Leseprobe_Ein Elefant in der Kommune

Eike Rathgeber
Ein Elefant
in der Kommune
und andere Texte zur Kunst und Tafelkultur

Ein Elefant in der Kommune

Eike Rathgeber
Ein Elefant in der Kommune
und andere Texte zur Kunst und Tafelkultur

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von
Eike Rathgeber: Ein Elefant in der Kommune
und andere Texte zur Kunst und Tafelkultur
Hollitzer Verlag, Wien 2024
Abbildung auf dem Cover:
Elefant (Reims um 830),
Illumination aus dem Physiologus Bernensis (Burgerbibliothek Bern)
Umschlag und Satz: Nikola Stevanović
Gedruckt und gebunden in der EU
www.hollitzer.at
ISBN 978-3-99094-192-8

Inhalt
Vorwort 7
Vom Schmausen und Klingen
Couperin im Dienst
und wie es sich mit der Musik bei Tisch verhält 9
Ein Salzfass für François
Cellini zum 450. Todestag 19
Dichterfeste in al-Andalus
Wein und Poesie 31
Zwischen Himmel und Erde
Santonino, Tizian und die Hypnerotomachia Poliphili 43
Burgundische Mission
Ein Treffen im Namen des Fasans 55
Feste feiern
Gefährliche Liebschaften 67
Wiener Kongress
Von der Politik 79
Vom Geschmack 85
Keine Chansons für den Kriegsbericht
Guillaume de Machaut und das Krakauer Königstreffen 97
Tafeln für die Geistlichkeit
Heinrich Ignaz Franz Biber 111
Speisen im barocken Salzburg 118
Ein Elefant in der Kommune
Harun al-Rashid sendet Karl dem Großen ein Geschenk 125
Karl der Große. De gustibus 134
Rezeptregister 145
Anmerkungen 149
Literaturnachweis 167
Bildnachweis 177

Vorwort
Die verschiedenen Protagonisten dieses Buches – Künstler, Kunstwerke
und sogar ein Elefant – hatten ihren allerersten Auftritt im Spectrum,
der literarischen Wochenendbeilage der österreichischen Tageszeitung
Die Presse, und bilden nun vereint in diesem Band den Ausgangspunkt
für ein Ensemble kunsthistorischer Betrachtungen über ganz verschiedene
Zeiten und Länder. Was sie alle miteinander verbindet, ist die
heraus ragende Stellung, die sie in ihrer jeweiligen Epoche nicht nur für
die Entwicklung eines ästhetischen Stils und der dazugehörigen Politik,
sondern darüber hinaus auch für das Gedächtnis ganzer Regionen
einmal innehatten. Und weil sie selbst so wunderbare und prächtige
Vorkommnisse in der Geschichte darstellen, sollten sie auch wieder in
eine lebendige Umgebung zurückkehren, zu deren Repräsentant sie
einmal geworden sind. Die Beschäftigung mit allen diesen Artefakten
und ihren Schöpfern war dabei höchst vergnüglich und bereichernd,
erforderte aber mitunter auch einiges an labyrinthischer Quellenkunde,
um ihre Lebensumstände und die Art und Weise, wie sie ihre Zeit
verbrachten, wieder zu entdecken.
Die Künstler und ihre Werke, aber auch der langmütige Elefant
Abul-Abbaz oder die andalusische Dichterin Hamda bint Ziyâd
al-Mu’addib kamen dadurch noch einmal vor den Vorhang und bilden
nun gewissermaßen den Brennpunkt einer ganzen Epoche. Ihre Geschichte
führt uns zu den Menschen ihrer Zeit. Denn sie waren es, die
als kostbarstes Gut den diplomatischen Austausch bestimmten und ihre
Herrscher bis heute zuweilen sogar noch überstrahlen. In ihrem Schatten
beginnt das Leben ihrer Umgebung nun wieder Gestalt anzunehmen:
Personen, die mit ihnen gelebt, sich an ihnen verausgabt und für
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Eike Rathgeber
sie gekämpft haben; Gegenstände, die ihnen wichtig waren; Häuser, in
denen sie gewohnt, und Speisen, die sie gern gegessen haben.
Denn wer würde sich noch an den Kreuzfahrer Pierre de Lusignan
erinnern, hätte nicht Machaut ihn mitsamt der reich gedeckten Tafel in
der Prager Burg besungen? Wenn Wolfram von der schönen Königin
Belakane aus dem Maurenlande schwärmt, denkt er wohl auch an die
Freundin unserer andalusischen Dichterin. Und François Couperin,
der Große, wie man ihn nannte, komponierte zwar für den Sonnenkönig,
jedoch nie für seine Tafel, obwohl er gleich nach Beendigung
der Messe zum Dîner eilte. Beethoven wiederum erwies sich als
erstaunlich gefällig, wenn es beim Wiener Kongress um den Dienst
bei Hofe ging, konnte als Koch jedoch ganz und gar nicht reüssieren,
Fidelio freilich hören wir heute noch. Der Wiener Kongress 1814/1815
schlussendlich gelang auch nur durch eine langwierige Abfolge von
gegenseitigen Geschenken und Festen, die möglicherweise – aber darüber
sind sich die Quellen nicht einig – Talleyrands Leibkoch Carême
mitbestimmt hat.
