Daniela Kartenheim - Management-Showcase
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Show-Case: <strong>Daniela</strong> <strong>Kartenheim</strong> 10. November 2011<br />
Show-Case am 10. November 2011<br />
<strong>Daniela</strong> <strong>Kartenheim</strong><br />
Im Jahre 2004 zog sich Werner Lohrbach im Alter von 63 Jahren aus der aktiven<br />
Geschäftsführung der von seinem Vater im westfälischen Wiedenbrück gegründeten<br />
Werner Lohrbach & Söhne GmbH zurück. Auch wenn dies nach außen hin kaum<br />
erkennbar war, so hatte er doch in letzter Zeit deutlich gespürt, dass ihm die täglichen<br />
Aufgaben in dieser sich immer schneller ändernden Welt über den Kopf wuchsen. Seine<br />
beiden Söhne Klaus (42) und Michael (40) traten daraufhin gemeinsam die Nachfolge in<br />
der Leitung des Unternehmens an. Klaus ist seit nunmehr 19 Jahren im Unternehmen –<br />
er war sofort nach Abschluss seines Fachhochschulstudiums in Osnabrück in das<br />
elterliche Unternehmen eingetreten - und hat vor 10 Jahren die Leitung der Produktion<br />
übernommen. Er kennt das Unternehmen wie seine Westentasche und gilt als ruhig,<br />
zurückhaltend, verantwortungsbewusst und sehr fleißig; es gibt kaum einen Tag im Jahr,<br />
an dem das Licht in seinem Büro vor 21 Uhr erlischt. Nicht zuletzt aufgrund dieses<br />
aufopferungsvollen Arbeitseinsatzes besitzt er den uneingeschränkten Respekt all seiner<br />
Mitarbeiter. Sein jüngerer Bruder Michael ist ein eher draufgängerischer und impulsiver<br />
Typ. Er leitet den Verkauf und liebt es, seinen Erfolg auch zu zeigen. Er trägt<br />
maßgeschneiderte Anzüge und fährt teure Autos. In einem Punkt gleicht er allerdings<br />
seinem Bruder, er wird von den Kunden und seinen Mitarbeitern geschätzt, er stellt auch<br />
in der Stadt und in den vielen Vereinen, denen er angehört, eine geachtete Persönlichkeit<br />
dar. Bevor er Mitte der 1990er Jahre in das Unternehmen eingetreten ist, war er nach<br />
seinem Abitur im Marketing verschiedener Unternehmen tätig gewesen. Vor ihren<br />
Mitarbeitern vertreten die Lohrbach-Brüder stets eine einheitliche, zuvor abgestimmte<br />
Meinung, obwohl der Weg zu dieser Einheit oft auch holprig ist – manches Mal dringen<br />
sehr laute Töne durch die gepolsterten Türen der Chefbüros. Privat gehen die beiden<br />
getrennter Wege, nur am 1. Weihnachtstag setzen sich die zwei Familien traditionell<br />
zusammen. Michael hat sich einen Bungalow außerhalb der Stadt gebaut, Klaus wohnt<br />
mit seiner Familie in der Unternehmervilla auf dem Betriebsgrundstück, in der auch<br />
Lohrbach senior – seit zwei Jahren Witwer – lebt. Trotz aller Unterschiede wissen die<br />
Brüder jedoch sehr genau, dass sie einander brauchen.<br />
Prof. Dr. Georg Schreyögg 1<br />
Institut Für <strong>Management</strong><br />
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Die Werner Lohrbach & Söhne GmbH ist seit ihrer Gründung im Jahre 1920 auf die<br />
Produktion von Holz- und Eisenwaren spezialisiert – zur Produktpalette gehören heute<br />
insbesondere Heu- und Gartenrechen, Schubkarren, Schneeschaufeln, Stiele für Äxte,<br />
Kleiderbügel, Holzgitter und eine ganze Anzahl verschiedener, pädagogisch wertvoller<br />
Holzspielzeuge, die speziell von einer Gruppe umweltbewusster Kunden nachgefragt<br />
werden. Während der Hochsaison sind ca. 190 Personen im Unternehmen beschäftigt.<br />
Die Produkte werden an eine kleine Zahl von Großhändlern verkauft, die die Waren dann<br />
weiter vertreiben.<br />
Die Lohrbach-Brüder führen das Unternehmen zusammen mit einem Meister, vier<br />
Vorarbeitern, einem Leiter für Rechnungswesen und IT und einem Lagerleiter. Der<br />
Meister unterstützt Klaus in allen die Fertigung betreffenden Fragen und ist für die<br />
computergestützte Planung der Maschinenbelegung zuständig. Der Lagerleiter ist für die<br />
