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recke:in - Das Magazin der Graf Recke Stiftung Ausgabe 1/2024

Alles begann auf einem Acker in Ostwestfalen-Lippe. Dem neu gegründeten Verein zur Rettung verwahrloster Knaben überließ ein benachbarter Landwirt zu guten Konditionen ein Stück Land. Dort entstand ein Kinderheim, damals noch Rettungshaus genannt. In 175 Jahren entwickelte sich daraus eine hochprofessionelle heilpädagogisch-therapeutische Einrichtung: die Jugendhilfe Grünau. Beständig, bunt, bewegt wie sie ist auch diese Ausgabe der recke:in, in der sich alles um die die Jubilarin dreht.

Alles begann auf einem Acker in Ostwestfalen-Lippe. Dem neu gegründeten Verein zur Rettung verwahrloster Knaben überließ ein benachbarter Landwirt zu guten Konditionen ein Stück Land. Dort entstand ein Kinderheim, damals noch Rettungshaus genannt. In 175 Jahren entwickelte sich daraus eine hochprofessionelle heilpädagogisch-therapeutische Einrichtung: die Jugendhilfe Grünau. Beständig, bunt, bewegt wie sie ist auch diese Ausgabe der recke:in, in der sich alles um die die Jubilarin dreht.

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GRÜNAU<br />

ANNA STEINBACH-KLATT<br />

SYSTEMISCHE THERAPEUTIN<br />

»Weil wir<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> engen<br />

Verb<strong>in</strong>dung<br />

mehr<br />

schaffen.«<br />

MICHAEL HAUBROCK<br />

MOTOPÄDAGOGE<br />

viel mit e<strong>in</strong>em«, sagt Sven Reibold. Da brauche<br />

es im Privaten e<strong>in</strong>en Ausgleich. »<strong>Das</strong> private<br />

Sett<strong>in</strong>g ist wichtig. Wie genau jemand<br />

etwas verarbeitet, das ist sehr <strong>in</strong>dividuell«,<br />

so <strong>der</strong> 52-jährige Diplompsychologe. Er<br />

tanke bei se<strong>in</strong>er Familie auf, sagt er. Motopädagoge<br />

Haubrock macht nicht nur im<br />

Rahmen se<strong>in</strong>er Angebote viel Sport, son<strong>der</strong>n<br />

auch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Freizeit, das ist se<strong>in</strong><br />

Ausgleich. Über das, was er als Therapeut<br />

hört und mitfühlt, sagt er: »Es bleibt hier.«<br />

Je<strong>der</strong> müsse Wege für sich f<strong>in</strong>den: »Wenn<br />

es uns nicht gut geht, kann es den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

auch nicht gut gehen.« Familientherapeut<br />

Gu<strong>der</strong> bekennt, dass das, was er hier tut, ihn<br />

nach wie vor berühre. »Sonst wäre ich hier<br />

falsch.« Nur zu nahe gehen dürfe es den Profis<br />

nicht. »Sekundäre Traumatisierung« nennen<br />

die Grünauer Therapeuten es, wenn die<br />

Grenze nicht aufrechterhalten werden kann.<br />

E<strong>in</strong> ganz wichtiger Aspekt sei <strong>der</strong> kollegiale<br />

Austausch, sagen alle fünf, nicht nur<br />

<strong>in</strong> den wöchentlichen Fachdienst-Runden.<br />

Fachlich, weil »wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> engen Verb<strong>in</strong>dung<br />

»Ist dir<br />

bewusst,<br />

was du da<br />

gerade<br />

geschafft<br />

hast?«<br />

mehr schaffen können, wenn wir aus verschiedenen<br />

Perspektiven draufschauen«,<br />

me<strong>in</strong>t Anna Ste<strong>in</strong>bach-Klatt. Aber auch<br />

zwischenmenschlich. Austausch und Vernetzung,<br />

aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu achten, das gehört<br />

für die Profis unbed<strong>in</strong>gt dazu.<br />

In Grünau wird die Gleichung von <strong>der</strong><br />

zerstörten K<strong>in</strong>dheit und dem zerstörten<br />

Leben <strong>in</strong>frage gestellt. »Wenn ich davon ausgehe,<br />

dass wir traumatisierte und b<strong>in</strong>dungsgestörte<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> haben und diese Traumata<br />

und B<strong>in</strong>dungsstörungen von Generation zu<br />

Generation weitergegeben werden, dann<br />

können wir das unterbrechen«, glaubt Kirsten<br />

Becker. »Dadurch gebe ich den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />

und Jugendlichen die Chance, ihr Leben zu<br />

verän<strong>der</strong>n. Wir können den Kreislauf durchbrechen.«<br />

Sie hat sexuell grenzverletzende<br />

Jugendliche erlebt, die sagen: »Hätte sich<br />

jemand das früher angeschaut, hätte ich früher<br />

daran arbeiten können, wäre es an<strong>der</strong>s<br />

gelaufen.«<br />

HEIMAT GRÜNAU<br />

Sven Reibolds Erzählung von dem Jungen,<br />

<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Krisen <strong>in</strong> Grünau nicht überw<strong>in</strong>den<br />

konnte, geht übrigens noch weiter.<br />

Der <strong>in</strong>zwischen 16-Jährige habe sich<br />

kürzlich wie<strong>der</strong> gemeldet, berichtet Sven<br />

Reibold. »Er hat e<strong>in</strong>en Ort gefunden, wo<br />

er sich entwickeln konnte. Jetzt möchte er<br />

noch e<strong>in</strong>mal hierherkommen, zur Verselbstständigung.«<br />

Über geeignete Möglichkeiten<br />

werde im Moment noch beraten, sagt <strong>der</strong><br />

Fachdienstleiter, aber e<strong>in</strong>es zeige dies doch:<br />

»Auch Prozesse, die verme<strong>in</strong>tlich nicht ans<br />

Ziel gekommen s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> wichtiger Teil<br />

e<strong>in</strong>es Lebens. Und Grünau war trotzdem –<br />

zum<strong>in</strong>dest für e<strong>in</strong>e gewisse Zeit – e<strong>in</strong>e Heimat<br />

für diesen Jungen.« //<br />

1/<strong>2024</strong> <strong>recke</strong>: <strong>in</strong> 19

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