Kriege sind in all diesen Erzählungen ständig gegenwärtig und
sie sind oftmals auch Thema der Kunst. Zumeist aber war der Erwerb
eines Artefakts die bessere Waffe, und das Geschehen wurde später mit
Farben, Tönen und Worten gebannt. Das Ende des Streits wird dann
allerdings bei Tisch gefeiert. Kein Frieden ohne Bankett, so lautet das
eherne Gesetz, und kein Bankett ohne die Kunst, auch nicht ohne die
Kunst der Speisenzubereitung. Und wie das Essen damals ausgesehen
haben mag, woher die Zutaten kamen und wer sie zubereitete, war
der andere Ausgangspunkt meiner Betrachtungen, weshalb auch und
eigentlich ganz zentral über das Essen nachgedacht wird. Die kulinarischen
Vorlieben der jeweiligen Epoche rücken deshalb bunt und
lautstark ins Zentrum der Texte, und die Rezepte aus der Zeit sind
allesamt fern genug, dass man ihren weiten Weg erkennt, aber für alle,
die gern kochen, sind sie ohne Hürden zuzubereiten.
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Vom Schmausen und Klingen
Vom Schmausen und Klingen
Couperin im Dienst
und wie es sich mit der Musik bei Tisch verhält
Mit überzeugender Diesseitigkeit und vielleicht einem Stoßseufzer der
Erleichterung notierte der französische Komponist François Couperin
1690 – damals gerade 21 Jahre alt und entsprechend hungrig – am Ende
seines Manuskripts der großen Orgelmesse, dass diese nun beendet sei
und daher Zeit fürs Speisen wäre („La Messe est dîtte – allons dîner!“). 1
Wir wünschen ihm, dass er rasch zu seinem Tisch gefunden hat, der
in den Pariser Gasthäusern vielleicht noch nicht mit Tüchern gedeckt
war, aber dafür einen großen kupfernen Topf dampfenden Ragouts
bereithielt, neben Fischen, Wildpasteten und gebackenen Quitten,
die alle gerne mochten. Und es wird laut gewesen sein, Scherben am
Boden, Krüge im Umlauf, vielleicht sogar hatte der eine oder andere
ein Instrument dabei und gesungen, aber Couperin war – so viel ist
gewiss – in der glücklichen Lage, noch kein Radio im Hintergrund
zur Begleitung zu hören.
Mit diesem, seinem geflügelten Eintrag jedoch fügte Couperin le
Grand, wie man ihn später nennen würde, um die unzähligen Mitglieder
seiner musikalischen Familie besser auseinanderzuhalten, Sphären
zusammen, die wir viel lieber trennen würden – nämlich das Hochgeistige
und das Profane, Beten und Essen, Seele und Leib. Obwohl
er doch nur den allseits bekannten festlichen Tagesablauf schilderte,
der, egal ob es um ein zeremonielles Te Deum mit darauffolgendem
Bankett, oder um den Besuch in der Landkirche vor dem begehrten
Sonntagsbraten ging, den Höhepunkt der Woche in unseren Breiten
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Eike Rathgeber
François Couperin (1735), Kupferstich von
Jean Jacques Flipart, nach André Bouys
bildet. Also sind es vielleicht gar nicht die verschiedenen Ebenen, die
uns daran so sehr irritieren, als vielmehr die Frage, wie und unter welchen
Umständen sie denn angemessen zusammenfinden könnten, die
Musik und das Essen?
Dabei übernimmt die Tonkunst eine durchaus dubiose Rolle, sie
passt sich beinahe allem an und spielt den Mittler, wo immer man sie
benötigt. Zum Lobe Gottes erklingt sie, weil sie unsere geistlichen
Anliegen noch schöner vorzubringen vermag, aber ebenso begleitet
sie den Kanonendonner und trommelt die armen Soldaten in Trance.
Nie darf sie beim Tanz fehlen, wenn die Menschen Glück und Freude
teilen, und sie tröstet die Leidenden beim Trauerzug, als ob es ihr
innerstes Begehr wäre. Bei allen Ritualen umgeben uns Klänge. Und
die Musik – so möchte man kurzschließen – baut auf diesen Konventionen
recht eigentlich erst auf. Je nach Einfallskraft ihrer Schöpfer
begleitet sie in gewohnter oder manchmal auch überraschender Weise
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Vom Schmausen und Klingen
unseren gesamten Tages- und Lebensablauf, und was für ein erschütterndes
Ereignis, wenn sie wirklich fehlt – wie am Karfreitag. Sie ist
ein bisschen zu gefällig, könnte man nun meinen, wo jeder sie so gern
um sich hat: Natürlich nicht nur zum Einzug in den Speisesaal, oder
wenn später der Ball beginnt, sondern gerade auch beim Festessen, wo
sich die beiden Vergnügen aufs Feinste ergänzen. Schon Hera und ihr
wankelmütiger Gatte Zeus konnten sich bestimmt nicht an Nektar
und Ambrosia delektieren, ohne ihren Gästen himmlische Musik zu
kredenzen. Es wirkt, egal ob Alltag oder Feiertag, als ob die Musik
einfach immer dazugehörte, wenn nicht die Geschichte mit der Kunst
dazwischengekommen wäre.