Lagerräume, den Einkauf und den Versand zuständig, der Leiter des Rechnungswesens<br />
steht der Finanz- und Betriebsbuchhaltung vor und ist gleichzeitig für die IT-Umgebung<br />
des Unternehmens zuständig. Einer der Vorarbeiter ist für das kleine Sägewerk<br />
zuständig, die anderen unterstützen den Meister bei der Gartengeräte-, der Holzgitter-<br />
und der Spielzeugfertigung. Die Fertigungsabteilungen sind nach Produkten gegliedert,<br />
obgleich bei vielen Produkten ähnliche oder identische Arbeitsgänge erforderlich sind. Es<br />
wird hauptsächlich auf Lager produziert. Die Produktionsaufträge werden jeweils von<br />
Klaus Lohrbach erteilt.<br />
Der Vertrieb erfolgt fast ausschließlich über den Großhandel und wird von Michael<br />
Lohrbach gemeinsam mit zwei Vertretern erledigt. Mehr als ein Drittel des Geschäftes<br />
kommt aufgrund direkter Kundenaufträge zustande. Das Unternehmen betreibt keine<br />
Werbung; es wird lediglich eine ausreichende Anzahl gedruckter Kataloge an die<br />
Großhändler weitergereicht. Klaus hatte in der letzten Zeit einige Ideen ausgearbeitet,<br />
um den Verkauf von Kleiderbügeln, Holzgittern und insbesondere der hochwertigen<br />
Holzspielzeuge zu steigern. Beispielsweise arbeite er an einer in der Branche längst<br />
üblichen Internetpräsenz – Michael hielt die bisherigen Ideen jedoch weder für<br />
ausgereift, noch für modern genug. In einer hitzigen Diskussion machte er seinem Bruder<br />
sehr deutlich, dass er durchaus in der Lage sei, seine Aufgaben zu erfüllen und Klaus sich<br />
lieber um reibungslose Prozesse in der Produktion kümmern solle. Er habe ohnehin<br />
vorgehabt, sich mit dem Neffen eines Freundes aus seinem Golf-Club zusammenzusetzen<br />
und eine Internetseite zu entwerfen, die neue Branchenstandards setzen würde, er sei<br />
eben nur noch nicht dazu gekommen.<br />
Der Gesamtumsatz des Unternehmens betrug im Jahre 2005 etwa 19 Mio €. Eine<br />
Analyse der Bilanzen zeigt während der letzten 20 Jahre ein stetiges Wachstum,<br />
wenngleich die Gesamtzunahme des Umsatzes nicht mehr als 20% betrug. Die<br />
Herstellungskosten sind - inflationsbereinigt - in vergleichbarer Höhe geblieben. Die<br />
Rentabilität war eher mager.<br />
Kaum mehr als einen Kilometer von der Werner Lohrbach & Söhne GmbH entfernt liegt<br />
der im malerischen Nachbarort Rheda gegründete Betrieb der Daniel <strong>Kartenheim</strong> GmbH<br />
& Co. KG. Dort werden ebenfalls Eisenwaren, insbesondere Schaufeln, Spaten,<br />
Brecheisen, eiserne Schubkarren und Werkzeuge, aber auch Eisenrechen, Hacken und<br />
andere Gartengeräte hergestellt. Kürzlich hat man Rasenmäher und verschiedene<br />
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Radhacken in das Produktionsprogramm aufgenommen, wobei die Gussteile zugekauft<br />
werden. Die Produkte werden an Großhändler und von diesen insbesondere an<br />
Bauunternehmungen und Einzelhändler verkauft.<br />
Das Unternehmen beschäftigt etwa 480 Personen, wobei der größte Teil der<br />
Beschäftigten aus jüngeren Leuten besteht. Die Firma wurde stets offensiv und<br />
risikofreudig geführt – so gehörte sie zu einer der ersten Firmen der Branche mit<br />
eigenständigem Internetauftritt. Die Bilanzen weisen für das letzte Jahrzehnt eine stetige<br />
Zunahme der Gewinne aus, die einerseits aus Rationalisierungen und einer damit<br />
verbundenen Senkung der Produktionskosten resultierten, andererseits auch aus der<br />
Intensivierung von Vertriebskontakten und der Erschließung neuer Vertriebsregionen –<br />
unterstützt nicht zuletzt durch optimierte Internetpräsenz. Die Umsätze sind während des<br />
letzten Jahrzehnts verdreifacht worden und betrugen im Jahr 2005 circa 90 Mio €.<br />
Kürzlich verstarb völlig überraschend der geschäftsführende Gesellschafter des<br />
