MÄA-01-24 online
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AUS DER RECHTSPRECHUNG<br />
Münchner Ärztliche Anzeigen<br />
Philipp Pürner, Rechtsanwalt<br />
Durch unrechtmäßige<br />
Betäubungsmittelverordnungen<br />
drohen<br />
berufs- und strafrechtliche<br />
Sanktionen.<br />
Betreiber*innen des Zentrums und<br />
einer Apotheke, in der das Cannabis-<br />
Rezept eingelöst werden kann.<br />
Schon seit März 2<strong>01</strong>7 dürfen Vertragsärztinnen<br />
und -ärzte ihren Patient*innen<br />
unter engen rechtlichen<br />
Voraussetzungen zu Lasten der GKV<br />
Medizinalcannabis verordnen.<br />
Gemäß § 31 Abs. 6 SGB V gilt der<br />
Anspruch auf Versorgung mit Cannabis<br />
aber nur, wenn eine allgemein<br />
anerkannte, dem medizinischen<br />
Standard entsprechende Leistung<br />
nicht zur Verfügung steht oder diese<br />
im Einzelfall ausnahmsweise nicht<br />
angewendet werden kann und eine<br />
spürbare positive Einwirkung auf den<br />
Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende<br />
Symptome besteht.<br />
In den Cannabis-Zentren hingegen<br />
geht es um das Ausstellen von<br />
Privatrezepten. Zur Verschreibung<br />
von Betäubungsmitteln auf einem<br />
Betäubungsmittelrezept sind<br />
grundsätzlich alle approbierten Ärztinnen<br />
und Ärzte befugt. Dies gilt<br />
u.a. auch für Cannabisextrakte und<br />
Cannabisblüten, Dronabinol und<br />
Nabilon. Neben arzneimittelrechtlichen<br />
sind vor allem betäubungsmittelrechtliche<br />
Vorgaben zu<br />
beachten.<br />
Das Betäubungsmittelgesetz<br />
(BtMG) und die Betäubungsmittelverschreibungsverordnung<br />
(BtMVV)<br />
legen genaue Anforderungen fest:<br />
Betäubungsmittel dürfen gemäß §<br />
13 Abs. 1 BtMG nur verschrieben<br />
werden, wenn ihre Anwendung<br />
begründet ist und der beabsichtigte<br />
Zweck auf andere Weise nicht<br />
erreicht werden kann. Eine Verschreibung<br />
wird als begründet angesehen,<br />
wenn der Arzt oder die Ärztin<br />
aufgrund eigener Untersuchung zu<br />
der Überzeugung gekommen ist,<br />
dass die Anwendung nach dem allgemein<br />
anerkannten Stand der<br />
medizinischen Wissenschaft zulässig<br />
und geboten ist. Ein Verschreiben<br />
von Betäubungsmitteln ist nur zu<br />
therapeutischen oder diagnostischen<br />
Zwecken zulässig. Die Verschreibenden<br />
müssen sich vorher<br />
von der Indikation durch persönlich<br />
erhobene Befunde überzeugen und<br />
zumindest eine orientierende körperliche<br />
Untersuchung durchführen,<br />
um die geschilderten Beschwerden<br />
festzustellen. Unstreitig ist: Ein Verordnen<br />
von Cannabis für andere<br />
Zwecke, etwa zu Genusszwecken,<br />
ist nicht gestattet.<br />
Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften<br />
zieht ernsthafte rechtliche<br />
Konsequenzen nach sich. So<br />
begründet die Verschreibung ohne<br />
ärztliche Begründetheit nach § 29<br />
BtmG eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe<br />
bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe<br />
bedroht ist. Unabhängig<br />
davon droht der Verlust der Approbation.<br />
Nach der Rechtsprechung<br />
sind Ärztinnen und Ärzte zur Ausübung<br />
ihres ärztlichen Berufs unwürdig,<br />
wenn sie durch ihr Verhalten<br />
nicht mehr das Ansehen und das<br />
Vertrauen besitzen, das für die Ausübung<br />
ihres Berufs unabdingbar ist.<br />
Die unzulässige Verordnung von<br />
Betäubungsmitteln stellt ein schwerwiegendes<br />
Fehlverhalten dar und ist<br />
geeignet, eine weitere Berufsausübung<br />
untragbar erscheinen zu lassen.<br />
Eine ärztliche Tätigkeit in einem<br />
Cannabis-Zentrum ist darüber hinaus<br />
auch aus anderen Gründen<br />
sorgfältig zu prüfen:<br />
Nach § 17 der Berufsordnung für<br />
die Ärzte Bayerns (BO) müssen Ärztinnen<br />
und Ärzte ihre ambulante<br />
selbständige Tätigkeit an einem<br />
bestimmten Praxissitz ausüben.<br />
Daneben ist es ihnen gestattet, in bis<br />
zu zwei weiteren Praxen selbständig<br />
tätig zu sein. Der Praxissitz und weitere<br />
Praxen sind durch ein Praxisschild<br />
mit bestimmten Angaben<br />
kenntlich zu machen, die Tätigkeit ist<br />
dem Ärztlichen Bezirksverband<br />
anzuzeigen. Ärztinnen und Ärzten ist<br />
es verboten, ihren Beruf im Umherziehen<br />
auszuüben. Eine stundenweise<br />
ärztliche Betätigung in einem<br />
Cannabis-Zentrum ohne Einhaltung<br />
dieser Vorgaben stellt einen berufsrechtlichen<br />
Verstoß dar. Unabhängig<br />
davon empfehlen wir allen Ärztinnen<br />
und Ärzten alleine schon aus haftungsrechtlichen<br />
Gründen, Patient*innen<br />
nicht in Räumen ohne eine<br />
entsprechende Praxisinfrastruktur<br />
zu behandeln.<br />
Dass die ärztlichen Gebühren von<br />
den Betreibern eingezogen werden<br />
lässt zudem sämtliche datenschutzrechtlichen<br />
Vorgaben des ärztlichen<br />
Handelns außer Acht. Gleiches gilt<br />
für die ärztliche Vergütung: § 10 Abs.<br />
1 Satz 2 GOÄ sieht ein Verbot von<br />
Pauschalen vor. Die ärztliche Leistung<br />
kann nur nach den Maßgaben<br />
der GOÄ erfolgen.<br />
Wir können Ärztinnen Ärzte nur<br />
davor warnen, ohne eingehende<br />
rechtliche Prüfung Kooperationen<br />
mit derartigen Cannabis-Zentren<br />
einzugehen. Daran ändert vor allem<br />
die von den Betreibern derartiger<br />
Zentren häufig verwendete Beteuerung<br />
nichts, es sei „alles rechtlich<br />
geprüft und man müsse keine<br />
Bedenken haben“. Die Konsequenzen<br />
für sie sind gering, für Ärztinnen<br />
und Ärzte aber unter Umständen<br />
existenzvernichtend.