Schließlich gab es seit Beginn unserer musikalischen Aufzeichnungen
immer auch diese besonderen Kompositionen, die ihre Anforderungen
nicht nur besser als andere erfüllten, sondern die auch ihren
eigentlichen Zweck gleich noch ein bisschen überstrahlten. Mal durch
ausgeklügelte Finessen in der Form, mal durch besonderen Wohlklang,
wieder andere schafften dies durch ihre Instrumentation oder
durch bis dahin ungehörte Melodien – und schon rückte nicht mehr
der Nutzen, sondern ihr Erfinder in den Vordergrund. Wenn das Publikum
nur noch auf die neuartige Klangkonstellation achtete anstatt
auf die eigentliche Zeremonie – und das war natürlich auch schon bei
der Messe Guillaume de Machauts der Fall – wo bleibt da die innere
Einkehr, die Huldigung des Monarchen, der Kampfgeist der Truppe,
die Freude der Tanzenden, das Leid der Trauernden? Wo bleibt der
eigentliche Zweck der Tonkunst? Allerdings strömten nun viel mehr
Menschen in die Kirche oder wollten den Einzug der Helden verfolgen,
sodass sich die konkurrierenden Familien förmlich überboten mit
ihren Darbietungen, sobald klar war, dass die kunstvolle Musik sich
bestens zur Anhebung des eigenen Rufs verwenden ließ. Es verselbständigten
sich solchermaßen die Deutungen im gleichen Maß wie die
Gagen der Künstler und Richtungsstreits, die wahre Kunst betreffend,
rissen gar nicht mehr ab. Die Leute jedenfalls wollten mehr von diesem
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Eike Rathgeber
Wunderwerk hören, auch neben dem eigentlichen Zweck, oder ganz
und gar ohne deren Anlass. Einfach nur zum Vergnügen.
Städtische und höfische Verwaltungen, selbst die knausrigsten Auftraggeber
sahen sich gezwungen, wenn sie nicht zurückfallen wollten
in der allgemeinen Gunst, zur Domkapelle, den Stadtpfeifern und der
Militärmusik, nun auch Fachleute für eine eigene Kammermusik zu
bestellen. Deren Aufgabe war es, für den (zivilen) Musikunterricht von
Bürgerkindern und Prinzen wie Prinzessinnen zu sorgen und virtuose
Konzerte in der Kirche, wie in Lübeck, Leipzig oder Hamburg, oder
am Hof zu geben. Und natürlich sollten sie, wenn irgend möglich, dort
auch weiterhin zur Tafel aufspielen. Für die Komponisten waren das
herrliche Aufträge, es winkten Anstellungen und gute Bezahlung (freilich
nur, wenn die Kriegsaufwendungen nicht gerade wieder ein großes
Loch ins Budget gerissen hatten), und dazu ein kennerhaftes Publikum,
das zumeist sehr stolz auf die teuer erworbenen Künstler war. Manchmal
gelang es dem einen oder anderen Musiker sogar, selbst einen Platz
am Tisch zu erringen, wie Heinrich Ignaz Franz Biber, der am Ende
seiner Laufbahn als Truchsess den elften Platz in der Rangfolge beim
Salzburger Fürstbischof einnahm, und mit einigen seiner Werke, darunter
die Sonatae tam aris quam aulis servientes, so kunstvolle Werke zum
Speisen erdachte, dass die Köche vermutlich Schwierigkeiten hatten,
dem auf kulinarischem Gebiet auch nur einigermaßen zu entsprechen.
Dass gleichzeitig auch der Handel mit den Drucken einen regelrechten
Boom in Sachen Tafelmusik auslöste und die Privilegien, die
damals für eine Veröffentlichung benötigt wurden, gern in den Anstellungsverträgen
vermerkt wurden, erklärt die Fülle an Werkkompilationen,
die seit der frühen Neuzeit lukrativ verwertet wurden. Man
hat den Eindruck, dass damit eine Benennung gefunden war für fast
alle profanen Werke, die gerade en vogue waren. Was ließ sich nicht
alles bei Tisch vorführen – von geselligen Liedern über kunstvolle Ensemblemusik
und große Orchesterkompositionen, bis hin zu virtuosen
Konzerten und ganzen dramatischen Werken – sie alle konnten in ei-
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Vom Schmausen und Klingen
nem Band zum Druck versammelt werden und fanden ihr Publikum.
Ob als Musicall banquet von Dowland oder Scheins Banchetto musicale, ob
als musikalisches Tafel-Confekt oder Telemanns großformatige Musique
de table, die den finanzkräftigen europäischen Kennern zur Subscription
angeboten wurde.