Unternehmens, Daniel <strong>Kartenheim</strong>, mit 53 Jahren an einem Herzinfarkt. Er war sehr<br />
dynamisch, er forderte sich und seine Mitarbeiter stets bis an die Grenzen. In dem<br />
Streben, mit den Entwicklungen Schritt zu halten und die Produktivität kontinuierlich zu<br />
steigern, hatte er kontinuierlich neue Methoden eingeführt und das Unternehmen mit<br />
einem sehr modernen Maschinenpark ausgestattet.<br />
Nach Daniel <strong>Kartenheim</strong>s unerwartetem Tode sind als Führungskräfte verblieben: der<br />
Betriebsleiter, der Leiter des Rechnungswesens und des IT-Bereichs, der<br />
Betriebsingenieur, der Leiter der Planungsabteilung, die Leiterin der Personalabteilung,<br />
der Verkaufsleiter, der Einkaufsleiter, der Lagerleiter, die Leiter der drei Montage-<br />
Werkstätten, der Mechanikermeister, der Meister der Schmiede sowie schließlich die<br />
Vorarbeiter.<br />
Fred Meyer, der Betriebsleiter, ist 40 Jahre alt und hat mit Daniel <strong>Kartenheim</strong> seit Beginn<br />
der Produktion von Eisengeräten zusammengearbeitet. Meyer startete im Unternehmen<br />
als junger Facharbeiter, aber mit großen Fähigkeiten als Maschinist. Er wurde Meister der<br />
Mechanik-Abteilung und behielt diese Position für eine ganze Reihe von Jahren. Vor 6<br />
Jahren machte ihn <strong>Kartenheim</strong> dann schließlich zum Betriebsleiter. Dass dies eine gute<br />
Entscheidung war, zeigte sich insbesondere darin, wie rasch er es verstand, die<br />
Mitarbeiter zu motivieren und ihren Einsatz anforderungsgerecht zu steuern. Seine<br />
Mitarbeiter sprechen ihn mit seinem Vornamen an, und seine Loyalität zur Firma wird nur<br />
durch die Loyalität seiner Mitarbeiter zu ihm übertroffen. Ohne Freds aufmunternde Art<br />
würde die <strong>Kartenheim</strong> GmbH & Co. KG nicht diesen Erfolg erzielt haben, zumal die<br />
direkten Kontakte von Daniel <strong>Kartenheim</strong> zu den Mitarbeitern häufig zu Reibungen<br />
führten. Trotz all seiner Dynamik und visionärer Leitung galt er als schwierig und<br />
unberechenbar.<br />
Zur Unterstützung des Betriebsleiters hat man im Jahre 1996 eine Planungsabteilung<br />
eingerichtet. Diese Abteilung wurde früher von einem Betriebsingenieur geleitet und<br />
untersteht seit kurzem <strong>Daniela</strong> <strong>Kartenheim</strong>, die seit nunmehr 2 Jahren in der<br />
Unternehmung arbeitet. Schon als kleines Kind folgte sie Ihrem Vater auf Schritt und<br />
Tritt, der wiederum seine aufgeweckte Tochter immer stolz präsentierte. Seit ihrem<br />
vierten Lebensjahr durfte sie ihren Vater regelmäßig im Frühjahr zur Messe für<br />
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Gartengeräte nach München begleiten. Zwischenzeitlich ist sie 27 Jahre alt, sie stieg<br />
unmittelbar nach Abschluss ihres wirtschaftswissenschaftlichen Studiums an der<br />
Universität Paderborn ins Unternehmen ein. In ihrem Studium spezialisierte sie sich<br />
insbesondere auf Fragen der strategischen Unternehmensführung und der IT-gestützten<br />
Produktion. <strong>Daniela</strong> besitzt die Dynamik und Entschlossenheit ihres Vaters und hat vom<br />
ersten Tag im Unternehmen das erklärte Ziel, eines Tages die Geschäftsleitung zu<br />
übernehmen um das Unternehmen – ganz in der Tradition ihres Vaters – erfolgs- und<br />
zukunftsorientiert zu leiten. Sie stellte ihr Können nun schon mehrfach mit einer<br />
exzellenten Projektarbeit in der Planungsabteilung unter Beweis. Meyer und <strong>Daniela</strong><br />
arbeiten gut und produktiv zusammen, die Beziehungen zwischen ihnen sind<br />
ausgesprochen herzlich.<br />
Als Verkaufsleiter hatte Daniel <strong>Kartenheim</strong> kürzlich einen seiner erfolgreichsten Verkäufer<br />
eingesetzt, der wie er meinte, Zukunft hat und eine hoffnungsvolle Entwicklung<br />
