Walter Herrmann - Neuhauser Woche
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DoNNErSTAg, 15. NovEMBEr 2012 <strong>Neuhauser</strong> <strong>Woche</strong><br />
<strong>Neuhauser</strong> am<br />
Martinimarkt<br />
Was der Bauer nicht kennt, das<br />
frisst er nicht, lautet ein Sprichwort,<br />
aber diese Wahrheit wurde<br />
am Schaffhauser Martinimarkt von<br />
den <strong>Neuhauser</strong>n Marcel Theiler<br />
und Florian Fröhlich an ihrem Stand<br />
mit «Caramel au Beurre Salé» ausgehebelt.<br />
«Es läuft unglaublich<br />
gut», sagte Marcel Theiler. Und<br />
tatsächlich: Die Kunden standen<br />
Schlange und rissen den beiden<br />
jungen Männern die Ware buchstäblich<br />
aus den Händen. «Was machen<br />
Sie damit?», fragten wir eine<br />
Frau. Sie wisse es nicht, sagte sie,<br />
sie kenne das Produkt nicht. «Das<br />
probieren wir jetzt einmal aus»,<br />
sagte ihr Mann.<br />
Das Rezept, so Marcel Theiler,<br />
stamme aus der Bretagne. In die<br />
Region gebracht hat es Florian<br />
Fröhlich, der bei Louis Vuitton in<br />
Paris als Designer arbeitet und<br />
neue Taschen und weiteres Handgepäck<br />
entwickelt. «Wie fühlt sich<br />
das an in der grossen Metropole?» –<br />
«Am Anfang war es stressig, aber<br />
mittlerweile fühle ich mich gut.»<br />
Die gesalzene Caramelbutter<br />
wird übrigens in Schaffhausen hergestellt.<br />
Man kann damit zum Beispiel<br />
einen Apple Crumble garnieren,<br />
und zwar indem man den<br />
noch warmen Crumble vor dem<br />
Servieren mit der Butter garniert,<br />
sodass sie dort schmilzt und ihr<br />
Aroma verteilt. Alfred Wüger<br />
Florian Fröhlich (links) und Marcel<br />
Theiler. Bild: Alfred Wüger<br />
Der Herbst und seine Prozesse<br />
Wir betrachten die Natur, und wir staunen. Nicht weniger<br />
staunt man, wenn man etwas mehr über die Prozesse,<br />
die die Pflanzen im Herbst durchlaufen, erfährt.<br />
Herbst: eine dynamische Jahreszeit! Jakob <strong>Walter</strong><br />
Die Blätter verfärben sich und<br />
fallen dann ab. Für einige ist das<br />
Anlass zu Stimmungsbildern oder<br />
poetischen Ergüssen, für Naturkundler<br />
öffnet es einen ganzen<br />
Fächer von Fragen: Wozu der Laubfall<br />
vor dem Winter? Weshalb die<br />
Verfärbung? Und was ist mit den<br />
Pflanzen, die ihr Laub behalten?<br />
Der Reihe nach: Winter bedeutet<br />
für Pflanzen Stress. Sie<br />
haben jedoch die Fähigkeit und<br />
hatten genügend Zeit, sich daran<br />
anzupassen. Aber Anpassung bedeutet<br />
immer auch Aufwand –<br />
Energie, Nährstoffe, Risiko; dieser<br />
Aufwand muss sich lohnen,<br />
sonst wird sie für die Pflanze zum<br />
Nachteil gegenüber ihrer Konkurrenz.<br />
Offenbar ist Kälte kein unlösbares<br />
Problem, sonst hätten nicht so<br />
viele Pflanzenarten die Fähigkeit<br />
entwickelt, Nadeln oder Laub auch<br />
im Winter zu behalten. Schwieriger<br />
ist die Trockenheit. Ja, für Pflanzen<br />
ist der Winter Trockenzeit, denn sie<br />
können weder die gefrorene Bodenfeuchtigkeit<br />
noch den Schnee auf<br />
ihren Zweigen aufnehmen. Es ist<br />
kein Zufall, dass unsere immergrünen<br />
Pflanzen allesamt derbe<br />
Blätter haben, durch deren Oberfläche<br />
nur wenig Wasser verdunstet;<br />
so lässt sich am ehesten ein<br />