Was gab es Schöneres, als gelungene Kompositionen für alle, die
Instrumente zur Verfügung hatten, zu so einem angenehmen Zweck
zur Verfügung zu stellen? Ein wenig war dadurch der Flüchtigkeit
des musikalischen Eindrucks Einhalt geboten, er konnte noch länger
nachhallen. Die Werke wurden wiederholt gespielt, der eine oder andere
Käufer studierte die Noten und vergnügte sich beim Nachspielen
mancher Komposition. Und der Genuss des Essens sowie die anstehenden
Gespräche wurden durch die Präsenz der Musiker nicht nur um
ein Vielfaches vermehrt, sondern merklich entspannt. Denn anders als
das Bild des gerühmten Malers oder der Gobelin an der Wand, anders
auch als die Gedicht- und Romanbände, die geduldig warten, bis man
sich ihrer annimmt, verlangt der Klang direkte Aufmerksamkeit. Er
verschwindet zugleich wieder mit seinem Erscheinen, und eine mitunter
bedeutende Zahl an Interpreten muss erst gewonnen werden,
damit er überhaupt zu hören ist. Seine Niederschrift ist ebenso wie
die Rezeptur eines Gerichts nur eine Handlungsanweisung, deren
Verwirklichung einem Ungeübten kaum je, oder wenn, dann nur mit
großer Mühe gelingen kann; – doch während gespielt wird, sind alle
einig in der Aufmerksamkeit.
Das verbindet, wenn man so will, die Musik mit den Meisterwerken,
die zum Verspeisen auf der Tafel landen, die nur in genau diesem
Moment zu bewundern, verkosten und genießen sind, selbst wenn die
Erinnerung daran noch viele Jahre anhalten mag. Und beim Bankett
ist tatsächlich die Kochkunst ein wenig im Vorteil, zu ihrem Genuss
hat man sich eingefunden. Nicht so in der Oper, wo das Publikum
damals mitunter sieben Stunden nicht genug bekommen konnte von
den wunderbaren musikalischen Darbietungen und nur deshalb einige
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Eike Rathgeber
kulinarische Stärkungen in die Loge serviert bekam. Im Parterre wurden
immerhin noch Erfrischungen gereicht, obwohl man dort mangels
Sitzgelegenheiten ohnehin viel beweglicher war. Dass es auf der Bühne
ebenfalls nicht nur um Liebe, Kampf und Ehre ging, sondern die
handelnden Figuren den dramatischen Knoten am festlich gedeckten
Tisch fortspinnen wollten, sieht man in vielen Werken – Rossini aber,
der musikalischste unter den Genießern, konnte sein Publikum auch
noch in der verworrensten Situation mit einer solch geistvoll perlenden
Musik beglücken, dass sich die Frage nach dem Champagner von
vornherein erübrigt.
Wie sieht es aber nun in unserer Gegenwart aus mit der Musik und
dem Essen? Was würde man zu einem der 18 kleinen futuristischen
Gänge von Ferran Adrià und seinen Nachfolgern servieren, das den alchimistischen
Meistern standhalten und gleichzeitig die dampfenden,
gefrorenen, kubistischen Köstlichkeiten in ihrer Wirkung bestärken
könnte? Wir würden uns scheuen, die Dinge gleichzeitig zu kombinieren,
daran besteht kein Zweifel, aber ließen sie sich aufeinander folgend
nicht doch sehr schön vereinen? Mit den vielen kunstvollen Miniaturen
vielleicht, die uns das 20. Jahrhundert zu seinem Beginn hinterlassen
hat, die an hermetischer Artifizialität den kleinen Konstrukten des
katalanischen Erfinders der Molekularküche sehr nahekommen? Oder
wäre musikalische Opulenz die spannendere Antwort zur Askese auf
dem Teller – weil eigentlich doch nur die ähnlich geartete Farbtiefe
von beidem zählte?
Viel einfacher lässt sich die Frage nach der musikalischen Begleitung
von fröhlichen Familienessen beantworten: Auch die schönste
selbstgebackene Pizza, das knusprigste Backhendl nimmt uns Unterhaltungsmusik
nicht übel und wäre mit dem, was die Hausmusik
zusammenbringt, völlig im Einklang – ob Schubert allerdings gern
daran teilnähme, wer vermag es zu sagen? Das bürgerliche 19. Jahrhundert
wollte von unserer Frage nichts mehr wissen, nachdem sich
die Kunst ihre Unabhängigkeit so mühevoll erkämpft hatte.
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Vom Schmausen und Klingen
Couperin jedenfalls übernahm sieben der acht zu seiner Wirkungszeit
ausgeschriebenen Stellen am Hofe Ludwig XIV. nicht und wohnte
weiterhin mit seiner Familie in der eigenen Wohnung nicht weit von
St. Gervais. Zuständig für die Musik zur Tafel in Versailles war zu
dieser Zeit sein Lehrer, Monsieur Michel-Richard Delalande, der die
erste Sammlung seiner Symphonies pour les Soupers du Roy 1703 niederschrieb.
Couperins prunkvolle Concerts Royaux waren deshalb auch nie
für den Speisesaal gedacht, sondern für die sonntäglichen Kammerkonzerte
der Jahre 1714 und 1715.
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Eike Rathgeber
Rezepte
Pain de Jambon
Schinkenbrot
Das Rezept entstammt den Aufzeichnungen auf Schloss Beauregard
(Loire) und war für ein kleines Nachtmahl bestimmt. 2
Zutaten
6 Eier, 250 g gehackter Schinken, 250 geriebener Gruyère
Zubereitung
Ofen auf 160°C vorheizen.