verspricht. Der Verkaufsleiter (44 Jahre) hat jedoch große Schwierigkeiten mit den vier<br />
ihm unterstellten Verkäufern klar zu kommen; er ist ein Einzelkämpfer-Typ, wenn es um<br />
das Delegieren geht, wird er stets ungeduldig: „Ehe ich das alles erkläre“, sagte er<br />
kürzlich zu Meyer, “habe ich es längst selbst gemacht“. Die vier Verkäufer finden: „Man<br />
kann es ihm einfach nicht recht machen“. Der Leiter des Rechnungswesens, der<br />
Einkaufsleiter und die Leiterin der Personalabteilung sind noch relativ jung und bemühen<br />
sich nach Kräften, ihren Aufgaben gerecht zu werden. Der Betriebsingenieur und der<br />
Lagerhalter sind erfahrene Männer mittleren Alters und erledigen ihre Aufgaben<br />
zuverlässig.<br />
Nach dem unerwarteten Tode Daniel <strong>Kartenheim</strong>s zeigte sich schon nach den ersten<br />
Tagen der tiefen Trauer sehr deutlich, dass die <strong>Kartenheim</strong> GmbH & Co. KG überaus<br />
stark von der Persönlichkeit des Unternehmensleiters geprägt ist und nun eine große<br />
Lücke im Führungsgefüge klafft. Daniel selbst hatte keinen Gedanken daran<br />
verschwendet über seine Nachfolge nachzudenken und auch der Beirat des<br />
Unternehmens sah dazu nie einen Anlass, schließlich gab es keinen Grund zur Sorge. Es<br />
war aber klar, dass Daniel <strong>Kartenheim</strong> sich wünschte, seine Tochter möge irgendwann<br />
einmal in seine Fußstapfen treten. Schließlich hatte sie mit ihm auch ihr Studium geplant<br />
und die Schwerpunkte so gesetzt, wie er es empfahl. <strong>Daniela</strong> ist eine gute Reiterin.<br />
Früher hat sie ihr Vater häufig an Wochenenden mit Landrover und Pferdeanhänger zu<br />
regionalen Turnieren gefahren, da gab es immer viel Gelegenheit über die Firma und die<br />
Zukunft zu sprechen. Ihr Vater hat sie auch schon früh an Entscheidungen teilhaben<br />
lassen. Sogar als Grundschülerin suchte sie schon zusammen mit ihrem Vater die Farben<br />
und manchmal sogar die Namen für neue Produkte aus. Ohne Zweifel hat sie Talent, die<br />
Mitarbeiter respektieren sie. Trotzdem war man sich einig, dass es noch viel zu früh sei,<br />
ihr die Leitung der Firma und die Verantwortung für fast 500 Leute in die Hände zu<br />
legen. Selbst ihre Mutter – Wilma <strong>Kartenheim</strong> – hielt es für ausgeschlossen, dass <strong>Daniela</strong><br />
jetzt schon die Geschäftsleitung übernehmen kann. Auch unter den anderen<br />
Führungskräften war nicht eine Person, der man nur annährend zugetraut hätte, das<br />
Unternehmen zu führen<br />
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Beabsichtigte Fusion<br />
Anlässlich einer Konferenz des Firmen-Beirates, den man zusammengerufen hatte, um zu<br />
entscheiden, wie man in dieser schwierigen Situation vorgehen sollte, überraschte der<br />
Vertreter der Hausbank, Anton Forster, der im Beirat beider Unternehmungen saß, mit<br />
folgendem Vorschlag: Die <strong>Kartenheim</strong> GmbH & Co. KG soll mit der Firma Werner<br />
Lohrbach & Söhne GmbH fusionieren. Auf diese Weise wäre die Leitung der <strong>Kartenheim</strong><br />
GmbH & Co. KG durch Klaus und Michael Lohrbach, zusammen mit dem fachkundigen<br />
Rat ihres Vaters, Werner Lohrbach, gesichert. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte Anton<br />
Forster zwar vorgeschlagen, dass man eine Persönlichkeit von außerhalb für die Leitung<br />
holen sollte; es war ihm jedoch nicht gelungen, eine geeignete Person mit der<br />
notwendigen Erfahrung zu finden.<br />
Die beiden Brüder Lohrbach und ihr Vater konnten sich für diesen Vorschlag erwärmen.<br />
Klaus sah eine große Chance für beide Unternehmen, meinte jedoch gleichzeitig, dass<br />
genau geprüft werden müsse, wie die Integration schnell, effektiv und auch tiefgreifend<br />
realisiert werden könne. Insbesondere die Führungsfrage müsse mit dem nötigen<br />
