit verschütten,<br />
dann wird es Ihnen nie an<br />
Spendern fehlen.<br />
von Peter Zernisch