Eier trennen, Dotter, Schinken und Käse gut zu einer homogenen
Masse vermischen, eventuell nachwürzen, fest aufgeschlagenes Eiweiß
darunterheben. Eine Pudding- oder Kuchenform buttern und die
Masse hineinfüllen, glattstreichen und im Wasserbad goldgelb backen.
Brot anschließend auf eine Platte stürzen. Es kann kalt oder warm mit
einer Béchamelsauce gegessen werden.
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Vom Schmausen und Klingen – Rezepte
Joues de boeuf à l’ancienne
Geschmorte Ochsenbackerl
In Gasthäusern waren die Backerl eine geschätzte Speise, weil man
auf diese Weise auch die weniger teuren Teile des Ochsen schmackhaft
zubereiten konnte.
Zutaten
1,5 kg Ochsenbacken, pariert, 2 Zwiebeln, fein gehackt, Knoblauch,
Ingwer, fein gehackt, Röstgemüse (Karotten, Sellerie, Porree), fein
gewürfelt, Rotweinessig, 2 l Rotwein, Brühe,
Pfefferkörner, Piment, Koriander (Gewürze in trockener Pfanne angeröstet,
grob zermörsert), Lorbeer, 1 EL Zucker, 2 Tomaten, Salz,
Pfeffer
Zubereitung
Ofen auf 180°C vorheizen.
Ochsenbackerl in etwas Öl und Butter anrösten, aus dem Topf heben
und zur Seite stellen. Röstgemüse, Zwiebeln,
Ingwer, Knoblauch im Bratensatz langsam anschmoren, Gewürze hinzufügen
und den Zucker schmelzen.
Mit Essig ablöschen, einkochen lassen.
Ochsenbackerl zurück in den Topf geben, mit 2 Gläsern Wein glacieren,
einkochen lassen. Vorgang wiederholen. Den restlichen Wein und
die Brühe aufgießen, bis das Fleisch bedeckt ist.
Den Topf in den Ofen geben und ca. 1,5 Std. offen schmoren lassen.
Mit der Fleischgabel die Zartheit prüfen. Das Fleisch darf nicht zu
lange braten, sonst zerfällt es.
Fleisch herausheben, warmhalten, den Fond abseihen und die Sauce abschmecken.
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Eike Rathgeber
Coings au four
Gebackene Quitten
Die im Ofen gebackenen Quitten gehören vermutlich – ähnlich den
Bratäpfeln – zu den ältesten Zubereitungsarten dieser Frucht und sind
ein wunderbar aromatisches Gericht.
Zutaten
4 Quitten, gesäubert, halbiert, Kerngehäuse entfernt, 1 Zimtstange,
4 Nelken, ¼ l Rotwein, 250 g Zucker, 100 ml Wasser
Zubereitung
Ofen auf 200°C vorheizen.
In einer passenden Gratinierform die Hälfte des Zuckers streuen, die
Quittenhälften mit der Hautseite nach oben daraufsetzen. Wein, Wasser
und Gewürze vermischen und über die Früchte geben, zum Schluss
den restlichen Zucker darauf streuen. Ca. 1 Std. im Ofen backen (je
nach Größe der Früchte), mit Schlagobers warm servieren.
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Ein Salzfass für François
Ein Salzfass für François
Cellini zum 450. Todestag
Saliera (Paris, 1540–1543), Salzfass von Benvenuto Cellini
Natürlich braucht man keinen besonderen Anlass, um von der Saliera
zu erzählen, aber nachdem ohnehin alle Vorhänge geschlossen und die
Tore gesperrt bleiben, kommt mir der 450. Todestag ihres Schöpfers
dazu gerade recht. Unser Radius hat sich schon so weit verkleinert, dass
nichts anderes zu tun bleibt, als es den alten Forschern gleichzutun, die
mithilfe geschliffener Gläser, ganz ohne sich selbst zu bewegen, zu
den scheinbar verborgenen Schätzen ihrer Umgebung vorgedrungen
sind. Deshalb gilt es nun, Benvenuto Cellini, der vor über 450 Jahren,
am 13. Februar 1571 in seiner Heimatstadt Florenz verstarb, und sein
Prunkstück der Kunstkammer, das alle Unbilden seiner abenteuerlichen
Existenz bisher mit ungetrübter Heiterkeit überstanden hat,
genauer zu betrachten.
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Eike Rathgeber
Im Gegensatz zum Eindruck, den sein chef d’oeuvre erweckt, war Cellini
bekanntermaßen gefährlich explosiv. Ja, sogar mit dem Soldatenberuf
kokettierte er zunächst, wie wir aus seiner abenteuerlichen Autobiographie
erfahren, denn er hatte die Plünderung Roms durch Karl V. und
seine Soldateska im Jahr 1527 mit einigem Erfolg als Bombardier an
den Kanonen der Engelsburg auf Seiten des Papstes überstanden. 1
Für stille Einkehr war in diesem Leben also nicht viel freie Zeit,
es sei denn in den Monaten der Kerkerhaft, die er nach der vergeblichen
Verteidigung der Engelsburg gegen Karl V. zu überstehen hatte.
Wofür – so fragt man sich unweigerlich bei diesen Räubergeschichten
– brauchte irgendjemand just in dieser Zeit ein solches Salzfass? Noch
dazu, wo ringsum die Welt in Krieg und Elend versank, regelmäßige
Pestwellen die Städte entvölkerten und unzählige Menschen in Armut
und Hunger starben.