Gleichgewicht mit dem geringen<br />
Nachschub an Wasser erreichen.<br />
Aktuell zur Jahreszeit 7<br />
Herbstfarben sind das Ergebnis des Stoffwechsels der Pflanzen. Bild: Jakob <strong>Walter</strong><br />
Im Sommer verdunstet das Blattwerk<br />
eines grossen Laubbaumes<br />
mehrere Hundert Liter Wasser pro<br />
Tag; auch wenn bei Kälte die Verdunstung<br />
geringer ist, könnte der<br />
Baum diese Menge unmöglich ersetzen.<br />
Der Baum sichert sich also mit<br />
dem Laubfall gegen das Verdursten<br />
im Winter und erspart sich den Aufwand,<br />
sein Blattwerk frostbeständig<br />
zu machen. Weitere Vorteile<br />
sind, dass kahle Äste der Schneelast<br />
eher standzuhalten vermögen und<br />
dass mit dem Herbstlaub eine Menge<br />
von Schädlingen abgeworfen wird,<br />
die an den Blättern saugen oder<br />
knabbern. Der Aufwand, das ganze<br />
Laub abzuwerfen und im nächsten<br />
Frühling neu zu bilden, wirkt weniger<br />
riesig, wenn man bedenkt, dass<br />
Blätter nur eine beschränkte Lebensdauer<br />
haben – Tannnadeln etwa<br />
«funktionieren» ein halbes Dutzend<br />
Jahre, dann sind sie beschädigt,<br />
ihre Atemöffnungen verstopft, ihr<br />
Inneres angefüllt mit Stoffwechselabfällen;<br />
hier geschieht der Ersatz<br />
durch frische Nadeln einfach nicht<br />
in einer spektakulären Aktion, sondern<br />
während des ganzen Jahres.<br />
Und die Herbstfarben? Sie sind<br />
nicht einfach die unumgänglichen<br />
Farben des Todes; wenn Sie im<br />
Sommer einen beblätterten Zweig<br />
abschneiden, nehmen die Blätter<br />
keine Herbstfarben an und fallen<br />
auch nicht ab. Was im Herbst geschieht,<br />
ist vielmehr ein wohlvorbereiteter<br />
Vorgang, bei dem die<br />
Pflanze auch ihre Abfallstoffe loswird<br />
– sie kann das ja nicht mit dem<br />
Gang aufs WC erledigen. Schon<br />
<strong>Woche</strong>n im Voraus werden Stoffwechselabfälle<br />
in die Blätter transportiert<br />
und wertvolle Mineralien<br />
wie das Magnesium im Blattgrün<br />
(Chlorophyll) aus den Blättern zurückgeholt;<br />
diese chemischen Veränderungen<br />
sind der Grund für die<br />
Verfärbung des Laubes.<br />
Auch das Ausbilden der Bruchstelle<br />
am Blattstiel ist ein Vorgang,<br />
der längere Zeit benötigt. Und weil<br />
die Pflanze Wasser als Transportmittel<br />
für ihre Inhaltsstoffe braucht,<br />
kommt es gelegentlich vor, dass ein<br />
sehr trockener Herbst die Verfärbung<br />
des Laubes und den Blattfall<br />
um <strong>Woche</strong>n verzögert.<br />
Es ist übrigens nicht die Kälte,<br />
die den Pflanzen das Signal gibt –<br />
würden sie auf den ersten Frost<br />
warten, kämen sie zu spät –, sondern<br />
die Taglänge. Das Verhältnis<br />
zwischen Hell und Dunkel zeigt den<br />
Pflanzen die Jahreszeit an (und<br />
wird auch zur Manipulation eingesetzt,<br />
etwa damit die Weihnachtssterne<br />
ihre roten Lockblätter auf<br />
Weihnachten hin ausbilden); die<br />
Steuerung durch den Hell-Dunkel-<br />
Rhythmus erkennt man gelegentlich<br />
im Winter, wenn unter einer<br />
Strassenlaterne ein Ast eines sonst<br />
kahlen Baumes seine Blätter noch<br />
trägt.<br />
Auch wenn man die Vorgänge<br />
kennt – stimmungsvoll ist der<br />
Herbst in jedem Fall. Vielleicht sogar<br />
noch stimmungsvoller.