Fingerspitzengefühl bearbeitet werden. Michael war sofort begeistert von der Idee und<br />
hatte insgeheim schon vor Augen, was es für sein Ansehen bedeuten würde, wenn er<br />
zusammen mit seinem Bruder ein knapp 700-Mann starkes Unternehmen leitete. <strong>Daniela</strong><br />
<strong>Kartenheim</strong> war skeptisch, sie wollte sich nicht direkt gegen den Vorschlag stellen, aber<br />
man merkte doch allen ihren Bemerkungen und ihrem Verhalten an, dass sie es<br />
eigentlich nicht wollte. Immer wieder betonte sie, es würden doch zwei völlig ungleiche<br />
Partner aufeinander treffen, sowohl was die Größe als auch, was den Führungsstil<br />
anbetreffe. Ferner kannte sie Michael Lohrbach auch privat ein wenig und hielt ihn allein<br />
schon wegen seiner auftrumpfenden Persönlichkeit für ungeeignet, das Unternehmen<br />
ihres Vaters zu leiten. Ihr Vater stand für Engagement, Dynamik, Entschlossenheit und<br />
Fortschritt – Michael Lohrbach verbringt dagegen für ihren Geschmack viel zu viel Zeit<br />
auf Club-Festen und Vereinsversammlungen: „Wann ist der eigentlich in seinem Büro?“,<br />
sagte <strong>Daniela</strong> spitz zu ihrer Mutter. Ferner gab sie zu bedenken: „Wir müssen uns auch<br />
fragen, ob Pappi diese Lösung gut heißen würde.“ Trotz ihrer Skepsis gab sie ihren<br />
Widerstand gegen die Idee der Fusion dann doch recht schnell auf – ihr war bewusst,<br />
dass sie ohnehin nicht in der Position war, die geplante Fusion abzuwenden, ihre Mutter<br />
als Alleinerbin war ganz und gar dafür, gleichzeitig wollte sie auf keinen Fall das<br />
Unternehmen ihres Vaters verlassen.<br />
Ein Plan zur Fusion und finanziellen Reorganisation, der von Forster und den jeweiligen<br />
Anwälten der Unternehmungen entwickelt wurde, fand schließlich die Zustimmung der<br />
Eigentümer. Die Unternehmungen wurden unter der Bezeichnung Kartenbach-Werkzeug-<br />
Fabriken GmbH fusioniert, der Außenauftritt der Daniel <strong>Kartenheim</strong> GmbH & Co. KG sollte<br />
entsprechend angepasst und erweitert werden. Man entschied sich für die Rechtsform<br />
der GmbH und die früheren Teilhaber erhielten Anteile aus der neuen Firma im Tausch,<br />
Werner Lohrbach hat aus seinem Privatvermögen zusätzliches Kapital in nicht<br />
unbeträchtlichem Umfang eingebracht. Die Anteile am Stammkapital bzw. die daraus<br />
fließenden Stimmrechte wurden so geregelt, dass der Familie <strong>Kartenheim</strong> keine<br />
beherrschende Stellung zukam. Wilma <strong>Kartenheim</strong>, Anton Forster und ein befreundeter<br />
Notar erhielten je einen Sitz im Aufsichtsrat der neuen Unternehmung. Die Brüder<br />
Lohrbach sollten in die Geschäftsleitung; über die Funktion von Werner Lohrbach war<br />
man sich noch nicht ganz einig, die einen wollten ihn zum Aufsichtsratsvorsitzenden<br />
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machen, andere meinten, er müsse in die Geschäftsleitung und der Aufsichtsratsvorsitz<br />
gehöre in die Hände der Familie <strong>Kartenheim</strong>. Zur organisationalen Neugestaltung des<br />
Unternehmens wurden schließlich folgende zwei Vorschläge unterbreitet, einer von<br />
Michael Lohrbach und ein anderer von Anton Forster.<br />
Fragen<br />
1. Wie beurteilen Sie die zwei unterbreiteten Vorschläge aus organisatorischer<br />
Sicht? Welche strukturellen Stärken und Schwächen erkennen Sie?<br />
2. Welche Konflikte antizipieren Sie auf familiärer Ebene?<br />
3. Welchen Vorschlag würden Sie unterbreiten?<br />
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Organisationsplan der Kartenbach-Werkzeug-Fabriken GmbH<br />
- unterbreitet von Michael Lohrbach –<br />
Organisationsplan der Kartenbach-Werkzeug-Fabriken GmbH<br />
- unterbreitet von A.E. Forster –<br />
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