Gerade damals jedoch, so Georges Duby, als ein Sommer ohne marodierende
Kriegsbanden als ein Geschenk des Himmels galt, kultivierten
die Fürsten Europas ihren höfischen Traum von einer zauberhaften
Kunstwelt, die für die Zeit des Innehaltens alles vergessen und ungeschehen
machte. 2 Und vielleicht ist ja die kleine goldene Skulptur, die Cellini
zwischen 1540 und 1543 für den französischen König Franz I. schuf, eine
der letzten Ausformungen dieses Traums inmitten des Schlachtengetümmels.
Angesichts eines so makellosen Werkes konnte man sich vielleicht
doch noch der von Gott gesetzten Ordnung versichern.
Die Saliera ist auch nicht das einzige Objekt dieser Art, ein wahrer
Wettkampf um die erlesensten Kompositionen hatte eben erst begonnen.
Und fast alle dieser Artefakte hatten auch entweder eine sakrale
Funktion – sei es bei der Andacht, wie die mit Edelstein gefassten Reliquiare
oder die kleine flämische Betnuss, an deren Figuren ihr unbekannter
Meister 18 Jahre lang geschnitzt hatte, 3 oder aber – und das ist
die weltzugewandte Seite dieser Kunst – sie begleiteten die Tafel ihrer
Auftraggeber, als Schaustücke, Werkzeuge oder Klangkunst. Ganz
ohne Auftrag, wie symbolisch auch immer, war keines unter ihnen.
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Ein Salzfass für François
Ganze Heerscharen von Bediensteten waren tagein tagaus beschäftigt,
das Umfeld des gemeinsamen Tafelns auszustatten und anzurichten – in
Holz und Emaille, Gold und Silber, gewebt mit glänzenden Fäden, an
der Wand und auf dem Boden, der den Tisch umgab –, all jenes, das
dem Auge und dem Ohr des Betrachters zu dienen hatte und das den
kulinarischen Genuss bereithielt.
Dafür wurden die ausgefallensten Kompositionen gesucht, dargeboten
in der Gesellschaft von Kunstliebhabern und Mäzenen, die ihren
teuer erworbenen Schmaus mit Andacht verzehrten, auf Podesten
präsentierten und ihn auf ihren Reisen mit sich führten. Der Zug von
18.000 Menschen, der den rastlosen französischen König begleitete,
war nicht zum geringsten Teil mit Prunkgeschirren und Kochwerkzeugen
bestückt, ebenso wie mit dem großen Instrumentarium der
Hofkapelle(n), das für den Alltag der Fürsten von der Frühmesse bis
zum nächtlichen Konzert unverzichtbar war. Dem kostbaren Salzfass
vergleichbar waren die Prunkcodices der Bußpsalmen von Orlando di
Lasso, die Hans Mielich für den Münchner Herzog Albrecht V. anfertigte,
der sich zum Konfekt als Krönung der festlichen Speisefolge
eine neue Motette seines Komponisten aufführen ließ. 4 Dabei war der
finanzielle Aufwand für die Musiker natürlich nicht geringer als der
für die bildenden Künstler, und manch einer der Auftraggeber ruinierte
seine Staatsfinanzen damit für alle Zeiten. Den Preis für das
waghalsigste musikalische Experiment gewann um 1570 aber schließlich
der englische Komponist Thomas Tallis mit seiner 40-stimmigen
Motette Spem in alium, die der Duke of Norfolk vermutlich im Turm
der Burg seines Schwiegervaters, des Earl of Arundel, vorführen ließ,
um das betörende Zirkulieren des Klangs noch intensiver erleben zu
können. 5 Um diese Zeit scheint auch die Saliera wieder auf, die gerade
eben dem Einschmelzen für die Kriegskasse Karls IX. entgangen war. 6
Purer Zufall mag es gewesen sein, dass dieser sich entschloss, sie neben
anderen Preziosen seinem Prokurator in Heiratsangelegenheiten,
Ferdinand II. von Tirol, zu übergeben, dessen bürgerliche Gemahlin
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Eike Rathgeber
Philippine Welser alle, die an ihrer Tafel Platz nahmen, mit kulinarischer
Meisterschaft beglückte.
Das goldene Salzfass nun ist zwar aus fester Materie, doch keineswegs
so unzugänglich, wie ihre Verwahrung hinter Glas vermuten
ließe. Die Saliera ist sogar sehr präsent im Hier und Jetzt, ihr Meer ist
aufgewühlt, die Vielzahl der abgebildeten Personen wirken lebendig,
sind voller Symbole und Zuschreibungen, auch wenn die beiden Protagonisten,
Neptun (als Symbol für das salzhaltige Meer) und Kybele (als
Verkörperung der Erde) mit sinnlich aufgeladener Nonchalance über
allem ruhen. Nobile sprezzatura würde Castiglione dazu angemerkt
haben, denn ihre Haltung ist ungezwungen, ruhig, doch nicht fern,
aufmerksam, aber nicht bemüht. Und der Rhythmus, der in diesem
Oval zirkuliert, ist von auffallender Regelmäßigkeit. Dabei dürfen die
beiden Protagonisten ruhen, ihre Umgebung allerdings nicht, sie ist
als Zentrum der fürstlichen Tafel gedacht, an der sich die beteiligten
Personen in eben dem Rhythmus von Zuwendung und Zurückhaltung
choreographisch einzufügen hatten. Dass in ihrem Fuß zudem
acht Kugeln eingelassen sind, die zum Vergnügen ihres Schöpfers das
Salzfass von einem Ende des Tisches zum anderen rollen konnten, war
der Beginn einer solchen Mode von Tischautomaten, die sich rasch
über den Kontinent verbreitete.
Und Benvenuto Cellini, der zunächst als Musiker ausgebildet wurde,
hatte nicht nur Erfahrung als Zuschauer bei diesen hochherrschaftlichen
Banketten, sondern wirkte selbst als Cornettist (Zink spielend)
bei einer Tafelmusik für den neu ernannten Medici-Papst, Clemens VII.,
am 15. August 1523 im Ensemble mit. Die Musiker unter Giangiacomo
da Cesena probten eine Woche lang täglich zwei Stunden, um „mehrere
sehr schöne Motetten“ vorzutragen und konnten damit den Gastgeber
offenbar überzeugen, denn Clemens nahm den jungen Mann in
seine Dienste. 7 Wir wissen nicht, welche Motetten gespielt wurden,
doch die Form war gleichsam prädestiniert, um Aufbauten aus Gold
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Ein Salzfass für François
und Silber oder Skulpturen aus Zucker, für die auch Bernini später
Entwürfe anfertigte, zu begleiten. Sie bot die notwendige Freiheit in
der Gestaltung, nicht nur für den Komponisten, sondern auch für die
Musiker, und wenn Sänger zur Verfügung standen, dann konnten die
Tafelgäste sich dadurch gleich der schönen Literatur zuwenden. Oftmals
stammten die Verse von den Speisenden selbst, darunter auch von
Franz I., dessen Gedichte nun – 15 Jahre nach ihrer Entstehung – allerdings
nicht mehr als „italienische“ Motetten, sondern als französische
Chansons vertont wurden, am liebsten durch den Hofkomponisten
Claudin de Sermisy, wie die berühmte vierstimmige Bien heureuse nach
Petrarca. 8 Im Prolog zum IV. Buch des Gargantua schildert Rabelais,
unter demselben königlichen Schutz wie die Reihe der prominenten
„Musici“, die er namentlich aufzählt, „in einem geheimen Lustgärtlein
unter grünen Lauben, vor einem Wall von Flaschen, Schunken, Pasteten
und diversen schmucken Schopflerchlein anmuthiglich im Chorus
singen.“ 9
Dabei handelte es sich allerdings eher um die intimen Dîners unter
Mitgliedern des Hofes, die zu jedem Gang an musikalischen oder
auch einmal szenischen Darbietungen, an Poesie und Spiel sowie an
Danceries teilnahmen, gespielt aus den ersten Musikdrucken von Pierre
Attaingnant. Und gern verfolgte man die solistischen Vorführungen
auf der Laute zwischen den einzelnen Speisetrachten mit und ohne
Sängern, zuweilen auch durch größere Ensembles von Flöten oder
Gamben, im von Francesco Primaticcio gestalteten und von Franz I.
hochgeschätzten Ballsaal des Schlosses Fontainebleau.
Das Protokoll bei Festbanketten zu Ehren familiärer Ereignisse
wie Geburten, Taufen und Hochzeiten oder dasjenige bei politischen
Zusammenkünften, bei denen die Geschehnisse rund um die festliche
Tafel rasch durch besondere Druckwerke weitergetragen wurden,
war ungleich strenger. Clarini (Fanfaren) verkündeten dann die festlichen
Einzüge von Personen ebenso wie aufgetragene Speisen oder
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Eike Rathgeber
François I. zu Pferd (1540), Illumination Jean Clouet zugeschrieben
symbolische Schaubilder, jede Bewegung während eines solchen oft
mehrtägigen Festes wurde daher in altehrwürdigen Regularien, wie
der Goldenen Bulle, festgehalten.
Völlig verständlich also, dass der Wettkampf um den schönsten
Tafelschmuck auch Kulinarisches betraf, und damit die Superstars
unter den Köchen herausforderte. Unter ihnen war der vatikanische
Bibliothekar, Bartolomeo Sacchi, genannt Platina Cremonensis, dessen
Kochbuch De honesta voluptate et valetudine 1474 erstmals gedruckt
wurde, der berühmteste. 10
Das Werk wurde bereits zu seinen Lebzeiten in zahlreichen Auflagen
und Übersetzungen verbreitet, und die Leser erfreuten sich nicht
nur an dessen fabelhaften Berichten über die Herkunft von Früchten
und Tieren (nach Herodot), sondern besonders an der entsprechenden
Zurichtung von Kranichen und Pfauen („den man auf den Tisch bringen
möge, als lebt er“), 11 und von Pasteten und in Zucker gesponnenen
Früchten, die man zu solchen Anlässen servierte.
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Ein Salzfass für François
Benvenuto Cellini (1762), Zeichnung von Francesco Allegrini nach einer
Skizze von Giuseppe Zocchi (Serie di ritratti d’uomini illustri toscani,
con gli elogi istorici dei medesimi, 1766–1773)
Inzwischen sind die Kompositionen ebenso verklungen wie die kostbaren
Düfte von Zimt und Pfeffer in der Farce des ausgestopften
Pfaus, nur die Saliera überstand alles Ungemach ihrer erwünschten und
unerwünschten Ausflüge der vergangenen gut 480 Jahre, wenn auch
von allem Zeremoniell entbunden. Franz I. wird sie selbst wohl nicht
sehr oft am Tisch zum Rollen gebracht haben, nachdem er statt ihrer
sein verschließbares Tafelschiff, le nef du roi, mit Besteck und Salz verwenden
musste, das zuvor allen Prüfungen gegen Vergiftungen und
anderes Ungemach standgehalten hatte. Das Salzfass Cellinis freilich
begleitete zumeist nur Friedensschlüsse, die Kriege dieser Zeit wurden
abseits der Tafel geführt.
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Eike Rathgeber
Rezepte
Huitres gratinées
Überbackene Austern
Austern galten seit jeher als besonderer Auftakt festlicher Bankette
und wurden für lange Zeit nur gegart verzehrt.
Zutaten
24 Austern, 1 Schalotte, 200 ml Weißwein, 100 g Schlagobers, 2 Eidotter,
Safran, Semmelbrösel, Pfeffer
Zubereitung
Die Austern öffnen, vorsichtig aus der Schale lösen, dabei sowohl die
untere Schalenhälfte als auch das Austernwasser aufheben.
In einer kleinen Pfanne die feingehackte Schalotte mit dem Weißwein
aufkochen, nach 30 Sek. die Austern ganz kurz mitgaren. Austern
vorsichtig herausheben und in die gereinigten Austernschalen geben.
Den durchgeseihten Kochsud auf dem Feuer um die Hälfte reduzieren.
Obers und Safran hineingeben und auf ein Drittel reduzieren. Vom
Feuer nehmen und die verschlagenen Dotter mit dem Schneebesen
darin schaumig schlagen. Pfeffern und die Austern damit bedecken.
Brösel auf den Austern verteilen und kurz übergrillen.
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Ein Salzfass für François – Rezepte
Pied de porc à la Sainte-Menehould
Gratinierte Schweinshaxerl
Diese altehrwürdige Speise genießt bis heute legendären Ruhm, nicht
zuletzt deshalb, weil Ludwig XVI. auf seiner Flucht von den Revolutionären
gefangen wurde, während er in Sainte-Menehould just auf
dieses Gericht wartete.
Zutaten
Für die Lauge: 1 kg Salz auf 5 Liter Wasser, ein Glas Essig, Wacholderbeeren,
Pfeffer, 1 EL Zucker und nach Möglichkeit 50–100 g Pökelsalz,
damit die Farbe hübscher bleibt
4 Schweinshaxerl, halbiert, 3 Karotten, 2 Stangen Sellerie, 2 Zwiebeln
mit Nelken gespickt, 1 Knoblauchzehe, 3 Lorbeerblätter, 1 TL Pfefferkörner,
1 TL Wacholderbeeren (angedrückt), Bouquet garni aus Thy-
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Eike Rathgeber
mian, Petersilie, Rosmarin, 2 Liter Weißwein, 1/8 Liter Weißweinessig,
Salz
Zum Panieren: 2 Eier, Mehl, Semmelbrösel, Butter
Zubereitung
Die Lauge mit den angegebenen Zutaten aufkochen und abkühlen
lassen. Schweinshaxerl in kaltem Wasser blanchieren, waschen und
idealerweise für zwei Tage in der Lauge liegen lassen – kühl stellen.
Die halbierten Schweinhaxerl gut waschen und am besten in Gaze fest
einwickeln, damit sie nicht zerfallen. Bouillon mit den angegebenen
Zutaten vorbereiten, Fleisch einlegen und im Sud mind. 4 Stunden
sanft köcheln lassen. Danach vom Feuer nehmen und, wenn sie etwas
abgekühlt sind, aus der Bouillon heben.
Ursprünglich wurden die Hälften im Ganzen vorsichtig paniert und
im Ofen überbacken, man kann sie aber auch auslösen und in eine
Form pressen, beschweren und gut kühlen. Am nächsten Tag in Scheiben
schneiden, panieren und ausbacken oder kurz gratinieren.
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Ein Salzfass für François – Rezepte
Cotignac
Quittenkonfekt
Ein Rezept für Quittenkonfekt, das im Deutschen auch die Namen
Quittenbrot oder Quittenkäse trägt, und das bereits beim antiken Arzt
Galen unter dem Namen cotinatum auftaucht, findet sich im Mesnagier
de Paris (um 1393). 12 Franz I., so berichten die Chroniken, war ein leidenschaftlicher
Liebhaber dieser Süßigkeit, die er mit Tränen in den
Augen verspeiste. 13
Zutaten
1 kg Quitten, 500 g Honig, 2 Gl. Rotwein, 2 TL Gewürzmischung
für Hypocras (Gewürzwein): Ingwer, Galgant, Zimt, Muskat, Paradieskörner)
oder Quatre-épices
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